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Rheol. Acta 18, 151 -167 (1979) © 1979 Dr. Dietrich Steinkopff Verlag, Darmstadt ISSN 0035-4511 / ASTM-Coden: RHEAAK Abteilun9 für Krankheiten der Bewegungsorgane und des Stoffwechsels (Leiter." Prof. Dr. med. F. Hartmann), Department Innere Medizin der Medizinischen Hochschule Hannover, und Institut Jür Chemische Technologie (Leiter." Prof. Dr. J. Klein) der Technischen Universität Braunschweig Rheologie pathologischer Gelenkflüssigkeiten. 1. Weitere Ergebnisse zur Viskoelastizität*) H. Zeidler, S. Altmann, B. John, R. Gaf/ga und W.-M. Kulike Mit 9 Abbildungen und 8 Tabellen (Eingegangen am 17. November 1978) Symbole und Abkürzun9en D DK tk S ~o TN ~ ~11--~22 Go G* G' G" 6 d f L Aia dTA A1 AT r m s p n.s. Schergeschwindigkeit D-Koordinate des Tangentenschnitt- punktes Knickzeit Steigung des geradlinigen Anteils der Fließkurve scheinbare Viskosität mittlere Viskosität bei D = 102 s- 1 Anfangsviskosität, Nullviskosität Endviskosität 1. Normalspannungsdifferenz Ruheschermodul komplexer (dynamischer) Schermodul Speichermodul Verlustmodul Winkelgeschwindigkeit Winkel der Phasendifferenz Kegelwinkel Durchmesser von Kegel und Platte des Meßsystems Frequenz der vorgegebenenOszillation Eigenfrequenz des Torsionskopfes Amplitude der Eingangsschwingung Amplitude der Ausgangsschwingung axiale Bewegung der Schneckenwelle Bewegung des Torsionskopfver- minderers Grenzviskositätszahl (Staudinger- Index) Verhängungszahl Korrelationskoeffizient Mittelwert Standardabweichung Signifikanzniveau nicht signifikant ~ p > 0,05 1. Einleitung In einer früheren Mitteilung haben wir bereits (anhand von Anlaufmessungen) der Ruhescher- modul Go zur Berechnung der Anzahl moleku- larer Verhängungen bestimmt wurden (1). Da- mals wählten wir eine Einteilung in nichtent- zündliche und entzündliche Gelenkpunktate aufgrund der Leukozytenzahl und des Differen- tialbildes, um die Ergebnisse bezüglich ihres diagnostischen Aussagewertes beschreiben zu können. Jetzt wurden die Kniegelenkspunktate nach den klinischen Diagnosen unterteilt und die Untersuchungen dahingehend erweitert, daß die Anfangsviskosität ~o bestimmt sowie in einigen Fällen den Scherexperimenten sog. dy- namische Messungen gegenübergestellt wurden. Besonders wichtig erschien es, die Meßergeb- nisse der pathologischen Gelenkpunktate mit normaler menschlicher Synovia zu vergleichen, um Art und Schwere der krankhaften Verände- rungen beurteilen zu können. Aus dem gleichen Grunde wurden auch Konzentrierungsversuche pathologischer Synoviaproben durchgeführt. 2. Methodik 2.1. Patientengut und Synoviabestimmun9 Aus einem normalen Kniegelenk lassen sich nur sehr geringe Mengen Synovia entnehmen. Aus diesem Grunde diente als ,normale Syn- ovia" eine gepoolte Probe aus 6 Punktaten, die maximal 9 Stunden post mortem aus Knie- gelenken von Patienten ohne Gelenkerkrankung gewonnen wurden. Die Punktionsmenge pro über rheologische Untersuchungen pathologi ....... *) Auszugsweise vorgetragen auf der Jahrestagung scher Gelenkflüssigkeiten berichtet, Wobei vis- der Deutschen Rheologischen Gesellschaft:-inBerlin koses Fließverhalten, Normalspannungen und vom 8.-10. Mai 1978. 509
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Rheologie pathologischer Gelenkflüssigkeiten

Jan 23, 2023

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Page 1: Rheologie pathologischer Gelenkflüssigkeiten

Rheol. Acta 18, 151 -167 (1979) © 1979 Dr. Dietrich Steinkopff Verlag, Darmstadt ISSN 0035-4511 / ASTM-Coden: RHEAAK

Abteilun9 für Krankheiten der Bewegungsorgane und des Stoffwechsels (Leiter." Prof. Dr. med. F. Hartmann), Department Innere Medizin der Medizinischen Hochschule Hannover, und

Institut Jür Chemische Technologie (Leiter." Prof. Dr. J. Klein) der Technischen Universität Braunschweig

Rheologie pathologischer Gelenkflüssigkeiten. 1. Weitere Ergebnisse zur Viskoelastizität*)

H. Z e i d l e r , S. A l t m a n n , B. John, R. G a f / g a und W.-M. K u l i k e

Mit 9 Abbildungen und 8 Tabellen

(Eingegangen am 17. November 1978)

Symbole und Abkürzun9en

D DK

tk S

~o

T N ~ ~ 1 1 - - ~ 2 2

Go G* G' G"

6

d

f L Aia dTA A1 AT

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Schergeschwindigkeit D-Koordinate des Tangentenschnitt- punktes Knickzeit Steigung des geradlinigen Anteils der Fließkurve scheinbare Viskosität mittlere Viskosität bei D = 102 s- 1 Anfangsviskosität, Nullviskosität Endviskosität 1. Normalspannungsdifferenz Ruheschermodul komplexer (dynamischer) Schermodul Speichermodul Verlustmodul Winkelgeschwindigkeit Winkel der Phasendifferenz Kegelwinkel Durchmesser von Kegel und Platte des Meßsystems Frequenz der vorgegebenen Oszillation Eigenfrequenz des Torsionskopfes Amplitude der Eingangsschwingung Amplitude der Ausgangsschwingung axiale Bewegung der Schneckenwelle Bewegung des Torsionskopfver- minderers Grenzviskositätszahl (Staudinger- Index) Verhängungszahl Korrelationskoeffizient Mittelwert Standardabweichung Signifikanzniveau nicht signifikant ~ p > 0,05

1. Einleitung

In einer früheren Mitteilung haben wir bereits

(anhand von Anlaufmessungen) der Ruhescher- modul Go zur Berechnung der Anzahl moleku- larer Verhängungen bestimmt wurden (1). Da- mals wählten wir eine Einteilung in nichtent- zündliche und entzündliche Gelenkpunktate aufgrund der Leukozytenzahl und des Differen- tialbildes, um die Ergebnisse bezüglich ihres diagnostischen Aussagewertes beschreiben zu können. Jetzt wurden die Kniegelenkspunktate nach den klinischen Diagnosen unterteilt und die Untersuchungen dahingehend erweitert, daß die Anfangsviskosität ~o bestimmt sowie in einigen Fällen den Scherexperimenten sog. dy- namische Messungen gegenübergestellt wurden.

Besonders wichtig erschien es, die Meßergeb- nisse der pathologischen Gelenkpunktate mit normaler menschlicher Synovia zu vergleichen, um Art und Schwere der krankhaften Verände- rungen beurteilen zu können. Aus dem gleichen Grunde wurden auch Konzentrierungsversuche pathologischer Synoviaproben durchgeführt.

2. Methodik

2.1. Patientengut und Synoviabestimmun9

Aus einem normalen Kniegelenk lassen sich nur sehr geringe Mengen Synovia entnehmen. Aus diesem Grunde diente als ,normale Syn- ovia" eine gepoolte Probe aus 6 Punktaten, die maximal 9 Stunden post mortem aus Knie- gelenken von Patienten ohne Gelenkerkrankung gewonnen wurden. Die Punktionsmenge pro

über rheologische Untersuchungen pathologi ....... *) Auszugsweise vorgetragen auf der Jahrestagung scher Gelenkflüssigkeiten berichtet, Wobei vis- der Deutschen Rheologischen Gesellschaft:-in Berlin koses Fließverhalten, Normalspannungen und vom 8.-10. Mai 1978. 509

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152 Rheolo9ica Acta, Vol. 18, No. 1 (1979)

Tab. 1. Anzahl der Kniegelenkspunktate, Diagnosen und Anzahl, Durchschnittsalter und Geschlechtsverteilung der Patienten

Diagnosen Zahl der Punktate

Zahl der Alter Geschlecht Patienten (m ± s) ~ ~)

I Chron. Polyarthritis 61 49 49 ± 15 19 30 Arthropathia psoriatica 6 4 46 ± 9 4

entzündliche Spondylitis ankylopoetica 3 3 22 ± 14 2 1 Gelenk- juvenile chron. Polyarthritis 1 1 16 1 erkrankungen Colitis ulcerosa 1 1 54 1

ungeklärte Arthritiden 23 23 42 ± 16 14 • 9

nicht- entzündliche Gelenk- erkrankungen

Kristall- synovitiden

95

I Meniskuslaesion 34 Arthrosen 8 Trauma 6 Chondropathia patellae 4 Neuroarthropathie 1 unklarer nicht-entzündlicher 16 Gelenkerguß

{ Chondrocalcinose Gicht

8t 16 41 40

33 10 2 9 4 8 18 3 5 6 23 6 4 14 4 1 1

16 14 12 4

69 68 38 ± 14 55 13

23 22 45 ± 16 11 11 6 6 41 ± 5 6

29 - 28 45 ± 14 17 1•

193 177 42 ± 15 113 64

47 +

34 ± 52 _+ 34 ± 38 _+ 44 39 ±

~ männlich ~ ~ weiblich

Gelenk betrug 0,5 bis I ml, das Durchschnitts- alter der Patienten 63 _ 7 Jahre.

Als pathologische Synovia wurden zu den bereits mitgeteilten 107 (1) weitere 86 Knie- gelenkspunktate untersucht. Die jetzige Aus- wertung der Ergebnisse bezieht sich auf alle 193 Punktate, wobei jedoch nur bei den neueren 86 Proben alle rheologischen Parameter gleich- zeitig bestimmt wurden.

Tabelle 1 gibt für alle Punktate eine Über- sicht hinsichtlich der klinischen Diagnosen, der Patientenzahl , des Durchschnittsalters und der Geschlechtsverteilung der Patienten.

Die Synovia wurde durch sterile Punktion gewonnen und innerhalb von 2 bis 4 Stunden bei 15000 U p M ( ~ 22000 g) zur Entfernung der Zellen und festen Bestandteile zentrifugiert. Der Überstand wurde in Port ionen zu ca. 3 ml bei - 25 °C bis - 30 °C gelagert.

2.3. Rheologische Messungen der Synovia

Die Untersuchungen wurden spätestens nach 3- bis 4-monat±ger Aufbewahrung des tiefgefrorenen Ma- terials durchgeführt, da bei längerer Lagerung eine Abnahme der Viskoelastizität eintritt.

Beim Auftauen der tiefgefrorenen Proben im Wasser- bad bei 37°C bildeten sich in einer Reihe von Fällen Ausflockungen, wie sie auch von anderen Autoren mitgeteilt und als Fibringerinnsel angesprochen wur- den (15, 28). Deshalb wurde gegebenenfalls nochmals für 10 Minuten bei 3500 UpM zentrifugiert. Änderun- gen der Viskositätsmessungen sind dadurch gegenüber frischen Proben nicht zu erwarten (15, 28).

Zur Eindickung der Synovia fand die von Ferôuson angegebene Methode (11) Anwendung. Mehrere Syn- oviaproben wurden zu einem Poolpunktat vereinigt und unter kontinuierlicher schwingender Bewegung in einer Hajoka-Kolbenschüttelmaschine unter Vakuum bei Zimmertemperatur auf die gewünschte Menge ein- gedickt (Dauer ca. 2 - 3 Stunden). Die rheologischen Messungen erfolgten sofort anschließend oder nach 12-24-stündiger Lagerung bei 4 °C.

2.2, H yaluronsäur e-K onzentr ation

Nach Auftauen der Proben bei Raumtemperatur wurde die Konzentration der Hyaluronsäure durch colorimetrische Bestimmung der Hexuronsäure nach Bitter und Muir (4) gemessen. Entsprechend der von Cohen etat. ,(9) angegebenen Vorbereitung wurde die Synovia mit Hyaluronidase verdaut und Proteine durch Trichloressigsäure-Fällung abgetrennt.

2.3.1. Scherexperimente

• Für die Mehrzahl der durchgeführten rheologischen Untersuchungen wurde ein Weißenberg-Rheogoniome- ter, Typ. R t 8, Fa. Sangamo Controls, mit einem Kegel/ Platte-Meßsystem eingesetzt. Der Durchmesser von Kegel und Platte betrug 7,5 cm, der Kegelwinkel 0,986 Grad. 2,5 bis 3 ml einer Synoviaprobe wurden in den Spalt zwischen Kegel und Plätte eingef'üllt, der Platten-

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Zeidler et al., Rheologie pathologischer Gelenkflüssigkeiten 153

abstand justiert und die Probe mit Hilfe eines Thermo- staten auf eine Meßtemperatur von 37°C erwärmt. Neben Schubspannungen wurden gleichzeitig Normal- spannungen in Form der 1. Normalspannungsdifferenz gemessen, sowie direkt im Anschluß daran an den- selben Proben durch Anlaufmessungen ein Scher- modul G o bestimmt.

Technische Einzelheiten des Gerätes und der Meß- verfahren sind früher bereits dargestellt (1). Der Meß- fehler bei wiederholter Untersuchung aliquoter Teile des gleichen Gelenkpunktates ist abgesehen von den Normalspannungsmessungen gering. So beträgt der Variationskoeffizient bei den Viskositätsmessungen 1%, bei den Normalspannungen 11% und bei den Anlaufmessungen 3 %.

Für die Bestimmung der Anfangs- oder Nullvisko- sität t/o waren Messungen mit sehr niedrigen Scher- geschwindigkeiten von 4,6 s -~ bis 2,9' 10 .3 s -~ er- forderlich. Hierfür wurde das nach dem Couette-Prinzip arbeitende Rotationsrheometer ,Low Shear 100" mit einem Rheomat 30 als Antriebseinheit (Fa. Contraves, Stuttgart) eingesetzt. Als Registriereinheit diente ein XY-Schreiber, Typ Contraves 3000 mit zeitpropor- tionalem Papiervorschub. Für eine konstante Meß- temperatur von 37 °C sorgte ein Lauda-Ultra-Thermo- star Typ K 2 Elektronik. Die Einfüllmenge betrug für das verwendete Meßsystem 1,5 ml Synovia. Bei mehr- facher Messung der Nullviskosität von aliquoten Teilen der gleichen Synoviaprobe beträgt der Variations- koeffizient 4%.

2.3.2. Mechanisch-dynamische M essungen

Bei dynamischen Messungen wird die untere Platte des Weißenberg-Rheogoniometers in eine oszillato- rische Bewegung versetzt. Die entstehende sinusförmige Spannung bewirkt ihrerseits eine sinusförmige Defor- mation der Flüssigkeit, deren Amplitude infolge der Vis- kosität verringert wird. Bei viskoelastischen Substanzen tritt aufgrund der Elastizität eine Phasenverschiebung auf. Praktisch mißt man einen komplexen (dynami- schen) Schermodul G*, der sich entsprechend dem elastischen Anteil aus einem Speichermodul G' (Real- teil) und entsprechend der Viskosität aus einem Ver- lustmodul G" (Imaginärteil) zusammensetzt. Für die einzelnen Komponenten ergibt sich folgender formel- mäßiger Zusammenhang:

G* = G ' + iG". [1]

Für den Absolutbetrag lautet die Beziehung:

I G*I = 1 / ~ + G "2 • [23

Das Verhältnis G"/G' = tan 5 wird als Verlusttangente bezeichnet, der Winkel der Phasenverschiebung 6 ent- sprechend als Verlustwinkel.

Für die Messungen wurde unter Berücksichtigung der Eigenfrequenz des Meßsystems nach der in der Betriebsanleitung des Weißenberg-Rheogoniometers (36) angegebenen Bestimmungsgleichung (D.22) der Speichermodul G' berechnet:

G'=2160~:'ATA23kTVl-(-~~)211[dyn/cm 2] A,A" d L ~ ' [3]

wo Œ den Kegelwinkel (= 0,986 Grad), d den Durch- messer der Platten (= 7,5 cm), fdie Frequenz der vor- gegebenen Oszillation (s-1), fù die Eigenfrequenz des Torsionskopfes (s-1), Õ die Phasendifferenz zwischen den 2 Platten bzw. den zwei registrierten Wellen, A rA den Maximalwert von A r (Ausgang) und A~a den Maximalwert von Ar (Eingang) bedeuten. G" errechnete sich aus dem Verhältnis G"/G' = tan 6. Die Eingangs- amplitude der auferlegten Schwingung betrug ca. 1,4 Grad, und die Schwingungsfrequenz bewegte sich zwi- schen 1,58- 10 . 2 und 15,8 Hz.

Für die Registrierung der Schwingungsabläufe fand ein 2-Kanal-UV-Schreiber Anwendung, der einen Pa- piervorschub von maximal 1,25 m/s erreicht. Ausge- wertet wurden jeweils mehrere Schwingungen aul einem Registrierstreifen und Mittelwerte gebildet.

2.4. Statistische Auswertun9

Als statistische Methoden kamen der Mittelwerts- vergleich mit dem T-Test und die Berechnung von Pearson-Korrelationskoeffizienten zur Anwendung. Alle Berechnungen wurden von Herrn H. Geerlings mit dem statistischen EDV-Programm SPSS (statistical package for the social sciences) in der Abteilung für Bio- metrie (Leiter: Prof. Dr. B. Schneider) des Department für Biometrie und Medizinische Informatik der MHH durchgeführt.

3. Ergebnisse

3.1. Scherexperimente

3.1.1. Fließkurven

Die Fließkurve der normalen, post mortem gewonnenen gepoolten Synoviaprobe zeigt bei sehr niedrigen Schergeschwindigkeiten D < 10- 2 s - 1 einen horizontalen Anfangsbe- reich mit konstanter Viskosität, die Anfangs- bzw. Nullviskosität ~/o bei D-~ 0 (Abb. 1). Bei

höheren Schergeschwindigkeiten fällt die Vis- kosität geradlinig ab. Der gestrichelt einge- zeichnete Bereich des Fließkurvenverlaufs wurde nicht erfaßt. Er dürfte jedoch im wesentlichen dem wahren Verlauf entsprechen, wenn man sich an den Fließkurven von pathologischen Gelenk- flüssigkeiten und Kunststoffpolymeren orien- tiert.

Die Fließkurven pathologischer Gelenkpunk- tate beginnen ebenfalls mit einem horizontalen, linearen Anfangsbereich, der bis zu Scherge- schwindigkeiten von ca. 10 o s-1 erhalten bleibt, um dann über einen Übergangsbereich gerad- linig abzufallen. Gegenüber der normalen Syn- ovia ist die Lage von t/o in den dargestellten Fällen um fast 3 Zehnerpotenzen niedriger und die Steigung der Fließkurven wesentlich flacher. Die Fließkurven beider pathologischer Gelenk-

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154 Rheolooica Acta, Vol. 18, No. 1 (1979)

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Zeidler et aL , Rheologie pathologiseher Gelenkflüssigkeiten 155

punktate verlaufen zufälligerweise fast identisch, obwohl es sich einerseits um eine entzündliche (Arthropathia psoriatica) und andererseits um nichtentzündliche (gepooltes Punktat von drei Meniskusläsionen) Gelenkerkrankungen han- delt.

Für die pathologischen Synoviaproben konn- ten zusätzlich Messungen mit einem Hoch- druckkapillarviskosimeter bei Schergeschwin- digkeiten bis zu D -- 2,4.10 » s-1 durchgeführt werden. Die Meßwerte schließen sich an die Meßwerte des Weißenberg-Rheogoniometers in Form einer geradlinig abfallenden Fließkurve an, wobei sich bei D > 10 » s-1 ein Übergang in einen horizontal verlaufenden Bereich an- deutet. Vergleichbare Messungen mit normaler Synovia konnten wegen der sehr großen Meß- menge von 50ml bisher nicht durchgeführt werden.

Eine alleinige graphische Darstellung ist für den Vergleich zwischen vielen verschiedenen Fließkurven der Synovia nicht geeignet. Es galt deshalb, eine vereinfachte zahlenmäßige Be- schreibung zu finden, die die wesentlichen Unterschiede des Fließkurvenverlaufs einer ma- thematisch-statistischen Analyse zugänglich macht. Folgende Größen wurden dafür ausge- wählt (Abb. 2):

1. Die Anfangsviskosität % als repräsentativer Wert für die Lage des Anfangsteiles der Fließ- kurve.

2. Eine von uns als ,Knickzeit" t K Is] be- zeichnete Größe, die ein Maß für den Übergang aus dem horizontalen in den linear abfallenden Kurvenbereich darstellt. Sie errechnet sich aus dem reziproken Wert der Schergeschwindigkeit (= 1/D~) im Schnittpunkt der beiden Tangenten.

log ?'

3. Die Steigung s (A log tf/A log D) des linear abfallenden Anteils der Fließkurve zwischen D = 36s -1 undD = 913 s -1.

4. Eine ,mittlere Viskosität" tl'~ bei D = 100 s - 1 als Maß für die Lage der Fließkurve im Scher- geschwindigkeits-Meßbereich des Weißenberg- Rheogoniometer.

Die genannten Größen werden, da sie den Fließkurvenverlauf charakterisieren, im folgen- den als ,Kenngrößen" bezeichnet. %, t/;, und tK wiesen eine schiefe Häufigkeitsverteilung auf, die jedoch durch Logarithmierung in eine Normalverteilung umgewandelt werden konnte. Damit war für die statistischen Vergleiche die Anwendung üblicher Tests möglich.

Bei chronischer Polyarthritis und anderen Arthritiden sind die Mittelwerte der Kenngrößen gegenüber der normalen Synovia stark patholo- gisch verändert (Tab. 2). Das gilt in gleichem Maße für die nichtentzündlichen Gelenkerkran- kungen und Kristallsynovitiden, wobei aller- dings in der Regel höhere Werte anzutreffen sind als bei den entzündlichen Gelenkerkran- kungen. Für alle Diagnosen und Diagnose- gruppen ist eine große Streuung und Über- schneidung der Werte erkennbar. Abbildung 3 zeigt die höchste, eine mittlere und die niedrigste Fließkurve bei chronischer Polyarthritis. Der niedrigste Fließkurvenverlauf zeigt nur noch sehr geringe Viskositätswerte und eine ganz schwach ausgebildete Scherabhängigkeit, die erst bei höheren Schergeschwindigkeiten D > 30 S-1 wirksam wird.

3.1.2. F ließkurven-N ormierung

Eine vollständige Charakterisierung der pa- thologischen Synovia ist durch eine einzige

Nullv iskosi tëf 7o

Knickzeif f*r = -~K

Steigung s - z~ log "7' - z31og D

Lage I = 7' bei (D=1OZ)= Y~,,

. . . . . . ~ i,~leg 7' ~~;: Lage I" i ~ --....

I Db D='lO z log D " - Abb. 2. Kenngrößen der Fließkurve

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156 Rheologica Acta, VoL 18, No. 1 (1979)

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Page 7: Rheologie pathologischer Gelenkflüssigkeiten

ZeMler et al., Rheologie pathologischer Gelenkflüssigkeiten 157

Fließkurve nicht möglich. Jeder Temperatur und jeder Konzentration entspricht eine eigene Fließkurve. Während die Temperaturabhängig- keit durch eine konstante Meßtemperatur von

37°C eliminiert wurde, ergaben sich bei der großen Zahl von Punktaten sehr unterschied- liche Hyaluronsäure-Konzentrationen und Ge- samtmengen pro Punktat (Tab. 3).

IO ~

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1 10 s.

10 ~

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. . . . . . i b -~ . . . . . . . i b - ' . . . . . . . i o ° . . . . . . . i b ' . . . . . . . i 6 ~ , , o i « ; J " ~0'~

Abb. 3. Fließkurven bei chronischer Polyarthritis (Maximum, Minimum und Mittelwert von n = 61) im Vergleich zur normalen Synovia

103

? '

[mPos ]

t 70 z.

10 ~

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(T = 37°C) Verd.

[ ] A r t h r o s e [12= 1.'0 = 158 m g / lOOml = 1 . ' 0 , 2 5 , 1 2 6 ù

, o j5 ~,o5 , {nicht entzündlich) == "i' -~ 79

FI=I:0 =137 • chron. Polyorthritis ~2= I.'0,5 ~ 91 ,

[entzündhch) L 3 = 1 : 2 45

[ 1 = 1 . ' 0 =175 , X Chondrocolcznose 1 2 = 1 : 0,25 .-~ 140

L 3 = 1 . ' 1 -~ 88

[] ×

. . . . . . . 1 0 ~ ' . . . . . . . 1 0 0 . . . . . . . 1 0 ~ . . . . . . . 1 0 2 . . . . . .

- - - - " - D [ se~ ' ]

Abb. 4. Fließkurven pathologischer Gelenkflüssigkeiten bei verschiedenen Verdünnungen

1bs

Page 8: Rheologie pathologischer Gelenkflüssigkeiten

158 Rheolo9ica Acta, Vol. 18, No. 1 (1979)

( T = 3 7 ° C )

1,o.

log % i 0,8.

0,6.

o,~

0,2 ~,o

[ ] A r t h r o s e (n icht entzündl ich) • chron. Polyor thr i t is (entzündl ich)

X Chondrocalcinose [en tzünd l i ch )

A no rma le Synov ia

I ~ 100 t I

. . . . . . . ~-J 2 -~ ~- 7 7 - ~ ~ ~ ~- 7

' 1 7,'s zo z~ 9;0

log D

Abb. 5. Master-curve mit Konzentra- tionsänderung von normaler und patho- logischer Gelenkflüssigkeit

U m eine von der Konzentrat ion unabhängige molekulare Größe aus den Fließkurven zu er- halten, hatten wir schon früher eine Normie- rungsmethode nach Vinogradov vorgestellt (1). Nach Erprobung verschiedener Normierungs- verfahren erwies sich jetzt für die pathologischen Synoviaproben eine Auftragung log t/'/log r/o vs. log D am günstigsten.

Zur Überprüfung dieses Normierungsverfah- rens haben wir drei Synovia-Punktate unter- schiedlicher Gelenkerkrankung mit physiolo- gischer Kochsalzlösung in mehreren Stufen ver- dünnt (Abb. 4). In den Proben, in denen an- nähernd gleiche Hyaluronsäure (HA)-Konzen- trationen vorhanden sind (z. B. Verdünnungs- stufe 4 bei Arthrose, Verdünnungsstufe 2 bei chronischer Polyarthritis und Verdünnungs- stufe 3 bei Chondrocalcinose), sind bereits deutliche Unterschiede im Fließkurvenverlauf erkennbar. In Abbildqng 5 sind die entsprechen- den master-curves aufgezeichnet, wobei sich für die einzelnen Meßpunkte eine maximale Abwei- chung von _+6% ergibt. Zusätzlich sind die

Meßwerte der normalen Synovia nach dem gleichen Verfahren dargestellt. Alle vier Kurven verlaufen getrennt voneinander, was auf kon- zentrationsunabhängige Unterschiede zwischen den Punktaten hindeutet. In die gleiche Richtung weisen die Beziehungen zwischen HA-Konzen- tration und master-curve. Während zwischen den einzelnen Kenngrößen der Fließkurven

- mit Ausnahme der Knickzeit tK - und HA- Konzentrat ion positive Korrelat ionen bestehen, fehlen diese tür die master-curves (Tab. 4).

Um die Normiërungskurven der vielen Punk- tate miteinander mathematisch-statistisch ver- gleichen zu können, bot sich aufgrund des geradlinigen Verlaufes im dargestellten Bereich (D = 36 - 913 s -1) als Größe eine Berechnung des Flächenmaßes zwischen master-curves und dem Ordinatenabschnitt 1,0 an. Dabei wurde der Abszissenabschnitt vereinfachend mit dem Wert 100 angenommen (Abb. 5).

In Tabelle 5 ist das Flächenmaß der master- curves der verschiedenen Diagnosen zusammen- gestellt. Der Unterschied zwischen den entzünd-

Tab. 4. Korrelationen der Konzentration und Gesamtmenge der Hyaluronsäure mit den rheologischen Para- metern der pathologischen Synovia

Hyaluronsäure-Konzentration alle Punktate chron. Polyarthritis r p r p

Menge Hyaluronsäure pro Punktat alle Punktate chron. Polyarthritis

In t/o +0,73 < 0,001 +0,72 < 0,001 n.s. n.s. In t/" +0,68 <0,001 +0,50 < 0,001 n.s. n.s. s +0,50 <0,001 +0,41 < 0,001 n.s. n.s. lntk n.s. - n.s. - n.s. n.s. master curve n.s. - n.s. - n.s. n.s. z N +0,67 <0,001 n.s. - n.s. n.s. In v +0,76 < 0,001 +0,73 < 0,001 n.s. n.s.

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ZeMler et aL, Rheologie pathologischer Gelenkflüssigke#en 159

Tab. 5. Flächenmaß der master-curve bei normaler Synovia, chronischer Polyarthritis und anderen Gelenk- erkrankungen

Anzahl der Flächenmaß Punktate

normale Synovia 1 58

entzündliche [ chronische Polyarthritis 32 31 _+ 7 ] Gelenk- l andere Arthritiden 7 25 _+ 6 I 30 _+ 7 erkrankungen ungeklärte Arthritiden 6 32 ± 6

nicht-entzündliche { Meniskuslaesionen 18 34_+10} Gelenk- Trauma 4 34 ± 12 35 ± 10 erkrankungen Arthrosen 3 42 ± 4

Kristallsynovitiden 8 28 ± 6

Tab. 6. Normalspannung r u (D = 574 s- 1) bei normaler Synovia, chronischer Polyarthritis und anderen Gelenk- erkrankungen

Normalspannung r n_ meßbar [Pa] nicht meßbar

normale Synovia n = 1 217,0 - - -

entzündliche [ chronische Polyarthritis n = 58 32,2 ± 26,7 n = 22 62% n = 36 Gelenk- l andere Arthritiden n = 11 14,6 _ 2,2 n = 3 73% n = 8 erkrankungen ungeklärte Arthritiden n = 16 11,2 + 7,1 n = 7 67% n = 11

nicht-entzündliche [ Méniskuslaesionen n = 32 34,1 ___ 33,2 n = 18 44% n = 14 Gelenk- l Trauma n = 4 33,2 ± 10,6 n = 4 0% n = 0 erkrankungen Arthrose n = 4 28,3 _ 13,1 n = 3 25% n = 1

Kristatlsynovitiden n = 28 33,9 _ 31,1 n = 13 54% n = 15

lichen Ge lenke rk rankungen (30 _+ 7) und den nichtentzündl ichen (35 + 10) ist nicht signifi- kant . Die Werte bei den Ar throsen liegen zwar deutl ich höher als bei den übrigen Gelenk- e rkrankungen , sind aber gegenüber der n o r m a - len Synovia wesentlich geringer.

3.1.3. Normalspannungen

In no rma le r und pa thologischer Synovia steigt die N o r m a l s p a n n u n g vN - in F o r m der 1. Normalspannungsd i f fe renz gemessen - mit zunehmender Schergeschwindigkei t an (Abb. 1). vN der pa thologischen Synovia ist um ein Viel- faches erniedrigt und im Gegensa tz zur n o r m a - len Synovia erst bei höheren Schergeschwindig- keiten meßbar . In vielen Fällen ist vN übe rhaup t nicht mehr meßbar .

I n Tabel le 6 sind die Mit te twerte der meß- baren N o r m a l s p a n n u n g e n bei D = 574 s -1 für die verschiedenen Diagnosen und Diagnose- g ruppen aufgeführt. Die Werte zeigen geringe, aber aufgrund der hohen St reuung nicht signi-

fikante Unterschiede. Das gilt in gleicher Weise für die etwas höheren Mit te lwerte bei den nicht- entzündl ichen Ge lenke rk rankungen gegenüber den entzündlichen. Bei der Differenzierung der Ge l enkpunk t a t e anhand der Zellzahlen sind die m e ß b a r e n ~N mit 2 9 , 3 _ 24,5 Pa (n = 43) bei den nichtentzündl ichen signifikant (p < 0,05) höher als bei den entzündl ichen mi t 20,3 _+ 16,9 Pa (n = 31).

N e b e n den m e ß b a r e n zN ist auch ein Vergleich der Häufigkei t der nicht m e ß b a r e n N o r m a l - spannungen interessant. Bei der Gesamthe i t der Punk ta t e sind N o r m a l s p a n n u n g e n nur in 50% der Fälle meßbar . Bei chronischer Polyar thr i t i s fehlt zN in 62%, bei den Meniskus läs ionen je- doch nur in 44% (19 < 0,05). Die entzündl ichen Ge lenke rk rankungen haben in 64% der Fälle nicht m e ß b a r e N o r m a l s p a n n u n g e n gegenüber 34% bei den nichtentzündl ichen (p < 0,01). A m ausgeprägtes ten ist der Unterschied bei der Differenzierung der Punk t a t e aufgrund der Synoviaanalyse, wobei T u in den entzündlichen

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160 Rheolo9ica Acta, Vol. 18, No. 1 H979)

Tab. 7a. Diagnosen, Zahl gepoolter Punktate, Hyaluronsäurekonzentration und Normalspannung eingedickter Synovia-Proben

Anzahl Hyaluronsäurekonzentration Nr. gepoolter Diagnosen [mg/100 ml] Normal-

Punktate vor nach spannung Konzentrierung

1 3 2 3 3 3 4 2 5 1 6 8

Meniskuslaesion 11 t 347 (= 3,1:1) nicht meßbar Meniskuslaesion 129 301 (= 2,3 : 1) meßbar Chron. Polyarthritis 152 377 (= 2,5 : 1) nicht meßbar Chron. Polyarthritis 83 158 (= 1,9 : 1) meßbar Trauma 139 432 (= 3,1 : 1) nicht meßbar nicht entz. Ergüsse ver- 119 238 (= 2,0 : 1) meßbar schiedener Genese

Tab. 7b. Protein- und Hyaluronsäure-Konzentration der gelartigen und flüssigen Phase eingedickter Synovia- Proben

Probe gelartige Hyaluron- Phase ~ a Protein

säure [-g/100 ml] flüssige [mg/100 ml] Phase ~ b

1 a 312 26 b 232 23

2 a 525 15 b 331 16

3 ai 1956 20 b 94 19

4 a 846 13 b 99 1 6

5 a 797 18 b 446 17

6 a 702 13 b 77 15

in 65% nicht meßbar ist, gegenüber nur 24% bei den nichtentzündlichen (p < 0,001),

3.1.4. Konzentrierte pathologische Synovia

U m die Frage zu klären, wie sich Viskosität und N o r m a l s p a n n u n g pathologischer Gelenk- flüssigkeiten bei Hya luronsäure -Konzen t ra - t ionen verhalten, die im Bereich der normalen Synovia liegen, wurden Synoviaproben einge- dickt. Die erforderlichen Synoviamengen konn- ten nur durch Vereinigung mehrerer Punkta te zu einer Probe gewonnen werden. Untersucht wurden zwei entzündliche und vier nichtent- zündliche Poo lpunkta te mit meßbarer bzw. nicht meßbarer N o r m a l s p a n n u n g (Tab. 7 a).

Alle Proben wurden auf rund 1/3 des Ausgangs- Flüssigkeitsgewichtes eingeengt, wobei jedoch bei der biochemischen Bestimmung der HA-Konzentration

sehr unterschiedliche Werte zwischen dem doppelten und dreifachen der Ausgangskonzentration erzielt wurden. Bis zur Messung wurden die Proben 1 bis 4 für maximal 24 Stunden bei 4°C im Kühlschrank gelagert. Während dieser Zeit kam es zu einer auffälli- gen Erscheinung. In Probe 1, 3 und 4 bildete sich eine Dreischichtung der direkt im Anschluß an die Kon- zentrierung völlig homogenen Synovia aus. Die oberste Schicht war trübe und von einer gelartigen Beschaffen- heit. Die mittlere Zone war klar und zeigte die übliche gelbliche Farbe der Synovia. Beide Schichten waren etwa gleich groß, während die untere, minimale Boden- schicht einem feinen, weißen Sediment entsprach. Für die weiteren Messungen wurde die unterste Boden- schicht verworfen, da im sehr empfindlichen Low- Shear-Viskosimeter Störungen zu erwarten waren. Die beiden oberen Schichten konnten durch längeres Um- rühren mit einem Glasstab wieder zu einer homogenen Lösung vereinigt werden, in der nur noch ganz ver- einzelt kleine gelartige Teilchen sichtbar waren. Die Proben 5 und 6 wurden unmittelbar nach Konzentrie- rung gemessen.

Um die chemische Zusammensetzung der Makro- gelbildung erfassen zu können, ließen wir aliquote Teile aller konzentrierten Punktate bei 4°C im Kühl- schrank stehen. In allen Proben bildete sich inner- halb von längstens 2 Wochen eine gleiche Schichtung aus, wie wir sie in den Proben 1, 3 und 4 nach 24 Stun- den beobachtet haben. Die chemische Analyse der gel- artigen Phase zeigte generell eine vielfach höhere Hyaluronsäure-Konzentration als in der homogenen Ausgangsprobe, während die Verteilung des Proteins praktisch unverändert blieb (Tab. 7b).

In den Abbi ldungen 6 bis 8 sind der Fließ- kurvenver lauf der 6 gemessenen Synoviaproben und die Normalspannungen , sofern sie meßbar waren, vor und nach der Konzent r ie rung dar- gestellt. Die Fl ießkurven aller sechs Proben liegen nach der Eindickung erwar tungsgemäß höher. Ihr Verlauf weist jedoch gegenüber der normalen Synovia und den sonstigen patholo- gischen Gelenkpunkta ten überraschende Ab- weichungen auf. Anstelle des sonst üblichen horizontalen Anfangsbereiches der Fl ießkurven

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ZeMler et al., Rheolo9ie pathologischer Gelenk flüssigkeiten 161

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162 Rheologica Acta, VoL 18, No. 1 (1979)

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nach Konzentrierung (nicht entzündliche Ergüsse)

nimmt die Viskosität bereits bei sehr niedrigen Schergeschwindigkeiten ab und geht teilweise in einen nach oben gekrümmten Kurvenverlauf über (Probe I und 3). Bei den Proben 5 und 6 ist der vollständige Fließkurvenverlauf über 6 Dekaden aufgetragen, wobei sich von niedrigen zu hohen Schergeschwindigkeiten hin ein ab- nehmender Verlauf mit 2 Wendepunkten ergibt. Andeutungsweise ist dies auch bei Probe 2 und 4 erkennbar, obwohl hier aus technischen Grün- den der Übergangsbereich nicht erfaßt werden konnte.

Wie bei den Fließkurven steigen auch die meßbaren Normalspannungen erwartungsge- mäß infolge der Konzentrierung an (Probe 2, 4 und 6). Probe 2 erreicht dabei Werte bis fast in den Bereich der normalen Synovia und unter- scheidet sich von Probe 4 und 6 durch einen geradlinigen Verlauf der Normalspannungs- kurve. Außerdem wird zN auch bei den niedrigen Schergeschwindigkeiten meßbar, wobei aller- dings die HA-Konzentrationen der drei Proben sehr stark voneinander differieren.

Anders verhalten sich dagegen die Proben 1, 3 und 5 mit nicht meßbarer Normalspannung. Hier führt auch die Konzentrierung nicht zu

meßbaren Werten, obwohl die hohen HA-Kon- zentrationen dies hätten erwarten lassen.

3.2. Mechanisch-dynamische Messungen

Im Gegensatz zu den ausgedehnten stationä- ren Messungen und Anlaufmessungen wurden erst wenige dynamische Experimente durch- geführt. Die Ergebnisse sollen dennoch kurz dargestellt werden, da sie einen ersten Vergleich mit den anderen rheologischen Daten erlauben.

In der Abbildung 9 sind der Speichermodul G' und der Verlustmodul G" von zwei entzünd- lichen und einem nichtentzündlichen Punktat in Abhängigkeit von der Winkelgeschwindig- keit co aufgetragen. G' und G" sind bei den bei- den entzündlichen Synoviaproben gegenüber dem nichtentzündlichen Punktat erniedrigt. Im Falle der chronischen Polyarthritis ist ein auf- fallend bogenförmiger Verlauf von G" und G' zu erkennen. Es überwiegen in allen 3 Fällen bei niedrigen Frequenzen die viskosen Eigen- schaften, während bei höheren Frequenzen die elastischen Anteile zunehmen und die viskosen übertreffen.

Dies wird auch aus der Verlusttangente, d.h. dem Verhältnis G"/G' bei den Frequenzen 0,5

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Zeidler et al., Rheologie pathologischer Gelenkflüssigkeiten 163

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Abb. 9. Speichermodul G' und Ver- lustmodul G" pathologischer Syn- ovia in Abhängigkeit von der Winkelgeschwindigkeit co

Tab. 8. Rheologische Werte aus stationären, Anlauf- und dynamischen Messungen pathologischer Gelenkpunktate

Hy- Anlauf- aluron- stationäre Messungen mes- Dynamische

Pkt.- säure master sungen Messungen Nr. Diagnose I/0 t/m t K s curve ~N v G"/G'

[mg/ [mPa s] [mP s] [Pa] [-101s/ s_l s_l 100 ml] [s] cm s] 0,5 2,5

chron. 990 Polyarthritis 101 6,2 4,5 0,19 0,11 22 0 5,4 7,87 3,35

unklare 919 Monarthritis 167 21 9,7 0,15 0,27 30 123 15 2,65 2,22

Meniskus- 821 laesion 182 400 30 1,85 0,50 48 653 - 1,89 1,30

und 2,5 s-1 deutlich, die den Bewegungszyklen im Kniegelenk beim Gehen und Rennen ent- sprechen (Tab. 8). Bei der chronischen Poly- arthritis beträgt die Verlusttangente das 4- bzw. 3lache gegenüber der Meniskuslaesion. Dem ab- normen viskoelastischen Verhalten der entzünd- lichen Synovia bei dynamischer Beanspruchung gehen nicht meßbare Normalspannungen, nied- rigere Verhängungszahlen, ein kleineres Flä- chenmaß der master-curve und ein niedriger, flacher Verlauf der Fließkurve parallel. Im glei- chen Sinne, nur nicht so stark ausgeprägt, sind die Werte bei der Monarthritis verändert.

4. Diskussion

Im Gegensatz zu früheren Arbeiten, bei denen nur in einem begrenzten Schergeschwindigkeits- bereich gemessen werden konnte, wurde in der

vorliegenden Untersuchung bei sehr niedrigen, mittleren und teilweise auch sehr hohen Scher- geschwindigkeiten das Fließverhalten der Syn- ovia bestimmt. Grundsätzlich bestätigte sich jedoch das auch von anderen Autoren festge- stellte nicht-newtonsche Fließen der normalen und pathologischen Synovia (5, 8, 10, 12, 16, 17, 21, 33, 35). Ein idealviskoses, newtonsches Flie- ßen, wie es für Gelenkergüsse bei chronischer Polyarthritis als charakteristisch hervorgeho- ben wurde (5, 16, 17), konnte hingegen nicht festgestellt werden, obwohl in einigen Fällen nur minimale Abnahmen der Viskosität mit Zu- nahme der Schergeschwindigkeit registriert wurden.

Das Fließverhalten der normalen und patho- logischen Synovia ist strukturviskos und ent- spricht damit dem Verhalten vieler Lösungen von Makromolekülen und Kunststoff-Hoch-

1 1 "

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164 Rheolo9ica Acta, VoL 18, No. 1 (1979)

polymeren. Sowohl bei der normalen als auch bei der pathologischen Synovia sind ein unterer newtonscher Bereich und das Gebiet der Struk- turviskosität mit einem langen geraden Teil vor- handen. Ein oberer newtonscher Bereich kann bei pathologischen Punktaten selbst bei hohen Schergeschwindigkeiten von 105 s -1 nicht mit Sicherheit ausgemacht werden. Auch für die normale Synovia wird t/oo nicht erreicht, wobei allerdings die eigenen und fremden Unter- suchungen (33, 35) bisher nicht über Scher- geschwindigkeiten von D = 103 s -1 hinausgin- gen.

Um für eine große Anzahl von Gelenkpunk- taten einen statistischen Vergleich anstellen und eine Aussage zum diagnostischen und differen- tialdiagnostischen Wert der Scherexperimente treffen zu können, wurde der Fließkurvenverlauf in vier ,Kenngrößen" (Anfangsviskosität t/0, Knickzeit t~, Steigung s, mittlere Viskosität tl;,) aufgeteilt. Bereits bei der früheren Auswertung allein des strukturviskosen Fließkurvenanteils (Steigungs und mittlere Viskosität t/m)und der Ein- teilung in entzündliche und nichtentzündliche Gelenkpunktate aufgrund der Synoviaanalyse war die geringe diagnostische Aussagekraft auf- gefallen (1). Auch die jetzige Auswertung nach klinischer Diagnose und unter Berücksichtigung aller Kenngrögen ergab keinen für eine Er- krankung spezifischen Wert bzw. Fließkurven- verlauf. Bestenfalls kann zwischen einer entzünd- lichen und nichtentzündlichen Gelenkerkran- kung unterschieden werden. Trotz der signifi- kanten Unterschiede zwischen diesen beiden Diagnosegruppen ist jedoch im Einzelfall der dif- ferential-diagnostische Aussagewert gering we- gen der erheblichen Streuung und Überschnei- dung der Werte. Außerdem ist mit wesentlich ein- facheren Methoden der Synoviaanalyse wie z. B. der Leukozytenzählung und dem Differential- bild die gleiche oder gar eine bessere diagnosti- sche Beurteilung möglich (32).

Schwierige diagnostische Probleme erwach- sen dem Arzt und Kliniker in der Regel aus der Differenzierung der einzelnen entzündlichen Ge- lenkerkrankungen. So ist es oft im Anfangs- stadium der Erkrankung nicht möglich, zwi- schen einer beginnenden chronischen Poly- arthritis und einer Gelenkbeteiligung bei be- ginnender Spondylitis ankylopoetica zu unter- scheiden, während es kaum Schwierigkeiten bereitet, eine Arthrose klinisch und labor- chemisch abzugrenzen. Hier ist die rheologische

Untersuchung ebenfalls nicht in der Lage, zwischen diesen genannten entzündlichen Ge- lenkerkrankungen zu differenzieren. Auch aus den master-curves, Normalspannungen und An- laufmessungen haben sich keine zusätzlichen diagnostischen Hilfen ergeben.

Im Gegensatz zu der bisher geringen dia- gnostischen Wertigkeit rheologischer Unter- suchungen der Synovia erlauben die vorliegen- den Befunde einen wesentlichen Einblick in das Ausmaß, die Variabilität und möglicherweise auch pathophysiologische Bedeutung der patho- rheologischen Veränderungen der Gelenkfiüssig- keit. So ist bei den entzündlichen Gelenker- krankungen die Anfangsviskosität t/o um fast 3 Zehnerpotenzen und die mittlere Viskosität t/;, um fast I Zehnerpotenz niedriger als bei normaler Synovia. Noch deutlicher drückt sich die starke Störung der Viskositätselastizität in der in 64% der Fälle nicht mehr meßbaren Normalspannung aus. Dabei entsteht im Grad der Veränderungen aller rheologischer Para- meter eine erhebliche Variabilität. Dies wurde am Beispiel der Fließkurven bei chronischer Polyarthritis graphisch dargestellt (Abb. 3), läßt sich aber auch aus der Streuung bei den Werten der anderen Gelenkerkrankungen ersehen.

Die Erniedrigung der Hyaluronsäure-Kon- zentration in pathologischen Gelenkpunktaten ist bereits seit langem bekannt (7, 28, 29, 30, 31), ebenso wie ihre Bedeutung für die relative Vis- kosität (14, 18, 19, 22, 30, 31). Die positiven Korrelationen zwischen der Hyaluronsäure- Konzentration und t/o, t/~ù sowie s bestätigen die allgemeine Auffassung, daß die Störung der rheologischen Eigenschaften der patholo- gischen Synovia wesentlich durch die Erniedri- gung der Hyaluronsäure-Konzentration bedingt ist.

Die genauere Betrachtung des Verlaufes der Fließkurven der verdünnten pathologischen Punktate läßt jedoch erkennen, daß auch dort, wo annähernd gleiche Hyaluronsäure-Konzen- trationen erreicht werden, die Kurven nicht über- einstimmen. Noch deutficher wird dies bei den Konzentrierungsversuchen. Trotz eines höheren Hyaluronsäuregehaltes in den eingedickten pa- thologischen Punktaten als in der normalen Synovia liegen die Fließkurven und Normal- spannungskurven besonders bei der chronischen Polyarthritis~niedriger und haben einen anderen Verlauf. In den Proben mit nicht meßbarer Normalspannung wird zN auch nach der Ein-

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Zeidler et al., Rheologie pathologischer Gelenkflüssigkeiten 165

dickung nicht meßbar, obwohl das aufgrund der Hyaluronsäure-Konzentration zu erwarten gewesen wäre.

Diese Befunde lassen sich nur so erklären, daß in der pathologischen Synovia außer der Konzentrationsänderung auch intra- und/oder inter-molekulare Veränderungen der Hyaluron- säure aufgetreten sind. Im gleichen Sinne sind die Ergebnisse der Bestimmungen der master- curve und der Knickzeit tk ZU interpretieren. Beide Größen sind gegenüber der normalen Synovia in den pathologischen Punktaten er- niedrigt, weisen aber weder bei der chronischen Polyarthritis noch bei den übrigen Gelenk- erkrankungen eine Korrelation zur Hyaluron- säure-Konzentration auf.

Durch frühere Bestimmungen der Grenz- viskositätszahl [t/] konnte bereits nachgewiesen werden, daß in pathologischen Gelenkergüssen eine Erniedrigung des Molekulargewichtes bzw. Polymerisationsgrades der Hyaluronsäure vor- liegen muß (6, 14, 18, 22, 27, 28, 30). Gestützt wird dies durch objektive Methoden der Mole- kulargewichtsbestimmung wie mit Hilfe der Lichtstreuung (3) bzw. durch Ermittlung von Sedimentations- und Diffusionskonstanten (3, 20). Ob das Flächenmaß der master-curve und die Knickzeit t k der pathologischen Synovia allein äquivalente Größen für das erniedrigte Molekulargewicht der Hyaluronsäure sind oder gleichzeitig auch Folge von intermolekularen Veränderungen der Synovia, kann aufgrund der vorliegenden Ergebnisse nicht unterschieden werden. Ferguson et al. (13) haben Versuche, bei denen sie Harnstoff und Guanidin-Hydro- chlorid zu Ergüssen von chronischer Poly- arthritis und Arthrosen hinzufügten, so gedeutet, daß bei Arthrose in der Synovia ein Hyaluronat- Protein-Komplex durch die genannten Sub- stanzen dissoziiert werden kann, während bei chronischer Polyarthritis diese Komplexe nicht vorhanden bzw. bereits gespalten sind. Mög- licherweise ist der fehlende Nachweis von Normalspannungen in unseren eingedickten Gelenkpunktaten, die bereits im nativen Zu- stand keine Normalspannungen aufweisen, nicht nur Ausdruck der verminderten Kettenlänge von Hyaluronsäuremolekülen, sondern ebenfalls Folge einer solchen Zerstörung von Komplexen,

Ferguson et al. (13) bei 2 Punktaten von chroni- scher Polyarthritis durchgeführt, ohne daß aller- dings gleichzeitig die Konzentration der Hyalu- ronsäure bestimmt wurde. Übereinstimmend mit unseren Befunden waren in beiden Fällen bei vorher fehlenden Normalspannungen trotz eines deutlichen Anstieges der Fließkurven auch nach Konzentrierung keine Normalspannungen nachweisbar. Als zusätzliche Auffälligkeit sehen wir bei unseren pathologischen Gelenkpunk- taten eine Veränderung des charakteristischen strukturviskosen Fließkurvenverlaufes als Folge der Eindickung. q' steigt in allen Proben auch bei sehr niedrigen Schergeschwindigkeiten zu- nehmend an, ohne daß ein unterer newtonscher Bereich erkennbar wird. Außerdem ist der Über- gangsbereich zum linear abfallenden Fließkur- venanteil nicht mehr bogenförmig, sondern nimmt einen S-förmigen Verlauf.

Für die Interpretation des veränderten Fließ- kurvenverlaufes konzentrierter Synovia bietet sich ein Vergleich mit Befunden aus der Kunst- stoffpolymer-Rheologie an. So haben Nakafima und Won9 (24) bei Polyäthylenschmelzen mit geringen Anteilen vernetzter Gele einen ähn- lichen Fließkurvenverlauf festgestellt. Für die Ausbildung solcher Gelanteile in der Synovia spricht die Tatsache, daß in drei der im An- schluß an die Eindickung zunächst völlig homo- genen Proben sich bereits nach 24 Stunden eine obere Schicht von gelartiger Beschaffenheit ab- setzte. Nach längerem Umrühren war die Probe dann wieder homogen.

Chemisch dürfte es sich bei den Mikrogelen um Hyaluronat handeln. Dieser Schluß scheint erlaubt, da sich bei allen Proben nach längerem, 2-5monatigem Stehen im Kühlraum bei 4°C Makrogele ausbilden, in denen die Hyaluron- säure-Konzentration um ein vielfaches gegen- über der flüssigen Phase erhöht ist, während der Proteingehalt unverändert bleibt.

Erste Messungen der Elastizität von Rinder- synovia führten 09ston et al. (25, 26) durch. Später haben Myers et al. (23) und Balazs (2) auch an normaler und pathologischer mensch- licher Synovia in mechanisch-dynamischen Mes- sungen Speichermodul G' und Verlustmodul G" bestimmt. Übereinstimmend mit den Be- funden dieser Autoren konnten auch wir fest-

die für das elastische Verhalten von b~sonderer stellen, daß bei Frequenzen, die dem Gehen Bedeutung sind. und Rennen entsprechen, in pathologischen

Vergleichbare Konzentrierungsversuche pa- Gelenkflüssigkeiten der Verlustmodul G" deut- thologischer Synovia wurden bisher nur von lich höher liegt als der Speichermodul G'. Das

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166 Rheologica Acta, VoL 18, No. 1 (1979)

bedeutet, daß unter diesen Bedingungen bei rhythmischen Gelenkbewegungen die mecha- nische Energie weniger elastisch gespeichert wird und durch viskoses Fließen verlorengeht. Den Störungen des elastischen Verhaltens in mechanisch-dynamischen Messungen gehen in den Scherexperimenten pathologische Fließ- kurven, ein kleineres Flächenmaß der master- curve, erniedrigte bzw. nicht meßbare Normal- spannungen und niedrigere Verhängungszahlen parallel. Auffällig ist bei der chronischen Poly- arthritis und der unklaren Monarthrit is eine gleiche Knickzeit te, während alle übrigen Para- meter einschließlich des Verlustwinkels bei chro- nischer Polyarthritis stärker pathologisch ver- ändert sind als bei der Monarthritis. Weitere Experimente müssen zeigen, welche Zusammen- hänge im einzelnen zwischen mechanisch-dyna- mischen und Scherexperimenten bei pathologi- schen Gelenkflüssigkeiten bestehen. Zu Fragen der Lösungsstruktur der Synovia wird in einem späteren Beitrag noch ausführlicher Stellung genommen werden.

Für die Hilfe und Beratung bei der statistischen Berechnung der Untersuchungsergebnisse danken wir Herrn Dr. H. Geerlings, Abt. für Biometrie (Leiter Prof. Dr. B. Schneider) des Department für Biometrie und medizinische Informatik der Medizinischen Hoch- schule Hannover. Der Deutschen Forschungsgemein- schaft sei für ihre Unterstützung im Rahmen des SFB-54, Projekt G 7 und durch das Habilitations- stipendium Ze 165/1 gedankt.

Zusammenfassung

Die eingehende Analyse des viskoelastischen Verhal- tens von 193 Kniegelenkspunktaten verschiedenster entzündlicher und nichtentzündlicher Gelenkerkran- kungen ließ keine wesentlichen diagnostischen Hilfen für klinische Problemfälle erkennen. Untersucht wur- den im einzelnen Fließkurven einschließlich der An- fangsviskosität q0 und durch eine Normierungsmethode ermittelte master-curves, sowie Normalspannungen und in 3 Fällen gleichzeitig auch der Speichermodul G' und der Verlustmodul G" mit Hilfe von dynamischen Messungen.

Durch Vergleich der pathologischen Gelenkpunk- tate mit normaler, post mortal gewonnener gepoolter Synovia ließ sich ein Eindruck vom Grad der gestör- ten Viskoelastizität gewinnen. Dabei lassen die er- niedrigten Hyaluronsäure-Konzentrationen, die Ver- änderungen der konzentrationsunabhängigen Knick- zeit rk und die master-curve erkennen, daß hierfür sowohl eine verringerte Konzentration als auch ein geringeres Molekulargewicht der Hyaluronsäure ver- antwortlich ist. Konzentrierungsversuche pathologi- scher Synovia~ergaben den Hinweis auf die Entstehung von Mikrogelen und ließen in Fällen zuvor fehlender Normalspannungen auch nach der Eindickung keine

Normalspannungen erkennen. Es wird deshalb auch die Möglichkeit gestörter intermolekularer Interak- tionen in der pathologischen Synovia diskutiert.

Summary

A thorough analysis of the viscoelastic behaviour of 193 synovial fluid samples of knee joints concerning different joint diseases (inflammatory and non-inflam- matory) gives no essential diagnostic help in case of clinical problems.

Investigations were done particularly on flow curves including the Newtonian viscosity qo and normal forces, and with the help of a standardization-method we got toaster curves. In three cases we also got dynamic prop- erties i.e. the elastic modulus G' and the loss modulus G et"

By comparison of the pathologieal synovial fluid samples with normal, post-mortem pooled synovial fluid one gets an idea of the degree of disturbance on viscoelasticity. It was found that the reduced concen- tration and the lower molecular weight of the hyal- uronic acid are responsible for the pathological varia- tion of the concentration independent bending time t« as well as the shape of the toaster curves.

Tests on concentrated pathological synovial fluids indicate the beginning formation of micro-gels. In cases of absence of normal forces even after concen- tration no normal forces could be detected. Therefore the possibility of disturbed intermolecular interactions in pathological synovial fluids will be discussed, too.

Literatur

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Anschrift der Verfasser:

Privi-Doz. Dr. med. H. Zeidler, Ing. grad. S. Altmann, cand. med. B. John, R. Gaffga Abteilung für Krankheiten der Bewegungsorgane und des Stoffwechsels des Department für Innere Medizin, Medizinische Hochschule Hannover Karl-Wiechert-Allee 9 D-3000 Hannover 61

Dr.-Ing. W.-M. KuIieke Institut für Chemische Technologie Technische Universität Braunschweig Hans-Sommer-Straße 10 D-3300 Braunschweig