07.02.2014 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler ([email protected]) 1 Rezeptions- und Wirkungsforschung Vorlesung im Modul 1002/103/107 Vorlesung 13: Wirkungsvorstellungen beim Publikum/ Abgesang zur Wirkungsproblematik
Aug 07, 2019
07.02.2014 Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler ([email protected])
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Rezeptions- und WirkungsforschungVorlesung im Modul 1002/103/107
Vorlesung 13:
Wirkungsvorstellungen beim Publikum/
Abgesang zur Wirkungsproblematik
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Gliederung Vorlesung 13
1. Problemstellung: Menschen als «Wissenschaftler»
2. Zwei Phänomene im „Normal“ - Publikum
Hostile Media Effect
Third Person Effect
(Eine aktuelle Studie)
3. Zwischenfazit
4. Zusammenfassung zur Wirkungsproblematik
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1. Problemstellung
Ausgangspunkt 1: Funktionieren von öffentlicher Kommunikation ist für moderne Gesellschaften von zentraler Bedeutung (Wirken Medien, wie sie es sollen? → Wissenskluft, Gewalt, Schweigespirale)
Ausgangspunkt 2: Medien stehen im öffentlichen Interesse, über ihre Wirkungen wird diskutiert (meist an Extremfällen!)
→ Konsequenzen für Medienregulierung
Ausgangspunkt 3: Fragen der Medienwirkung betreffen den praktischen Umgang von Menschen miteinander
→ gemeinsame Rezeption, Erziehung, Medienkompetenz
Ausgangspunkt 4: Die an der Medienkommunikation Beteiligten benötigen –je nach Rolle – ein bestimmtes Medienwissen, daraus entwickeln sich verallgemeinerte Vorstellungen von Medien (→ „Theorien“)
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1. Problemstellung: subjektive Medientheorien
o nicht nur Wissenschaftler entwickeln „Theorien“, sondern alle an der Medienkommunikation beteiligten
o aus ihrer jeweiligen Sicht
o solche Vorstellungen sind in ihrer Funktion und Struktur ähnlich zu wissenschaftlichen Theorien, aber nicht objektiv geprüft → subjektive Theorien
o „subjektive Theorien“
o subjektive, naive oder Laientheorien: Träger
o implizite Theorien: Charakter
o Alltagstheorien: Ort und Handlungsbezug
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1. Problemstellung: subjektive Medientheorien
o Inhalte: Alltagsverständnisse von Strukturen, Funktionen und Wirkungen der Medien
o entwickeln sich im Medienhandeln (i.W.S.)
o systemisch organisiert
o impliziter Charakter, aber formulierbar
o spezielles Verhältnis zu „Daten“
o Züge von Verwissenschaftlichung
o Analogie zu wissenschaftlichen Theorien
o Inhalte: Gesetze/Gesetzmäßigkeiten/Regeln, Begriffe/Definitionen, Verallgemeinerung subjektiver Daten. „Methodologie“
o Funktionen: Erklärung, Prognose, „Technologie“
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2. Zwei Phänomene im „Normal“ – Publikum: 2.1. Die „feindlichen“ Medien
Hostile Media Effect: Personen, die eine bestimmte Meinung zu einem Thema haben, sehen die mediale Berichterstattung dazu als tendenziell entgegengesetzt zu ihren Ansichten.
o „Entdeckung“: Vallone et. al. 1982 - Konfliktwahrnehmung
o Fernsehberichterstattung über arabisch-israelischen Konflikt
o Vpn: amerikanische College-Studenten
o identische Berichterstattung wurde von pro-israelisch Eingestellten als anti-israelisch eingeschätzt; genau umgekehrt war die Einschätzung durch pro-arabisch Eingestellte
o unterschiedliche Lesarten bzw. Kategorisierungen von Texten, nicht unterschiedliche Erinnerungen
o spätere Studien bestätigen überwiegend den HME
o Bosnien-Konflikt, Politikerdarstellungen, genetisch veränderte Nahrungsmittel, Wahl- und Arbeitskämpfe, Sportberichte
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2. Zwei Phänomene im „Normal“ – Publikum: 2.1. Die „feindlichen“ Medien
o Publikumsvariablen
o Involvement: Personen nehmen Kontroversen in medialen Berichten umso eher als entgegengesetzt zur eigenen Position wahr, je stärker sie in das Thema involviert sind und je stärkere/stabilere Einstellungen zum Gegenstand der Kontroverse bestehen.
→ Rückführung auf (Inter-) Gruppen-Prozesse: Identitätsbildung
o Konflikt aktiviert Gruppenmerkmale
o Interpretation der Medienbotschaften nicht (nur) als Individuum, sondern als Mitglied von Gruppen
o (jegliche) Argumente für Fremdgruppen-Meinungen werden als Bedrohung der eigenen Gruppenposition/-identität gesehen
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2. Zwei Phänomene im „Normal“ – Publikum: 2.1. Die „feindlichen“ Medien
o Medienvariablen: Kontroverse mit eindeutigen und unterschiedlichen Meinungen, seien sie ausbalanciert (wie meist in den Experimenten), seien sie unausgewogen (wie oft in der Medienrealität)
o Quelleneffekt: Wenn ein Medium (oder ein Autor) als wenig glaubwürdig, qualitäts- und vertrauensvoll gilt, kann dies den HME intensivieren
o (vermutete) Reichweite/Publikumsgröße: Mit der vermeintlichen Publikumsgröße eines Medienberichts nimmt HME zu.
o (vermutete) Beeinflussbarkeit des Medienpublikums; soziale Zusammensetzung: Je „anfälliger“ das Publikums gilt, je eher es als sozial „andersartig“ eingeschätzt wird, umso stärker der HME. (→ 2.2.)
→ alles Variablen, die „Bedrohung“ der Gruppenidentität erhöhen
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2. Zwei Phänomene im „Normal“ – Publikum: 2.2. Wirkungen auf andere, nicht auf mich …
Third Person Effect: Menschen überschätzen den Einfluss der Medien auf andere Menschen bzw. unterschätzen den Einfluss auf sich selbst.
→ vermutete Medienwirkungen, Wahrnehmungseffekt
gilt vermutlich auch für andere Aspekte der Medienkommunikation, z.B. Mediennutzung
o Wahrnehmungskomponente: Differenz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung
o Verhaltenskomponente: Schlussfolgerungen bzw. Reaktionen auf (vermeintlich) starke Medienwirkungen
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2.2 Wirkungen auf andere, nicht auf mich …Metaanalyse von Paul, Salwen & Dupagne (2006)
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2. Zwei Phänomene im „Normal“ – Publikum: 2.2 Wirkungen auf andere, nicht auf mich …
intervenierende Variable:
o Soziale Distanz: Je weiter die anderen (sozial) entfernt sind, desto größer die Unterschiede zwischen der Einschätzung der Medienwirkungen auf sich und auf andere.
o Wünschbarkeit der Medienwirkungen: TPE geringer, z.Z. umgekehrt (First Person Effect) bei wünschbaren Medienwirkungen (z.B. Lernen von „guten Dingen“ aus den Medien; Informiertheit).
o Personenmerkmale: subjektive Wissensschätzung, Alter, Bildung, geringe Mediennutzung intensiviert TPE
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2. Zwei Phänomene im „Normal“ – Publikum: 2.2 Wirkungen auf andere, nicht auf mich …
Erklärungsmodelle:
o optimistic Bias: die Wahrscheinlichkeit, dass einem etwas Positives geschieht, wird eher sich selbst als anderen zugeschrieben
o Selbstbild-Steigerung: hohes Selbstwertgefühl durch „Unverwundbarkeit“ (es ist nicht schön, beeinflusst zu gelten)
o impersonal Impact: diskrepante Urteile über Sachverhalte auf gesellschaftlicher vs. persönlicher Ebene – die Medien sind einflussreich in der Gesellschaft (also bei den anderen – siehe soziale Distanz)
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2.3 TPE bei Profi-Publikum: ein Forschungsbeispiel
o Spezialfall: von der Medienberichterstattung Betroffene
o Vermutungen:o aufmerksames Verfolgen der Berichterstattung, größere „Mediendosis“
o starke kognitive und emotionale Wirkungen
o Verfügung über besondere Kenntnisse nutzt im Vergleich der Berichterstattung mit den tatsächlichen Vorgängen
o Third Person Effect
→ besondere Wirkungsvermutungen und -erfahrungen: reziproke
Effekte
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2.3 Profi-Publikum: eine StudieKepplinger, Hans Mathias/Zerback, Thomas: Der Einfluss der Medien auf Richter und Staatsanwälte. In: Publizistik 2009 (54) 2, 216-239
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2.3 Profi-Publikum: eine StudieKepplinger, Hans Mathias/Zerback, Thomas: Der Einfluss der Medien auf Richter und Staatsanwälte. In: Publizistik 2009 (54) 2, 216-239
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2.3 Profi-Publikum: eine StudieKepplinger, Hans Mathias/Zerback, Thomas: Der Einfluss der Medien auf Richter und Staatsanwälte. In: Publizistik 2009 (54) 2, 216-239
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2.3 Profi-Publikum: eine StudieKepplinger, Hans Mathias/Zerback, Thomas: Der Einfluss der Medien auf Richter und Staatsanwälte. In: Publizistik 2009 (54) 2, 216-239
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3. Zwischenfazit
o Belege für
o stabile Muster (HME, TPE)o Einbettung in allgemein menschliche Attributionsprozesse
o Negatives : externale Verursachungo Positives: internale Verursachungo Ego-Alter-Differenz: Umstände vs. Person
o Platz der Wirkungsvorstellungen im Wirkungsprozess
o Selektion (Vermeiden vs. Auswahl)o Rezeption (Distanz vs. Nähe)o Konsequenzen: Medienbewertung, Medienregulierung,
Reaktionen auf öffentliche Reaktionen
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4. Zusammenfassung zur Wirkungsproblematik
Medien wirken – nicht immer, nicht überall, nicht bei jedem (und nicht auf die gleiche Weise)! – keine Rezepte, keine „Manipulationsratgeber“
o Medienangebot/Kommunikationsüberfluss:
o Fragmentierung des Publikums (vs. Öffentlichkeitseffekt)
o Vielfalt (vs. Konsonanz)
o Situation: Krisen vs. Normalzeiten
o Situationsdefinition: offen vs. geschlossen
o Informationsbedarf (need for orientation): erhöht vs. normalisiert
o Stabilität der „mediatisierenden Faktoren“ (Klapper): gering vs. hoch
o Öffentliche Reflexion: Diskussionen über Medienprodukte verändern evtl. kaum die Mediennutzung, aber die Bedingungen für Rezeption und Wirkung
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4. Zusammenfassung; Fazit
→ Suche nach Bedingungen für starke bzw. schwache Wirkungen
→ Suche nach Mechanismen der Informationsverarbeitung bzw.
nach komplexen, integrierenden Wirkungsmodellen
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4.1 Zentrale Variable im Wirkungsprozess
o Selektivität; eigene Wege durchs Angebot:
o individuelle Medienmenüs
o Aufmerksamkeitsschwankungen
→ Subjektivierung des „Stimulus (Beispiel: Surfen im Netz)
o Thema/Gegenstand
o Verstärkerthese: vorhandene Prädispositionen (Erfahrungsvorrat)
o Wissenskluft, Agenda-Setting, Kultivation (Resonance): aufdringliche vs. unaufdringliche Themen
→ kein „reines“ Medienkonzept, sondern Relation von Medien- und
Rezipientenmerkmalen
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4.1 Zentrale Variable im Wirkungsprozess
o Glaubwürdigkeit
o Vertrauenswürdigkeit (vs. Manipulationsverdacht), Expertentum,
→ Zuschreibung durch die Rezipienten auf Basis „objektiver“
Eigenschaften (und der Bewährung im Alltag)
o Involvement (Beteiligung → Verarbeitungstiefe)
o Elaboration-Likelihood-Modell (Petty/Cappacio)
o Elaboration ist die Vernetzung externer Information mit Schemainformation. Die neue Information wird durch vorhandenes Wissen und bestehende Erfahrungen aufgefüllt und erhält daher eine persönliche Färbung.
o periphere/zentrale Route der Informationsverarbeitung
→ Einstellungsänderung ist Ergebnis einer Wechselwirkung zwischen
„Route“ und Qualität der Argumente
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4.1 Zentrale Variable im Wirkungsprozess
o Medienerfahrungeno Medienschemata: Aktivierung von Genre-, Gattungs-, Sprachwissen als
Basis von Rezeption
o spezifische Kompetenzen: Unterscheidung Fiktion und/oder Realität, Vermutungen/Theorien über Inszenierungsformen bzw. Absichten von Kommunikatoren
→ keine „reinen“ Rezipientenmerkmalen, sondern entstanden in
bestimmten Mediensituationen („Invasion vom Mars“), in Auseinandersetzung mit einem gegeben Medienangebot
o Interpersonelle Kommunikation (siehe V 12): Chance der Kommentierung/Korrektur/Einflussnahme auf Verarbeitung