Regelungstechnische Optimierung der Steuerung eines Brennstoffzellensystems im dynamischen Betrieb Dissertation zur Erlangung des Grades Doktor-Ingenieur der Fakult¨ at f¨ ur Maschinenbau der Ruhr-Universit¨ at Bochum von Martin Arendt aus Alfeld Bochum 2012
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Regelungstechnische Optimierung der Steuerung eines ...€¦ · 3.2.1 Anforderungen an das Modell der Steuerung ... 2.6 Struktur der Steuerung des behandelten Brennsto ... 2.8 Zustandsautomat
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Transcript
Regelungstechnische Optimierung der
Steuerung eines Brennstoffzellensystems im
dynamischen Betrieb
Dissertation
zur
Erlangung des Grades
Doktor-Ingenieur
der
Fakultat fur Maschinenbau
der Ruhr-Universitat Bochum
von
Martin Arendt
aus Alfeld
Bochum 2012
punkt weiss
Dissertation eingereicht am: 07.03.2012
Tag der mundlichen Prufung: 06.09.2012
Erster Referent: Prof. Dr.-Ing. Martin Monnigmann
Zweiter Referent: Prof. Dr.-Ing. Thomas von Unwerth
Eidesstattliche Erklarung
Ich versichere hiermit an Eides statt, dass ich die vorliegende Dissertation allein und
nur unter Verwendung der angegebenen Literatur verfasst habe. Die Arbeit hat bisher noch
nicht zu Prufungszwecken gedient.
Isenbuttel, 07.03.2012
Die Ergebnisse, Meinungen und Schlusse dieser Dissertation sind nicht notwendigerweise die
der Volkswagen AG.
Vorwort
Diese Dissertation entstand wahrend meiner Tatigkeit als Doktorand in der Abteilung
Brennstoffzellensysteme der Konzernforschung der Volkswagen AG.
Ich mochte mich bei Herrn Prof. Dr.-Ing. Martin Monnigmann fur die Betreuung, die
interessanten Diskussionen und die vielen Anregungen zum Gelingen dieser Arbeit bedanken.
Weiterhin bedanke ich mich bei Herrn Prof. Dr.-Ing. Thomas von Unwerth fur die Ubernahme
des zweiten Referats.
Mein besonderer Dank gilt Herrn Dr.-Ing. Heiko Turner fur die Betreuung dieser Ar-
beit seitens der Volkswagen AG. Des Weiteren danke ich ihm fur seine Anregungen und die
Bereitstellung seines umfangreichen Hintergrundwissens, welches zur erfolgreichen Erstellung
dieser Arbeit beitrug.
Weiterhin mochte ich mich bei allen Mitarbeitern der Volkswagen Konzernforschung
bedanken, die mir fachlich bei der Durchfuhrung meiner Experimente sowie der Korrektur
meiner Dissertation zur Seite standen. Insbesondere bedanke ich mich bei ihnen fur das
außergewohnlich angenehme Arbeitsklima wahrend meiner Zeit als Doktorand.
Ganz herzlich mochte ich mich bei meiner Verlobten Christiane Weigel fur ihr Verstandnis und
die Geduld wahrend der dreijahrigen Zeit als Doktoranden bedanken. Trotz der raumlichen
Trennung wahrend dieser Zeit, hat sie mir stets mit viel Kraft und Liebe zur Seite gestanden.
Kurzfassung
Das Ziel dieser Arbeit ist die regelungstechnische Optimierung der Steuerung eines Brennstoff-
zellensystems (BZ-System) im dynamischen Betrieb mittels des Softwareentwicklungsprozesses
des Rapid Control Prototyping (RCP). Erstens wird eine modellgefuhrte Steuerung der
H2-Konzentration mittels eines N2-Diffusionsmodells entwickelt und vorgestellt. Zweitens wird
die Optimierung der Regelung des Kuhlsystems anhand einer Storgroßenaufschaltung gezeigt
und drittens wird eine Betriebsstrategie, bestehend aus einer Pumpgrenzuberwachung und der
Regelung des Verdichter- und Kathoden-Luftmassenstroms, entworfen.
Die erste regelungstechnische Herausforderung ist die Entwicklung der modellgefuhrten
Steuerung der H2-Konzentration. Hierfur wird zunachst ein Finite-Volumen-Methode-Modell
(FVM-Modell) der Wasserstoffversorgung inklusive eines N2-Diffusionsmodells zur Abbildung
der Verunreinigung der Wasserstoffversorgung aufgebaut und validiert. Mittels dieses FVM-
Modells wird ein Zwei-Punkt-Regler entworfen, der die H2-Konzentration am Anodenaustritt
des BZ-Systems einstellt. Diese modellgefuhrte Steuerung der H2-Konzentration wird mittels
MiL- und HiL-Simulationen getestet und anschließend im Laborsystem eingesetzt.
Die Optimierung der Regelung des Kuhlsystems fuhrt zur Entwicklung einer
Storgroßenaufschaltung auf die Stellgroße der Regelung der Kuhlmitteleintrittstemperatur. Die
Kuhlmitteltemperaturdifferenz uber die Brennstoffzelle wird als Storgroße auf die Regelung
der Kuhlmitteleintrittstemperatur identifiziert und durch ein variables Totzeitglied verzogert.
Die entworfene Storgroßenaufschaltung wird mit dem RCP entwickelt und getestet. Das
Uberschwingen der Regelgroße bei großen Lastsprungen wird im Vergleich zur Regelung mittels
eines PID-Reglers von bis zu 4 % auf 1 % reduziert.
Die dritte mittels des RCP entwickelte Steuerungsfunktion ist die erarbeitete Betriebsstrategie
fur den Einsatz eines Turboverdichters im behandelten BZ-System. Diese Betriebsstrategie
beinhaltet zum einen eine Pumpgrenzuberwachung zur Gewahrleistung des sicheren Betriebes
des Turboverdichters uber den gesamten Betriebsbereich des Brennstoffzellensystems. Zum
anderen wird die Bereitstellung des erforderlichen Luftmassenstroms fur die Kathode durch die
Regelung eines Waste-Luftmassenstroms gewahrleistet.
Diese Arbeit leistet einen Beitrag zur Verbesserung der Leistungsfahigkeit und Zu-
verlassigkeit des betrachteten BZ-Systems. Die modellgefuhrte Steuerung der H2-Konzentration
und die Betriebsstrategie fur den Turboverdichter sind Losungen fur die aus der neuen
Systemarchitektur des untersuchten BZ-Systems entstandenen Herausforderungen an die
Steuerung. Die Optimierung der Regelung des Kuhlsystems ist eine Weiterentwicklung der bis
dahin bestandenen Regelung und fuhrt zu einer Verbesserung der Leistungsfahigkeit.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis v
Tabellenverzeichnis ix
Abkurzungsverzeichnis xi
1 Einleitung 1
2 Grundlagen der Steuerung eines Brennstoffzellensystems 5
cp spezifische Warmekapazitat bei konstantem Druck
D Dicke
D Diffusionskoeffizient
E0 reversible Zellspannung
F Faraday-Konstante
f Frequenz
G(s) Ubertragungsfunktion der Regelstrecke
Gyd(s) Ubertragungsfunktion der Storgroße
I Stromstarke
i Stromdichte
J Molenstromdichte
J Tragheitsmoment
K(s) Regler der Storgroßenaufschaltung
Kd(s) Steuerglied der Storgroßenaufschaltung
kp Verstarkungsfaktor des Regels
Ks Verstarkungsfaktor der Ubertragungsfunktion der Regelstre-
cke
KV Durchflusskoeffizient
Kyd Verstarkungsfaktor der Ubertragungsfunktion der Storgroße
l Lange
LV effektive Kanallange
M Molare Masse
m Masse
N Anzahl
n Stoffmenge
P Leistung
p Druck
Pi Port eines Multi Port Switch
pS Sattigungsdampfdruck
Q Ladungsmenge
xiv TABELLENVERZEICHNIS
QN Durchfluss bei Normbedingungen
Ru universale Gaskonstante
si Pole
s0,i Nullstelle
SH StackHealth
T Temperatur
t Zeit
tD Abweichung der variablen Totzeit
Tt Totzeit
Tt,var variable Totzeit
TTau Taupunkt-Temperatur
U Spannung
u Stellgroße
u Umfangsgeschwindigkeit
U(s) Stellgroße des Reglers
V Volumen
x1 Parameter des Triggers einer variablen Totzeit
x2 Parameter des Triggers einer variablen Totzeit
Y (s) Ausgangsgroße der Regelstrecke
Indizes
H2 Wasserstoff
H2O Wasser oder Wasserdampf
N2 Stickstoff
O2 Sauerstoff
An Anode
BZ Brennstoffzellenstapel
Clnt Kuhlmittel
Diff Diffusion
eff effektiver
elek elektrisch
erf erforderlich
FU Frequenz Umrichter
Ges Gesamt
H2S Wasserstoffversorgung
i Indize 1
in Eintritt
Ist Ist-Wert
TABELLENVERZEICHNIS xv
j Indize 2
Ka Kathode
Kon Konzentration
Luft Luftversorgung
max maximal
Mem Membran
min minimal
Mot Motor
MU Messonde Ultraschall
opt optimal
out Austritt
Pumpe Kuhlmittelpumpe
Rkt Reaktion
Soll Sollwert
SSK Strom Spannungs Kennlinie
Sys System
Tau Taupunkt
Thermo Thermostatventil
Turbo Turboverdichter
Umgeb Umgebung
Umlauf Umlauf innerhalb der Wasserstoffversorgung
var variabel
VKM Verbrennungskraftmaschine
Vtl Ventil
WT Warmeubertrager
Einleitung 1
1 Einleitung
Die International Energy Agency (IEA) erklart im World Energy Outlook 2010 [33] das Ziel,
die globale Erderwarmung auf maximal 2 ◦C uber das vorindustrielle Temperaturniveau zu
minimieren. Die Realisierung dieses Ziels kann nur erreicht werden, wenn im Schnitt alle Lander
bis 2050 ihre CO2-Emissionen um wenigsten 50 % reduzieren [69]. Auf der UN Klimakonferenz
in Kopenhagen im Dezember 2009 beschlossen die Industriestaaten und viele weitere Lander,
sich unverbindliche Emissionsziele fur 2020 zu setzen [31, 33]. Die Europaische Union will ihre
Treibhausgasemissionen bis 2020 um 20 % und bis 2050 um 60 bis 80 % unter das Niveau von
1990 reduzieren [31]. Diese Anstrengung soll zum einen durch den Ausbau und die Erweiterung
der regenerativen Energieerzeugung und zum anderen durch die Steigerung der Effizienz der
bestehenden, auf fossilen Energietragern beruhenden Kraftwerkstechnik bewaltigt werden. Des
Weiteren wird die CO2-Abscheidung und Speichertechnologie (CCS1) in einigen Staaten auf
die Machbarkeit im industriellen Maßstab anhand von Pilotanlagen untersucht [69].
Im Bereich der erneuerbaren Energien weisen Photovoltaik, konzentrierende solarther-
mische Kraftwerke, Windenergie und Meeresenergie große Potenziale zum Erreichen der
anvisierten Ziele fur die erneuerbare Stromgewinnung auf [69]. Nach dem Bundesverband der
Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW) lag 2010 der Anteil der erneuerbaren Energien
am gesamten Primarenergieverbrauch in Deutschland bei 9,4 % [12]. Hingegen hangt der
Verkehrssektor in Europa noch zu 97 % von fossilen Brennstoffen ab [69]. Jedoch zeichnet sich
ein Trend zur Elektrifizierung des Antriebsstranges von Fahrzeugen ab, dieses wird durch das
stetig zunehmende Angebot an Hybrid, Plug-in-Hybrid und batterieelektrischen Fahrzeugen auf
dem Automarkt verdeutlicht.
Fur die nachhaltige Reduzierung des CO2-Ausstoßes von Fahrzeugen bieten alternati-
ve Kraftstoffe aus Biomasse und die Elektromaschine mit regenerativ erzeugtem Strom,
gespeichert in einer Traktionsbatterie oder uber die Brennstoffzelle aus regenerativ erzeugtem
Wasserstoff, eine Alternative zu den fossilen Kraftstoffen an. Das lokale emissionslose
Fahren kann nur mit einem batterieelektrischen oder brennstoffzellenbetriebenen Fahrzeug
gewahrleistet werden. Der Antrieb erfolgt bei beiden Konzepten uber eine Elektromaschine.
Die derzeitig angewandte Lithium-Ionen-Batterietechnologie erlaubt Reichweiten bis
zu 150 km (Mitsubishi MiEV) [46]. Brennstoffzellen-Fahrzeuge weisen Reichweiten bis zu
830 km (Toyota FCHV adv.) [57] auf. Somit konnen die moglichen Einsatzgebiete fur
diese beiden Technologien wie folgt beschrieben werden: Batterieelektrische Fahrzeuge sind
fur den Stadtverkehr, fur die Kurzstrecke und fur die tagliche Fahrt zur Arbeit geeignet.
1CCS steht für Carbon Dioxid Capture and Storage und bezeichnet die Abscheidung von Kohlendioxidüberwiegend aus Verbrennungsabgasen zur behälterlosen Speicherung in unterirdischen Gesteinsschichtenauf unbegrenzte Zeit [32].
2
Brennstoffzellen-Fahrzeuge (BZ-Fahrzeuge) konnen noch zusatzlich die Langstreckenmobilitat
abdecken.
Bis zum Jahr 2020 mochte die deutsche Bundesregierung 1 Million elektrisch angetriebene
Fahrzeuge auf deutschen Straßen sehen [69]. In Bezug auf BZ-Fahrzeuge wird seit 2003
das Demonstationsprojekt Clean Energy Partnership CEP2 von der Bundesregierung unterstutzt.
Am CEP in Berlin nehmen die Automobilhersteller Daimler, Ford, GM/Opel, Toyota,
Honda und der Volkswagen Konzern teil. Zum derzeitigen Zeitpunkt sind bis zu 40 BZ-
Fahrzeugen aller Automobilhersteller in Berlin im Einsatz. In den Fahrzeugen des Volkswagen
Konzerns ist die 3. Generation Brennstoffzellensysteme der Volkswagen Aktiengesellschaft
verbaut, daher werden diese Systeme HyMotion3 genannt. Hy steht fur die englische
Bezeichnung des Wasserstoffs Hydrogen und Motion folgt der Firmenstrategie der Marke
Volkswagen, die Motion zur Wiedererkennung ihrer Technologien einsetzt.
In der nachsten Generation von BZ-Fahrzeugen mochte der Volkswagen Konzern den
stoffzellensystem angepasst und getestet. Diese Arbeit baut somit auf eine funktionierende und
2Das CEP ist ein Demonstrationprojekt, welches nach den Empfehlungen der VerkehrswirtschaftlichenEnergiestrategie (VES) von Fahrzeugherstellern, Energielieferanten und der deutschen Bundesregierungmit der Version einer neuen nachhaltigen emissionsfreien Mobilität mittels Wasserstoff- und Brennstoffzel-lentechnologie im Jahre 2003 gestartet wurde [13]. Das CEP befindet sich zurzeit in der dritten Phase mitdem Fokus auf die Marktvorbereitung [14].
Einleitung 3
getestete Brennstoffzellensystem-Steuerung fur das hier betrachtete Brennstoffzellensystem
auf.
Das BZ-Aggregat der nachsten Generation entwickelt sich nicht nur hinsichtlich der
Brennstoffzellen- und Peripherie-Hardware weiter, sondern soll auch in Bezug auf die
Brennstoffzellensystem-Steuerung weiter optimiert und verbessert werden. Der Fokus
wird hier zum einen auf regelungstechnische Herausforderungen und zum anderen auf die
Verbesserung des Software-Entwicklungsprozesses gelegt. Die Losung der regelungstechnischen
Herausforderungen zielt auf eine Verbesserung der Betriebsweise des Systems, auf die
Minimierung des Wasserstoffverbrauchs und auf die Erhohung der Lebensdauer ab. Der
angewandte Software-Entwicklungsprozess des Rapid-Control-Prototyping wird in Kapitel 3
erlautert und stellt das Werkzeug zur Verfugung, mit dem die regelungstechnische Optimierung
der Steuerung durchgefuhrt wird.
Die Wasserstoffversorgung der nachsten Brennstoffzellensystem-Generation wird im
Gegensatz zur vorherigen ohne eine aktive Rezirkulation mittels eines Seitenkanalgeblases
ausgestattet. In den HyMotion3-Fahrzeugen wird mit Hilfe eines Simulationsmodells, basierend
auf einem Modell des Seitenkanalgeblases, die Gaszusammensetzung bestimmt und gezielt
darauf gesteuert. Damit wird eine Reduzierung des Wasserstoffverbrauchs um 5,33 % im
Verbrauchszyklus New European Driving Cycle (NEDC) erzielt [52].
Der Wegfall des Seitenkanalgeblases im betrachteten Brennstoffzellensystem erfordert
eine Alternative zur Bestimmung der Gaszusammensetzung, damit die Verbrauchsersparnisse
weiterhin fur die neue Fahrzeug-Generation erhalten bleiben. Daher wird in Kapitel 4
eine modellgefuhrte Steuerung der Wasserstoffkonzentration entworfen, die auf einem
Stickstoff-Diffusionsmodell zur Ermittlung der Gaszusammensetzung aufbaut. Hier steht die
Funktionalitat des Simulationsmodells zur Darstellung der Machbarkeit der modellgefuhrten
Steuerung im Vordergrund.
In Kapitel 5 wird die Regelgute der Regelung des Kuhlsystems mittels einer
Storgroßenaufschaltung verbessert. Die aus HyMotion3 ubernommene Regelung der
Kuhlmitteleintrittstemperatur weist bei großen Lastsprungen Abweichung von bis zu 4 % auf.
In Verbindung mit dem eigenentwickelten Brennstoffzellen-Stapel fuhrt dies zu einer starkeren
Beeinflussung der Leistungsfahigkeit im Gegensatz zum HyMotion3-System und kann zudem
die Lebensdauer reduzieren.
Des Weiteren hat die Kuhlmittelein- und -austrittstemperatur einen Einfluss auf die
relative Feuchte der Reaktionsgase. Das Einstellen dieser Feuchten ermoglicht die Steigerung
der Zuverlassigkeit und die Verbessung des BZ-Wirkungsgrads, daher wird zurzeit an der
4
Entwicklung einer Feuchte-Regelung gearbeitet. Eine Reduzierung der Regelabweichung der
Kuhlmitteltemperaturregelung verringert die moglichen Storeinflusse auf eine Feuchte-Regelung
oder bietet im Umkehrschluss die Moglichkeit einer weiteren Stellgroße fur die Regelung
der Feuchte. Die erforderliche Verbesserung der Regelgute des Kuhlsystems wird durch den
Entwurf der Storgroßenaufschaltung in Kapitel 5 realisiert.
Die Versorgung der Brennstoffzelle mit dem notigen Luftsauerstoff wird bei vielen Au-
tomobilherstellern durch den Einsatz eines Turboverdichters realisiert [50]. Das Kennfeld eines
Turboverdichters wird durch die”Pumpgrenze“ beschrankt. Die Verletzung dieser Grenze
kann zu einer mechanischen Beschadigung des Verdichters fuhren. Das Zusammenspiel des
eingesetztes Turboverdichters mit dem Brennstoffzellen-Stapel fuhrt wahrend des Betriebes
den Verdichter nahe an seine Pumpgrenze heran. Damit wahrend des Betriebes keine
Beschadigung des Verdichters auftritt, wird in Kapitel 6 eine Betriebsstrategie entwickelt, die
den sicheren Einsatz des Turboverdichters gewahrleistet. Diese Betriebsstrategie beinhaltet
neben einer Pumpgrenzuberwachung auch die Regelung zweier Luftmassenstrome. Im
unteren Lastbereich des Brennstoffzellensystems fordert der Turboverdichter einen hoheren
Luftmassenstrom als die Brennstoffzelle benotigt, daher muss zum einen der Luftmassenstrom
des Turboverdichters und zum anderen der Luftmassenstrom der Brennstoffzelle geregelt werden.
Abschließend werden die Ergebnisse dieser Arbeit in Kapitel 7 zusammengefasst. Im
Ausblick dieses Abschnittes werden die Schritte vorgestellt, die absolviert werden mussen, um
die optimierte Steuerung fur den Fahrzeugeinsatz zu ertuchtigen.
Grundlagen der Steuerung eines Brennstoffzellensystems 5
2 Grundlagen der Steuerung eines Brennstoffzellensys-tems
Der Einsatz einer Brennstoffzelle fur automobile Anwendungen dient der Umwandlung
der chemisch gebundenen Energie des Wasserstoffs in elektrische Energie, die fur den
Antrieb eines rein elektrisch betriebenen Fahrzeuges (E-Fahrzeug) genutzt wird oder als
Hilfsenergiequelle (APU) fur das Fahrzeug eingesetzt werden kann. Der Wasserstoff wird
uber einen Onboard-Reformer aus z.B. Methanol gewonnen oder direkt in flussiger oder
gasformiger Form in einem Tank mitgefuhrt. Daher ist die Brennstoffzelle und die von ihr
benotigte Peripherie ein wichtiger Bestandteil des Antriebsstranges eines E-Fahrzeuges mit
Brennstoffzellen-Antrieb.
In Abbildung 2.1 wird der prinzipielle Aufbau eines Brennstoffzellen-Fahrzeuges darge-
stellt. Der elektrische Antrieb des Brennstoffzellen-Fahrzeuges umfasst die Elektromaschine,
den dazugehorigen Umrichter und das Getriebe. Neben dem Brennstoffzellensystem und
dem Wasserstoffspeicher ist eine Hochvolt (HV) Batterie integriert, die verschiedene
Hybridfunktionen realisieren kann. Das Brennstoffzellensystem setzt sich aus der Brennstoffzelle
und seiner Peripherie zusammen. Das 12 Volt Bordnetz und die HV Batterie sind jeweils mit
einem Umrichter an das Traktionsnetz des Fahrzeuges angeschlossen. Dieses Traktionsnetz
verbindet die Energiespeicher bzw. Energiewandler mit der Elektromaschine.
Im Konzept des Brennstoffzellen-Fahrzeuges dient das Brennstoffzellensystem hauptsachlich
als Stromerzeuger fur den elektrischen Antriebsmotor, wahrend die HV Batterie nur zur
Unterstutzung des Brennstoffzellensystems und als Speichermedium fur rekuperierte Energie
Brennstoffzellensystem
Frequenz-
Umrichter
~
=
Batteriesystem
Peripherie Brennstoffzelle
H2-
Tank
HV
12V
DC/DC
=
=
E-Antrieb,
Getriebe
M3~
DC/DC
=
=
Abbildung 2.1: Prinzipieller Aufbau eines Brennstoffzellen-Fahrzeuges
6
verwendet wird. Daher muss das Brennstoffzellensystem mit seiner Steuerung zuverlassig
arbeiten und fur unterschiedlichste Umgebungsbedingungen einen sicheren Betrieb des
Fahrzeuges gewahrleisten.
Im Hinblick auf die Dynamik des gesamten Antriebsstranges hat zusatzlich zur Dyna-
mik des Brennstoffzellensystems die Kapazitat und die kurzfristige, maximal mogliche
Leistungsabgabe der Batterie einen entscheidenden Einfluss. Daher sollte die Auswahl der
Batterie in Bezug auf die erwahnten Parameter Kapazitat und kurzfristige Leistungsfahigkeit
im Zusammenspiel mit einem intelligenten Hybridmanagementsystem getroffen werden.
Dieser Hybridmanager entscheidet, inwieweit das Brennstoffzellensystem in Beschleu-
nigungsphasen unterstutzt wird, der Lastpunkt des Brennstoffzellensystems positiv fur den
Gesamtwirkungsgrad des Antriebsstranges verschoben wird und wieviel zusatzliche Energie
durch Rekuperieren beim Bremsen und normalen Verzogern zuruckgewonnen wird [3, 59]. Dies
fuhrt zu einer Verbesserung des Wirkungsgrads des Antriebsstranges, zur Verlangerung der
Lebensdauer des Brennstoffzellensystems und zu einer Minimierung des Wasserstoffverbrauchs
[3, 59]. Aufgrund der erwahnten Anforderungen an das Brennstoffzellensystem dient die Steue-
rung eines Brennstoffzellensystems in erster Linie der Gewahrleistung der Betriebssicherheit
und der Erfullung der dynamischen Anforderungen des elektrischen Antriebsstranges an das
Brennstoffzellensystem.
Eine Brennstoffzelle benotigt fur den Einsatz als elektrische Energiequelle eines Fahr-
zeugantriebsstranges eine Peripherie, die die benotigten Edukte Wasserstoff und Sauerstoff
schnellstmoglich bereitstellt und die produzierte Warme abfuhrt. Diese Peripherie besteht bei
dem in dieser Arbeit betrachteten Brennstoffzellensystem aus der Wasserstoffversorgung, der
Luftversorgung, dem Kuhlsystem, dem Tanksystem und dem Hochvoltsystem. Der genaue
Aufbau des in dieser Arbeit untersuchten Brennstoffzellensystems und der dazugehorigen,
entwickelten Steuerung wird in diesem Kapitel erlautert. Bei der Beschreibung der Steuerung
wird auf die globale Struktur der Steuerung eines Fahrzeug-Brennstoffzellensystems, die
Anforderungen an die Regelung des Gesamtsystems, inklusive seiner Teilsysteme und den
Ablauf der Steuerung eingegangen. Zusatzlich wird das Thema Fehlerbehandlung nahergehend
vorgestellt. Die Fehlerbehandlung ist ein wichtiger Bestandteil der Steuerung, der einen
zuverlassigen und robusten Betrieb des Brennstoffzellensystems gewahrleistet und somit die
Verfugbarkeit des Brennstoffzellenfahrzeuges entscheidend verbessern kann.
Bevor die Steuerung zum Thema dieses Kapitels wird, werden zunachst die Grundlagen der
Brennstoffzellentechnologie kurz erlautert und auf die verwendete Polymer-Elektrolyte-Membran
(PEM)-Brennstoffzelle eingegangen. Hier werden die Vorteile aber auch die Herausforderungen
der PEM-Technologie hinsichtlich der Anwendung fur den automobilen Sektor herausgestellt.
Grundlagen der Steuerung eines Brennstoffzellensystems 7
2.1 Grundlagen der Brennstoffzellentechnologie
Das Prinzip der Brennstoffzelle als elektrochemischer Energiewandler wurde erstmals vom
deutsch-schweizerischen Chemiker Christian Friedrich Schonbein im Jahre 1839 in der
Januarausgabe des Philosophical Magazine erlautert [41]. Ebenfalls im Jahre 1839 unter
Kenntnisnahme der Arbeit von Schonbein entwickelte der englische Naturwissenschaftler und
Jurist Sir William Grove sein Grovsches Element, welches zur damaligen Zeit als Gasbatterie
bezeichnet wurde.
Tabelle 2.1: Brennstoffzellentypen und ihre Eigenschaften nach [16, 20, 41, 66]
Daimler F-Cell 80 11,4 170 1,16 >400 ca. 4,3 (700)
Toyota FCHV adv. 907 10,9 155 0,88 830 6,5 (700)
Honda Clarity 100 9 161 0,969 386 3,92 (350)
GM HydroGen4 93 12 160 1,39 320 4,2 (700)
Hyundai-Kia FCEV - 12,8 160 1,0410 758 7,9 (700)
5Tankdruck bei maximalem Füllstand6Verbrauch im NEDC-Zyklus; New European Driving Cycle7Leistung des Elektromotors8Verbrauch im 10-15 Mode; Japanischer Fahrzyklus9Verbrauch im FTP75-Zyklus; Amerikanischer Fahrzyklus
10Verbrauch bei realen Fahrbedingungen
10 2.1 Grundlagen der Brennstoffzellentechnologie
2.1.1 Funktionsweise einer Brennstoffzelle
Fur ein besseres Verstandnis der Funktionsweise der PEM-Brennstoffzelle wird in Abbildung
2.2 der Aufbau einer einzelnen PEM-Brennstoffzelle, im folgenden nur Brennstoffzelle
genannt, dargestellt. Die Brennstoffzelle setzt sich aus den Komponenten Bipolarplatte,
Gasdiffusionsschicht, Elektrode und Membran zusammen.
Abbildung 2.2: Prinzipieller Aufbau einer einzelnen Brennstoffzelle
In Abbildung 2.2 ist auf beiden Seiten der protonendurchlassigen Polymermembran
jeweils eine Gasdiffusionselektrode (GDE) und eine Bipolarplatte angebunden. Eine Gasdif-
fusionselektrode besteht als Dreischichtelektrode aus einer hydrophoben, aus Kohlefasern
bestehenden Tragerschicht, einer mikroporosen Diffusionsschicht aus Kohle und Polytetrafluo-
rethylen (PTFE) sowie einer Katalysatorschicht aus kohlegetragerten Platinmetallpartikeln und
beginnend mit der graphischen Modellierung der Steuerung bis hin zu der Umsetzung dieser
Steuerung auf einem fur automobile Fahrzeuganwendungen tauglichen Steuergerat durchlauft
mehrere Schritte. Die Erlauterung dieses Prozesses wird der Inhalt dieses Kapitels sein.
Zunachst wird der angewendete Entwicklungsprozess des Rapid Control Prototyping fur
graphisch modellierte Steuerungssoftware ganzheitlich beschrieben. Im weiteren Verlauf des
Kapitels werden die einzelnen Schritte, die diesen Prozess kennzeichnen, genauer unter die
Lupe genommen und anhand der Entwicklung der Steuerung des Brennstoffzellensystems
fur ein BZ-Prototypenfahrzeug verdeutlicht. Des Weiteren wird die erforderliche Toolket-
te erklart und samtliche aufgetretene Herausforderungen werden samt ihrer Losungen aufgezeigt.
Des Weiteren ist zu erwahnen, dass die entwickelte und hier beschriebene Steuerung
des Brennstoffzellensystems auf dem Volkswagen Brennstoffzellen-Steuergerat VW-FCC11
umgesetzt wird und in den zukunftigen Brennstoffzellenfahrzeugen zum Einsatz kommt.
3.1 Entwicklungsprozess des Rapid Control Prototyping
In den Entwicklungsprozessen heutiger Systeme im automobilen Sektor, wie z.B. Mo-
torsteuerung, ABS, ESP, automatische Klimatisierung und ahnliches, ziehen zunehmend
mechatronische Systeme ein. Mit dem Zusammenspiel von mechanischen und elektronischen
Komponenten bekommt die Steuerungs-, Regelungs- und Automatisierungstechnik eine
immer hohere Bedeutung [1]. Dies fuhrt zu der Entwicklung von neuen Entwurfsmethoden
im Bereich der Steuerungs- und Regelungstechnik, die der Komplexitat und zunehmenden
Funktionsvielfalt Rechnung tragen. Ein bewahrter Entwicklungsprozess der Steuerungs- und
Regelungstechnik ist das”Rapid Control Prototyping“ (RCP) [1, 9]. Das Rapid Control
Prototyping ist ein integrierter, rechnergestutzter Entwicklungsprozess fur mechatronische
Systeme. Dieser Entwicklungsprozess basiert auf einem klassischen Entwicklungsprozess fur
Automatisierungslosungen, welcher nach dem so genannten V-Modell beschrieben wird [29].
Im linken Zweig des V-Modells in Abbildung 3.1 wird auf einem hohen Abstraktions-
niveau z.B. mit der Beschreibung der Aufgabenstellung oder eines Lastenheftes begonnen.
Mit zunehmender Annaherung zur unteren Spitze nimmt der Detaillierungsgrad bis hin
zum Programmcode der Regelungs- und Steuerungsalgorithmen auf der Zielhardware zu.
11Der VW-FuelCellController ist ein von Volkswagen in Zusammenarbeit mit der IAV GmbH eigenent-wickeltes, automotivtaugliches Brennstoffzellensteuergerät
32 3.1 Entwicklungsprozess des Rapid Control Prototyping
Systemdesign
Analyse
Modellierung
Simulation
Reglerentwicklung
Reglererprobung
Codierung
Implementierung
Iterations-
zyklen
Regler-Spezifikation Regler
Test des
Gesamtsystems
Test von
Teilsystemen (z.B.
Kühlsystem)
Komponententests
(Diffusionsmodell)
Abbildung 3.1: Entwicklungsprozess nach der Methodik des V-Modells nach [1]
Aufsteigend auf dem rechten Zweig des V-Modells nimmt der Detaillierungsgrad wieder
ab, auf diesem Pfad befinden sich zunachst Tests der einzelnen Komponenten, gefolgt von
Teilsystemen bis hin zum Gesamtsystem und der abschließenden Erfullung des Lastenhefts. Die
Abarbeitung der beschriebenen Schritte der beiden Zweige erlauben das Uberspringen oder
Auslassen von einzelnen Schritten und jederzeit konnen sich Iterationsschleifen ergeben.
Nachteilig fur den Entwicklungsprozess nach dem klassischen V-Modell ist das Iterieren
nur in vertikaler Richtung. Zum Beispiel konnen erst Fehler bei den Test der Teilsysteme
erkannt werden, wenn alle voran gegangenen Entwicklungsschritte durchgefuhrt worden sind.
Weiterhin stehen zurzeit fur alle in Abbildung 3.1 beschriebenen Schritte Softwarewerkzeuge
zur Verfugung, aber die Kompatibilitat der einzelnen Werkzeuge untereinander ist in den
meisten Fallen nicht gegeben. Aus diesen Nachteilen heraus wurde der Prozess des Rapid
Control Prototyping entwickelt. Er vereint die Vorteile des gut strukturierten Vorgehens des
V-Modells und bietet Moglichkeiten zur Losung der erwahnten Nachteile.
Eine unabdingbare Voraussetzung fur das RCP ist eine durchgangige Toolkette, die
ein reibungsloses Abarbeiten der einzelnen Schritte ermoglicht und daruber hinaus auch
Iterationsschleifen in horizontaler Richtung erlaubt. Beispielsweise kann ein entworfener Regler
fur ein Teilsystem auch ohne die dafur vorgesehene Zielhardware innerhalb einer Software in the
Loop Simulation (SiL) getestet werden. Somit werden dem Entwickler mehrere zeitaufwendige
Schritte erspart und dadurch konnen fruhzeitig Fehler erkannt und behoben werden.
Rapid Control Prototyping unterstutzt somit einen schnellen und zuverlassigen Entwurf der
Automatisierungsfunktionen fur eine Steuerung z.B. eines Brennstoffzellensystems. Am Beispiel
des betrachteten Brennstoffzellensystems werden die einzelnen Entwicklungsschritte anhand
der Abbildung 3.2 aufgezeigt und sehen wie folgt aus:
Umsetzung der Steuerungssoftware auf der Zielhardware 33
Sy
ste
ma
bd
eck
un
g
Grafische
Modellierung und
Reglerentwurf
MiL-Simulation
Kompo-
nenten
Sub-
system
Gesamt-
system
Simulation
PC
HiL-
Simulation
HiL-Simulator
Simulation
reale HW
Applikation
am Fahrzeug
nur reale
HW
Fahrzeug
Laborsystem
mit E-Fahrzeug-
simulation
Laborsystem
Simulation
reale HW
VW-
FCC
VW-
FCC
VW-
FCC
Abbildung 3.2: Entwicklungsprozess des Rapid Control Prototyping anhand derBrennstoffzellensystem-Steuerung nach [34]
1. Grafische Modellierung und Simulation der Aufgabenstellung mit anschließendem Regler-
entwurf und Model in the Loop Simulationen (MiL-Simulation)
2. Test der entworfenen Regler auf der Zielhardware mittels einer Hardware in the Loop
Simulation (HiL-Simulation) der einzelnen Teilsysteme und des gesamten Brennstoffzel-
lensystems
3. Erprobung der Steuerung auf der Zielhardware am Laborsystem mit einer integrierten
E-Fahrzeugsimulation
4. Applikation der Steuerung auf der Zielhardware im Prototypenfahrzeug
Im unteren Bereich der Abbildung 3.2 ist fur jeden Entwicklungsschritt die geleistete
Systemabdeckung des Brennstoffzellensystems in Simulation durch Software oder Einsatz von
realer Hardware aufgeteilt.
Die umfangreiche und komplexe Aufgabe der grafischen Modellierung und Simulation
des Brennstoffzellensystems samt der Verifikation und Validierung wird mit dem ebenfalls
arbeitsaufwendigen Entwurf der Regelung und Steuerung, inklusive der erforderlichen Tests, zu
einem Schritt zusammengefasst. Diese Zusammenfuhrung wurde, durch das bereits vorhan-
dene funktionsfahige, validierte Simulationsmodell des HyMotion3-Brennstoffzellensystems
ermoglicht. Die hohe Ahnlichkeit im Bereich der Verschaltung und des Aufbaus des
34 3.1 Entwicklungsprozess des Rapid Control Prototyping
HyMotion3-Systems mit dem hier untersuchten Brennstoffzellensystem fuhrte zu einem
Aufbau eines Simulationsmodells basierend auf das HyMotion3-Simulationsmodell mit vielen
Uberschneidungen. Dieser Modellaufbau mit anschließender Verifizierung und Validierung wurde
im Vorfeld dieser Arbeit bereits durchgefuhrt. Der erste Schritt des Rapid Control Prototyping
Prozesses im Rahmen dieser Arbeit besteht daher hauptsachlich aus dem Reglerentwurf und
bedient sich weitestgehend validierter Modelle.
Im nachsten Schritt des Entwicklungsprozesses wird die erste Stufe auf dem Weg zu
einer kompletten Systemabdeckung mit realer Systemhardware bestiegen. Das VW-FCC
kommt mit der im ersten Schritt entworfenen Steuerung des Brennstoffzellensystems
innerhalb der HiL-Simulationen zum Einsatz. Die entworfenen Ablaufsteuerungen und Regler
werden zu einem Modell zusammengefasst und als Assembler-Code auf die Zielhardware
das VW-FCC aufgespielt, siehe nachfolgendes Kapitel 3.2. Das VW-FCC wird uber einen
Kabelbaum mit einem HiL-Simulator verbunden. Dieser HiL-Simulator ist ein echtzeitfahiger
Hochleistungsrechner, der das Brennstoffzellensystem in seinen zu regelnden Prozessen
in Echtzeit beschreibt. Die HiL-Simulation dient der Uberprufung der Steuerung auf
vollstandige Funktionsfahigkeit, Robustheit und Sicherheit [1]. Vorteile der HiL-Simulation
sind automatisierbare und kostengunstige Funktionstests und die einfache Variation der
Regelstrecken in ihrem Verhalten.
Nach einem erfolgreichen Abschluss der Funktionstests mittels HiL-Simulationen wird
der HiL-Simulator gegen ein reales System, in diesem Falle das betrachtete Laborsystem,
ausgetauscht. Dieser Schritt dient der Uberprufung der Ergebnisse der HiL-Simulation, um
abschließende Validierungszyklen einzuleiten oder die Validierung zu beenden. Des Weiteren
kann die HiL-Simulation auch nur begrenzt die Realitat abbilden und abschließende Tests mit
dem realen Gesamtsystem durfen nicht ausgelassen werden, sondern sind ein sehr wichtiger
Bestandteil des Entwicklungsprozesses RCP. Fur einige Steuerungs- und Regelungsalgo-
rithmen wird keine HiL-Simulation benotigt, wahrend andere aufgrund nicht existierender
Simulationsmodelle, wie z.B. bei der Modellierung des Pumpens eines Turboverdichters
siehe Kapitel 6, nicht durch einen HiL-Simulator dargestellt werden konnen. In diesen Fallen
kann die HiL-Simulation ausgelassen werden und die entworfenen Algorithmen werden
sofort am Laborsystem getestet. Innerhalb dieses Schrittes wird eine hohe Systemabdeckung
durch reale Hardware erreicht. Die einzige simulative Komponente ist der Prufstand, der
mit dem Laborsystem verbunden ist. Dieser Prufstand simuliert die Leistungsanforderung,
die CAN-Kommunikation und das Lastprofil realer oder synthetischer Fahrzyklen eines
brennstoffzellenbetriebenen E-Fahrzeuges.
Ein Entwicklungszyklus innerhalb des RCP-Prozesses wird durch die Applikation der
Zielhardware in einem Prototypenfahrzeug abgeschlossen. Innerhalb dieser Arbeit kann aufgrund
Umsetzung der Steuerungssoftware auf der Zielhardware 35
der Tatsache, dass kein Prototypenfahrzeug mit dem untersuchten Brennstoffzellensystem
verfugbar war, dieser Schritt nicht behandelt werden. Zurzeit des Abschlusses dieser
Arbeit befand sich das Brenstoffzellenfahrzeug der nachsten Generation im Aufbau. Die
Erprobung der entwickelten Steuerung und des entwickelten VW-FCC innerhalb einer realen
Fahrzeugumgebung stellt nichtsdestotrotz eine vollstandige Systemabdeckung durch reale
Hardware dar und rundet die Test- und Erprobungsphase einer mittels des RCP entwickelten
Steuerung ab.
3.1.1 Grafische Modellierung und Reglerentwurf
Die Grundvoraussetzung fur den Einsatz des Entwicklungsprozesses RCP besteht in der
Bereitstellung einer durchgangigen Toolkette, die aus der grafischen Modellierung heraus
den Reglerentwurf, die Validierung und die automatische Programmcode-Generierung fur die
Zielhardware ermoglicht. Der Entwurf der Steuerung des Brennstoffzellensystems wird mit
maximale Rechenzeit in ms 0,143 0,223 0,442 0,594 0,903 1,641 2,130 -
Modellgeführte Steuerung der Wasserstoffkonzentration 77
0 10 25 50 100 200 300
0
0.2
0.6
1
1.4
1.8
2.2
Anzahl der Volumenelemente
Re
ch
en
ze
it in
ms
Abbildung 4.11: Verhältnis der Rechenzeit zur Anzahl der Volumenelemente
Der Zusammenhang zwischen der Rechenzeit und der Anzahl der Volumenelemente
ist annahernd linear. Das FVM-Modell mit 500 finiten Volumenelementen war nicht mehr
auf der Zielhardware lauffahig und fuhrte so zu keinem Ergebnis. Der erste Wert bei 0
Volumenelementen der Tabelle 4.2 zeigt die minimale Rechenzeit der Steuerungssoftware der
modellgefuhrten Steuerung ohne das Antriggern des FVM-Modells an.
Das FVM-Modell wird mit 16 Volumenelementen (VE) mit hinreichender Genauigkeit aufgelost,
fur jede Verbindungsleitung 1 VE, Anbindung der Ventile 1 VE, Strahlpumpe 1 VE und 12 VE
fur die Diskretisierung der Brennstoffzelle. Damit wird eine Rechenzeit von ca. 0, 3 ms benotigt.
Aufgrund der Annahme einer konstanten Diffusion und eines linearen Temperaturver-
laufes entlang der Flussrichtung der Membran, wurde ein Volumenelement fur die Modellierung
der Brennstoffzelle ausreichen. Durch eine inhomogene Stromdichteverteilung kann es
zu einer nichtlinearen Temperaturverteilung kommen und weiterhin kann aufgrund einer
unterschiedlichen Wasserbeladung der PEM-Membran der N2-Diffusionsstrom uber das
Flussfeld variieren.
Daher bieten die 12 VE zukunftig die Moglichkeit die Diffusion oder den Temperatur-
verlauf innerhalb der Brennstoffzelle nichtlinear abbilden zu konnen. Die Verringerung der VE
auf die minimal erforderlichen 5 VE wurde die Rechenzeit nicht mehr stark verringern. Daher
wird eine Anzahl der Volumenelemente von 16 VE auf der Zielhardware beibehalten.
78 4.4 Einsatz der modellgeführten Steuerung am Laborsystem
4.4.1 Test der modellgefuhrten Steuerung am Laborsystem
Der Test der modellgefuhrten Steuerung am Laborsystem erfolgt in zwei Schritten. Im ersten
Schritt wird das Verhalten der modellgefuhrten Steuerung bei unterschiedlichen stationaren
Betriebspunkten untersucht. Der zweite Schritt beinhaltet den Test der modellgefuhrten
Steuerung wahrend des NEDC Fahrzyklusses.
Fur die erste Untersuchung wurden mehrere Punkte der Strom-Spannungs-Kennlinie
am Laborsystem eingestellt. Der Verlauf des simulierten Wertes und der berechneten Messwerte
der H2-Konzentration sind als Strich-Punkt bzw. durchgezogene Linie in der Abbildung 4.12
dargestellt. Der qualitative Verlauf der Leistungsaufnahme des Brennstoffzellensystems ist
als rote Linie abgebildet. Das Stellsignal des Purgeventils wird durch die blaue Linie in der
Abbildung dargestellt. Hier wird nur zwischen”geoffnet“ bei 0,5 und “geschlossen“ bei 0
unterschieden.
Im vorderen Bereich bis ca. 40 % der normierten Zeit wird auf das cH2,An,opt gesteuert und im
weiteren Zeitbereich auf ca. 90 % des cH2,An,opt. Der Zwei-Punkt-Regler der modellgefuhrten
Steuerung offnet bzw. schließt das Purgeventil an seinen festgelegten Grenzwerten und
0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 10
0.25
0.5
0.75
1
1.25
normierte Zeit
no
rmie
rte
Ko
nze
ntr
ati
on
gemessene cH2,An
simulierte cH2,An
Stellsignal Purgeventil
Betriebspunkt BZ
Abbildung 4.12: Verhalten der modellgeführten Steuerung bei unterschiedlichenBetriebspunkten des Brennstoffzellensystems am Laborsystem
Modellgeführte Steuerung der Wasserstoffkonzentration 79
bestatigt somit die Erkenntnisse aus der MiL-Simulation. Der Verlauf Betriebspunkte BZ zeigt
vier unterschiedliche Betriebspunkte an und ist nicht mit der y-Achse in Verbindung zu stellen.
Des Weiteren stimmen die Verlaufe der simulierten und gemessenen Werten gut uber ein,
weisen jedoch beim Schließen des Purgeventils Abweichungen auf.
Diese Abweichungen sind in der maximalen Auspragung der H2-Anreicherung wahrend
eines geoffneten Purgeventils zu beobachten. Der gemessene Wert wird durch die
Stromungsverhaltnisse in der Messsonde, durch die Messwertaufbereitung und durch die
Messfrequenz beeinflusst. Dies fuhrt zu einem stufenformigen und leicht verzogerten Verlauf
der H2-Konzentration.
Dem gegenuber steht das proportionale Verhalten des FVM-Simulationsmodells der Steuerung,
welches durch den linearen Verlauf des Graphen der simulierten H2-Konzentration in der
Abbildung 4.12 gekennzeichnet wird. Innerhalb des FVM-Modells der Wasserstoffversorgung
wird das Stromungs- und Mischverhalten der Gase nicht berucksichtigt und die N2-Diffusion
wird als linear angenommen. Dies wird durch das beschriebene Verhalten des simulierten
Wertes des FVM-Modells deutlich.
0 200 400 600 800 1000 12000.65
0.7
0.75
0.8
0.85
0.9
0.95
1
1.05
1.1
Zeit in s
no
rmie
rte
Ko
nze
ntr
ati
on
gemessene cH
2,An
simulierte cH
2,An
Purgeventil
Abbildung 4.13: Vergleich des Messwertes für die H2-Konzentration mit dem simu-lierten Wert während eines NEDC inklusive der Darstellung desStellsignals des Purgeventils
80 4.4 Einsatz der modellgeführten Steuerung am Laborsystem
Abschließend kann grundsatzlich die Funktionalitat der modellgefuhrten Steuerung der
H2-Konzentration fur unterschiedliche stationare Betriebspunkte bestatigt werden.
Die Abbildung 4.13 zeigt den Verlauf des simulierten, indirekt gemessenen Wertes
und die Abbildung 4.14 ihre gemittelten Werte der H2-Konzentration wahrend eines NEDC am
Laborsystem. Die H2-Konzentration wurde mit Hilfe des indirekten Messwertes eingestellt. Des
Weiteren ist das Stellsignal des Purgeventils dargestellt.
Zunachst werden die Erkenntnisse aus der Validierung des Modells der Wasserstoffversorgung
bestatigt, dass der qualitative Verlauf des Messwertes im Verlauf des simulierten Wertes leicht
wieder zuerkennen ist. Aber im Gegensatz zur Abbildung 4.6 ergeben sich speziell im Anfangs-
bereich bei geringer Leistung und zum Ende des NEDC bei großen Leistungen etwas großere
Differenzen beim Absolutwert der gemittelten Werte der indirekten Messung und der Simulation.
Zu Beginn des Fahrzyklusses werden sehr geringe Leistungen mit langeren Idle-Phasen
abgefahren, dies fuhrt zu einer hohen N2-Anreicherung der simulierten Werte im Flussfeld der
Anode, bedingt durch die geringe Rezirkulation in diesem Betriebspunkt. Die aus der Messung
0 200 400 600 800 1000 12000.65
0.7
0.75
0.8
0.85
0.9
0.95
1
1.05
1.1
Zeit in s
no
rmie
rte
Ko
nze
ntr
ati
on
gemessene(gemittelt) cH
2,An
simulierte(gemittelt) cH
2,An
Purgeventil
Abbildung 4.14: Vergleich der gemittelten Messwerte für die H2-Konzentration mitdem gemittelten simulierten Wert während eines NEDC inklusiveder Darstellung des Stellsignals des Purgeventils
Modellgeführte Steuerung der Wasserstoffkonzentration 81
am Anodenaustritt berechneten Werte konnen, aufgrund der außerhalb der Brennstoffzelle
liegenden Messstelle, die simulierten Werte nicht bestatigen. Ab 180 Sekunden nach dem
Start des NEDC nahert sich der simulierte Wert der Messung an. Nach ca. 400 Sekunden
weisen die gemittelten Werte aus Messung und Simulation nur noch geringe Abweichungen auf.
Daraus ist zu schließen, dass der anfangs wahrend der Idle-Phasen in die Wasserstoffversorgung
diffundierte Stickstoff jetzt homogen uber der gesamten Wasserstoffversorgung verteilt ist.
Ab etwa 900 Sekunden nach dem Start stellt sich eine bleibende Abweichung ein, die
sich zum Ende des NEDC auf 6 % aufsummiert hat. Unter der Verwendung des simulierten
cH2,An-Wertes fur die modellgefuhrte Steuerung wurden die Purgeintervalle großer ausfallen und
die Korrektur uber den StackHealth musste greifen. Begrundet liegt diese Tatsache darin, dass
die Messung einige Betriebsstunden nach der Validierung des FVM-Modells aufgenommen wurde.
Der stetige Einfluss der Alterung auf das Systemverhalten der Wasserstoffversorgung
hinsichtlich der H2-Konzentration fuhrt zu nicht zufriedenstellenden Ergebnissen, um die
modellgefuhrte Steuerung mittels des FVM-Modells der Wasserstoffversorgung im dynamischen
Betrieb des betrachteten Brennstoffzellensystems weiter zuverlassig einsetzen zu konnen.
4.4.2 Bewertung der Ergebnisse der modellgefuhrten Steuerung im Einsatz amLaborsystem
Die vollstandige Abbildung der Veranderung der Gaszusammensetzung eines 3-Komponenten-
Gemisches mit der messtechnischen Erfassung nur einer Komponente setzt eine modellbasierte
Ermittlung von mindestens einer weiteren Komponente voraus. Fur die Steuerung eines
Brennstoffzellensystems ist die Kenntnis und das gezielte Einstellen der H2-Konzentration von
großer Bedeutung. Daher ist ein Simulationsmodell entworfen worden, bestehend aus einem
FVM-Modell der Wasserstoffversorgung mit integriertem N2-Diffusionsmodell und einer auf
diesem Modell basierenden Steuerung der H2-Konzentration.
Ein Problem hat sich bei den Tests der modellgefuhrten Steuerung am Laborsystem
gezeigt. Die Gaszusammensetzung uber die gesamte Lebensdauer eines Brennstoffzellensystems
speziell die H2- und N2-Konzentration konnen nicht allein anhand von Anfangsbedingungen und
den zufließenden und abfließenden Stoffstromen, bedingt durch Ventile, Verbrauch und Diffusion
berechnet werden. Der untersuchte BZ-Stapel kann aufgrund von Alterungserscheinungen sein
Systemverhalten im Hinblick auf die Diffusion, Einfluss der Feuchte, Druck und Temperatur
auf den StackHealth stark andern.
Dies hat zur Folge, dass zur Korrektur der simulierten H2-Konzentration nicht allein
der StackHealth dienen kann. Viel mehr muss die Veranderung des Diffusionsverhaltens in
82 4.4 Einsatz der modellgeführten Steuerung am Laborsystem
Abhangigkeit verschiedener Effekte der Alterung oder auch unterschiedlicher Umgebungsbedin-
gungen direkt erkannt werden. Dies muss zusatzlich mit einem geringen Rechenaufwand fur die
Zielhardware umzusetzen sein.
Daher kann als erster Ansatz der Einfluss verschiedener messbarer Großen wie Druck,
Temperatur, Luftmassenstrom und Feuchte auf den Diffusionskoeffizienten empirisch anhand
zahlreicher Messreihen ermittelt und mittels eines Kennfeldes in die Steuerung integriert
werden. Diese Vorgehensweise muss an unterschiedlichen Stapeln vorgenommen werden, um
einer moglichen Beeinflussung der Ergebnisse aufgrund von starken Bauteilstreuungen zwischen
den BZ-Stapeln entgegen zu wirken.
Nichtsdestotrotz sind die bis hierher erzielten Ergebnisse vielversprechend und fuhren
in der ersten Phase der Inbetriebnahme neuer Stapel und beim Betrieb wahrend der ersten
Betriebsstunden dazu, dass die modellgefuhrte Steuerung der H2-Konzentration zum Einsatz
kommen wird. Aber die Korrektur des simulierten Wertes wird zunachst mit der gemessenen
Große durchgefuhrt. Dadurch werden Erfahrungen gesammelt, die zusammen mit der
erfolgreichen Umsetzung der beschriebenen Maßnahmen mit einiger Zuversicht zu einer
zuverlassigen modellgefuhrten Steuerung fuhren wird. Dies sollte dann zu einer Streichung des
zurzeit eingesetzten H2-Konzentrationssensors fur den zukunftigen Einsatz in BZ-Fahrzeugen
ohne eine aktive Rezirkulation in der Wasserstoffversorgung fuhren.
Optimierung der Regelung des Kühlsystems 83
5 Optimierung der Regelung des Kuhlsystems
Das Kuhlsystem dient der Abfuhrung der innerhalb der Brennstoffzelle entstehenden
Reaktionswarme. Die Warme wird uber das Kuhlmedium innerhalb des Kuhlers an die
Umgebungsluft abgegeben.
In Kapitel 2.2.3 wird die Notwendigkeit einer konstanten Kuhlmitteleintrittstemperatur
fur das Einstellen der relativen Feuchte der Kathode und Anode, die optimale Leis-
tungsfahigkeit und der Gewahrleistung einer langen Lebensdauer angefuhrt. Des Weiteren
ist die Variation der Kuhlmitteltemperaturdifferenz uber die Brennstoffzelle entscheidend
fur den Abtransport des Produktwassers aus der Kathode. Die Eintrittstemperatur des
Kuhlmittels soll auf einen konstanten Wert eingestellt werden, somit steht zur Beeinflus-
sung der Temperaturdifferenz bei einer konstanten abzufuhrenden Warmemenge nur die
Stellgroße des Kuhlmittelvolumenstroms bzw. die Drehzahl der Kuhlmittelpumpe zur Verfugung.
Aufgrund der erwahnten Anforderung an die Ein- und Austrittstemperaturen des Kuhlmittels
ist die Verwendung eines passiven Stellgliedes, wie des Dehnstoffthermostats einer VKM,
aufgrund seines P-Regler Verhaltens nicht zielfuhrend. Der Einsatz eines Dehnstoffthermostaten
wurde immer zu einer bleibenden Regelabweichung und zu großen Uberschwingungen bei
Lastsprungen fuhren. Diese starken Schwankungen der Kuhlmitteleintrittstemperatur wurde
das Einstellen der relativen Feuchte der Reaktionsgase stark erschweren oder sogar verhindern.
Des Weiteren kann die Betriebstemperatur des Brennstoffzellensystems nicht variiert werden,
um dem Austrocknen der Membran oder dem Auskondensieren von Wasser in dem Flussfeld
der Bipolarplatten aktiv entgegen zu wirken.
Daher wird die Kuhlmitteleintrittstemperatur aktiv mit einem elektrisch angesteuertes
Thermostatventil geregelt und die Kuhlmitteltemperaturdifferenz wird uber die Drehzahl einer
Die derzeitige Regelung der Kuhlmitteleintrittstemperatur basierend auf einem PID-
Regler der HyMotion3-Steuerung fuhrt zu dem in Abbildung 5.1 dargestellten Ergebnis bei
einem maximalen Lastsprung am untersuchten Laborsystem. Die Regelgroße TClnt,BZ,in (linke
y-Achse) ist auf den Sollwert und die Brennstoffzellen Leistung PBZ,ist (rechte y-Achse) auf
ihren Maximalwert normiert.
Die Regelgroße weist nach einer zeitlichen Verzogerung von ca. 5 Sekunden ein Uberschwingen
des Sollwertes um 4 % bzw. ca. 3 Kelvin auf. Die Anderung der Kuhlmitteleintrittstemperatur
bewirkt ebenfalls eine Erhohung der Kathodeneintrittstemperatur, weiterhin wird mittels
der Dampfdruckkurve, siehe Anhang A.3, die relative Feuchte um ca. 10 % reduziert. Der
84
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 200.95
0.975
1
1.025
1.05
Zeit in s
no
rmie
rte
Te
mp
era
tur
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 200
0.25
0.5
0.75
1
no
rmie
rte
Le
istu
ng
TClnt, Bypass
ohne Störgrößenaufschaltung
PBZ,ist
Abbildung 5.1: Messung des Regelverhaltens einer PID-Regelung der Kühlmitte-leintrittstemperatur am Laborsystem
eigenentwickelte Brennstoffzellenstapel wird im Gegensatz zum HyMotion3-Stapel starker
in seiner Leistungsfahigkeit durch eine Feuchteanderung beeinflusst. Dies fuhrte zu einer
Verscharfung der Anforderung an die Regelung der Kuhlmitteleintrittstemperatur. Die
Feuchteanderung aufgrund von Kuhlmitteltemperaturschwankungen soll auf unter 3 %
minimiert werden. Daraus ergibt sich eine maximale Regelabweichung von 1,5 % fur die
Regelung der Kuhlmitteleintrittstemperatur. Dieser Anforderung kann die Regelung mit einem
PID-Regler nicht erfullen.
Ausgangslage fur die Optimierung der Regelung wird der PID-Regler aufgrund seiner
einfachen Implementierung auf die Zielhardware und der leicht zu applizierenden Regelpara-
meter sein (vgl. Kapitel 3.1.1). Daher empfiehlt sich eine Storgroßenaufschaltung auf den
vorhanden PID-Regler zur Kompensierung einer noch zu identifizierenden Storgroße mit einer
großen zeitlichen Verzogerung.
Grundlage der Untersuchungen in dieser Arbeit ist ein Laboraufbau eines Brennstoffzellen-
Fahrzeugsystems. Zur Warmeabfuhr ist das System im Gegensatz zu einem Gas-Flussig
Fahrzeugkuhlers an einen Flussig-Flussig Warmeubertrager des Prufstandes angeschlossen. Das
grundlegend unterschiedliche Warmeubertragungsverhalten dieser beiden Kuhlervariationen
Optimierung der Regelung des Kühlsystems 85
beeinflusst stark das Systemverhalten des Kuhlsystems und somit auch den Reglerentwurf.
Daher ist das Simulationsmodell des Kuhlsystems im HiL-Simulationsmodell fur das
Laborsystem fur einen Flussig-Flussig Warmeubertager angepasst worden. Das angepasste
Simulationsmodell des Kuhlsystems wird in diesem Kapitel validiert, da es zur Optimierung der
Regelung erforderlich ist. Die Regelung wird am Beispiel des Laborsystems optimiert und muss
fur den zukunftigen Einsatz in einem BZ-Fahrzeug noch angepasst werden.
5.1 Storgroßenaufschaltung fur die Regelung der Kuhlmitteleintritts-temperatur
Zunachst mussen die relevanten Storgroßen fur eine Storgroßenaufschaltung identifiziert werden.
Aus den Erfahrungen des Betriebes der HyMotion3-Fahrzeuge haben sich vier Storgroßen heraus
kristallisiert.
1. Warmeeintrag des Brennstoffzellensystems in Abhangigkeit der abgegebenen elektrischen
Leistung
2. Fahrgeschwindigkeit des Fahrzeuges
3. Steigerung der Kuhlleistung durch die Kuhlerlufter
4. Volumenstromanderung durch Drehzahlanderung der Kuhlmittelpumpe
Am untersuchten Laborsystem wird ein feststehender Flussig-Flussig Warmeubertrager
eingesetzt, somit kann der Einfluss eines Kuhlerlufters oder die Variation der Kuhlleistung in
Abhangigkeit der Fahrgeschwindigkeit nicht untersucht werden. Daher werden nur die Einflusse
des Warmeeintrages des Brennstoffzellensystems und die Veranderung des Volumenstroms
durch die Kuhlmittelpumpe auf die Regelstrecke bewertet.
Bevor mit der Optimierung der Regelung begonnen werden kann, muss das auf Flussig-Flussig
Warmeubertrager angepasste Simulationsmodell des Kuhlsystems anhand von Messungen am
Laborsystem validiert werden.
Anschließend kann mittels des Simulationsmodells der Einfluss der Storgroßen auf das
Kuhlsystem untersucht werden. Daraufhin erfolgt die Erarbeitung einer Storgroßenaufschaltung
und gegebenenfalls mussen weitere Erweiterungen der Reglerstruktur vorgenommen werden.
86 5.1 Störgrößenaufschaltung für die Regelung der Kühlmitteleintrittstemperatur
5.1.1 Validierung des Simulationsmodells
Die Validierung des angepassten Kuhlsystems wird mit dem erwahnten Laborsystem
durchgefuhrt. Die Abbildung 5.2 zeigt den prinzipiellen Aufbau des Kuhlsystems als ein
Teilmodul des Laborsystems. Der Hauptvolumenstrom wird durch die Kuhlmittelpumpe (1)
erzeugt und stromt anschließend durch die Brennstoffzelle (2). Dann teilt das Thermostatventil
(3) den Hauptvolumenstrom in zwei Stromungszweige auf. Der eine fuhrt uber den Kuhler (4)
und der andere wird im Bypass um den Kuhler herum gefuhrt. Nach der Zusammenfuhrung
beider Zweige wird das Kuhlmittel der Kuhlmittelpumpe wieder zugefuhrt.
1
2
3
4
6
5
7
1 Kühlmittelpumpe
2 Brennstoffzelle
3 Thermostatventil
4 Kühler
5 Wärmeübertrager Luft
6 Wärmeübertrager H2
7 Turboverdichtereinheit
8 Ausgleichsbehälter
T3
M
T2 T1
8
Abbildung 5.2: Prinzipieller Aufbau des Kühlsystems
An drei Stellen im Kuhlsystem wird ein kleiner Volumenstrom abgezweigt, um entweder Warme
abzufuhren oder aufzunehmen. Der Warmeubertrager H2 (6) heizt den zugefuhrten Wasserstoff
fur die Wasserstoffversorgung vor, der Warmeubertrager Luft (5) entzieht der komprimierten
Luft bei TTurbo,out > TClnt,BZ,in Warme oder fuhrt der Luft bei TTurbo,out < TClnt,BZ,in Warme
zu. Des Weiteren dient das Kuhlmittel dem elektrischen Antrieb des Turboverdichters (7) als
Kuhlung und fuhrt Warme ab. Weiterhin ist eine Entluftungsleitung am Brennstoffzellenstapel
angebracht und fuhrt zum Ausgleichsbehalter (8) des Kuhlsystems.
Zusatzlich zu den Komponenten des Kuhlsystems sind die drei Messstellen T1 bis T3
der Temperatursensoren in Abbildung 5.2 eingezeichnet. Die Ein- und Austrittstemperatur des
Kuhlmittels am Brennstoffzellenstapel T1 = TClnt,BZ,in und T2 = TClnt,BZ,out werden am
Stapel gemessen. Als dritte Temperatur wird die Mischtemperatur T3 = TClnt,Bypass nach
der Zusammenfuhrung der Teilvolumenstrome durch den Kuhler und im Bypass zum Kuhler
Optimierung der Regelung des Kühlsystems 87
gemessen.
Die Validierung des Kuhlsystem Simulationsmodells, siehe Anhang A.1.1, bezieht sich
hauptsachlich auf den Einfluss der beiden Stellgroßen des Kuhlsystems Offnungswinkel
Thermostatventil und die Drehzahl der Kuhlmittelpumpe auf die Regelgroßen
Kuhlmitteleintrittstemperatur und Kuhlmitteltemperaturdifferenz.
Hierzu wurde zur Erfassung geeigneter Messdaten jeweils nur eine Einflussgroße am Laborsystem
variiert. In Abbildung 5.3 wird die Variation der Einflussgroße Offnungswinkel Thermostatventil
bei drei unterschiedlichen Leistungsbereichen der Brennstoffzelle und korrespondierenden
Drehzahlen der Kuhlmittelpumpe durchgefuhrt. Im unteren Teil der Abbildung 5.3 sind die
Stellsignale uThermo,Pumpe des Thermostatventils und der Kuhlmittelpumpe als gestrichelte
Linie dargestellt. Die Leistung der Brennstoffzelle PBZ verlauft als durchgezogene Linie parallel
zur Drehzahl der Kuhlmittelpumpe. Im Verlauf des Offnungswinkels uThermo sind die Sprunge
im Bereich von 30 bis 100 % des Absolutwertes zu erkennen. Eine Variation der Stellgroße
uber den gesamten Stellbereich war nicht durchfuhrbar, da die Austrittstemperatur uber den
erlaubten Temperaturbereich hinaus ansteigen wurde.
Im oberen Teil der Abbildung 5.3 sind die Graphen der Messstellen T1 und T2 als
schwarze durchgezogene Linien aufgetragen. Der Graph mit den absolut großeren Werte steht
fur die Messstelle T2 der Kuhlmittelaustrittstemperatur. Die roten Strich-Punkt Linien stellen
die korrespondierten Simulationsergebnisse zu den beiden Messstellen dar. Im mittleren Teil ist
die Temperaturdifferenz uber die Brennstoffzelle mit derselben Farbe und Strichart fur die
Messwerte und Simulationsergebnisse dargestellt. Die Absolutwerte der Temperaturen wurden
auf die Betriebstemperatur normiert und die Temperaturdifferenz wird in Kelvin angegeben.
In der Abbildung 5.4 ist der prozentuale Fehler zwischen den simulierten und gemes-
senen Werten der Messstellen T1 und T2 aufgetragen. Bei großen Stellsignalanderungen nimmt
der Fehler Werte von ca. ± 20 % an. In der Darstellung konstanter Absoluttemperaturen
betragt die maximale Differenz zwischen den Ergebnissen des Simulationsmodells und der
Realitat + 10 %, bei ca. t = 600 s, und ist großtenteils der Messzeit kleiner als ± 5 %.
Die Abweichung der Messdaten zu den Simulationsergebnissen Temperaturdifferenz weist eine
maximale Differenz von 3 Kelvin auf und ist uber zwei Drittel des Messbereiches kleiner als 0,5
Kelvin. Das Ubertragungverhalten des realen Kuhlsystems hinsichtlich des Warmeeintrages der
Brennstoffzelle und des Einflusses der Stellglieder auf die Regelgroßen spiegelt sich gut in den
Ergebnissen der Simulation wieder.
Eine weitere wichtige Große zur Chrakterisierung des Ubertragunsgverhalten des Kuhlsystems
88 5.1 Störgrößenaufschaltung für die Regelung der Kühlmitteleintrittstemperatur
0 200 400 600 8000.4
0.6
0.8
1
1.2
no
rm.
Te
mp
.
Zeit in s
gemessen TClnt,BZ,in
simuliert TClnt,BZ,in
gemessen TClnt,BZ,out
simuliert TClnt,BZ,out
0 200 400 600 800-3
0
3
6
9
12
Zeit in s
∆ T
in
K
gemessenes ∆ TBZ
simuliertes ∆ TBZ
0 200 400 600 8000
0.25
0.5
0.75
1
Zeit in s
PB
Z u
nd
uT
he
rmo
.,P
um
pe
PBZ
uThermostat
uPumpe
Abbildung 5.3: Vergleich von realen Messdaten für die Kühlmitteleintritts- undaustrittstemperatur und Werte des Simulationsmodells für unter-schiedliche Stellsignale der Aktuatoren des Kühlsystems
Optimierung der Regelung des Kühlsystems 89
0 200 400 600 800-20
-10
0
10
20
Fe
hle
r ∆ m
ess
, si
m in
%
Zeit in s
∆Clnt, BZ, in
∆Clnt, BZ, out
Abbildung 5.4: Prozentualer Fehler zwischen den gemessenen Werten derKühlmitteleintritts- und austrittstemperatur und den Werten desSimulationsmodells für die in Abbildung 5.3 aufgetragenen Werte
sind die auftretenden Verzogerungen, um die eine Ausgangsgroße xa(t) einer Eingangsgroße
xe(t) nacheilt [62]. Die zeitliche Verzogerung wird als Totzeit Tt beschrieben, siehe Gleichung
5.1.
xa(t) = xe(t− Tt) (5.1)
Im Kuhlsystem treten Totzeiten bei der Ausbreitung einer Temperaturveranderung aufgrund
einer Warmequelle oder -senke innerhalb des Systems auf. Wird zum Beispiel der Offnungswinkel
des Thermostatventil uThermo verringert und somit der Volumenstrom uber den Kuhler erhoht,
konnen anhand der Abbildung 5.5 die Totzeiten zwischen den einzelnen Messstellen T1 bis T3
des Kuhlsystems abgelesen werden.
Der blaue Graph zeigt die sprunghafte Anderung des Stellsignals des Thermostatven-
tils bei t = 142 s, die gestrichelte Linie der Messstelle T3 der Mischtemperatur TClnt,Bypass
zeigt nach 0,8 Sekunde die erste negative Temperaturanderung. Als zweite Messstelle verringert
TClnt,BZ,in bzw. T1 nach 1,5 Sekunden ihren Temperaturmesswert. 4,4 Sekunden nach der
Stellsignalanderungen des Thermostatventils sinkt der Messwert der TClnt,BZ,out bei T2.
Diese Totzeiten werden nicht durch konstante Werte beschrieben, sondern variieren mit der
Durchflussgeschwindigkeit des Kuhlmittels bzw. sind direkt proportional zur Drehlzahl der
90 5.1 Störgrößenaufschaltung für die Regelung der Kühlmitteleintrittstemperatur
140 142 142.8 143.5 146.4 1480.8
0.9
1
1.1
no
rmie
rte
Te
mp
era
tur
Zeit in s
TClnt, BZ, in
TClnt, BZ, Bypass
TClnt, BZ, out
uThermostat
Abbildung 5.5: Messung der Temperaturmessstellen zur Verdeutlichung der imKühlsystem befindlichen Totzeiten
Kuhlmittelpumpe.
Anhand der in Abbildung 5.3 dargestellten Ergebnisse des Vergleiches des Simulati-
onsmodells mit Messdaten des Laborsystem kann das Simulationsmodell als hinreichend genau
validiert gelten. Somit kann die folgende Identifizierung der Storgroßen und die Auslegung der
Storgroßenaufschaltung mit Hilfe des Simulationsmodells durchgefuhrt werden.
Optimierung der Regelung des Kühlsystems 91
5.1.2 Identifizierung der Storgroßen des Kuhlsystems
Als Storgroße eines Kuhlsystems konnen alle Warmequellen und -senken bezeichnet werden. In
der Abbildung 5.2 sind insgesamt neben der Brennstoffzelle drei weitere Warmequellen bzw.
-senken aufgefuhrt.
Um abschatzen zu konnen welche Warmequellen oder -senken als Storgroßen in Be-
tracht kommen, wird eine Sensitivitatsanalyse der vier in Frage kommenden Komponenten
Brennstoffzelle, Warmeubertrager H2, Warmeubertrager Luft und Turboverdichtereinheit auf
die Regelgroße Kuhlmitteleintrittstemperatur durchgefuhrt.
Zur Bestimmung des Einflusses der vier Komponenten auf die Regelgroße TClnt,BZ,in
werden die Warmeleistungen der einzelnen Komponenten und die daraus resultierende
Temperaturdifferenz ∆TClnt,i uber diese vier Bauteile berechnet. Um die Vergleichbarkeit der
Temperaturdifferenzen gewahrleisten zu konnen, wird angenommen, dass durch alle Bauteile
der gleiche Kuhlmittelmassenstrom mClnt,BZ gefordert wird. Dieser Vergleich wird fur drei
Betriebspunkte (BP) BPklein, BPmittel und BPgross durchgefuhrt.
Als erste Komponente wird die Brennstoffzelle betrachtet. Die erzeugte Prozesswarme ergibt
sich direkt aus der Strom-Spannungs-Kennlinie aus Abbildung 2.3. Mittels des elektrischen
Wirkungsgrads wird die abzufuhrende Warmeleistung der elektrochemischen Reaktion bestimmt
[41]
QBZ = PBZ ·1− ηBZ,elekηBZ,elek
. (5.2)
Die Temperaturdifferenz uber den Stapel berechnet sich mit der spezifischen Warmekapazitat
cp und dem Massenstrom m des Kuhlmittels nach [68] zu:
∆TClnt,BZ =QBZ
cp,Clnt · mClnt,BZ
. (5.3)
Der Warmeubertrager H2 soll den zugefuhrten Wasserstoff auf die Betriebstemperatur der
Brennstofzelle vorwarmen. Fur die Berechnung der entnommenen Warmeleistung QWT,H2 aus
dem Kuhlsystem wird eine konstante Kuhlmitteltemperatur TClnt,BZ,in vorrausgesetzt, der
Wasserstoffmassenstrom wird in Abhangigkeit des Lastpunktes bestimmt.
Fur die Sensitivitatsanalyse werden die Warmeubertrager als ideal betrachtet, d.h.
der Wasserstoff und die Luft in den entsprechenden Warmeubertragern nehmen die Temperatur
des Kuhlmittels an. Diese Annahme fuhrt zu folgenden Beziehungen fur die Warmeleistung
und die Verringerung der Temperatur des Kuhlmittels fur den Warmeubertrager H2:
Der Leistungssprung bewirkt einen Anstieg der abzufuhrenden Warme um den Faktor 100.
Die Regelgroße TClnt,Bypass des einfachen Regelkreises mit PID-Regler steigt nach einer
Verzogerung von ca. 5 Sekunden an und schwingt bis zu 4 % uber den einzustellende Sollwert.
Eine Regelabweichung von < 1% wird nach weiteren 5 Sekunden erreicht. Die Regelgroße
schwingt mit einer Periodendauer von weiteren 5 Sekunden. Die ist ein Merkmal fur die
Optimierung der Regelung des Kühlsystems 111
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 200.95
0.975
1
1.025
1.05
Zeit in s
no
rmie
rte
Te
mp
era
tur
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 200
0.25
0.5
0.75
1
no
rmie
rte
Le
istu
ng
TClnt, Bypass
ohne Störgrößenaufschaltung
TClnt, Bypass
mit Störgrößenaufschaltung
PBZ,ist
Abbildung 5.16: Vergleich der Messdaten der Regelung mit und ohne Störgrößen-aufschaltung am Laborsystem bei einem maximalen Lastsprungder Brennstoffzellenleistung
Existenz einer nicht berucksichtigten Totzeit von ca. 5 Sekunden.
Der PID-Regler mit Storgroßenaufschlatung lasst die Regelgroße zunachst leicht mit
0,075 % uberschwingen und regelt anschließend die Regelgroße ein. Dies zeigt den Vorteil
der Strogroßenaufschaltung; namlich dass die Storung anhand der messbaren Warmemenge
pradiktiv kompensiert werden kann und dadurch die Kuhlmitteleintrittstemperatur konstant
eingestellt bleibt.
Das Ergebnis verdeutlicht sehr gut die Verbesserung der Regelgute der Regelung der
Kuhlmitteleintrittstemperatur. Große Lastsprunge fuhren nicht mehr zu einem Uberschwingen
der Regelgroße. Das Schwingen um ±4 % der Betriebstemperatur wurde, wie eingangs des
Kapitels erwahnt, eine Anderung der relative Feuchte um ±10 % bewirken. Dies wiederum
beeinflusst die Leistungsfahigkeit im ungunstigsten Falle soweit, dass einzelne Zellen mit
flussigem Wassser geflutet werden und somit die Spannung dieser Zellen einbricht.
112 5.3 Einsatz des Reglers für die Kühlmitteleintrittstemperatur am Laborsystem
5.3.2 Untersuchung der Regelung am Beispiel eines realen Fahrzyklusses
Die Optimierung der Regelung des Kuhlsystem mittels einer Storgroßenaufschaltung auf
die Stellgroße eines PID-Reglers wird abschließend mit dem Abfahren eines Fahrzyklusses
auf das Verhalten im dynamischen Betrieb untersucht. Dieser Fahrzyklus wurde von
Volkswagen fur Lebensdaueruntersuchungen und zur Durchfuhrung von Dynamiktests eines
Brennstoffzellensystems entwickelt [22].
Dieser Fahrzyklus umfasst ein Programm aus Stadtverkehr, Uberland- und Autobahn-
fahrten. Fur die Untersuchungen hinsichtlich der Regelgute wird ein dynamischer Teil des
Zyklusses herausgegriffen und eingehend untersucht. Diese Zeitbereich umfasst 2 Minuten
und umfasst ein Leistungsspektrum von Leerlauf-Phasen bis zu 85 % der Maximalleisung des
Brennstoffzellensystems.
In der Abbildung 5.17 ist die abgegebene Brennstoffzellenleistung (roter Graph) und die
Regelgroße TClnt,BZ,in (blauer Graph) aufgetragen. Beide Messgroßen sind normiert, die
Regelgroße auf ihren Sollwert (linke y-Achse) und die Brennstoffzellenleistung auf ihren
0 20 40 60 80 100 1200.95
0.975
1
1.025
1.05
Zeit in s
no
rmie
rte
Te
mp
era
tur
0 20 40 60 80 100 1200
0.25
0.5
0.75
1
no
rmie
rte
Le
istu
ng
TClnt,Bypass
PBZ
Abbildung 5.17: Messungen der Brennstoffzellenleistung und der Regelgröße wäh-rend eines Teilabschnittes eines realitätsnahen Fahrzyklusses amLaborsystem
Optimierung der Regelung des Kühlsystems 113
Maximalwert (rechte y-Achse).
Wahrend des gesamten Zeitbereiches bewegt sich die Regelabweichung innerhalb ei-
nes Bandes von ±1 % um den geforderten Sollwert. Nach der starken Verringerung der
Brennstoffzellenleistung bei ca 70 Sekunden schwingt die Regelgroße kurz unter den Sollwert
und fuhrt danach ein Uberschwingen des Sollwertes mit der maximalen Amplitude von ca. 1 %
aus. Dies zeugt von einer geringen Uberkompensation der Storgroße.
Der Entwurf der Storgroßenaufschaltung mittels des Rapid Control Prototyping ist er-
folgreich bis zur letzten Phase Einsatz im Fahrzeug durchgefuhrt worden und erfullt die
gestellte Anforderung einer maximalen Regelabweichung von 1,5 %.
114 5.3 Einsatz des Reglers für die Kühlmitteleintrittstemperatur am Laborsystem
Entwicklung einer Betriebsstrategie für den Einsatz eines Turboverdichters 115
6 Entwicklung einer Betriebsstrategie fur den Einsatz ei-nes Turboverdichters
Fur die elektrochemische Reaktion innerhalb der Brennstoffzelle muss auf der Seite der
Kathode Sauerstoff bereitgestellt werden. Die Bereitstellung von Sauerstoff geschieht bei
dem behandelten Brennstoffzellensystem durch die Zufuhr von Luftsauerstoff uber einen
Turboverdichter, siehe Kapitel 2.1.2.
Der Turboverdichter besitzt, wie alle Luftverdichter, ein begrenztes Betriebskennfeld,
in dem er betrieben werden darf. In Abbildung 6.1 ist das vermessene Kennfeld eines
Turboverdichters dargestellt. In dem Kennfeld ist das normierte Druckverhaltnis π uber
den normierten, geforderten Luftmassenstrom fur verschiedene Drehzahlen aufgetragen.
Das Kennfeld ist auf die schwarz eingezeichnete Betriebskennlinie des Brennstoffzellensys-
tems normiert. Maximal erforderlicher Luftmassenstrom beim einzustellenden Solldruck
bei PBZ,max entspricht 1. Das Kennfeld wird bei hohen Druckverhaltnissen und gleichzei-
tig geringen Luftmassenstromen durch die Stabilitatsgrenze bzw. Pumpgrenze begrenzt [24, 61].
Die Uberschreitung dieser Pumpgrenze fuhrt den Verdichter in instabile Betriebsberei-
che. Der gefahrlichste Zustand ist das”Pumpen“. Beim Pumpen treten hohe mechanische
0,5
0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 1,2 1,4 1,6 1,8
70000
70000
60000
60000
55000
55050000
5000045000
45000
40000
35000
30000
65000
65000
00
25000
20000
Pu
mp
gren
ze
normierter Luftmassenstrom
no
rmie
rte
s D
ruck
ve
rhä
ltn
is π
= p
Tu
rbo
, a
us/
pT
urb
o,
ein
0,25
0
0,75
1
1,25
1,5
Betriebs-
kennlinie
Isolinien Wirkungsgrad
Verdichterdrehzahlen
Abbildung 6.1: Vermessenes Kennfeld eines Turboverdichters
116
Belastungen auf, diese konnen zu einer Beschadigung des Verdichters fuhren [61].
Der Bereich des besten isentropen Wirkungsgrads eines Turbovedichters befindet sich
nach [61] in den meisten Fallen in der Nahe der Pumpgrenze. Dieses trift auch fur den in dieser
Arbeit betrachteten Turboverdichter zu. Die entsprechenden Isolinien des Wirkungsgrads sind
in der Abbildung 6.1 durch gestrichelte Linien kenntlich gemacht.
Eine Optimierung des Systemwirkungsgrads des betrachteten Brennstoffzellensystems
fuhrte zu der schwarzen Betriebskennlinie des Brennstoffzellensystems in Abbildung 6.1. Im
mittleren bis oberen Bereich des Kennfeldes liegt sie in sicherer Entfernung zur Pumpgrenze
und befindet sich im Bereich des optimalen Wirkungsgrads des Turboverdichters. Im unteren
Bereich liegt die Betriebskennlinie in der Nahe der Pumpgrenze und teilweise links neben
der Pumpgrenze im instabilen Betriebsbereich des Verdichters und kann somit nicht ohne
zusatzliche Veranderungen am System von dem Turboverdichter eingestellt werden.
Der verwendete Turboverdichter ist bauartbedingt nicht in der Lage, die gewunschten
Luftmassenstrome bei den festgelegten Drucken bereitzustellen. Die Verdichterwelle
des elektrischen Antriebsmotors ist mit einem olfreien Luftlager ausgestattet, um die
angesaugte Luft fur die Kathode nicht mit olhaltigen Betriebsstoffen, wie sie z.B. in
fett- oder olgeschmierten Walz- oder Gleitlagern verwendet werden, zu verunreinigen.
Gelangen diese Betriebsstoffe uber den geforderten Luftmassenstrom in die Brennstoffzelle,
schranken sie die Leistungsfahigkeit der Brennstoffzelle ein und verkurzen ihre Lebensdauer stark.
Nach dem Start der Luftversorgung muss daher der Turboverdichter uber eine be-
stimmte Drehzahl, die sogenannte Abhebe- oder Leerlaufdrehzahl, beschleunigt werden, um
den tragfahigen Luftfilm innerhalb des Luftlagers aufzubauen. Die fur einen luftgelagerten
Turboverdichter erlaubte Leerlaufdrehzahl fuhrt im untersuchten Brennstoffzellensystem zu
einem deutlich hoheren Luftmassenstrom, als die Brennstoffzelle im unteren Lastbereich
benotigt. Daher muss im unteren Lastbereich des Brennstoffzellensystems zur Einstellung der
Betriebskennlinie der uberschussig bereitgestellte Luftmassenstrom des Turboverdichters uber
einen Bypass mittels der Waste-Klappe an der Kathode vorbei gefuhrt werden.
Dies fuhrt zu einer veranderten Betriebskennlinie des Turboverdichters, schwarz gestri-
chelte Linie in Abbildung 6.1, im Gegensatz zur Kennlinie des Brennstoffzellensystems. Die
Luftmassenstrom-Differenz zwischen der durchgezogen und der gestrichelten Kennlinie bei
einem festen Druckverhaltnis muss uber die Waste-Klappe abgefuhrt werden. In Abbildung
6.1 kennzeichnet das schraffierte Dreieck den Bereich, in dem ein Luftmassenstrom uber die
Waste-Klappe abgefuhrt werden muss.
Entwicklung einer Betriebsstrategie für den Einsatz eines Turboverdichters 117
Aus der Existenz einer Pumpgrenze und des im unteren Lastbereich abzufuhrenden
uberschussigen Luftmassenstroms ergeben sich zwei Anforderungen an die
Brennstoffzellensystem-Steuerung:
1. Ermoglichen des Betriebes uber den gesamten Betriebsbereich, insbesondere Regelung
des Waste-Luftmassenstroms, um im unteren Lastbereich die Betriebskennlinie der
Brennstoffzelle einzustellen
2. Vermeidung des Uberschreitens der Pumpgrenze im stationaren und dynamischen Betrieb
Zum Entwurf einer Betriebsstrategie fur den Einsatz eines Turboverdichters in einem Brennstoff-
zellensystem wird neben dem Entwurf der Regelung des Kathoden- und Waste-Luftmassenstroms
zusatzlich eine Pumpgrenzuberwachung entworfen, um den Turboverdichter wahrend des Be-
triebes vor dem Uberschreiten seiner Stabilitatsgrenze zu schutzen. Die Erarbeitung dieser
Pumpgrenzuberwachung wird zunachst erlautert und anschließend wird auf den Entwurf der
angesprochenen Regler eingegangen. Abschließend werden die Implementierung der Betriebss-
trategie auf das Steuergerat und die damit verbundenen Tests beschrieben und bewertet.
6.1 Instationarer Betrieb an der Pumpgrenze
Die Abbildung 6.2 zeigt den Verlauf eines Pumpzyklusses in dem Verdichterkennfeld. Der Punkt
A beschreibt einen stabilen, stationaren Betriebspunkt. Durch eine Androsselung des Systems
wird bei konstanter Drehzahl der Betriebspunkt an die Stabilitatsgrenze A’ verschoben. Der
Effekt des Pumpens beginnt dann durch das teilweise bis komplette Abreißen der Stromung
(1) an den einzelnen Verdichterschaufeln, dies fuhrt zu einer Verringerung des geforderten
Luftmassenstroms und verursacht schließlich die Ruckstromung (2) schon verdichteter Luft
[61]. Diese Ruckstromung entlastet den Verdichter und fuhrt unmittelbar zu einer Senkung des
Drucks [24]. Dadurch kann sich die Stromung wieder an die Schaufel anlegen (3) und der
Druck wird wieder aufgebaut.
Bei unveranderten Randbedingungen, wie Drehzahl, Druckniveau und Luftmassenstrom
wiederholt sich dieser Effekt zyklisch und somit stellt sich kein stabiles Druckverhaltnis mehr
ein. Vor- und Ruckstromung erfolgen in schneller Abfolge aufeinander, so dass dabei das
charakteristische”Pump-Gerausch“ entsteht [24, 61]. Durch einen Druckabbau oder eine durch
Drehzahlerhohung verursachte Luftmassenstromzunahme kann der Zyklus unterbrochen und
der Turboverdichter wieder in einen stabilen Betriebspunkt versetzt werden.
Dem eigentlichen Pumpen geht noch der Effekt des Rotating Stall voraus [24, 61]. Rotating
Stall beschreibt das Ablosen der Stromung an einigen Zellen oder Schaufeln des Verdichters
und ist daher noch ein stabiler Zustand [37]. Greitzer [23] entwickelte einen dimensionslosen
118 6.1 Instationärer Betrieb an der Pumpgrenze
Dru
ckv
erh
ält
nis
π
Luftmassenstrom m
Betriebspunkt A
A‘Strömungsabriß (1)
Rückströmung (2) Strömungsaufbau (3)
Abbildung 6.2: Prinzipieller Verlauf eines Pumpzyklus innerhalb eines Kennfeldes
Parameter B fur die Vorhersage von Rotating Stall und Pumpen jenseits der Stabilitatsgrenze
bei Axialverdichtern [37]. Hansen [26] bewies die Ubertragbarkeit des B-Parameters auf
Radialverdichter [24]. Der betrachtete Turboverdichter ist ein Radialverdichter und somit kann
der B-Parameter auf die betrachtete Luftversorgung angewandt werden.
Der B-Parameter ist ein Maß fur das Verhalten eines dynamischen Systems beste-
hend aus einem Verdichter mit der Austritts-Querschnittsflache AV , der effektiven Kanallange
LV zwischen Verdichteraustritt und seinem nachgeschalteten Plenumvolumen Vp, seiner
Umfangsgeschwindigkeit u und der Schallgeschwindigkeit a. Zunachst gilt die Definition
B =u
2ωHLV(6.1)
mit der Helmholtz-Resonanzfrequenz ωH , die die Eigenfrequenz (Kreisfrequenz des Pumpzyklu-
ses) des beschriebenen Systems beschreibt. Mit der Eigenfrequenz
ωH = a ·√
AVVPLV
(6.2)
ergibt sich
B =u
2a·√
VPAVLV
. (6.3)
Nach Greitzer ist fur Werte B > 0, 7 beim Uberschreiten der Stabilitatsgrenze hauptsachlich
mit Pumpen zu rechnen, wahrend fur Werte B < 0, 6 nur Rotating Stall zu erwarten ist. Der
Bereich von 0, 6 < B < 0, 7 wird als Unsicherheitsbandbreite bezeichnet, da der B-Parameter
aus einem einfachen Modell abgeleitet wird [37].
Entwicklung einer Betriebsstrategie für den Einsatz eines Turboverdichters 119
Fur die Luftversorgung des betrachteten Brennstoffzellensystems wird der Einfluss des
Plenumvolumens und der Kanallange fur zwei unterschiedliche Turboverdichterdrehzahlen
20000 1min
und 70000 1min
auf die Helmholtz-Resonanzfrequenz und den B-Parameter untersucht.
Anhand der linearen Abhangigkeit des B-Parameters von der Umfangsgeschwindigkeit kann mit
den beiden Verdichterdrehzahlen, die die Extremwerte fur den Betrieb des Turboverdichters
reprasentieren, uberpruft werden, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass der Effekt des
Pumpens wahrend des Betriebes im Brennstoffzellensystem auftreten kann.
In der Tabelle 6.1 stehen die Werte der Luftversorgung fur die relevanten Kenngroßen des
B-Parameters. Die Umfangsgeschwindigkeit ist fur beide Drehzahlen berechnet worden. Der
B-Parameter nach Greitzer ist fur ein System bestehend aus einem Verdichter mit einer
anschließender Rohrverbindung LV zu einem Volumen VP mit anschließender Drosselstelle
entwickelt worden [23]. Diesen einfachen Aufbau stellt das betrachtete Laborsystem nicht dar.
Daher werden folgende Annahmen getroffen:
• Das Plenumvolumen VP umfasst das Volumen der Kathode, des Befeuchters sowie die
Verbindung zwischen den beiden Komponenten.
• Das Volumen des Ladeluftkuhlers wird vernachlassigt und stellt einen Teil der Strecke
der effektiven Kanallange LV des Verdichters zwischen Befeuchtereintritt und Verdichter-
austritt dar.
uTurbo,1 Umfangsgeschwindigkeit Verdichter bei 70000 1min
183, 26 ms
uTurbo,2 Umfangsgeschwindigkeit Verdichter bei 20000 1min
52, 36 ms
AV Querschnittsfläche Verdichterrad 0, 00049 m2
VP Plenumvolumen der Kathode 0, 0156 m3
LV effektive Kanallänge 2, 35 m
a Schallgeschwindigkeit für 20 ◦C und 1013 hPa 343 ms
Tabelle 6.1: Kenngrößen der Luftversorgung des betrachteten Brennstoffzellensys-tems zur Ermittlung des B-Parameters, siehe Anhang A.2
Abbildung 6.3 zeigt die Ergebnisse der Untersuchung des Einflusses des Plenumvolumens
und der Kanallange bei den zwei unterschiedlichen Turboverdichterdrehzahlen auf die
Helmholtz-Resonanzfrequenz und den B-Parameter. VP und LV wurden in einem realistischen
Bereich um den tatsachlichen Wert variiert. Im Falle des Plenumvolumens liegt dieser zwischen
10 l und 200 l und im Fall der effektiven Kanallange zwischen 1m und 4m. Die Ergebnisse fur
beide Verdichterdrehzahlen sind farblich kenntlich gemacht: 70000 1min
schwarz und 20000 1min
blau. Zusatzlich ist die Schwelle B = 0, 7 eingetragen.
Tabelle 6.2: Kenngrößen der eingesetzten Messtechnik im betrachteten Laborsystem[25, 30, 49]
Fur die Abtastung einer Schwingung mit einer Frequenz ω1 ist nach dem Abtasttheo-
rem von Shannon mindestens eine Frequenz von ω > 2 ·ω1,max erforderlich, um eine Reduktion
der Frequenz des abgetasteten Signals durch den Abtastvorgang zu verhindern [42]. Somit kann
der Drucksensor mit einer Ansprechzeit von 1, 5 ms ⇒ 666, 67 Hz und der Abtastfrequenz
von 100 Hz fur die Detektierung des Rotating Stall eingesetzt werden. Der Luftmassenmesser
ist mit 30 ms ⇒ 33, 33 Hz ebenfalls in der Lage, die Schwingungen des Rotating Stall
eindeutig zu erfassen. Somit kann auf eine zusatzlich hochauflosende Sensorik verzichtet werden.
Abbildung 6.4 zeigt den Verlauf des Luftmassenstroms und des Verdichteraustritts-
8 9 10 11 12 131.1
1.11
1.12
1.13
Luftmassenstrom in g/s
Dru
ck in
ba
r
11 12 13 14 151.1
1.11
1.12
1.13
Zeit in s
Dru
ck in
ba
r
5 Hz
Abbildung 6.4: Darstellung des Effektes des Rotating Stall im Laborsystem bei20000 1
min
Entwicklung einer Betriebsstrategie für den Einsatz eines Turboverdichters 123
drucks wahrend eines Rotating Stall bei 20000 1min
. Die errechnete Frequenz von 6, 32 Hz
bzw. ωH = 39, 69 Hz stimmt mit der gemessenen Frequenz von 5 Hz bzw. ωH = 31, 4 Hz
nicht exakt uberein. In Betracht der getroffenen Annahmen hinsichtlich der Kenngroßen der
Luftversorgung aus Tabelle 6.1 bewegen sich die errechneten Wert von 6, 32 Hz gut in dem
Bereich um 5 Hz.
Dieser Rotating Stall zeichnet sich durch den quasi stationaren Zustand aus, dass ein
Luftmassenstrom 10 gs
stabil mit einer Amplitude von ± 1 gs
bzw. ± 10 % gefordert wird und
das Druckverhaltnis ebenfalls stabil um π = 1, 115 mit ± 0, 005 schwingt. Des Weiteren geht
das Rotating Stall einher mit starken negativen Druck- und Luftmassenstromanstiegsgeschwin-
digkeiten. Die Anstiegsgeschwindigkeit fur den Verdichteraustrittsdruck dpdt
wird in bars
und fur
den Luftmassenstrom wird dmdt
in gs2
angegeben.
In der Tabelle 6.3 sind die gemessenen Werte der Anstiegsgeschwindigkeiten des Ver-
dichteraustrittsdrucks und des Verdichter Luftmassenstroms beim Einsetzen eines Rotating
Stall bei zwei unterschiedlichen Betriebsweisen aufgefuhrt.
Betriebsweise dpdt
in bars
dmdt
für mLuft
in gs2
Rotating Stall bei Lastsprung 100 auf 0 % PBZ,max −4, 2 −305
Rotating Stall (Minimalwerte) −2, 5 −250
Tabelle 6.3: Anstiegsgeschwindigkeiten des Verdichteraustrittsdrucks und des Ver-dichter Luftmassenstroms beim Rotating Stall
Das Einsetzten des Rotating Stall soll wahrend des Betriebes des Brennstoffzellensystems
durch die Steuerung der Luftversorgung vermieden werden. Um festlegen zu konnen, ob die
ermittelten Minimalwerte zur Detektierung des Rotating Stall aus Tabelle 6.3 zuverlassig sind,
wurden die Anstiegsgeschwindigkeiten bei unterschiedlichen Betriebspunkten, unterschiedliche
Lastsprungen und wahrend eines dynamischen Lastzyklusses, des Verdichters aufgenommen.
Die Tabelle 6.4 zeigt die erfassten Maximalwerte der Anstiegsgeschwindigkeiten fur die
Lastsprunge auf und gibt zusatzlich die ermittelten Werte an, in denen Rotating Stall einsetzt.
Die Untersuchungen wurden mit der kompletten Brennstoffzellensystem-Steuerung durch-
gefuhrt. Die Regelung des Druck- und Hochvoltsystems arbeitete nach der Erlauterung in
Kapitel 2.2.3. Die Luftversorgung wurde mit der in diesem Kapitel entworfenen Betriebss-
trategie betrieben. Fur die Messung des Pumpens wurde die Pumpgrenzuberwachung deaktiviert.
Die Ergebnisse zeigen, dass sich ein Stromungsabriss durch ein negatives dpdt
von klei-
124 6.1 Instationärer Betrieb an der Pumpgrenze
Betriebsweise dpdt
in bars
dmdt
für mLuft
in gs2
Lastsprung 0 auf 100 % PBZ,max < 1, 67 < 186, 23
Lastsprung von 20 % PBZ,max < 0, 68 < 60
Lastsprung 100 auf 0 % PBZ,max ±0, 4 < −54
Dynamischer Lastzyklus −0, 9 − +1, 2 −65 − +125
Rotating Stall bei Lastsprung 100 auf 0 % PBZ,max −4, 2 −305
Rotating Stall (Minimalwerte) −2, 5 −250
Tabelle 6.4: Anstiegsgeschwindigkeiten des Verdichteraustrittsdrucks und des Ver-dichter Luftmassenstroms bei unterschiedlichen Betriebsweisen
ner −2, 5 bars
und ein negatives dmdt
von kleiner −250 gs2
auszeichnet. Die maximale
Anstiegsgeschwindigkeit bei einem stabilen Lastsprung liegt fur den Verdichteraustrittsdruck
bei 1, 67 bars
und fur den Luftmassenstrom bei 186, 23 gs2
. Bei einer Abwartstransiente mit
PBZ,max uberdeckt das Messrauschen von dpdt
von ±0, 4bars
einen moglichen Ausschlag des
Messwertes und der Gradient des Luftmassenstromes erreicht minimal < −54 gs2
.
Wahrend eines dynamischen Lastzyklusses, also der Simulation eines reales Fahrpro-
fils, werden die erfassten Werte der Anstiegsgeschwindigkeiten bei einem Volllastsprung
nicht uberschritten. Zwischen den Werten der Anstiegsgeschwindigkeiten fur einen stabilen
Betrieb des Verdichters und den instabilen Betriebszustanden existiert ein deutlicher Abstand,
daher kann eindeutig anhand des Messwertes zwischen einem stabilen und instabilen Betrieb
des Verdichters unterschieden werden. Somit konnen die Anstiegsgeschwindigkeiten des
Verdichteraustrittsdrucks und des geforderten Luftmassenstroms als Parameter zur Detektierung
des Beginns des Rotating Stall oder Pumpens herangezogen werden.
6.1.2 Entwurf der Pumpgrenzuberwachung
Es existieren zwei Moglichkeiten, um das Rotating Stall schon beim Einsetzen zu unterbinden:
die Drosselung muss abgebaut oder der Luftmassenstrom bei gleichbleibendem Druck erhoht
werden. Die Erhohung des Luftmassenstroms bei gleichbleibenden Stromungsbedingungen
vom Verdichteraustritt bis zur Drosselklappe wurde auch eine Druckerhohung nach sich
ziehen. Uber die vorhandene Waste-Klappe konnte ein zusatzlicher Luftmassenstrom abgefuhrt
werden und der Druck bei erhohtem Verdichter-Luftmassenstrom konnte konstant gehalten
werden. Dies wurde zu einer Storung des Regelkreises Waste-Luftmassenstrom fuhren und das
aktive Erhohen des Verdichter-Luftmassenstroms kann nur mit der Dynamik des Verdichters
bereitgestellt werden.
Entwicklung einer Betriebsstrategie für den Einsatz eines Turboverdichters 125
Die zweite Moglichkeit besteht im sofortigen Druckabbau durch das Offnen der Dros-
selklappe, sofern diese nicht zum Zeitpunkt des Stromungsabrisses vollstandig geoffnet ist.
Dies hat sofort eine Auswirkung auf das Betriebsverhalten des Verdichters und hangt nicht von
der Dynamik des Verdichters ab. Aufgrund dieser Tatsachen wird der sofortige Druckabbau zur
Unterbindung des Rotating Stall im Weiteren verfolgt. Die Betriebskennlinie des Verdichters
wird so gewahlt, dass im stationaren Betrieb immer ein Abstand zur Pumpgrenze gehalten
wird und die Drosselklappe immer aktiv zum Druckaufbau beitragt.
Die Struktur der Druckregelung wurde in Kapitel 2.2.3 beschrieben. Diese Struktur wird nur
indirekt beeinflusst. Die verwendeten PID-Regler beinhalten eine Stellgroßenbeschrankung von
0 % (geschlossen) bis 100 % (vollstandig geoffnet) ihres Stellsignals.
Die zu entwerfende Pumpgrenzuberwachung wird die Werte der Stellgroßenbeschrankung
zu ihren Gunsten so variieren, dass bei der Detektierung eines Stromungsabrisses der Druck
schnellstmoglich abgebaut werden kann.
Rate Limiter
maximale Stellgröße
Pumperkennung
minimale Stellgröße
PID-
Regler
boolean
Stellgrößen-
beschränkung
up
lo
Abbildung 6.5: Struktur der Pumpgrenzüberwachung
In Abbildung 6.5 ist die Struktur der Pumpgrenzuberwachung vereinfacht dargestellt. Bei
der Uberschreitung der festgesetzten Grenzwerte fur die Gradienten dpdt
und dmdt
wird ein
Pumperkennungs-Bit auf”TRUE“(1) gesetzt und setzt uber einen Schalter die minimale
Grenze der Stellgroße dem maximalen Wert gleich. Der nachgeschaltete Rate-Limiter Block
beinhaltet eine sehr hohe Steigrate fur aufsteigende Werte von 1000%s
und fuhrt somit zu einer
schnellen Offnung der Drosselklappe, wodurch der Druck an der Kathode und somit auch am
Vedichteraustritt abgebaut wird.
Der Druckabbau unterbindet den Fortschritt des Pumpzyklusses, das Pumperkennungs-Bit
schaltet wieder auf”FALSE“ (0) und der minimale Werte fur die Stellgroßenbeschrankung
wird wieder aktiv. Durch den Rate-Limiter wird der untere Wert durch eine Rampe mit einer
geringen Steigung von −50%s
auf seinen ursprunglichen Wert herabgesetzt, vergroßert langsam
den Stellbereich des Reglers und beugt so einem schnellen Druckanstieg am Verdichteraustritt
126 6.1 Instationärer Betrieb an der Pumpgrenze
vor.
Die Abbildung 6.6 zeigt den Eingriff der Pumpgrenzuberwachung beim Beginn eines
instabilen Verdichterbetriebes wahrend einer Abwartstransiente von PBZ,max auf die Leerlauf-
Leistung. Die oberste Grafik zeigt den Verlauf des Betriebspunktes des Verdichters in seinem
Kennfeld, im zweiten Teil der Abbildung sind Verdichteraustrittsdruck (gestrichelt) und
Luftmassenstrom (durchgezogen) uber die Zeit aufgetragen, die dritte Darstellung beinhaltet
die Verlaufe der Anstiegsgeschwindigkeiten dpdt
(gestrichelt) und dmdt
(durchgezogen) uber die
Zeit. In der untersten Grafik ist das Stellsignal der Drosselklappe uber die Zeit angefuhrt. Der
0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6
0.55
0.65
0.75
0.85
normierter Luftmassenstrom
no
rmie
rte
r D
ruck
49 50 51 52 53
0.55
0.65
0.75
0.85
Zeit in s
no
rmie
rte
r D
ruck
49 50 51 52 53
0.1
0.3
0.5
0.7
no
rmie
rte
r Lu
ftm
ass
en
stro
m
Druck
Luftmassenstrom
49 50 51 52 53-3
-1.5
0
1.5
3
Zeit in s
dp
/dt
in b
ar/
s
49 50 51 52 53-300
-150
0
150
300
dm
/dt
in g
/s2
dp/dt
dm/dt
49 50 51 52 53
20
40
60
80
100
Zeit in s
Ste
llsig
na
l in
%
Abbildung 6.6: Aktive Pumpgrenzüberwachung im betrachteten Laborsystem beieinem Lastsprung von der maximalen Leistung bis zur Leerlauf-Leistung
Entwicklung einer Betriebsstrategie für den Einsatz eines Turboverdichters 127
Druck und der Luftmassenstrom sind auf die Betriebskennlinie normiert (vgl. Abb. 6.1).
Die Marken unterschiedlicher Form weisen in jedem Graph auf den gleichen Zeitpunkt und
markieren:
• Das starke Absinken des Drucks und des Luftmassenstroms beginnt.
+ Minimum im Druckverlauf dpdt
< −2, 5 bars
, Drosselklappe wird auf 100 % geoffnet,
Luftmassenstrom sinkt weiter.
∗ Minimum im Verlauf des Luftmassenstroms dmdt
< −250 gs2
, leichter Druckanstieg.
� Lokales Druckmaximum, danach wirkt sich die Offnung der Drosselklappe aus: DerDruck sinkt und der Massenstrom steigt schnell an.
? Stabiler Betriebspunkt, der Minimalwert der Stellgroßenbeschrankung wird linearverringert und der Betriebspunkt fur die Idle-Leistung wird eingestellt.
Die Zeitspanne von dem Beginn des Pumpens an uber die Pumperkennung und den aktiven
Steuerungseingriff bis hin zum Wiedererreichen eines stabilen Arbeitspunktes betragt 380 ms.
Anhand dieser Abbildung wird der Einsatz der Pumpgrenzuberwachung am Laborsystem gut
veranschaulicht und die Funktionalitat nachgewiesen.
Die Pumpgrenzuberwachung ist ein fester Bestandteil der Brennstoffzellensystem-Steuerung
geworden und bietet nun die Moglichkeit, das Verhalten des Brennstoffzellensystems beim
Verlassen der erarbeiteten Betriebskennlinie in der Nahe der Pumpgrenze zu untersuchen.
Die Pumpgrenzuberwachung ist ein wichtiges Werkzeug der Steuerung, um neue Turbo-
verdichter ohne ein genau bekanntes Kennfeld inklusive der Pumpgrenze innerhalb eines
Brennstoffzellensystems in Betrieb nehmen zu konnen. Des Weiteren kann nach einem Umbau
der Luftversorgung der Turboverdichter vor einer hohen mechanischen Belastung geschutzt
werden, falls sich die Pumpgrenze verschoben hat und die ursprungliche Betriebskennlinie die
Stabilitatsgrenze verletzt.
128 6.2 Steuerung und Regelung der Luftversorgung
6.2 Steuerung und Regelung der Luftversorgung
Die Hauptaufgabe der Luftversorgung ist die Bereitstellung von Luftsauerstoff fur die
elektrochemische Reaktion an der Kathode. Daher muss jeder angeforderten Leistung ein
eindeutiger Sollwert fur die Luftversorgung zugewiesen werden. Diese Sollwerte werden
innerhalb des Hochvoltsystems berechnet und der Regelung der Luftversorgung ubermittelt.
Fur ein besseres Verstandnis der hier behandelten Absolutwerte des Luftmassenstroms wird
zunachst der Bezug zwischen der Leistungsanforderung und dem Sollwert fur die Luftversorgung
hergestellt.
Uber das Faraday´sche Gesetz nach Gleichung 4.2 wird in Kapitel 4.2.1 der erforderli-
che H2-Massenstrom mit der hergeleiteten Gleichung 4.5 berechnet. Wird in die Gleichung 4.5
fur z der entsprechende Wert fur Sauerstoff eingesetzt und die molare Masse MO2 ergibt sich
der erforderliche Sauerstoffmassenstrom zu
mO2,erf =MO2 · IBZz · F
. (6.5)
Somit wird nach Gleichung 6.5 fur einen konstanten Strom IBZ , mit der molaren Masse fur
Sauerstoff MO2 = 32, 0 gmol
, der Wertigkeit z = 4 und der Faraday-Konstante F = 96485 Cmol
der Massenstrom mO2,erf fur eine Brennstoffzelle benotigt. Der Massenanteil von Sauerstoff in
der Atmosphare betragt nach [64] ξO2,atm = 0, 23135 und somit ergibt sich der erforderliche
Luftmassenstrom zu
mLuft,erf = mO2,erf · ξO2,atm ·NBZ . (6.6)
Zur Berechnung des erforderlichen Luftmassenstroms des gesamten Brennstoffzellensystems
wird in der Gleichung 6.6 noch die Anzahl der Brennstoffzellen NBZ eines Stapels als Faktor
eingefugt.
Die Brennstoffzelle wird mit einen Sauerstoffuberschuss betrieben. Zur Quantifizie-
rung des Uberschusses wird das Luftverhaltnis Lambda λLuft als Quotient aus bereitgestelltem
Luftmassenstrom zu erforderlichem Luftmassenstrom
λLuft =mbereitgestellt
mLuft,erf
(6.7)
definiert. Im besonderen Falle:
mbereitgestellt = mLuft,erf (6.8)
betragt λLuft = 1 und die Brennstoffzelle wird stochiometrisch mit Luftsauerstoff versorgt.
Im Betrieb derzeitiger Brennstoffzellensysteme werden Lambda-Werte von ca. 1,5 bis
3 eingestellt [48, 59]. Begrundet ist diese Tatsache in der Zunahme des Partialdrucks von
Entwicklung einer Betriebsstrategie für den Einsatz eines Turboverdichters 129
Sauerstoff uber das Flussfeld der Kathode durch eine vermehrte Zufuhr von Luftsauerstoff.
Wird der Lambda-Wert von λLuft = 1 an erhoht, steigt der Partialdruck ebenfalls am
Kathodenaustritt an. Der gestiegene Partialdruck und die gesteigerte Verfugbarkeit von
Sauerstoff an der Kathode verbessert den Brennstoffzellenwirkungsgrad [59], somit steigt
die Leistung bei gleichbleibender Stromstarke. Beim Erreichen eines Optimalwertes fur
λLuft ∈ {1, 5� 3} steigt der Leistungsbedarf des Verdichters schneller an als die Steigerung
der Brennstoffzellenleistung.
Das Hochvoltsystem generiert die Sollwerte fur die Regelung der Teilsysteme des
Brennstoffzellensystems, siehe Kapitel 2.2.3. Fur die Luftversorgung wird mittels einer
Kennlinie ein Lambda-Sollwert in Abhangigkeit der angeforderten Leistung ausgegeben.
Anhand des Lambda-Sollwertes und unter Zuhilfenahme der Gleichungen 6.5 und 6.6 wird der
absolute Luftmassenstrom-Sollwert fur die Regelung des Kathoden-Luftmassenstroms berechnet.
Bezug nehmend auf die Abbildung 6.1 ergibt sich im unteren Lastbereich eine weite-
re Regelgroße fur die Luftversorgung. Die fur den luftgelagerten Turboverdichter erlaubte
Leerlaufdrehzahl fuhrt im Brennstoffzellensystem zu einem hoheren Luftmassenstrom als die
Brennstoffzelle im unteren Lastbereich benotigt. Daher muss im unteren Lastbereich des
Brennstoffzellensystems zur Einstellung der Betriebskennlinie uberschussig bereitgestellte Luft
des Turboverdichters uber einen Bypass mittels der Waste-Klappe an der Kathode vorbei
gefuhrt werden.
In Kapitel 3 wurde auf die Verwendung von klassischen Eingroßenregler als erste
Losung fur einen Reglerentwurf hingewiesen. Daher wird auch hier zunachst ein PI-Regler
fur die Regelung des Kathoden-Luftmassenstroms mit der Drehzahl des Turboverdichters als
Stellgroße entworfen und anschließend wird ein zweiter PI-Regler fur die Regelung des Waste-
Luftmassenstroms mit der Stellgroße Stellwinkel der Waste-Klappe entwickelt. Dabei wird
auf eine mogliche Querkopplung mit der Regelung des Kathoden-Luftmassenstroms eingegangen.
Die Abbildung 6.7 zeigt den grundlegenden Aufbau der Regelung der Luftversorgung.
Zwei Anforderung an die Regelung mussen erfullt werden. Zum einen soll der Kathoden-
Luftmassenstrom auf den Sollwert mBZ,Set mit dem Stellglied uTurbo Drehzahl des
Turboverdichters geregelt werden und zum anderen soll ein Waste-Luftmassenstrom, der an
der Brennstoffzelle vorbei gefuhrt werden soll, auf den Sollwert mWaste,Set mit der Stellgroße
uWaste Offnungswinkel Waste-Klappe eingestellt werden.
Die Luftmassenstrom-Differenz zwischen der durchgezogen und der gestrichelten Kennlinie
aus Abbildung 6.1 bei einem festen Druckverhaltnis ergibt den Sollwert fur die Waste-
Luftmassenstrom Regelung und ist in der Kennlinie KL(mBZ,Set) hinterlegt.
130 6.2 Steuerung und Regelung der Luftversorgung
-
- IstWastem ,&
SetBZm ,& IstBZm ,&
SetWastem ,&Wasteu
Turbou
Regelstrecke
LuftversorgungPI- Regler
Regelstrecke)SetBZmKL ,( &
Vorsteuerung
+
Turboπ
1,Turbou
2,Turbou
PI- Regler
Turboπ
Abbildung 6.7: Grundlegender Aufbau der Regelung der Luftversorgung
Die Regelung des Kathoden-Luftmassenstroms wird durch einen im nachsten Abschnitt zu
entwerfenden PI-Regler und einer Vorsteuerung realisiert. Am Laborsystem weist das Messsignal
der Luftmassenmesser bei konstanten Stellgroßen fur die Drehzahl des Turboverdichters und
fur alle Offnungswinkel der Klappen in der Luftversorgung Schwankungen auf. Das Schwanken
des Messsignal ist auf folgende Ursachen zuruckzufuhren:
• Das Messsingal weist ein Messrauschen auf.
• Ein konstantes Ansteuersignal an den Turboverdichter fuhrt zu leichten Drehzahlschwan-
kungen, bedingt durch die Regelgute des Frequenz-Umrichters, diese bewirken ein leichtes
Oszillieren des Luftmassenstroms.
Ein schwankendes Messsginal einer Regelgroße bei konstanter Stellgroße kann bei entspre-
chenden Reglerverstarkungen eines PI-Reglers den Regelkreis zum Schwingen anregen oder
sogar den Regelkreis instabil werden lassen. Wenn der Proportionalfaktor verkleinert wird, um
das Ubertragen der statischen, kleinen Schwingungen des Messsignales auf den Regelkreis zu
minimieren, verhalt sich der Regler trager und das Erreichen eines Sollwertes wird verzogert.
In Abbildung 6.7 ist die Vorsteuerung mit den Eingangsgroßen Druckverhaltnis des
Turboverdichters πTurbo und Sollwert der Kathoden-Luftmassenstrom Regelung mBZ,Set und
der Ausgangsgroße Drehzahlvorgabe uTurbo,2 fur den Turboverdichter dargestellt. Zusammen
mit dem Druckverhaltnis πTurbo und dem Sollwert mBZ,Set wird mit Hilfe eines Kennfeldes eine
Drehlzahlvorgabe fur den Turboverdichter vorgegeben und fuhrt zu einem Stellsignalsprung
der Stellgroße. Das Kennfeld ist ein invertiertes Kennfeld des Turboverdichter aus Abbildung 6.1.
Die Implementierung dieser sollwertabhangigen Vorsteuerung auf das Stellsignal des
Reglers kompensiert die Minimierung der Reglerverstarkung und der Integral-Anteil des
PI-Reglers gewahrleistet die Sollwertfolge.
Entwicklung einer Betriebsstrategie für den Einsatz eines Turboverdichters 131
6.2.1 Entwurf der Regelung des Kathoden-Luftmassenstroms
Fur Tests und den Entwurf der Brennstoffzellensystem-Steuerung am HiL-Simulator existiert