ABB Technik 6/1997 23 uzerns Müllverbrennungsanlage wurde 1971 mit zwei Verbrennungslinien mit einer Kapazität von je 3–4 t/h errichtet. In den Achtzigern hat man eine dritte Linie gebaut und die zwei ursprünglichen Linien modernisiert und u. a. mit größeren E-Fil- tern und einer einstufigen Naßwaschanla- ge ausgerüstet. Nach der Reinigung wird das Wasser aus den Wäschern in den nahe gelegenen Fluß abgelassen. Die Kessel arbeiten mit einem Druck von 35 bar und einer Temperatur von 370 °C. Sie liefern den Dampf für eine 5-MW-Turbogruppe, die den Strom in das Ortsnetz einspeist. Ferner wird Warmwas- ser für ein Krankenhaus erzeugt. Die Anlage läuft im Dauerbetrieb mit kurzen Unterbrechungen für die Kesselrei- nigung sowie längeren Unterbrechungen für die jährlichen Revisionen. Der Brenn- 1 stoff ist städtischer Müll sowie Indu- striemüll mit einem Heizwert von 10–12 MJ/kg. Die Gesamtjahreskapazität der An- lage beträgt 84 000 t Müll. 1991 trat die neue Luftreinhalteverord- nung (LRV 91) in Kraft. Es wurde daher er- forderlich, eine dieser Vorschrift entspre- chende Rauchgasreinigungsanlage zu in- stallieren. Spezifikation für die Rauchgasreinigungsanlage Gemäß Spezifikation sollte die neue Rauchgasreinigungsanlage aus folgenden Komponenten aufgebaut werden: • Gas/Gas-Wärmetauscher für die Naß- waschanlage • Zweistufige Naßwaschanlage • Naß-E-Filter • Saugzuggebläse • Gas/Gas-Wärmetauscher für die SCR- DENOX-Einheit • Endheizung mit Erdgas als Brennstoff • Selektive katalytische Entstickung (SCR, Selective Catalytic NO x Reduc- tion) mit Ammoniak Filsorption In ihrem Angebot schlug ABB Fläkt die In- stallation einer Filsorptions-Stufe II anstel- le des Naß-E-Filters vor. Der Vorgang der Filsorption – abgeleitet aus Filtration und Adsorption – umfaßt komplexe Reaktio- nen zwischen den im Rauchgas enthalte- nen Schadstoffen und den feinkörnigen Sorptionsmitteln auf den Schläuchen eines Faserfilters . Die Filsorption bietet gegenüber einem Naß-E-Filter (NEF) den Vorteil, daß sie nicht nur die kleinsten festen Teilchen, sondern auch einige gasförmige Elemente weitgehend eliminiert. Diese werden über chemische Reaktionen, Absorption und Adsorption im Filterkuchen entfernt, der aus Sorptionsmitteln, Reaktionsprodukten und Teilchen aus dem Verbrennungspro- zeß besteht. Die fein gemahlenen Sorp- tionsmittel sorgen für eine sehr große Kontaktfläche. Dieser Prozeß eignet sich besonders für die Ausscheidung von Schwefeltrioxid (SO 3 ). Da auf der Ausgangsseite der Fil- sorptionseinheit fast kein SO 3 zu finden ist, können sich sogar bei niedrigen Tem- peraturen keine Ammoniumsalze bilden. Die Katalysatortemperatur konnte deshalb auf 235–240 °C gesenkt werden, so daß sich der anlageneigene Dampf für die Er- hitzung des Rauchgases auf die vor der Ammoniakeinspritzung erforderliche Tem- peratur verwenden läßt. Dies ist kosten- 2 R A U C H G A S R E I N I G U N G S A N L A G E N Arthur Schnieper KVA Luzern Kurt B. Carlsson ABB Fläkt Industri L Müllverbrennungs- anlage «Luzern 2000» mit neuer Rauchgas- reinigungsanlage Die Rauchgasreinigungsanlage der 1971 errichteten Müllverbren- nungsanlage «Luzern 2000» entsprach nicht in allen Belangen der schweizerischen Luftreinhalteverordnung (LRV 91) und mußte deshalb nachgerüstet werden. Die aus drei Verbrennungslinien bestehende Müllverbrennungsanlage war bisher mit E-Filtern und einstufigen Naß- waschanlagen ausgerüstet. Die neue Ausrüstung sollte Naßwaschanla- gen, Naß-E-Filter sowie selektive Katalysator-DENOX-Stufen umfassen. ABB Fläkt Industri unterbreitete ein Angebot über eine Filsorptionsein- heit anstelle der Naß-E-Filter (NEF). Die folgende Auswertung zeigte, daß diese Einheit erhebliche Vorteile bietet. Nach erfolgreicher Inbe- triebnahme und Leistungstests ging die neue Rauchgasreinigungsanla- ge im August 1996 in Betrieb und befindet sich seither im Dauerbetrieb. Die neue Anlage hat sich als wirtschaftliche Lösung erwiesen, um die Anforderungen der LRV 91 zu erfüllen.
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RAUCHGASREINIGUNGSANLAGEN Müllverbrennungs- anlage …€¦ · Bypass Zur Wasseraufbereitung Zum Kamin Zum Kamin Zu den Müllverbrennungs-kammern Reaktor Zusatz-gebläse Dampf Ammoniak
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A B B T e c h n i k 6 / 1 9 9 7 23
uzerns Müllverbrennungsanlage
wurde 1971 mit zwei Verbrennungslinien
mit einer Kapazität von je 3–4 t/h errichtet.
In den Achtzigern hat man eine dritte Linie
gebaut und die zwei ursprünglichen Linien
modernisiert und u. a. mit größeren E-Fil-
tern und einer einstufigen Naßwaschanla-
ge ausgerüstet. Nach der Reinigung wird
das Wasser aus den Wäschern in den
nahe gelegenen Fluß abgelassen.
Die Kessel arbeiten mit einem Druck
von 35 bar und einer Temperatur von
370 °C. Sie liefern den Dampf für eine
5-MW-Turbogruppe, die den Strom in das
Ortsnetz einspeist. Ferner wird Warmwas-
ser für ein Krankenhaus erzeugt.
Die Anlage läuft im Dauerbetrieb mit
kurzen Unterbrechungen für die Kesselrei-
nigung sowie längeren Unterbrechungen
für die jährlichen Revisionen. Der Brenn-
1 stoff ist städtischer Müll sowie Indu-
striemüll mit einem Heizwert von 10–12
MJ/kg. Die Gesamtjahreskapazität der An-
lage beträgt 84 000 t Müll.
1991 trat die neue Luftreinhalteverord-
nung (LRV 91) in Kraft. Es wurde daher er-
forderlich, eine dieser Vorschrift entspre-
chende Rauchgasreinigungsanlage zu in-
stallieren.
Spezifikation für die
Rauchgasreinigungsanlage
Gemäß Spezifikation sollte die neue
Rauchgasreinigungsanlage aus folgenden
Komponenten aufgebaut werden:
• Gas/Gas-Wärmetauscher für die Naß-
waschanlage
• Zweistufige Naßwaschanlage
• Naß-E-Filter
• Saugzuggebläse
• Gas/Gas-Wärmetauscher für die SCR-
DENOX-Einheit
• Endheizung mit Erdgas als Brennstoff
• Selektive katalytische Entstickung
(SCR, Selective Catalytic NOx Reduc-
tion) mit Ammoniak
Filsorption
In ihrem Angebot schlug ABB Fläkt die In-
stallation einer Filsorptions-Stufe II anstel-
le des Naß-E-Filters vor. Der Vorgang der
Filsorption – abgeleitet aus Filtration und
Adsorption – umfaßt komplexe Reaktio-
nen zwischen den im Rauchgas enthalte-
nen Schadstoffen und den feinkörnigen
Sorptionsmitteln auf den Schläuchen
eines Faserfilters .
Die Filsorption bietet gegenüber einem
Naß-E-Filter (NEF) den Vorteil, daß sie
nicht nur die kleinsten festen Teilchen,
sondern auch einige gasförmige Elemente
weitgehend eliminiert. Diese werden über
chemische Reaktionen, Absorption und
Adsorption im Filterkuchen entfernt, der
aus Sorptionsmitteln, Reaktionsprodukten
und Teilchen aus dem Verbrennungspro-
zeß besteht. Die fein gemahlenen Sorp-
tionsmittel sorgen für eine sehr große
Kontaktfläche.
Dieser Prozeß eignet sich besonders für
die Ausscheidung von Schwefeltrioxid
(SO3). Da auf der Ausgangsseite der Fil-
sorptionseinheit fast kein SO3 zu finden
ist, können sich sogar bei niedrigen Tem-
peraturen keine Ammoniumsalze bilden.
Die Katalysatortemperatur konnte deshalb
auf 235–240 °C gesenkt werden, so daß
sich der anlageneigene Dampf für die Er-
hitzung des Rauchgases auf die vor der
Ammoniakeinspritzung erforderliche Tem-
peratur verwenden läßt. Dies ist kosten-
2
R A U C H G A S R E I N I G U N G S A N L A G E N
Arthur Schnieper
KVA Luzern
Kurt B. Carlsson
ABB Fläkt Industri
L
Müllverbrennungs-anlage «Luzern2000» mit neuerRauchgas-reinigungsanlageDie Rauchgasreinigungsanlage der 1971 errichteten Müllverbren-
nungsanlage «Luzern 2000» entsprach nicht in allen Belangen der
schweizerischen Luftreinhalteverordnung (LRV 91) und mußte deshalb
nachgerüstet werden. Die aus drei Verbrennungslinien bestehende
Müllverbrennungsanlage war bisher mit E-Filtern und einstufigen Naß-
waschanlagen ausgerüstet. Die neue Ausrüstung sollte Naßwaschanla-
gen, Naß-E-Filter sowie selektive Katalysator-DENOX-Stufen umfassen.
ABB Fläkt Industri unterbreitete ein Angebot über eine Filsorptionsein-
heit anstelle der Naß-E-Filter (NEF). Die folgende Auswertung zeigte,
daß diese Einheit erhebliche Vorteile bietet. Nach erfolgreicher Inbe-
triebnahme und Leistungstests ging die neue Rauchgasreinigungsanla-
ge im August 1996 in Betrieb und befindet sich seither im Dauerbetrieb.
Die neue Anlage hat sich als wirtschaftliche Lösung erwiesen, um die
Anforderungen der LRV 91 zu erfüllen.
24 A B B T e c h n i k 6 / 1 9 9 7
günstiger als beispielsweise der Einsatz
von Erdgas. Da fast 100 % der Feststoffe
entfernt werden – die meisten davon im
Filterkuchen – ist es in der Regel nicht er-
forderlich, Katalysator und Wärmetau-
scher zu reinigen. zeigt das Funktions-
prinzip des von ABB Fläkt entwickelten
«Gesamtreinigungskonzepts».
Als Sorptionsmittel wurde für die An-
lage Luzern die übliche Mischung aus
hydriertem Kalk und Kohle/Kohlenstoff
gewählt. Sie bietet folgende Vorteile:
• Der hydrierte Kalk entfernt säurehaltige
Gase, einschließlich SO3, die nach der
Naßwaschanlage übrigbleiben.
• Das feine Koks-/Kohlepulver ad-/ab-
sorbiert chlorinierte Kohlenwasser-
stoffe sowie Dioxine und gasförmige
Schwermetalle, vor allem Quecksilber.
• Der Filterkuchen, der zum größten Teil
aus Sorptionsmitteln besteht, scheidet
submikroskopische Teilchen sehr effizi-
ent ab. Da die flüchtigsten Schwerme-
talle (Pb, Cd usw.) an die submikrosko-
pischen Teilchen gebunden sind, liegen
die Emissionen dieser toxischen Ele-
mente fast bei Null.
Das feine Koks-/Kohlepulver ist entzünd-
bar und muß entsprechend gehandhabt
werden. Die Entzündungsgefahr wird al-
lerdings dadurch gemindert, daß das
Koks-/Kohlepulver mit hydriertem Kalk
gemischt und in einer besonderen Aus-
führung der Filsorptionsstufe eingesetzt
wird.
Das Filsorptionsverfahren bietet jedoch
nicht nur technische, sondern auch wirt-
schaftliche Vorteile. Die Gesamtkosten
der in Luzern installierten Rauchgasreini-
gungsanlage sind niedriger als die der
Alternativlösung mit einem Naß-E-Filter
. Die Kosteneinsparung ergibt sich wie
folgt:
• Die einfachere Naßwaschanlage, die le-
diglich HCl und SO2 entfernt, senkt die
Installationskosten, und die SCR-
DENOX-Einheit arbeitet bei einer tiefe-
ren Temperatur.
• Die Betriebskosten sind aus folgenden
Gründen niedriger: geringerer Druckab-
fall über der Naßwaschanlage (offener
Sprühtyp), kleinerer Wärmetauscher für
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Müllverbrennungsanlage «Luzern 2000“ mit der neuenRauchgasreinigungsanlage von ABB Fläkt
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Kalk
Quecksilber
Kohle
Dioxin
Filterschlauch-material
GereinigtesGas
Rohgas
Sorptionsmittel undReaktionsprodukte
Prinzip der Filsorption, bei der komplexe Reaktionen zwischen den Schadstoffen im Rauchgas und den fein gemahlenen Sorptionsmitteln auf den Filterschläuchen des Faserfilters stattfinden.
In der Müllverbrennungsanlage Luzern installierte Naßwaschanlage
1 Vom elektrostatischen Abscheider 8 Abwasserbehandlung2 Nebelabscheider 9 NaOH-Tank3 Naßwaschanlage 10 Quench-Stufe4 Düsen 11 Wärmetauscher5 Zum Abwasser 12 Zur Filsorptionsstufe6 NaOH 13 Notwassertank7 Zwischentank
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verbrennungskesseln im zweiten
Wärmetauscher geliefert. Das heiße
Kondensat wird zurückgewonnen
und in Niederdruckdampf umgewan-
delt.
Das Ammoniak, das als wässrige Lö-
sung gespeichert wird, läuft durch
einen Verdampfer, bevor es gleich-
mäßig im Kanal vor dem Katalysator
verteilt wird. Der Zweischichtkataly-
sator ist in einem separaten Kanal
installiert, durch den das Gas senk-
recht nach unten strömt. Bei Ab-
schaltungen der Anlage wird der Ka-
talysator trocken gehalten und auf-
geheizt, bevor der Prozeß neu star-
tet. Das kalte Rauchgas wird
Filsorptionsstufe in der Anlage Luzern
1 Faserfilter2 Eintrittsklappen 3 Druckluftbehälter4 Inspektionstüren5 Zur SCR-DENOX-Einheit6 Filterschläuche7 Filtertrichter8 Förderschnecke9 Einspritzung von Kalk-/Kokspulver
10 Zu den Müllverbrennungskammern11 Rückstandssilo12 Von der Naßwaschanlage13 Reaktor
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Tabelle 1: Eintrittsbedingungen, Emissionsgrenzwerte gemäß LRV 91 und Garantiewerte
Schadstoffe Normale/max. Emissionenpro m3 Konzentration am Eintritt LRV 91 Garantiewerte(normale Bedingungen: in die neue Trockengas, 11 % O2) Rauchgasreinigungsanlage
Alle Konzentrationen werden in mg/m3 bei normalem trockenem Gas, 11 % O2, ange-geben; ausgenommen sind Dioxine, die in ng angegeben werden. Die Ergebnisse zei-gen die mittleren Werte aus 2–6 Messungen.
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1
2
3
4
7
5 6
8
91011
12
13
14
Die Filterschläuche werden von der Reingasseite ausinspiziert und ausgetauscht. Ein bedienungsfreundlicherMechanismus ermöglicht den schnellen Austausch derFilterschläuche.
8 Katalysator für die Entstickung – er arbeitet bei ca. 240°C 9
1 Katalysator2 Gas/Gas-Wärmetauscher3 Gebläse für die