RATGEBER 3 2 FREITAG, 15. JUNI 2012 | MITTELDEUTSCHE ZEITUNG REISE REISE WANDERN Alpentouren auf den Spuren der Postautos Eine neue Route führt Urlauber ab sofort auf den Spuren der Postautos durch die Schweizer Alpen. Der 163 Kilometer lange Weg „Via posta alpina“ ist in sechs Etappen aufgeteilt, teilt Schweiz Tourismus mit. Er führt auf historischen Pfaden und Straßen von Meiringen über Guttannen, Ulrichen, Airolo, Göschenen und Gadmen zurück nach Meiringen. Fahrten mit dem Postauto lassen sich dabei mit Wanderungen kombinieren. Die Postautos verkehren von Mitte Juni bis Anfang Oktober auf der Strecke. DPA Mehr Informationen: www.viapostaalpina.ch PILGERROUTE Neuer Abschnitt auf sächsischem Jakobsweg Morgen wird ein weiterer Ab- schnitt des Sächsischen Jakobs- weges freigegeben. Künftig könnten Pilger offiziell auf der rund 15 Kilometer langen Stre- cke zwischen Moritzburg und Coswig (Landkreis Meißen) wandern, so der Verein Säch- sischer Jakobsweg an der Fran- kenstraße. Der Abschnitt liegt auf einer Nebenroute, die in Grumbach auf den Hauptweg trifft. Der Sächsische Jakobsweg ist rund 300 Kilometer lang und führt von Bautzen bis Oelsnitz (Vogtland). Die Route ist fast durchgehend beschildert. DPA Mehr Informationen: www. saechsischer-jakobsweg.de IN KÜRZE Es gab mal Zeiten, da hatten Mädchen zwei Traumjobs: Ent- weder wollten sie Prinzessin werden oder aber Stewardess. Beides hatte genügend Anzie- hungskraft, weil reichlich gla- mourös. Insbesondere die Sky- Girls wurden angehimmelt we- gen ihrer Mannequin-Figur, den todschicken Kostümen und den kecken Käppis. Und natürlich auch, weil sie in schnittigen Fliegern ständig um die Welt jetten konnten, während sich die gewöhnlichen Urlauber ins Auto quetschten oder in über- füllte Züge. Im Zeitalter der Billigflieger ist der Lack längst ab. Die flie- genden Damen nennen sich jetzt schlicht Flugbegleiterin- nen. Ihre Kleidung ist - sagen wir mal - meist praktisch und eine Traumfigur ist auch nicht mehr zwingend notwendig für den Job. Es gibt also kaum noch etwas zu gucken auf dem höchs- ten Laufsteg der Welt. Ob das wohl der Grund ist, warum laut der neuesten TMS Emnid-Befragung jeder dritte Deutsche auf die unfein als „Saftschubsen“ titulierten Flug- begleiterinnen verzichten könn- te? Möglich wäre es. Aber wieso um Himmels willen wollen Pas- sagiere denn auch auf Bord- toiletten (13 Prozent), Sitzplätze (10 Prozent) und Reisegepäck (15 Prozent) verzichten? Ein Glück nur, dass bei den 1 003 im Auftrag der Flugsuch- maschine Fly.com Befragten in einem Punkt Einigkeit herrscht: Die Piloten sollen wei- terhin an Bord der Jets bleiben. VON HEIDI JÜRGENS D er Wind weht uns um die Nase. Ein warmer Wind. Auch wenn wir in der Ferne hinter der bunten Häuserreihe an der Uferpromenade von Ascona am Lago Maggiore noch ziemlich viel Schnee in den Bergen sehen. Das Schiff des italienischen Eigners fährt zügig auf den schweizeri- schen Ort zu und wir werden am Abend merken, dass die Sonne schon erhebliche Kraft hat. Som- mer und Winter liegen hier im Tes- sin an der Grenze zu Italien dicht beisammen. Und nach dem Besuch des botanischen Gartens auf einer der beiden Brissago-Inseln im See, die wir gerade mit dem Schiff wie- der verlassen haben, könnte man noch hinzufügen: Eigentlich hat man hier nicht nur Sommer und Winter beieinander, sondern gleich noch die ganze Welt. Denn in dem Garten, den die Baronin Antoinette Saint-Leger 1885 hier anlegen ließ, können die Besucher auf eine bota- nische Welt-Wanderung gehen. Im milden Klima dieses Fleckchens Erde können Pflanzen ganzjährig im Freien wachsen und gedeihen, die normalerweise ihre Heimat im Mittelmeertraum, den Subtropen Asiens, Südafrikas, Amerikas und Ozeaniens haben. Künstler und Aussteiger, schließ- lich auch viele Emigranten hat es seit dem Ende des 19. Jahrhunderts nach Ascona, ins benachbarte Lo- carno und die Umgebung gezogen. Die Kunst, zu leben, haben sie ver- sucht und auf unterschiedlichste Weise anschaulich gemacht. Ob auf den Brissago-Inseln oder auf dem Monte Verità, wo zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Kolonie gegrün- det wurde, die die Rück- kehr zur Natur ebenso als Leitgedanke hatte wie vege- tarische Ernährung, Bewe- gung im Freien und den Nu- dismus. Maler und Schrift- steller, unter ihnen Her- mann Hesse und Erich Ma- ria Remarque, gehörten ebenso zu den Gästen wie Anarchisten und Psychoana- lytiker. Natürlich steigen auch wir die etwa 400 Stufen vom Ort hinauf auf den Hügel, der mitt- lerweile ins Eigentum des Kan- tons Tessin übergegangen ist. Das Museum wird zwar zurzeit restauriert, doch das etwa 2,5 Hektar große Areal kann man durchstreifen und Zeugnisse der Vergangenheit finden. Einfache „Licht-Luft-Häuser“ etwa, in denen die Aussteiger lebten. Duschen und Badebecken im Freien. Und das Eli- sarion, einen Rundbau, in dem der baltische Edelmann Elisar von Kupffer Ende der 1920er Jahre sei- ne Philosophie von Wirrwelt und Klarwelt auf die Wände malte. Wirrwelt hin, Klarwelt her: Wir steigen aus den Höhen des Berges der Wahrheit wieder hinab in un- ser wahres Leben, das ein neues Ziel ver- heißt: das Verzasca-Tal. In Locarno steigen wir in den Postbus, der uns aus der sommerwarmen Stadt am See hinauf ins ursprüngliche Tes- sin bringt. Die Serpentinenstraße windet sich nach oben und gibt noch einige faszinierende Blicke auf das glitzernde Wasser und die Schneeberge dahinter frei, ehe es hinein ins Tal geht, an dessen Ende nach 25 Kilometern das Bergdorf Sonogno unser Ziel ist. Doch ehe wir dort ankommen, genießen wir zunächst die Bli- cke auf eine wild-natürliche Landschaft mit schroffen Fels- wänden, kaskadenartigen Wasserfällen, winzigen Dörf- chen, die den Eindruck erwe- cken, sie seien so in die Fel- sen geklebt. Es lohnt, die Busfahrt mindestens an zwei Stellen zu unterbre- chen: Einmal an der Talsper- re des Lago di Vogorno, des- sen Staudamm mit 220 Me- tern zu den höchsten in Eu- ropa gehört. Und der als Schauplatz für Szenen zum James-Bond-Film „Golden Eyes“ diente. Den nächsten Stopp legen wir im Dörf- chen Lavertezzo ein. Hier haben die Römer eine doppelbogige Brü- cke über den Fluss gespannt. Tief- grün schimmert das Wasser, um- spült Felsbrocken und Steine, auf denen sich Wanderer ihre Plätze suchen und von denen aus Mutige ein Bad im Fluss nehmen, dessen Wasser kaum zehn Grad hat und dessen Strömung nicht ohne ist. Wir fahren weiter nach Sonogno, wo die Zeit teilweise stehen geblie- ben scheint. Schauen uns die fels- steinigen Häuser an, den alten ge- meinschaftlichen Brotbackofen, der noch heute von den Bewohnern genutzt wird, und das Haus der Wolle. Hier wird gefärbt, gekämmt und gesponnen, im Handarbeitsla- den kann das gekauft werden, was daraus entstand: Jacken, Mützen, Pullover und etliches mehr. Und weil wir den Rückweg ein ganzes Stück zu Fuß bewältigen wollen, gibt es noch eine Stärkung. Im Grotto Redorta probieren wir Typisches aus der Region: Polenta mit Mortadella und verschiedenen Käsesorten, dazu einen Merlot aus dem Tessin. Dann gehen wir los. Das Tal ist mal enger, mal weiter, der Bergbach gewinnt durch die zahlreichen Wasserfälle immer mehr an Kraft und Masse. Wir kommen vorbei an steilen Felswän- den, verlassenen Steinhütten, wir treffen auf schwarze Ziegen, deren Glocken uns schon von weitem be- grüßen, und die uns ein ganzes Stück auf dem Wanderweg beglei- ten. Der ist gut ausgeschildert, unter- wegs besteht immer wieder die Möglichkeit, in eines der stillen Dörfchen abzubiegen. Durch die fährt der Postbus aller ein bis zwei Stunden , er kann müde Wanderer binnen kurzer Zeit wieder ans Ufer am Lago Maggiore in Locarno brin- gen. Wo man sich am besten auf ei- ne der roten Bänke im Schatten ei- ner Palme oder Magnolie setzt, da- mit das Eis, das man unbedingt probiert haben muss, nicht weg- schmilzt, ehe es aufgegessen ist. EINGECHECKT ELKE RICHTER grübelt über den Sinn von Studien SCHWEIZ Im Tessin an der Grenze zu Italien liegt vieles dicht beieinander: Palmen und Schnee, Kultur und Natur, Vergangenheit und Gegenwart. Reiseservice, Fotogalerien und die MZ-LeserReisen-Angebote www.mz-web.de/reise Verzicht aufs Glamour-Girl? Welten-Wanderung Stärkung für Wanderer: Polenta, Käse, Mortadella, Brot und Wein ANREISE Auto, Bahn, Flieger Wer mit dem Auto kommt, fährt am besten aus Richtung Bodensee über Chur und durch den Bernardi- no-Tunnel. Mit dem Zug geht es durch den Gotthardtunnel ins Tes- sin. Flugreisende können über Zü- rich nach Lugano fliegen und von dort weiter mit dem Zug fahren oder gleich in Zürich in die Bahn steigen. Mit einem Swiss Pass haben Ausländer die Möglichkeit, ab den Grenzen beliebig oft Züge, Busse und Schiffe nutzen. Die Kosten richten sich nach der Aufenthalts- dauer. Ein Swiss-Pass 2. Klasse kostet für acht Tage 319 Euro. Näheres unter: www.ticino.ch, www.myswitzerland.com sowie bei www.swiss-pass.ch Die Uferpromenade von Ascona am Lago Maggiore: Während man hier schon den Sommer spürt, fällt der Blick auf noch schneebedeckte Berge. FOTOS: HEIDI JÜRGENS Von den Römern gebaut: die Doppelbogenbrücke in Verzasca-Tal In Dörfern wie Sonogno im Verzasca- Tal hat sich das Tessin noch viel Ursprünglichkeit bewahrt.