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Exposé der Dissertation Titel der Dissertation Asset-Backed Securities Schwerpunktmäßige Behandlung zivil- und insolvenzrechtlicher Fragen Verfasser Mag. iur. Daniel Gritsch Angestrebter akademischer Grad Doktor der Rechtswissenschaften (Dr. iur.) Wien, im Februar 2019 Studienkennzahl laut Studienblatt: A 783 101 Dissertationsgebiet laut Studienblatt: Zivilrecht Betreuerin: Univ.-Prof. Dr. Christiane Wendehorst, LL.M.
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Apr 02, 2022

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Exposé der Dissertation

Titel der Dissertation

Asset-Backed Securities

Schwerpunktmäßige Behandlung zivil- und insolvenzrechtlicher Fragen

Verfasser

Mag. iur. Daniel Gritsch

Angestrebter akademischer Grad

Doktor der Rechtswissenschaften (Dr. iur.)

Wien, im Februar 2019

Studienkennzahl laut Studienblatt: A 783 101

Dissertationsgebiet laut Studienblatt: Zivilrecht

Betreuerin: Univ.-Prof. Dr. Christiane Wendehorst, LL.M.

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1. Einleitung

1.1. Einführung in die Materie

Gegenstand dieser Dissertation ist die Behandlung aktueller rechtlicher Fragen zu

Forderungsverbriefungen („Asset-Backed Securitization“; nachfolgend „ABS“)1 mit der

schwerpunktmäßigen Behandlung von zivil- und insolvenzrechtlichen Fragestellungen. Bei

ABS handelt es sich um ein Mittel der Kapitalmarktfinanzierung, deren historische Ursprünge

auf erste Entwicklungen in den 1970er und 1980er Jahren in den Vereinigten Staaten von

Amerika zurückgehen.2 Hohe praktische Relevanz hat insbesondere die Verbriefung von

Forderungen gegenüber Verbrauchern. Hiezu zählen beispielsweise Leasingforderungen aus

Automobilfinanzierungen, Forderungen aus Hypothekardarlehen oder

Kreditkartenforderungen. Jedoch können ausgehend vom Grundsatz der Privatautonomie

Forderungen aus Grundgeschäften verschiedenster Art verbrieft werden, wie die

Verbriefung von Forderungen aus New Yorker Strafzetteln illustriert.3

Im Zuge einer ABS-Transaktion werden die vom Originator im Rahmen seiner

Geschäftstätigkeit generierten Forderungen an eine Zweckgesellschaft4 abgetreten, die sich

durch Begebung von Wertpapieren auf dem Kapitalmarkt refinanziert. Die von der

Zweckgesellschaft emittierten Wertpapiere werden entweder auf dem internationalen

Kapitalmarkt oder im Zuge eines sogenannten „Private Placement“ Investoren5 zum Kauf

angeboten. Weitere an einer ABS-Transaktion beteiligte Parteien sind Treuhänder,

Rechtsanwaltskanzleien und Ratingagenturen. Die Vorteile der Forderungsverbriefung für

den Originator liegen in der sofortigen Liquiditätszufuhr, die idR eine günstigere

Finanzierungsalternative im Vergleich zur herkömmlichen Anleiheemission darstellt, einer

der damit einhergehenden Erhöhung der Eigenkapitalquote und eine bilanzielle Entlastung.6

Für Investoren andererseits stellen ABS-Wertpapiere eine beliebte Kapitalanlage mit

1 Die Begriffe „Forderungsverbriefung“, „Asset-Backed Securitization“ (bzw. „Asset-Backed Securities“) oder Verwertschriftung sind in dieser Dissertation gleichzusetzen. 2 Bertl, Verbriefung von Forderungen (2004), 11. 3 Langner, zfbf 2002, 54, 659. 4 Der Begriff Zweckgesellschaft ist bedeutungsgleich mit den Begriffen „Special Purpose Vehicle“ (SPV), „Special Purpose Company“ (SPC) oder „Conduit“; das BWG bezieht sich auf den Begriff der Zweckgesellschaft unter Verwendung der Formulierung „Verbriefungsspezialgesellschaft“ in § 3 Abs 5 BWG. 5 Zum Kreis der Investoren zählen institutionelle Investoren wie Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen, Pensionskassen und Investmentfonds. 6 Bär, Asset Securitisation (1997) 289 ff; Bertl, Verbriefung von Forderungen (2004) 63 ff; Weber, Die insolvenzfeste Refinanzierung von Forderungen durch Asset-Backed Securities 44 ff.

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unterschiedlichen Risikoklassen dar.7 Dennoch darf auch die Kritik an ABS-Konstruktionen

nicht unerwähnt bleiben – schließlich waren Mortgage Backed Securities (nachfolgend

„MBS“), die einen Unterfall der ABS bilden, hauptverantwortlich für den Ausbruch der

Finanzkrise der Jahre 2007 bis 2009.8

1.2. Praktische Relevanz

Auf dem Gebiet der Kapitalmarktfinanzierungen ist die rechtliche und wirtschaftliche

Mobilisierung von Forderungen ein taugliches, ökonomisches und effizientes Mittel zur

Liquiditätsbeschaffung. Das hohe Finanzierungspotential von Forderungen wird nicht zuletzt

dadurch evident, dass die Forderungsintensität9 österreichischer Unternehmen gemäß einer

Statistik der Österreichischen Nationalbank (nachfolgend „OeNB“) durchschnittlich neun

Prozent beträgt.10

Wenngleich mannigfaltige Vehikel existieren, um Forderungen als Finanzierungsinstrument

verkehrsfähig zu machen, ist Gegenstand dieser Dissertation die Verbriefung von

Forderungen. Auf andere Finanzierungsformen wird zum besseren Verständnis von ABS-

Konstruktionen an manchen Stellen hingewiesen oder werden insbesondere dann näher

erläutert, wenn sich Abgrenzungsfragen ergeben. Zu jenen Finanzierungsformen, die

ebenfalls eine wirtschaftliche Mobilisierung von Forderungen vorsehen und einer ABS-

Transaktion hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Zielsetzung ähnlich sind, zählen das Factoring,

Pfandbriefe, Schuldverschreibungen und Derivate.

Im Jahr 2017 belief sich das Gesamtemissionsvolumen von Verbriefungen auf dem

europäischen Kapitalmarkt auf rund 120 Mrd. Euro und erreichte damit das höchste Niveau

seit dem Ausbruch der Finanzkrise der Jahre 2007 bis 2009.11 Die hohe volkswirtschaftliche

Relevanz von Verbriefungstransaktionen in Europa wird nicht zuletzt auch durch die ABS-

Ankaufprogramme der Europäischen Zentralbank (nachfolgend „EZB“) verdeutlicht.12

Abschließend sind der Vollständigkeit halber European Safe Bonds zu erwähnen, worunter

7 Achleitner, Handbuch Investmentbanking2 (2000) 414. 8 Kolb, Lessons from the Financial Crisis (2010) 205. 9 Die Forderungsintensität beschreibt das Verhältnis an Forderungen zum Gesamtvermögen eines Unternehmens (vgl Nicke, Die Bilanz im Unternehmen [2018] 22). 10 https://www.oenb.at/Statistik/Standardisierte-Tabellen/Realwirtschaftliche-Indikatoren.html; zuletzt abgerufen am 22.06.2018. 11 Vgl Studie der DZ-Bank. 12 EZB 19.11.2018, ECB/2014/45.

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ganz allgemein (die bis dato noch nicht in die Praxis umgesetzte) Verbriefung von

Staatsanleihen zu verstehen ist.13

1.3. Forschungsstand und Zielsetzung

Diese Dissertation zielt insbesondere darauf ab, sich mit dem True-Sale, dessen rechtlicher

Bedeutung sowie der daraus erwachsenden Herausforderungen zu befassen. Des Weiteren

behandelt ein wesentlicher Teil der Dissertation die Frage, in welcher Form die

Vermögenswerte vom Originator auf die Zweckgesellschaft übertragen werden.

Insbesondere wird auch auf die Möglichkeit und Grenzen der Einbindung eines Treuhänders

in Verbriefungstransaktionen eingegangen. Abschließend werden noch allgemeine

Abtretungshindernisse, wie beispielsweise Abtretungsverbote, dahingehend untersucht, ob

diese ein Hindernis für ABS-Transaktionen darstellen.

Die österreichische Literatur hat sich mit dem Themengebiet der Verbriefungen und daraus

erwachsender Problemstellungen bereits beschäftigt14, wenngleich auch nicht in so

umfassender Weise wie dies in Deutschland der Fall ist. Soweit österreichische Judikatur und

Literaturbeiträge zu relevanten Rechtsfragen fehlen, wird versucht anhand des

Forschungsstandes in Deutschland aufgrund einer rechtsvergleichenden Betrachtungsweise

Rückschlüsse zu ziehen.

13 Vgl https://www.tsi-kompakt.de/2018/02/sovereign-bond-backed-securities-eu-begeistert-sich-fuer-verbriefungen-von-staatsanleihen/; zuletzt abgerufen am 16.07.2018. 14 Eine eingehende Erörterung der Beiträge von Benes, Hornich, Jergitsch und Trettnak wird daher unerlässlich sein.

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2. Forschungsfragen

2.1. Begriffsdefinition

Unerlässlicher Ausgangspunkt für die dogmatische Erörterung von ABS ist eine

Begriffsdefinition von ABS. Hier existiert derzeit auf nationaler wie europäischer Ebene

derzeit eine Vielzahl von begrifflichen Annäherungsversuchen, deren inhaltliche

Stichhaltigkeit und rechtliche Relevanz im Zuge der Dissertation untersucht wird.

Einerseits sind auf die Begriffsdefinitionen nationaler Banken- und

Finanzmarktaufsichtsbehörden hinzuweisen, wozu das Begriffsverständnis der

österreichischen Finanzmarktaufsicht (nachfolgend „FMA“)15 und der deutschen

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (nachfolgend „BaFin“)16 zu zählen sind.

Andererseits hat auch der europäische Gesetzgeber im Wege von Verordnungen und

Richtlinien Begriffsdefinitionen von ABS vorgenommen. Diesbezüglich sind zunächst die

Verordnung (EG) 809/200417 und die Verordnung (EU) 575/2013 („Eigenmittelverordnung“;

nachfolgend „CRR“)18 zu erwähnen. Des Weiteren ist die Verordnung (EU) 2017/2402

(nachfolgend „Verbriefungs-VO“)19 zu nennen, in welcher der europäische Gesetzgeber die

große Bedeutung einer begrifflichen Klarstellung auf dem Gebiet der Verbriefungen erkannt

hat.20 Die Verbriefungs-VO zielt unter anderem auf die Vereinfachung sowie

Vereinheitlichung der bei ABS-Transaktionen zu beachtenden Standards21 und gilt ab dem

1.1.2019.22

15 https://www.fma.gv.at/glossary/verbriefung-von-forderungen/; zuletzt abgerufen am 21.06.2018. 16 BaKred-Rundschreiben Nr. 4/97. 17 VERORDNUNG (EG) Nr. 809/2004 DER KOMMISSION vom 29. April 2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Angaben sowie die Aufmachung, die Aufnahme von Angaben in Form eines Verweises und die Veröffentlichung solcher Prospekte sowie die Verbreitung von Werbung. 18 VERORDNUNG (EU) Nr. 575/2013 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012. 19 VERORDNUNG (EU) 2017/2402 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 12. Dezember 2017 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für Verbriefungen und zur Schaffung eines spezifischen Rahmens für einfache, transparente und standardisierte Verbriefung und zur Änderung der Richtlinien 2009/65/EG, 2009/138/EG, 2011/61/EU und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 648/2012. 20 Vgl ErwGr 6 Verbriefungs-VO. 21 Vgl ErwGr 5, 37, 38, 44 Verbriefungs-VO. 22 Vgl Art 48 Verbriefungs-VO.

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Im Zuge der Dissertation ist daher auch zu untersuchen, wie sich die unterschiedlichen

Begriffsbestimmungen auf nationaler und europäischer Ebene zueinander verhalten und

insbesondere ist auch auf die Frage einzugehen, in welchem Verhältnis und gegebenenfalls

in welchem Rang diese zueinanderstehen.

2.2. Die zivil- und insolvenzrechtliche Bedeutung des True-Sale-Erfordernisses

Ganz allgemein kann bei der Ausgestaltung von Verbriefungstransaktionen zwischen der

True-Sale Securitization und der synthetischen Securitization differenziert werden. Der

wichtigste Unterschied liegt darin, dass beim True Sale ein vollständiger Verkauf des

Forderungsportfolios eines Originators vorgesehen ist, während bei der synthetischen

Securitization lediglich durch schuldrechtliche Vereinbarungen das Ausfallsrisiko des

Forderungsportfolios vom Originator auf die Investoren überwälzt wird, ohne die Forderung

selbst abzutreten.23 Beim True Sale ist anzumerken, dass dem Wesen des vollständigen

Verkaufs des Forderungsportfolios eines Originators das Kriterium des sogenannten

Mindest- oder Risikoselbstbehalts gegenübersteht. Dieser Selbstbehalt fußt bisher auf

einzelnen, nationalen bankenaufsichtsrechtlichen Bestimmungen.24 Durch die Verordnung

(EU) 2017/2402 („Verbriefungs-VO“) wird verbindlich für alle ABS-Transaktionen in den

Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ein Risikoselbstbehalt eingeführt.25

Aus insolvenzrechtlicher Sicht ist die Abgrenzung zwischen True-Sale Securitization und

synthetischer Securitization für die insolvenzrechtliche Isolierung der Zweckgesellschaft

gegenüber dem Originator unerlässlich.26 Die insolvenzfeste Separation der

Zweckgesellschaft gegenüber dem Vermögen des Originators begründet ein

Aussonderungsrechts gemäß § 21 IO der Zweckgesellschaft hinsichtlich der gekauften

Forderungen aus der Insolvenzmasse des Originators.27

23 Zeising, BKR 2007, 311, 313. 24 Vgl etwa Weber, Die insolvenzfeste Refinanzierung von Forderungen durch Asset-Backed Securities 30, 95, 87, 183. 25 Vgl Art 1, Art 6 Verbriefungs-VO. 26 Trettnak, ÖBA 2003, 397. 27 Benes, ÖBA 2005, 73.

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2.3. Die Übertragung des Forderungsportfolios vom Originator an die

Zweckgesellschaft

Zur insolvenzfesten Absicherung der Investoren gegenüber einer allfälligen Insolvenz des

Originators werden die Forderungen aus dem Forderungsportfolio des Originators

einschließlich aller an diesen haftenden Nebenrechten an die Zweckgesellschaft übertragen.

Es stellt sich die Frage, welches schuldrechtliche Instrument die beteiligten Parteien einer

ABS-Transaktion wählen, um das Forderungsportfolio des Originators an die

Zweckgesellschaft zu übertragen. Es kommen nach allgemeinem österreichischem Zivilrecht

die Zession (§§ 1392 ff28), die Einlösung (§ 1422), die Forderungsverpfändung29 oder die

Vereinbarung einer sogenannten mittelbaren Treuhandkonstruktion30 in Frage.

Letztgenannte Variante wurde in Deutschland durch die Schaffung eines

Refinanzierungsregisters31 in den §§ 22a – 22o dKWG positivrechtlich festgeschrieben. Es ist

jedoch fraglich, ob eine solche sogenannte mittelbare Treuhandkonstruktion mit den

wesentlichen Grundsätzen des österreichischen Zivilrechts problemlos vereinbar ist bzw.

bejahendenfalls unter welchen Voraussetzungen. Im Zuge der Dissertation gilt es zunächst

die deutsche Variante des Refinanzierungsregisters zu untersuchen, um anschließend zu

erörtern welche rechtlich zulässigen Ausgestaltungsmöglichkeiten von

Treuhandkonstruktionen mit der österreichischen Rechtsordnung vereinbar sind.

2.4. Weitere Abtretungshindernisse bei Forderungsverbriefungen

Im Zentrum jeder Verbriefungstransaktion steht grundsätzlich die Abtretung von

Forderungen, die ganz allgemein gegenüber Unternehmern oder Verbrauchern bestehen

können. Daher gilt es Abtretungshindernisse, die bei Forderungsabtretungen grundsätzlich

immanent sind, auch im Lichte einer ABS-Transaktion zu untersuchen. Demnach stellen

zunächst Abtretungs- oder Aufrechnungsverbote mögliche Probleme dar.

28 Gesetzesverweise beziehen sich im Zweifel auf das ABGB. 29 Auch Forderungen können Gegenstand des Pfandrechts sein (vgl Hinteregger in Schwimann/Kodek ABGB Praxiskommentar4 § 448 Rz 17). 30 Jergitsch in Brandl/Kalss/Lucius/Oppitz/Saria, Handbuch Kapitalmarktrecht Band 2, 351 ff. 31 dBGBl. I S. 2813.

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Nachdem ABS-Transaktionen häufig die Abtretung von Verbraucherforderungen zugrunde

liegt, muss auch untersucht werden, ob und inwieweit Verbraucherschutzbestimmungen32

mögliche Herausforderungen stellen. Des Weiteren ist eine ABS-Transaktion auf ihre

datenschutzrechtliche Konformität zu überprüfen. Bei der Beurteilung von Fragen des

Datenschutzes wird insbesondere auch darauf einzugehen sein, in welchem Verhältnis das

Bankgeheimnis (§ 38 BWG) zu Bestimmungen des Datenschutzes steht.

2.4.1. Abtretungsverbote

Ein erhebliches Hindernis bei der Verbriefung von Forderung ist das Entgegenstehen

allfälliger Abtretungsverbote. Nach der ständigen Judikatur des OGH kommt

Abtretungsverboten absolute Wirkung zu.33 Diese Rechtsprechung wurde von der Lehre

teilweise abgelehnt, die lediglich von einer relativen Wirkung ausgeht.34

Das Zessionsverbot zwischen Unternehmern wurde durch das Zessionsrechts-

Änderungsgesetz (nachfolgend „ZessRÄG“)35 positivrechtlich verankert. Eine vertragliche

Vereinbarung, die eine Abtretung von Geldforderungen aus einem zweiseitigen

Unternehmergeschäft untersagt, ist zulässig (§ 1396a), entfaltet aber nur relative Wirkung.36

Ziel des ZessRÄG war es die durch die absolute Wirkung von Zessionsverboten erschwerte

Verkehrsfähigkeit von Geldforderungen zwischen Unternehmern zu erhöhen.37

2.4.2. Aufrechnungs- und Kompensationsverbote

Der Schuldnerschutz im Rahmen von Forderungsabtretungen wird nicht nur durch das

zessionsrechtliche Verschlechterungsverbot (§ 1394), sondern auch durch eine erweiterte

Aufrechnungsmöglichkeit für den Schuldner gewährleistet.38 Außerhalb des

Anwendungsbereichs von § 6 Abs 1 Z 8 KSchG kann die Aufrechnungsbefugnis von den

Vertragsparteien beschränkt oder gänzlich ausgeschlossen werden.39 Die Möglichkeit der

einzelnen Schuldner mit eigenen Forderungen gegen den Originator aufzurechnen (§ 1438),

32 Hier kommen insbesondere Vorschriften des KSchG oder des VKrG in Betracht. 33 OGH 5 Ob 12/68, SZ 54/110; OGH 5 Ob 609/81 = JBl 1984, 311. 34 Koziol, JBl 1980, 113; ders, JBl 1984, 304; aA Holzner, JBl 1998, 495. 35 BGBl I 2001/151. 36 Heidinger in Schwimann/Kodek ABGB Praxiskommentar4 § 1396a Rz 7; Welser/Zöchling-Jud, Bürgerliches Recht II14 Rz 582; Zehetner, Zessionsrecht 75 f. 37 ErläutRV 861 BlgNR 22. GP 1. 38 Zehetner, Zessionsrecht 13. 39 Heidinger in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 1440 Rz 23.

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stellt ein nicht unerhebliches finanzielles Risiko im Forderungsportfolio des Originators dar,

welches durch den Kauf der von der Zweckgesellschaft emittierten Anleihen auf die

Investoren überwälzt wird. Daher gilt es zu untersuchen, ob und wie sich

Aufrechnungsverbote auf ABS-Transaktionen auswirken.

2.4.3. Bankgeheimnis

Kreditinstitute, ihre Gesellschafter, Organmitglieder, Beschäftigte sowie sonst für

Kreditinstitute tätige Personen dürfen Geheimnisse, die ihnen ausschließlich auf Grund der

Geschäftsverbindungen mit Kunden oder auf Grund des § 75 Abs. 3 BWG anvertraut oder

zugänglich gemacht worden sind, nicht offenbaren oder verwerten (Bankegeheimnis).

Insbesondere bei der Abtretung von Kundenforderungen von Kreditinstituten gegenüber

ihren Bankkunden ist die Zulässigkeit der Forderungsabtretung im Lichte des

Bankgeheimnisses zu überprüfen, da mit dieser stets auch die Weitergabe von Kundendaten

verbunden ist. Des Weiteren ist in dieser Hinsicht auch auf das Verhältnis von

Bankgeheimnis und Datenschutz einzugehen.

2.4.4. Datenschutz

Sowohl bei der Verbriefung von Forderungen gegenüber Verbrauchern als auch bei der

Verbriefung von Forderungen gegenüber Unternehmern ist die Weitergabe von

Kundeninformationen40 und somit personenbezogenen Daten an diverse Beteiligte der ABS-

Transaktion unumgänglich. Auch wenn diese Informationen idR in verschlüsselter Form

weitergegeben werden41, müssen Form, Art und Modalitäten der Datenweitergabe auf ihre

Konformität mit der Verordnung (EU) 2016/679 („Datenschutz-Grundverordnung“,

nachfolgend „DS-GVO“)42 dem DSG43 untersucht werden.

2.4.5. Verbraucherschutzbestimmungen

40 Bär, Asset Securitisation (1997) 342, 344. 41 Ders, 346; Benes, ÖBA 2005, 73. 42 VERORDNUNG (EU) 2016/679 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung). 43 Bundesgesetz zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten (Datenschutzgesetz – DSG), BGBl. I Nr. 165/1999.

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Sieht eine ABS-Transaktion die Abtretung von Forderungen gegenüber Verbrauchern vor, gilt

es zu untersuchen, ob hier Verbraucherschutzbestimmungen ein mögliches Hindernis

darstellen. Es kommen insbesondere die Bestimmungen des KSchG, FAGG, VKrG und HIKrG

in Betracht.

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3. Methoden

Die methodische Herangehensweise meiner Dissertation fußt auf den Grundsätzen der

guten wissenschaftlichen Praxis und orientiert sich primär am Gesetzestext. Auf dieser

Grundlage dienen insbesondere die juristischen Interpretationsmethoden, die Judikatur- und

Textanalyse sowie die Literaturrecherche als Werkzeuge zur umfassenden und detaillierten

Erarbeitung des Dissertationsthemas.

Nachdem sich die Forschungsfragen der Dissertation im Kern um zivilrechtliche

Fragestellungen drehen, ist primärer Anknüpfungspunkt der Erörterung das ABGB und

dessen Nebengesetze. Wirken die Ergebnisse der Prüfung zivilrechtlicher Problemkreise ins

Insolvenzrecht fort, wird auch punktuell auf Fragen zur IO eingegangen. Bis zur Fertigstellung

der Dissertation werden für die Forschungsfragen relevante Judikatur zu den einschlägigen

Rechtsquellen sowie während der Forschungsarbeiten publizierte Zeitschriftenbeiträge und

Monographien eingearbeitet.

Auf tatsächlicher Ebene soll auf Grundlage von Daten und Statistiken der OeNB sowie durch

Umfragen in der Praxis bei Banken, Rechtsanwaltskanzleien und Unternehmensberatungen

herausgearbeitet werden, welche praktische Bedeutung ABS-Transaktionen in Österreich

haben. Anschließend wird unter Rückgriff auf gleichartigen Daten auf europäischer Ebene

die Situation in Österreich und Europa vergleichend gegenüber gestellt.

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4. Vorläufige Gliederung

1. Einleitung

1.1. Vorstellung des Dissertationsthemas

1.2. Zielsetzung und Ausblick

2. Grundlagen von Asset-Backed Securities

2.1. Entstehungsgeschichte

2.1.1. Historische Ursprünge in den USA

2.1.2. Anfänge von ABS-Transaktionen in Europa

2.1.3. Die Finanzkrise und ihre Auswirkungen

2.1.4. Heutige Situation

2.2. Struktur

2.3. Beteiligte Parteien

2.3.1. Originator

2.3.2. Zweckgesellschaft

2.3.3. Investoren

2.3.4. Treuhänder

2.3.5. Arranger/Servicer

2.3.6. Ratingagenturen

2.3.7. Sicherheitenbesteller

2.4. Intentionen und Vorteile

2.5. Abgrenzung zu anderen Finanzierungsformen

2.5.1. Factoring

2.5.2. Pfandbriefe

2.5.3. Schuldverschreibungen

2.5.4. Derivate

3. Rechtliche Beurteilung von Asset-Backed Securities

3.1. Begriffsbestimmung

3.1.1. Unionsrechtliche Grundlagen

3.1.1.1. Grundsätzliches

3.1.1.2. Auswirkungen der Verbriefungs-VO

3.1.2. Nationale Definitionsversuche

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3.1.2.1. Österreich

3.1.2.2. Deutschland

3.1.3. Auswirkungen und Verhältnis unterschiedlicher Begriffe

3.1.3.1. Definitionsvergleich

3.1.3.2. Regelungsziele und -wirkungen

3.1.4. Zusammenfassung

3.2. Die zivil- und insolvenzrechtliche Bedeutung des True-Sale-Erfordernisses

3.2.1. Überblick

3.2.1.1. True-Sale Securitization

3.2.1.2. Synthetische Securitization

3.2.2. Finanzierungstheoretischer Hintergrund

3.3. Die Übertragung des Forderungsportfolios vom Originator auf die Zweckgesellschaft

3.3.1. Formen der Übertragung

3.3.1.1. Zession

3.3.1.2. Einlösung

3.3.1.3. Forderungsverpfändung

3.3.1.4. Mittelbare Treuhand

3.3.2. Rechtliches Schicksal von Nebenrechten und Sicherheiten

3.3.2.1. Überblick und Darstellung des Problems

3.3.2.2. Untersuchung der Publizitätsanforderungen

3.3.3. Rechtlich zulässige Ausgestaltungsmöglichkeiten von Treuhandkonstruktionen

3.4. Weitere Abtretungshindernisse

3.4.1. Abtretungsverbote

3.4.2. Aufrechnungs- und Kompensationsverbote

3.4.3. Bankgeheimnis

3.4.4. Datenschutz

3.4.5. Verbraucherrecht

4. Zusammenfassung der Ergebnisse

5. Literaturverzeichnis

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5. Vorläufiger Zeitplan

WS 2018/2019 Vorlesung Juristische Methodenlehre

Seminar aus Zivilrecht zur fakultätsöffentlichen Präsentation des

Dissertations-vorhabens

Einreichung des Exposés und des Antrags auf Genehmigung des Dissertationsvorhabens

SS 2019 Erarbeiten der Dissertation

Recherche

Seminar aus Zivilrecht

WS 2019/2020 Erarbeiten der Dissertation

Recherche

Seminar aus Zivilrecht

SS 2020 Erarbeiten der Dissertation

Recherche

Seminar aus Zivilrecht

WS 2020/2021 Abgabe der Dissertation

Öffentliche Defensio

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6. Vorläufiges Literatur- und Quellenverzeichnis

1. Achleitner, Handbuch Investmentbanking2 (2000).

2. Apathy/Iro/Koziol (Hrsg), Österreichisches Bankvertragsrecht Band I2 (2006).

3. Bär, Asset Securitisation (1997).

4. Bertl, Verbriefung von Forderungen: Entstehungsgeschichte und heutige Struktur von

Asset Backed Securities (2004).

5. Brandl/Kalss/Lucius/Oppitz/Saria, Handbuch Kapitalmarktrecht Band 2 (2006).

6. Dellinger, Bankwesengesetz – Kommentar, 8. Lieferung 2016.

7. Hahn, Die Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen nach dem VAG unter

besonderer Berücksichtigung von Asset-Backed-Securities (2005).

8. Hornich, Zivil-, bilanz- und steuerrechtliche Aspekte von Asset-backed Securities-

Transaktionen in Österreich: unter Berücksichtigung der regulatorischen

Rahmenbedingungen (2008).

9. Kletečka/Schauer (Hrsg), ABGB-ON – Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen

Gesetzbuch1.

10. Kolb, Lessons from the Financial Crisis (2010).

11. Laurer/Borns/Strobl/M. Schütz/O. Schütz, Kommentar zum Bankwesengesetz3 (2008).

12. Nicke, Die Bilanz im Unternehmen (2018).

13. Riegler, Asset Backed Securities – Instrument zur Kreditrisikosteuerung in

österreichischen Regionalbanken? (2004).

14. Schwimann/Kodek (Hrsg), Praxiskommentar zum allgemeinen bürgerlichen

Gesetzbuch4.

15. Weber, Die insolvenzfeste Refinanzierung von Forderungen durch Asset-Backed-

Securities (2011)

16. Zehetner, Zessionsrecht (2007).

17. Benes, True-Sale Securitisation in Österreich, ÖBA 2005, 73.

18. Holzner, Weiterhin: Drittwirksamkeit vertraglicher „Abtretungsverbote“, JBl 1998,

495.

19. Trettnak, Forderungsverbriefungen nach US-amerikanischem und österreichischem

Recht, ÖBA 2003, 397.

20. Wilhelm, Das vertragliche Abtretungsverbot, JBl 1980, 113.

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21. Ders, Das Abtretungsverbot in der Entscheidung des verstärkten Senats, JBl 1984,

304.

7. Vorläufiges Judikaturverzeichnis

1. OGH 7.2.1968, 5 Ob 12/68;

2. OGH 16.1.1984, 5 Ob 609/81.

8. Vorläufiges Abkürzungsverzeichnis

ABGB Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch

ABS Asset-Backed Securitization; Asset-Backed Securities

Art Artikel

BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht

BWG Bankwesengesetz

CRR Capital Requirements Regulation (Kapitaladäquanzverordnung)

dBGBl Deutsches Bundesgesetzblatt

dKWG Deutsches Kreditwesengesetz

DSG Datenschutzgesetz

EUR Euro (€)

EZB Europäische Zentralbank

FAGG Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz

FMA Finanzmarktaufsicht

HIKrG Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz

IO Insolvenzordnung

KSchG Konsumentenschutzgesetz

MBS Mortgage Backed Securities

OeNB Österreichische Nationalbank

OGH Oberster Gerichtshof

SPC Special Purpose Company

SPE Special Purpose Entity

SPV Special Purpose Vehicle

VKrG Verbraucherkreditgesetz

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ZessRÄG Zessionsrechts-Änderungsgesetz