I Abschlußbericht Projekt „Informationssystem Dermatologie“ Gefördert durch Mittel des DFN Vereins Gunther Eysenbach, Thomas L. Diepgen Universitätsklinik Heidelberg, Abt. für Klinische Sozialmedizin Vormals: Dermatologische Uniklinik Erlangen, Abt. Medizinische Informatik, Epidemiologie und Public Health
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I
Abschlußbericht
Projekt „Informationssystem Dermatologie“
Gefördert durch Mittel des DFN Vereins
Gunther Eysenbach, Thomas L. Diepgen
Universitätsklinik Heidelberg,
Abt. für Klinische Sozialmedizin
Vormals:
Dermatologische Uniklinik Erlangen,
Abt. Medizinische Informatik, Epidemiologie und Public Health
Inhalt
II
Projektleitung: Prof. Dr. med. Diepgen
Universitätsklinik Heidelberg
Abt. Klinische Sozialmedizin
Bergheimer Str. 58
69115 Heidelberg
Projektnummer TK 598-VA/I3
Laufzeit 10/96 – 12/98
Beantragte Mittel DM 493.400
Inhalt
III
Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG: HINTERGRUND UND PROJEKTZIELE .................................................................... 5
10.1.2 Radio ............................................................................................................................................. 71
10.1.3 TV .................................................................................................................................................. 71
10.2 QUALITY OF INTERNET INFORMATION / MEDPICS .............................................................................. 71
Auch Nicht-Dermatologen werden in der Praxis häufig mit Hauterscheinungen konfrontiert,
über deren Signifikanz nicht selten Unklarheit herrscht. Diagnosestellung und
Differentialdiagnose basieren auf der Kenntnis des klinischen Erscheinungsbildes einer
Krankheit, welches gerade bei Dermatosen ein viel breiteres Spektrum aufweist, als vom
Bildmaterial traditioneller Lehrbücher abgedeckt werden könnte - denn diese beinhalten stets
nur eine kleine Anzahl an Abbildungen von häufigen Krankheiten. Referenzbilder von
selteneren Krankheitsbildern sind hingegen sehr viel schwieriger zu bekommen.
1.2 DFN-Projekt
Die Geschichte des Dermatologie Online Atlas (DOIA) reicht zurück bis 1994, den frühen
Tagen des World Wide Web (WWW). Mit dem Ziel, das Potential des WWW für die
computer-basierte Wissensvermittlung zu nutzen, wurde eine web-basierte Datenbank
entwickelt1.
Von 1997 bis 1998 wurde DOIA an der Dermatologischen Universitätsklinik Erlangen im
Rahmen eines vom DFN Verein geförderten Forschungsprojekts zu einem umfassenden
Dermatologischen Informationssystem (DermIS) ausgebaut, deren Kernpunkt weiterhin die
Bilddatenbank darstellt, die aber um einige Komponenten erweitert wurde, und nun etwa auch
Links zu Patienteninformationen und anderen Informationsquellen sowie Datenbanken im
Internet besitzt. Des weiteren wurden während der Projektförderzeit um die Datenbank
"herum" auch umfangreiche Patienteninformationen aufgebaut, unter anderem ein
umfangreiches Informationssystem zur Neurodermitis (NeurodermIS).
Alle Informationen sowie die Bilddatenbank sind kostenlos über das World Wide Web
(WWW) abrufbar.
Die Projektförderung durch den DFN-Verein endete 12/1998. Da das Projekt auch über die
Projektlaufzeit hinaus von der Universität Heidelberg, Abteilung Klinische Sozialmedizin
(Ärztlicher Direktor: Prof. T.L. Diepgen), aus weitergeführt werden soll, wird die ehemalige
1 Bittorf A, Krejci-Papa NC, Diepgen TL (1995). Development of a dermatological image atlas with worldwide access for thecontinuing education of physicians, J Telemed Telecare 1: 45-53
Projektbeteiligte
6
Internet-Adresse der Uni Erlangen (http://www.derma.med.uni-erlangen.de/), unter der das
Informationssystem Dermatologie zu finden war, schrittweise durch die Adresse
http://dermis.net ersetzt. Die Kooperation mit der Dermatologischen Universitätsklinik
Erlangen bleibt bestehen und wird weiter ausgebaut.
1.3 Projektziele
Ein wesentliches Ziel des Projekts war es, ein qualitativ hochwertiges, international gepflegtes
• Bit resolution (Pixel depth) (Anzahl der (Farb-)Informationsbits pro Pixel). Diese
bestimmt, wieviel Farbinformation pro Pixel zur Verfügung steht. Dermatologische Bilder
benötigen mindestens 24 Bit (16 Millionen Farben)
Eine Auflösung von 768 x 512 x 24 würde in Dateien resultieren, die 1,13 MB groß sind.
Diese sind für das WWW zu groß, und müssen daher mit einem verlustbehafteten
Kompressionsalgorithmus komprimiert werden. Weitere Untersuchungen haben gezeigt, daß
die Bilder bis zu einem Faktor von 37 verkleinert werden können (31 kB).
3.2 Akquirierung und Bearbeitung der Bilder
Die Bilder wurden aus dem Diaarchiv der Dermatologischen Uniklinik ausgewählt und von
einem kommerziellen Photoservice digitalisiert. Die Dateien lagen dann im Kodak Photo-CD
(pcd) Format vor.
Darüber hinaus wurden auch Bilder von aktuellen Patienten mit einer High-End digitalen
Kamera aufgenommen (Fuji DS-505A). Die digitale Kamera wurde als sehr brauchbar
beurteilt. Der Klinikfotograph hat interessante Fälle parallel mit einer herkömmlichen Kamera
und mit der digitalen Kamera (mit verschiedenen Auflösungen) aufgenommen. Dadurch sollte
Erfahrungen mit der Kamera gesammelt werden. Die Qualität der Bilder wurde von Ärzten im
3 Bittorf, A., Fartasch, M., Schuler, G., Diepgen TL (1997): Resolution Requirements for Digital Images in Dermatology. JAm Acad Dermatol 37: 195-8
Technische Realisierung der Website und Datenbank
19
mit den herkömmlichen Bildern verglichen, wobei kein Unterschied festgestellt werden
konnte.
Als nächster Schritt wurden die Bilder digital nachbearbeitet, das heißt gegebenenfalls
Ausschnitte herausvergrößert, Ränder weggeschnitten und Patienten anonymisiert (durch
Schwärzungen der Augen u.ä.).
Mittels eines Delphi-Skripts wurden dann aus den hochaufgelösten Bildern JPEG-
komprimierte Bilder und Thumbnail-Bilder angefertigt und die Bilder in die Datenbank
aufgenommen. In die entsprechenden Datensätze wurden zu den neuen Bildern jeweils
manuell die bekannten Patientendaten (Alter, Geschlecht) aufgenommen. Der letzte Schritt
bestand in der Zuordnung der Beschreibungsschlüssel zu den Bildern, mit denen die
dargestellten Lokalisationen und morphologischen Eigenschaften der dargestellten Läsionen
beschrieben wurden.
3.3 Technische Realisierung der Website und Datenbank
Alle Daten wurden in einer Access-Datenbank verwaltet und mit in Delphi erstellten
Programmen verwaltet.
Sämtliche Programme zur Pflege der Datenbank, also der Bilder und auch der verwendeten
Schlüssel sind in Delphi 2.0 realisiert4. Der Zugriff zur Datenbank läuft vollständig über die
ODBC-Schnittstelle des Systems ab. Dadurch ist ein Wechsel der unterliegenden Datenbank
problemlos, solange ein ODBC-Treiber für Windows NT existiert.
3.3.1.1 Der WWW-Server der dermatologischen Universitätsklinik Erlangen
Als Hardware wird ein Pentium 166MMX Rechner mit 64MB Ram, 1x2GB und 1x4GB
Harddisk und einem 12x CD-Rom verwendet.
4 Eysenbach G, J. Bauer, A. Sager, A. Bittorf, T.L. Diepgen (1998) An international dermatological image atlas on theWWW: Practical use for undergraduate and continuing medical education, patient education and epidemiological research.In: Cesnik B, McCray AT, Scherrer JR. Medinfo98, Proceedings of the Ninth World Congress on Medical Informatics.Amsterdam: IOS Press, 1998; pp. 788-792
Technische Realisierung der Website und Datenbank
20
Als Betriebssystem wird Windows NT mit den aktuellen Fixpacks verwendet. Der WWW-
Server ist der Internet Information Server 3.0 von Microsoft. Als Scriptsprache sind Perl und
MS-Active Server Pages installiert.
Der Server beherbergt die gesamte WWW-Präsenz der dermatologischen Universitätsklinik
Erlangen.
Der dermatologische Bildatlas ist größtenteils statisch realisiert. Für jede Diagnose, für jedes
Bild der Datenbank existiert ein Satz fertiger HTML-Seiten. Diese statischen Seiten,
insgesamt über 18.000, werden in regelmäßigen Abständen (wenn neue Bilder zur Datenbank
hinzugekommen sind) im internen Netz aus der internen Bilddatenbank mit Hilfe eines
Delphi-Programmes generiert und dann auf den WWW-Server gespielt.
Zusätzlich ist eine WWW-Datenbankabfrage realisiert, bei der zunächst eine Ergebnisseite
dynamisch erzeugt wird (Abbildung 3, S. 12). Auf dieser Ergebnisseite werden Links zu den
bereits statisch generierten HTML-Seiten ausgegeben.
Realisiert ist die Datenbankschnittstelle des WWW-Servers mit Hilfe von MS-Active Server
Pages (ASP), die über die ODBC-Schnittstelle des Systems auf einen Teildatenbestand der
Datenbank zugreift. Diese Teildatenbank wird ebenfalls in regelmäßigen Abständen aus der
Gesamtdatenbank im Intranet generiert und auf den Webserver gespielt.
Technische Realisierung der Website und Datenbank
21
Relationale Datenbank(MS Access)
statische HTML-
SeitenDigitale Bilder(pcd -> jpg)
Generierungs-Skript
(Delphi)
BildDiagnBeschrPatdat...
DiagnBeschr...
Datenbank mit Teildatenbestand(MS Access)
Intern WWW-Server
Benutzer-abfrage
dynamischeHTML-Seiten
ASP
verweist auf
Abbildung 8. Die Generierung der statischen HTML-Seiten erfolgt über ein mit Delphi
programmiertes Skript, welches aus dem Datenbankinhalt etwa wöchentlich (je nach Bedarf)
HTML-Seiten generiert. Zusätzlich ist es für den Benutzer möglich, dynamisch in einem
Teildatenbestand der Datenbank (WWW-Datenbank, externe Bilddatenbank, ohne
Patientendaten) zu suchen.
Testweise wurde auch eine Java-Implementation der Datenbankschnittstelle realisiert. Diese
wurde nicht weiterverwendet, da sie im Vergleich zur jetzigen Lösung weniger komfortabel
war (die verwendete Java-Version war noch 1.02, deren Fähigkeiten zur Benutzerinteraktion
sehr eingeschränkt waren).
3.3.1.2 Die Trennung der WWW-Datenbank und der internen Bilddatenbank
Die Trennung von interner Bilddatenbank zur Datenpflege und externen WWW-Datenbank
(Teildatenbestand) zur Datenabfrage im Internet hat folgende Gründe:
Technische Realisierung der Website und Datenbank
22
a) Die physikalische Trennung des WWW-Servers von restlichen Kliniketz: Aus datenschutz-
und sicherheitstechnischen Gründen ist es nicht möglich und gestattet, von einem Recher
des Kliniknetzes aus einen offenen WWW-Server zu betreiben oder eine direkte
Netzwerkverbindung zu einem außerhalb des Kliniknetzes befindlichen WWW-Server
herzustellen. Eine physikalische Trennung zwischen interner und externer Datenbank ist
daher grundsätzlich unumgänglich.
b) Die logische Trennung der öffentlichen Datenbank ohne personenbezogene Daten und der
internen Datenbank inklusive der persönliche Patientendaten: Da eine 100%ige
„Einbruchssicherheit“ unseres offenen WWW-Servers nicht gewährleistet sein kann, ist es
aus Datenschutzgründen nicht möglich, die interne Datenbank einfach ins WWW zu
exportieren. Es wird daher bei der Generierung der statischen HTML-Seiten des Bildatlas
auch eine externe anonymisierte Datenbank, die nur die für den Webzugriff relevanten
Daten enthält, erzeugt. Das Format dieser Datenbank ist prinzipiell vom internen
Datenbankformat unabhängig.
3.3.1.3 Die WWW-Bilddatenbank und deren Aufbau
Die im WWW befindliche Datenbank ist vom Aufbau her vollständig auf Performance
bezüglich der WWW-Datenabfrage ausgerichtet. Um dies zu realisieren wurde für die
Datenbankabfrage die Einschränkung getroffen, daß alle Abfragekriterien mit einem
logischen UND verknüpft werden.
Das bedeutet, daß eine Abfrage wie „Suche alle Bilder mit Erythemen ODER Papeln“ nicht
möglich ist. Diese muß in zwei Abfragen aufgetrennt werden. Diese Einschränkung wird
allerdings nicht als schwerwiegend angesehen, da die Datenbankschnittstelle als Ergebnis
möglichst kleine Bildmengen erzeugen soll, um die Ladezeiten für den Benutzer ertäglich zu
machen. In der Regel werden Abfragen fomuliert werden wie „Suche alle Bilder mit
Diagnose EKZEM und ERYTHEMEN mit einer Größe KLEINER ALS 5MM am ARM“.
Der für die Abfrage relevante Teil besteht aus drei in Beziehung stehenden Tabellen
(Abbildung 9).
Terminologische Arbeit
23
Abbildung 9. Die drei für die Abfrage relevanten Datenbanktabellen der WWW-Datenbank
("öffentlicher" Teildatenbestand)
Der Großteil der Suchkriterien wird in der Tabelle BildBeschr abgehandelt. Die Tabellen
sichtbar_auf und Diag dienen zur Suche nach zu einer Diagnose passenden Bildern.
Die hier nicht aufgeführten Tabelle dienen der Bereitstellung der Schlüsselbegriffe für die
Dialogboxen des Abfragefensters.
Dieselbe Datenbank (allerdings softwarebedingt im Paradox-Format) wird auch auf der CD-
Rom Version verwendet, um mit Hilfe einer programmierten Datenbankabfrage (ebenfalls in
Delphi realisiert) unter Windows 95 und Windows NT ebenfalls diese Suchfunktion lokal zur
Verfügung zu stellen.
3.4 Terminologische Arbeit
3.4.1 Problematik der Verschlüsselung
Diagnosen und Beschreibungen der Bilder wurden intern mit numerischen Schlüsseln
dargestellt. Da kein Thesaurus zur Beschreibung von dermatologischen Bildern existiert,
wurde umfangreiche terminologische Arbeit geleistet, um ein Schlüsselsystem zur
Beschreibung von dermatologischen Morphologien zu entwickelt.
Auch die zur Verfügung stehenden Thesauri und Klassifikationen für Diagnosen (ICD, MeSH
usw.) zeigten sich als Verschlüsselungsinstrument für einen dermatologischen Bildatlas als
ungeeignet, da sie nicht „fein“ genug sind und meist eher für klinische Zwecke als für
Ausbildungszwecke entwickelt wurden.
Terminologische Arbeit
24
Daher wurden die in DermIS verwendeten Diagnosen ursprünglich mit dem „Erlanger
Dermatologie Diagnoseschlüssel“ kodiert, einem proprietären Schlüsselsystem, der einem um
zwei Ziffern erweiterten ICD-Code entspricht. Dieser Schlüssel wurde während der
Projektlaufzeit, um die Einbindung von DermIS in andere WWW-basierte
Informationssysteme (d.h. etwa den automatischen Datenbankzugriff auf MEDLINE) zu
ermöglichen, von uns auf das UMLS (Unified Medical Language System) der National
Library of Medicine abgebildet. Im UMLS ist jedes medizinische Konzept mit einer
numerischen CUI (Unique Concept Identifier) kodiert. Der UMLS Metathesaurus führt eine
Vielzahl von Vokabularien, Klassifikationen und Terminologien zusammen, und ordnet den
dort verwendeten Begriffen die entsprechenden CUIs zu. Für die DermIS-Diagnosen, denen
so CUIs zugeordnet wurden, können somit jederzeit die in anderen Datenbanken verwendeten
Vorzugsbegriffe im UMLS „nachgeschlagen“ werden, z.B. für MEDLINE-Zugriff die MeSH-
Begriffe.
3.4.2 Übersicht über die verwendeten Schlüsselsysteme
Insgesamt wurden in der Datenbank folgende Schlüsselsysteme verwendet:
• ein Diagnose-Schlüssel: Der Diagnosethesaurus enthält 4639 Begriffe für 1383
dermatologische Diagnosen. Für jede Diagnose existiert mindestens ein deutscher und ein
englischer Vorzugsbegriff.
• ein Diagnose-bezogener Zusatzschlüssel, intern G-Schlüssel genannt. Dieser Schlüssel
enthält hauptsächlich Begriffe, die Diagnosen nach Stadien, Typ, Varianten oder anderen
Begriffen, die das klinische Erscheinungsbild der Erkrankung verändern, weiter
einschränken; so finden sich hier Begriffe wir "unter Behandlung", "postoperativ", "Typ 1"
und "incipiens".
• mehrere Schlüssel, um die Effloreszenzen zu beschreiben: Diese hierarchischen Schlüssel
beschreiben die Effloreszenzen und die Lokalisationen der Effloreszenzen, die auf den
Bildern zu sehen sind, mit dermatologischer Terminologie. Folgende Unterschlüssel
werden verwendet:
− Effloreszenz: C-Schlüssel, z.B. "Makula", "Papel" oder "Erythem"
− Lokalisation: Beschrieben durch den A-Schlüssel (enthält Begriffe für Körperteile,z.B. "Bein") in Verbindung mit dem B-Schlüssel (enthält zusätzlicheSchlüsselbegriffe, z.B. "Beugeseiten")
Daten mit entsprechender Vorsicht zu interpretieren. Zum einen unterliegen Daten aus
solchen Erhebungen grundsätzlich einem „self-selection bias“ (non-cooperation bias), d.h. sie
sind in Richtung der Benutzer verzerrt, die sich freiwillig die Zeit nehmen, den Fragebogen
auszufüllen. Aufgrund theoretischer Erwägungen ergeben sich vor allem folgende
Verzerrungsmöglichkeiten:
� Benutzerzufriedenheit: Umfragen dieser Art sind grundsätzlich in Richtung beider
extremen Enden der Benutzerzufriedenheit verzerrt, da insbesondere sehr zufriedene
oder besonders unzufriedene Benutzer den Fragebogen eher ausfüllen, als
„gleichgültige“ mäßig zufriedene Benutzer.
� Herkunft: Da der Fragebogen nur auf englisch publiziert wurde, gibt es eine
Verzerrung in Richtung englischsprachiger Benutzer. Bei der Darstellung des
fachlichen Hintergrundes der Benutzer aus nicht-englischsprachigen Ländern gibt es
möglicherweise eine Verzerrung in Richtung Health Professionals zu ungunsten der
Patienten/Konsumenten, da erstere vermutlich eher und besser Englisch verstehen als
Konsumenten.
� Benutzerhintergrund: Möglicherweise füllten tendenziell mehr
Konsumenten/Patienten als Health Professionals den Fragebogen aus, da letztere
möglicherweise unter größerem Zeitdruck stehen, wenn Sie den Bildatlas im
klinischen Kontext nutzen. Umgekehrt kann es aber auch so sein, daß
Konsumenten/Patienten mehr Angst vor Datenmißbrauch haben sowie Health
Professionales mehr an der rein medizinisch orientierten Website interessiert sind und
schon aus Kollegialität den Fragebogen eher ausfüllen.
Trotz dieser möglichen Verzerrungen lassen sich aus den Daten interessante Tendenzen
herauslesen, die natürlich noch aussagekräftiger wären, wenn Vergleichsdaten von anderen
medizinischen Servern, die einen identischen Fragebogen verwenden, vorliegen würden, was
aber mangels Verwendung standardisierter Methoden für Benutzerumfragen momentan nicht
möglich ist.
Benutzerdemographie und Benutzerevaluation
31
Abbildung 13. Usersurvey Fragebogen 7/98-2/99
Benutzerdemographie und Benutzerevaluation
32
4.2.2 Nutzerdemographie
4.2.2.1 Herkunft
Die meisten Benutzer – nämlich rund ein Drittel – kommen aus den USA (Abbildung 14, S.
32). Aus Deutschland kommen etwa 15% der Benutzer. Überraschend ist, daß Brasilien das
Land mit dem drittgrößten Benutzeranteil (5%) ist.
Abbildung 14 Benutzerherkunft laut Usersurvey (n=6441)
4.2.2.2 Verteilung der Benutzergruppen
Abbildung 15 (S. 34) zeigt die Verteilung der einzelnen Benutzergruppen (dargestellt von
unten nach oben mit zunehmendem Spezialisierungs- und Kenntnisgrad). Konsumenten und
Allgemeinmediziner/Hausärzte (general practicioners = GPs) machen den Hauptanteil der
Benutzer aus.
Allerdings ist es sinnvoll, sich die Benutzer nach Herkunftsland stratifiziert anzusehen, da
sich die Zusammensetzung je nach Herkunftsland deutlich unterscheidet (Abbildung 16, S.
35). So ist etwa der Konsumentenanteil bei Benutzern aus USA und Kanada besonders hoch,
während etwa Benutzer aus Brasilien fast ausschließlich Health Professionals sind und
Konsumenten eine untergeordnete Rolle spielen.
USA36%
Netherlands2%
Brazil5%
Canada3%
UK4%
other17%
Belgium1%
Italy2%
Germany15%
Spain3%
France3%
Switzerland2%
Denmark1%
Austria2%
Australia2%
Sweden2%
Benutzerdemographie und Benutzerevaluation
33
In Schweden, Großbritannien, Kanada und Spanien fällt der verhältnismäßig hohe Anteil von
Allgemeinärzten auf. In Deutschland gibt es einen größeren Anteil von Medizinstudenten als
in anderen Ländern. In den USA zeigt sich ein erheblicher Anteil von Pflegepersonal
(„Nurse“).
Diese interessanten Unterschiede spiegeln unterschiedliche Zugangsmöglichkeiten zum
Internet für verschiedene Benutzergruppen in den einzelnen Ländern wieder, aber auch
Unterschiede im Gesundheitssystem. Blendet man die Konsumenten aus der Betrachtung aus
und stellt nur den prozentualen Anteil der einzelnen Vertreter der Health Professionals aus
den einzelnen Ländern gegenüber (Abbildung 17, S. 35), so werden die
gesundheitssystembedingten Unterschiede noch deutlicher:
� So ist es beispielsweise in Großbritannien üblicher, daß zunächst der Hausarzt
dermatologische Patienten behandelt, wenn es sich um Bagatelldermatosen handelt,
während in Deutschland Patienten auch mit unkomplizierten Hauterkrankungen zum
Dermatologen überwiesen werden. Auch gibt es in Großbritannien weitaus weniger
Dermatologen als in Deutschland. Daraus erklärt sich das unterschiedliche Verhältnis
von Hausarzt/Spezialist in der Benutzerstatistik beider Länder.
� Auch unterscheidet sich die Rolle des Pflegepersonals in den USA deutlich von der
des in Deutschland, Frankreich oder Spanien – in den USA ist dieses qualifizierter und
wird mehr in den Entscheidungsprozeß bei der Behandlung eines Patienten einbezogen
als etwa hierzulande.
� Sichtbar werden auch die Unterschiede in der Wichtigkeit des ambulanten gegenüber
des stationären Bereiches im jeweiligen Gesundheitssystem – so greifen aus Spanien
und Großbritannien insbesondere Spezialisten aus Krankenhäusern auf DermIS zu,
während in Deutschland, Frankreich, USA und Brasilien niedergelassene Spezialisten
die Mehrheit stellen.
Diese gesundheitssystemimmanenten Unterschiede erklären die unterschiedliche Motivation
der einzelnen Benutzergruppen, im Internet nach Hautkrankheiten zu recherchieren.
Benutzerdemographie und Benutzerevaluation
34
Abbildung 15: Verteilung der Benutzergruppen (n=6379)
32%
4%6%
11%
10%
14%
4%
11%
8%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
Hospital Specialist
Specialist in privatepracticeSenior Physic ian -ConsultantPrimary Care Physician- GPIntern/Resident - TraineeDoctorMedical Student
Nurse
Non-medical scientist
Consumer/Patient
Benutzerdemographie und Benutzerevaluation
35
Abbildung 16: Verteilung der Benutzergruppen, aufgeschlüsselt nach Ländern
Abbildung 17: Verteilung der Benutzergruppen (nur Health Professionals ohne
Konsumenten), aufgeschlüsselt nach Ländern
0%10%20%30%40%50%60%70%80%90%
100%
Canad
a (n=
211)
USA (n=23
28)
UK (n=24
4)
German
y (n=
977)
Sweden
(n=1
49)
France
(n=16
7)
Spain
(n=19
6)
Brazil (
n=33
3)
Hospital Specialis t
Specialist in privatepracticeSenior Physician -ConsultantPrimary Care Physician- GPIntern/Resident - TraineeDoctorMedical Student
Nurse
Non-medical scientis t
Consumer/Patient
0%10%20%30%40%50%60%70%80%90%
100%
Canad
a (n=
96)
USA (n=1
136)
UK (n=1
28)
German
y (n=
584)
Sweden
(n=1
26)
France
(n=1
50)
Spain
(n=17
4)
Brazil (
n=30
9)
Hospital Specialist
Specialist in privatepracticeSenior Physician -ConsultantPrimary Care Physician- GPIntern/Resident -Trainee DoctorMedical Student
Nurse
(not shown)
(not shown)
Benutzerdemographie und Benutzerevaluation
36
Abbildung 18: User-Survey - Angabe der Fachrichtung der befragten Ärzten einschließlich
Interns/Residents [=ÄiP, Assistenzärzte] (n=2992)
4.2.3 Nutzermotivation und Bedürfnisse
Nur etwa 14% der Benutzer landeten durch „zufälliges“ Browsen auf unserem Server, die
übrigen 86% suchten gezielt nach bestimmten Informationen auf DermIS. Bei der Frage, was
für Informationen die Benutzer auf DermIS erwarteten und wünschten vorzufinden, muß man
zwischen Konsumenten und Health Professionals unterscheiden (Abbildung 19, S. 37):
� Konsumenten suchen zu fast 60% nach Patienteninformationen, und erwarten zu
nahezu 30% jemanden vorzufinden, der ihre Fragen per email beantwortet
� Während 48% der Konsumenten nach Bildern sucht, sind es bei den Professionals
77%
� Rund 42% der Professionals sucht darüberhinaus auch nach Textinformationen
� Nach Kontaktadressen suchen etwa 10% der Nutzer
26%
24%
8%
7%
3%
1%
25%
2%
2%2%
General Practice /Family Medicine
Dermatology
Pediatrics
Internal Medicine
Emergency Medicine -Critical Care
Occupational Medicine
Obstetrics andGynecology
Surgery
Benutzerdemographie und Benutzerevaluation
37
Abbildung 19. Antworten auf die Frage „When you came to this server, what were you
looking for?“ (Mehrfachantworten möglich)
4.2.4 Nutzerzufriedenheit
Insgesamt haben 91% der Benutzer angegeben, die Website „exzellent“ (57%) oder „above
average“ (34%) zu beurteilen (Abbildung 20, S. 38). Dagegen beurteilen weniger als 2% die
Website als schlecht oder sehr schlecht.
0% 20% 40% 60% 80% 100%
nothing specific - I was just browsing
dermatological images
textual information for medicalprofessionals
patient information
contact addresses
someone who could help meanswering questions via Email
professionals patients all
Benutzerdemographie und Benutzerevaluation
38
Abbildung 20. Nutzerzufriedenheit, bezogen auf alle Benutzer, die angaben, genug von
DermIS gesehen zu haben, um die Website beurteilen zu können (n=2867).
Schlüsselt man die Benutzerzufriedenheit nach Benutzergruppen auf (Abbildung 21), so zeigt
sich, daß die Bewertung „exzellent“ offenbar umso öfter vergeben wird, desto höher der
Benutzer „spezialisiert“ ist: Konsumenten vergeben diese Bewertung „nur“ zu etwa 45%,
während in der Klinik tätige Spezialisten zu 68% das Prädikat „exzellent“ vergeben. Die
tatsache, daß Patienten und auch Medizinstudenten das System geringfügig „schlechter“
bewerten als andere Nutzergruppen, liegt in den Bedürfnissen dieser Nutzer nach textueller
Information und auch Ratschlägen per Email (Abbildung 19, S. 37), die nicht oder nur zum
Teil angeboten werden konnte.
excellent57%
above average34%
average7%
very poor1%
poor1%
Benutzerdemographie und Benutzerevaluation
39
45% 51% 54% 54% 58%66% 64% 66% 68%
40%42% 41% 34% 33%
30% 31% 28% 28%
12%7% 4%
7% 8%4% 2% 3% 3%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
cons
umer
(n=7
40)
scie
ntis
ts (n
=137
)
nurs
e (n
=138
)
med
stu
dent
s (n
=330
)
resi
dent
s (n
=294
)
GP
(n=4
30)
cons
ulta
nts
(n=1
34)
priv
ate
prac
tice
spec
ialis
ts (n
=371
)
hosp
ital s
peci
alis
t (n=
286)
very poorpooraverageabove averageexcellent
Abbildung 21. Benutzerzufriedenheit, aufgeschlüsselt nach Nutzergruppen
Vorbemerkung und Methode
40
5 Einsatz für die Lehre
5.1 Vorbemerkung und Methode
Eine wesentliches Ziel des Informationssystems Dermatologie war von Anfang an, ein
Referenzwerk auch für Ausbildungszwecke zu schaffen. Daher sollte es – insbesondere der
Online Atlas – auch in der Medizinstudentenausbildung eingesetzt und dessen Nutzen
evaluiert werden.
Um neue Medien in der Lehre und Ausbildung sinnvoll einsetzen zu können, müssen auf
Anwenderseite (d.h. auf der Seite der Studenten) zunächst bestimmte Voraussetzungen erfüllt
sein: So muß das Medium von den Studenten akzeptiert werden und es sollte ein gewisses
Grundverständnis für die verwendete Technologie vorhanden sein (den Studenten darf nicht
erst erklärt werden müssen, wie man eine Maus bedient usw.). Idealerweise, um ein
Eigenstudium zu ermöglichen und zu fördern, sollte das Medium einfach zugänglich sein, das
heißt, dem Studenten sollte ein entsprechendes Equippment auch zu Hause zur Verfügung
stehen.
DermIS wurde im Rahmen des Projekts im Studentenkurs für das Fach Dermatologie (10.
Semester Medizinstudium) eingesetzt. Um die Akzeptanz der Studenten für das
Informationssystem zu evaluieren und auch um die Hardware- und Softwarevoraussetzungen
sowie den allgemeinen Kenntnisstand (die „computer literacy“) von Medizinstudenten zu
ermitteln und zu erheben, wurde zunächst im Rahmen des Kurses eine Erhebung mittels
Fragebogen durchgeführt.
Ergebnisse: „Computer literacy“ unter Medizinstudenten
41
5.2 Ergebnisse: „Computer literacy“ unter Medizinstudenten
In der Erhebung von 1997 wurden insgesamt 58 Studenten befragt, die Ergebnisse wurden
einer Studie von 1993 gegenübergestellt, die denselben Fragebogen verwendete (n=90)6.
Insgesamt hat sich das Wissen, das Interesse und die Systemvoraussetzungen auf Seiten der
Medizinstudenten in den letzten Jahren erheblich verbessert.
Tabelle 1. Befragung unter Medizinstudenten 1993 vs. 1997: Kennen Sie den Begriff...?
email Online Modem
1993 1997 1993 1997 1993 1997
Männliche Doktoranden 37% 93% 61% 93% 52% 93%
Männlich / k. Doktoranden 8% 100% 25% 100% 25% 100%
Weiblich / Doktoranden 7% 100% 43% 92% 14% 85%
Weiblich / k. Doktoranden 0% 100% 25% 71% 0% 43%
Tabelle 2. Zugang von Medizinstudenten zum WWW, 1998 (n=67)
Haben Sie Zugriff zum WWW?
-nein 39,70%
-ja 51,50%
Von wo haben Sie Zugriff auf das Internet?
- in Uni (CIP-Pool) 30,90%
- von zu Hause 32,40%
Haben (und nutzen) Sie eine eigene Email-Adresse?
Ja 32,40%
6 Eysenbach, G: Computereinsatz und Computerkenntnisse unter Medizinstudenten. Informatik, Biometrie undEpidemiologie in Medizin und Biologie 1995; 26 (1): 56-66
Ergebnisse: Evaluation der Lehre
42
Abbildung 22. Interesse an Telekommunikation unter Medizinstudenten – 1993 vs 1997
5.3 Ergebnisse: Evaluation der Lehre
Im Rahmen des Studentenkurses Dermatologie wurde den Studierenden eine Einführung in
DermIS gegeben und sie wurden zur Nutzung des Bildatlas und der verlinkten
Informationsresourcen im Eigenstudium ermuntert. Im Evaluationsfragebogen (n=67) wurden
sie aufgefordert, dem Dermatologie Atlas, der Vorlesung, den online-multiple choice Fragen
(MCQ) und den online-case reports (dermatologische Fallberichte) Schulnoten zu geben.
Dabei schnitt der Online Atlas mit einem „Notendurchschnitt“ von 1,8 am besten ab, und die
Online Case reports sowie der MC-Quiz mit jeweils 2,5 immer noch besser als die Vorlesung
(Notendurchschnitt 2,7).
Very much interested in telecommunication
0%
50%
100%
1993 1997
male/Drmale/nDrfemale/Drfemale/nDr
Ergebnisse: Evaluation der Lehre
43
Abbildung 23. Benotung der DermIS Lehrkomponenten
Vorlesung Case reports DOIA MC-Quiz
Not
e
3
1
2
4
5
6
2,72,5
1,8
2,5
0
5
10
15
20
25
30
1 2 3 4 5 6
Note
Anz
ahl S
tude
nten
MCQ-QuizDOIACase reportsVorlesung
Patientenanfragen
44
6 „Telekonsil“ Erfahrungen
6.1 Telekonsil von Ärzten
Die Möglichkeit für Ärzte, ein Telekonsil via Email anzufordern bzw. das Videokonferenz-
Angebot für Ärzte wurde im November 1997 auf einem Stand der MEDICA Medienstraße
bekanntgegeben. Daraufhin erschien auch eine entsprechender Beitrag in der ÄRZTE
ZEITUNG vom 12./13.12.97. Außerdem wurde das Angebot auf den DermIS-Webseiten
angekündigt.
Bedauerlicherweise führte dieses Angebot zu Besorgnis bei dermatologischen Fachvertretern.
So erhielten wir ein Schreiben des Präsidenten der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft,
in der dieses Angebot wie folgt kommentiert wurde:
Aus der Sicht der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft stellt sich dieses Angebot
als sehr problematisch dar, da ein Informationstransfer an Allgemeinmediziner und
Nichtdermatologen stattfindet, der sich als Bumerang erweisen könnte. Zumindest
dürfte in Deutschland die dermatologische Versorgung so flächendeckend sein, daß
ich mir nicht vorstellen kann, daß es (Fälle) gibt, bei denen kein Dermatologe
unmittelbar zur Verfügung steht.
Es ist interessant und erschreckend zugleich, daß hier genau das, was wir erreichen wollen -
nämlich ein "Informationstransfer" vom Spezialisten zum Nicht-Spezialisten als
Weiterbildungsangebot - als bedrohlich empfunden wird.
Diese Erfahrungen zeigen erneut, daß die telemedizinische Ansätze letzlich nicht an
technischen Barrieren scheitern, sondern primär mit standespolitischen Interessen kollidieren.
Die telemedizinischen Möglichkeiten werden von ärztlichen Standesvertretern nicht zuletzt
auch deshalb als Bedrohung gesehen, da nicht nur geographische Grenzen überwunden,
sondern auch vermeintlich Fachgebietsgrenzen verletzt werden können.
6.2 Patientenanfragen
Obwohl wir auf der DermIS Website die Beratung von Patienten ausdrücklich ausgeschlossen
wurde, hat das umfangreiche Angebot auf der Website auch viele Patienten „angelockt“, die
Patientenanfragen
45
offensichtlich auch eine große Nachfrage zu kompetenten Ansprechpartnern haben, die ihnen
Fragen beantworten können (siehe Abschnitt 4.2.3, S. 36). So haben wir über die gesamte
Projektlaufzeit eine erhebliche Anzahl von Patienten-Emails bekommen. Dieses Phänomen
hat uns zu einigen „Spin-Off-Studien“ veranlasst. Diese Studien haben in den
Publikumsmedien weltweite Beachtung gefunden und wurden Gegenstand zahlreicher Presse-
und Rundfunkberichte7.
6.2.1 Analyse der Patientenanfragen
In einer dieser Studien haben wir zunächst die Bedürfnisse der Patienten evaluiert, indem wir
209 Patientenemails analysiert haben8. Dabei zeigte sich, daß ein großes
Informationsbedürfnis insbesondere bei chronisch kranken Patienten besteht. Außerdem sind
diese oftmals von den bisherigen Behandlungsergebnissen enttäuscht und versuchen daher auf
dem Internet Hilfe zu finden. In der Publikation werden auch prinzipielle Probleme und
Rahmenbedingungen für diese Art von Telemedizin diskutiert.
6.2.2 Wie reagieren andere medizinische Informationsprovider auf diese Anfragen?
In einer weiteren Studie9 haben wir uns dafür interessiert, wie andere medizinische
Informationsanbieter auf unverlangt eingesandte Patientenanfragen reagieren. Dazu haben wir
ein Experiment durchgeführt, in dem wir in einer Email als vorgeblicher "Patient" die
Symptome eines akuten medizinischen Problems (Herpes Zoster) beschrieben und diese diese
an 58 Informationsanbieter im WWW (meist Ärzte an Unikliniken) verschickten. Die
Antworten wurden daraufhin analysiert, ob und wie bereitwillig, ausführlich und korrekt diese
medizinische Fragen beantwort werden, sowie ob eine "Ferndiagnose" per Email möglich ist.
Außerdem verschickten wir einen Fragebogen einige Wochen später an dieselben
Informationsanbieter, um verschiedene Aspekte des Problems aus Sicht des
Informationsanbieters zu erfragen, z.B. Anzahl der eingehenden Emails, die generellen
institutsinternen Richtlininen usw.
7 z.B. BBC (England), CBC (Canada), Antenne Bayern, Hessischer Rundfunk, RTL, Deutschlandfunk, Bild derWissenschaft, STERN, SPIEGEL, Readers Digest, Newsweek, Berliner Zeitung, Computerbild, Top Sante magazine,Vjesnik (Kroatien), MKB Nieuws (Holland) usw.
8 Eysenbach G, Diepgen TL (1999). Patients Looking for Information on the Internet and Seeking Teleadvice: Motivation,Expectations, and Misconceptions as Expressed in E-mails Sent to Physicians. Arch Dermatol;135:151-156
9 Eysenbach G, Diepgen TL (1998): Responses to unsolicited patient e-mail requests for medical advice on the World WideWeb. JAMA.;280:1333-1335.
Patientenanfragen
46
In unserem Experiment mit der vorgeblichen "Patientenanfrage" haben von 58
Informationsanbietern 29 (50%) dem "Patienten" geantwortet, 9 der Antwortenden (29%)
lehnten es ab, per Email eine Diagnose zu stellen, 18 der Antwortenden stellten eine
Verdachtsdiagnose, davon 17 die "richtige". Weitere 2 gaben zwar keine Verdachtsdiagnose
ab, aber versuchten dem "Patienten" trotzdem zu helfen.
Die Auswertung des Fragebogens ergab, daß es bei den meisten Informationsanbietern keine
internen Richtlinien hinsichtlich der Beantwortung von Patientenemails gibt. Obwohl es auch
abweichende Meinungen gibt, hält die Mehrzahl der Ärzte eine Tele-Beratung via Email für
problematisch. Patienten müssen stärker als bisher auf die Problematik von "Tele-Beratung"
hingewiesen werden. Zu erarbeitende Richtlinien für die Beantwortung von Emails könnten
Ärzten zukünftig helfen, mit der Problematik umzugehen.
6.2.3 Evaluierung von kommerziellen Cyberdocs
Da unsere Erfahrungen gezeigt haben, daß Patienten Hilfe für medizinische Probleme
zunehmend im Internet suchen, und zahlreiche kommerzielle und kostenlose "Ask-the-
Doctor" Services im Internet versuchen, dieser Nachfrage durch Anbieten von medizinischem
Rat - gegen Kredikartennummer oder umsonst – entgegenzukommen, haben wir auch die
„professionellen“ Dienste aus der Sicht eines Patienten evaluiert10. In Deutschland ist es
Ärzten laut Berufsordnung verboten, im Internet die Beantwortung medizinischer Fragen
anzubieten, ohne daß sie den Patienten kennen:
Der Arzt darf individuelle ärztliche Behandlung, insbesondere auch Beratung, weder
ausschließlich brieflich noch in Zeitungen oder Zeitschriften noch ausschließlich über
Kommunikationsmedien oder Computerkommunikationsnetze durchführen.
(Musterberufsordnung für Ärzte, B.II., §7, Abs. 3)
Aus diesem Grund konnten auch wir im Rahmen von DermIS keine individuellen
Patientenberatungen durchführen, obwohl eine erhebliche Nachfrage seitens der
Konsumenten bestand.
In den USA und anderen Ländern ist die Rechtslage teilweise etwas anders, dort gibt es
bereits eine ganze Reihe solcher „Cyberdoc“-Dienste.
Im Rahmen des DermIS-Projekts wurde versucht, in der „Links“-Sektion des Dermatologie
Online Atlas nicht nur eine Liste von Websites mit weiterführenden Informationen zu
dermatologischen Diagnosen zusammenzustellen, sondern diese auch zu bewerten. Dazu
wurde ein analoges 6-Sterne-System gewählt. Allerdings ist die Bewertung mit einem
„Stern“-System prinzipiell etwas problematisch, da dieses Evaluationsinstrument naturgemäß
nur sehr grob sein kein.
Patientenanfragen
49
Das prinzipielles Problem dieser Art von Bewertungssystemen ist, daß der Benutzer explizit
die Review-Dienste anwählen muß, und nicht automatisch eine Bewertung erhält, wenn er
zufällig oder über eine Suchmaschine auf eine medizinische Website gelangt.
Im Rahmen eines europäischen Projekts wird eine Forschungsgruppe Cybermedizin am
Institut für Klinische Sozialmedizin demnächst ein europäisches Berwertungssystem
einführen
Als weitere Entwicklung haben wir die Anwendung des sogenannten PICS-Standards
(platform for internet content selection) für medizinische Zwecke („med-PICS“)
(http://MedPICS.org) vorgeschlagen11.
11 Eysenbach G, Diepgen TL (1998): Towards quality management of medical information on the internet: evaluation,labelling, and filtering of information. BMJ;317:1496-1500
Eysenbach G, Diepgen TL (1999 – im Druck). Labeling and filtering of medical information on the Internet. Meth Inf Med
Patientenanfragen
50
Label-Bureau B
Label-Bureau A
Rating Service Medical website
Search engineUser
Label B
Label A
Label AAuthors’Labels
URL
Search
(2)
(1)
(3)
(4)
Abbildung 24. Bewertung medizinischer Websites mit dem PICS-Verfahren. Sowohl der
Autor, als auch Dritte (sog. Label-Bureaus) können ihre Informationen mit beschreibender
oder bewertender Metainformation versehen. Dazu kommen die sog. PICS-Labels zum
Einsatz. Diese werden auch in Suchmaschinen indexiert (1), die der Benutzer heranziehen
kann, um Informationen mit bestimmten Eigenschaften (z.B. „für Patienten geeignet“) zu
finden. Zusätzlich kann der Benutzerrechner so konfiguriert werden, daß bei jeder Eingabe
einer Internet-Adresse automatisch ein oder mehrere Label-Bureaus (z.B. Fachgesellschaften
oder andere Institutionen/Organisationen) befragt werden, ob etwa bewertende
Metainformationen für die entsprechende Website vorliegt. So können etwa
Verbraucherschutzorganisationen vor unseriöser oder gefährlicher Falschinformation
warnen.
Der PICS-Standard wurde ursprünglich zu Zwecken des Jugendschutzes entwickelt, und ist
ein allgemeiner technischer Standard, Interenetinformation mit Metainformation zu versehen.
Dazu werden an den Benutzer sogenannte „Labels“ verschickt, also elektronische Etiketten,
die eine Inhaltsbeschreibung oder Bewertung enthalten. Der Benutzer entscheidet selbst,
welche Qualtitätskriterien er wünscht, und kann die Informationen, die nicht seinen
Patientenanfragen
51
Qualitätskriterien genügen, automatisch von seinem Computer filtern lassen. Das besondere
an diesem Standard - und dies macht PICS auch für medizinische Anwendungen interessant -
ist die Möglichkeit der dezentralen Bewertung und die Tatsache, daß allein der Benutzer
bestimmt, welche Informationen ihn erreichen - daß also eine dezentrale Bewertung ohne
zentrale „Zensur“ stattfindet.
Auf experimenteller Basis wurde von uns ein PICS-konformes Vokabular zur „Bewertung“
von medizinischen Websites erstellt. Ein zum Betrieb eines „Label-Bureaus“ notwendige
PICS-konforme Serversoftware ist derzeit noch nicht kommerziell erhältlich.
Es wird daran gearbeitet, diesen Teilaspekt des Projekts unter dem „Action plan for Safe Use
of the Internet“ der EU oder unter dem EU FP5-Programm weiterfördern zu lassen.
NeurodermIS
52
7 PatienteninformationssystemAuf der DermIS-Website wurde unter dem Titel EPIdermis (Erlanger Patienten
Informationssystem) auch verschiedene Patienteninformationen ins Netz gestellt. Besonders
ausführlich wurde dabei das Krankheitsbild des atopischen Ekzems (Neurodermitis)
abgehandelt.
7.1 NeurodermIS
Das NeurodermIS (Neurodermitis Informationssystem) besteht aus 522 Kilobytes Text
(entspricht ca. 163 Buchseiten) und mehr als 200 Abbildungen.
Das atopische Ekzem (AE, Neurodermitis) ist eine chronische Hauterkrankung, deren
Prävalenz unter Schulkindern auf etwa 5-10% geschätzt wird12. Da bei der Therapie der AE
die richtige Haut-Basispflege durch den Patienten, das rechtzeitige Erkennen von
Komplikationen (z.B. Superinfektionen) sowie die Vermeidung von Provokationsfaktoren
und Hautirritantien seitens des Patienten eine große Rolle spielen13, ist der aufgeklärte und
aktiv an der Bewältigung seiner Krankheit mitarbeitende Patient ein wichtiger Faktor in der
erfolgreichen Behandlung und Prävention des AE14.
Traditionell werden die Inhalte der Patientenschulung über Arztgespräche, Broschüren,
Bücher und Schulungen vermittelt. Das Internet ist für diesen Zweck ein noch weitgehend
ungenutztes Medium.
Besonders interessant ist am Medium Internet die Möglichkeit, die Kommunikation nicht nur
in eine Richtung, also vom Arzt zum Patient, fließen zu lassen, sondern auch umgekehrt
Informationen von Patienten zu erhalten.
12 Diepgen-TL; Fartasch-M (1992): Recent epidemiological and genetic studies in atopic dermatitis. Acta-Derm-Venereol-Suppl-Stockh.176: 13-8.
14 Ehlers-A; Stangier-U; Gieler-U (1995): Treatment of atopic dermatitis: a comparison of psychological and dermatologicalapproaches to relapse prevention. J-Consult-Clin-Psychol. 63(4): 624-35.
Hogan-PA (1996): Atopic eczema in children: what to do when treatment fails to work. Australas-J-Dermatol. 37(3): 119-22
Der Umstand, daß DermIS auch von zahlreichen Patienten genutzt wird, und die
Möglichkeiten der bidirektionalen Kommunikation wurde für Datenakquirierung via WWW
für verschiedene medizinisch-wissenschaftliche Fragestellungen ausgenutzt, insbesondere:
• Evidenz-basierte Patientenschulung:
• Evaluation von verschiedenen Methoden und Materialien zur Patientenaufklärung
bzw. deren Inhalte
• Identifizierung von häufigen Mißverständnissen und Fehlern, die Patienten machen
• Identifizierung von Inhalten, die Konsumenten interessieren
• Akquirierung von medizinischen und epidemiologischen Daten (Daten zu Atopie-Stigmata
und Daten zur Lebensqualität von Patienten mit Hauterkrankungen)
Tabelle 3. Besucher des Neurodermitis-Informationssystems, die den Wissensquiz ausgefüllt
haben (27.2.98-12.4.99)
Antwort abs. %
Habe selbst Neurodermitis 1470 49,2%Mein Kind hat Neurodermitis 851 28,5%Jemand anderes in meiner Familie hat Neurodermitis 200 6,7%Jemand, den ich kenne, hat Neurodermitis 369 12,3%Niemand, den ich kenne, hat meines Wissens nach Neurodermitis 100 3,3%
2990 100%
7.2.1 Evaluation von Methoden der Patientenaufklärung bzw. deren Inhalte
Diese Anwendung habe wir insbesondere im NeurodermIS erprobt. Durch die direkte
Möglichkeit des Feedbacks durch den Benutzer in Form von Emails, vor allem aber in Form
von elektronischen Fragebögen, können von uns die Inhalte sowie die didaktischen Methoden
direkt evaluiert werden.
Die elektronischen Fragebögen zur Evaluierung des NeurodermIS werden dem Benutzer in
Form eines "Einstiegs-Quiz" dargeboten. Dieser Quiz dient vor allem dazu, den Benutzer zum
Durcharbeiten des NeurodermIS zu motivieren (Einstiegs-Quiz) und ihn direkt zu den
Abbildung 26. Antworten auf Fragen nach Stigmata/Symptomen im WWW-Atopiefragebogen
von normalen Personen (NP, n=349) und Neurodermitis Patienten (AE, n=343).
Abkürzungen siehe Literatur16
16 Diepgen TL, Sauerbrei W, Fartasch M: Development and validation of diagnostic scores for atopic dermatitis incorporatingcriteria of data quality and practical usefulness. J Clin Epidemiol.1996 49(9): 1031-8
Abbildung 27. Atopiescore-Verteilungskurve bei gesunden "Internet-Surfern" (Kontr) versus
Benutzern, die angeben, atopisches Ekzem zu haben (AE). Obwohl die Kontrollen in den AE-
Bereich "hineinstreuen", ist die Verteilungskurve der AE-Patienten ähnlich, wie bei einer
herkömmlich angelegten Studie, bei der der Atopiescore durch den Arzt festgestellt wurde17.
Dies zeigt die Möglichkeiten der Datenerhebung direkt vom Patienten via Internet
("Telepidemiologie").
7.2.4 Konsumenteninvolvierung für Evidenz-basierte Medizin
Evidence-based Medicine (EBM) ist der gewissenhafte, ausdrückliche und vernünftige
Gebrauch der gegenwärtig besten externen, wissenschaftlichen Evidenz für Entscheidungen in
der medizinischen Versorgung individueller Patienten (Sacket, 1997).
Nutzer und Konsumenten von Gesundheitsdienstleistungen (Patienten) spielen bei der
Bewertung wissenschaftlicher Evidenz und bei der Setzung von Forschungspriorititäten eine
wichtige Rolle. Für Input und Feedback der Endverbraucher zu dermatologischen Themen
wurde auf DermIS auch ein Fragebogen implementiert, der Fragestellungen, die aus Sicht der
Verbraucher vordringlich sind, abgefragt werden (siehe http://dermis.net/cgi-
17 Diepgen TL, Sauerbrei W, Fartasch M: Development and validation of diagnostic scores for atopic dermatitis incorporatingcriteria of data quality and practical usefulness. J Clin Epidemiol.1996 49(9): 1031-8