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Prof. Dr. Henning Radtke
Strafrecht, Allgemeiner TeilStrafrecht, Allgemeiner
TeilStrafrecht, Allgemeiner TeilStrafrecht, Allgemeiner Teil
Wintersemester 2007/08Wintersemester 2007/08Wintersemester
2007/08Wintersemester 2007/08
HausarbeitHausarbeitHausarbeitHausarbeit
LösungLösungLösungLösungsvorschlagsvorschlagsvorschlagsvorschlag
1. Tatkomplex: Im Stadtpark1. Tatkomplex: Im Stadtpark1.
Tatkomplex: Im Stadtpark1. Tatkomplex: Im Stadtpark
A. Versuchter Totschlag, §§ 212 I, 22, 23 I StGBA. Versuchter
Totschlag, §§ 212 I, 22, 23 I StGBA. Versuchter Totschlag, §§ 212
I, 22, 23 I StGBA. Versuchter Totschlag, §§ 212 I, 22, 23 I
StGB
Indem T dem B mit einem Ast gegen den Kopf schlägt, könnte er
sich eines ver-
suchten Totschlags strafbar gemacht haben.
I. VorprüfungI. VorprüfungI. VorprüfungI. Vorprüfung
Die Tat dürfte nicht vollendet sein. B ist nicht tot, folglich
wurde die Tat nicht
vollendet.
Weitere Voraussetzung ist, dass der Versuch strafbar sein muss.
Gemäß § 23 I
StGB ist der Versuch eines Verbrechens stets strafbar, der
Versuch eines Verge-
hens nur bei ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung. Verbrechen
sind gem.
§ 12 I StGB Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von
einem Jahr be-
droht sind. Beim Totschlag handelt es sich nach §§ 212 I, 12 I
StGB um ein Ver-
brechen und nach § 23 I StGB ist der Versuch eines Verbrechens
stets strafbar.
II. TatbestandII. TatbestandII. TatbestandII. Tatbestand
1. Tatentschluss1. Tatentschluss1. Tatentschluss1.
Tatentschluss
Weiterhin müsste T mit Tatentschluss gehandelt haben.
Tatentschluss ist der
Wille, gerichtet auf die Verwirklichung aller objektiven
Merkmale einschließlich
des Vorliegens etwaiger besonderer Absichten1. T kommt es nicht
auf die Tötung
seines Verfolgers an, so dass dolus directus 1. Grades
ausscheidet2. Noch konnte
er sicher davon ausgehen, dass B nicht überleben würde, dolus
directus 2. Gra-
1 Wessels/Beulke, AT Rn. 598. 2 Kindhäuser, AT, § 14 Rn. 3.
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des ist ebenfalls nicht einschlägig3. Es könnte jedoch Vorsatz
in Form des be-
dingten Vorsatzes (dolus eventualis) in Betracht kommen. Beim
Eventualvorsatz
hält der Täter es ernstlich für möglich und findet sich damit
ab, dass sein Ver-
halten zur Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes führt4.
T hat die Tö-
tung des B billigend in Kauf genommen, um sicht selbst zu
helfen. Somit hatte T
Tötungsvorsatz und Tatentschluss zur Tötung des B.
2. Unmittelbares Ansetzen2. Unmittelbares Ansetzen2.
Unmittelbares Ansetzen2. Unmittelbares Ansetzen
T müsste zur Tat auch unmittelbar angesetzt haben. Ein Täter
setzt nach der
gemischt subjektiv-objektiven Theorie dann unmittelbar zur
Tatbestandsver-
wirklichung an, wenn er die Schwelle zum „jetzt geht`s los“
überschreitet und
Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan zwar noch der
Erfüllung eines
Tatbestandsmerkmals vorgelagert sind, die aber in die
Tatbestandshandlung
unmittelbar einmünden und nach seiner Vorstellung auch bereits
eine unmittel-
bare Gefährdung des Rechtsguts eingetreten ist5. T schlägt dem B
mit dem Ast
gegen den Kopf. Damit hat T die Tathandlung bereits vollständig
ausgeführt;
demnach hat T zur Tatausführung unmittelbar angesetzt.
Der Tatbestand ist erfüllt.
III. RechtswidrigkeitIII. RechtswidrigkeitIII.
RechtswidrigkeitIII. Rechtswidrigkeit
Die Handlung des T müsste auch rechtswidrig sein. Eine Handlung
ist rechts-
widrig, wenn sie einen Unrechtstatbestand verwirklicht und nicht
durch einen
Rechtfertigungsgrund gedeckt ist6. T könnte durch Notwehr gem. §
32 StGB
gerechtfertigt sein.
Dafür ist zunächst das Vorliegen einer Notwehrlage erforderlich.
Diese ist gege-
ben, bei einem gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff. Angriff ist
jede durch
menschliches Verhalten drohende Verletzung rechtlich geschützter
Güter oder
Interessen7. B hat dem T lediglich aus Spaß einen Zeigefinger in
den Rücken
gebohrt. Somit fehlt es bereits an einem Angriff, denn eine
bloße Belästigung,
3 Kindhäuser, AT, § 14 Rn. 8. 4 Wessels/Beulke, AT, Rn. 214. 5
Kindhäuser, AT , Rn. 10 ff. 6 Wessels/Beulke, AT, Rn. 270. 7
Geilen, Jura 1981, 200 (201 ff.).
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wie sie hier vorliegt, genügt nicht für einen Angriff im Sinne
von § 32 StGB.
Mangels Angriff liegt keine Nothilfelage vor. Die Tat des T ist
nicht durch Not-
wehr gerechtfertigt und er handelte rechtswidrig.
IV. SchIV. SchIV. SchIV. Schulduldulduld
Fraglich ist, ob T schuldhaft gehandelt hat.
1. Vorliegen eines Irrtums1. Vorliegen eines Irrtums1. Vorliegen
eines Irrtums1. Vorliegen eines Irrtums
T dachte, er würde mit einer Waffe bedroht. Er könnte sich wegen
dieser Vor-
stellung in einem Erlaubnisirrtum oder
Erlaubnistatbestandsirrtum befunden
haben. Bei einem Erlaubnisirrtum zieht der Täter die rechtlichen
Grenzen eines
Rechtfertigungsgrundes zu weit oder glaubt an die Existenz eines
nicht aner-
kannten Rechtfertigungsgrundes8. Ein Erlaubnistatbestandsirrtum
liegt vor,
wenn der Täter sich über die Tatumstände auf der
Rechtfertigungsebene irrt, bei
deren Vorliegen er gerechtfertigt wäre9. Da sich T irrtümlich
vorstellt, von einem
Unbekannten mit einer Waffe bedroht zu werden, könnte es sich um
einen Er-
laubnistatbestandsirrtum, der sich auf das tatsächliche
Vorhandensein einer
Notwehrlage bezieht.
a. Notwehra. Notwehra. Notwehra. Notwehr
Aufgrund der Vorstellung des T kommt Notwehr gem. § 32 StGB in
Betracht.
aa. (Putativaa. (Putativaa. (Putativaa. (Putativ----)
Notwehrlage) Notwehrlage) Notwehrlage) Notwehrlage
Aus Sicht des T müsste eine Notwehrlage gem. § 32 II StGB
vorliegen. Diese ist
gegeben, wenn ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff vorliegt.
Angriff ist
jede durch menschliches Verhalten drohende Verletzung rechtlich
geschützter
Güter oder Interessen10. T denkt, dass er mit einer Waffe
bedroht wird. Nach
seiner Vorstellung liegt ein Angriff auf eines seiner
Rechtsgüter, die körperliche
Integrität, vor.
Weiterhin müsste der Angriff gegenwärtig sein. Dies ist er, wenn
er unmittelbar
bevorsteht, begonnen hat oder noch andauert11. T spürt einen
Gegenstand in
seinem Rücken. Nach seiner Vorstellung steht der Angriff
unmittelbar bevor. T
8 BGHSt 3, 105 (107 ); BGHSt 45, 219 (225). 9 Roxin, AT 1, § 14
Rn. 52 f. und 79; Lackner/Kühl, StGB, § 17 Rn. 9. 10 Geilen, Jura
1981, 200 (201 ff.). 11 BGH NJW 1973, 255.
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geht nicht davon aus, dass B gerechtfertigt sein könnte, so dass
nach Tätervor-
stellung ebenfalls ein rechtswidriger Angriff bevorsteht. Aus
Sicht des T liegt
eine Notwehrlage bevor.
bb. (Putativbb. (Putativbb. (Putativbb. (Putativ----)
Notwehrhandlung) Notwehrhandlung) Notwehrhandlung)
Notwehrhandlung
Der Schlag mit dem Ast müsste erforderlich und geboten sein.
Eine Notwehr-
handlung ist erforderlich, wenn sie zur Abwehr des Angriffs
geeignet und das
relativ mildeste Mittel unter mehreren gleich geeigneten ist12.
Der Schlag mit
dem Ast wäre geeignet gewesen, einen tatsächlichen Angriff des B
auf T zumin-
dest abzuschwächen. Ein milderes Mittel hätte T nicht zur
Verfügung gestan-
den, somit stellte der Schlag mit dem Ast das relativ mildeste
Mittel dar. Es sind
keine Anhaltspunkte für eine Einschränkung des Notwehrrechts
aufgrund man-
gelnder Gebotenheit aus Sicht des T ersichtlich.
cc. Subjektives Rechtfertigungselementcc. Subjektives
Rechtfertigungselementcc. Subjektives Rechtfertigungselementcc.
Subjektives Rechtfertigungselement
T handelte sogar mit Verteidigerwillen, so dass nach allen zum
subjektiven
Rechtfertigungselement vertretenen Rechtsansichten dieses
gegeben ist.
b. Zwischenergebnisb. Zwischenergebnisb. Zwischenergebnisb.
Zwischenergebnis
T irrt über Tatumstände auf Rechtfertigungsebene und nicht über
die Grenzen
oder die Existenz eines Rechtfertigungsgrundes. Demnach liegt
ein Erlaubnis-
tatbestandsirrtum vor.
2. Behandlung des Erlaubnistatbestandsirrtums2. Behandlung des
Erlaubnistatbestandsirrtums2. Behandlung des
Erlaubnistatbestandsirrtums2. Behandlung des
Erlaubnistatbestandsirrtums
Strittig ist, welche rechtlichen Folgen sich aus einem
Erlaubnistatbestandsirr-
tum ergeben.
a. Vorsatztheoriea. Vorsatztheoriea. Vorsatztheoriea.
Vorsatztheorie
Die Vorsatztheorie betrachtet das Unrechtsbewusstsein als Teil
des Vorsatzes.
Demnach entfällt gem. § 16 StGB direkt der Tatbestandsvorsatz13.
T stellte sich
Umstände vor, nach denen der Schlag gegen den Kopf des B
gerechtfertigt war;
folglich fehlte ihm das Unrechtsbewusstsein. Demnach handelte T
gem. § 16 I 1
StGB nicht vorsätzlich.
b. Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalenb. Lehre von den
negativen Tatbestandsmerkmalenb. Lehre von den negativen
Tatbestandsmerkmalenb. Lehre von den negativen
Tatbestandsmerkmalen
12 Wessels/Beulke, AT, Rn. 335. 13 Langer, GA 1976, 191
(208).
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Nach dieser Ansicht sind die Voraussetzungen der
Rechtfertigungsgründe nega-
tive Teile eines sog. Gesamtunrechtstatbestandes. Der Vorsatz
des Täters muss
sich auch auf ihr Nichtvorliegen erstrecken. Der Vorsatz des
Täters entfällt nach
§ 16 I 1 StGB14. T war der Ansicht, gerechtfertigt zu sein und
handelte nach §
16 I 1 StGB ohne Vorsatz.
c. Strenge Schuldtheoriec. Strenge Schuldtheoriec. Strenge
Schuldtheoriec. Strenge Schuldtheorie
Die strenge Schuldtheorie behandelt den
Erlaubnistatbestandsirrtum als einen
Verbotsirrtum nach § 17 StGB. Als Begründung wird angeführt,
dass die Rech-
tfertigungsgründe weder Tatbestandsmerkmale sind, noch so
behandelt werden
können15. Demzufolge entfällt nur bei Unvermeidbarkeit des
Erlaubnistatbe-
standsirrtums die Schuld. T hätte situtationsbedingt nicht von
einem Überfall
ausgehen können, denn B hatte ihn angesprochen und er hatte dies
aufgrund
seines MP3-Players nicht gehört. Der Irrtum des T war
vermeidbar; somit han-
delte er schuldhaft. Die Strafe kann jedoch nach § 17 2 StGB
gemildert werden.
d. Eingeschränkte Schuldtheoried. Eingeschränkte Schuldtheoried.
Eingeschränkte Schuldtheoried. Eingeschränkte Schuldtheorie
Die eingeschränkte Schuldtheorie lässt nach § 16 I 1 StGB analog
den Tatbe-
standsvorsatz entfallen, so dass der Täter nicht aus einer
vorsätzlich begange-
nen Tat bestraft werden kann16. Das Verhalten des T stellt kein
Vorsatzunrecht
dar, T handelte gem. § 16 I 1 StGB analog ohne Vorsatz.
e. Rechtsfolgenverweisende eingeschränkte Schuldtheoriee.
Rechtsfolgenverweisende eingeschränkte Schuldtheoriee.
Rechtsfolgenverweisende eingeschränkte Schuldtheoriee.
Rechtsfolgenverweisende eingeschränkte Schuldtheorie
Nach der rechtsfolgenverweisenden eingeschränkten Schuldtheorie
wird der
Erlaubnistatbestandsirrtum allein in der Rechtsfolge analog dem
§ 16 I 1 StGB
zugeordnet. Es entfällt nicht der Vorsatz, aber der sog.
Vorsatzschuldvorwurf
und damit die Schuld17. Nach dieser Ansicht ist die Tat im
Ergebnis wie ein
Fahrlässigkeitsdelikt zu behandeln und § 16 I 2 StGB analog
anwendbar. Dem-
nach hätte T ohne Vorsatzschuld gehandelt.
f. Stellungnahmef. Stellungnahmef. Stellungnahmef.
Stellungnahme
14 Samson, StR I, S. 120 ff. 15 Welzel, AT, § 22 III; Armin
Kaufmann, JZ 1955, 37 ff. 16 Schönke/Schröder/Sternberg- Lieben, §
16 Rn. 16 ff. 17 Wessels/Beulke, AT, Rn. 478.
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Gegen die Vorsatztheorie spricht, dass sie mit der Normierung
des § 17 StGB
nicht mehr mit dem Gesetz im Einklang steht. Der Lehre von den
negativen Tat-
bestandsmerkmalen ist entgegenzuhalten, dass zwischen
Tatbestandsmäßigkeit
und Rechtswidrigkeit der Tat grundlegende gesetzliche
Unterschiede bestehen.
Der Gesetzgeber hat insbesondere in § 32 I StGB deutlich
gemacht, dass die
Rechtswidrigkeit neben dem Tatbestand ein selbstständiges
Deliktsmerkmal
darstellt. Die strenge Schuldtheorie verkennt, dass es sich
nicht um einen Beur-
teilungs-, sondern nur um einen Sachverhaltsirrtum handelt.
Ähnlich wie in der
Situation des § 16 StGB ist der Täter an sich rechtstreu. Aus
diesen Gründen
kann § 17 StGB nicht greifen.
Bei der eingeschränkten Schuldtheorie entfällt der bereits im
subjektiven Tat-
bestand positiv festgestellte Tatbestandsvorsatz nachträglich
wieder. Für die
rechtsfolgenverweisende eingeschränkte Schuldtheorie spricht,
dass dem Täter
nur die vorsätzlich fehlerhafte Einstellung zur Rechtsordnung
fehlt, er ansons-
ten aber vorsätzlich und rechtswidrig handelt. Es bleibt eine
Strafbarkeit des
nicht irrenden Anstifter oder Gehilfen möglich. Der
rechtsfolgenverweisenden
eingeschränkten Schuldtheorie ist daher zu folgen.
Demnach handelte T nicht schuldhaft.
VVVV. Ergebnis. Ergebnis. Ergebnis. Ergebnis
T hat sich nicht nach §§ 212 I, 22, 23 I StGB strafbar
gemacht.
B. GefB. GefB. GefB. Gefährliche Körperverletzung, §§ 223 I, 224
I Nr. 2, 3, 5 StGBährliche Körperverletzung, §§ 223 I, 224 I Nr. 2,
3, 5 StGBährliche Körperverletzung, §§ 223 I, 224 I Nr. 2, 3, 5
StGBährliche Körperverletzung, §§ 223 I, 224 I Nr. 2, 3, 5 StGB
Indem T dem B mit einem Ast gegen den Kopf schlug, könnte er
sich der gefähr-
lichen Körperverletzung nach §§ 223 I, 224 I Nr. 2, 3, 5 StGB
strafbar gemacht
haben.
Eine Strafbarkeit des T scheitert wie bei dem versuchten
Totschlag an der feh-
lenden Schuld, da T sich auch bei diesem Delikt in einem
Erlaubnistatbestands-
irrtum befand.
C. Fahrlässige Körperverletzung, § 229 StGBC. Fahrlässige
Körperverletzung, § 229 StGBC. Fahrlässige Körperverletzung, § 229
StGBC. Fahrlässige Körperverletzung, § 229 StGB
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T könnte sich wegen fahrlässiger Körperverletzung nach § 229
StGB dadurch
strafbar gemacht haben, dass er die tatsächliche Situation
verkannte, irrig eine
Notwehrlage annahm und daher dem B mit einem Ast gegen den Kopf
schlägt.
I. TatbestandI. TatbestandI. TatbestandI. Tatbestand
1. Erfolg1. Erfolg1. Erfolg1. Erfolg----
HandlungHandlungHandlungHandlung
T müsste an B eine Körperverletzung begangen haben. Er könnte B
körperlich
misshandelt oder an der Gesundheit geschädigt haben.
Körperliche Misshandlung ist jede üble, unangemessene
Behandlung, die das
körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Integrität mehr
als nur unerheb-
lich beeinträchtigt18. T hat B mit einem Ast gegen den Kopf
geschlagen und
dadurch schwer verletzt. Dies stellt eine üble und unangemessene
Behandlung
dar. Demnach wurde B körperlich misshandelt.
Gesundheitsschädigung ist das Hervorrufen oder Steigern eines
pathologischen
Zustandes19. Die Kopfverletzung des B ist ein pathologischer
Zustand. Somit
wurde B ebenfalls an der Gesundheit geschädigt.
2. Objektive Sorgfaltspflichtverletzung bei objektiver
Vorhersehbarkeit2. Objektive Sorgfaltspflichtverletzung bei
objektiver Vorhersehbarkeit2. Objektive Sorgfaltspflichtverletzung
bei objektiver Vorhersehbarkeit2. Objektive
Sorgfaltspflichtverletzung bei objektiver Vorhersehbarkeit
Erforderlich ist das Vorliegen einer objektiven
Sorgfaltspflichtverletzung bei
objektiver Vorhersehbarkeit20. Objektiv voraussehbar ist, was
ein umsichtig han-
delnder Mensch aus dem Verkehrskreis des Täters unter den
jeweils gegebenen
Umständen auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung in Rechnung
stellen
würde. Der Inhalt der Sorgfaltspflicht besteht darin, die
Gefahren für das ge-
schützte Rechtgut zu erkennen und sich darauf einzustellen.
Dabei wird auf
einen besonnen und gewissenhaften Menschen in der konkreten Lage
und der
sozialen Rolle des Handelnden abgestellt21. T hätte sich anhand
der Situation
überzeugen müssen, ob überhaupt ein Überfall vorlag. T hat sich
kein einziges
Mal umgedreht und aufgrund seines MP3- Players die Ansprache des
B nicht
gehört. Er hat mit dem Ast gegen den Kopf des B ohne Nachprüfung
zugeschla-
gen. Damit verletzte er eine Sorgfaltspflicht bei objektiver
Vorhersehbarkeit.
18 BGHSt 14, 269. 19 BGH, NJW 1960, 2253; Schönke/Schröder/Eser,
§ 223 Rn. 5. 20 Kindhäuser, AT, § 33 Rn. 12 f. 21 Wessels/Beulke,
AT, Rn. 667 ff.
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3. Objektive Zurechnung3. Objektive Zurechnung3. Objektive
Zurechnung3. Objektive Zurechnung
Die schwere Verletzung müsste T auch objektiv zurechenbar sein.
Dazu müsste
der Pflichtwidrigkeitszusammenhang vorliegen. Dieser liegt vor,
wenn der Erfolg
eine Folge der Pflichtverletzung des Täters ist und bei
pflichtgemäßen Verhalten
nicht eingetreten wäre22. Hätte T sich vor dem Zuschlagen
pflichtgemäß umge-
schaut und seinen MP3- Player ausgeschaltet, hätte er erkannt,
dass kein Über-
fall vorlag und er hätte nicht zugeschlagen. Der
Pflichtwidrigkeitszusammen-
hang liegt vor. Ebenso der Schutzzweckzusammenhang.
Der Tatbestand ist erfüllt.
II. RechtswidrigkeitII. RechtswidrigkeitII. RechtswidrigkeitII.
Rechtswidrigkeit
Rechtfertigungsgründe liegen nicht vor, T handelte
rechtswidrig.
III. SchuldIII. SchuldIII. SchuldIII. Schuld
Ebenfalls müsste T schuldhaft gehandelt haben. Er müsste eine
subjektive Sorg-
faltspflichtverletzung bei subjektiver Vorhersehbarkeit des
Erfolgs begangen
haben23. Es sind keine Umstände erkennbar, dass T in seiner
Erkenntnisfähigkeit
generell eingeschränkt war, so dass ihm der Pflichtverstoß auch
individuell vor-
werfbar ist.
IV. StrafantragIV. StrafantragIV. StrafantragIV. Strafantrag
Der nach § 230 StGB erforderliche Strafantrag ist gestellt.
V. ErgebnisV. ErgebnisV. ErgebnisV. Ergebnis
T hat sich nach § 229 StGB wegen fahrlässiger Körperverletzung
strafbar ge-
macht.
D. ErgebnisD. ErgebnisD. ErgebnisD. Ergebnis
T hat sich nach § 229 StGB strafbar gemacht.
2. Tatkomplex: Der Nebenbuhler V2. Tatkomplex: Der Nebenbuhler
V2. Tatkomplex: Der Nebenbuhler V2. Tatkomplex: Der Nebenbuhler
V
22 Wessels/Beulke, AT, Rn. 197. 23 Kindhäuser, AT, § 33 Rn.
55.
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A. Versuchter Mord in mittelbarer Täterschaft an V, §§ 211, 22,
23, 25 I 2. Fall A. Versuchter Mord in mittelbarer Täterschaft an
V, §§ 211, 22, 23, 25 I 2. Fall A. Versuchter Mord in mittelbarer
Täterschaft an V, §§ 211, 22, 23, 25 I 2. Fall A. Versuchter Mord
in mittelbarer Täterschaft an V, §§ 211, 22, 23, 25 I 2. Fall
StGBStGBStGBStGB
T könnte sich durch das Losschicken des D des versuchten Mordes
in mittelbarer
Täterschaft nach §§ 211, 22, 23 I, 25 I 2. Fall StGB strafbar
gemacht haben.
I. VorprüfungI. VorprüfungI. VorprüfungI. Vorprüfung
V lebt noch und die Tat ist nicht vollendet. Nach §§ 211, 12 I,
23 I StGB ist der
Versuch des Mordes strafbar.
II. TatentschlussII. TatentschlussII. TatentschlussII.
Tatentschluss
1. Hinsichtlich des Todes des V1. Hinsichtlich des Todes des V1.
Hinsichtlich des Todes des V1. Hinsichtlich des Todes des V
T müsste Tatentschluss hinsichtlich des Todes des V haben. T
wollte den „lästi-
gen Muskelprotz“ aus dem Weg räumen und hatte somit
Tatentschluss.
2. Hinsichtlich der Tötung durch einen anderen (Tatherrschaft)2.
Hinsichtlich der Tötung durch einen anderen (Tatherrschaft)2.
Hinsichtlich der Tötung durch einen anderen (Tatherrschaft)2.
Hinsichtlich der Tötung durch einen anderen (Tatherrschaft)
T hatte die Absicht, die Tat durch einen Dritten durchführen zu
lassen, weil er
sich nicht selbst „die Hände schmutzig machen“ wollte.
Mittelbare Täterschaft setzt zum einen eine aus rechtlichen oder
tatsächlichen
Gründen unterlegene Stellung des als menschliches Werkzeug
eingesetzten
Tatmittlers und zum anderen die beherrschende Rolle des
Hintermannes, der die
Sachlage richtig erfasst und daher das Gesamtgeschehen kraft
seines planvoll
lenkenden Willens in der Hand hält, voraus. Der Hintermann
kompensiert dieses
„Minus“ kraft überlegenden Wissens oder Wollens und erlangt so
die Tatherr-
schaft24.
D hatte keine Kenntnis von dem tödlichen Inhalt der
Plastikflasche, er dachte es
handele sich um ein frei verkäufliches Beruhigungsmittel. Er
wollte demnach
den V nicht töten. D unterlag einem Tatbestandsirrtum gem. § 16
I StGB. T
wusste, dass in der Plastikflasche kein Beruhigungsmittel
sondern 35%-ige
Salzsäure war, so dass der Strafbarkeitsmangel des D durch das
überlegene Wis-
sen des T kompensiert wurde. Folglich schrieb sich T
Tatherrschaft zu.
3. Hinsichtlich Heimtücke3. Hinsichtlich Heimtücke3.
Hinsichtlich Heimtücke3. Hinsichtlich Heimtücke
Fraglich ist, ob T den Vorsatz hatte, die Tat durch V
heimtückisch begehen zu
lassen.
24 Kindhäuser, AT, § 39 Rn. 5 ff.
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Nach herrschender Meinung handelt heimtückisch, wer in
feindseliger Willens-
richtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur
Tötung ausnutzt.
Arglos ist, wer sich keines Angriffs seitens des Täters
versieht. Aufgrund dieser
Arglosigkeit muss das Opfer wehrlos sein, d.h. es darf keine
oder nur eine redu-
zierte Verteidigungsmöglichkeit besitzen25.
V hätte nichts von der Salzsäure in seinem Getränk gewusst. Er
versah sich also
keines Angriffs auf sein Leben und war deshalb arg- und wehrlos.
Dies wusste T
und wollte daher durch D die Arg- und Wehrlosigkeit des V in
feindlicher Wil-
lensrichtung ausnutzen, mithin eine heimtückische
Tatbegehung.
Nach anderer Ansicht muss noch ein besonders verwerflichen
Vertrauensbruch
vorliegen26. Zwischen T und V bestand keine Vertrauensbeziehung
und demnach
liegt kein Vertrauensbruch vor. Somit wäre die Heimtücke
abzulehnen.
Für die zweite Ansicht spricht, dass die Mordmerkmale restriktiv
auszulegen
sind. Gegen sie spricht, dass der verwerfliche Vertrauensbruch
keine festen Kon-
turen aufweist. Weiterhin würde der Heckenschütze nie
heimtückisch töten. Der
ersten Ansicht wird der Vorzug gegeben. Demnach liegt Heimtücke
vor.
Hinweis: Innerhalb des Tatentschlusse können weitere
Mordmerkmale wie das
Vorliegen niedriger Beweggründe und oder Grausamkeit erörtert
werden.
IIIIIIIIIIII. Unmittelbares Ansetzen. Unmittelbares Ansetzen.
Unmittelbares Ansetzen. Unmittelbares Ansetzen
Es ist hier fraglich, wann der unmittelbare Täter unmittelbar
ansetzt.
Nach einer Ansicht besteht unmittelbares Ansetzen bereits dann,
wenn der Hin-
termann auf den Tatmittler einwirkt27. T hat D bereits die
Plastikflasche mit der
Anweisung übereicht, dass D dem V den Inhalt verabreichen solle.
Folglich hat T
unmittelbar angesetzt.
Nach anderer Ansicht ist ein unmittelbares Ansetzen erst dann
gegeben, wenn
der Tatmittler unmittelbar ansetzt28. D ist erst auf dem Weg zu
V und hat dem-
25 BGH, NStZ 1985, 216. 26 Schönke/Schröder/Eser, § 211 Rn 26;
Otto, JR 1991, 382 f.. 27 Baumann/Weber/Mitsch, § 29 Rn. 155. 28
Kühl, JuS 1983, 180 f.
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nach noch nicht selbst unmittelbar zur Tat angesetzt. Somit ist
ein unmittelba-
res Ansetzen nicht gegeben.
Nach dritter Ansicht liegt ein unmittelbares Ansetzen dann vor,
wenn der mit-
telbare Täter den Geschehensablauf in der Weise aus der Hand
gegeben hat,
dass er ohne längere zeitliche Unterbrechung unmittelbar in die
Tatbestands-
verwirklichung einmünden soll29. D ist bereits auf dem Weg zu
einem Kneipen-
besuch mit V und es sollte nach Vorstellung des T im Anschluss
daran ohne län-
gere zeitliche Zäsur zur Tatbestandsverwirklichung kommen.
Folglich liegt ein
unmittelbares Ansetzen vor.
Die erste und die dritte Ansicht kommen zu dem gleichen
Ergebnis, so dass ein
Streitentscheid nur hinsichtlich der zweiten Meinung
erforderlich ist. Gegen die
zweite Ansicht spricht, dass sie keine konsequente Übertragung
der Kriterien
beinhaltet, die für das unmittelbare Ansetzen bei der
Alleintäterschaft entwi-
ckelt wurden30. Eine konsequente Übertragung gewährleistet
jedoch die dritte
Ansicht, weil bei der Alleintäterschaft ein unmittelbares
Ansetzen bejaht wird,
wenn der Alleintäter den von ihm in Gang gesetzten Kausalverlauf
aus der Hand
gegeben hat. Aus diesen Gründen wird die zweite Ansicht
abgelehnt und T hat
unmittelbar angesetzt.
IV. RechtswidrigkeitIV. RechtswidrigkeitIV. RechtswidrigkeitIV.
Rechtswidrigkeit
T handelte rechtswidrig.
V. SchuldV. SchuldV. SchuldV. Schuld
T handelte schuldhaft.
Hinweis: Es besteht kein Anlass, eine Rücktritt vom Versuch zu
prüfen.
VI. ErgebnisVI. ErgebnisVI. ErgebnisVI. Ergebnis
T hat sich nach §§ 211, 22, 23 I, 25 I 2. Fall. StGB strafbar
gemacht.
B. TotschlagB. TotschlagB. TotschlagB. Totschlag in mittelbain
mittelbain mittelbain mittelbarer Täterschaft an W gem. §§ 212rer
Täterschaft an W gem. §§ 212rer Täterschaft an W gem. §§ 212rer
Täterschaft an W gem. §§ 212, 25 I 2. Fall StGB, 25 I 2. Fall StGB,
25 I 2. Fall StGB, 25 I 2. Fall StGB
T könnte sich wegen Totschlags in mittelbarer Täterschaft an W
gemäß
29 BGHSt 30, 363 f.; Wessels/Beulke, AT, Rn. 613. 30 BGHSt 30,
363 f.; Wessels/Beulke, AT, Rn. 613.
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12
§§ 211, 25 I 2. Fall StGB strafbar gemacht haben, in dem er H
bat, das Glas von
V mit einem vermeintlichen Beruhigungsmittel zu versetzen, H
aber aufgrund
eines Irrtums das Mittel in das Glas von W füllte und dieser an
den tödlichen
Wirkungen des Mittels starb.
I. TatbestandI. TatbestandI. TatbestandI. Tatbestand
1. Tod eines Menschen1. Tod eines Menschen1. Tod eines
Menschen1. Tod eines Menschen
Ein anderer Mensch müsste tot sein. W verstirbt an den Wirkungen
der Säure,
ein anderer Mensch ist somit tot.
2. Tatherrschaft 2. Tatherrschaft 2. Tatherrschaft 2.
Tatherrschaft
W verstirbt an den Wirkungen der Salzsäure, die ihm H in sein
Bierglas getan
hat. Das Handeln des H ist dem T nach § 25 I 2. Fall StGB
zuzurechnen, da die-
ser wieder kraft seines überlegenden Wissens die Tatherrschaft
innehatte (s.o.).
3333. Vorsatz . Vorsatz . Vorsatz . Vorsatz
Ebenfalls müsste der Vorsatz vorliegen. H hatte unwissentlich
einen anderen
Menschen getötet, als er sollte.
Fraglich ist allerdings angesichts des Umstandes, dass H eine
andere Person
getötet hat als die, die er töten sollte, ob dem Hintermann T
der Tod von W zum
Vorsatz zugerechnet werden kann. Der in der Person des
Tatmittlers H vorlie-
gende Irrtum könnte den Vorsatz des mittelbaren Täters T in
Bezug auf den Tod
von W ausschließen. H verhört sich bei dem Namen des Bekannten,
dem er die
Salzsäure verabreichen sollte. Er unterlag damit einem
Identitätsirrtum, wenn
auch nicht in der klassischen Form des error in persona, bei dem
es um eine
Objektsverwechselung im Zeitpunkt der Ausführungshandlung
geht31.
Dies vermag jedoch nichts an der rechtlichen Einordnung dieses
Irrtums zu än-
dern, weil es keinen Unterschied macht, ob der Tatmittler
bereits vor dem un-
mittelbaren Ansetzen seiner Handlung abirrt oder währenddessen.
Die Fehlvor-
stellung des H ist demnach als error in persona vel objecto zu
behandeln32.
Umstritten ist, wie sich dieser Irrtum des H auf die
Strafbarkeit des Hinterman-
nes T auswirkt.
31 Tröndle/Fischer, StGB, § 16 Rn. 5. 32
Schönke/Schröder/Cramer/Heine, § 25 Rn. 53.
-
13
Eine Ansicht stellt darauf ab, dass der Tatmittler i.S.d. § 25 I
2. Fall StGB als
menschliches Werkzeug anzusehen ist und wird einem mechanischen
gleichges-
tellt. Verfehlt also der Tatmittler aufgrund eines error in
persona das vom Hin-
termann anvisierte Objekt, führt dies beim mittelbaren Täter zu
einer aberratio
ictus33. Danach müsste eine Strafbarkeit wegen Versuchs bzgl.
des durch T anvi-
sierten Objektes V und Fahrlässigkeit hinsichtlich des
getroffenen Objekts in
Betracht kommen.
Hinweis: Das Vorgenannte gilt, wenn und soweit der überwiegenden
Auffassung
zu den Auswirkungen einer aberratio ictus auf den Vorsatz
gefolgt wird.
Nach überwiegender Ansicht wirkt sich nicht jeder
Identitätsirrtum des Tatmitt-
lers als aberratio ictus für den Hintermann aus. Es ist vielmehr
eine weitere Un-
terscheidung bezüglich der Zuständigkeit für die
Individualisierung vorzuneh-
men34.
Wenn der mittelbare Täter dem Werkzeug die Individualisierung
überlässt, dann
ist der error in persona des Tatmittlers dem mittelbaren Täter
zuzurechen. Denn
wenn der Hintermann dem Tatmittler die Individualisierung des
Tatobjekts auf-
grund bestimmter Charakteristika überlässt, dann muss er sich
auch die Aus-
wahlfehler des Tatmittlers zurechnen lassen.
Liegt hingegen die Individualisierung beim mittelbaren Täter,
dann ist der error
in persona vel objecto des Tatmittler als aberratio ictus für
den mittelbaren Tä-
ter zu behandeln. H sollte nach den Anweisungen des T dem V das
angebliche
Beruhigungsmittel verabreichten. Damit war das Tatobjekt so
genau individuali-
siert, dass keine Auswahlbefugnis mehr bestand.
Somit liegt auch nach der zweiten Ansicht eine aberratio icuts
vor, so dass eine
Stellungnahme entbehrlich ist.
T hatte keinen Vorsatz bezüglich der Tötung des W.
Der Tatbestand ist nicht erfüllt.
33 Jescheck/Weigend, AT, § 62 III 2. 34
Schönke/Schröder/Cramer/Heine, § 25 Rn. 52; Streng, JuS 1991, 910
(916); Puppe, NStZ 1991,
124.
-
14
II. ErgebnisII. ErgebnisII. ErgebnisII. Ergebnis
T hat sich nicht nach §§ 212, 25 I 2. Fall StGB strafbar
gemacht.
CCCC.... VersuchVersuchVersuchVersuchter Mord in mittelbarer
Täterschaft an V, §§ 211, 22, 23 I, 25 I 2. Fall ter Mord in
mittelbarer Täterschaft an V, §§ 211, 22, 23 I, 25 I 2. Fall ter
Mord in mittelbarer Täterschaft an V, §§ 211, 22, 23 I, 25 I 2.
Fall ter Mord in mittelbarer Täterschaft an V, §§ 211, 22, 23 I, 25
I 2. Fall
StGBStGBStGBStGB
Indem T den H anweist, dem V Salzsäure als angebliches
Beruhigungsmittel zu
verabreichen, könnte er sich des versuchten Mordes in
mittelbarer Täterschaft
strafbar gemacht haben.
I. Vorprüfung I. Vorprüfung I. Vorprüfung I. Vorprüfung
T ist nicht wegen eines vollendeten Tötungsdelikts
strafrechtrechtlich verant-
wortlich, weil ihm der eingetretene Tod von W nicht zum Vorsatz
zugerechnet
werden kann (s.o.). Der Versuch des § 211 StGB ist nach §§ 12,
23 I StGB straf-
bar.
IIIIIIII. Tatenschluss . Tatenschluss . Tatenschluss .
Tatenschluss
T hatte Tatenschluss, den V in mittelbarer Täterschaft
heimtückisch zu töten
(s.o.).
III. Unmittelbares Ansetzen III. Unmittelbares Ansetzen III.
Unmittelbares Ansetzen III. Unmittelbares Ansetzen
Ein unmittelbares Ansetzen des T ist bereits gegeben, als D sich
mit der Plastik-
flasche auf den Weg zu einem Kneipenbesuch mit V macht
(s.o.).
IV. RechtswIV. RechtswIV. RechtswIV.
Rechtswidrigkeitidrigkeitidrigkeitidrigkeit
T handelte rechtwidrig.
V. SchuldV. SchuldV. SchuldV. Schuld
T handelte ebenfalls schuldhaft.
VI. ErgebnisVI. ErgebnisVI. ErgebnisVI. Ergebnis
T ist nach §§ 211, 22, 23 I, 25 I 2. Fall StGB strafbar.
D. Fahrlässige Tötung an W, § 222 StGBD. Fahrlässige Tötung an
W, § 222 StGBD. Fahrlässige Tötung an W, § 222 StGBD. Fahrlässige
Tötung an W, § 222 StGB
Weiterhin könnte T sich aufgrund des bereits unter B.
geschilderten Verhaltens
der fahrlässigen Tötung an W strafbar gemacht haben.
I. TatbestandI. TatbestandI. TatbestandI. Tatbestand
1. Eintritt des tatbestandlichen Erfolges1. Eintritt des
tatbestandlichen Erfolges1. Eintritt des tatbestandlichen
Erfolges1. Eintritt des tatbestandlichen Erfolges
W ist gestorben, der tatbestandliche Erfolg ist somit
eingetreten.
-
15
2. Kausalität2. Kausalität2. Kausalität2. Kausalität
Die Handlung des T müsste auch kausal für den Todeseintritt bei
W gewesen
sein. Kausal ist eine Handlung für den Erfolg, wenn sie nicht
hinweggedacht
werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt
entfiele (conditio
sine qua non- Formel)35. Die 35%-ige Salzsäure war conditio-
sine- qua- non
für den Todeseintritt bei W.
3. Objektive Sorgfaltspflichtverletzung 3. Objektive
Sorgfaltspflichtverletzung 3. Objektive Sorgfaltspflichtverletzung
3. Objektive Sorgfaltspflichtverletzung
Fraglich ist, ob eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung bei
objektiver Vorher-
sehbarkeit des Erfolges und des wesentlichen Kausalverlaufs
vorliegt.
Es ist objektiv sorgfaltswidrig, eine Plastikflasche mit 35%-ige
Salzsäure in den
Verkehr zu bringen.
Problematisch ist jedoch die objektive Vorhersehbarkeit.
Objektiv voraussehbar
ist, was ein umsichtig handelnder Mensch aus dem Verkehrskreis
des Täters
unter den jeweils gegebenen Umständen auf Grund der allgemeinen
Lebenser-
fahrung in Rechnung stellen würde36. Es war für T nicht
vorhersehbar, dass sich
H verhört und die Salzsäure in das Glas von W mischt. Somit
scheidet eine ob-
jektive Vorhersehbarkeit aus.
Hinweis: Eine andere Ansicht ist gleichermaßen vertretbar.
Der Tatbestand ist nicht erfüllt.
IIIIIIII. Ergebnis. Ergebnis. Ergebnis. Ergebnis
T ist nicht nach § 222 StGB strafbar.
E. ErgebnisE. ErgebnisE. ErgebnisE. Ergebnis
T hat sich des versuchten Mordes in mittelbarer Täterschaft an V
durch das Los-
schicken des D strafbar gemacht.
Weiterhin hat sich T des versuchten Mordes in mittelbarer
Täterschaft an V
durch die Anweisung an H strafbar gemacht.
35 BGHSt 49, 1 (3ff.). 36 Wessels/Beulke, AT, Rn. 667 ff.
-
16
3. Tatkomplex: Der Schokoladenpudding3. Tatkomplex: Der
Schokoladenpudding3. Tatkomplex: Der Schokoladenpudding3.
Tatkomplex: Der Schokoladenpudding
A. Totschlag, § 212 I StGBA. Totschlag, § 212 I StGBA.
Totschlag, § 212 I StGBA. Totschlag, § 212 I StGB
Indem M die O dazu brachte, den versalzenen Schokoladenpudding
zu essen,
könnte sie sich wegen eines Totschlags nach § 212 I StGB
strafbar gemacht
haben.
I. TatbestandI. TatbestandI. TatbestandI. Tatbestand
1111. Tod eines Menschen/ Kausalität/Objektive Zurechnung. Tod
eines Menschen/ Kausalität/Objektive Zurechnung. Tod eines
Menschen/ Kausalität/Objektive Zurechnung. Tod eines Menschen/
Kausalität/Objektive Zurechnung
O ist durch die Anweisung der M gestorben. Dies war ihr auch
objektiv zure-
chenbar. Der objektive Tatbestand ist erfüllt.
2222. Subjektiver Tatbestand. Subjektiver Tatbestand.
Subjektiver Tatbestand. Subjektiver Tatbestand
Fraglich ist, ob M auch vorsätzlich handelte. Vorsatz ist der
Wille zur Verwirkli-
chung eines Straftatbestandes in Kenntnis aller seiner
objektiven Tatumstän-
de37. Es könnte dolus eventualis in Betracht kommen. Beim
Eventualvorsatz hält
der Täter es ernstlich für möglich und findet sich damit ab,
dass sein Verhalten
zur Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes führt38. M
nimmt zwar billi-
gend in Kauf, dass es der O nach dem Verzehr des Puddings
schlecht geht, je-
doch weiß sie weder, wie viel Salz genau in der Speise war, noch
dass die Auf-
nahme von 0.5 bis 1 g Kochsalz pro Kilogramm Körpergewicht zum
Tode führt.
Dadurch fehlt sogar jeder Anhaltspunkt für das Vorliegen von
dolus eventualis.
M handelte nicht vorsätzlich. Der Tatbestand ist nicht
erfüllt.
II. ErgebnisII. ErgebnisII. ErgebnisII. Ergebnis
M hat sich nicht gem. § 212 I StGB des Totschlags strafbar
gemacht.
Hinweis: Es könnte auch ein Totschlag in mittelbarer Täterschaft
nach §§ 212 I,
25 I 2. Fall StGB geprüft werden.
Denn der Tod der O ist erst durch ihre Mitwirkung, das Essen der
Speise, einget-
reten und nicht durch den Zwang der M auf die O. M hätte dann
das Opfer O als
Werkzeug gegen sich selbst verwendet.
37 Wessels/Beulke, AT, Rn. 203. 38 Wessels/Beulke, Rn. 214.
-
17
Dieser Tatbestand scheitert ebenfalls am fehlenden Vorsatz der
M.
B. Gefährliche Körperverletzung, §§ 223 I, 224 I Nr. 1, 5 StGBB.
Gefährliche Körperverletzung, §§ 223 I, 224 I Nr. 1, 5 StGBB.
Gefährliche Körperverletzung, §§ 223 I, 224 I Nr. 1, 5 StGBB.
Gefährliche Körperverletzung, §§ 223 I, 224 I Nr. 1, 5 StGB
Indem M die O zwang die versalzene Süßspeise zu essen, könnte
sie sich der
gefährlichen Körperverletzung nach §§ 223 I, 224 I Nr. 1, 5 StGB
strafbar ge-
macht haben.
I. TatbestandI. TatbestandI. TatbestandI. Tatbestand
1111. Grundtat. Grundtat. Grundtat. Grundtatbestand des § 223 I
StGBbestand des § 223 I StGBbestand des § 223 I StGBbestand des §
223 I StGB
Der Grundtatbestand des § 223 I StGB müsste erfüllt sein.
a. Körperliche Misshandlunga. Körperliche Misshandlunga.
Körperliche Misshandlunga. Körperliche Misshandlung
O müsste körperlich misshandelt worden sein. Körperliche
Misshandlung ist jede
üble, unangemessene Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden
oder die
körperliche Integrität mehr als nur unerheblich
beeinträchtigt39.
Die Anweisung, den Pudding zu essen, ist eine üble und
unangemessene Be-
handlung. Diese hat bei O zu Übelkeit, Erbrechen und starken
Durchfall geführt
und beeinträchtigt das körperliche Wohlbefinden der O. Folglich
wurde O kör-
perlich misshandelt.
b. Gesundheitsschädigungb. Gesundheitsschädigungb.
Gesundheitsschädigungb. Gesundheitsschädigung
Weiterhin könnte O an der Gesundheit geschädigt worden sein.
Gesundheits-
schädigung ist das Hervorrufen oder Steigern eines
pathologischen Zustandes40.
Die bei O festgestellte Kochsalzintoxikation ist ein
pathologischer Zustand, so
dass O ebenfalls an der Gesundheit geschädigt wurde.
c. Kausalitätc. Kausalitätc. Kausalitätc. Kausalität
M müsste die körperliche Misshandlung und die
Gesundheitsschädigung der M
durch eine eigene und kausale Handlung hervorgerufen haben.
Kausal ist eine
Handlung für den Erfolg, wenn sie nicht hinweggedacht werden
kann, ohne
dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele (conditio
sine qua non- For-
mel)41. Hätte M die O nicht gezwungen, den versalzenen
Schokoladenpudding
39 BGHSt 14, 269. 40 BGH, NJW 1960, 2253; Schönke/Schröder/Eser,
§ 223 Rn. 5. 41 BGHSt 49, 1 (3 ff.).
-
18
zu essen, dann wäre es bei O nicht zu Übelkeit, Erbrechen und
Durchfall ge-
kommen. Somit war die Handlung der M kausal für den Erfolg.
Der Grundtatbestand des § 223 StGB ist erfüllt.
2222. Qualifikation nach § 224 StGB. Qualifikation nach § 224
StGB. Qualifikation nach § 224 StGB. Qualifikation nach § 224
StGB
Ebenfalls könnte M den Qualifikationstatbestand des § 224 StGB
verwirklicht
haben.
a. Beibringen von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen
Stoffen, a. Beibringen von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen
Stoffen, a. Beibringen von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen
Stoffen, a. Beibringen von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen
Stoffen,
§ 224 I Nr. 1 StGB§ 224 I Nr. 1 StGB§ 224 I Nr. 1 StGB§ 224 I
Nr. 1 StGB
Das Salz könnte Gift oder ein anderer gesundheitsschädlicher
Stoff sein.
Unter Gift fallen die organischen oder anorganischen Stoffe, die
chemisch oder
chemisch-physikalisch wirken. 42
Zu den anderen gesundheitsschädlichen Stoffen zählen namentlich
alle, die
mechanisch oder thermisch wirken. Unerheblich ist, ob es sich um
feste, flüssige
oder gasförmige Materien handelt43.
Fraglich ist jedoch, ob es sich bei einem Stoff des alltäglichen
Bedarfs – wie
Salz – um Gift oder einen gesundheitsschädlichen Stoff
handelt.
§ 224 I Nr. 1 StGB setzt entgegen seiner Vorgängervorschrift des
§ 229 I StGB in
der Fassung vor Inkrafttreten des 6. Strafrechtsreformgesetzes
nicht mehr vor-
aus, dass das Gift oder die ihm gleichgestellten Stoffe die
Gesundheit zu zerstö-
ren geeignet sind. Ebenfalls wird auch durch die Beibringung
nicht mehr die
verursachte Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung
verlangt44.
Es genügt für den objektiven Tatbestand bereits die
Gesundheitsschädlichkeit
des Stoffes, dessen Beibringung das Opfer im Sinne des § 223
StGB an der Ge-
sundheit schädigt. Die Substanz muss nach ihrer Art und dem
konkreten Einsatz
zur erheblichen Gesundheitsschädigung geeignet sein.
Danach werden, wie auch bei der Rechtsprechung zum gefährlichen
Werkzeug
gem. § 224 I StGB, auch an sich unschädliche Stoffe des
täglichen Bedarfs er-
fasst, wenn ihre Beibringung nach Art der Anwendung oder
Zuführung des Stof-
fes, seiner Menge oder Konstitution, nach dem Alter und der
Konstitution des
42 Rengier, BT II, § 14 Rn. 5. 43 Schönke/Schröder/Stree, § 224
Rn. 2c. 44 BGHSt 51, 18 (22).
-
19
Opfers mit der konkreten Gefahr einer erheblichen Schädigung im
Einzelfall
verbunden ist45. Durch das Zuführen des versalzenen Puddings und
der bei der
erst vierjährigen O entstandenen Kochsalzintoxikation mit
tödlichem Ende liegt
eine erhebliche Schädigung im Einzelfall vor.
Damit ist die Qualifikation des § 224 I Nr. 2 StGB erfüllt.
b. Lebensgefährdende Behandlung, § 224 I Nr. 5 StGBb.
Lebensgefährdende Behandlung, § 224 I Nr. 5 StGBb.
Lebensgefährdende Behandlung, § 224 I Nr. 5 StGBb.
Lebensgefährdende Behandlung, § 224 I Nr. 5 StGB
Ebenfalls könnte durch die Anweisung den versalzenen Pudding zu
essen, eine
lebensgefährdende Behandlung im Sinne von § 224 I Nr. 5 StGB
vorliegen.
Eine das Leben gefährdende Behandlung liegt vor, wenn die
Begehungsweise
der Tat nach den konkreten Umständen objektiv geeignet war, das
Opfer in Le-
bensgefahr zu bringen46.
Es ist umstritten, ob die tatsächlich erlittene Verletzung
konkret lebensgefähr-
lich sein muss. Nach einer Ansicht ist § 224 I Nr. 5 StGB
bereits bei einer ab-
strakten47 Gefahr, nach anderer Ansicht erst bei Eintritt einer
konkreten48 Ge-
fahr erfüllt ist. Jedoch ist die O an der Behandlung gestorben,
so dass auch nach
der engeren Auffassung, die eine konkrete Gefahr voraussetzt,
eine das Leben
gefährdende Behandlung vorliegt.
Der objektive Tatbestand ist erfüllt.
3333. Subjektiver Tatbestand. Subjektiver Tatbestand.
Subjektiver Tatbestand. Subjektiver Tatbestand
M müsste ebenfalls vorsätzlich gehandelt haben, und zwar
hinsichtlich des
Grunddelikts, als auch hinsichtlich der qualifizierenden
Merkmale.
a. Vorsatz bzgl. § 223 I StGBa. Vorsatz bzgl. § 223 I StGBa.
Vorsatz bzgl. § 223 I StGBa. Vorsatz bzgl. § 223 I StGB
M wusste, dass der versalzene Pudding bei O zu
Magenverstimmungen, Bauch-
schmerzen oder Unwohlsein führen wird und wollte dies. Demnach
handelte sie
vorsätzlich.
b. Vorsatz bzgl. § 224 I Nr. 1, 5 StGBb. Vorsatz bzgl. § 224 I
Nr. 1, 5 StGBb. Vorsatz bzgl. § 224 I Nr. 1, 5 StGBb. Vorsatz bzgl.
§ 224 I Nr. 1, 5 StGB
Fraglich ist, ob M vorsätzlich hinsichtlich der Beibringung von
Gift oder anderen
gesundheitsschädlichen Stoffen (§ 224 I Nr. 1 StGB) handelte. M
war weder
45 BGHSt 51, 18 (22 f.). 46 BGHSt 2, 160 (163). 47 BGH, NStZ
2004, 618; BGH NStZ 2005, 156 (157). 48 Schönke/Schröder/Stree, §
224 Rn. 12; Stree, Jura 1980, 281 (291 f.).
-
20
bekannt, wie viel Salz genau in dem Pudding war, noch die Folgen
der Salzauf-
nahme. Jedoch nahm sie eine Beeinträchtigung des physischen
Wohlbefindens
und auch weitergehende gesundheitliche Schädigungen
(Bauchschmerzen,
Übelkeit) in Kauf. Diese gesundheitlichen Schädigungen können,
zumal bei ei-
nem vierjährigen Kind, auch pathologischer Art sein und damit
dem Begriff der
Gesundheitsschädigung im Sinne von § 223 I StGB entsprechen. Es
ist unerheb-
lich, ob dieser Zustand dauerhaft oder vorübergehend ist49.
Ebenfalls für ein
vorsätzliches Handeln der M spricht, dass sich O gegen die
Anweisung der M
sträubt und den Pudding nur widerwillig isst. Der dadurch
hervorgerufene pa-
thologische Zustand der O war der M egal und sie hat ihn
gebilligt50. Demnach
handelte M vorsätzlich hinsichtlich der gefährlichen
Körperverletzung nach §§
223 I, 224 I Nr. 1 StGB.
M könnte ebenfalls vorsätzlich hinsichtlich einer
lebensgefährlichen Behand-
lung nach § 224 I Nr. 5 StGB gehandelt haben. Es gibt keine
Anhaltspunkte,
dass M auch nur die abstrakte Möglichkeit gesehen hat, dass O
durch den Ver-
zehr des versalzenen Puddings sterben würde. Demnach ist ein
Vorsatz bzgl. §
224 I Nr. 5 StGB nicht vorhanden.
II. RechtswidrigkeitII. RechtswidrigkeitII. RechtswidrigkeitII.
Rechtswidrigkeit
Das Handeln der M müsste rechtswidrig sein. M wies die O aus
erzieherischen
Gründen an, den Pudding zu essen, so dass an eine Rechtfertigung
durch Züch-
tigungsrecht zu denken ist.
Nach § 1631 II 2 BGB sind jedoch körperliche Bestrafungen,
seelische Verlet-
zungen und andere entwürdigende Maßnahmen gegenüber Kindern
unzulässig.
Damit wird nach herrschender Meinung ein Züchtigungsrecht
generell ausge-
schlossen51. Eine Mindermeinung sieht noch die Möglichkeit der
Rechtfertigung
einer körperlichen Züchtigung, wenn es sich um eine mäßige
Misshandlung
handelt52 bzw. die körperliche Bestrafung nicht entwürdigend
ist53. Allerdings
49 BGHSt 51, 18 (23). 50 BGHSt 51, 18 (23). 51 Fischer, § 223
Rn. 18 f.; Roxin, JuS 2004, 177 (179). 52 Roellecke, NJW 1999, 337
(3389: 53 Lackner/Kühl, § 223 Rn. 4..
-
21
setzt auch nach der Mindermeinung ein Recht zur Züchtigung
voraus, dass
durch die Züchtigung das Kind vor zukünftigem gefährlichen
Benehmen und
selbstzerstörerischen Aktionen bewahrt werden soll. Körperliche
Züchtigung ist
unzulässig bei bereits begangenen Fehlverhalten oder als
Abschreckung für die
Zukunft54. M zwang die O die versalzene Speise zu essen, um sie
für das vorhe-
rige Verhalten zu bestrafen, so dass auch nach der
Minderheitsmeinung eine
Rechtfertigung aufgrund des Züchtigungsrechts ausgeschlossen
ist. M handelte
rechtswidrig.
III. SchuldIII. SchuldIII. SchuldIII. Schuld
M handelte auch schuldhaft.
IV. ErgebnisIV. ErgebnisIV. ErgebnisIV. Ergebnis
M ist strafbar gem. §§ 223, 224 I Nr. 1 StGB.
C. Körperverletzung mit Todesfolge, § 227 I StGBC.
Körperverletzung mit Todesfolge, § 227 I StGBC. Körperverletzung
mit Todesfolge, § 227 I StGBC. Körperverletzung mit Todesfolge, §
227 I StGB
M könnte sich durch die Anweisung an O, den versalzenen Pudding
zu essen,
ebenfalls wegen Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 I
StGB strafbar
gemacht haben.
I. TatbestandI. TatbestandI. TatbestandI. Tatbestand
1. Grunddelikt1. Grunddelikt1. Grunddelikt1. Grunddelikt
M hat den objektiven und subjektiven Tatbestand der einfachen
Körperverlet-
zung verwirklicht.
2. Qualifikation2. Qualifikation2. Qualifikation2.
Qualifikation
Fraglich ist, ob auch die Qualifikation des § 227 StGB erfüllt
ist.
a. Eintritt der schweren Folgea. Eintritt der schweren Folgea.
Eintritt der schweren Folgea. Eintritt der schweren Folge
Die schwere Folge des § 227 StGB müsste erfüllt sein, also ein
anderer Mensch
müsste tot sein. O ist tot und somit ist die schwere Folge des §
227 I StGB ein-
getreten.
b. Kausalität des Grunddelikts für die schwere Folgeb.
Kausalität des Grunddelikts für die schwere Folgeb. Kausalität des
Grunddelikts für die schwere Folgeb. Kausalität des Grunddelikts
für die schwere Folge
Der Täter muss durch die Körperverletzung den Tod des Opfers
verursacht ha-
ben. Die Körperverletzung durch den Zwang zum Verzehr des
versalzenen Pud-
54 Schönke/Schröder/Eser, § 223 Rn. 21 f..
-
22
dings kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Tod der T
infolge der
Kochsalzintoxikation entfällt. Demnach ist das Grunddelikt
kausal für die
schwere Folge.
c. Unmittelbarkeitszusammenhang. c.
Unmittelbarkeitszusammenhang. c. Unmittelbarkeitszusammenhang. c.
Unmittelbarkeitszusammenhang.
Die schwere Folge darf nicht nur zufällig durch das Grunddelikt
verwirklicht
werden, sondern sie muss das Resultat einer typischen Gefahr des
Grunddelikts
sein (Unmittelbarkeitszusammenhang oder deliktsspezifischer
Gefahrzusam-
menhang)55. Umstritten ist, ob für das Vorliegen des
Unmittelbarkeitszusam-
menhangs erforderlich ist, dass der Tod des Opfers aus dem
Erfolg des Grundde-
likts resultiert56 oder ob es ausreicht, wenn die Handlung des
Grunddelikts die
schwere Folge herbeiführt57. O ist an der Kochsalzintoxikation
gestorben und
somit an den Auswirkungen der Gesundheitsschädigung. Folglich
ist nach bei-
den Meinungen ein Unmittelbarkeitszusammenhang gegeben.
d. Fahrlässigkeit d. Fahrlässigkeit d. Fahrlässigkeit d.
Fahrlässigkeit
Nach § 18 StGB muss der Täter bei eine Erfolgsqualifikation wie
§ 227 StGB
hinsichtlich der Herbeiführung der schweren Folge wenigstens
fahrlässig han-
deln. Fahrlässig handelt, wer sich objektiv sorgfaltswidrig
verhält, sofern auch
der konkrete Erfolg und der wesentliche Kausalverlauf objektiv
vorhersehbar
waren58. Die Sorgfaltswidrigkeit und die Vermeidbarkeit bei der
Körperverlet-
zung mit Todesfolge ergibt sich schon aus der vorsätzlichen
Begehung der
Grunddelikte der §§ 223 f. StGB, so dass hier nur die
Vorhersehbarkeit des tödli-
chen Erfolges alleiniges Merkmal der subjektiven
Fahrlässigkeitsprüfung ist59.
Wichtig ist, ob der Täter in der konkreten Lage nach seinen
persönlichen Kenn-
tnissen und Fähigkeiten den Eintritt des Todes des Opfers
voraussehen konnte
oder ob die tödliche Gefahr für das Opfer so weit außerhalb der
Lebenswahr-
scheinlichkeit lag, dass die qualifizierende Folge dem Täter
deshalb nicht zuzu-
55 BGHSt 48, 34 (37); Fischer, § 227 Rn. 3. 56 Roxin, AT 1, § 10
Rn. 115 f..; Lackner/Kühl, § 227 Rn. 2. 57 BGHSt 14, 110 (112);
Rengier, BT II, § 16 Rn. 4. 58 Fischer, § 227 Rn. 7. 59 BGHSt 51,
18 (21).
-
23
rechnen ist.60 M besaß keine Kenntnis davon, dass bereits
geringe Mengen an
Kochsalz bei einem kleinen Kind lebensgefährliche
Vergiftungserscheinungen
hervorruft. Dieses Wissen ist wenig verbreitet und gehört
keinesfalls zur medizi-
nischen Kenntnis, welche sich fast jede Mutter über kurz oder
lang aneignet61.
In Ermangelung der Vorhersehbarkeit des konkreten Erfolges ist
somit die erfor-
derliche vorwerfbare Verursachung des Erfolges des § 227 I StGB
nicht gegeben.
Der Tatbestand des § 227 StGB ist nicht erfüllt.
II. ErgebnisII. ErgebnisII. ErgebnisII. Ergebnis
M ist nicht nach § 227 StGB strafbar.
D. Fahrlässige Tötung, § 222 StGBD. Fahrlässige Tötung, § 222
StGBD. Fahrlässige Tötung, § 222 StGBD. Fahrlässige Tötung, § 222
StGB
Eine Strafbarkeit der M nach § 222 StGB durch den Zwang auf die
O, den Pud-
ding zu essen, scheitert ebenfalls an der fehlenden
Vorhersehbarkeit.
E. ErgebnisE. ErgebnisE. ErgebnisE. Ergebnis
M hat sich nach §§ 223, 224 I Nr. 1 StGB strafbar gemacht.
60 BGHSt 31, 96 (100); BGH NStZ 1997, 82 f.; BGHSt 51, 18 (10).
61 BGHSt 51, 18 (10).