Ausgabe 01/2003 Von Grund auf solide: Bei der Rohkarosserie des Cayenne werden modernste Materialien und Technologien eingesetzt. Cruiser mit Porsche-Power: In Kooperation mit Porsche Engineering entwickelte Harley-Davidson den was- sergekühlten V-Rod Motor. Porsche Styling: Virtuelle Realität ist in Designstudios nicht mehr wegzudenken. Porsche Engineering Magazine
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Transcript
Ausgabe 01/2003
Von Grund auf solide:Bei der Rohkarosserie desCayenne werden modernsteMaterialien und Technologieneingesetzt.
Cruiser mit Porsche-Power:In Kooperation mit PorscheEngineering entwickelteHarley-Davidson den was-sergekühlten V-Rod Motor.
Porsche Styling:Virtuelle Realität ist inDesignstudios nicht mehrwegzudenken.
Porsche Engineering Magazine
Inhalt
Die Porsche Engineering Group
GmbH (PEG), ein Tochterunterneh-
men der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG,
ist für die weltweiten Kunden-
Entwicklungsaktivitäten des Sport-
wagenbauers verantwortlich.
Porsche ist der einzige Automobil-
hersteller, der sein umfassendes
Engineering-Wissen internationalen
Kunden aus verschiedenen
Branchen zur Verfügung stellt.
Gemeinsam mit den Tochtergesell-
schaften im In- und Ausland bietet
EditorialSeite 4
Complete Vehicle
Von Grund auf solide:die Rohkarosseriedes CayenneSeite 5
Rohbauseitige Anbindung der Anhänger-zugvorrichtung
Body Karosseriekonstruktion
Durch die konsequente Realisierung
der Maßnahmen vom Konzept bis
zur Serienreife erreicht der Cayenne
eine statische Torsionssteifigkeit
von 36.900 Nm/° und erzielt damit
Bestnoten im Marktsegment der
Sports Utility Vehicles.
Um den angestrebten Spitzenwert
auch bei der dynamischen Steifig-
keit der Cayenne-Rohkarosserie zu
erreichen, konzentrierte sich die
Entwicklung zunächst auf die Ge-
staltung der Blechteile und Fügever-
fahren rund um die Öffnung des
Heckdeckels. Dabei musste ein
Kompromiss zwischen Sicht, Durch-
ladebreite, Heckdeckelscharnieren,
verdeckten Gasfedern und der
Forderung nach großen Querschnit-
ten sowie idealen Übergängen
gefunden werden.
Zur Erhöhung der Eigenfrequenz
wurden in Überlappungsbereichen
möglichst viele Bauteile eingebunden
und Strukturverklebungen einge-
setzt. So wurde zum Beispiel das
höchstfeste Verstärkungsrohr in die
seitliche Schwellerstruktur integriert,
was sowohl die statische als auch
die dynamische Steifigkeit nachhal-
tig verbesserte.
Die erreichten Werte von 43,6 Hz
für die erste Torsionseigenfrequenz
und 50,3 Hz für die erste Biege-
eigenfrequenz sind aktuell in der
Klasse der Sports Utility Vehicles füh-
rend und brauchen auch den Ver-
gleich mit sehr guten Limousinen
nicht zu scheuen.
Körperschall
und Innengeräusche
Grundlage für eine gute Körperschall-
isolation, die Roll- oder Motorenge-
räusche vom Insassenraum trennt
und das Geräuschniveau im Innen-
raum niedrig hält, ist eine hohe
lokale dynamische Steifigkeit an
den karosserieseitigen Krafteinlei-
tungsstellen des Fahrwerks, des
Antriebsaggregats und der Abgas-
anlage. Um störende Fahr- und
Antriebsgeräusche zu vermeiden,
werden die entsprechenden Lager-
elemente von Motor- und Getriebe-
fahrschemel speziell abgestimmt.
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Federbeinaufnahme und Lagerbock
Anbindung des Fahrschemels vorn an dieKarosse
Mit optimal gestalteten Blechteilen und entsprechenden Fügeverfahren rund um die Öffnungdes Heckdeckels erreicht der Cayenne Spitzenwerte bei der dynamischen Steifigkeit.
Karosseriekonstruktion Body
Dieser Abstimmung liegen die Krite-
rien hohe Fahrdynamik und guter
Schwingungskomfort sowie hohe
Lebensdauer, auch bei hartem
Geländeeinsatz, zu Grunde.
Die erforderliche lokale dynamische
Steifigkeit erhält der Cayenne durch
die Art der Anbindung der Fahr-
schemel an die Karosserie. Bei der
dynamischen Steifigkeit über der
Frequenz für den vorderen und hin-
teren Vorderachsanschraubpunkt
trat in besonders scharfer Form der
Zielkonflikt zwischen Kennwert und
Gewicht zutage, da hier die akusti-
schen Kennwerte in direkter Ab-
hängigkeit zur Masse stehen.
Die Aufgabe wurde anforderungsge-
recht gelöst, indem die notwendi-
gen Verstärkungen und Konsolen so
an der vorhandenen Trägerstruktur
angebunden wurden, dass eine all-
seitige Abstützung vorhanden ist.
Bei einem rechteckigen Träger-
querschnitt wird die Krafteinlei-
tungskonsole mit beiden Stegen
und beiden Gurten verbunden.
Dabei sind die Bereiche der oberen
und unteren Gurtbleche der Kraft-
einleitungsstellen, die im Fahrbe-
trieb am höchsten beanspruchten
Bauteile der Karosserie.
Dies bedeutet, dass neben den aku-
stischen Anforderungen auch die
Betriebsfestigkeit eine wesentliche
Rolle spielt. Diese konstruktive Lö-
sung mit den allseitig verschweißten
Konsolen ergab eine hohe örtliche
Steifigkeit mit guter Körperschall-
isolation bei gleichzeitig minimierter
Gewichtszunahme.
Abdichtung, Beschichtung,
Korrosionsschutz
Ein weiteres Highlight der dritten
Baureihe von Porsche ist die Wat-
fähigkeit: Der Cayenne mit Stahl-
federung kann Gewässer mit einer
Tiefe bis zu 500 Millimeter problem-
los durchqueren, mit Luftfederung
sind sogar 555 Millimeter möglich.
Dabei liegt aus Komfortgründen der
Bodenbereich des Fahrzeugs deut-
lich unterhalb der 500 Millimeter-
Linie. Damit der Innenraum wirksam
gegen Wasser geschützt wird, ist
der Schweller nach außen geschlos-
sen und nach innen offen. Der
durchgehende Längsträger liegt
parallel zwischen Schweller und
Tunnel und ist – anders als der
Schweller – nach außen offen und
zum Innenraum hin abgeschottet.
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Gewässer mit einer Tiefe bis zu 555 Millimeter sind für den Cayenne mit Luftfederung keinProblem.
Body Karosseriekonstruktion
Sollte sich im geschlossenen
Schweller Kondenswasser bilden,
kann dies über ein speziell entwik-
keltes Wasserablaufventil abgeleitet
werden, ohne dass sich die Wat-
fähigkeit des Cayenne verringert.
Die für die KTL-Beschichtung der
Karosseriehohlräume notwendigen
Öffnungen werden im Watbereich
durch spezielle Stopfen abgedich-
tet. Diese werden durch Wärme
über einen Schmelzring mit der
Karosserie verklebt. Im Unterboden-
bereich des Cayenne wurde ein so-
genanntes doppeltes Dichtkonzept
realisiert. Dabei wird zusätzlich zur
Nahtabdichtung jeder Punktschweiß-
flansch mit Dichtheitskleber verse-
hen. Die getrennten Füge- und
Dichtebenen wurden erforderlich,
weil man mit innovativen Fügever-
fahren, wie beispielsweise dem
Laserschweißen, arbeitet. Insge-
samt gibt es am Cayenne Klebe-
nähte mit einer Länge von circa
120 Metern, wobei sowohl Dicht-
heitskleber als auch Struktur- und
Festigkeitskleber eingesetzt wer-
den.
Für außergewöhnliche Langlebigkeit
sorgt neben beidseitig verzinkten
Stahlblechen und dem aufwendigen
Oberflächenschutz auch das Versie-
geln der Hohlräume. Beim Cayenne
wurden die Hohlräume durch soge-
nanntes Wachsfluten versiegelt: Die
Räume werden mit Wachs befüllt
und anschließend wieder entleert.
Dadurch wird in schwer zugäng-
lichen Spalten eine bessere Wachs-
durchdringung als beim herkömm-
lichen Sprühverfahren erzielt.
Die aufwendige Abdichtung des
Fahrzeugs hat noch eine weitere
positive Nebenwirkung: Der Innen-
raum des Cayenne ist sozusagen
"staubdicht". Selbst bei stundenlan-
ger Fahrt auf unbefestigten, staubi-
gen Straßen werden Innenraum und
Insassen wirkungsvoll geschützt. ■
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Durch die aufwendige Abdichtung des Fahrzeugs kann selbst bei längerer Fahrt auf unbefestigten Straßen kein Staub in den Innenraum ein-dringen.
Durch die Simulation von Gesprächen bei unterschiedlichen Fahrgeräuschen kann dieQualität gezielt verbessert werden.
Simulation vonGesprächen im Fahrzeug
Steuer- / Analyse-PC
Akustik Messtechnik
KunstkopfAnsteuerung
MobilfunkSimulator
Simulation vonFahrgeräuschen
Signalquelle
Entzerrung
Verstärker
Mit Hilfe einer virtuellen Darstellung werden Sprachsignale visuell analysiert.
Powertrain & Driveline Motorenentwicklung
Cruiser mit Porsche-Power
In Zusammenarbeit mit Porsche
Engineering entstanden eine Reihe
von innovativen und zukunftsorien-
tierten Lösungen – ein Highlight ist
der Antriebsstrang.
Bisher wurden bei Harley-Davidson
alle Serienmotorräder von luftgekühl-
ten Zweiventil-Stoßstangenmotoren
mit einem V-Winkel von 45 Grad an-
getrieben. Bei der V-Rod haben sich
diese Kenngrößen deutlich verändert.
Der neue Motor hat seinen Ursprung
im VR 1000 Rennmotor und verfügt
über Vierventil-Zylinderköpfe mit je
zwei obenliegenden Nockenwellen,
Tassenstößel, Wasserkühlung,
60 Grad V-Bauweise mit Bankver-
satz, Mehrscheibennasskupplung
und Nasssumpfschmierung. Stell-
vertretend für die Gesamtentwick-
lung werden im folgenden Antriebs-
strang und Getriebe vorgestellt.
Kupplung und Antriebsstrang
Wie im Motorrad-Motorenbau üblich,
sind auch bei der V-Rod Motor,
Kupplung und Getriebe in einem
Gehäuse untergebracht. Das Ge-
häuse ist horizontal geteilt und die
Kurbelwelle, Getriebeeingangs- und
Ausgangswelle liegen in der Trenn-
ebene quer zur Fahrtrichtung. Das
Getriebe mit der Schaltbetätigung
befindet sich im hinteren Teil. Eine
Nasssumpfschmierung sichert die
Ölversorgung.
Das Fahrzeugkonzept der V-Rod hat
einen entscheidenden Einfluss auf
die Auslegung der Kupplung. Durch
den langen Radstand, den tiefen
Schwerpunkt und die hohe Vorder-
radlast können auch Gelegenheits-
fahrer sehr hohe Anfangsbeschleu-
nigungen realisieren. Die Gefahr
des Überschlags (Wheely) besteht
bei der V-Rod selbst bei extremen
Beschleunigungen nicht.
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Gemeinsam mit Harley-Davidson entwickelte Porsche Engineering den Power Cruiser V-Rod.
Mit der Entscheidung ein komplett neues Motorrad
zu entwickeln, hat Harley-Davidson gleich mit mehreren
Traditionen gebrochen und den Schritt zur aktuellen
Technologie von Hochleistungsmotoren gewagt.
Motorenentwicklung Powertrain & Driveline
In Versuchen wurde kurzzeitig eine
Maximalbeschleunigung von bis zu
1,3 g gemessen. Ein Wert, der nur
von sehr wenigen Motorrädern er-
reicht werden kann. Diese Fähigkeit
zur Beschleunigung erfordert eine
Kupplung, die den extremen Anforde-
rungen gewachsen ist. Vergleichs-
messungen haben gezeigt, dass
Einkuppelzeiten, Einkuppeldrehzah-
len und Motorlasten bei leistungs-
starken Sportmotorrädern deutlich
niedriger liegen, als bei der V-Rod.
Die Überschlagsneigung dieser
Motorräder begrenzt aber die Be-
schleunigungsmöglichkeit. Anders
bei der V-Rod: Hier kann mit maxi-
maler Drehzahl und Vollast der
Gang eingelegt werden, ohne dass
das Vorderrad schwer kontrollierbar
aufsteigt.
Die Neunscheibenkupplung der
V-Rod läuft im Motoröl und hat
einem mittleren Reibdurchmesser
von 130 Millimeter. Die Aluminium-
belagscheiben besitzen aufgeklebte
Einzelpads, die Mitnehmerscheiben
sind aus Stahlblech. Der äußere und
der innere Kupplungskorb werden
im Aluminiumdruckguss hergestellt.
Fünf im Innenkorb plazierte Federn
verspannen die Kupplungsscheiben.
Die Betätigung erfolgt über einen
hydraulischen Kupplungsnehmer-
zylinder, der im Kupplungsdeckel
befestigt ist.
Der Primärtrieb von der Kurbelwelle
zur Getriebeeingangswelle erfolgt
über zwei geradverzahnte Stirn-
räder, deren Zahnflankenspiel mit
einem Verspannzahnrad ausge-
glichen wird. Ein integrierter Ruck-
dämpfer reduziert Drehmoment-
spitzen, die durch ungleichförmiges
Drehen, hartes Einkuppeln, Schalt-
schläge oder Extrembelastungen
(Misuse) hervorgerufen werden kön-
nen.
Die sehr hohe Wärmebelastung der
Kupplungsscheiben bei extremer
Beschleunigung erfordert eine spe-
zielle Abstimmung des Schmiersy-
stems. Kammern in der Kupplungs-
nabe ermöglichen es, die neun
Reibscheiben entsprechend ihrer
thermischen Belastung mit der er-
forderlichen Ölmenge zu versorgen.
Auf der Basis von extremen Be-
schleunigungsversuchen und
Schleppmomentmessungen wurde
die jeweilige Ölmenge festgelegt.
Durch Resonanzen im Antriebs-
strang kann es zu einer hohen
Belastung der Bauteile – von der
Kurbelwelle bis zum Hinterrad –
kommen. Deshalb war eine schwin-
gungstechnische Abstimmung not-
wendig. Die Anregung erfolgte
durch ungleichförmiges Drehen des
Motors und den sehr steifen Zahn-
riemenabtrieb zum Hinterrad. Der
verwendete Zahnriemen ist zwar
wartungsarm, hat aber im Vergleich
zum Kettentrieb eine doppelt so
hohe Steifigkeit, die zu sehr hohen
Lastspitzen im Antriebsstrang führt.
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Kupplung auf Getriebe-Eingangswelle
Powertrain & Driveline Motorenentwicklung
Mit einem Antriebsdämpfer im
Hinterrad, einer in Versuchen abge-
stimmten Kurbeltriebschwungmasse
und einer wirkungsvollen Ruckdämp-
fung in der Kupplung konnten die
Belastungen auf bauteilverträgliche
Werte gesenkt werden. Darüber hin-
aus überzeugt der Antriebsstrang
der V-Rod durch ein exzellentes
Lastwechselverhalten im Fahrbetrieb.
Getriebe
Beim Getriebe handelt es sich um
ein klauengeschaltetes Fünf-Gang-
Getriebe in "klassischer" Zwei-Wel-
lenbauweise mit sequenzieller
Schaltung. Sämtliche Schaltungs-
komponenten sind im Unterteil des
Kurbelgehäuses eingebaut, die
Getriebewellen liegen in der Trenn-
ebene der beiden Gehäusehälften.
Eine Distanzierung beziehungsweise
Einstellung der Getriebewellen oder
Schaltungsteile zum jeweiligen Kur-
belgehäuse ist nicht erforderlich.
Ausgelegt ist das Getriebe für ein
Eingangsdrehmoment von
200 Newtonmeter.
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Längs- und Querschnitt des Antriebs
Ein Highlight des Cruisers ist der Antriebsstrang.
Schaltbetätigung mit Schaltwalze aushochfestem Aluminium
Motorenentwicklung Powertrain & Driveline
Der Radsatzaufbau ist eine Kombi-
nation aus Schrägverzahnung in
den für den Geräuschtest relevan-
ten Gängen 2, 3 und 4 (4. Gang ab
2004/05 in Japan) sowie Gerad-
verzahnung im 1. und 5. Gang. Mit
dieser Festlegung konnte das Ge-
räuschniveau in der Vorbeifahrt um
2 dB reduziert werden. Sämtliche
Schalträder sind nadelgelagert. Die
Koppelung mit der Welle erfolgt
konventionell über Schiebemuffen in
den Gängen 1, 3, 4 und 5 sowie
über seitliche Klauen am geradver-
zahnten Schieberad 5. Gang für den
2. Gang. Die Lagerung der Wellen
ist als Fest-/Loslagerung mit ent-
sprechender Dimensionierung für
die aufzunehmenden Axial- und Ra-
dialkräfte ausgeführt. Abtriebsseitig
müssen neben den Getriebezahn-
kräften auch die Zahnriemenkräfte
abgefangen werden, hier kommt als
Festlager ein zweireihiges Rillen-
kugellager zum Einsatz.
Die Schaltwalze ist auf einer Stahl-
achse gelagert und besteht aus
einer hochfesten Aluminiumlegierung
mit eingefrästen Schaltbahnen. Sie
wird über die Schaltbetätigung in
die jeweilige Schaltstellung gedreht.
Gleichzeitig trägt die Schaltwalze
auch den Überschaltschutz sowie
den Mechanismus zur Gangrastie-
rung. Federkräfte und Kinematik
sind hierbei auf eindeutiges Feed-
back für den Fahrer sowie komfor-
table Bedienkräfte ausgelegt.
Die Schaltgabel 4./5.-Gang ist ein
Aluminiumdruckgussteil, die Gabeln
1./3.-Gang und 2.-Gang sind Stahl-
schmiedeteile mit einer Messing-
gleitschicht an den Kontaktflächen.
Die Kooperation zwischen Porsche
Engineering und Harley-Davidson
hat zu einem überragendem Ergeb-
nis geführt: Mit der Markteinführung
der V-Rod wurde das Segment der
Power Cruiser neu definiert. Die
Kombination von Merkmalen, die
sonst nur für Cruiser und Dragster
typisch sind, mit den Fahrleistungen
eines Sportbikes ist auf dem Markt
zur Zeit einzigartig. ■
19
Im Gehäuse montiertes Getriebe
Unmontiertes Getriebe
Styling Virtuelles Design
Porsche Styling – ein virtueller Blick in die Zukunft
Der Raum ist abgedunkelt. Eine
Gruppe von Spezialisten hat sich
vor der großen Projektionsleinwand
versammelt, um das Styling eines
neuen Fahrzeugs zu beurteilen – an
einem virtuellen Modell. Es sind alle
Einzelheiten zu erkennen: Außen-
form und Innenraum, Motor, Achsen,
Oberflächentexturen und Details.
In Wirklichkeit existiert dieses Fahr-
zeug jedoch noch nicht. Die perfek-
ten Spiegelungen und Highlights auf
der scheinbar makellos lackierten
Oberfläche sind eine Illusion. Das
virtuelle Modell wird mit einer Spe-
zial-Software, die komplexe Daten-
modelle in Echtzeit realistisch dar-
stellt, erzeugt. Durch die leicht
getönten Glasflächen ist ein voll-
ständiges Interieur in seeblauem
Leder zu erkennen. Jemand möchte
wissen, wie der Innenraum in einer
hellen Ausstattungsfarbe wirkt. Die
Antwort kommt im Bruchteil einer
Sekunde per Mausklick. Design-
Alternativen lassen sich auf diese
Weise im Handumdrehen darstellen.
20
Virtuelles Interieurmodell: Material- und Farbvarianten gibt es per Mausklick.
Auch beim Styling sind digitale Medien heute nicht
mehr wegzudenken. Bei Porsche Engineering sind
alle diejenigen, die an einem Entwicklungsprojekt
beteiligt sind, miteinander vernetzt – auch standort-
übergreifend. Diese digitale Arbeitsplattform spart
bei der Entwicklung Zeit und Geld.
Virtuelles Design Styling
Augenblicke später strahlt der Dreh-
zahlmesser in zigfacher Vergröße-
rung über die gesamte Projektions-
fläche – die Typographie auf dem
Ziffernblatt steht zur Diskussion.
Virtual Reality gehört bei Porsche
Engineering zum Entwicklungsalltag
– auch beim Design, wo die Grund-
lagen für alle weiteren Entwicklungs-
schritte gelegt werden. In vielen
Design-Studios hat sich aber her-
ausgestellt, dass der dogmatische
Umgang mit digitalen Medien den
Entwicklungsprozess eher negativ
beeinflusst. Dies geschieht beson-
ders dann, wenn man die hohen
Investitionen für CAS-Einrichtungen
(Computer Aided Styling) möglichst
schnell zurückerhalten möchte und
deshalb unabhängig von der Auf-
gabenstellung ausschließlich diese
Geräte verwendet. Die CAS-Aus-
rüstungen eignen sich aber nicht für
alle Schritte im Designprozess. Setzt
man sie trotzdem ein, entstehen zu-
sätzliche Schleifen, die aber nicht
unbedingt zum gewünschten Ergeb-
nis führen. Dabei verliert man Zeit
und Geld.
Bei Porsche Engineering werden
deshalb die digitalen Möglichkeiten
zusammen mit allen anderen Arbeits-
techniken als eine Art "Toolbox” ver-
wendet. Je nach Aufgabenstellung
wird das dafür am besten geeigne-
te Werkzeug eingesetzt, ohne dabei
Gesamtentwicklung und Schnittstell-
en mit anderen Bereichen außer Acht
zu lassen. Nur diese Vorgehens-
weise garantiert, dass am Ende der
Entwicklung ein zuverlässig funktio-
nierendes Produkt steht. Und für
die Porsche-Stilisten ist das nicht
immer ein Automobil: Das Spektrum
der Produkte reicht vom Windkraft-
werk bis zum Großraumflugzeug.
Schnell von der Skizze
zum gefrästen Modell
In der ersten Phase des Designs
entstehen die ersten Skizzen von
Hand. Dabei werden Ideen zu Papier
gebracht und Themen definiert. Be-
reits wenn es zur Illustration dieser
Skizzen kommt, werden digitale Me-
dien eingesetzt. Die lockeren Linien-
zeichnungen werden mit Hilfe eines
Scanners in ein Illustrationspro-
gramm kopiert. Dort entstehen dann
mit dem elektronischen Zeichenstift
die farbig angelegten Designentwür-
fe, sogenannte Renderings.
Mit Hilfe des Computer-Modells kann
in kurzer Zeit ein erstes 3D-Modell
erarbeitet werden, an dem Propor-
tionen verifiziert und wichtige Form-
themen überprüft werden können.
21
Die ersten Design-Skizzen werdengescannt und mit dem elektronischenZeichenstift farbig bearbeitet.
3D-Traktormodell: Seit über 20 Jahren beschäftigt sich Porsche Stylingauch mit dem Design von Industriefahrzeugen.
Styling Virtuelles Design
Außerdem kann man ohne großen
Aufwand zusätzliche Varianten zei-
gen. Diese konzeptionellen 3D-
Modelle werden vor allem innerhalb
der Design-Abteilung genutzt und
eignen sich aufgrund ihres geringen
Detaillierungsgrads noch nicht für
Präsentationen. Allerdings bieten
sich solche einfachen Datenmodelle
als Vorlage für Renderings an. Ihren
Feinschliff bekommen die einzelnen
Darstellungen dann in einem Illustra-
tionsprogramm.
Designthemen, die in dieser Phase
ausgewählt werden, können im
nächsten Schritt detaillierter im
Computer modelliert werden. Dabei
soll ein möglichst realistisches digi-
tales Modell geschaffen werden,
dessen Formen und Oberflächen so
echt wirken, dass das Design ohne
störende Nebeneffekte beurteilt
werden kann.
Ganz entscheidend ist in dieser
Arbeitsphase auch, dass das Com-
putermodell alle technischen Rand-
bedingungen berücksichtigt. Um
dies zu gewährleisten, werden von
den Package-Ingenieuren sogenann-
te Grenzflächen-Daten importiert,
die Bauteil-Kollisionen oder Verlet-
zung von Freiräumen sofort sicht-
bar machen. Wenn das Modell am
Bildschirm einen Reifegrad erreicht
hat, der keine Fehler mehr erken-
nen lässt, wird ein Modell nach
Daten gefräst.
Datentransfer durch Scanner
Das virtuelle Modell ist für einen
konsequenten digitalen Design- und
Entwicklungsprozess entscheidend.
Es bildet die Grundlage für die
Kommunikation zwischen den betei-
ligten Entwicklungsabteilungen und
wird deshalb ständig aktualisiert.
Bei diesem Prozess dient das physi-
sche Modell in erster Linie zur Veri-
fizierung der Daten.
Selbst wenn Änderungen aufgrund
ihrer Komplexität am physischen
Modell durchgeführt werden, müs-
sen diese neuen Formen umgehend
wieder ins digitale Modell einfließen.
Um die Daten vom Modell schnell
wieder in den Computer einzuspei-
sen, wird ein flexibler und leistungs-
fähiger Scanner eingesetzt. Er ist
eines der wichtigen Werkzeuge in
der Styling-Toolbox. Für Automobil-
entwicklungen kommt ein solcher
Scanner beispielsweise auch nach
Windkanalversuchen zum Einsatz.
Die Änderungen, die am Windkanal-
modell vorgenommen wurden, las-
sen sich vom Scanner schnell erfas-
sen und können so von den Stilisten
ins Designmodell eingearbeitet wer-
den, ohne ihre aerodynamische
Wirksamkeit einzubüßen. ■
22
Rendering: 2D-Fahrzeugskizze aus dem Computer
Fahrzeug-Ergonomie gehört zu denKernkompetenzen von Porsche Styling –auch bei Zweirädern.
Carrera GT Insights
Hochleistungs-Sportwagen mit Zukunfts-Technologien
Die Optik und gesamte Statur des
Carrera GT verrät auf den ersten
Blick, dass die Gene dieses Fahr-
zeugs im Motorsport liegen. Der
Zehnzylinder-Motor mit Trocken-
sumpfschmierung hat 5,7 Liter Hub-
raum. Die maximale Leistung be-
trägt 450 kW (612 PS) bei 8000
Umdrehungen pro Minute, das maxi-
male Drehmoment 590 Nm. Die
Höchstgeschwindigkeit wird bei
330 Kilometern pro Stunde erreicht.
Von Null auf 100 km/h beschleunigt
er in 3,9 Sekunden, die Parade-
Disziplin von Null auf 200 km/h
absolviert der Carrera GT in 9,9 Se-
kunden. Die optimale Übersetzung
der Antriebskraft übernimmt ein
eigens entwickeltes und manuell
schaltbares Sechs-Gang-Getriebe.
Erstmals bei Straßen- und Rennfahr-
zeugen wird ein neues Konstruk-
tions-Konzept – sowohl das Mono-
coque als auch der gesamte
Aggregateträger bestehen aus koh-
lefaserverstärktem Kunststoff (CfK)
– realisiert. Dieses wegweisende
Prinzip hat Porsche zum Patent an-
gemeldet. Nur der Werkstoff Karbon
schafft in aufwendiger Verarbeitung
die Voraussetzungen, um höchste
Fahrleistung und Fahrdynamik mit
minimalem Gewicht bei maximaler
Steifigkeit zu verbinden.
Bei realisierbaren Geschwindigkei-
ten von über 300 km/h spielt die
Aerodynamik eine entscheidende
Rolle. Um möglichst hohe Abtriebs-
Beiwerte (sogenannter "Down Force")
zu realisieren, hat der Carrera GT
eine Unterbodengeometrie, wie
man sie in ähnlicher Form nur bei
reinrassigen Rennsportwagen kennt.
Der völlig verkleidete Unterboden
aus Kohlefaser sorgt mit einem
Heck-Diffusor und den Strömungs-
kanälen für einen zusätzlichen An-
saugeffekt.
Verzögert wird der Carrera GT von
der Porsche Ceramic Composite
Brake. Für die Kraftübertragung
sorgt eine Weltneuheit: die Keramik-
Kupplung PCCC (Porsche Ceramic
Composite Clutch). PCCC zeichnet
sich durch hohe Leistungsfähigkeit,
geringe Ausmaße und enorme Halt-
barkeit aus.
Auf dem Genfer Automobil-Salon
werden mit dem Carrera GT auch
die neuesten Technologien der
Öffentlichkeit präsentiert. Porsche
Engineering wird ebenfalls auf dem
Porsche-Messestand präsent sein
und über Technik, Werkstoffe sowie
das gesamte Engineering-Dienst-
leistungsangebot informieren. ■
23
Der Werkstoff Karbon war bei der Konstruktion des Carrera GT ausschlaggebend. Durch auf-wendige Verarbeitung kann man so höchste Fahrleistung mit minimalem Gewicht bei maximalerSteifigkeit verbinden.
Mit dem Carrera GT dokumentiert Porsche nicht nur die technischen Möglich-
keiten, die heute im Sportwagen-Bau möglich sind, sondern gibt auch einen
Ausblick auf mögliche künftige Technologien. Beim Genfer Automobil-Salon im
März wird der Carrera GT erstmals der Öffentlichkeit gezeigt.
Insights GT3
Noch mehr Leistung, Fahrspaß und Sicherheit
Der neue GT3 leistet mit 280 kW
(381 PS) 21 PS mehr als das Vor-
gänger-Modell und erreicht damit
eine Höchstgeschwindigkeit von
306 km/h. Die Literleistung von
77,8 kW macht den 3,6 Liter-
Boxermotor zu einem der stärksten
Saugmotoren seiner Klasse welt-
weit. Für die Parade-Disziplin von
0 auf 200 km/h benötigt der GT3
lediglich 14,3 Sekunden.
Das Mehr an Leistung wird durch
eine gezielte Drehzahlerhöhung rea-
lisiert. Der rote Bereich des Dreh-
zahlmessers beginnt – gangabhän-
gig – jetzt erst bei 8200/min.
Damit dreht der neue 911 GT3 bis
zu 400 Umdrehungen mehr als das
Vorgänger-Modell, wovon vor allem
auch das Spurtvermögen profitiert.
Aus dem Stand auf 100 km/h
beschleunigt der Neue in 4,5
Sekunden, das sind drei
Zehntelsekunden schneller als beim
Vorgänger. Bis 160 km/h sind es
statt bisher 10,2 Sekunden künftig
nur noch 9,4 Sekunden. Bereits ab
2000 Umdrehungen liegen minde-
stens 80 Prozent des maximalen
Drehmoments von 385 Nm (vorher:
370 Nm) an. Um diesen Leistungs-
zuwachs bewältigen zu können,
wurde das Getriebe mit einer Ge-
triebeölkühlung und Spritzölschmie-
rung versehen sowie in wesent-
lichen Teilen verstärkt.
Nochmals verbessert haben die Tech-
niker die Bremsanlage. An der Vor-
derachse erhielt der GT3 leistungs-
fähigere 6-Kolben-Bremssättel (bis-
her 4-Kolben) in Monobloc-Bauweise.
Die vorderen Scheiben wuchsen um
20 Millimeter auf einen Durchmes-
ser von 350 Millimeter und sind mit
von Porsche patentierten Kühlkanä-
len ausgerüstet. Das ABS-Brems-
system wurde ebenfalls modifiziert.
Das neue System (ABS 5.7) zeich-
net sich durch noch schnelleres und
feinfühligeres Regelverhalten aus.
Die weiteren Vorteile: geringeres
Gewicht und eine erhöhte Fahrzeug-
stabilität bei ABS-Bremsungen.
Optisches Erkennungsmerkmal des
neuen GT3 ist der dominante Heck-
flügel. Er ist mehrfach verstellbar
und maßgeblich für den beeindruk-
kenden Geradeauslauf bei hohen
Geschwindigkeiten sowie den erhöh-
ten Anpressdruck in schnell gefah-
renen Kurven verantwortlich. Neu
gestaltet wurde auch die Bugver-
kleidung. Der GT3 erreicht somit
einen für diese Fahrzeugklasse her-
vorragenden Luftwiderstands-Bei-
wert von cw=0,30. Im März 2003
kommt der neue 911 GT3 in Europa
auf den Markt. ■
24
Die Ingenieure im Porsche-Entwicklungszentrum
Weissach haben den GT3 in allen Bereichen über-
arbeitet. Das pure Fahrerlebnis, hohe Fahrsicherheit
und konsequenter Leichtbau standen dabei an erster
Stelle.
Der dominante Heckflügel ist das Erkennungsmerkmal des neuen GT3.
Kompetenzzentrum VR Insights
Virtuelle Realität und Kooperatives Engineering
Ziel ist, dass innovative Unternehmen
die neuesten VR-Technologien nutzen
können und Fachwissen schnell zwi-
schen den beteiligten Partnern ausge-
tauscht werden kann.
Für die Fertigungsindustrie ist
Schnelligkeit einer der wichtigsten
Wettbewerbsvorteile. Rapid Proto-
typing, 3D-CAD, vernetzte Konstruk-
tionen sowie numerische Simulations-
verfahren haben die Entwicklungspro-
zesse bereits stark beschleunigt. Mit
Hilfe von Virtual Reality können die
Ergebnisse des computerunterstütz-
ten Entwicklungsprozesses realitäts-
nah und interaktiv sichtbar gemacht
werden. Man verzichtet auf teure
Prototypen und gewinnt dadurch Zeit
– auch weil Fehler schneller erkannt
und behoben werden können.
Das Kooperationsprojekt ViRCE bietet
nun Unternehmen, Hochschulen und
Forschungseinrichtungen im Raum
Stuttgart eine Kommunikationsplatt-
form sowie hochwertige VR-Anlagen
und Technologien. So finden neueste
Erkenntnisse aus der Forschung
schnell den Weg in die Praxis.
Ein intensiver Informationsaustausch
zwischen Forschung, Anbietern und
Anwendern intensiviert das Know-how.
So kann die Technologie auf dem
Gebiet der Virtuellen Realität und des
kooperativen Engineerings schneller
und praxisorientierter zum Einsatz
kommen.
In einem Demo- und Dienstleistungs-
Center (DDC) können Unternehmen
VR-Anlagen nutzen, Präsentationen
durchführen oder Daten für VR-Demos
(CAD/CAE/VRML-Daten) und VR-Ani-
mationen aufbereiten lassen. So ha-
ben auch kleine und mittlere Unter-
nehmen die Möglichkeit, die modern-
sten Technologien auf dem Gebiet
der Virtuellen Realität zu nutzen und
schnell zu einer leistungsfähigen
Lösung zu kommen.
Das Kompetenzzentrum mit Sitz in
Fellbach wurde auf Initiative der Wirt-
schaftsförderung Raum Stuttgart ge-
gründet und wird als wirtschaftlicher
Verein geführt. An dem Kooperations-
projekt beteiligen sich Unternehmen
aus der Automobil- und Zulieferindu-
strie, der Informationsverarbeitung
sowie Hochschul- und Forschungs-
einrichtungen.
Porsche ist im Vorstand des neu ge
gründeten Kompetenzzentrums ver-
treten. Damit hat auch Porsche
Engineering direkten Zugriff auf die
Ressourcen des ViRCE und kann
dem Kompetenzzentrum langjährige
Erfahrungen aus der Entwicklungs-
arbeit zur Verfügung stellen. ■
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Gerade im Raum Stuttgart findet man zahlreiche füh-
rende Entwickler im Bereich Virtuelle Realität (VR)