Top Banner
Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Funktionen, Erwerb und Änderung von Einstellungen in den Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie Siegfried Schumann
26

Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Funktionen, Erwerb und Änderung von Einstellungen in den Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie Siegfried.

Apr 05, 2015

Download

Documents

Bonifaz Gibert
Welcome message from author
This document is posted to help you gain knowledge. Please leave a comment to let me know what you think about it! Share it to your friends and learn new things together.
Transcript
Page 1: Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Funktionen, Erwerb und Änderung von Einstellungen in den Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie Siegfried.

Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung:

Funktionen, Erwerb und Änderung

von Einstellungen

in den Paradigmen der

Persönlichkeitspsychologie

Siegfried Schumann

Page 2: Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Funktionen, Erwerb und Änderung von Einstellungen in den Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie Siegfried.

2

Funktionen von Einstellungen (Überblick)

• Wissens- / Ökonomiefunktion– generell: Hilfe bei Informationsverarbeitung – Organisation und Strukturierung von Erfahrungen und

Umwelteinflüssen– Beschleunigung von Beurteilungsprozessen

• Ich-Verteidigung (Aufrechterhaltung des Selbstwertgefühls)– Projektion negativer Einstellungen auf Einstellungsobjekt →

Selbstentlastung

• Instrumentelle, utilitaristische Anpassungsfunktion– Erreichung wünschenswerter / Vermeidung nicht wünschenswerter

Sachverhalte

• Wertausdruck / Funktion der sozialen Identität– Bedürfnis nach „Selbstkategorisierung“– Bestätigung des entsprechenden Selbstkonzepts

Page 3: Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Funktionen, Erwerb und Änderung von Einstellungen in den Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie Siegfried.

3

Psychoanalytisches Paradigma: Grundannahmen I

• Angeborene Triebe (im Sinne körperlicher Spannungszustände)

– Freud: Hauptsächlich Sexualtrieb (Libido); später auch Aggressionstrieb

– „Reservoir“ an psychischer Energie

– bei „Entladung“ fließt psychische Energie (Triebbefriedigung)

– psychische Energie kann auch „umgeleitet“/“umgewandelt“ werden

– Fluss/Verarbeitung psychischer Energie = Grundlage des „Seelenlebens“

• Psychische Instanzen

– Es (repräsentiert die Triebe / Lustprinzip)

– Über-Ich (verinnerlichte Normen/Werte; fordert vom Ich deren Einhaltung)

– Ich (vermittelt zwischen Es, Über-Ich und Außenwelt / Realitätsprinzip)

Page 4: Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Funktionen, Erwerb und Änderung von Einstellungen in den Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie Siegfried.

4

Psychoanalytisches Paradigma: Grundannahmen II

• Zentrale Rolle der Angstvermeidung bei der „Charakterentwicklung“

– Ich wird durch Reize, die es nicht mehr bewältigen kann, „überflutet“

– Solche Reize können aus dem Es, dem Über-Ich oder der Außenwelt

stammen(neurotische Angst / Gewissensangst / Realangst; subjektiv empfundene Gefahr!)

• Abwehrmechanismen (Auswahl!)

– Verschiebung (Objekt der Triebbefriedigung wird ersetzt)

– Projektion (… angsterregender Impulse auf andere Personen/Objekte)

– Reaktionsbildung (Verkehrung angsterregender Impulse ins Gegenteil)

– Verdrängung (… innerer/äußerer angsterregender Impulse ins Unbewußte)

– Verleugnung (… angsterregender Impulse/Reize aus der Außenwelt)

– Rationalisierung (… unakzeptablen eigenen Verhaltens)

Page 5: Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Funktionen, Erwerb und Änderung von Einstellungen in den Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie Siegfried.

5

Psychoanalytisches Paradigma: Kritik

• „frühkindliche Entwicklung“ zentral, aber kaum untersucht

• klinischer Bereich / Neurosenbehandlung → Normalbürger

• „Therapie-Erfolge“ als Bestätigung des Ansatzes problematisch– Spontanremission / Wirkung von Aufmerksamkeit/Zuwendung– Interaktive Prozesse bei Therapiesitzungen / self-fulfilling prophecies

• Operationalisierung zentraler Begriffe kaum machbar(z.B. Psychische Energie, neurotische Angst, Projektion …)

• „Scheitern an der Realität“ kaum möglich– so gut wie alle Phänomene im Nachhinein „erklärbar“ / i.d.R. keine

Prognosen– Gefahr der Immunisierung (z.B. „Widerstand“ bei Therapiesitzungen)

• Ergebnisse der (seltenen) empirischen Prüfungen:– wichtige Teile (z.B. „Phasenlehre“) nicht haltbar (vgl. Asendorpf 1996: 22-26)

allerdings:– Einige Annahmen konnten bestätigt werden, insbes.:

Vorstellung, ein Großteil der psychischen Prozesse laufe unbewusst ab

Annahme von Abwehrmechanismen gegen bedrohliche Impulse/Reize

Page 6: Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Funktionen, Erwerb und Änderung von Einstellungen in den Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie Siegfried.

6

Psychoanalytisches Paradigma: Implikationen

• Rationale Prozesse bleiben weitgehend „ausgeblendet“

• Unser Verhalten (aus dem Einstellungen zu erschließen sind!)ist letztlich durch (unbewusste) Triebe motiviert

• Zentrale Bedeutung der „typischen Triebdynamik“ (hochkomplexes System)– wichtigstes Kennzeichen einer Person!

(„Persönlichkeit/Einstellungsstrukturen!“)

– kann nahezu unendlich viele Ausprägungen annehmen – Merkmale empirisch kaum erfassbar → erhebliche

Messprobleme zu erwaren!

• „Einstellung“: Nebenprodukt der Triebdynamik

Page 7: Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Funktionen, Erwerb und Änderung von Einstellungen in den Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie Siegfried.

7

Funktionen von Einstellungen (Überblick)

• Wissens- / Ökonomiefunktion– generell: Hilfe bei Informationsverarbeitung – Organisation und Strukturierung von Erfahrungen und Umwelteinflüssen– Beschleunigung von Beurteilungsprozessen

• Ich-Verteidigung (Aufrechterhaltung des Selbstwertgefühls)– Projektion negativer Einstellungen auf Einstellungsobjekt →

Selbstentlastung („Abwehrmechanismus“; z.B.: „Sündenböcke“)

• Instrumentelle, utilitaristische Anpassungsfunktion – Erreichung wünschenswerter / Vermeidung nicht wünschenswerter

Sachverhalte – Realitätsprinzip (Ich)!

• Wertausdruck / Funktion der sozialen Identität– Bedürfnis nach „Selbstkategorisierung“– Bestätigung des entsprechenden Selbstkonzepts

Page 8: Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Funktionen, Erwerb und Änderung von Einstellungen in den Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie Siegfried.

8

Behavioristisches Paradigma: Grundannahmen

• Mensch wird als weitgehend „unbeschriebenes Blatt“ geboren(lediglich einige angeborene Reflexe + ungerichtete Spontanaktivität)

• abgesehen davon ist menschliches Verhalten erlernt

• drei grundsätzliche Lernmechanismen:– klassisches Konditionieren (Iwan Petrowitsch Pawlow, 1849-1936)

– operantes Konditionieren (Burrhus Frederic Skinner, 1904-1990)

– Beobachtungs- / Nachahmungs-/ Modell-Lernen (Albert Bandura, geb. 1925)

• Lerngesetze gelten universell– keine interindividuellen Unterschiede– unabhängig von der Art der involvierten Reize und der Art der Reaktion

• „Lernen“ = Herstellung von Verbindungen: Reiz ↔ Reaktion (zeitliche Nähe!)

• menschliches Verhalten = f (Art und Ausprägung der erlebten

Umweltreize)

• menschliches Verhalten nahezu beliebig manipulierbar (Lerngesetze!)

• rationale Prozesse spielen kaum eine Rolle

Page 9: Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Funktionen, Erwerb und Änderung von Einstellungen in den Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie Siegfried.

9

Behavioristisches Paradigma: Kritik I

• Artspezifische Dispositionen beim Lernen – Dinge zu bestimmten Zeitpunkten zu lernen (Sprache)– Erlernen von Geschmacksaversionen (Übelkeit ↔ „richtige“ Reize)– Inhalt des Gelernten (Angst vor Schlangen vs. vor Autos)– Prägung (bei Tieren)

• Verhaltensdispositionen, die mit Lerngesetzen kaum erklärbar

sind– Jungsäuger laufen bei Gefahr zur Mutter. Strafe bekräftigt

Folgereaktion! – Strafen beim Hahn: ▫ Imponieren → Strafe → Abgewöhnung

▫ submmissives Verhalten → Strafe → Verstärkung

• Lernen generell persönlichkeitsabhängig– Unterschiede in: Intelligenz, Vorwissen, Lernstrategien,

Lernmotivation …– All dies müsste erlernt sein; unwahrscheinlich (vgl. Asendorpf 1996: 33)

• Neugeborene in keinster Weise „unbeschriebenes Blatt“– Bestenfalls durch „pränatales Lernen“ erklärbar (vgl. Asendorpf 1996: 32)

Page 10: Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Funktionen, Erwerb und Änderung von Einstellungen in den Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie Siegfried.

10

Behavioristisches Paradigma: Kritik II

• Prozesse im Organismus werden ausgeblendet (black box)

• planvolles Handeln (über die momentane Situation hinaus)

kaum erklärbar

• Menschen sind i.d.R. nicht ausschliesslich „Opfer“ der

Situation sondern …– suchen Situationen aktiv auf und vermeiden andere– versuchen, Situationen aktiv zu beeinflussen / verändern

• Laborexperimente sind asymmetrisch angelegt – auch andere Interpretationen der Ergebnisse möglich

Page 11: Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Funktionen, Erwerb und Änderung von Einstellungen in den Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie Siegfried.

11

Behavioristisches Paradigma: Kritik II

(aus: Asendorpf 1997: 31)

Page 12: Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Funktionen, Erwerb und Änderung von Einstellungen in den Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie Siegfried.

12

Behavioristisches Paradigma: Kritik II

• Prozesse im Organismus werden ausgeblendet (black box)

• planvolles Handeln (über die momentane Situation hinaus) kaum

erklärbar

• Menschen sind i.d.R. nicht ausschliesslich „Opfer“ der Situation sondern

…– suchen Situationen aktiv auf und vermeiden andere– versuchen, Situationen aktiv zu beeinflussen / verändern

• Laborexperimente sind asymmetrisch angelegt – auch andere Interpretationen der Ergebnisse möglich– relevant bei menschlicher Interaktion (Erziehung!)

• Forschungsergebnisse lassen einfache Annahmen unwahrscheinlich

erscheinen– Entwicklungsgeschichte des Gehirns vom Reptil zum Säuger

(Spuren: unterschiedliche Strukturen / unterschiedliche Chemie)– Forschungen zu neuronalen Netzen:

unterschiedliche biologische Netzwerktypen innerhalb des Zentralnervensystems

• Ansatz aus praktischen Gründen kaum empirisch prüfbar– z.B.: Verhalten einer 40-jährigen Frau!

Page 13: Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Funktionen, Erwerb und Änderung von Einstellungen in den Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie Siegfried.

13

Behavioristisches Paradigma: Implikationen

• Unser Verhalten (aus dem Einstellungen zu erschließen sind!) ist letztlich erlernt (d.h.: Einstellungen sind letztlich erlernt!)

• Rationale Prozesse bleiben weitgehend „ausgeblendet“

• Einstellungskomponenten (affektiv / kognitiv / konativ)

schwer erklärbar(„black box“)

• „Einstellung“: erlerntes Verhalten gegenüber der

Einstellungsobjekt

Page 14: Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Funktionen, Erwerb und Änderung von Einstellungen in den Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie Siegfried.

14

Funktionen von Einstellungen (Überblick)

• Wissens- / Ökonomiefunktion– generell: Hilfe bei Informationsverarbeitung – Organisation und Strukturierung von Erfahrungen und

Umwelteinflüssen– Beschleunigung von Beurteilungsprozessen

• Ich-Verteidigung (Aufrechterhaltung des Selbstwertgefühls)– Projektion negativer Einstellungen auf Einstellungsobjekt →

Selbstentlastung

• Instrumentelle, utilitaristische Anpassungsfunktion – Erreichung wünschenswerter / Vermeidung nicht wünschenswerter

Sachverhalteallerdings: eher „reaktiv“

• Wertausdruck / Funktion der sozialen Identität– Bedürfnis nach „Selbstkategorisierung“– Bestätigung des entsprechenden Selbstkonzepts

Page 15: Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Funktionen, Erwerb und Änderung von Einstellungen in den Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie Siegfried.

15

Bonmot (zu den beiden Ansätzen)

• Was ist Psychologie?Nach einer schwarzen Katze in einem stockdunklen Zimmer suchen

• Was ist Psychoanalyse?Nach einer schwarzen Katze in einem stockdunklen Zimmer suchen,in dem keine schwarze Katze ist – aber trotzdem eine finden

• Was ist Behaviorismus?Zu glauben, in einem stockdunklen Zimmer könne man keine schwarze Katze finden

(nach: Asendorpf, 2007: 35)

Page 16: Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Funktionen, Erwerb und Änderung von Einstellungen in den Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie Siegfried.

16

Eigenschaftsparadigma: Grundannahmen

• stabile Beziehungen: Situation (subjektiv wahrgenommen!) ↔ Reaktion– transsituative Konsistenz– zeitlich stabile Reaktionsprofile

• Eigenschaft: „nur beschreibend“ vs. „biophysische Existenz“(Auswirkung auf Erklärungskraft!)

• Verhalten = f (Situation + Eigenschaftsausprägung)(Schwierigkeiten, wenn mehrere Eigenschaften im Spiel sind!)

• je „breiter“ die Eigenschaft, desto schwieriger die Erklärung spez.

Verhaltens

• zeitliche Stabilität von Eigenschaften:– zumindest mittelfristig zeitlich stabil– langfristige Änderungen nicht ausgeschlossen

• Persönlichkeitseigenschaften:– hoch generalisierte Eigenschaften (Unterschiede innerhalb einer

Population!)– Variablenwerte populationsabhängig / Δ Fragestellung ↔ Δ

Referenzgruppe– Persönlichkeit = organisierte Gesamtheit der Persönlichkeitseigenschaften

jew. „mittlere Tendenz“

Page 17: Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Funktionen, Erwerb und Änderung von Einstellungen in den Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie Siegfried.

17

Eigenschaftsparadigma: Kritik

• Gefahr der Verhaftung im Alltagsverständnis(welche Situationen ↔ welche Reaktionen)

• Meist unklar, welche Prozesse „Situationen ↔ Reaktionen“

verbinden– dann: Zusatzannahmen (Theorien) nötig!– diese können unterschiedlichen Paradigmen entstammen!

• Veränderung von Eigenschaften schwer erklärbar

• Verhaltenserklärung:– bei „deskriptiver Variante“ nicht möglich– „planvolles Handeln“ nur mit Zusatzannahmen erklärbar

• Gefahr zirkulärer Definitionen(z.B.: sorgfältige Arbeit → „Gewissenhaftigkeit“ → sorgfältige Arbeit)

Page 18: Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Funktionen, Erwerb und Änderung von Einstellungen in den Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie Siegfried.

18

Eigenschaftsparadigma: Implikationen

• zeitliche Stabilität von Eigenschaften ist nachzuweisen

• Eigenschaften können Veränderungen (Verhalten) kaum

erklären

• Bei der Argumentation zu beachten:– transsituative Konsistenz ↔ zeitlich stabile Reaktionsprpfile– biophysische Existenz? Beschreibung ↔ Erklärung

• „Einstellung“: Eigenschaft des Einstellungsträgers

Page 19: Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Funktionen, Erwerb und Änderung von Einstellungen in den Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie Siegfried.

19

Funktionen von Einstellungen (Überblick)

• Wissens- / Ökonomiefunktion– generell: Hilfe bei Informationsverarbeitung – Organisation und Strukturierung von Erfahrungen und

Umwelteinflüssen– Beschleunigung von Beurteilungsprozessen– z.B.: „Auffassungsgabe“, „Intelligenz“

• Ich-Verteidigung (Aufrechterhaltung des Selbstwertgefühls)– Projektion negativer Einstellungen auf Einstellungsobjekt →

Selbstentlastung („Abwehrmechanismus“; z.B.: „Sündenböcke“)

– z.B.: „Ausländerfeindlichkeit“

• Instrumentelle, utilitaristische Anpassungsfunktion – Erreichung wünschenswerter / Vermeidung nicht wünschenswerter

Sachverhalte – z.B.: „Radfahrer“

• Wertausdruck / Funktion der sozialen Identität– Bedürfnis nach „Selbstkategorisierung“– Bestätigung des entsprechenden Selbstkonzepts – z.B.: Umweltschützer“

Page 20: Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Funktionen, Erwerb und Änderung von Einstellungen in den Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie Siegfried.

20

Informationsverarbeitungsparadigma: Grundannahmen

• Mensch wird als informationsverarbeitendes System betrachtet– Erleben und Verhalten von Menschen beruht auf Verarbeitung von

Information– diese kann aus der Umwelt oder aus dem „System Mensch“ stammen

• Informationsverarbeitung– kognitive (rationale) und emotionale Verarbeitungs-

/Bewertungsprozesse (meist simultan ablaufend!)

– Prozesse verlaufen großenteils unbewusst

• Drei Quellen individueller Besonderheiten der Verarbeitung (nach Asendorpf 1996: 71)

– Architektur des Informationsverarbeitenden Systems(evolutionär entstanden; genetisch verankert; weitgehend universell)

– Parameter informationsverarbeitender Prozesse(Lerntraining, Motivation, Temperament, Entspannung → neue Verbindungen ...)

– Wissen(große interindividuelle Unterschiede möglich!)

Page 21: Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Funktionen, Erwerb und Änderung von Einstellungen in den Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie Siegfried.

21

Informationsverarbeitungsparadigma: Kritik

• Gegen einfache Modelle der Informationsverarbeitung spricht:Menschliches Gehirn offenbar – bildlich gesprochen –

▫ Verknüpfung mehrerer „Biocomputer“▫ die nicht perfekt aufeinander abgestimmt sind▫ und sich teilweise gegenseitig stören können (nach Eysenck 1980: 58)

• Nur mit Zusatzannahmen erklärbar:– planvolles handeln– Entwicklung von Zielsetzungen

• (längerfristige) Veränderungen der Informationsverarbeitung – nur schwer erklärbar– allerdings: nicht unmöglich

(z.B.: Training neuronaler Netze, Veränderung der Parameter der Verarbeitung)

Page 22: Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Funktionen, Erwerb und Änderung von Einstellungen in den Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie Siegfried.

22

Informationsverarbeitungsparadigma: Implikationen

• Erwerb und Veränderung von Einstellungen– beruhen auf Informationsverarbeitungsprozessen– diese laufen großenteils unbewusst ab– i.d.R. parallel: kognitive und emotionale Prozesse

• „Einstellung“: Produkt der Informationsverarbeitung ev. Hilfsmittel bei

Informationsverarbeitung (Näheres ergibt sich aus dem

gewählten Ansatz!)

Page 23: Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Funktionen, Erwerb und Änderung von Einstellungen in den Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie Siegfried.

23

Funktionen von Einstellungen (Überblick)

• Wissens- / Ökonomiefunktion– generell: Hilfe bei Informationsverarbeitung – Organisation und Strukturierung von Erfahrungen und

Umwelteinflüssen– Beschleunigung von Beurteilungsprozessen

• Ich-Verteidigung (Aufrechterhaltung des Selbstwertgefühls)– Projektion negativer Einstellungen auf Einstellungsobjekt →

Selbstentlastung („Abwehrmechanismus“; z.B.: „Sündenböcke“)

• Instrumentelle, utilitaristische Anpassungsfunktion – Erreichung wünschenswerter / Vermeidung nicht wünschenswerter

Sachverhalte

• Wertausdruck / Funktion der sozialen Identität– Bedürfnis nach „Selbstkategorisierung“– Bestätigung des entsprechenden Selbstkonzepts

Page 24: Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Funktionen, Erwerb und Änderung von Einstellungen in den Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie Siegfried.

24

Fazit: zu „Einstellungen“ in den Paradigmen

• Psychoanalytisches Paradigma: „Einstellung“: Nebenprodukt der Triebdynamik

• Behavioristisches Paradigma: „Einstellung“: erlerntes Verhalten gegenüber der Einstellungsobjekt

• Eigenschaftsparadigma: „Einstellung“: Eigenschaft des Einstellungsträgers

• Informationsverarbeitungsparadigma: „Einstellung“: Produkt der Informationsverarbeitung

ev. Hilfsmittel bei Informationsverarbeitung (Näheres ergibt sich aus dem gewählten Ansatz!)

Page 25: Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Funktionen, Erwerb und Änderung von Einstellungen in den Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie Siegfried.

25

Nachtrag: Erwerb / Veränderung von Einstellungen

• Gängige Vorstellungen:

– klassische Konditionierung(z.B.: Wahlplakate)

– operante Konditionierung (z.B.: Lob für politische Aktivität)

– Modell-Lernen(z.B.: „politische Vorbilder“)

– kommunikative Persuasion (Aufnahme/Akzeptanz von Information)

– Konstruktion(Objekt ↔ verfügbare Information)

• Prinzipiell auch möglich:

– Triebdynamik / Veränderung der Triebdynamik

Eigenschaftsparadigma

Behavioristisches Pargadigma

Psychoanalytisch. Paradigma

Informationsverarbeitungs- Paradigma

– [keine Aussage]

Page 26: Politikwissenschaftliche Einstellungsforschung: Funktionen, Erwerb und Änderung von Einstellungen in den Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie Siegfried.

26

Vielen Dank

für Ihre

Aufmerksamkeit!