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Polenfeindliche Propaganda in der „Thorner Freiheit“
Margit Eberharter-Aksu (Toruń)
Einleitung
In der vorliegenden Arbeit wird die Entwicklung der antipolnischen Propaganda im
nationalsozialistischen Blatt „Thorner Freiheit“ untersucht und dabei aufgezeigt, dass die
Berichterstattung Zäsuren aufweist, die mit den politischen Interessenlagen der
Nationalsozialisten korrelieren. Die erste Phase der Propaganda in der Thorner Freiheit
betrifft die Diffamierung der polnischen Bevölkerung während und nach der Besetzung
Polens im September 1939. Man kann hier von „polnischer Gräuelpropaganda“ sprechen. Den
Höhepunkt dieser Phase stellt der Mythos des „Bromberger Blutsonntags“ dar, der sich auf
Ereignisse bezieht, die bereits im September 1939 stattgefunden haben, allerdings erst 1940
medial ausgebaut und verwertet wurde. Die antipolnischen Hasstiraden verebben merkbar bis
zum Sommer 1941, dem Beginn des Russlandfeldzuges. Die zweite Phase der antipolnischen
Berichterstattung kennzeichnet sich durch einen teilweise sachlicheren Ausdruck und eine
inhaltliche Neuausrichtung auf Wirtschaft und damit verbundene Stereotype. Als weitere
Entwicklung kann die scheinbar Berichterstattung über Rechtsprechung und Fragen der
Lebensmittelversorgung betrachtet. Diese Änderung des Tonfalls ändert freilich nichts an dem
grundsätzlichen Ziel der Reichspolitik, der Entpolonisierung der eroberten Ostgebiete.
Die letzte untersuchte Phase der antipolnischen Propaganda stellt eine neuerliche Kehrtwende
dar und betrifft die publizistische Uminterpretation des Warschauer Aufstandes. Er wird nicht
als Erhebung der Polen gegen die deutsche Besatzung, sondern als Teil des russischen
Feldzuges erklärt, d.h. als Produkt russischer Manipulationsversuche. Die Umdeutung geht so
weit, dass die polnischen Aufständischen als „loyale Kämpfer für das Deutsche Reich“
dargestellt werden.
Die Phasen und Merkmale der antipolnischen Propaganda werden in den folgenden
Abschnitten genauer behandelt.
1. Entstehung und Ausrichtung der „Thorner Freiheit“
Am 20. September 1939, genau 19 Tage nach Hitlers Überfall auf Polen, erschien erstmals die
„Thorner Freiheit“ als regionale Tageszeitung mit dem Status eines amtlichen Blattes der
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NSDAP und der Behörden. Als erste neugegründete deutsche Zeitung in den besetzen
Ostgebieten erlange es große Bedeutung im südöstlichen Teil Danzig-Westpreußens, d.h. dem
Gebiet Toruń (Thorn), Chełmno (Kulm), Wąbrzeźno (Briesen), Brodnica (Strasburg), Lipno
(Leipe) und Rypin (Rippin) (vgl. Gaworski 1998: 226). Zur Schaffung der notwendigen
Infrastruktur wurde der Verlag des „Słowo Pomorskie“ mit seiner Druckerei in der
Katharinenstraße dem NSDAP- Verlag des „Danziger Vorposten“ einverleibt. Beim Aufbau
und der Leitung der neuen Zeitung waren Danziger Hitlerfaschisten federführend. So
fungierte bis zum 5. Jänner 1940 Wilhelm Zarske, ein Gründungsmitglied des „Danziger
Vorposten“ und Gaupresseamtsleiter, als Hauptschriftleiter und Herausgeber. Nach seiner
„Berufung“ zur „Krakauer Zeitung“, der einzigen deutschsprachigen Zeitung im
Generalgouvernement (vgl. Jockheck 2006: 83, 101), folgte ihm Karl Baedeker als
Hauptschriftleiter. Sein Stellvertreter und Chef vom Dienst wurde Gerhard Zinck, der auch
für das Politikressort zuständig war. 1942 wird Theodor Ernst Eisen Hauptschriftleiter mit
Gotthard Steinborn als Stellvertreter.
Willy Binder war als Verlagsleiter in Toruń bis 1944 aktiv, ihm folgte Hans Dietrich von
Horn (bis zu dessen Wehrmachtszeit ab 12. Oktober 1944) und anschließend übernahm Franz
Kaspereit, seinerseits Verleger der „Allensteiner Zeitung“, die Leitung.
Zwischen dem 20. September 1939 und dem 30. Jänner 1945 erscheint die Zeitung sechsmal
pro Woche in einem Format von 46,5 cm mal 30,5 cm. Insgesamt liegen 1647 Nummern vor.1
Die Auflage kann nur geschätzt werden. Man geht für Jahr 1941 von beinahe 21000
Exemplaren aus, wobei der Bezug für Parteimitglieder verpflichtend war (Rosłaniec 1992:
44). Die Ausgabenstärke variiert erheblich, im Jahr 1939 sind es gewöhnlich 8 Seiten, 1940
zwischen 10 und 12, allerdings sinkt im Verlauf des Krieges und in Folge damit
einhergehender Papierknappheit der Umfang drastisch. Die letzte Ausgabe vom 30. Jänner
1945 besteht nur mehr aus einem Blatt.
Das Titelblatt ziert anfangs das Bild des Thorner Rathauses, ab dem 2. Jänner 1940 dann der
Reichsadler mit dem Hakenkreuz im Eichenkranz. Gleichzeitig verändert sich auch die
Bezeichnung auf dem Zeitungskopf: bis 30. Dezember 1939 lautete die Aufschrift noch
„Amtliches Organ NSDAP, Kreis Thorn“, am 2. Jänner 1940 dann „Amtliches
Verkündungsblatt der Nationalsozialistischen Arbeitspartei und der Behörden der Kreise
Thorn, Kulm, Briesen, Strasburg, Lipno und Rippin“.
Eine weitere Veränderung des Layouts betrifft die Einführung der Frakturschrift am 8. Jänner
1940. Obwohl Hitler bereits Anfang 1941 die gotische Letter als „Schwabacher Judenletter“
1 In den zugänglichen Bibliotheken (UMK und Stadtbücherei in Torun, sowie die digitalisierten Versionen)
fehlen folgende Ausgaben vom Jänner 1945: Nr. 11, 12, 15, 16, 18 – 25 (vom 30. Jänner 1945).
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ablehnte und fortan für sämtliche Druckwerke die Schriftart Antiqua forderte (vgl. Beck 2006:
57f.), kam die Thorner Freiheit dem erst ab 24. April 1943 nach und druckte die Überschriften
wieder in lateinischen Lettern.
Die Thorner Freiheit unterlag den reichsdeutschen Pressebestimmungen, wie dem
Schriftleitergesetz vom 4. Oktober 1933, das den Berufszugang zum Journalismus regelte. In
Paragraf 1 wird der Journalist als „staatliche(s) Organ, das dazu berufen ist, eine der
wichtigsten Aufgaben des Staates zu erfüllen“ bezeichnet und damit zum Sprachrohr der
nationalsozialistischen Ideologie.
Als Instrument der Presselenkung diente die ab 1933 täglich stattfindenden Pressekonferenzen
im Propagandaministerium, aus denen Weisungen an die Printmedien ergingen, „welche
Meldungen sie bringen müsse(n), welche davon bevorzugt, welche zu kommentieren seien
und in welche Richtung der Kommentar zu zielen habe, wie die Meldung zu placieren sei,
was nicht veröffentlicht werden durfte” (Sänger 1975: 29). In den zwölf Jahren der Nazi-
Diktatur wurden insgesamt 100.000 Pressenanweisungen erteilt, von denen fast die Hälfte
Schweigegebote umfassten. Nach Kriegsbeginn wurden diese Anweisungen durch wörtlich
fixierte Tagesparolen erweitert. Die erste wurde am 2. November 1940 ausgegeben und
lautete: „Göring hat zu neuem Auftrag des Führers, den Vierjahresplan für weitere vier Jahre
zu übernehmen, Erklärung abgegeben, deren Text in allen Blättern, die das Datum vom
Sonntag, 3. November tragen, in guter Aufmachung abgedruckt werden soll” (zit. nach
Sänger 1975: 76). In der Thorner Freiheit wurde diese Parole am 4. November 1940 unter
dem Titel „Göring zum neuen Auftrag des Führers“ auf Seite 2 wiedergegeben.
Abgesehen von militärischen Berichten, die im Propagandaministerium den zuständigen
Zensuroffizieren vorzulegen waren, bestand bis zum Ende des Dritten Reiches keine
Vorzensur. Die Presselenkung beruhte aufgrund vielfältiger Einfluss- und
Sanktionsmöglichkeiten auf dem „Prinzip der indirekten Vor- und der direkten Nachzensur”
(Frei 1999: 29).
2. Propaganda im Dritten Reich
Im Nationalsozialismus war Propaganda eine wichtige Waffe dar, die es zu pflegen galt. Das
zeigt sich einmal darin, dass der zentrale Terminus „Propaganda“ positiv gefüllt war und für
dessen Verwendung bestimmte Regeln aufgestellt wurden. Die entsprechende Anweisung von
der Pressekonferenz vom 28. Juli 1937 lautete ganz in diesem Sinne: „Es wird gebeten, das
Wort „Propaganda“ nicht missbräuchlich zu verwenden. Propaganda ist im Sinne des neuen
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Staates gewissermaßen ein gesetzlich geschützter Begriff geworden und soll nicht für
abfällige Dinge Verwendung finden. Es gibt also keine „Greuelpropaganda“, keine
„bolschewistische Propaganda“, sondern nur eine Greuelhetze, Greuelagitation,
Greuelkampagne u.s.w. Kurzum – Propaganda nur dann, wenn für uns, Hetze, wenn gegen
uns“. (zit. nach Schieder 2004: 111).
Bei der Propaganda geht es nicht ums Überzeugen, sondern um das Begeistern des Volkes.
Sie richtet sie sich vielmehr gegen Argumentation, an deren Stelle die Gewissheit, die
Unveränderlichkeit der eigenen Position tritt (Nill 1991: 182).
Propaganda besteht Mitteln und Techniken, wobei als wichtigste Regel eine verständliche
Darstellung gilt. Im Sinne der Glaubwürdigkeit sollen die Propagandainhalte auf
vorhandenem Wissen der Empfängerseite aufbauen. Die Regel der emotionalen
Beeinflussung stützt sich auf die psychologische Beobachtung, dass Inhalte, die den
Empfänger auf der Gefühlsebene berühren, besonders wirksam sind und zu einer größeren
Handlungsbereitschaft führen. Unter den Mitteln der Propaganda stellt das Stereotyp wohl das
wichtigste Element dar. Es ist ein hochwirksamer Informationsträger, der Urteile und
Verallgemeinerungen vermittelt. Stereotype können sehr effektiv gegen einen Gegner
eingesetzt werden und dabei gleichzeitig die Wir-Gruppe stärken. Daneben ist der Mythos als
Propagandamittel zu nennen. Bei der Mythenbildung wird häufig frei erfundenen Ereignissen
der Anschein von Wahrheit verliehen. Als Mittel sind sie noch wirksamer, wenn sie
zumindest in Ansätzen auf Tatsachen beruhen. Daneben gilt es auch das Gerücht zu
erwähnen, das durch Massenmedien eine sehr effektive und immense Ausbreitung erfahren
kann. Als fundamentale Propagandatechniken sind noch Wiederholung, Verschweigen,
Selektion und übermäßige Verallgemeinerung zu erwähnen. Die Massenmedien im Dritten
Reich bedienten sich der Propagandatechniken exzessiv, indem sie vereinfachte
Informationen ständig wiederholten, andererseits unerwünschte Tatsachen verschwiegen. Mit
der Technik des Verschweigens ist untrennbar die Selektion von Informationen verbunden.
Für die Propaganda wird auch die Technik der übermäßigen Verallgemeinerung eingesetzt,
die den Empfänger von der Normalität der verbreiteten Ansichten, Verhaltensmuster und
Phänomenen überzeugen soll. Diese Verallgemeinerungen beziehen sich mit negativer
Ladung meist auf den Gegner, können aber mit deutlich positiver Botschaft auch die
Eigengruppe betreffen. Ein wichtiger Faktor für die Propaganda ist auch die Autorität,
mithilfe der propagandistische Inhalte beglaubigt werden können (zu den Techniken und
Mitteln Lepa 1994; siehe auch Klemperer 1947).
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3. Polenfeindliche Propaganda
Als Propagandathemen der Nationalsozialisten dominiert zweifellos der durchgängige
Antisemitismus in der Presse, daneben existieren aber noch weitere Themenbereiche, die im
Laufe der Zeit einem erheblichen Wandel unterlagen. Das zeichnet sich bei der Entwicklung
der antipolnischen Propaganda ab, die bereits in der Weimarer Republik und später im
Nationalsozialismus eine wichtige Rolle spielte.
Die massenmediale Propaganda bediente sich zumeist auf sehr aggressive Weise einer Reihe
von Stereotypen und Klischees. Als Topoi sind hier zu nennen: „polnische Gewalt“,
„polnische Wirtschaft“, „polnische Kultur“ und auch „polnischer Saisonstaat“.
Diese Stereotype liefern als fertige Bilder vereinfachte und bewertende Urteile. Sie können
zwar auf Tatsachen gründen, allerdings entsprechen sie nicht der Wirklichkeit. Das liegt
daran, dass Fakten häufig nur den Anstoß zur Stereotypenbildung geben, selbst aber schnell
an Bedeutung verlieren und den typischen negativ oder positiv geladenen
Verallgemeinerungen weichen. Allgemein entstehen Stereotype im Rahmen eines Vergleiches
mit einer fremden Nation, und in diesem Zusammenhang durch eine Aufwertung des Eigenen
und einer damit einhergehenden Abwertung des Anderen. Durch ihre binäre Gestalt sind
Nationalstereotype ein sehr wirksames Material zur Konstruktion von einem positiven
Selbstbild und davon abgegrenzten Feindbildern.
Die Attacken gegen Polen wurden im Zusammenhang mit dem auf zehn Jahre ausgelegten
freundschaftlichen Abkommen, das Marschall Piłsudski mit dem deutschen Reich am 26.
Jänner 1934 vereinbarte, zeitweise eingestellt. Die gleichgeschalteten Medien durften über
Polen nämlich in Folge nicht mehr negativ berichten. Das bedeutete aber keineswegs die
Beendigung der deutsch-polnischen Spannungen, die durch territoriale Ansprüche von
deutscher Seite nach wie vor existierten. Als die diesbezüglichen Verhandlungen von
Außenminister Ribbentrop mit der polnischen Regierung im Frühjahr 1939 endgültig
scheiterten, folgte eine unverzügliche Kehrtwende der reichsdeutschen Polenpropaganda. Das
erste Opfer dieser neu entfachten Spannungen war die deutsche Minderheit in Polen, die mit
dem Argwohn der polnischen Behörden zu kämpfen hatte, was sich in Verhaftungen, der
Beschlagnahmung deutscher Zeitungen sowie der Schließung deutscher Schulen und
Genossenschaften äußerte. Deutsche Arbeiter wurden von einer Entlassungswelle in
Oberschlesien erfasst und es kam auch zu Angriffen. Für die reichsdeutsche Presse stellten
diese Ereignisse ein gefundenes Fressen dar. Sie brachte übertriebene und auch falsche
Meldungen über die Situation der Deutschen, zwar erst ab Seite zwei und nicht in großer
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Aufmachung, die kontinuierlich tendenziöse Berichterstattung stellte aber die Zustände als
untragbar dar. Gemäß der Anweisung der Pressekonferenz vom 23. Juni 1939 sei der „Topf
(..) bei leichtem Feuer am kochen zu halten“ (Sywottek 1976: 215).
Der Überfall auf Polen wurde von der Presse keineswegs nur mitgetragen, sondern vielmehr
vorbereitet und legitimiert. Als am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg begann, zeigte er
nicht nur die Destruktivität und Brutalität der Besatzer, sondern auch die Presse als
Kriegswaffe: „Was durch Papierkugeln zu gewinnen ist, braucht dereinst nicht durch
stählerne gewonnen zu werden“ (zit. nach Longerich 1993: 291).
4. Gräuelpropaganda in den Anfängen der „Thorner Freiheit“
Gräuelpropaganda ist eine besonders perfide und hetzerische Form der Propaganda. Hier wird
der Feind schwerster Verbrechen und grausamer Bluttaten bezichtigt, indem reale Vorfälle
stark übertrieben und verallgemeinert dargestellt werden oder Ereignisse völlig frei erfunden
werden. Oft werden auch eigene Verbrechen im Nachhinein dem Feind zugeschrieben. Häufig
wird Gräuelpropaganda zur Kriegsvorbereitung eingesetzt oder um das eigene Volk z.B.
durch Angst zu einen. Dabei handelt sich aber in der Regel um frei erfundene oder maßlos
übertriebene Vorwürfe. Im Zweiten Weltkrieg kam antisemitische Gräuelpropaganda am
Häufigsten zum Einsatz, aber auch die Slawen wurden dadurch allgemein zu hinterhältigen,
grausamen Untermenschen deklassiert.
Die Anfangszeiten der Thorner Freiheit waren stark von polnischer Gräuelpropaganda
geprägt. Die Polen werden als ein Volk voller Hass und Grausamkeit beschrieben, das in
Kontrast zu den unschuldigen deutschen Bürgern gesetzt wird. Darauf weisen folgende
Schlagzeilen hin:
Ganze Ortschaften durch die Polen ausgerottet: „entsetzliche Greueltaten der vertierten polnischen
Horden, polnische Massenmörder, Umstände des furchtbaren Gemetzels“ (TF 1939.09.23: 6), 42
Volksdeutsche mit Dynamit in die Luft gesprengt (TF 1939.09.29: 2), Polnischen Terror, Grausamkeit
ohne gleichen, Mordtaten furchtbaren Umfangs (TF 1939.09.29: 8), Polnische Mordhorden
(Rücksichtslose Ausmerzung polnischer Mörder) (TF 1939.09.30: 5), An den Folgen polnischen
Terrors gestorben (TF 1939.10.02: 3), 73-jährige Frau musste von Thorn bis Kutno marschieren (TF
1939.10.09: 3). Grausige Funde ohne Ende: „Grab mit schauerlich verstümmelten Deutschen“ (TF
1939.10.12: 1), Unmenschliche Szenen in Schrimm: „Entmenschte Zivilisten“ (TF 1939.10.12: 2), Das
Massengrab bei Turek: „das bestialische Wüten der polnischen Mordbanditen“ (TF 1939.10.21: 7),
Sie quälen Mensch und Tier gleichermassen (TF 1939.11.01: 4), Immer neue Opfer des polnischen
Blutrausches (TF 1939.11.27: 4), 14 Geistliche von Polen viehisch ermordet (TF 1939.12.19: 1).
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Diese Titel stammen aus einem Zeitraum von weniger als drei Monaten und sind
charakteristisch für die Anfänge der Besatzungszeit. Der Großteil dieser Berichte sind auf den
ersten vier Seiten der Ausgabe, zwei davon sogar auf der Titelseite platziert. Das Motiv der
polnischen Gewaltbereitschaft dominiert die Berichtserstattung zwischen September 1939 und
dem Jahresende in stetiger propagandistischer Wiederholung.
Für diese Schlagzeilen sind Verben typisch, die Polen als hemmungslose Täter darstellen. Sie
zeigen Taten von größter Entschlossenheit und Brutalität, die für die gesamte deutsche
Bevölkerungsgruppe betroffen wäre. Weiter enthalten die Schlagzeilen Epitheta, die beim
Empfänger den Eindruck auslösen, dass die behandelten Ereignisse und Taten extrem
grausam und allgegenwärtig seien. Hier zeigt sich die Technik der übermäßigen
Verallgemeinerung, zumal nicht von Einzeltätern, sondern stets von „den Polen“ als Volk die
Rede ist.
Die Polen als Agens werden als wildes, bedrohliches und unkontrollierbares Kollektiv:
vertierte polnische Horden, Mordhorden, entmenschte Zivilisten, Horde von Teufeln bzw.
Mitglied eines solchen: Mordbanditen beschrieben, für die Charakteristika wie
Gesetzlosigkeit, Unberechenbarkeit und Grausamkeit gelten. Außerdem wird die Gefahr
publizistisch auf alle Volksdeutschen ausgedehnt. Die relative Merkmallosigkeit der
deutschen Opfer bietet eine Projektionsfläche, was zur Identifizierung mit den Opfern dient.
Dahinter steckt das Kalkül, durch die Gefahr der Bedrohung bei der Leserschaft Angst und
folglich Kampfbereitschaft auszulösen. Die vermeintliche Hemmungslosigkeit der polnischen
Täter spielt in solchen Berichten eine besonders emotionalisierende Rolle, in denen Frauen,
Kinder und ältere Menschen als Opfer der Gewalt dargestellt werden. Sie sind besonders
effektiv in der Aktivierung von Handlungsbereitschaft, da es sich um wehrlose
Personengruppen handelt. In den Leideformen verstümmelt werden, ausgerottet werden, in
die Luft gesprengt werden wird den deutschen Lesern ihr „Opfersein“ bestätigt. In
superlativischen Ausdrücken wie Grausamkeit ohne gleichen, unmenschlich, entsetzlich,
furchtbar spiegelt sich das extreme Ausmaß an Bedrohung, das von den Polen ausgehe. Die
Berichterstattung über die polnische Bevölkerung entpuppt sich als Appell an Gefühle bzw.
Instinkte und einen suggeriert einen Kampf auf Leben und Tod. In lexikalischer Hinsicht
fallen Bezeichnungen auf, in denen Polen mit Tieren gleichgesetzt werden. Es ist ein
Merkmal des nationalsozialistischen Sprachgebrauchs, dass Feinde entpersonalisiert bzw.
entmenschlicht werden, und mit zahlreichen Schimpf- und Schmähwörtern versehen werden.
Um die Hemmschwelle für diesen Kampf zu senken, wird den Polen und den ihnen
zugesprochenen Handlungen jegliches Humane aberkannt. Diese semantisch-stilistischen
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Redemittel propagieren die nationalsozialistischen Rassentheorien auf vulgäre Weise in der
Bevölkerung. Durch die Gräuelpropaganda erscheint als gesichert, dass Polen im Licht der
beschriebenen Taten kein zivilisiertes Volk seien und die höchste Verachtung verdienen.
Auch die Berichterstattung zu Beginn des Jahres 1940 ist dieser Maxime verpflichtet. Hier
handelt es sich offenbar um einen anonymen Augenzeugenbericht (TF 1940.01.03: 4):
Acht Tage Krieg – acht Tage Schrecken (…)die Polen sprachen offen über die Kriegspläne, wie die
deutschen Truppen in die Weichselniederung zwischen Thorn und Bromberg gelockt werden sollten.
(…) Da, als Retter in höchster Not, kam eine deutsche Militärpatrouille(.). Als dann ein paar
Kongresser ihr Schicksal ereilt hatte, war der Mut des Pöbels ein wenig abgekühlt. Mit welchem
dankbaren Herzen wir alle aber das Erscheinen unserer Befreier begrüssten, lässt sich schwer
beschreiben. Welchem Schicksal wir aber entgingen (wie durch ein Wunder), …
Der anonyme Zeuge wird zu einer Autorität hochstilisiert, mit deren Hilfe der Mythos des
Verteidigungsangriffes bestätigt werden soll. In sprachlicher Hinsicht fällt der Parallelismus
acht Tage Krieg- acht Tage Schrecken auf, der einem Augenzeugenbericht entstammen solle.
Beachtenswert ist auch der Euphemismus ein paar Kongresser habe ihr Schicksal ereilt. Die
deutschen Truppen werden messiasgleich als Retter in höchster Not bezeichnet. Ebenfalls
religiös konnotiert ist die Parenthese (wie durch ein Wunder).
Diese Form der Berichterstattung sorgt dafür, dass die nationalsozialistische Besetzung Polens
und die anschließende Verfolgung und willkürliche Bestrafung von Polen allgemein
breitesten Rückhalt in der deutschen Bevölkerung vorfindet. Es wird sichergestellt, dass in der
allgemeinen Überzeugung der Überfall auf Polen letztlich ein Verteidigungsangriff sei um die
deutsche Bevölkerung in den Ostgebieten vor der Ausrottung zu bewahren.
Zum Jahresende werden diese formelhaften Vorstellungen von Bedrohung und Errettung in
einem sentimentalen Rückblick zusammengefasst (TF 1939.12.30: 3):
Freiheitsglocken läuten von den Türmen Thorns (..) Die Klänge der Neujahrsglocken des Jahres 1939
gingen im Thorner Land teilweise unter in den Schmähungen und Steinwürfen, die rohe polnische
Burschen gegen deutsche Kirchgänger (verübten). (Ausschreitungen) mehrten sich von Tag zu Tag,
und von Tag zu Tag wurde (…) die Lage für das Deutschtum unhaltbarer, (…) wir wissen wie viel
Kameraden und Kameradinnen (…) ihr Leben liessen, als Blutzeugen einer Missherrschaft, die
zwanzig Jahre ein deutsches Land ungestraft ausbeuten und drangsalieren konnte. Jetzt bekamen
Hetzer und Neider endlich freie Hand und Denunzianten fanden sich unter dem polnischen Gesindel
soviel wie Sterne am Himmel. Da allerdings trat der Führer auf den Plan (…) Deutsche Soldaten
hatten wieder eine Schlacht geschlagen, die als Polenfeldzug und letzte Teilung Polens in die
Geschichte eingehen wird. Für unsere Heimat begann nun am Schluss des vergangenen Jahres der
friedliche Aufbau. Jetzt hatte kein Hunger, keine Arbeitslosigkeit und kein Terror mehr Platz in
unseren Gebieten und Ordnung, Arbeit und Aufbau waren die Parolen, unter denen ein neues Leben
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begann. (…) Unsere Heimat, ein Land, das vor Jahrhunderten unsere Väter rodeten, wird für immer
deutsch bleiben und das heraufkommende Jahr 1940 sieht uns nur noch als Deutsche Menschen auf
Deutscher Erde. (…) und längst, wenn wir nicht mehr da sein werden, sollen Jahr für Jahr unsere
Glocken die Freiheit verkünden, die im Jahre 1939 begann. W.P.
Dieser Jahresrückblick, der gleichzeitig eine Prophezeiung darstellt, ist an religiösen
Sprachgebrauch angelehnt und lässt paradoxerweise an den Auszug der Israeliten aus
Ägypten mit dem Führer als messianischer Gestalt denken. Man erkennt hier das
Propagandamittel der Mythenbildung, indem der Mythos des ewigen deutschen Volkes
aktualisiert wird. Dabei bedient sich der Text eines romantischen Pathos und verwendet
religiöse Ausdrücke: ewig, für immer, verkünden, Kirchgänger, um auf die Bestimmung der
Mission hinzuweisen: deutsche Menschen auf deutscher Erde. Die religiöse Symbolik der
Glocke als Kirchturmglocke, aber auch als Symbol für Freiheit, umrahmt den Text. Als
Stilmittel fallen Parallelismen und Alliterationen auf: mehrten sich von Tag zu Tag, und von
Tag zu Tag wurden; Schmähungen und Steinwürfe; Jahr für Jahr. Die Metapher wie Sterne
am Himmel als maßlose Übertreibung ist ebenfalls typisch. In der rhetorischen Klimax kein
Hunger, keine Arbeitslosigkeit und kein Terror kommt das Leid der deutschen Bevölkerung
unter der polnischen Herrschaft wiederholt zur Sprache. Die Unverträglichkeit der
Bevölkerungsgruppen rohe polnische Burschen versus deutsche Kirchgänger wird gleich zu
Beginn des Texts versinnbildlicht. Über diesen predigtartigen und enthusiastischen Stil mit
seinen religiösen Wendungen bemerkte Viktor Klemperer: „Die LTI dient einzig der
Beschwörung“ (1947: 69).
Dieser Textabschnitt verwendet die Propagandatechniken Selektion und Verschweigen,
insofern die behandelten Themen lediglich das Ende der Drangsalierung durch die Polen und
das ewige deutsche Reich umfassen, nicht aber die zu diesem Zweck durchgeführten
Aussiedlungen und den Besatzungsterror. Die Not der polnischen Zivilbevölkerung fand in
den Massenmedien keinen Widerhall (vgl. Król, 2009: 21).
Die permanente antipolnische Propaganda wurde natürlich durch Presseweisungen geregelt,
wie einer Weisung der Reichspressekonferenz vom 24. Oktober 1939 zu entnehmen ist. Hier
wird den Journalisten der Auftrag erteilt, durch ihre Berichterstattung dafür zu sorgen,
„dass die gegenwärtige Abneigung gegen alles Polnische für Jahre aufrechterhalten wird. Diese
Abneigung muss aus einer latenten zu einer bewussten werden. Man müsse eine rassische
Unterwanderung verhüten. Polen ist Untermenschentum. Polen, Juden und Zigeuner sind in einem
Atemzug zu nennen. Mit den Polen hat man keinen gesellschaftlichen und keinen anderen Verkehr. Ein
Pole ist etwas Unreines, mit dem man sich nicht befasst. Wir müssen auf Jahre hinaus den polnischen
Landarbeiter bei uns dulden, aber wir werden ihn nach Möglichkeit isolieren. (…) Alles, was in Polen
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Ordnung sei, habe eine deutsche Wurzel, ebenso die Kultur. Dass Polen ein Untermenschentum sei,
müsse ein ´Bestand des Unterbewusstseins werden´. Die Berichterstattung über das besetzte Gebiet
soll als Teil des deutschen Lebens- und Kulturraumes gehandhabt werden“ (zit. nach Hagemann
1970: 271).
Die Propaganda hatte die Aufgabe, die polnische Bevölkerung für jegliche Pläne der Besatzer
vorsorglich „freizugeben“, und sicherzustellen, dass ihr „Schicksal“ von der deutschen
Bevölkerung nicht nur toleriert, sondern sogar gutgeheißen wird.
4.1. „Bromberger Blutsonntag“ als Höhepunkt der Gräuelpropaganda
Den Prototyp und gleichzeitigen Höhepunkt der polnischen Gräuelpropaganda stellt der
Mythos des „Bromberger Blutsonntags“ dar, den die Thorner Freiheit in mehreren
Variationen aufgreift. Es handelt sich hierbei um einen Mythos, der teilweise auf realen
Ereignissen beruht. Allerdings wird der Mythos des „Bromberger Blutsonntags“ vom
September 1939 als Massaker an unschuldigen Volksdeutschen konstruiert. Historischen
Untersuchungen zufolge begannen allerdings bewaffnete Volksdeutsche den Beschuss der
sich zurückziehenden polnischen Soldaten, nachdem sie den voreiligen Schluss gezogen
hatten, dass die Wehrmacht schon in der Stadt angekommen sei. Dadurch kamen über 300
Deutsche ums Leben. Durch die nationalsozialistische Propaganda wuchsen die Opferzahlen
aber von Bericht zu Bericht.
In einer Rede in Bromberg spricht Gauleiter Forster von etwa 1000 Todesopfern in der Stadt
(TF 1939.11.27: 4). Ende 1939 liegt ein auf einer Dokumentensammlung über die polnischen
Greueltaten beruhender Bericht über die Ereignisse in Bromberg vor (TF 1939.12.30: 2), der
zufolge 5.437 Volksdeutsche von Polen ermordet worden seien.
Über die tatsächlichen Vorfälle in Bromberg herrschte Anfang September 1939 noch relative
Unklarheit, weshalb über die Zahl der Opfer nur Schätzungen möglich sind. Einer seriösen
Annahme zufolge wurden zwischen 4.500 und 5.500 in Polen ansässige Deutsche getötet
(Jacobmeyer 1989: 18). Eine verbindliche Anweisung der Reichspressekonferenz vom 31.
August 1940, anlässlich des „Jahrestages“ stellt aber diese Zahlen in den Schatten: „Am 3.
September jährt sich der Bromberger Blutsonntag. Die Presse soll an diesem Tag der 60.000 Opfer
ermordeter Volksdeutscher gedenken. (…) Die Zeitungen werden gebeten, dieses Thema unbedingt
aufzugreifen, da die Erinnerung an die polnischen Schandtaten nicht verblassen darf“ (Hagemann
1970: 258).
Dieser Anweisung kommt die Thorner Freiheit in der Ausgabe vom 31.08.1940 noch nicht
nach, anstelle dessen gedenkt sie „Opfergängen ins Landesinnere“ und „Wegen des Grauens“
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(TF 1940.08.31/09.01: 6) „Heute vor einem Jahr. Der Opfergang der Thorner Deutschen.
(…) Blutterror des polnischen Volkes, der zehntausenden Volksdeutschen das Leben kostetet
(sic!).“ Daneben zeigt ein Foto mehrere auf dem Boden liegende Leichen.
In derselben Ausgabe wird auch ein Augenzeuge zitiert, der über behördlich angeordnete
Verschleppungen von Deutschen am Tag des Überfalls auf Polen berichtet:
Als am 1. September 1939 die ersten deutschen Flieger über Polen erschienen und die ersten Bomber
niederprasselten, erging von Warschau aus der Befehl an die staatlichen Instanzen (…) dass die
staatlichen Vollzugsorgane die schon Monate vorher listenmäßig erfassten Deutschen verhaften, ins
Innere des Landes schleppen und dort ermorden sollten. (…)
Der Augenzeuge gewährleistet die Wahrheit des Berichtes und stellt darum eine Autorität für
den Leser dar. Als Propagandatechnik erkennt man hier in Ansätzen die Wiederholung, zumal
ein Sachverhalt doppelt geschildert und durch einen Augenzeugenbericht noch weiter
abgesichert wird, bei dem Namen und Berufe genannt werden (TF 1940.08.31/09.01: 6):
„der fast erblindete Gärtnereibetreiber Carl Hintze aus Thorn brach unter den Schlägen zum
erstenmal zusammen (…) Unweit Thorns versagte nach einer kurzen Atempause der ehemalige
Bäckermeister Paul Wegner aus Thorn (…) durch zwei Schüsse umgebracht. Carl Hintze (…) soll in
die Weichsel geworfen worden sein. (…) ein gewisser Rosenwald (…) wegen Schwäche erschossen.
(…) Herr Paul Roede, der sich trotz unserer Hilfe wegen seiner arg geschwollenen Füße selbst barfuß
nicht mehr weiterschleppen konnte, kurz hinter unserer Kolonne erschossen.“
Auf der Titelseite der Ausgabe vom 3. September 1940 (TF 1940.09.03: 1) kommt die
Thorner Freiheit der Presseanweisung hinsichtlich der vorgegebenen Opferzahl nach und
wiederholt sie zweimal im Text. Die Schilderung der Vorgänge ist nun völlig verändert, von
einer Verschleppung ist nun keine Rede mehr, stattdessen wird mit Bromberg das
geographische Zentrum festgelegt. Auffällig ist, dass es keinerlei Berichtigen bisher
getätigten Aussagen gibt, sondern diese einfach „überschrieben“ werden. Die innerhalb
weniger Tage gemachten divergierenden Aussagen unterscheiden sich inhaltlich sehr stark,
gleich bleibt allerdings der Brustton der Überzeugung, in welchem sie dargeboten werden.
Der die Presseanweisung nun berücksichtigende Bericht mag dies vorführen:
Bromberger Blutsonntag unvergessen. (…) wird als eins der scheußlichsten und verruchtesten
Verbrechen in die Geschichte dieses von den plutokratischen Kriegsverbrechern vom Zaune
gebrochenen Krieges eingehen… Nicht weniger als 60.000 Deutsche fielen in jenen Septembertagen
der polnischen Mordgier zum Opfer. (…) Immer wird uns das furchtbare Schicksal dieser 60.000
deutschen Menschen vor Augen stehen, wird ihr Blutopfer uns Mahnung und Verpflichtung sein für
ewige Zeiten. Was sich (…) ereignete, läßt sich in Worten kaum wiedergeben. (…) Taten von einer
Grausamkeit und Scheußlichkeit (…), wie man sie kaum für möglich halten würde, wenn wir die (…)
dokumentarischen Beweise nicht in den Händen hätten. Erschossen, erschlagen oder auf sadistische
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Weise zu Tode gequält (…), nur weil sie ihrem Volkstum die Treue gehalten hatten und weil sie sich
einem minderwertigen Volk gegenüber nicht beugen wollten. Niemand war vor den polnischen
Mordbuben sicher. Ganz gleich, ob Männer oder Frauen, ob Kinder oder Greise, die polnischen
Mordbestien kannten kein Erbarmen. (…) unmöglich, die Scheußlichkeiten im einzelnen zu schildern
oder gar aufzuzählen, die das polnische Untermenschentum begangen hat. In roher Mordlust
zerstückelten sie ihre Opfer bis zur Unkenntlichkeit, durchsiebten ihre Körper mit Kugeln und Stichen,
rissen ihnen das Herz und die Eingeweide aus den zuckenden Leibern. Frauen ….im Todeskampf
vergewaltigt, Kinder gräßlich verstümmelt. (…) Diese systematische Menschenschlächterei schließt
das polnische Untermenschentum für alle Zeiten aus der Gemeinschaft der Kulturvölker aus.
Zwischen Deutschen und Polen kann es … keine menschlichen Berührungspunkte mehr geben. Wenn
sich heute hier und da Deutsche – sei es aus Gutmütigkeit oder Gedankenlosigkeit – mit polnischen
Kriegsgefangenen einlassen, so stellen sie sich damit selbst außerhalb der deutschen
Volksgemeinschaft. Das ist nicht nur Verrat schlimmster Art am Deutschtum überhaupt, sondern auch
eine sträfliche Nichtachtung jener volksdeutschen Helden, die um ihres Deutschtums willen den
entmenschten polnischen Mörderbanden zum Opfer fielen. Seit 20 Jahren sind die Deutschen in den
abgetrennten Gebieten dem Wüten des polnischen Terrors ausgesetzt gewesen. Der Bromberger
Blutsonntag war der Höhepunkt einer Orgie von Mord und Vergewaltigung, die sich seit zwei
Jahrzehnten dort abgespielt hat. Da hilft keine Lüge und keine Verdrehung der Tatsachen. Es ist nicht
wahr, wenn die polnischen Mörder behaupten, daß sie von den Volksdeutschen herausgefordert oder
gar bedroht worden wären. Im Gegenteil! Stets waren es die Polen, die die Deutschen verfolgt und
geknebelt haben,(…). Niemals wird sich das polnische Volk … von dieser Schuld reinwaschen
können.“
Entsprechend der Presseanweisung wird der Mythos vom „Bromberger Blutsonntag“ erstmals
aufgegriffen. Dabei muten die Verbrechen (zerstückelten Opfer bis zur Unkenntlichkeit,
durchsiebten Körper mit Kugeln und Stichen, rissen Herz und Eingeweide aus zuckenden
Leibern. Frauen im Todeskampf vergewaltigt, Kinder gräßlich verstümmelt) grotesk an und
wirken in ihrer Grausamkeit konstruiert. Der Verfasser sieht auch die Notwendigkeit, eine
„Verdrehung der Tatsachen“ zu „berichtigen“. Es scheint, dass in der Öffentlichkeit die
Version der Nationalsozialisten nicht sehr glaubwürdig war, weshalb eine „Richtigstellung“,
die aus heutiger Sicht den historischen Tatsachen allerdings widerspricht, vorgenommen wird.
Anstelle eines Arguments wird lediglich eine Behauptung aufgestellt, deren Wahrheit nicht
anzuzweifeln sei. Die Übertreibung, dass über zwei Jahrzehnte eine Orgie von Mord und
Vergewaltigung geherrscht habe, betrifft in metaphorischer Weise das „Versailler Diktat“, um
die Auswirkungen auf das deutsche Volk an „Leib und Seele“ zu verbildlichen (vgl.
Michaelis 1958: 387). Der Mythos des Bromberger Blutsonntags ist trotz der abweichenden
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Berichte ein starkes Propagandamittel, zumal er auf der Tatsache konstruiert wurde, dass es
im Spätsommer 1939 tatsächlich zu polnischen Übergriffen auf Deutsche kam.
Die Behauptung, dass Intentionen wie Gutmütigkeit bzw. Gedankenlosigkeit als Folge Verrat
bzw. Missachtung von Helden zeitigen würden, deutet auf einen manipulativen Fehlschluss
hin. Die rhetorische Begründung der „Pflicht“ liegt darin, dass alle Polen schuldig seien und
jegliche anders lautende Aussage als Lüge hinwegerklärt wird.
In den folgenden Jahren finden jene „unvergessenen“ Ereignisse in Bromberg aber kaum
mehr Beachtung. 1941 kommt es nur zu einer indirekten Erwähnung im Zusammenhang mit
der Hitlerjugend (TF 1941.09.01: 3):
(…) Sternmarsch der tausend Fahnenträger zum Gedenken an die Helden von Bromberg (…).
Ein Jahr später (TF 1942.09.01: 3) wird der Terminus „Blutsonntag“ einmal aufgegriffen,
allerdings ohne weitere Ausführung. Im Jahre 1943 erscheint der Topos im Rahmen einer
Rückschau auf die Besatzungszeit, jedoch ohne Nennung von Zahlen. In diesem kurzen
Bericht finden typisches Vokabular (Blutdürstige, verhetzte, polnische Insurgenten;
bestialische Bluttaten der Polen in Bromberg) sowie monströse Angaben eines namenlosen
Augenzeugen Verwendung:
„…eine meiner schrecklichsten Erinnerungen ist ein Deutscher, der in seiner Küche lag, den Schädel
gespalten, die Brust aufgeschlitzt, in einer Waschschüssel daneben die herausgerissene Lunge und das
Herz.“ (TF 1943.09.01: 6).
Insgesamt ist zu bemerken, dass der Mythos des „Bromberger Blutsonntags“ medial schnell
an Bedeutung verliert. Dieser Rückgang ist für das Jahr 1941 sicherlich mit dem
Russlandfeldzug bedingt, wodurch die antipolnische Propaganda zunehmend bedeutungsloser
wird. Ein weiterer Grund mag darin liegen, dass durch die geographische Nähe zu Bromberg
Glaubwürdigkeitsprobleme aufgrund der stark übertriebenen Opferzahlen unvermeidbar
waren. Entscheidend war sicherlich auch, dass die Gräuelpropaganda aufgrund der stark
dezimierten polnischen Bevölkerung in den angeschlossenen Gebieten gar nicht mehr
notwendig war, weil die propagandistische „Vorarbeit“ mittlerweile die Grundlagen für
weitere polenfeindliche Aktionen geschaffen hatte.2
5. Verdrängung der Polen aus der Wirtschaft
2 Es überrascht dennoch, dass die Nachwirkungen dieses Mythos bis in die Gegenwart reichen. So ist in einem
1987 (sic!) veröffentlichtem Band im Sinne der Propaganda der ersten Besatzungszeit folgendes zu lesen:
„Der Krieg gegen Polen begann mit einem tendenziellen Genozid auf polnischer Seite, nämlich dem
sogenannten „Bromberger Blutsonntag“, der Niedermetzelung von einigen tausend Staatsbürgern deutscher
Herkunft durch aufgebrachte Polen. Ob die deutsche Minderheit überlebt hätte, wenn der Krieg länger als drei
Wochen gedauert hätte, muß zweifelhaft erscheinen“ (Nolte 1989: 502).
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Das älteste polenfeindliche Stereotyp ist sicherlich jenes der „polnischen Wirtschaft“ und es
wird auch besonders häufig medial aufgegriffen. Die Thorner Freiheit berichtet über
schlechte wirtschaftliche Zustände in Polen mit dem Kalkül, demgegenüber die deutsche
Wirtschaft als Antonym zu etablieren. Es werden hierbei zwei Stereotype gegeneinander
ausgespielt: die polnische Wirtschaft und die deutsche Wirtschaft. In attributiver Verwendung
bezieht sich das Adjektiv polnisch in den Berichten allgemein auf Unkultur und
Misswirtschaft, d.h. ist negativ geladen und trägt häufig auch eine ironische Bedeutung in
dem Sinne, dass „polnische Wirtschaft“ eben keine Wirtschaft sei.
Die deutsche Besatzung wird demgemäß auch als Befreierin aus wirtschaftlich unerträglichen
Zuständen interpretiert(TF 1939.09.30: 3):
„Die ehemaligen polnischen Innungen sind selbstverständlich aufgehoben worden, das Vermögen ist
sichergestellt und der Neuaufbau .. im Gange.(…)Werkbetriebe, die bisher unter Meistern aus
Kongresspolen bestanden, gelten insofern nicht mehr, als die kongresspolnische Führung dort durch
deutsche Führung abgelöst werden wird, falls das bisher nicht schon geschehen sein sollte. In die
kongresspolnischen Betriebe in Thorn Stadt u. Land werden oder sind Treuhänder mit
Fachausbildung eingesetzt und dafür kommen nur Volksdeutsche in Frage…“
Hier liegt ein augenscheinlich sachlicher, neutraler Text mit unscheinbaren Bewertungen vor
(z.B. selbstverständlich), der mit seinem rationalen Sprachstil die Rationalität wirtschaftlichen
Handelns glaubwürdig vertritt. Allerdings ist er auch ein gutes Beispiel für die
Propagandatechniken der Selektion und des Verschweigens. Anhand der Beispiele
Sicherstellen von Vermögen und durch deutsche Führung abgelöst werden lassen
euphemistische Phrasen für die gewaltsamen Enteignungen des polnischen (wie auch
jüdischen) Hab und Guts erkennen. Für Enteignungen zeichnete später die
Haupttreuhandstelle Ost (HTO) zuständig. Sie wurde von Göring am 12. Oktober 1939
gegründet, um den Zugriff auf „Feindbesitz“, d.h. die Übernahme von Industrieunternehmen,
Betrieben und Grundstücken mittels Treuhänder zu organisieren (vgl. Loose 2007: 60).
Typische Ausdrücke für diese Maßnahmen sind (TF 1941.01.07: 5): deutsche kommissarische
Verwalter einsetzen, an tüchtige deutsche Fachleute verkaufen, in deutsche Hände übergeben.
Bis Kriegsende waren sämtliche Industrie-, Handels- und Handwerksbetriebe sowie
Grundbesitz beschlagnahmt und eine Million Menschen vertrieben worden. Befanden sich die
ehemaligen polnischen Eigentümer noch an ihrer früheren Immobilie, mussten sie Pacht
bezahlen oder für die deutschen Betreiber arbeiten (vgl. Rosenkötter 2007: 121).
Es ist offensichtlich, dass diese Maßnahmen einer Begründung bedurften. In der
Berichterstattung der Thorner Freiheit wird man diesbezüglich schnell fündig. Eine Strategie
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besteht in diffamierenden Überformungen des Stereotyps der polnischen Wirtschaft,
Ironisierungen sowie in dem Mythos des polnischen Landraubes nach dem 1. Weltkrieg (TF
1940.01.04: 3)
-die gewaltsame Entdeutschung des alten Reichsgebietes ist wohl die einzige Arbeit, die von den Polen
in all den Jahren „erfolgreich“ durchgeführt wurde;
-polnische Landarbeitshäuser sind … mit deutschen Schweineställen nicht zu vergleichen;
-Mitglieder der polnischen „Kulturnation“;
-Dreck- und noch mal Dreck; So viel Dreck gibt es eben nur in Polen.
-das Tollste ist in der Stadt Culmsee zu finden, … einmalig in Europa, - ausser im ehemaligen Polen.
- es gab weder Post- noch Bahnverbindung, kein Telephon, kein Licht;
- Um so schlimmer war es um den Zustand der Strassen und das äussere Bild der Dörfer bestellt. Wer
das nicht mit eigenen Augen gesehen hat, kann sich keine Vorstellung davon machen.
Die antipolnische Propaganda orientiert sich hier an dem ältesten polenfeindlichen Stereotyp,
nämlich der „polnischen Wirtschaft“, der in einer binären Kodierung das affirmative
Schlüsselwort „deutsche Aufbauarbeit“ entgegengesetzt wird.
Zusätzlich wird das semantische Feld rund um das Stereotyp der polnischen Wirtschaft
erweitert, hier auch im Sinne von Gasthaus (TF 1940.05.21: 5):
-alte polnische Gaststätte war keine Bleibe, in der man Gemeinschaft erleben konnte. verräucherte
Kneipen mit Orchestrion, Schallplatten, Spielautomaten, oft noch mit Ungeziefer als Zugabe
-statt polnischer Schnapsklappen gediegene deutsche Gaststätten,
- (durch rastlose Arbeit) der unwürdigen Wirtschaft ein deutsches Gesicht geben
- aus unglaublichen Wirtschafts- und baulichen Zuständen eine gute deutsche Gaststätte machen.
Die polnischen Gasthäuser werden als zwielichtige und schmutzige Orte beschrieben, in
denen die Polen dem Tabak, Alkohol, Musik und dem Spiel frönen. Für die
nationalsozialistische Ideologie waren solche Vergnügungen nicht akzeptabel, da sie von der
deutschen Bevölkerung einen gesunden, abstinenten (kein Alkohol und keine Zigaretten)
Lebensstil einforderte.
Das Propagandaziel lautete, an Stelle der polnischen Wirtschaft die deutsche Ordnung zu
setzen. Die Assoziationen, die mit deutscher Wirtschaft verknüpft werden sollen, beziehen
sich auf positiv geladene Bilder wie Ordnung/Sauberkeit, Herrschaft/Verwaltung und Fleiß:
-schöpferisch aus Chaos und Durcheinander eine zuchtvolle Ordnung formen; Ordnung und
Sauberkeit; (es wurde) eine schöne Fuhre polnischen Drecks hinausgeschafft.
-die deutsche Verwaltungsmaschine fing an zu laufen .. kam bald auf Touren, Einsatzbereitschaft
deutscher Verwaltungsbeamter; grössere industrielle und landwirtschaftliche Betriebe erhielten einen
deutschen Treuhänder.
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- rastlose Arbeit und rücksichtsloser Einsatz; einfach genug lautete der Auftrag. Weniger einfach war
es allerdings. (TF 1940.01.04: 3)3
Hinsichtlich dieser Aufbauarbeit kommt es zu einer starken Betonung scheinbar deutscher
Tugenden, die im Einklang mit deutschen Stereotypen stehen. Hier wird aber auch die
Propagandatechnik der Selektion eingesetzt, weil nämlich nur selektiv darüber berichtet wird,
dass die Aufbauarbeit nur mithilfe von polnischen Zwangsarbeitern und Ressourcen
polnischer Herkunft möglich ist (TF 1940.01.04: 3):
- er lernte sehr schnell parieren – der Pole – als die Deutschen kamen; die polnischen Beamten
(wurden) sofort für untergeordnete Arbeit eingespannt; polnische Arbeitsabteilungen begannen mit
notwendigsten Strassenarbeiten und gröbsten Aufräumungsarbeiten in den Dörfern; wurden zur
Erntearbeit befohlen und haben vorerst noch überall reichlich zu tun.
- der Landrat (musste) rund 20000 Meter Leinen beschlagnahmen zum Einfangen von 5000
Beutepferden; die Dienstfahrten mussten mit dem Fuhrwerk polnischer Bauern fortgesetzt werden;
Für die Aufbauarbeit wurden die Arbeitskraft und der Besitz polnischer Menschen gegen
deren Willen eingesetzt, was an die Wortherkunft „Slave – Sklave“ denken lässt, während das
Kommando den deutschen Besatzern oblag. Bezeichnend auch, dass in dem Bericht über eine
Beschlagnahmung das Modalverb „müssen“ auftaucht. Die antipolnische Propaganda hat
durch die Aktualisierung und Überformung des Stereotyps der polnischen Wirtschaft den
allgemeinen Eindruck geschaffen, dass eine Übernahme aller wirtschaftlichen Angelegenheit
im wörtlichen Sinne eine Pflicht darstelle und dieser Zweck zudem sämtliche Mittel
rechtfertige. Diese Auffassung wurde natürlich auch durch das nationalsozialistische
Menschenbild mit den Deutschen als „Herrenmenschen“ über andere Völker gestützt.
Auf den Anzeigenseiten der Thorner Freiheit lässt sich der Erfolg der deutschen Aufbauarbeit
insofern ablesen, als sich hier die Treuhänder vor allem zum Jahreswechsel an ihren Kunden
wenden und zum Beispiel Neujahrsgrüße übermitteln. Diese Werbeaktivitäten und Beiträge
zur Kundenbindung erwecken auch den Eindruck, dass die Stadt Thorn unter der deutschen
Besatzung wirtschaftlich floriere (TF 1939.12.30: 16):
-Meinen werten Kunden und Bekannten ein frohes neues Jahr
Erich Lange - Treuhänder d. Fa. J. Remus
Kolonialwaren u. Delikatesse :. Thorn, Gerberstrasse 19.
-Frohes neues Jahr der geehrten Kundschaft wünscht Frisörgeschäft Zaremba
Treuh. Erika Jacobson, Brückenstr. 27.
-Meinen Kunden und Bekannten ein frohes neues Jahr
Ernst Gerhardt - Treuhänder der Fa. A. Gorski, Thorn, Breitestrasse
3 Hier sei auf typische lexikalische Neuerungen hinzuweisen: zuchtvoll als Wortbildung von dem biologischen
Fachbegriff „Zucht“; rücksichtslos als Beispiel für eine Bedeutungsverbesserung.
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Motor-, Fahrrad-, Radio-Handlung.
-Firma „HADEGA“ Drogengrosshandlung
Treuhänder Fr. Dethloff Thorn, Brückenstr. Nr. 2/4
Wünscht ihrer geehrten Kundschaft in Stadt u. Land ein recht erfolgreiches neues Jahr und empfiehlt
gleichzeitig ihre soliden Firnisse, Lacke, Farben und technischen Drogen.
-Meinen werten Kunden ein recht frohes neues Jahr
F. Ligmanowski- Kolonialwaren – Grosshandlung :. Treuhänder Schulz.4
Ab 1940 verbreitet sich die Bezeichnung kommissarischer Verwalter anstelle von Treuhänder,
da Treuhänder mittlerweile durch häufige Korruption und Inkompetenz in Misskredit geraten
seien, was der Haupttreuhandstelle Ost (HTO) inoffiziell den Beinamen „Hermanns traurigste
Organisation“ eintrug (Global War 2000: 180). Beide Bezeichnungen verschleiern allerdings
gleichermaßen den Sachverhalt der faktischen Enteignung, wenngleich sich die Treuhänder
nicht als neue Eigentümer betrachten konnten, als sie nur vorübergehend eingesetzt wurden
um später z.Bsp. Umsiedlern zu weichen. Konnte ein Treuhänder den von ihm verwalteten
Betrieb erwerben, gab er dies auch in den Anzeigenseiten bekannt (TF 1941.12.31: 10):
-Geschäftsübernahme. Bringe meiner werten Kundschaft zur Kenntnis, daß ich das von mir bisher
komm. verwaltete Kolonialwaren-Geschäft der früheren Fa. Buczkowski, Thorn, Neust. Ring 21.
käuflich erworben habe. Karl Ricke.
-Geschäftsübernahme ..den bisher kommissarisch verwalteten ehemals polnischen Fleischereibetrieb
Teodor Stremel, Thorn, Mellienstraße 114 samt Verkaufsfläche in der Parkstraße 23a käuflich
erworben habe… Ferdinand Arthur Spät, Fleischermeister
Insgesamt teilt sich die Wirtschaftspropaganda in zwei Teile, einerseits in die Aktualisierung
des negativen Stereotyps der „polnischen Wirtschaft“, die mit Diffamierungen und
Schmähungen eine sehr aggressive polenfeindliche Propaganda darstellt, andererseits eine
äußerst positive Selbstdarstellung, die deutsche Tugendstereotype aufgreift. Zudem wird mit
übermäßigen Verallgemeinerungen gearbeitet, in dem sämtliche polnische Betriebe
abgewertet und sämtliche deutsche Unternehmungen aufgewertet werden. Diese
Verallgemeinerungen betreffen natürlich auch die deutschen Treuhänder, die als Deutsch
quasi per definitionem tüchtig und kompetent seien. Der Konflikt zwischen diesen beiden
Gegensätzen wird propagandistisch gelöst, indem das Positive das Negative um jeden Preis zu
4 Im Folgejahr tritt der Firmenname „Ligmanowski-Kolonialwaren“ tritt im Vergleich zu dem nun als
kommissarischen Verwalter bezeichneten Treuhänder Schulz in den Hintergrund (TF 1940.12.31: 8):
Ein frohes und gesunden neues Jahr allen Kunden und Bekannten wünscht
E.G. Schulz als Komm. Verw. der Fa. F. Ligmanowski
Kolonialwaren – Grosshandlung. Fernsprecher 2000 Klostergasse 4/6.
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ersetzen habe. Im nationalsozialistischen Verständnis bedeutete dies die Enteignung und
Versklavung der polnischen Bevölkerung.
6. Gerichtsbarkeit und Diskriminierung
Meldungen über die nationalsozialistische Rechtsprechung stellen eine polenfeindliche
Propaganda dar, die jedoch auf den ersten Blick kaum erkennbar ist. Die Verwendung einer
sachlichen und neutralen Sprache wird allerdings bewusst angewendet, um eine
Normalisierungsstrategie zu verfolgen. Mithilfe der Berichterstattung wird die
unverhältnismäßige Härte der Bestrafungen von Polen als fester Bestandteil in den Alltag
integriert. Besonders hohe Strafen folgen auf „Vergehen gegen das „Deutschtum“, wie
folgender Bericht zeigt:
Zu zehn Monaten Gefängnis wurde eine Polin verurteilt, die sich ein gefundenes Volksdeutschen-
Abzeichen angeeignet hatte und sich mit dem Abzeichen sogar fotografieren ließ (TF 1941.01.30: 5).
Die Partikel sogar impliziert einen Extremwert auf einer Erwartungsskala. Es wird die
Wertung ausgedrückt, dass sich die verurteilte Polin eines sehr unwahrscheinlichen
Vergehens (sich mit dem Abzeichen fotografieren zu lassen) schuldig gemacht habe.
Eine „gerechte Sühne“ konstatiert der folgende Bericht (TF 1941.01.15: 5): Wegen Überfalls
auf einen deutschen Postboten zum Tode verurteilt. (Der Pole Kajmer) hat am 10. Oktober 1940, als
er in der Schule Hermannsdorf mit einem zweiten Polen Malerarbeiten ausführte, den deutschen
Briefträger Häusler, als er den Briefkasten an der Schule leeren wollte, erst beleidigt und dann tätlich
angegriffen. Obwohl Häusler ihn niederschlug und ruhig seines Weges gehen wollte, hat Kajmer ihn
noch mehrfach angegriffen und beleidigt, dabei auch hasserfüllte Drohungen gegen das Deutschtum
gemacht. Er wurde nach einer sorgfältigen langwierigen Beweisaufnahme, nach der Verordnung vom
6. Juni 1940, nachdem derjenige den Tod verdient hat, der einen Deutschen angreift, zum Tode
verurteilt.
Die Strafe wird im Titel als gerecht charakterisiert, obwohl ein Sachverhalt folgt, der dieser
Bewertung intuitiv widerspricht, zumal sich das Opfer keineswegs als wehrlos erweist
(obwohl ihn Häusler niederschlug). Die bisherige polenfeindliche Propaganda hat bereits
erfolgreich die Grundlagen für die Akzeptanz dieser Ungleichbehandlung von Deutschen und
Polen geschaffen. Die diesbezügliche Berichterstattung hat nun nur noch die Aufgabe, die
Bevölkerung über die aktuelle Rechtsprechung zu informieren und sie daran zu gewöhnen.
Der deutschen Bevölkerung wird durch die harten Strafen für wiederholt vor Augen geführt,
dass ihre Volkszugehörigkeit und ihr Führer sakrosankt seien. Irgendeine Form der Kritik
daran zu äußern ist für die Polen höchst gefährlich und tabuisiert. Der Hinweis auf die
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sorgfältige Beweisführung suggeriert wiederum die Gewissenhaftigkeit der
nationalsozialistischen Rechtsprechung. Diese Verhältnisse gründen auf der Rassenideologie
und dem davon abgeleiteten Strafrecht in den eingegliederten Ostgebieten, welches für Polen
und Juden ein Sonderstrafrecht mit der Todesstrafe für viele, auch nichtige Vergehen, vorsah.
Siehe Bericht über heimtückische Polin (TF 1941.09.01: 4):
(Die) 30-jährige polnische Landwirtsfrau … hatte sich vor dem Kattowitzer Sondergericht zu
verantworten, da sie die Schußwaffen und einen Radioapparat vergraben hatte, um ihrer
Ablieferungspflicht zu entgehen. Außerdem hatte sie, als die Sache schließlich herauskam, ihre beiden
Stiefsöhne zu beschuldigen versucht. Die Polin wurde wegen unbefugten Waffenbesitzes,
Nichtablieferung des Radioapparates und wissentlich falscher Anschuldigungen zum Tode verurteilt.
Derartige Nachrichten waren an der Tagesordnung. Auch bloße deutsch- und staatsfeindliche
Äußerungen zogen schwere Strafen nach sich, wie in diesem Beispiel die Bereitung eines
Gerüchts (TF 1941.06.25: 4):
Vor dem Thorner Sondergericht stand gestern das polnische Ehepaar Josef und Rosalie
Lewandowski.. Bei der Vernehmung stellte sich heraus, daß der Angeklagte eines Tages von einem
gewissen Rutkowski gehört habe, der Führer sei bereits seit Mai 1940 tot. Lewandowski erzählte
dieses Schauermärchen seiner Frau, die es dann so oft als nur irgend ging, weiterverbreitete. In
Anbetracht der Gefährlichkeit derartiger Lügenverbreitung, die angetan ist, Unruhe ins Volk zu
tragen, wurde die Angeklagte Rosalie Lewandowski zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt(…)
Verglichen mit der emotionalen Sprache der polnischen Gräuelpropaganda, ist diese Form der
Berichterstattung rational, zumal es sogar Verweise auf gesetzliche Regelungen gibt oder der
Grund für ein bestimmtes Strafmaß hervorgehoben wird. In der Tat wird als Propagandamittel
der Mythos von der „deutschen Rasse“ kreiert. Dieser Mythos geht einher mit der Schaffung
von tabuisierten Zonen (Hitler, Deutschtum) und harten Strafen für deren Übertretung,
wodurch die deutsche Bevölkerung von der Wahrheit dieses Mythos überzeugt werden soll.
Die Anzahl der bewertenden Ausdrücke ist relativ gering, das abschätzig gebrauchte Adjektiv
heimtückisch, d.h. hinterhältig, arglistig sowie Hetzer sind einige der wenigen Beispiele.
Diese Zurückhaltung ist auch nicht überraschend, denn es soll der Eindruck von Recht und
Ordnung sowie von sachlich vorgehenden Autoritäten vermittelt werden, die für einen
zuverlässigen und gut geregelten Alltag sorgen. Aggressive Propaganda würde dieses Bild nur
stören.
Die Diskriminierung der polnischen Bevölkerung zeigt sich auch abseits des Strafrechts und
betrifft alltägliche Lebensbereiche (TF 1940.01.02: 3):
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Poniatowski-Park in Lodsch wird der Park der Hitler-Jugend Lodsch, 1. Januar. Der grösste und
schönste Park in Lodsch, der ehemalige Poniatowski-Park, wird fortab Park der Hitler-Jugend
heissen und nur noch für den deutschen Bevölkerungsanteil von Lodsch bestimmt sein.
Der systematische Ausschluss der Polen erfordert keine Erklärung, sondern kann aufbauend
auf die Gräuelpropaganda lediglich als Faktum präsentiert werden. Dieser als Normalität
verstandene Ausschluss lässt sich auch an der Trennung der Lebensmittelkarten nach
Volkszugehörigkeit aufzeigen. Eine Bekanntmachung des Ernährungsamtes (TF
1941.01.04/05: 9) enthält als Vorgaben, dass für die deutschen Jugendlichen bis 14 Jahre je 2
kg Äpfel abgegeben werden. Polen sind von dieser Zuteilung ausgeschlossen.
Ein weiteres Beispiel betrifft die Eierzuteilung (TF 1941.01.30: 7):
Auf den für die 19. Zuteilungsperiode vom 13. Januar bis 9. Februar 1941 gültigen Bestellschein der
Reichseierkarte für Deutsche werden 4 Eier für denen deutschen Versorgungsberechtigten (…)
ausgegeben (…) Selbstversorger und Polen erhalten keine Eier(…) Der Oberbürgermeister
Ernährungsamt, Abt, B.
Die Zuteilung von Weizenprodukte an Polen bedarf sogar einer Bescheinigung eines
deutschen Arztes, ansonsten ist sie verboten (TF 1941.06.25: 6):
Brotkarten an Deutsche und Polen. Nach der Anordnung des Getreidewirtschaftsverbandes Danzig-
Westpreussen vom 19. Februar 1941 betr. Abgabe von Weizenmehl und Backwaren ist die Abgabe von
Weizenmehl und Backwaren aus Weizenmehl an Verbraucher polnischer Volkstumszugehörigkeit
verboten. …..Im übrigen können Polen Weizenmehl oder Backwaren aus Weizenmehl nur nach
Vorlage eines Berechtigungsscheines des zuständigen Ernährungsamtes – Abteilung B – erhalten. Das
Ernährungsamt darf solche Berechtigungsscheine nur auf Grund einer Bescheinigung eines deutschen
Arztes, die der zuständigen ärztlichen Genehmigungsstelle vorgelegen hat ausstellen.
Auch öffentliche (sic!) Versteigerungen sind nur für Deutsche zugänglich (TF 1941.06.23: 9).
Öffentliche Zwangsversteigerung. Am Dienstag, 24. Juni 1941, 20 Uhr, soll in Thorn, Roßgartenstraße
66 ein vierrädriger, einspänniger Bretterwagen, komplett versteigert werden. Zuschlag erfolgt auf
Höchstgebot bei sofortiger Bezahlung. Juden und Polen sind ausgeschlossen. Finanzamt Thorn
Vollstreckungsstelle.
Diese Beispiele weisen keinerlei Merkmale auf, dass die Ausgrenzung verharmlost worden
wäre. Folgender Appelltext veranschaulicht, dass auch aus den Konzentrationslagern kein
Geheimnis gemacht wurde (TF 1941.06.24: 4):
Achtung, Polen! Ich weise nochmals darauf hin, dass (…) das Verbot des Betretens der öffentlichen
Straßen und Plätze zur Nachtzeit im Reg.-Bezirk Bromberg, nach wie vor strengstens zu beachten ist.
Ohne gültigen Nachtpassierschein dürfen Polen von 21 Uhr bis 5 Uhr die öffentlichen Straßen und
Plätze nicht betreten. Die Nichtbefolgung der Vorschriften werde ich künftig mit schwersten Strafen
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ahnden; daneben kommt Zwangsarbeit oder Einweisung in ein Konzentrationslager in Betracht.
Thorn, den 23. Juni 1941. Der Polizeidirektor (-) Stein, SS- Oberführer.
Die angeführten Beispiele der Berichterstattung können als Normalisierungsstrategien
verstanden werden, die auf die Gräuelpropaganda aufbauen. Sie sind geprägt von positiven
Signalen an die Eigengruppe, der ihre Privilegien vor Augen gehalten werden um sie von der
Wahrheit ihrer „Bestimmung“ zu überzeugen, d.h. der Mythos der „deutschen Rasse“ wird als
Realität inszeniert.
6. „Warschauer Aufstand“ als Assimilationspropaganda
Einen weiteren propagandistischen Entwicklungsschritt kann man anhand der
Berichterstattung über den Warschauer Aufstand erkennen. Er begann am 1. August 1944 als
sich in Warschau die Armia Krajowa unter General Komorowski gegen die deutschen
Besatzungstruppen erhob, was in einen 63-tägigen Kampf mündete, der nach Massakern an
Zivilisten und der beinahe völligen Zerstörung der Stadt niedergeschlagen wurde.
Die deutsche Presse erhielt vorerst die Anweisung, den Aufstand nicht zu thematisieren (vgl.
Arani 2011: 196). Nach mehreren Wochen aber konnte dieser größte und längste Aufstand
nicht mehr länger verheimlicht werden und die nationalsozialistischen Massenmedien, u.a. die
Thorner Freiheit, berichteten (TF 1944.09.01: 1):
Drahtmeldung unseres Vertreters. Hw.Stockholm. Bestätigung des Verrates an Warschau. (…) In
Moskau habe man anscheinend vergessen, daß die Sowjets die polnische Bevölkerung durch
zahlreiche Rundfunkaufrufe … zum Aufruhr aufgefordert hätten. Die heimtückische Doppelrolle der
Bolschewisten wird (…) von englischer und neutraler Seite erneut bestätigt..
Dieser Auszug auf der Titelseite bezeichnet die Sowjetunion als Auslöser des Aufstandes.
Erst am 7. November 1944, also mehr als einen Monat nach der Niederschlagung, wird ein
umfangreicherer Bericht gedruckt. Der Artikel trägt als Thema des Tages den Titel „Ruine
Warschau“ (TF 1944.11.07: 2):
Das polnische Volk, das in seiner Metropole für 62 Tage in die Hand von einigen zehntausenden
Freischärlern gegeben war, hat in seiner Gesamtheit abseits von dieser Explosion gestanden und sich
loyal verhalten. Einige aus seinen Reihen sind sogar aktiv gegen die Aufständischen geworden (…).
Und wenn heute über dreihunderttausend Polen zum größten Teil freiwillig an den deutschen
Verteidigungslinien im Osten schanzen, so mag es als symbolische Handlung genommen werden, dass
die Konflikte in diesem Raum zwischen ihnen und uns wahrscheinlich endgültig ausgetragen sind. Mit
diesem Erwachsen eines europäischen Bewusstseins schlösse sich der Kreis einer Entwicklung, an
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deren Anfang Pilsudski stand, der die lauernde Gegenwart des Riesen dies- und jenseits des Urals als
Drohung für den ganzen Kontinent empfand. Dr. I. Friedrich.
Als Propagandatechnik ist für die ersten Wochen des Aufstandes das Verschweigen
sämtlicher damit zusammenhängender Ereignisse zu nennen. Dieser Bericht beruht dagegen
auf Selektion, d.h. es werden sorgfältig ausgewählte Informationsteile (zumindest entspricht
die Überschrift Ruine Warschau den Tatsachen) zur Entwicklung einer Falschinformation
verwertet und auf Autorität, was man an dem Titel des Autoren erkennen kann. Zwar war die
nationalsozialistische Propaganda mit einem Anti-Intellektualismus verbunden, was aber nicht
zur einer Ablehnung akademischer Grade führte (z. Bsp.: die Anrede von Dr. Josef Goebbels).
Als Propagandamittel dient hier eine bewusste Falschinformation, die mit dem Mythos der
sich verschwörenden Feinde Deutschlands aufwartet. Es überrascht in diesem Zusammenhang
dennoch, dass dem Leser die Loyalität der polnischen Bevölkerung vorgespiegelt wird, die
die Besatzer sogar verteidigen würden. Natürlich stimmen diese Behauptungen nicht mit dem
brutalen Vorgehen der deutschen Truppen überein, bei dem alleine bei Massenexekutionen an
der Zivilbevölkerung 40.000 Menschen umgebracht wurden (Martin 2009: 182).
Die Berichterstattung über den Warschauer Aufstand ist eine publizistische Assimilation der
polnischen Bevölkerung. Propagandistisch ist die Situation mit jener vor der Besetzung
Polens vergleichbar, das wird auch mit der Nennung Piłsudskis angedeutet. Das Ziel ist hier
allerdings nicht eine Übereinkunft mit den polnischen Machthabern, sondern die Bündelung
der Kräfte gegen einen Feind zu bündeln, den Riesen dies- und jenseits des Urals (TF
1944.11.07: 2). Tatsächlich beschreibt diese Metapher die alliierten Großmächte.
Es entsteht eine äußerst paradoxe Situation für die Polen, einerseits waren sie der brutalen
Vergeltung der Besatzung in Warschau mit tausenden Todesopfern ausgesetzt, andererseits
werden sie in der Presse gelobt und an die Seite der Deutschen gestellt.
7. Zusammenfassung
Betrachtet man die antipolnische Propaganda der Thorner Freiheit, so erkennt man mehrere
Phasen der Berichterstattung. Die Anfänge der Zeitung sind geprägt von polnischer
Gräuelpropaganda, in denen hasserfüllte und diffamierende Sprache als hauptsächliches
Charakteristikum Merkmal zu beobachten ist. Typisch für diese Propaganda sind
Tierbezeichnungen und die völlige Abwertung des polnischen Volkes, dem die
Existenzberechtigung abgesprochen wird. Diese Form der Berichterstattung sorgt für die
Legitimierung jeglicher Maßnahmen der deutschen Besatzung gegen die polnische
Bevölkerung. Es kommt im Frühjahr 1940 zu einer Abschwächung dieser Vorgehensweise, da
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die Geschehnisse im besetzten Polen infolge der Angriffskriege gegen weitere Länder
Europas eine untergeordnete Rolle erhalten. Anfang September 1940 kommt es zu einem
neuerlichen Aufleben der Gräuelpropaganda, nämlich mit der medialen Verwertung des
Mythos vom „Bromberger Blutsonntag“. Diese Berichterstattung kann als Höhepunkt der
Gräuelpropaganda bezeichnet werden, obwohl deutlich wird, dass es in der Thorner Freiheit
starke Unsicherheiten bezüglich der Angaben und Darstellungen gab.
Mit dem Kriegseintritt der Sowjetunion am 22. Juni 1941 erschien mit dem Bolschewismus
außerdem ein bedeutsamerer Feind in den Medien, auf den sich die hetzerische
Berichterstattung von nun an verlegte.
Eine weitere Phase der polenfeindlichen Berichterstattung betrifft das Stereotyp der
polnischen Wirtschaft. Es kommt hier zu Diffamierungen und übermäßigen
Verallgemeinerungen mit dem Ziel, die Enteignung polnischer Besitztümer und
Liegenschaften zu rechtfertigen. Gleichzeitig werden deutsche Stereotype von Ordnung und
Tüchtigkeit aktualisiert, um der Bevölkerung den Erfolg der deutschen „Aufbauarbeit“ zu
vermitteln.
Die antipolnische Propaganda verlegt sich anschließend auf die Berichterstattung über
polenfeindliche Gesetzgebung, diskriminierende Lebensmittelverteilung und den allgemeinen
Ausschluss der Polen aus dem öffentlichen Leben. Diese Form der Berichterstattung ist
sprachlich sehr gemäßigt und dient der Stärkung der deutschen Bevölkerung, der ihre
„rassische Überlegenheit“ vorgeführt wird. Hetzkampagnen tauchen hier kaum auf, zumal sie
den Eindruck einer gut geregelten und vertrauenswürdigen Verwaltung vermindern würden.
Im Jahre 1944 kommt es im Zusammenhang mit dem Warschauer Aufstand zu einer Form der
Berichterstattung, die als Assimilationspropaganda zu bezeichnen ist. Es handelt sich bei
dieser auf bewusster Falschinformation aufbauenden Berichterstattung um die mediale
Vereinnahmung der Polen. Die polnischen Aufständischen werden kurzerhand als loyale
Verteidiger der deutschen Besatzung hinwegerklärt.
Quellenmaterial Thorner Freiheit:
1939.09.20: 2 Die Thorner Freiheit
1939.09.30: 5 Rücksichtslose Ausmerzung polnischer Mörder
1939.09.23: 6 Ganze Ortschaften durch die Polen ausgerottet
1939.09.29: 2 42 Volksdeutsche mit Dynamit in die Luft gesprengt
1939.10.02: 3 An den Folgen polnischen Terrors gestorben
1939.10.09: 3 Opfer polnischen Hasses
1939.10.12: 1 Grausige Funde ohne Ende; 2 Unmenschliche Szenen in Schrimm
1939.10.21: 2 Das Massengrab bei Turek
1939.11.01: 4 Sie quälen Mensch und Tier gleichermassen
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1939.11.27: 4 Die Rede des Gauleiters in Bromberg; Immer neue Opfer des polnischen Blutrausches
1939.12.19: 1 14 Geistliche von Polen viehisch ermordet
1939.12.30: 2 Dokumentensammlung über die polnischen Greueltaten; 3 Freiheitsglocken läuten von
den Türmen Thorns; 14 Thorns Industrie am Jahreswechsel; 16 Ein glückhaftes Neujahr 1940
1940.01.02: 3 Poniatowski-Park in Lodsch wird der Park der Hitler-Jugend
1940.01.03: 4 Acht Tage Krieg – acht Tage Schrecken
1940.01.04: 3 Die Aufbauarbeit im Landkreise Thorn; 4 Silvesterfeier in Gramtschen
1940.08.31/09.01: 6 „Heute vor einem Jahr. Der Opfergang der Thorner Deutschen.
1940.09.03: 1 Bromberger Blutsonntag unvergessen.
1940.09.20: 1 K.B. Ein Jahr „Thorner Freiheit“
1940.12.31: 8 Viel Glück im neuen Jahr!
1941.01.04/05: 9 Amtliche Bekanntmachungen
1941.01.07: 5 Hotels im Osten werden „renoviert“
1941.01.15: 5 gerechte Sühne
1941.01.30: 5 Aus dem Gau; 7 Amtliche Bekanntmachungen
1941.06.23: 9 Amtliche Bekanntmachungen
1941.06.24: 4 Amtliche Bekanntmachungen
1941.06.25: 4 Polin verbreitete Greuelmärchen; 6 Amtliche Bekanntmachungen
1941.09.01: 4 Todesstrafe für heimtückische Polin
1941.09.03: 3 Polnische Schwerverbrecher hingerichtet; Polnische Hetzer verurteilt.
1941.12.31: 10 Geschäftliche Empfehlungen
1942.09.01: 3 Jugend an der Weichsel blickt nach Bromberg
1942.09.19: 8 Th.E.Eisen 3 Jahre deutsche Zeitung
1943.09.01: 6 Seit 5.45 Uhr wird zurückgeschossen
1944.09.01: 1 Ausweitung des Streits um Polen
1944.11.07: 2 Dr. I. Friedrich Ruine Warschau
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