1 Photogrammetrie zur Dokumentation und als Planungsgrundlage – Qualitätsbetrachtung in: Venzmer, Helmuth (Hrsg.), Europäischer Sanierungskalender 2006 A. Bruschke Photogrammetrische Verfahren werden seit Meydenbauer für die Dokumentation von Denkmalen und als Planungsgrundlage eingesetzt. Heute führen nicht nur Spezialisten diese Aufgaben als Dienstleistung aus. Seit leistungsfähige PC´s und Digitalkameras zur Verfügung stehen, haben sich so genannte Low-Cost- Systeme stark verbreitet. Mit verschiedenen Softwareprodukten ist heute prinzipiell jedermann in der Lage, photogrammetrische Aufgaben zu bearbeiten, zur Unterstützung eigener Dokumentationen bzw. als Anbieter auf einem unübersichtlichen Markt. Mit dem Beitrag wird versucht, die komplexen technologischen Zusam- menhänge soweit darzulegen, dass die Brauchbarkeit der Ergebnisse und der große mögliche Nutzen für den jeweiligen speziellen Zweck erreicht werden können. Since Meydenbauer photogrammetric methods are used for the documentation of monuments and as funda- mentals of planning. These days not only specialists offer the service to carry out these tasks. Since efficient PC’s and digital cameras have become available, so called ‘low-cost-systems’ are very popular. Using dif- ferent software products basically everyone is able to deal with photogrammetric tasks either to support their own documentations or to appear as a contractor on an extensive market. This article is trying to demonstrate the complex technical context in order to achieve the usability of results and attain the greatest benefit possi- ble for the particular applications. Photogrammetrie in der Bauaufnahme Mit der Erfindung der Photogrammetrie durch Albrecht Meydenbauer und der Gründung der Königlich Preußischen Meßbildanstalt 1885 hat eine wesentliche Ergänzung der traditionellen Bauaufnahmemethoden ihren Anfang genommen [1]. Nach der weiteren Entwicklung der Photogrammetrie (Einführung der Stereo- photogrammetrie, analytische Auswertesysteme, einfacher PC-Lösungen und digitaler Bildverarbeitung) und dem Einsatz von Tachymetern (einschließlich reflektorloser Distanzmessung) hat sich der Schwerpunkt der Fachdiskussion zu Fragen der Bauaufnahme heute auf Laserscanner und 3D-Visualisierungen verlegt. Seit dem ersten Symposium „Von Handaufmass bis High Tech“ 2000 in Cottbus [2] bis zur erfolgreichen Fort- setzung 2005 hat sich ein deutlich qualitativer Fortschritt an den demonstrierten 3D-Beispielen gezeigt, ein Ausdruck der rasanten technischen Entwicklung aber auch der gewachsenen Erfahrungen im Umgang mit neuer Technik und Software. Allerdings ist die Photogrammetrie fast in Vergessenheit geraten, scheinbar ist alles gesagt? Tatsächlich hat sie sich (deren traditionelles Hauptanwendungsgebiet die Abbildung der Erdoberfläche in Karten und Orthofotos ist) unwahrscheinlich schnell und breit entwickelt, insbesondere durch Sensortechnik und digitale Bildverarbeitung. Durch Verbindungen mit anderen Disziplinen wurden zum Beispiel automati- sierte Lösungen im Automobilbau und anderen Bereichen geschaffen [3]. Die Bauaufnahme und Architekturvermessung verschließt sich weitgehend einer Automatisierung. Die übli- che Definition des Photogrammetrie-Begriffes zeigt [3]: „Unter Photogrammetrie versteht man allgemein Methoden, aus einem oder mehreren Bildern eines beliebigen Objektes indirekt dessen Form, Lage und Grö- ße durch Bildmessungen sowie dessen inhaltliche Beschreibung durch Bildinterpretation zu gewinnen.“ Ver-
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Photogrammetrie zur Dokumentation und als Planungsgrundlage –Qualitätsbetrachtungin: Venzmer, Helmuth (Hrsg.), Europäischer Sanierungskalender 2006
A. Bruschke
Photogrammetrische Verfahren werden seit Meydenbauer für die Dokumentation von Denkmalen und alsPlanungsgrundlage eingesetzt. Heute führen nicht nur Spezialisten diese Aufgaben als Dienstleistung aus.Seit leistungsfähige PC´s und Digitalkameras zur Verfügung stehen, haben sich so genannte Low-Cost-Systeme stark verbreitet. Mit verschiedenen Softwareprodukten ist heute prinzipiell jedermann in der Lage,photogrammetrische Aufgaben zu bearbeiten, zur Unterstützung eigener Dokumentationen bzw. als Anbieterauf einem unübersichtlichen Markt. Mit dem Beitrag wird versucht, die komplexen technologischen Zusam-menhänge soweit darzulegen, dass die Brauchbarkeit der Ergebnisse und der große mögliche Nutzen für denjeweiligen speziellen Zweck erreicht werden können.
Since Meydenbauer photogrammetric methods are used for the documentation of monuments and as funda-mentals of planning. These days not only specialists offer the service to carry out these tasks. Since efficientPC’s and digital cameras have become available, so called ‘low-cost-systems’ are very popular. Using dif-ferent software products basically everyone is able to deal with photogrammetric tasks either to support theirown documentations or to appear as a contractor on an extensive market. This article is trying to demonstratethe complex technical context in order to achieve the usability of results and attain the greatest benefit possi-ble for the particular applications.
Photogrammetrie in der Bauaufnahme
Mit der Erfindung der Photogrammetrie durch Albrecht Meydenbauer und der Gründung der Königlich
Preußischen Meßbildanstalt 1885 hat eine wesentliche Ergänzung der traditionellen Bauaufnahmemethoden
ihren Anfang genommen [1]. Nach der weiteren Entwicklung der Photogrammetrie (Einführung der Stereo-
photogrammetrie, analytische Auswertesysteme, einfacher PC-Lösungen und digitaler Bildverarbeitung) und
dem Einsatz von Tachymetern (einschließlich reflektorloser Distanzmessung) hat sich der Schwerpunkt der
Fachdiskussion zu Fragen der Bauaufnahme heute auf Laserscanner und 3D-Visualisierungen verlegt. Seit
dem ersten Symposium „Von Handaufmass bis High Tech“ 2000 in Cottbus [2] bis zur erfolgreichen Fort-
setzung 2005 hat sich ein deutlich qualitativer Fortschritt an den demonstrierten 3D-Beispielen gezeigt, ein
Ausdruck der rasanten technischen Entwicklung aber auch der gewachsenen Erfahrungen im Umgang mit
neuer Technik und Software. Allerdings ist die Photogrammetrie fast in Vergessenheit geraten, scheinbar ist
alles gesagt?
Tatsächlich hat sie sich (deren traditionelles Hauptanwendungsgebiet die Abbildung der Erdoberfläche in
Karten und Orthofotos ist) unwahrscheinlich schnell und breit entwickelt, insbesondere durch Sensortechnik
und digitale Bildverarbeitung. Durch Verbindungen mit anderen Disziplinen wurden zum Beispiel automati-
sierte Lösungen im Automobilbau und anderen Bereichen geschaffen [3].
Die Bauaufnahme und Architekturvermessung verschließt sich weitgehend einer Automatisierung. Die übli-
che Definition des Photogrammetrie-Begriffes zeigt [3]: „Unter Photogrammetrie versteht man allgemein
Methoden, aus einem oder mehreren Bildern eines beliebigen Objektes indirekt dessen Form, Lage und Grö-
ße durch Bildmessungen sowie dessen inhaltliche Beschreibung durch Bildinterpretation zu gewinnen.“ Ver-
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schiedene technische Entwicklungen, auch zur Auswertung digitaler Bilder, sind also nur die eine – die In-
terpretation im Sinne des Erkenntnisgewinnes für die Bauaufnahme ist die andere Seite [4].
Eine kurze Übersicht über die historische Entwicklung der Architekturphotogrammetrie und Erläuterungen
zu verschiedenen photogrammetrischen Verfahren im Einzelnen samt einigen Beispielen gibt Eckstein in [5].
Den wesentlichen Vorteilen der Photogrammetrie für Anwendungen in der Bauaufnahme
- berührungslose Vermessung (z.B. bei Gefährdung der Standsicherheit),
- Erfassung nicht zugänglicher Gebäudeteile (hohe Bauwerke),
- hoher Dokumentationswert der Messbilder und Informationsspeicher, auf den zu jedem Zeitpunkt, auch
für inhaltliche Interpretation, zurückgegriffen werden kann,
- sehr hohe Messgeschwindigkeit,
- kontinuierliche linienweise Auswertung komplizierter Architekturformen durch Stereoauswertung (3D-
Vektorisierung)
stehen zwei ebenso wesentliche Einschränkungen gegenüber [4]:
- Das Objekt muss fotografierbar sein.
- Die Interpretation und Auswertung findet im Bild und nicht am Objekt statt.
In Abwägung dieser Eigenschaften ist eine Entscheidung zum Einsatz der Photogrammetrie an einem kon-
kreten Objekt nach verschiedenen Gesichtspunkten zu treffen:
a) Für welchen Verwendungszweck soll eine Bauaufnahme erfolgen?
b) Welche Anforderungen bestehen an das Endergebnis?
c) Welche Objekteigenschaften und Umgebungsbedingungen sind zu berücksichtigen?
d) Welche alternativen Methoden sind geeignet?
In den nachfolgenden Fallbeispielen werden recht unterschiedliche Anwendungen und Anforderungen de-
monstriert, eine vollständige Übersicht aller Möglichkeiten oder eine Systematik ist hier nicht möglich. Von
Dokumentationen für restauratorische Untersuchungen über Bestandspläne für einfache Sanierungs- oder
umfassende Umbaumaßnahmen reicht die Spanne der Anwendungen, auch von der Stadtbildinventarisation
bis zur genauesten Aufnahme von gotischem Maßwerk für die Schadenskartierung, Erstellung von Steinli-
sten und die Herstellung von Schablonen für zu ersetzende Werkstücke. Warum und wie eine qualifizierte
Bestandsaufnahme als Grundlage für die Leistungsausschreibung zur Sanierung einer gründerzeitlichen Na-
tursteinfassade genutzt wird (und damit für eine zuverlässige Kostenplanung), ist beispielhaft in [6] doku-
mentiert.
Die Methodik der Bestandsaufnahme, formal gegliedert in die Bereiche Bauaufnahme und Bauuntersuchung
mit Befunddokumentation [7] wird entsprechend der verschiedensten Anforderungen systematisiert. Die
bekannteste Einteilung wird nach vier Genauigkeitsstufen vorgenommen [8]. In [9] wird der Genauigkeits-
begriff noch stärker differenziert. Die „Aussageschärfe“ eines Bauaufmasses wird hier von zwei wesentli-
chen Faktoren abhängig gemacht – der Messgenauigkeit und der Darstellungsgenauigkeit. Neben der rein
geometrischen Genauigkeit kommt der Form der Darstellung eine besondere Bedeutung zu. Die Differenzie-
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rung in Anforderungsstufen wird betont anwendungsbezogen vorgenommen und durch eine 5. Stufe für wis-
senschaftliche Zwecke erweitert.
Die typische Aufgabe für Bauaufnahmen dürfte die Herstellung werkplanfähiger Bestandsgrundlagen sein
[9]: „Für eine denkmalpflegerische Projektierung mit entwurfsbedingten Eingriffen in den Baubestand ist
eine formgetreue Plangrundlage der Stufe III unverzichtbar.“ Da sich wohl selten schon vorab alle Anforde-
rungen vorhersehen lassen und erst in der Bauphase durch Freilegungen neue Erkenntnisse ergeben, wird
eine projektbegleitende Bauaufnahme vorgeschlagen, die auf einer Grundlage wie in Stufe III aufbaut und in
weiteren Phasen die Informationen verdichtet [10].
Wenn nicht entsprechend voraus gedacht wird und spätere Anforderungen nicht erkannt werden, kann es also
passieren, dass für eine einfache Bauaufnahme der Stufe I oder II umsonst Geld ausgegeben wird. Solche
Bestandspläne lassen sich nicht verbessern, auch die Nutzung von Altplanbeständen gehört in den Bereich
der Legende [9].
Eine genauere Erläuterung der übrigen Methoden sowie die Bewertung der Vor- und Nachteile erfolgt unter
verschiedenen Gesichtspunkten in [4], [7], [9] und [10]. Prinzipiell werden außer den photogrammetrischen
Verfahren das traditionelle Handaufmaß, das tachymetrische Aufmaß und das Laserscannen beschrieben. Die
letztliche Entscheidung für eine bestimmte Methode hängt nur bei gleichwertigen Alternativen ausschließlich
von Wirtschaftlichkeitsfragen ab. Diese gibt es nur selten. Häufig wird eine komplexe Aufgabe durch die
Kombination mehrerer Methoden gelöst.
Im Dienstleistungsbereich ist es entscheidend, die Anforderungen so klar zu definieren, daß weitgehend die
Qualität des Endproduktes gesichert werden kann und nachprüfbar ist. Das ist in der Praxis leider selten oder
nur ungenügend der Fall und führt logischerweise zu späterem Mehraufwand, da Mängel nicht sofort ent-
deckt werden können. Neben der oben diskutierten Frage eines eindeutigen Leistungsverzeichnisses mit kla-
ren inhaltlichen Vorgaben müssen jedoch ebenso Vorgaben zur Messtechnik aufgestellt werden [11], [12].
Nach DIN ISO 9001 dient Qualitätsmanagement der Erreichung beherrschter Prozesse. Insofern trägt die
Definition qualitätsbestimmender technologischer Rahmenmerkmale auch zur Vermeidung von Missver-
ständnissen, Ärger, Mehraufwand und -kosten bei. In seltenen Fällen wird das berücksichtigt, in jedem dieser
Fälle aber erfolgreich.
Gibt es die Photogrammetrie für jedermann? Seit dem Aufkommen von PC-Lösungen scheint das der Fall zu
sein. Die Qualität der Ergebnisse hängt aber auch hier weiterhin von einigen Rahmenbedingungen ab, die
sowohl Anwender aber auch Auftraggeber berücksichtigen sollten.
Bilderzeugung
Fotografieren heißt zeichnen mit Licht. Die Komplexität der Zusammenhänge zwischen Lichtquelle, Atmo-
sphäre, Oberflächeneigenschaften, Filter und Objektiv, Filmemulsion und Laborprozess (und das alles noch
für verschiedene Spektralbereiche) lässt ebenso Verständnis für den historischen Begriff der Lichtbildkunst
aufkommen. Die Berücksichtigung und der gezielte Einsatz der einzelnen Komponenten ist hauptsächlicher
Gegenstand der Fernerkundung [13]. Aber auch bei der Aufnahmeplanung für die Architekturphotogramme-
trie sind diese Fragen zu berücksichtigen und für eine ausreichende Bildqualität entscheidend.
Die Aufnahmeanordnung und das Licht sind natürlich bei Innenaufnahmen im Gegensatz zu Außenfassaden
in der Regel besser planbar. Trotzdem sollte ein seitlicher Lichteinfallswinkel angestrebt werden sowie ge-
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richtetes Licht jedoch mit einem Anteil diffuser Strahlung. Entsprechend den Materialeigenschaften hat die
Oberfläche eine unterschiedliche Rauhigkeit, die die Absorption bzw. Reflexion in Abhängigkeit des Win-
kels beeinflusst und damit Strukturen erkennbar werden lässt. Das richtige Maß an Streulicht ist für den op-
timalen Kontrast verantwortlich. Tageszeit und Wetter sind also bei Außenaufnahmen die entscheidenden
Faktoren und Wartezeiten regelmäßig nicht zu vermeiden.
Ein einfach kontrollierbares aber notwendiges Kriterium ist die fotografische Auflösung der Messbilder, die
durch den Bildmaßstab definiert wird. Um entsprechende geometrische Genauigkeit und Detailerkennbarkeit
zu erhalten, ist unter Berücksichtigung moderner Objektive und Auswertetechnik ein Verhältnis von ca. 1/5
zwischen Bildmaßstab und Auswertemaßstab erforderlich. Wenn zum Beispiel ein Fassadenaufmass im
Maßstab 1:50 benötigt wird, sollen die Messbilder keinen schlechteren Bildmaßstab von 1:250 haben. Das ist
völlig unabhängig vom Bildformat. Dieser beeinflusst nur die benötigte Anzahl der Aufnahmen, wie in Bild
12 demonstriert wird. Die Planung der Aufnahmedisposition sieht dann unter Berücksichtigung der Umge-
bungsbedingungen und dem möglichen Aufnahmeabstand den Einsatz verschiedener Objektivbrennweiten
vor.
Das die Ausrichtung der Aufnahmen weitestgehend frontal zur Fassade erfolgen soll, hat zwei Gründe. Ein
Anmessen unter einem größeren Winkel hat Ungenauigkeiten zur Folge. Außerdem müssen Untersichten
bzw. Verdeckungen vermieden werden. Arbeitsbühnen und Hubschrauber sind daher gängige Plattformen
und für hohe oder unzugängliche Bauwerke ein sowohl unverzichtbares als auch wirtschaftliches Hilfsmittel
auf Grund der kurzen Einsatzzeiten. Die Vorlage einer Aufnahmeplanung (Bild 7) einschließlich der einge-
setzten Messkammern ist aus allen genannten Gründen ein wirksames Instrument zur Qualitätssicherung.
Die schnelle Entwicklung der digitalen Aufnahmetechnik bringt einige Vorteile und stellt die Frage nach
deren Einsatz in der Photogrammetrie. Neben den Fragen nach der geometrischen Stabilität (bzw. den Mög-
lichkeiten einer Kalibrierung) setzt hier immer noch die Bildauflösung Grenzen. In [14] wird folgendes Bei-
spiel vorgerechnet: Wenn bei einer Ausgabe im Maßstab 1:50 mit 300 dpi sichergestellt werden soll, dass
jedes Pixel einem physikalischen Sensorelement entspricht, kann mit einer 4 Megapixelkamera an einer Fas-
sade eine Fläche aufgenommen werden von nur 5,2 x 6,9 m.
Bildbearbeitung
Für die Herstellung entzerrter Messbilder und von Bildplänen werden heute nur noch digitale Bilder verwen-
det. Außer für die Entwicklung der Negativ- oder Diafilme der Messbildaufnahmen spielt der fotografische
Prozess keine Rolle mehr. Da aus oben diskutierten Gründen und zur Vermeidung von Unmengen an Bildern
also eher analog fotografiert wird, kommen Durchlichtscanner zum Einsatz. Auch hier muss die Scannauflö-
sung dem Vergrößerungsverhältnis zum Ausgabemaßstab entsprechen.
Die Vorteile der digitalen Bildverarbeitung für die Architekturphotogrammetrie liegen in der schnellen Be-
arbeitung von Montagen entzerrter Messbilder zu Bildplänen und den dabei nötigen geometrischen und ra-
diometrischen Anpassungen. Da bei der Transformation fotografischer zentralperspektiver Abbildungen auf
eine Ebene Umklappungen von Vorsprüngen nicht zu vermeiden sind, kommt es zu Versetzungen und An-
passungsproblemen. Echte Orthogonalprojektionen auf der Basis digitaler 3D-Oberflächenmodelle sind na-
türlich machbar, aber wegen des Aufwandes eher selten (anders in der Aerophotogrammetrie auf Grund der
dort möglichen Automatisierung). Abwicklungen z.B. von Gewölbeflächen auf mathematische Regelflächen
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und damit unverkürzte maßstäbliche Abbildungen für Kartierungszwecke sind heute ein weiteres Ergebnis
der digitalen Bildverarbeitung.
Auswertung
Die einfache Nutzung von entzerrten Messbildern
für interpretierende Betrachtungen bedarf hier
keiner weiteren Ausführung. In der Regel ist je-
doch die „… inhaltliche Beschreibung durch Bil-
dinterpretation …“ (s. Definition der Photogram-
metrie) mit der Umsetzung in Zeichnungen ver-
bunden. Bei dieser Auswertung wird der völlig
undifferenzierte Bildinhalt auf das Wesentliche
und für die jeweilige Aussage Notwendige redu-
ziert. Ob „Hochzeichnen“ von entzerrten Messbil-
dern, punktweise Messung aus zwei konvergenten
Bildern oder linienweise Stereoauswertung –
heute ist damit eine Vektorisierung gemeint.
Neben der oben diskutierten Bedeutung der Bildqualität ist insbesondere das räumliche Sehen durch stereo-
skopische Betrachtung eines Bildpaares als herausragender Vorteil für die Interpretation zu nennen. Vermut-
lich wird es bald zum Standard gehören, dass von der Photogrammetrie orientierte Bildpaare für Interpretati-
onszwecke z.B. als überlagertes rot/grün-Bild digital zur Verfügung gestellt werden. Diese können dann
entsprechend dem Anaglyphenverfahren mit Brille am Bildschirm räumlich betrachtet werden. Darüber hin-
aus ermöglicht die Stereoauswertung (Bild 1) natürlich auch die „formgerechte“ Vermessung von Architek-
turlinien mit einer sehr hohen Punktdichte.
Das Problem der Definition inhaltlicher Anforderungen wird anschaulich in [15] deutlich. Die dargestellten
ziemlich unterschiedlichen Ergebnisse eines Wettbewerbes können nur auf die nicht vorhandene oder nicht
verstandene klare Aufgabenstellung zurückzuführen sein. Stark verwitterte Fugen bzw. Mörtelausbesserun-
gen machen es der Photogrammetrie in diesen Fällen aus Prinzip unmöglich, genaue Steingrößen und Ab-
messungen der Blöcke anzugeben. Das bleibt einer örtlichen Untersuchung und Ergänzung vorbehalten.
Ebenso sind abgewitterte Profile und Formen nicht mehr darstellbar, sondern können nur Ergebnis einer
Entwurfsarbeit unter Berücksichtigung von begründeten Annahmen sein. Wenn das nicht die Aufgabe der
photogrammetrischen Auswertung sein soll, bleibt dieser das punktgenaue Abtasten – hier der sichtbaren
Grenze zwischen Naturstein und Mörtelfuge bzw. des Umrisses der verwitterten Formen. Leicht zu definie-
rende und kontrollierende Qualitätskriterien sind in allen Fällen:
- Messgenauigkeit als relative Größe (Nachbarschaftsgenauigkeit) und als absolute Größe (bezüglich des
gesamten Gebäudes),
- Punktdichte (der wirklich zu messende Punktabstand).
Die Aussageschärfe [9] wird nach verschiedenen Darstellungsinhalten und in Abhängigkeit des Maßstabes
zu differenzieren sein. Eine Erhöhung der Detailauflösung bei wichtigen Sachverhalten geht auch mit Gene-
Bild 1: Arbeit am analytischen Stereoaus-wertegerät Planicomp P3
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ralisierungen bei anderen Fragen einher. Diese Anforderungen als auch der Einsatz grafischer Mittel zur
Steigerung der Aussagekraft [6] und die Differenzierung in Layer können sehr wohl vor einer Aufgabe fest-
gelegt werden. Diese Mühe ist sicher geringer als spätere Nacharbeit.
Feldvergleiche und Ergänzungsmessungen schließen Lücken oder unbestätigte Vermutungen. Im Sinne der
Informationsverdichtung [10] und in Anerkennung der Grenzen der Photogrammetrie muss so bei Bedarf die
Bestandsdokumentation gesichert werden. In der Regel ist das vorhersehbar und sollte deshalb auch zur Si-
cherung der Qualität gefordert werden. Wird dieser Arbeitsschritt planmäßig mit einer organisierten Zusam-
menarbeit verschiedener Fachdisziplinen verbunden, trägt dieser Austausch nicht nur zum gegenseitigen
Verständnis sondern natürlich zu einem befriedigendem Ergebnis bei [11], [16].
Kartierung und Informationsverarbeitung
Die Erkundung von speziellen Merkmalen wie Bearbeitungsspuren, Schäden, Materialarten und anderen
restauratorischen Befunden ist Voraussetzung für die Planung der Maßnahmen und die Erstellung von Lei-
stungsverzeichnissen. Dazu sind photogrammetrische Auswertungen übliche Arbeitsgrundlagen. Das Auf-
tragen der vor Ort gewonnenen Informationen mit punktförmigen, linienhaften oder flächenmäßigem Bezug
und die maßstäbliche Darstellung in einem räumlichen Zusammenhang (Kartierung) erschließt diese durch
entsprechende visuelle Mittel. Entsprechend den Möglichkeiten von CAD ist diese einmal erfolgte selektive
Erfassung der Informationen in sinnvoller Weise auch für die weitere Verarbeitung zu nutzen.