Peter Lienhard, HfH | 1 Wirkungen und Grenzen der Integration | Bildungstagung, FDP des Kantons Zürich | 28.01.2010 FDP des Kantons Zürich Bildungstagung vom 28. Januar 2010, Zürich Wirkungen und Grenzen der Integration Prof. Dr. Peter Lienhard-Tuggener Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich (HfH)
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Peter Lienhard, HfH | 1Wirkungen und Grenzen der Integration | Bildungstagung, FDP des Kantons Zürich | 28.01.2010 FDP des Kantons Zürich Bildungstagung.
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Peter Lienhard, HfH | 1Wirkungen und Grenzen der Integration | Bildungstagung, FDP des Kantons Zürich | 28.01.2010
FDP des Kantons ZürichBildungstagung vom 28. Januar 2010, Zürich
Wirkungen und Grenzen der Integration
Prof. Dr. Peter Lienhard-TuggenerInterkantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich (HfH)
Peter Lienhard, HfH | 2Wirkungen und Grenzen der Integration | Bildungstagung, FDP des Kantons Zürich | 28.01.2010
Überblick
1. Integration – ein überstrapazierter Begriff,unter dem alle etwas anderes verstehen
2. Warum immer differenziertere separative Förderangebotenicht zielführend sind
3. Fachliche, bildungspolitische und ethische Begründungen:oftmals unklare Vermischung statt Transparenz
4. Integrationsfähigkeit lässt sich nicht allein am Kind festmachen
5. Stärkung der Regelschule braucht mutige Entscheide
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Definition:
integratio (lat.):Herstellung eines Ganzen,Eingliederung in die Gesamtheit
1. Integration – ein überstrapazierter Begriff, unter demalle etwas anderes verstehen
In der Praxis: Begriff wird sehr unterschiedlich verwendet:
von spezifischbis sehr breit
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Integration denkt immer eine Schwelle mit
• drin – draussen
• dabei – nicht dabei
• den Erwartungen entsprechend – abweichend
Je nach Kontext denken wir diese Schwelle sehr rasch – oder gar nicht.
1. Integration – ein überstrapazierter Begriff, unter demalle etwas anderes verstehen
Symbolbilder
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1. Integration – ein überstrapazierter Begriff, unter demalle etwas anderes verstehen
Das hier verwendete Zielverständnis von schulischer Integration:
Gemeinsames Lernen möglichst aller Kinder und Jugendlichen,unabhängig von deren besonderen pädagogischen Bedürfnissen
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2. Warum immer differenziertere separativeFörderangebote nicht zielführend sind
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2. Warum immer differenziertere separativeFörderangebote nicht zielführend sind
Anteil Schüler/innen in Sonderschulen und in Sonderklassen in den verschiedenen Kantonen (Schuljahr 2005/06, ohne Kindergartenstufe)
0
1
2
3
4
5
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9
10
TI VS NW AI OW FR JU AR GE GR UR NE SZ GL CH LU ZH BE VD TG ZG SG AG SH SO BS BL
Sonderschule Sonderklasse
%
1. Die Kantone setzen sehr unter-schiedliche Schwellen zwischen«Normalschülern», «Klein-klassenschülern» und«Sonderschülern»(Bundesamt für Statistik,2007/2008)
2. Bereits Schulanfänger zeigenextrem unterschiedliche Leistungen; 23% haben einen Vorsprung von mindestens einem halben Jahr; 10% haben vor Schuleintritt die Lernziele der 1. Klasse bereits erreicht(Stamm, 1998)
3. Die Trennschärfe dererbrachten Schulleistun-gen in verschiedenenSek-I- Typen, aber auch zwischen Regelklassen und Kleinklassen für Lernbehin-derte ist erstaunlich schlecht(Kronig, 20071)
4. Je nach Wohnort ist der gleiche Schüler in ganz unterschiedliche Schul-typen eingeteilt;je leistungsschwächer das Umfeld, desto wahrschein-licher ist die Zuteilungzu einem höheren Schultyp(Kronig, 20072)
Homogenität in Lerngruppen:
eine wissenschaftlicherwiesene Fiktion
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SoKl /KKL A
SoKl /KKL C
SoKl /KKL B
SoKl /KKL D
SoKl /KKL E
Logopädie
Psychomotoriktherapie
Psychotherapie
Legasthenietherapie
Dyskalkulietherapie
Nachhilfeunterricht
Hör- und Ablesekurse
Rhythmik
Deutsch als Zweitsprache
Begabtenförderung
ISF
Angebotspalette nach altem Volksschulgesetz
IntegrierteSonder-schulung
Sonder-schulen
Regelklassen
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Separative Angebote entziehen der Regelschule Know-how und Ressourcen
Regelklassen
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Hier wurden in den letzten Jahren Fehler gemacht:
Vermischung unterschiedlicher Begründungen,weshalb integrative Schulungsformen verstärkt umgesetzt werden sollen.
3. Fachliche, bildungspolitische und ethische Begründungen:oftmals unklare Vermischung statt Transparenz
Wichtig:
Auseinanderhalten von
•gesetzlichen Aspekten
•gesellschaftspolitischen Aspekten
•ethischen Aspekten
•fachlichen Aspekten
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Gesetzliche Aspekte
3. Fachliche, bildungspolitische und ethische Begründungen:oftmals unklare Vermischung statt Transparenz
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3. Fachliche, bildungspolitische und ethische Begründungen:oftmals unklare Vermischung statt Transparenz
Tendenz:
Schleichender Verlust eines gemeinsam getragenen «gesellschaftlichen Kitts»
Gesellschaftspolitische Aspekte
Individualisierung... mit der Gefahr der Vereinzelung... mit der Gefahr der Entsolidarisierung
Integration / Inklusion... als Betonung der gemeinsamen Teilhabe... als Notwendigkeit, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu unterstützen
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3. Fachliche, bildungspolitische und ethische Begründungen:oftmals unklare Vermischung statt Transparenz
Chancengleichheitist als Ziel kaum zu erreichen
Ethische Aspekte
Was wir gemeinsam schaffen können istChancengerechtigkeit
Unterschiedliche ethische Positionen,wie Chancengerechtigkeitam besten zu erreichen sei ...
... wichtig, dass diese Fragenoffen debattiert werden
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3. Fachliche, bildungspolitische und ethische Begründungen:oftmals unklare Vermischung statt Transparenz
Wie wirkt Integration? Was ist wissenschaftlich erwiesen ... und was nicht?Darstellung der wichtigsten Erkenntnisse in Form von Fragen und Antworten
Fachliche Aspekte
Quellen:
Bless, Gérard: Zur Wirksamkeit der Integration. Bern: Haupt, 2007
Kronig, Winfried: Die systematische Zufälligkeit des Bildungserfolgs. Bern: Haupt, 2007
Lindsay, Geoff: Educational psychology and the effectiveness of inclusive education/mainstreaming.British Journal of Educational Psychology, Vol. 77, 2007, 1-24
Peetsma, Thea et al.: Inclusion in Education: comparing pubil‘s development in special and regulareducation. Educational Review Vol. 45, 2/2001, 125-135
Werden die Schulleistungen der Mitschülerinnen und Mitschülerin integrativen Settings beeinträchtigt?
klare, international übereinstimmende Forschungsresultate
«nein»
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Gibt es weitere interessante Forschungserkenntnisse?
Integration führt oft zu einer Verbreiterung des methodisch-didaktischen Repertoires ... und dies kommt allen Schülerinnen und Schülern zugute
Psychosoziale Probleme / Verhaltensauffälligkeiten erschweren die Integration massiv stärker als kognitive und körperliche Handicaps
Integrierte Schüler/innen finden tendenziell anspruchsvollere Ausbildungsplätze(... aber nur, wenn der Übergang gut vorbereitet wurde)
Günstiger als sehr kleine Klassen wirkt sich die häufige Anwesenheit vonzwei Personen im Klassenzimmer aus
Eine Integration ist dann in Frage zu stellen,wenn es nicht mehr gelingt, sich mit gemeinsamen Themen auseinanderzusetzenund damit eine «gemeinsame Lebenswelt» zu schaffen
persönliche Leitlinie
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4. Integrationsfähigkeit lässt sich nicht allein am Kind festmachen
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5. Stärkung der Regelschule braucht mutige Entscheide
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5. Stärkung der Regelschule braucht mutige Entscheide
Ventile bei erhöhter Belastung der Regelschule
Regelschulemit sonderpädagogischem Angebot gemäss
Verordnung über die sonderpädagogischen Massnahmen
Ventil 1:Regelschülerin wird Sonderschule zugewiesen
Ventil 4:Gemeinde weist Schüler/in in Privatschule
Ventil 3:«kreative Ausweitung»der gemeindeeigenenRessourcen(z.B. Sozialpädagogein schwieriger Sek C)
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5. Stärkung der Regelschule braucht mutige Entscheide
Vorschlag des sonderpädagogischen Konzepts (in Vernehmlassung)
Regelschulemit gebündeltem sonderpädagogischen Angebot gemäss Verordnung über die sonderpädagogischen Massnahmen
Sonderschulenfür die ergänzende
kommunale Versorgung
Sonderschulenmit kantonalem
Versorgungsauftrag
behinderungsspezifischeBeratung
kommunalerweiterte
Ressourcen
kantonaldefiniertes
Ressourcen-maximum
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Quellen:
Bless, Gérard: Zur Wirksamkeit der Integration. Bern: Haupt, 2007
Bundesamt für Statistik: Schülerinnen in Sonderklassen und Sonderschulen nach Kanton und Nationalität,2007/2008. URL http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/15/02/key/ind5.indicator.51323.513.html [16.12.2009]
Kronig, Winfried: Die systematische Zufälligkeit des Bildungserfolgs. Bern: Haupt, 20071
Kronig, Winfried: Irrtümer der Selektion. Schulblatt des Kantons Zürich, 1/20072, 4-5
Lindsay, Geoff: Educational psychology and the effectiveness of inclusive education/mainstreaming.British Journal of Educational Psychology, Vol. 77, 2007, 1-24
Peetsma, Thea et al.: Inclusion in Education: comparing pubil‘s development in special and regulareducation. Educational Review Vol. 45, 2/2001, 125-135
Stamm, Margrit: Frühlesen und Frührechnen als soziale Tatsachen. Schlussbericht der Projektetappe1995 bis 1998. Aarau: Institut für Bildungs- und Forschungsfragen, 1998
Ich wünsche uns allen heute Abendeine spannende weitere Auseinandersetzung