KRIMINOLOGISCHE ZENTRALSTELLE Forschungs-und Dokumentationseinrichtungdes Bundes und der Länder Instrumente zur Risikobewertung terroristischer Gewalttäter PD Dr. Martin Rettenberger International Security Conference „Radicalization, Violence, Terrorism“ May 17th – 18th 2017
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PD Dr. Martin Rettenberger - · PDF fileUngerechtigkeiten (McCauley & Moskalenko, 2011) –Moralische Emotionen ⇒Andere verletzen „heilige Werte“ (Ginges et al.,
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KRIMINOLOGISCHE ZENTRALSTELLEForschungs-undDokumentationseinrichtungdesBundesundder Länder
Instrumente zur Risikobewertung terroristischer
GewalttäterPD Dr. Martin Rettenberger
International Security Conference„Radicalization, Violence, Terrorism“
• Fazit und Zusammenfassung17.05.2017 Instrumente zur Risikobewertung 2
Was ist Risiko?
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Risiko
Wahrscheinlichkeit
Ausmaß der Schädigung
Instrumente zur Risikobewertung
Was ist Risiko?
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Risiko
Wahrscheinlichkeit
Ausmaß der Schädigung
Selbst geringfügige Delikte weisen nur eine
geringe Wahrscheinlichkeit auf
Auch schwerwiegende Delikte weisen eine hohe Wahrscheinlichkeit auf
Instrumente zur Risikobewertung
Methodische Aspekte
• Risikobewertungen sind immer nur Entscheidungshilfen unter Bedingungen der Unsicherheit– Aussagen über Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses
– Aussagen über Konstellationen und Bedingungen, die Wahrscheinlichkeit erhöhen/verringern
• „100%-sichere“ Prognosen setzen einen Verhaltensdeterminismus voraus, der erkenntnistheoretisch unmöglich ist
• Derartige „Sicherheitsversprechen“ dürfen weder von Experten/-innen noch von Entscheidungsträgern gegeben werden
• Nur Hochstapler und Wahrsager bieten 100%-treffsichere Prognosen
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Die Vier-Felder-Tafel
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Reale Entwicklung
Prognose
Kein Rückfall Rückfall
Kein RückfallRichtig-negativ
(RN)Falsch-negativ
(FN)
RückfallFalsch-positiv
(FP)Richtig-positiv
(RP)
Die Vier-Felder-Tafel
• Häufig diskutierte Annahmen:
– FN-Fälle (kriminal-)politisch besonders problematisch
– FP-Fälle hingegen weniger offensichtlich ⇒ Risiko-und Sicherheitsorientierung führt zu Anstieg von FP-Fällen
• Statistischer Zusammenhang: Reduktion einer Fehlerrate ⇒ Erhöhung der anderen Rate
• Sollen jeder FN-Fall um jeden Preis verhindert werden, folgt daraus eine hohe FP-Rate
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Risikobewertung
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• Instrumente zur Risikobewertung bestehen aus empirisch abgesicherten Risikofaktoren
• Anzahl der Risikofaktoren ⇒ Höhe des Rückfallrisikos
• Je weiter der Entscheidungspunkt rechts liegt, umso weniger FN-Fälle
• Gleichzeitig erhöht sich der Anteil der FP-Fälle• Dies trifft insbesondere bei Bereichen mit
niedrigerer Basisrate zu
Risikobewertung
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• Instrumente zur Risikobewertung bestehen aus empirisch abgesicherten Risikofaktoren
• Anzahl der Risikofaktoren ⇒ Höhe des Rückfallrisikos
• Je weiter der Entscheidungspunkt rechts liegt, umso weniger FN-Fälle
• Gleichzeitig erhöht sich der Anteil der FP-Fälle• Dies trifft insbesondere bei Bereichen mit
niedrigerer Basisrate zu
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Risikobewertung
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• Instrumente zur Risikobewertung bestehen aus empirisch abgesicherten Risikofaktoren
• Anzahl der Risikofaktoren ⇒ Höhe des Rückfallrisikos
• Je weiter der Entscheidungspunkt rechts liegt, umso weniger FN-Fälle
• Gleichzeitig erhöht sich der Anteil der FP-Fälle• Dies trifft insbesondere bei Bereichen mit
niedrigerer Basisrate zu
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Risikobewertung
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• Instrumente zur Risikobewertung bestehen aus empirisch abgesicherten Risikofaktoren
• Anzahl der Risikofaktoren ⇒ Höhe des Rückfallrisikos
• Je weiter der Entscheidungspunkt rechts liegt, umso weniger FN-Fälle
• Gleichzeitig erhöht sich der Anteil der FP-Fälle• Dies trifft insbesondere bei Bereichen mit
niedrigerer Basisrate zu
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Risikobewertung
• Meist replizierte Ergebnis human-wissenschaftlicher Prognoseforschung:
– Statistik besser als Intuition & (Berufs-) Erfahrung (Grove & Meehl, 1996; Meehl, 1954/2013)
– Insbesondere (intuitive) Expertenurteile tendieren zu schwacher Vorhersageleistung bei ausgeprägter subjektiver Überzeugung über die Korrektheit der Prognose (Tetlock, 2005)
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„Erfahrung heißt gar nichts. Man kann seine Sache auch 35 Jahre schlecht machen.“
12Instrumente zur Risikobewertung
Risikobewertung
• Rückfälle können nur durch Rückfallstatistiken prognostiziert werden ⇒ Gültigkeit für Erstmanifestationen delinquenten Verhaltens fraglich
• Um ein Prognoseinstrument zu entwickeln, sind umfangreiche (Rückfall-)Datensätze notwendig
• Bei sehr selten Deliktgruppen kaum möglich ⇒ (Schul-)Amok, sexuell assoziierte Tötungsdelikte, Terroranschläge, …
• Weitere methodische Schwierigkeit: Extrem niedrige Basis(rückfall)raten
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Relevante Risikobereiche: Terrorismus
• Trotz beschränkter Forschung konnten 5 relevante Risikobereiche identifiziert werden (Monahan, 2012, 2016)
– Ideologie ⇒ in Verbindung mit militantem Extremismus (Saucier et al., 2009)
– Zugehörigkeiten ⇒ Commitment meist über Kontakt zu Anderen (Bélanger et al., 2014)
• Zugang zu Finanzmitteln, Hilfsquellen oder organisatorischen Fähigkeiten
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Quelle: Pressman et al., 2016; Sadowski et al., 2016
Selbstverpflichtung und Motivation
• Legitimation von Gewalt und Tötungen im Dienst einer höheren Sache (religiöse Verpflichtung, Glorifizierung)
• Motiviert durch Kameradschaft, Gruppenzugehörigkeit
• Motiviert durch moralische Verpflichtung, moralische Überlegenheit
• Erlangen von Status
• Streben nach Sinn und Bedeutung im Leben17.05.2017 Instrumente zur Risikobewertung 22
Quelle: Pressman et al., 2016; Sadowski et al., 2016
Protektive und Risiko-vermindernde Indikatoren
• Re-Interpretation der Ideologie
• Ablehnung von Gewalt als Mittel, um Ziele zu erreichen
• Teilnehmer an Programmen gegen gewalttätigen Extremismus
• Unterstützung von Gewaltlosigkeit durch Familienmitglieder oder andere wichtige Personen
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Quelle: Pressman et al., 2016; Sadowski et al., 2016
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1. Problem-definition
2. Fall-informationen
3. Risiko-faktoren im
Einzelfall
4. Individuelle Relevanz
5. Klinisches Modell
6. Zukünftige Szenarien
7. Präventiv-maßnahmen
8. Finales Urteil
von Franqué, F. (2013). Strukturierte, professionelle Risikobe-urteilungen. In: Handbuch kriminalprog-nostischerVerfahren (S. 357 ff). Göttingen: Hogrefe.
• Stärken:
– Berücksichtigung individueller Merkmale und Entwicklungsverläufe
– Auch bei vgl. neuem Kriminalitätsphänomen anwendbar
• Schwächen:
– Nicht jeder Aspekt von VERA-2R empirisch ausreichend untersucht (Rettenberger et al., 2011; von Franqué, 2013)
– Risikokommunikation anhand von Kategorien (niedrig, mittel, hoch) nicht unproblematisch (Hilton et al., 2008; Rettenberger et al., 2017)
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Violent Extremist Risk Assessment (VERA)
• Problem: Sind tatsächlich alle enthaltenen Risikofaktoren prognostisch relevant?
weisen zahlreiche Risikofaktoren für Delinquenz & Extremismus auf (z. B. Aust & Laabs, 2014)
– Aber diese Risikofaktoren sind nicht spezifisch für Rechtsterrorismus, sondern für rechtsextreme Gewalttäter/-innen (Marneros et al., 2003; Rettenberger, 2016)
• Gefahr deutlich erhöhter FP-Raten 17.05.2017 Instrumente zur Risikobewertung 26
Violent Extremist Risk Assessment (VERA)
Risikokommunikation
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Risikokommunikation
• Ab welcher Rückfallwahrscheinlichkeit ist die Einschätzung „hohes Rückfallrisiko“ gerechtfertigt?
17.05.2017 28Instrumente zur Risikobewertung
Risikokommunikation
• Ab welcher Rückfallwahrscheinlichkeit ist die Einschätzung „hohes Rückfallrisiko“ gerechtfertigt? – M = 48,68% (SD = 17,50; range = 5-80)
17.05.2017 29Instrumente zur Risikobewertung
Risikokommunikation
17.05.2017 30Instrumente zur Risikobewertung
Risikokommunikation
• Bis zu welcher Rückfallwahrscheinlichkeit ist die Einschätzung „niedriges Risiko“ gerechtfertigt?
17.05.2017 31Instrumente zur Risikobewertung
Risikokommunikation
• Bis zu welcher Rückfallwahrscheinlichkeit ist die Einschätzung „niedriges Risiko“ gerechtfertigt? – M = 20,93% (SD = 13,47; range = 0-51)
17.05.2017 32Instrumente zur Risikobewertung
Risikokommunikation
17.05.2017 33Instrumente zur Risikobewertung
Zusammenfassung und Fazit
• Internationaler Terrorismus einer der zentralen sicherheits-politischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts
• Gesellschaft erwartet Antworten ⇒ Entscheidungsträger und Experten/-innen sollten sich nicht zu einfachen Heilsversprechen verführen lassen
• Die größte Gefahr für Demokratie und Rechtsstaat ist nicht nur der Terrorismus, sondern auch nicht eingelöste Sicherheitsversprechen
• Fachlich fundierte Risikobewertungen können Treffsicherheit erhöhen, liefern jedoch niemals 100%-ige Sicherheit
• Grundlage für professionelles Risiko-Management: Auswahl und Durchführung von Betreuungs-, Behandlungs- und Kontroll-maßnahmen
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