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12. Dezember 2016 Recht für Wirtschaftswissenschaftler (privatrechtlicher Teil) PD Dr. Daniel Effer-Uhe
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PD Dr. Daniel Effer-Uhe Recht für ... · • Das Deliktsrecht hat einerseits eine Ausgleichsfunktion, andererseits auch eine ... erdenkliche Recht verstehen würde, wäre die Aufzählung

Sep 18, 2018

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12. Dezember 2016

Recht für Wirtschaftswissenschaftler

(privatrechtlicher Teil)

PD Dr. Daniel Effer-Uhe

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12. Dezember 2016

Recht für Wirtschaftswissenschaftler

Kaufmängelgewährleistung – Garantieübernahme

• Der Verkäufer, der Hersteller oder ein Dritter kann eine Garantie übernehmen. Der

Garantievertrag tritt dann als selbständiger Vertrag neben den Kaufvertrag.

• Der Inhalt der Garantie ist nicht vorgeschrieben: Es ist Sache der Parteien, sich

darüber zu einigen, was garantiert werden soll und welche Rechtsfolgen eintreten

sollen; oft finden sich Ausführungen zum Inhalt in den AGB des Verkäufers.

• Besonders häufig sind sog. Haltbarkeitsgarantien, die zum Inhalt haben, dass die

Sache für eine bestimmte Dauer eine bestimmte Beschaffenheit behält; dann wird

nach § 443 II BGB vermutet, dass ein innerhalb der Garantiefrist auftretender

Sachmangel die Rechte aus der Garantie begründet.

• Der Garantievertrag ersetzt die gesetzliche Sachmängelgewährleistung nicht,

sondern räumt dem Käufer zusätzliche Rechte ein. Bei

Verbrauchsgüterkaufverträgen ist nach § 477 BGB ein ausdrücklicher Hinweis auf

die gesetzlichen Rechte und darauf, dass sie durch die Garantie nicht

eingeschränkt werden, erforderlich, außerdem ist der Inhalt der Garantie mit allen

wesentlichen Angaben zu nennen, die für deren Geltendmachung erforderlich sind. 2

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Kaufmängelgewährleistung – Anwendungsbereich

• Die speziellen Vorschriften des Kaufmängelgewährleistungsrechts (insbesondere

§ 437 BGB) finden erst nach Gefahrübergang (§ 446 BGB) Anwendung.

• Der Käufer muss eine mangelhafte Sache nicht annehmen, ihm stehen dann die

Rechte aus § 437 BGB noch nicht zu, stattdessen aber der Erfüllungsanspruch

aus § 433 I BGB und die Rechtsbehelfe des allgemeinen Leistungsstörungsrechts

(§§ 280 ff., 320 ff. BGB).

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Kaufmängelgewährleistung

• Die Rechte des Käufers im Fall eines Mangels ergeben sich aus § 437 BGB: Er

kann Nacherfüllung verlangen (Nr. 1), vom Vertrag zurücktreten (Nr. 2) oder den

Kaufpreis mindern (ebenfalls Nr. 2) und/oder Schadensersatz verlangen (Nr. 3).

• Allerdings reicht für diese Rechte die bloße Mangelhaftigkeit nicht aus: § 437 BGB

nennt in den einzelnen Alternativen jeweils weitere §§, nach denen sich der

Rechtsbehelf richtet. Wenn es z.B. in § 437 Nr. 3 BGB heißt, der Käufer könne

nach §§ 440, 280, 281, 283, 311a BGB Schadensersatz verlangen, ist das als

Anweisung zu lesen, die Voraussetzungen auch dieser Vorschriften zu prüfen.

• Zu einem Schadensersatzanspruch kommt der Käufer also z.B. nach §§ 434, 437

Nr. 3 BGB i.V.m. §§ 280, 281 BGB im Fall einer Schlechtleistung, die trotz

Nachfristsetzung nicht behoben wurde, nach §§ 434, 437 Nr. 3 BGB i.V.m. §§

280, 281 I, 440 BGB im Fall einer verweigerten Nacherfüllung auch ohne

Nachfristsetzung, nach §§ 434, 437 Nr. 3 BGB i.V.m. §§ 280, 283 BGB im Fall der

Unmöglichkeit der Nacherfüllung oder nach §§ 434, 437 Nr. 3 BGB i.V.m. §§ 311a

II BGB im Fall der anfänglichen Unmöglichkeit. 4

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Kaufmängelgewährleistung

• Aus den Anforderungen der einzelnen in § 437 BGB genannten Vorschriften

ergibt sich ein grundsätzlicher Vorrang der Nacherfüllung. Das ergibt sich aus

dem Erfordernis einer Nachfristsetzung als regelmäßige Voraussetzung der

meisten anderen Rechte (vgl. z.B. § 281 I S. 1 mit den Ausnahmen in Abs. 2).

• Der Verkäufer hat also sozusagen ein „Recht zur zweiten Andienung“: Wenn

der Käufer bei einem Sachmangel diesen eigenmächtig ohne vorherige

Fristsetzung von einem Dritten reparieren lässt, kann er die Mehrkosten nicht

als Schadensersatz beim Verkäufer geltend machen, da es an der für §§ 434,

437 Nr. 3, 280 I, III, 281 BGB erforderlichen Fristsetzung fehlt.

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Kaufmängelgewährleistung – Nacherfüllung

• Die Nacherfüllung kann nach § 439 I BGB auf zwei Arten erfolgen: entweder durch

Beseitigung des Mangels („Nachbesserung“) oder durch Lieferung einer neuen,

mangelfreien Sache („Nachlieferung“).

• Die Art der Nacherfüllung kann grundsätzlich der Käufer frei wählen. Diese

Wahlfreiheit entfällt aber, wenn die eine Art der Nacherfüllung nach § 275 I BGB

unmöglich ist. Außerdem kann der Verkäufer die gewählte Art der Nacherfüllung

dann verweigern, wenn entweder die Voraussetzungen des § 275 II, III BGB

vorliegen oder diese Art der Nacherfüllung nur mit unverhältnismäßig hohen

Kosten verbunden ist (§ 439 III).

• Bsp.: K kauft von V eine Waschmaschine. Das gelieferte Gerät macht beim

Einsatz ein lautes, ungewöhnliches Geräusch. K verlangt Lieferung einer neuen

Maschine. Wenn das Geräusch durch das bloße Anziehen einer Schraube

abgestellt werden kann, ohne dass für die Zukunft eine höhere Wahrscheinlichkeit

besteht, dass sich diese Schraube wieder löst, kann V die Nachlieferung

verweigern und K stattdessen auf die Nachbesserung verweisen. 6

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Kaufmängelgewährleistung

• Wenn der Verkäufer dem Nacherfüllungsverlangen nicht fristgerecht nachkommt

oder die Nacherfüllung (in beiden Varianten) unmöglich ist, kann der Käufer nach

§§ 434, 437 Nr. 323 BGB bzw. nach §§ 437 Nr. 2, 326 V BGB zurücktreten oder

gemäß §§ 437 Nr. 3, 280 ff. (bzw. 311a) BGB Schadensersatz verlangen, wenn

die Voraussetzungen dieser Vorschriften vorliegen.

• Rücktritt und Schadensersatz statt der ganzen Leistung sind allerdings

ausnahmsweise ausgeschlossen, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist (§§

281 I S. 3, 323 V S. 2 BGB).

• Das heißt aber nicht, dass der Käufer ohne Ersatz eine minderwertige Sache

erhalten hat. Vielmehr kann er nach §§ 437 Nr. 2, 441 I BGB „statt zurückzutreten“

(also: wenn die Voraussetzungen des Rücktritts vorliegen) den Kaufpreis mindern.

Die Höhe der Minderung richtet sich gemäß § 441 III S. 1 BGB nach der Relation

von Kaufpreis und Wert der Kaufsache.

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Kaufmängelgewährleistung

• Bsp.: K kauft bei V einen Gebrauchtwagen zum Preis von 8.000 EUR. Kurz

nach Übergabe und Bezahlung stellt sich heraus, dass der Wagen schon einen

Unfall hatte und daher nur noch einen Wert von 9.000 EUR hat. Ohne den

Unfall hätte er einen Wert von 10.000 EUR gehabt. K möchte an dem

Kaufvertrag festhalten, aber den Kaufpreis mindern.

• Durch den Mangel ist der Wert des Wagens um 10 % reduziert. Daher muss

nach § 441 III BGB auch der Kaufpreis in diesem Verhältnis herabgesetzt

werden. K kann von V daher eine Erstattung in Höhe von 800 EUR verlangen

(vgl. § 441 IV S. 1 BGB).

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Kaufmängelgewährleistung – Besonderheiten in der Lieferkette

• Meist ist der Letztverkäufer nicht selbst Hersteller einer Kaufsache, sondern nur

letzter Teil einer Lieferkette.

• Das würde für den Endverkäufer eine enorme Belastung darstellen, wenn er

aufgrund der Sonderregeln zum Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff., insbesondere

der Beweislastumkehr nach § 476 BGB) gegenüber dem Käufer haften würde,

aber bei seinem eigenen Verkäufer keinen Regress nehmen könnte, weil der

Letztverkäufer als Unternehmer sich selbst nicht auf die Beweislastumkehr berufen

kann.

• Der Gesetzgeber hat daher mit § 478 BGB eine erleichterte Regressmöglichkeit in

der Lieferkette geschaffen: Wenn der Unternehmer eine neu hergestellte Sache

wegen eines Mangels zurücknehmen muss oder der Verbraucher den Kaufpreis

gemindert hat, kann der Unternehmer gegenüber seinem Lieferanten die Rechte

aus § 437 BGB ohne die sonst erforderliche Fristsetzung geltend machen (§ 478 I

BGB). Dasselbe gilt nach § 478 V BGB auch für die Ansprüche der anderen

Verkäufer innerhalb der Lieferkette gegenüber ihrem jeweiligen Verkäufer. 9

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Kaufmängelgewährleistung

• Die Rechte des Käufers wegen eines Mangels sind ausgeschlossen, wenn er bei

Vertragsschluss den Mangel kennt (§ 442 I S. 1 BGB). (Die Kenntnis des Mangels

bei Übergabe der Sache ist dagegen irrelevant, solange der Käufer den Mangel

beim Vertragsschluss noch nicht kannte.)

• Auch wenn er den Mangel nur infolge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt hat,

stehen ihm keine Mängelgewährleistungsrechte zu, es sei denn, der Verkäufer

hätte den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Beschaffenheitsgarantie

übernommen (§ 442 I BGB).

• Eine Besonderheit gilt im Handelsverkehr nach § 377 HGB: Bei beiderseitigen

Handelsgeschäften (vgl. § 343 HGB) muss der Käufer grundsätzlich die Ware

unverzüglich nach Ablieferung untersuchen und den Verkäufer auf eventuelle

Mängel hinweisen; ansonsten gilt die Ware als genehmigt.

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Ausschluss und Beschränkung der Kaufmängelgewährleistung

• Die Parteien können grundsätzlich die Haftung für Sach- oder Rechtsmängel

vertraglich beschränken.

• Eine Grenze dafür bildet § 444 BGB: Der Verkäufer kann sich auf einen solchen

Haftungsausschluss nicht berufen, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen

oder eine Beschaffenheitsgarantie übernommen hat.

• Beim Verbrauchsgüterkauf gelten weitere Einschränkungen, da § 475 BGB viele

kaufrechtliche Vorschriften zugunsten des Verbrauchers für zwingend erklärt.

• Einschränkungen bestehen auch, soweit der Haftungsausschluss in Allgemeinen

Geschäftsbedingungen (AGB – Definition in § 305 I BGB, Sonderregelungen zur

Einbeziehung in einen Vertrag in §§ 305 II, 305c I BGB) enthalten ist (z.B. nach §

309 Nr. 7 BGB oder nach § 307 I S. 1 BGB).

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Schadensersatzansprüche außerhalb eines Vertragsverhältnisses

• Auch ohne einen Vertrag kommen Schadensersatzansprüche in Betracht. (Bsp.:

Verkehrsunfall). Diese Ersatzansprüche sind im sogenannten „Deliktsrecht“ oder

„Recht der unerlaubten Handlungen“ geregelt.

• Das Deliktsrecht hat einerseits eine Ausgleichsfunktion, andererseits auch eine

Präventionsfunktion: Idealerweise sollte das Deliktsrecht dazu führen, dass

denjenigen ein Schaden trifft, der ihn am ehesten hätte verhindern können.

• Bsp.: Wenn von einem Bauwerk marode Dachziegel herunterfallen, können sich

zufällige Passanten kaum sinnvoll im Vorhinein schützen. Der Besitzer des

Grundstücks dagegen hätte die Möglichkeit, rechtzeitig Sicherungsmaßnahmen zu

ergreifen. Daher ist es konsequent, dass § 836 I BGB dem Grundstücksbesitzer

bei Verletzung eines Passanten oder einer Sache (geparkter Pkw) einen

Schadensersatzanspruch auferlegt, denn durch diese drohende Haftung haben

Grundstücksbesitzer einen Grund, präventiv für eine ausreichende Absicherung

ihres Grundstücks zu sorgen.

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Zentralnorm des Deliktsrechts: § 823 I BGB

• Voraussetzungen von § 823 I BGB:

1. Verletzung eines der in § 823 I BGB genannten Rechtsgüter durch den Schädiger

2. Rechtswidrigkeit der Verletzung

3. Schuldhaftes Handeln des Schädigers (Vorsatz oder Fahrlässigkeit, § 276 BGB)

4. Kausalität der Handlung für den Schaden

• Praktisch wichtigster Fall: Eigentumsverletzung (Eigentum = rechtliche Herrschafts-

macht, § 903 BGB, nicht dagegen bloß tatsächliche Sachherrschaft = Besitz)

• Selbst bloße Eingriffe in die Nutzbarkeit oder in die vom Eigentümer vorgesehene

Gestaltung (Bsp.: Graffiti an Hausfassade) können einen Eingriff in das Eigentum

darstellen.

• Bsp.: L parkt seinen Lkw verkehrsordnungswidrig vor der Einfahrt zu Grundstück des

G. G kann mit seinem Auto die Einfahrt nicht verlassen. Da er dringend zu einem

Termin muss und L nicht aufzufinden ist, benutzt er ein Taxi. Hier sind die Taxikosten

ersatzfähig, denn L hat in das Eigentum am Auto eingegriffen: Die Sachsubstanz ist

zwar unversehrt, aber die Nutzbarkeit beeinträchtigt.

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Sonstige Rechte im Sinne des § 823 I BGB

• Würde man unter „sonstigen Rechten“ im Sinne des § 823 I BGB jedes

erdenkliche Recht verstehen würde, wäre die Aufzählung der ausdrücklich

genannten Rechtsgüter überflüssig. Es würde dann eine ausufernde Haftung

für nahezu jedes Verhalten drohen.

• Deshalb muss der Begriff des „sonstigen Rechts“ eng ausgelegt werden.

• Geschützt werden daher nur solche Rechte, die eine starke Ähnlichkeit zu den

ausdrücklich genannten Rechtsgütern aufweisen. Abstrakt sagt man, das

sonstige Recht müsste einen Zuweisungsgehalt und eine

Ausschließungsfunktion besitzen.

• Praktisch bedeutsam ist das „sonstige Recht“ vor allem im Fall des

allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des „eingerichteten und ausgeübten

Gewerbebetriebs“.

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Sonstige Rechte im Sinne des § 823 I BGB: allgemeines Persönlichkeitsrecht

• Ein Anspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

setzt voraus, dass schwerwiegend und rechtswidrig in das Persönlichkeitsrecht

eingegriffen wurde.

• Außerdem soll der Anspruch nur bestehen, wenn der Verletzte keine

Möglichkeit hat, den entstandenen Nachteil anderweitig hinreichend

auszugleichen.

• Wenn das der Fall ist, kann der Geschädigte Ersatz des durch die

Ehrverletzung eingetretenen immateriellen Schadens verlangen. Um einen

wiederholten Eingriff in das Persönlichkeitsrecht zu verhindern, werden die

Gewinne aus der Rechtsverletzung beim Umfang des zu ersetzenden

Schadens berücksichtigt.

• Bsp.: Das Magazin B druckt ein „Interview“ mit Prinzessin C, das jedoch frei

erfunden ist.

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Sonstige Rechte im Sinne des § 823 I BGB: Gewerbebetrieb

• Nicht jeder Eingriff in die Ausübung eines Gewerbebetriebs stellt gleichzeitig eine

Eigentumsverletzung dar (Bsp.: Rechtswidriger Streik).

• Die Rechtsprechung erkennt aber das sogenannte „Recht am eingerichteten und

ausgeübten Gewerbebetrieb“ als „sonstiges Recht“ i.S.d. § 823 I BGB an.

• Geschützt werden dadurch nicht nur Gewerbe im engeren Sinne, sondern auch die

Angehörigen der sogenannten „freien Berufe“ wie Ärzte oder Rechtsanwälte.

• Allerdings muss der Schutz dieses Rechtsguts eng begrenzt sein. Denn in einem

freiheitlich-marktwirtschaftlichen System beeinträchtigt jede Handlung eines

Unternehmens zugleich stets die Position seiner Wettbewerber, Lieferanten oder

Kunden. Das kann die Gefahr einer ausufernden Haftung bergen. (Bsp.: Der

fahrlässige Verkehrsunfall eines wichtigen Arbeitnehmers führt dazu, dass bei

seinem Arbeitgeber für zwei Tage die Produktion ausfüllt, was zu Schäden nicht

nur beim Arbeitgeber, sondern auch bei seinem Abnehmer führt.)

• Der Eingriff muss daher „unmittelbar“ oder „betriebsbezogen“, also gegen den

Betrieb als solchen gerichtet sein. 16

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Sonstige Rechte im Sinne des § 823 I BGB: Gewerbebetrieb

• Bsp.: Bei Bauarbeiten im Neubaugebiet beschädigt ein Baggerfahrer leicht

fahrlässig eine städtische Stromleitung, die auch die angrenzende Arztpraxis

des Radiologen R versorgt. R muss für mehrere Stunden seine Praxis

schließen.

• Hier hat die Beschädigung des Stomkabels zwar eine Störung der Arztpraxis

verursacht. Sie stellt aber keinen betriebsbezogenen Eingriff dar, denn die

Beschädigung des Kabels richtete sich nicht gegen die Arztpraxis.

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Deliktsrecht: § 823 I BGB – Rechtswidrigkeit

• Zweite Voraussetzung von § 823 I BGB ist die Rechtswidrigkeit des Eingriffs.

• Diese Rechtswidrigkeit wird bei den ausdrücklich genannten Rechtsgütern

vermutet, der Schädiger muss die Vermutung also widerlegen, indem er einen

Rechtfertigungsgrund für den Eingriff nachweist (z.B. Notwehr).

• Bei den „sonstigen Rechten“ wie dem Recht am eingerichteten und ausgeübten

Gewerbebetrieb wird dagegen die Rechtswidrigkeit des Eingriffs nicht vermutet.

Vielmehr muss im Rahmen einer Abwägung der widerstreitenden Interessen der

Beteiligten geprüft werden, ob der Eingriff rechtswidrig ist.

• Bsp.: W macht intensiv Werbung für sein Produkt, was den Absatz des

Konkurrenzprodukts von K – wie von W beabsichtigt – beeinträchtigt.

• Hier liegt ein zielgerichteter Eingriff in den Gewerbebetrieb des K vor. Dem K steht

aber – selbstverständlich – nur dann ein Schadensersatzanspruch zu, wenn er

nachweisen kann, dass die Werbung rechtswidrig war, z.B. eine vergleichende

Werbung darstellt, die unwahre Behauptungen über sein Produkt verbreitet

(Verstoß gegen § 6 Abs. 2 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb [UWG]).18

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Deliktsrecht: § 823 I BGB – Verschulden und Kausalität

• Bei der Prüfung des Verschuldens ist auf § 276 BGB abzustellen: Der Schädiger

muss vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben.

• Vorsätzlich handelt, wer einen anderen absichtlich oder wissentlich schädigt.

Fahrlässig handelt nach § 276 II BGB, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt

außer Acht lässt. Entscheidend ist, welches Verhalten von einer Person mit

durchschnittlichen Fähigkeiten aus dem Verkehrskreis des Schädigers erwartet

werden kann.

• Das Verschulden muss sich nur auf die Rechtsgutsverletzung und die

Rechtswidrigkeit beziehen. Ob den Schädiger auch hinsichtlich des konkreten

Schadens ein Verschulden trifft, ist unerheblich.

• Kausalität: Zum einen muss gerade die Handlung des Schädigers die Verletzung

des Rechtsguts herbeigeführt haben. Zum anderen muss der Schädiger nur die

Schäden ersetzen, die infolge der von ihm ausgehenden Rechtsgutsverletzung

entstanden sind.

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Deliktsrecht: § 823 I BGB – Verkehrssicherungspflichten

• Eine Unterlassung als schadensersatzbegründende Handlung ist nur dann

relevant, wenn eine Pflicht zum Handeln bestanden hätte. Das muss besonders

begründet werden.

• Man spricht dann von sogenannten Verkehrssicherungspflichten, die insbesondere

aus der Eröffnung oder Beherrschung einer Schadensquelle resultieren können.

• Bsp.: Unternehmer U sorgt für die Reinigung eines verstopften Kanals.

Versehentlich unterlässt er es, den offenen Kanaldeckel mit einem Zaun,

Warnschild o.ä. zu versehen. Fußgänger F, der sich angeregt mit einem Begleiter

unterhält, fällt aus Unachtsamkeit in den nicht gesicherten Kanalschacht und

verletzt sich schwer.

• Hier hat der U eine Gefahrenquelle eröffnet, die er hätte absichern müssen. Diese

Pflicht hat er verletzt und haftet daher auf Schadensersatz. (Dass F selbst

ebenfalls unaufmerksam war, kann nach § 254 I BGB zu einer Minderung des

Anspruchs führen.)

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Deliktsrecht: § 831 BGB – Haftung für den Verrichtungsgehilfen

• In der Praxis werden oftmals andere Personen zur Verrichtung der eigenen

Angelegenheiten eingeschaltet.

• Im Rahmen vertraglicher Schadensersatzansprüche muss sich der Schuldner das

Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB zurechnen lassen. Eine

vergleichbare Zurechnungsnorm fehlt im Deliktsrecht.

• § 278 BGB ist hier nicht anzuwenden, denn nach dem Wortlaut dieser Vorschrift

muss derjenige, dem ein fremdes Verschulden zugerechnet wird, schon

„Schuldner“ sein – im deliktischen Bereich besteht aber zunächst kein

Schuldverhältnis, im Zeitpunkt der Schädigung ist also der möglicherweise

Verantwortliche auch noch kein Schuldner im Sinne des § 278 BGB.

• Wenn der Geschädigte aber nicht den unmittelbaren Schädiger in Anspruch

nehmen will, sondern den oft zahlungskräftigeren Hintermann, kommt ein

Schadensersatzanspruch aus § 831 I BGB in Betracht. Hier geht es – anders als

bei § 278 BGB – nicht um eine Zurechnung fremden Verschuldens, sondern um

eine Haftung des Geschäftsherrn für eigenes Verschulden. 21

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Deliktsrecht: § 831 BGB – Haftung für den Verrichtungsgehilfen

• Haftung nur, bei eigenem Verschulden des Geschäftsherrn – Vorwurf: keine

ordentliche Auswahl oder Überwachung des Verrichtungsgehilfen

• Geschäftsherr kann sich exkulpieren, indem er ordentliche Auswahl und

Überwachung nachweist.

• Ansonsten haftet der Geschäftsherr für jeden Schaden, den der

Verrichtungsgehilfe in Ausführung der Verrichtung einem anderen widerrechtlich

zugefügt hat.

• Verrichtungsgehilfe ist jeder, der mit Wissen und Wollen des Geschäftsherrn in

dessen Geschäftsbereich weisungsgebunden tätig wird.

• „In Ausführung der Verrichtung“ schließt Schäden nur „bei Gelegenheit der

Verrichtung“ aus. (Bsp.: Verrichtungsgehilfe nutzt die Anwesenheit an einem

bestimmten Ort wegen der Verrichtung zu einem Diebstahl.)

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