Top Banner
PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN Engineering Customer Success – das ist das Leistungsversprechen von Bühler. In vier ausge- wählten Beispielen möchten wir zeigen, wie wir dieses Versprechen in enger Partnerschaft mit unseren Kunden in die Tat und mit kollaborativer Innovation unsere Nachhaltigkeitsziele umsetzen. PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN Bühler Geschäftsbericht 2017 65
30

PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

May 23, 2018

Download

Documents

vankhanh
Welcome message from author
This document is posted to help you gain knowledge. Please leave a comment to let me know what you think about it! Share it to your friends and learn new things together.
Transcript
Page 1: PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

PARTNERSCHAFT MIT KUNDENEngineering Customer Success – das ist das Leistungsversprechen von Bühler. In vier ausge-wählten Beispielen möchten wir zeigen, wie wir dieses Versprechen in enger Partnerschaft mit unseren Kunden in die Tat und mit kollaborativer Innovation unsere Nachhaltigkeitsziele umsetzen.

PARTNERSCHAFT MIT KUNDENBühler Geschäftsbericht 2017

65

Page 2: PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

66

Page 3: PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

Es ist 2014: Jesse Wang wischt sich eine Schweissperle aus dem Gesicht und rückt die Atemmaske zurecht. Jetzt bloss keinen Fehler machen. Vor drei Jahren kam er zu Bühler. Da-mals wusste er nur wenig über Batterien. Nie-mals hätte er gedacht, dass er sich zum Exper-ten für einen komplett neuen Prozess zur Her- stellung von Elektrodenpaste entwickeln würde. Einen Prozess, so neuartig, dass sein Kunde und Partner Yi Liu später sagen würde: «Diese Lösung von Bühler wird die Batterieindustrie komplett verändern. Das ist ein historischer Mo-ment, ein Umbruch.»

LISHEN Tianjin, China

DER SECHSTE ANLAUF bringt den Durchbruch

YI LIU Manager im Engineering Department von Lishen

PARTNERSCHAFT MIT KUNDENBühler Geschäftsbericht 2017

67

Page 4: PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

Kurz nach seiner Einstellung erhielt Wang den Auftrag, das Batterielabor am Bühler Standort in Wuxi aufzubauen. Denn die Gespräche mit dem ersten Kunden waren derart aussichtsreich, dass sich Bühler schnell zu diesem Vorinvest- ment entschied. Damit wurde Wang verantwortlich für das Batteriegeschäft in China, unterstützt von den Kollegen in der Schweizer Konzernzentrale, die die Ursprungsidee für den Prozess entwickelt hatten. Jetzt steht er allein im Batte-rielabor und führt bereits den sechsten Versuch durch, um die Elektrodenpaste herzustellen. Bislang zeigten die Tests nicht die erwünschten Resultate. Würde er diesmal die ho-hen Anforderungen des Kunden Lishen erfüllen?

Batterien geben den Takt anBatterien halten unsere Welt am Laufen. Sie sind die kleinen Energiespeicher, die unser Leben antreiben und einfacher machen. Immer mehr Autos sind komplett von Batterien betrieben – insbesondere in China. Hier wurden 2017 rund 800’000 Elektroautos verkauft, das ist beinahe die Hälfte der Gesamtproduktion weltweit. Die chinesische Regierung un-terstützt die E-Mobilität massiv mit Subventionen. Sie ist eine wirksame Massnahme gegen die Luftverschmutzung und bildet einen zentralen Teil der Strategie, mit welcher China zum High-Tech-Land werden will. Doch die Unterstützungs-leistungen enden voraussichtlich Ende 2020. Spätestens dann müssen die Autobatterien derart leistungsfähig sein, dass sie auf dem freien Markt bestehen können. Grund ge-nug für Batterieunternehmen wie Lishen, in die Forschung und Entwicklung neuer Verfahren zur Herstellung von Bat-terien zu investieren.

1997 gegründet, beschäftigt Lishen heute über 9000 Mit-arbeitende. Die Kundenliste liest sich wie ein Who-is-Who der Elektronik- und Unterhaltungsindustrie: Apple, Samsung, Dell, HP, Huawei oder Lenovo sind nur einige der illustren Namen. Der chinesische Batteriehersteller betreibt Produk-tionswerke in Beijing, Qingdao, Suzhou, Wuhan, Shenzhen und Mianyang und ist einer der Top-Five-Batterieproduzen-ten Chinas. Lishen plant, die jetzige Jahresleistung von rund 10 GWh bis 2021 auf 40 GWh zu steigern – das entspricht einem Output von rund 800’000 Autobatterien.

Der neue Mischprozess verbessert die BatterienWang trägt die Elektrodenpaste vorsichtig auf eine Träger- folie auf. Sie ist schwarz und leicht dickflüssig. Ein Filmzieh-gerät hilft ihm, die Schicht möglichst dünn auf die Folie zu streichen, sie soll nicht dicker als 100 Mikrometer sein. Da-nach geht die getrocknete Elektrode weiter zu Lishen. Und zu seinem Hauptkontakt, zu Liu, dem zuständigen Ingenieur auf der Kundenseite. Die Zusammenarbeit mit Lishen ist eng. Die zwei Unternehmen agieren als Sparring Partner: Lishen bringt als Auftraggeber das Batterien-Knowhow ein, Bühler im Gegenzug Prozesswissen und jahrelange Erfah-rung im kontinuierlichen Mischen; einem einzigartigen Misch- prozess, der in der Batterieindustrie zuvor noch nie zum Ein-satz gekommen ist.

Die Elektrodenpaste ist wesentlich für die Leistungs- und Energiedichte einer Batterie, also für die Leistung und Ener-gie pro Batterievolumen. Traditionell wird sie chargenweise in grossen Behältern produziert. Diese herkömmlichen Anlagen sind gross und teuer. Ausserdem ist der Prozess sehr unfle-

xibel: Genügt eine Charge den Anforderungen nicht, wird sie entsorgt oder für minderwertige Produkte verwendet. Wäh-rend die Herstellung der grossen Chargen mehrere Stunden dauert, nimmt die Produktion im neuen, von Bühler entwi-ckelten Prozess nur etwa eine Minute in Anspruch. Mit dem Einsatz des gleichdrehenden Zweiwellenmischers werden die notwendigen Prozessschritte wie Mischen, Homogenisieren, Dispergieren und Entgasen in einem einzigen, kontinuierlich

«Mit dieser Bestellung konnten wir in der Industrie ein klares Zeichen setzen: Der neuartige Mischprozess hat die Industrie-reife erreicht.» JESSE WANGBühler Engineer

68

Page 5: PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

betriebenen Aggregat vereint. Und dank des kontinuierlichen Mischprozesses kann der Hersteller jederzeit eingreifen, falls das Resultat den Anforderungen nicht entspricht. Was am Schluss zählt: Der verbesserte Mischprozess steigert die Leistungsfähigkeit der Batterien deutlich. Ausserdem sinkt der Investitionsaufwand und auch die Energiekosten liegen deutlich tiefer als bei der herkömmlichen Herstellungsweise. Nicht zuletzt sind Platzbedarf und Ausschuss jetzt deutlich geringer. Das hat auch Lishen überzeugt. Die Abkehr von der klassischen Chargenverarbeitung von Elektrodenpaste zu einem neuen, kontinuierlichen Prozess rechnet sich für den Kunden. Doch gelingt es Bühler früh genug, den Prozess zur Industriereife zu bringen?

Jeder Versuch dauert mehrere Monate: Zuerst erarbeiten und validieren Bühler Ingenieure die optimale Zusammenset-zung der Paste basierend auf den Vorgaben von Lishen. Erst wenn das Bühler Team mit den Testergebnissen zufrieden ist, stellen sie 50 Liter mit dem neuen Rezept her, die sie dann an Lishen schicken. Liu, zu diesem Zeitpunkt leitender

Ingenieur der Prozessabteilung bei Lishen, übernimmt dann. Das Lishen-Team erstellt mit der neuen Elektrodenpaste Prototypen der Batterien und testet diese ausgiebig. Denn es ist keine gewöhnliche Elektrodenpaste: Bühler hat den Erstellungsprozess für Batterien revolutioniert.

Bringt der sechste Testversuch die Lösung?Wang steht im Analyselabor. Neben vielen anderen Parame-tern hat er beim nunmehr sechsten Testversuch die Konzen-tration des Bindemittels weiter angepasst. Die Testresultate liegen vor ihm. Er prüft die Viskosität und die Verteilung der Partikel in der Elektrodenpaste sowie die elektrische Leit-fähigkeit der Elektrode, die gemeinsam die Leistungs- und Energiedichte der Batterie bestimmen. In den letzten Ver-suchsreihen hatte ihm gerade die Viskosität der Paste zu schaffen gemacht. Immer neue Rohmaterialien und neue Parametereinstellungen hatten dazu geführt, dass die Paste zu dick wurde und sich nicht optimal einsetzen liess. «Zäh-flüssig wie Zahnpasta», erinnert sich Wang. Doch diesmal

Die Viskosität der Elektrodenpaste wurde während sechs Jahren perfektioniert.

PARTNERSCHAFT MIT KUNDENBühler Geschäftsbericht 2017

69

Page 6: PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

Der Twin-Shaft-Mischer ist das Herzstück von Bühlers kontinuierlichem Mischprozess für die Produktion von Elektrodenpaste.

überzeugen die Werte. Die Testresultate entsprechen den Forderungen von Liu. Aber es werden einige Monate verge-hen, bis Lishen die Ergebnisse bestätigen wird. Eine lange Wartezeit, bis Wang weiss, ob der Kunde weitere Versuche einfordern wird. Die Zeit drängt, denn die Konkurrenz von Lishen arbeitet ebenfalls an Innovationen und der Prozess von Bühler ist der erste in einer Reihe von Schritten in der aufwändigen Entwicklung von Batterien. Verfehlen die Bühler Ingenieure ihr Ziel, sind der gesamte Herstellungsprozess und die neue Anlage, die Lishen in Suzhou plant, gefährdet.

Die Produktion von Batterien gestaltet sich in mehreren Phasen. Es beginnt mit der Aufbereitung der Rohmateria-lien, die die Batteriehersteller üblicherweise bei Chemie- unternehmen einkaufen. Sie werden in einem Mischprozess zu Anoden- und Kathodenpasten verarbeitet. An diesem Punkt setzt der innovative kontinuierliche Mischprozess von Bühler an. Lösungen von Bühler kommen aber auch im vorgelagerten Arbeitsschritt für die korrekte Dosierung der Rohmaterialien zum Zug. Nach dem Mischvorgang werden die Pasten auf Folien aufgetragen. Diese werden zugeschnit-ten und zu Batteriezellen aufgerollt. In einem nächsten Schritt laden und entladen die Hersteller die Zellen und sorgen so für eine bestmögliche Batteriequalität. Zuletzt erfolgt die Verpackung der Zellen in Batteriepackungen, die danach in den Automobilen verwendet werden. Eine einzelne Elektro- autobatterie besteht aus mehreren hundert bis mehreren tausend Batteriezellen.

Ein Anruf, der alles entscheidetMonate später, Wangs Mobiltelefon klingelt. Am anderen Ende spricht Liu. Der sonst eher zurückhaltende Projekt-leiter ist begeistert, die Resultate des sechsten Versuchs überzeugen: Das Problem der Viskosität ist gelöst und die Leistungs- und Energiedichte der Batterien wurde während der Versuchsreihen deutlich gesteigert. Wang traut den Re-sultaten erst, als er die Tests ein weiteres Mal durchführen

lässt. In der Tat haben es Wang und das Team geschafft: Die Elektrodenpaste entspricht der geforderten Qualität. Jetzt geht es schnell: Lishen unterschreibt einen Vertrag zur Lie-ferung einer Pilotanlage im Werk Tianjin. Es ist August 2014, drei Jahre nach Wangs Einstieg bei Bühler.

Die erfolgreichen Versuche, die schliesslich zur Bestel-lung der ersten Pilotanlage geführt hatten, waren der Be-ginn einer gemeinsamen Erfolgsgeschichte von Lishen und Bühler. Die beiden Partner vereinbarten die Lieferung von zehn Produktionslinien im Industriemassstab: Vier sollten im neuen Werk in Suzhou eröffnet werden, zwei in Tianjin, dem Ort der Pilotanlage, und vier weitere am Standort Qingdao. Gemeinsam erreichen die Linien einen jährlichen Output von bis zu 10 GW/h, das ist genug, um jährlich über 200’000 Autobatterien herzustellen. «Mit dieser Bestellung konnten wir in der Industrie ein klares Zeichen setzen: Der neuarti-ge Mischprozess hat die Industriereife erreicht, die Vorteile lassen sich direkt in der Industrieumgebung zeigen. Weite-re Bestellungen liessen deshalb auch nicht lange auf sich warten. Bereits hat ein anderer Kunde vier Produktionslinien bestellt, und wir sind mit weiteren Kunden in Gesprächen», sagt Wang stolz.

«Diese Lösung von Bühler wird die Batterieindustrie komplett verändern. Das ist ein histori-scher Moment, ein Umbruch.» YI LIUManager im Engineering Department von Lishen

70

Page 7: PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

Der Bühler Engineer Jesse Wang hat den Herstellungsprozess von Batterien massgeblich revolutioniert.

Ein Meilenstein im BatteriegeschäftWang bindet sich seine Krawatte. Es ist der 20. Juli 2017. Heute steht ein historischer Moment bevor: die feierliche Eröffnung des Lishen-Werks in Suzhou vor hunderten von Zuschauern. Wang hat das Werk schon besucht und weiss, wie beeindruckend es ist: Auf 600 mal 50 Metern umfasst das Werk alle Verarbeitungsschritte für Autobatterien von den Rohmaterialien und der Elektrodenpaste bis zur fertigen Elektroautobatterie.

Die gesamte Batterieindustrie wird sich heute Abend ver-sammeln. Vertreter der lokalen und regionalen Regierung werden sich die Klinke reichen. Ein schöner Erfolg nach sechs Jahren Laborarbeit.

Es ist dunkel geworden in Suzhou. Das Publikum lauscht gespannt den Ausführungen von Qin Xingcai, dem Präsi-denten von Lishen. Das Unternehmen plant, mit der neuen Anlage ganz vorne im chinesischen Batterienmarkt dabei zu

sein. «Im neuen Werk produzieren wir Batterien einer neuen Generation. Mit einer 30%-Steigerung bei der Energiedich-te haben wir einen Quantensprung erreicht», betont Xingcai vor den Anwesenden. Liu und Wang nicken sich anerken- nend zu. Lishen Suzhou würdigt Bühler mit dem Preis als bester Equipment-Lieferant. «Sechs Jahre gemeinsame For-schung und Entwicklung haben sich ausgezahlt. Sechs Jahre starke Zusammenarbeit von Lishen und Bühler in China und der Schweiz. Dieser Preis und zehn Produktionslinien bei Lishen sind der sichtbare Beweis dafür», sagt Wang. Und Liu fügt hinzu: «Bühler hielt seine Versprechen. Es ist eine langfristige Partnerschaft, gemeinsam gehen wir neue Projekte an.»

Liu ist mittlerweile zum Manager der Ingenieursabteilung bei Lishen ernannt worden – nicht zuletzt dank des erfolg- reichen Projekts, das er mit Bühler umgesetzt hat. Und eines Meilensteins im Batteriegeschäft.

PARTNERSCHAFT MIT KUNDENBühler Geschäftsbericht 2017

71

Page 8: PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

72

Page 9: PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

CITY GROUP UND AKIJ Dhaka, Bangladesh

FÜR EINE GLÄNZENDE ZUKUNFT

Armut, Mangelernährung, Infektionskrankheiten. Das vorherrschende Bild, das viele von Bangla-desch haben, stimmt so schon länger nicht mehr. Das Land erlebt seit gut zwei Jahrzehn-ten einen wirtschaftlichen Aufschwung, was sich in der einheimischen Nahrungsmittelindustrie bemerkbar macht. Mehr, bessere und sichere Lebensmittel zu günstigen Preisen, lautet die Devise. Zusammen mit den Produzenten City Group und Akij ist Bühler massgeblich an der positiven Entwicklung beteiligt.

PARTNERSCHAFT MIT KUNDENBühler Geschäftsbericht 2017

73

Page 10: PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

«Wir produzieren für den menschlichen Verzehr, somit hat die Lebensmittel- sicherheit oberste Priorität.» SHEIKH BASHIR UDDIN Besitzer und Managing Director Akij Flour Mills Ltd.

Sheikh Bashir Uddin, Besitzer der Akij Flour Mills Ltd., beschäftigt 50’000 Menschen.

Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist das Unternehmen heute in der Textil-, der Zement-, der Keramik-, der Verpackungs-, der Plastik- und der Stahlindustrie tätig. Zudem ist Akij der gröss-te Tabakproduzent des Landes. Im Lebensmittel- bereich produziert Akij Mineralwasser, Milch, Soft-drinks, Snacks, Backwaren und Weizenmehl. Mit Bühler hat Akij eine Mühle unweit von Dhaka um-gesetzt. Die Akij Group umfasst 26 Firmen mit ins-gesamt über 50’000 Angestellten. Heute leitet der Sohn des Gründers, Sheikh Bashir Uddin, die Ge-schicke des Unternehmens.

AKIJ GROUP

74

Page 11: PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

Zahid Abu, Senior Engineer Bühler Dhaka, und Galibur Rahman, Obermüller der Akij Flour Mills Ltd., inspizieren die neue Produktionsumgebung.

Der Binsenwischer, mit farbigen Bändern zusammenge-bunden, ist im Dauereinsatz. Bharati ist eine von Dutzen-den Frauen, die in der Akij Flour Mill Ltd. für eine saubere Produktionsumgebung sorgen. Sie trägt farbenfrohe, ge-musterte Kleidung, den Salwar Kamiz, bestehend aus einer weiten Hose, einem passenden langen Oberteil und einem Kopftuch, das auch als Foulard getragen wird. Die Farben leuchten in der blitzblank geputzten Mühle. Staubkörner sucht man hier vergeblich. Und dies in Bangladesch, wo der Strassenstaub noch Stunden an der von der Hitze feuchten Kleidung klebt. Im Innern der Mühle wähnt man sich auf einem anderen Planeten.

Die Sauberkeit sei das A und O einer industriellen Le-bensmittelproduktion, betont Sheikh Bashir Uddin, Besitzer und Managing Director der Akij Flour Mills Ltd.: «Lebens-mittelsicherheit ist wichtig. Ich kann mir gar nicht vorstel-len, wie jemand behaupten könnte, dass sie nicht wichtig sei. Wir produzieren für den menschlichen Verzehr, somit

hat die Lebensmittelsicherheit oberste Priorität.» Das Ge-schäft von Akij läuft. Vom kleinen Unternehmen im Jute-handel ist die Firma in 70 Jahren zu einem der grössten Geschäftskonglomerate Bangladesch angewachsen. Seit etwas mehr als zehn Jahren setzt Akij auch auf die Ge-tränke- und Lebensmittelproduktion. Die Zusammenarbeit mit Bühler begann 2014. Seither entstanden zwei Produk- tionslinien für herkömmliches Mehl, mit Kapazitäten von 500 und 550 Tonnen, sowie eine Atta-Mühle mit einer Kapazität von 150 Tonnen pro Tag. Zum Projekt gehört zudem ein Mehlsilo mit 3200 Tonnen Lagerkapazität. «Akij investierte in unser neustes Equipment und besitzt somit die modernste Mühle in ganz Südasien», sagt Marcel Züst, Bühlers Senior Advisor South Asia.

Die industrielle Lebensmittelproduktion in Bangladesch hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Denn die produzierende Industrie ist die grosse Hoffnung des Lan-des. Dank ihr schaffte es Bangladesch mit einem langsamen,

PARTNERSCHAFT MIT KUNDENBühler Geschäftsbericht 2017

75

Page 12: PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

Shampa Rahman, Director von City Group, und ihr Vater Fazlur Rahman, Gründer der Firma, setzen seit über 20 Jahren auf Bühler.

«Die Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, dass Bangladesch bis zum Jahr 2020 zu einem Land mittleren Einkommens aufsteigt. Um dies zu erreichen, muss der private Sektor in die Produktion investieren, wir brauchen mehr Reis, Mehl, Speiseöl.» FAZLUR RAHMAN Gründer und Chairman von City Group

Das Geschäftskonglomerat der City Group ist seit den 1970er Jahren in der Lebensmittelproduktion tätig. Nachdem Fazlur Rahmans erstes Projekt einer Senfmühle Erfolg gehabt hatte, fing der Firmengrün-der an zu diversifizieren. Andere Geschäftszweige wie Verpackungen, Energie und Stahl kamen dazu. Die Zusammenarbeit mit Bühler startete 1997 mit dem Bau der ersten Mühle. Bald erweiterte Rahman sein Geschäft um eine weitere Mühle, zwei Pelle-tierungsanlagen für Geflügelnahrung und eine Pro-duktionsstätte für Fischfutter. Bühler lieferte auch Maschinen zur Sojabohnenzerkleinerung, die in den Prozess der von Andreotti geliefert Sojaöl-Extrak-tionsanlage integriert sind. Heute umfasst die City Group 26 Firmen, die insgesamt über 10’000 Mitar-beiter beschäftigen. Fazlur Rahman ist als Chairman nach wie vor das Oberhaupt der Firma, seine Toch-ter Shampa hat er als seine Nachfolgerin ernannt.

CITY GROUP

76

Page 13: PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

Die lokalen Märkte bieten dank der industriellen Lebensmittelproduktion eine grössere Vielfalt bei den Grundnahrungsmitteln an.

dem wirtschaftlichen Aufschwung. Von unserer Seite kön-nen wir dies mit unserer Produktentwicklung vorantreiben, doch brauchen wir natürlich Menschen, die unsere Produkte kaufen. Da wir industriell in grossem Stil produzieren, mit einer professionellen Logistik im Hintergrund, können wir un-sere Produkte zu günstigen Preisen anbieten, was mehr Personen den Zugang zu nahrhaften Lebensmitteln ermög-licht», sagt Bashir.

Industriell produzieren heisst sicher produzierenÜberzeugt davon ist auch Fazlur Rahman, Chairman von City Group, dem grössten Kunden von Bühler in Bangladesch: «Bangladesch wächst», sagt Rahman. «Wir wollen dazu bei-tragen, dass die Wirtschaft im Land auf eine gesunde Basis gestellt wird. Die Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, dass Bangladesch bis zum Jahr 2020 zu einem Land mittleren Einkommens aufsteigt. Um dies zu erreichen, muss der pri-vate Sektor in die Produktion investieren, wir brauchen mehr Reis, Mehl, Speiseöl.»

Rahmans Geschäftskonglomerat ist mit diversen Firmen in der einheimischen Nahrungsmittelindustrie vertreten. Von einer ursprünglichen Verarbeitung von Senfkörnern zu Senföl

aber stetigen Wirtschaftswachstum über die eigentliche Armutsschwelle des Human Development Index (HDI) der UNO. Zusammen mit Ghana liegt Bangladesch auf Platz 139 von 188. Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt 72, die durchschnittliche Schulbildung 10,2 Jahre. Das durch-schnittliche Pro-Kopf-Jahreseinkommen liegt bei USD 1600.

Nichtsdestotrotz: Der Weg aus der Armut bleibt steinig. Mit seinen rund 165 Millionen Einwohnern hat Bangladesch eine der höchsten Bevölkerungsdichten der Erde. Bereits heute sind in der Hauptstadt Dhaka Strassen und Häuser überfüllt, die Besiedelung erstreckt sich über riesige Flächen auf Slums und Vororte. Noch immer leben über 20% der Be-völkerung unter der Armutsgrenze. Abfallberge türmen sich ausserhalb des Stadtzentrums.

Möglichst erschwingliche Produkte anbietenDoch ein Silberstreifen ist sichtbar. Seit 1995 wächst das Bruttoinlandprodukt, 2016 um 7,1%, die drei Jahre zuvor jeweils um rund 6%. Die einheimische Industrie ist der Motor der Entwicklung, allen voran die Textil- und Metall- industrie, aber mit diesen entwickeln sich auch die einheimi-schen Nahrungsmittelverarbeiter. «Der Wandel kommt mit

PARTNERSCHAFT MIT KUNDENBühler Geschäftsbericht 2017

77

Page 14: PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

hat Rahmans Vater Fazlur das Geschäft in 50 Jahren zu einem hoch diversifizierten Unternehmen gemacht. In der Sparte der Nahrungs- und Futtermittel produziert die City Group heute neben Senf-, Sonnenblumen- und Sojaöl auch Mehl, Linsen und Reis.

Das Projekt für die 2017 neu in Betrieb genommenen Produktionsanlagen am Ufer des Flusses Shitalakshya, rund 30 Kilometer ausserhalb von Dhaka, hat die City Group komplett mit Bühler umgesetzt. Ihre Kapazitäten spren-gen die Dimensionen von vielem bisher Gesehenem und machen sie einem der grössten Projekte, die Bühler je für Kunden realisiert hat: Pro Stunde verlassen zu Spitzenzeiten bis zu 50 Tonnen Fertigprodukte die neue Produktion. Ein Umschlagplatz für Weizen mit 600 Tonnen Annahmeleistung pro Stunde gehört ebenso zum neuen Produktionsstandort wie eine Verarbeitung von roten Linsen (600 Tonnen pro Tag), Reis (72 Tonnen pro Stunde) und Atta-Mehl (4x150 Tonnen pro Tag). Zusätzlich befindet sich eine Sojabohnen-Warm- schälungsanlage mit einem Durchsatz von 5000 Tonnen pro Tag aktuell im Bau.

Auf Vertrauen aufgebaute PartnerschaftMit Bühler steht dem Unternehmen ein Partner zur Seite, der seit Jahren auf höchste Hygienestandards setzt. Seit 1997 arbeiten Bühler und City Group bereits zusammen, um die einheimische Lebensmittelproduktion auf höchstes Niveau zu heben. Der kürzlich fertiggestellte Produktionsstandort ausserhalb von Dhaka beweist, dass dies möglich ist.

Die guten Erfahrungen, die City Group bei früheren Projekten mit Bühler gemacht habe, sei der Grund, warum ihre Familie den Grossauftrag wieder an Bühler vergeben habe, sagt Shampa Rahman, Fazlurs Tochter und Nummer zwei bei der City Group: «Ich kenne die Leute von Bühler seit meiner Kindheit und einige von ihnen sind für mich wie Familienmitglieder.»

An der Arbeit von Bühler schätzten sie und ihr Vater vor allem die hohe Qualität: «Und wenn Probleme auftauchen, können wir den Leuten von Bühler den Auftrag geben, sie zu lösen – und sie lösen sie immer!» Shampa wird die Leitung der Firma dereinst von ihrem Vater übernehmen.

Für Bühler steht in Bangladesch die Kundenbetreuung ganz oben auf der Prioritätenliste. So reiste Marcel Züst während der letzten zwei Jahre durchschnittlich einmal im Monat nach Dhaka, um den Fortschritt der beiden Gross- projekte zu überwachen. «Uns hilft, dass wir im Frühsommer die neue Bühler Service Station Dhaka einweihen konnten», sagt Züst. «So steht auch in Zukunft vor Ort ein kompeten-tes Team für Instandhaltungsarbeiten und Revisionen bereit, das jederzeit einsetzbar ist.»

Auf dem lokalen Markt werden die Früchte der gemein-samen Bestrebungen angeboten. Neben dem herkömmli-chen, riesigen Angebot an Reis aus Jutesäcken finden sich mehr und mehr auch abgepackte Lebensmittel wie Linsen, Mehl und Speiseöl auf den Stapeln. Die Marke Teer der City Group ist genauso an fast jedem Stand erhältlich wie Sunshine-Mehl von Akij. Dank ihrer industriellen Verarbei-tung auf Bühler Maschinen erfüllen diese Produkte höchste Standards im Bereich der Lebensmittelsicherheit und sind zu Preisen erhältlich, die sich heute bereits viele leisten können.

78

Page 15: PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

Die neuen Produktionsanlagen in der Nähe von Dhaka: Die City Group produziert neben Reis und Mehl auch rote Linsen und handelt mit Rohweizen.

PARTNERSCHAFT MIT KUNDENBühler Geschäftsbericht 2017

79

Page 16: PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

8080

Page 17: PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

Das kleine Mädchen tanzt. Es trägt nur einen Schuh, den anderen hält es in der Hand, wäh-rend es sich glücklich im Takt einer imaginären Musik wiegt. Die Mutter schaut ab und zu ihrer eineinhalbjährigen Tochter hinüber. Ihre Auf-merksamkeit – wie auch diejenige der anderen Mütter, die sich hier in einem kleinen Zimmer im Centre de Santé in Rulindo, einem Bezirk von Ruanda, versammelt haben – gilt ganz der Krankenschwester. Sie erklärt, wie wichtig rich-tige Ernährung für Mutter und Kind während der Schwangerschaft und der Stillzeit ist. Die Mütter und ihre Kinder erhalten einen angerei-cherten Brei, den Africa Improved Foods (AIF) herstellt. Er wird von der ruandischen Regie-rung verteilt, um die Ernährungssituation im Land zu verbessern und gegen die weit verbrei-teten Wachstumsstörungen vorzugehen.

AFRICA IMPROVED FOODS Kigali, Ruanda

PROJEKT «LIFE» Kampf gegen die Mangelernährung

PARTNERSCHAFT MIT KUNDENBühler Geschäftsbericht 2017

81

Page 18: PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

«Die Welt braucht Kleinbauern, die die nötige Nahrung liefern. AIF kann dazu beitragen, dass die Lebensgrundlagen auf dem Land nachhaltiger werden.» AMAR ALI CEO von Africa Improved Foods

Amar Ali, CEO von AIF. Die Firma produziert 16 Millionen Tonnen Nahrungsmittel pro Jahr für die Soforthilfe des UN-Welternährungsprogramms.

Die Mütter haben ihre Babys hierhergebracht, damit sie gewo-gen, gemessen und ihr Entwicklungsfortschritt eingeschätzt werden kann. Wenn sie zu einem solchen Check-up kom-men, nehmen sie an einer Schulung teil und erhalten gleich- zeitig mit Vitaminen und Mineralstoffen angereichertes Get-reide, dessen Zubereitung sie in einer anderen Schulung gelernt haben. Die von AIF hergestellten angereicherten Getreideflocken sind für die Mütter kostenlos. Sie werden im Rahmen des 1000-Tage-Programms verteilt, das das ruandische Gesundheitsministerium ins Leben gerufen hat, um die Auswirkungen der Mangelernährung anzugehen. Vor allem in den ersten 1000 Tagen zwischen der Empfängnis und dem zweiten Geburtstag sind solche weit verbreitet.

Dauerhafte Lösungen findenDie jungen Frauen lauschen gebannt, als die Schwester ih-nen erklärt, wie sie der Mangelernährung bei ihren Babys und sich selbst vorbeugen können: Ernähre dich während der Schwangerschaft richtig, stille während mindestens zwei Jahren und gib deinem Kind ab sechs Monaten neben der Muttermilch den angereicherten Brei, den die Regierung be-reitstellt. Die meisten jungen Frauen hier gehören zu den 20%

der Ärmsten des Landes; ihnen mangelt es an Bildung, was sie noch anfälliger macht. Hinzu kommt die Ernährungsun-sicherheit, die in Ruanda konstant droht. Die Regierung ist darum mit AIF eine Partnerschaft eingegangen, um für beide Probleme eine dauerhafte Lösung zu finden.

Trotz aller Bemühungen sind fast 37% aller unter Fünf- jährigen in Ruanda von Entwicklungsstörungen betroffen, wie ein Regierungsbericht zur Ernährungssicherheit in einer Schwachstellenanalyse von 2015 konstatiert. Entwick-lungsstörungen sind eine Folge von Unterernährung, was

82

Page 19: PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

AIF produziert eine Reihe von Nootri-Cerealien für Mütter und Kinder.

vereinfacht gesagt heisst, dass davon betroffene Kinder er- heblich kleiner sind als der Altersdurchschnitt. Doch das Thema umfasst weit mehr als gehemmtes Wachstum – diese Kinder haben auch Probleme bei der kognitiven Ent- wicklung und der Entwicklung der Organe, sie haben ein geschwächtes Immunsystem und leiden als Erwachsene an chronischen Krankheiten. Obwohl sich die Situation seit der letzten Studie von 2012, wo 43% der Kinder betroffen waren, leicht verbessert hat, bleibt viel zu tun: vor allem in ländlichen Gegenden wie Rulindo, wo der Durchschnitt immer noch bei 40% liegt (verglichen mit 27% in städtischen Gebieten).

Aktiv werden in den ersten 1000 TagenDie Statistik ist erschreckend, aber Entwicklungsstörungen können verhindert werden, wenn in den ersten 1000 Tagen die richtigen Schritte unternommen werden. «Wir haben 46 Kinder im Regierungsprogramm im Centre de Santé un-tergebracht. Alle haben Entwicklungsstörungen, ihre Körper-grösse entspricht nicht der durchschnittlichen Grösse ihres Alters», sagt Jacqueline Urures, Leiterin des Gesundheits- zentrums und seit 15 Jahren Krankenschwester. «Es wird ei- nige Zeit dauern, bis alles genau ausgewertet ist, aber wir

können schon jetzt sagen, dass drei dieser Kinder inzwischen der Alterskurve entsprechen. Gut ernährte Kinder haben auch mehr Energie.»

AIF will Mangelernährung nicht nur in Ruanda eindäm-men, sondern in ganz Subsahara-Afrika, das in den letzten Jahren von mehreren Hungersnöten gebeutelt wurde. Die derzeitige Hungersnot geht auf die schwerste Dürre der letzten Jahre zurück. Zusätzlich arbeitet AIF am Aufbau einer nachhaltigen Nahrungsmittelkette in Ruanda in der Hoffnung, diese in den kommenden fünf Jahren auch in anderen Ländern wie Uganda, dem östlichen Kongo, Kenia, Tansania und Äthiopien zu implementieren. «Wir leisten Nahrungsmittelnothilfe und liefern Nahrung, um der Mangel- ernährung entgegenzuwirken, aber es muss mehr getan werden. Wir wollen afrikanische Länder unterstützen, so dass sie nicht mehr auf internationalen Support angewiesen sind und sich wirtschaftlich selbst erhalten können, indem sie lokale Fähigkeiten nutzen», erklärt Amar Ali, CEO von AIF.

Bei AIF sind 300 Leute direkt angestellt – darunter Anla-genbediener, die erst einmal lernen mussten, wie die hoch-moderne, von Bühler gebaute Fabrik in Kigalis Wirtschafts-sonderzone effizient und sicher bedient wird. Das Werk hat

PARTNERSCHAFT MIT KUNDENBühler Geschäftsbericht 2017

83

Page 20: PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

eine Produktionskapazität von 45’000 Tonnen im Jahr. «Mit Blick auf die Hungersnot in Ostafrika ist Afrikas Bedarf nach unseren Produkten extrem hoch», sagt Ali. «Wir können uns keine Ausfallzeiten leisten. Wir haben uns für Bühler ent- schieden, weil wir ein renommiertes Unternehmen wollten, das weiss, wie man in Afrika und generell unter schwieri-gen Bedingungen baut, ohne Kompromisse bei der Qualität einzugehen, und das uns durch Dick und Dünn begleitet. Es gab viele Herausforderungen, aber Bühler hat uns immer als Partner begleitet. Es war nicht einfach, Leute zu finden, die die Anlage betreiben. Bühler hat uns auch dabei unterstützt und unsere Leute in der Produktion in Nairobi geschult.»

AIF hat das 60 Millionen Schweizer Franken teure Werk im Mai 2017 offiziell eingeweiht, aber bereits Ende 2016 die Produktion von angereichertem Getreide für die grössten Kunden – das UN-Welternährungsprogramm (WFP) und Ru-andas Regierung – aufgenommen. Vom Produktionsstart bis Ende 2017 hat das Unternehmen vier Millionen Kilogramm angereichertes Getreide für Ruandas Regierung hergestellt und 17 Millionen Säcke – 26 Millionen Kilogramm – Nahrungs- mittelnothilfe für das WFP.

Das WFP und die Regierung Ruandas sind nicht nur Kun-den. Sie sind auch Mitglieder des öffentlich-privaten Joint Venture AIF, nebst Royal DSM (dem Projektinitiator), der International Finance Corporation, der holländischen Ent- wicklungsbank FMO und der CDC Group aus Grossbritan-nien. «Wir könnten unsere Mission nicht erfüllen ohne die Unterstützung der ruandischen Regierung, die gleichzeitig

Als Peter Böhni, Leiter des Bühler Innovationssatel-liten an der EPF Lausanne, 2009 von einem Projekt von DSM hörte, das die Mangelernährung in Afrika mit einer Fabrik bekämpfen wollte, war das der Start-schuss für Bühlers Engagement beim Projekt, das später AIF werden sollte. «Ich wusste, das war das perfekte Projekt für uns, denn wir haben dieselben Ziele wie DSM: eine nachhaltigere Nahrungsmittel- industrie, die die wachsende Weltbevölkerung er-nährt und Mangelernährung bekämpft», sagt Böhni. Das Projekt erhielt den passenden Namen «Life» – Leben. Obwohl technische Diskussionen zwischen dem Bühler Team, DSM und dem Initiator des Kon-sortiums CHAI (Clinton Health Access Initiative) be-reits 2013 begannen, nahm das Projekt «Life» erst 2015 konkrete Form an, als das AIF-Konsortium ge-gründet wurde und die Entscheidung für den Bau einer Fabrik in Kigali, Ruanda, gefällt wurde. «Nach-dem wir im Juli 2015 den Vertrag unterzeichnet hat-ten, ging alles ziemlich schnell», sagt Theodor Sutter, Bühlers Key Account Manager für das Projekt. «Ab Dezember 2016 stand die Anlage in vollem Einsatz.»

ENGINEERING CUSTOMER SUCCESS

Theodor Sutter, Bühler Key Account Manager, und Jan Vriens, AIF Chief Operating Officer, setzten das Projekt der neuen Produktionsanlage um.

84

Page 21: PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

Alex Ndachi, Bühler Service Engineer, ist oft vor Ort, um AIF-Techniker in der Instandhaltung der Produktionslinien zu schulen.

Aktionär, Kunde und Partner ist», sagt Ali. «Das WFP ist unser grösster Kunde. Dank ihm erzielen wir mit unseren Produk-ten Grössenvorteile und können sie erschwinglicher machen. Zudem helfen uns die strengen Qualitätsrichtlinien dabei, die allgemeinen Produktionsstandards im ganzen Land zu ver-bessern. Zusammen beeinflussen wir mit diesem wirtschaft-lichen Entwicklungsmodell das ganze System um uns herum nachhaltig positiv.»

In der Region, für die Region Das Unternehmen bezieht den Mais und die Sojabohnen für seine Breie ohne Zwischenhändler direkt von fast 10’000 lokalen Kleinbauern, die bei der Anlieferung sofort bezahlt werden. Es unterstützt so die Regierung, die den Wandel in der Landwirtschaft vorantreiben will. Diese macht laut dem Nationalen Institut für Statistik derzeit rund 33% von Ruan-das Bruttoinlandprodukt (BIP) aus. Diesen Prozentsatz will die Regierung anheben. Denn rund 70% der Ruander leben von der Landwirtschaft.

Eine davon ist Vestine Akmanizanye. Allein schafft es die Witwe nicht, ihr 250 Quadratmeter grosses Feld in der nördlichen Provinz zu bepflanzen und abzuernten. Das muss sie zum Glück auch nicht, denn sie ist Mitglied der von AIF unterstützten Bauernkooperative im Bezirk Rulindo, zu der 160 Hektar – 1,6 Millionen Quadratmeter – Ackerland ge-hören, die von 3300 Familien bewirtschaftet werden. An einem dunstigen, warmen Septembermorgen im Jahr 2017 haben sich fast 20 Mitglieder der Kooperative versammelt, um der Witwe bei der Maissaat zu helfen. «Alleine würde ich

das nicht schaffen», sagt sie auf Kinyarwanda, der Landes- sprache. Der Manager der Kooperative, Thacien Hakizimana, übersetzt ihre Worte: «Die Leute in der Kooperative arbeiten zusammen. Wir arbeiten in Harmonie, sagt sie.»

Jede Familie bearbeitet zwischen 1 und 15 Ar Land (1 Ar sind 100 Quadratmeter). Die meisten Familien haben kein-en Zugang zu modernen Ernte-, Verarbeitungs- und Lager- methoden. Hier kommt AIF ins Spiel. Das Konsortium sam-melt den Mais kurz nach der Ernte ein und transportiert ihn direkt in seine Anlagen, wo der Feuchtigkeitsgehalt der Nahrungsmittel auf einem akzeptablen Niveau gehalten wird. «Da AIF die Maisernte sofort abholt, haben wir viel weni-ger Ernteverluste durch Aflatoxin», sagt Yassin Iyamuremye, Generaldirektor Unternehmensdienstleistungen beim Minis-terium für Landwirtschaft und Nutztiere.

Die Bauern, die in von AIF unterstützten Kooperativen ar-beiten, werden gleich bei der Anlieferung bezahlt – ein unübli-ches, aber effektives Vorgehen. AIF bezieht die Ernte direkt von den örtlichen Bauern, die so ein höheres Einkommen erzielen, eine bessere Lebensgrundlage haben und finanziell unabhängiger werden. «Ich bin dankbar, dass ich in der Ko-operative bin. Ich bekomme gutes Saatgut und guten Dünger. Ohne Zwischenhändler erhalte ich den besseren Preis für meine Ernte», sagt Akmanizanye.

Der wachsenden Nachfrage nachkommenBis vor drei Jahren war es für die Regierung schwer, einen Markt für von Kleinbauern produzierten Mais und Soja-bohnen aufzubauen. Dies sei heute nicht mehr der Fall, sagt

PARTNERSCHAFT MIT KUNDENBühler Geschäftsbericht 2017

85

Page 22: PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

der Generaldirektor, denn AIF brauche etwa 30’000 Ton-nen Mais im Jahr. «Als nächstes müssen wir eine Strategie entwickeln, mit der wir sicherstellen, dass wir auch künftig genug Rohmaterial zur Verfügung haben. Wir müssen ein System einrichten, mit dem wir den Folgen von Dürre und Klimawandel entgegentreten können. Bewässerungssys-teme spielen hier eine grosse Rolle.»

Kooperativen seien wichtig für die Dürrevorsorge, sagt Iyamuremye. «Gut gemanagte Kooperativen können etwas bewegen, nicht nur im Leben der einzelnen Bauern. Sie un-

Gemäss Thacien Hakizimana und Elia Habimana hat AIF das Leben der Kleinbauern positiv verändert.

«Die Partnerschaften von AIF mit den Kooperativen fördern finanzielle Unabhängigkeit. Dies ist eine grosse Errungenschaft.» YASSIN IYAMUREMYE Generaldirektor Unternehmensdienst- leistungen beim Ministerium für Land- wirtschaft und Nutztiere

86

Page 23: PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

terstützen auch die Regierung dabei, das Ziel eines höhe-ren landwirtschaftlichen BIP zu erreichen. Die Kooperativen geben ihr Wissen erfolgreich weiter.»

Elia Habimana, Vorsitzender der Kooperative im Bezirk Rulindo, hat sich für den freiwilligen Posten des Vorsitzen- den beworben, um anderen Bauern dabei zu helfen, ihr Wis-sen untereinander auszutauschen. Habimana werde respek-tiert und sei für die anderen ein Vorbild, erklärt Hakizimana, der Manager der Kooperative. «Vorsitzender zu sein bedeu- tet eine Menge Arbeit, aber ich möchte der Regierung da- bei helfen, die Landwirtschaft nachhaltig zu entwickeln», sagt Habimana. «Wir Bauern haben aus den Dürren gelernt. Wir heben die Qualität unserer Ernten an und verbessern unsere Erträge. Wir profitieren zu 100% von unserer Part-nerschaft mit AIF.»

Mit der Investition in die Kooperativen verfolge AIF mehr als nur seine Produktionsziele, sagt der CEO. «Weltweit sind 80% der Bauern Kleinbauern, und sie produzieren über 80% der Nahrung, die in den Entwicklungsländern konsumiert wird. Sie spielen also eine wichtige Rolle bei der Ernährungs-sicherheit. Wir stehen hier aber vor einem grossen Problem: Heute wollen die Jungen die kleinen Bauernhöfe ihrer Eltern nicht mehr übernehmen», sagt Ali. «Das hat viel damit zu

tun, dass diese Höfe in der Vergangenheit nicht rentiert ha-ben. Wir versuchen, dafür eine Lösung zu finden, es ist aber nur ein Teil eines grösseren Problems. Schätzungen gehen davon aus, dass Afrikas Bevölkerung bis 2050 jeden Tag um 100’000 Menschen wächst. Diese Menschen brauchen Nahrung und Arbeit, und die Welt braucht Kleinbauern, die die nötige Nahrung liefern. AIF kann dazu beitragen, dass die Lebensgrundlagen auf dem Land nachhaltig verbessert werden.»

Vestine Akmanizanye ist Mitglied der Kooperative im Bezirk Rulindo.

«Ich bin dankbar, dass ich in der Kooperative bin. Ohne Zwischenhändler erhalte ich den besseren Preis für meine Ernte.» VESTINE AKMANIZANYE Kleinbäuerin und Mitglied der Kooperative

PARTNERSCHAFT MIT KUNDENBühler Geschäftsbericht 2017

87

Page 24: PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

88

Page 25: PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

Den besten Durchblick: Mit seinen Innovatio-nen treibt ZEISS die Funktionalität und Qualität der Brille immer weiter in die Höhe. Bühler ist mit seinen Beschichtungsaggregaten Teil die-ser einmaligen Entwicklung. Wie mag die Er-folgsstory weitergehen?

ZEISS VISION CARE Aalen, Deutschland

EIN HAUCH von Hightech

PARTNERSCHAFT MIT KUNDENBühler Geschäftsbericht 2017

89

Page 26: PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

«Je besser wir verstehen, was im Gehirn vor sich geht, desto bessere Brillen können wir bauen.» MARKUS HAIDLZEISS Forscher

Bühler Coating Specialist Karl Matl und ZEISS Forscher Markus Haidl arbeiten gemeinsam daran, den Beschichtungsprozess zu perfektionieren.

Victoria Beckham schwört auf sie und die spani-sche Leichtathletin Ruth Beitia trug sie bei ihrem Hoch-sprung-Olympiasieg in Rio 2016: eine Brille mit Gläsern von ZEISS. Wenn es eine Optikweltmarke gibt, die den besten Durchblick garantiert, dann den deutschen Hersteller ZEISS. Was Rolex für Uhren, Rolls-Royce für Autos, Apple für Tele-fone, Chanel für Parfüms ist, das ist ZEISS für Brillengläser.

Und das zu Recht. Bis heute durchziehen bahnbrechen-de Innovationen die Geschichte des Unternehmens: Bereits im 19. Jahrhundert entwickelt ZEISS die ersten physikali-schen Modelle zur optischen Berechnung von Mikroskopen. 1912 erfindet das Unternehmen die Punktal-Brillenlinse und damit das moderne Präzisions-Brillenglas überhaupt, 1935 folgt die Entspiegelung von Brillengläsern. 1986 macht ZEISS

90

Page 27: PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

mit der Horizontalsymmetrie Gleitsichtgläser erstmals ein-fach tragbar. Seit 1992 digitalisiert ZEISS die Augenoptik, zuerst mit einem videobasierten System zur individuellen Vermessung für den perfekten Sitz der Gläser. 2013 bringt das Unternehmen mit DuraVision Platinum das bislang kratz-festeste Glas auf den Markt. Und auch die Produktion der Gläser hat ZEISS so revolutioniert, dass sie nur noch auf einer Seite bearbeitet werden müssen – was viele Brillenhersteller dieser Welt in Lizenz übernommen haben. ZEISS investiert jährlich 10% des Umsatzes in Forschung und Entwicklung – das schlägt sich im Innovationstempo bei Brillengläsern und augenoptischen Instrumenten nieder.

ZEISS hat massgeblich zur Erfolgsgeschichte der Brille beigetragen. Jährlich werden 100 Millionen Brillengläser durch ZEISS weltweit in mehr als 60 Ländern verkauft. Spezi-elle Designs und Beschichtungen gibt es etwa für Autofahrer,

Computerarbeiter oder Sportler. Persönlich massgeschnei-derte Gläser, die für Auge, Gesicht, Fassung und Lebensstil optimiert sind, tragen das Markenzeichen von ZEISS. Die Brille ist längst von einer medizinisch verordneten Sehhilfe zu einem industriellen Massen- und Modeprodukt geworden, zu einem Alltagsgegenstand, der täglich in der Hand liegt und auf der Nase sitzt und weit mehr Ansprüche als die Sehkorrektur erfüllt.

Diese Selbstverständlichkeit macht es leicht zu verges-sen, welche Bedeutung gutem Sehen zukommt. «Sehen heisst Wissen», bringt es ZEISS Forscher Dr. Markus Haidl auf den Punkt. Bildung, Lebensqualität und Komfort sind ohne klaren Blick undenkbar. Sehen gilt als der wichtigs-te Sinn des Menschen – 80% aller Informationen nehmen wir über die Augen auf. Ist das Sehen eingeschränkt, fällt das Lernen schwer, die Lebensarbeitszeit ist deutlich ver-kürzt, die Lebensqualität leidet. Wie in anderen Bereichen der menschlichen Grundbedürfnisse gibt es auch hier immer noch viele Menschen, denen die Sehhilfe verwehrt bleibt – schätzungsweise 625 Millionen weltweit.

Individuelle MassanfertigungDer Hightech-Charakter der Brille gerät oft leicht in den Hintergrund. Auf den ersten Blick ist ein Kunststoffglas ein durchsichtiges Stück Plastik. Doch gerade die ZEISS Gläser haben es technisch in sich, und das gleich in dreifa-cher Hinsicht.

Individuelle Optik: mit dem ZEISS i.Profiler erfasst der Optiker hochpräzise die Fehler des Auges – mit 1500 Mess- punkten pro Auge. Ein spezieller Algorithmus – sozusagen die Coca-Cola-Formel des Brillenglasherstellers – errechnet daraus und aus den persönlichen Sehanforderungen die bestmögliche Korrektur der Fehlsichtigkeit und speist die zugehörigen Fertigungsparameter in die Bearbeitungsma-schinen für das Brillenglas an einer der Produktionsstätten in Amerika, Europa oder Asien ein. Das Ergebnis ist ein wirklich massgeschneidertes, individuelles Glas, so einmalig wie ein Fingerabdruck. Der Effekt ist beeindruckend: «Die Sehleis-tung bei Dämmerung und in der Nacht ist deutlich verbessert, Autofahrer sind sicherer unterwegs. Farben werden viel in-tensiver wahrgenommen und alle Seheindrücke sind schärfer und kontrastreicher», sagt ZEISS Forscher Haidl.

Produktion und Logistik: Allein in der Rezeptfertigung im deutschen Aalen fertigt ZEISS jeden Tag bis zu 15’000 solche individuelle Produkte – die Losgrösse für den Form-gebungsprozess ist immer eins. Produktion und Logistik schnurren perfekt wie das Räderwerk einer Schweizer Uhr. Ausgehend von einem Rohling ist das Glas in zirka 90 Se-kunden von einer 5-Achsen-CNC-Bearbeitungsmaschine vollautomatisch geformt und optisch an den künftigen Bril-lenträger angepasst. Insgesamt umfasst der Herstellungs-prozess von der Kalkulation des einzelnen Glases über die Formgebung, bis zum Polieren, Färben und Beschichten mehr als 30 einzelne Stationen.

Funktionalität: «Hier spielt die Musik, denn damit un-terscheiden wir uns wesentlich von anderen Herstellern», sagt Haidl. Grundlegende Funktionen wie Entspiegelung oder Kratzfestigkeit gehören längst zum Standardrepertoire der Glashersteller; jetzt geht der Trend hin zu Brillen, die für höchsten Komfort und Sicherheit in jeder erdenklichen Lage entwickelt sind.

Zum Beispiel Autofahren: ZEISS hat spezielle Brillengläser entwickelt, die einen Teil des energiereichen blauen Lichts der modernen LED-Scheinwerfer herausfiltern. Dieser Teil des Lichts macht die modernen Leuchten sehr hell – gut für den Autofahrer, wird aber von anderen als störend emp-funden, etwa bei entgegenkommendem Verkehr. Die Re- duktion mit der ZEISS DriveSafe-Beschichtung mindert das Blendungsempfinden und macht so das Fahren bei schlech-ten Bedingungen angenehmer.

Zum Beispiel Bildschirme: Die hochauflösenden Re-tina-Bildschirme der Tablets und Smartphones senden Lichtwellen, die unserem Gehirn signalisieren, dass es Tag sei. Die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin wird so beeinträchtigt. Auch hier können ZEISS Gläser die entspre-chenden Wellenlängen abmildern.

Zum Beispiel Kontaktlinsen: Mit EnergizeMe hat ZEISS Brillengläser speziell für Träger von Kontaktlinsen entwickelt. Auch Kontaktlinsenträger nutzen Brillen mehrere Stunden am Tag, um ihre Augen zu erholen. Angesichts der intensiven Nutzung digitaler Endgeräte – die einen hohen Anteil blauen Lichts abstrahlen – und der besonderen Sehgewohnheiten von Kontaktlinsenträgern bietet ZEISS dieser Zielgruppe ein Produkt, das für ihre speziellen Sehanforderungen und den digitalen Lebensstil optimiert ist.

«Wir müssen sicherstellen, dass die Ergebnisse, die wir mit Prototypen erzielen, in der Grossserienfertigung verlässlich reproduziert werden.» KARL MATL Bühler Coating Specialist

PARTNERSCHAFT MIT KUNDENBühler Geschäftsbericht 2017

91

Page 28: PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

Markus Haidl ist überzeugt: Die Erfolgsstory der Brille ist noch lange nicht zu Ende.

Beschichtungen sind entscheidend Damit sind wir beim Thema Beschichtungen: «Die speziellen Funktionen der Brillengläser stellen wir mit Beschichtungen ein», sagt Haidl. Neben der Formgebung zur optischen Ein-stellung ist die Beschichtung der entscheidende Prozess-schritt in der Brillenglasherstellung – und eine Domäne von Bühler. Nach einem Tauchbad für eine kratzfeste Lackschicht gehen die zuvor formbearbeiteten und polierten Gläser in die Vakuumkammer, in der die Funktionsschichten aufgedampft werden. In individuellen Schritten werden bis zu neun Einzel-schichten aus sechs verschiedenen Materialien aufgebracht. Metalloxide werden im Hochvakuum verdampft und lagern sich auf der Glasoberfläche ab, die mit Ionen vorbehandelt wird und so die Anhaftung der Oxidmoleküle verbessert.

Um zusätzlich extrem harte und belastbare Schichten zu erreichen, werden die Beschichtungspakete zusätzlich mit Ionenstrahlung verdichtet. Zusammen sind die Schichten am Ende insgesamt nur noch 400 Nanometer dünn. Das ist ein Hauch von Hightech: Gras wächst in 15 Sekunden um diese Strecke.

«Im Vergleich zu diesen Dimensionen, in denen wir präzi-se und verlässlich fertigen, ist alles andere trivial», sagt Bühler Coating Specialist Karl Matl. Die automatisierte Fertigung be-dingt, dass bei einem eventuellen Fehler der Produktionspro-

zess für ein einzelnes Glas von vorn beginnen muss. Gerade wenn am Ende des Prozesses, bei der Beschichtung, nicht alles perfekt verliefe, würde die Belieferung der betroffenen Kunden durch die Neuherstellung verzögert. Bei allein in Aalen mehreren tausend Aufträgen pro Tag ist fehlerfreie Fertigung eine wirkliche Herausforderung.

Mit den SYRUS-Beschichtungsanlagen beherrscht Bühler Leybold Optics die Beschichtungskunst nahezu per-fekt. Das Hochleistungsaggregat darf nicht ausfallen, es muss zuverlässig 24 Stunden am Tag die Beschichtungs-resultate liefern, welche die Qualität der Brillengläser von

«Gemeinsam arbeiten wir daran, den Beschichtungsprozess bes-ser kontrollieren und anpassen zu können.» MARKUS HAIDL ZEISS Forscher

92

Page 29: PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

Markus Haidl ist überzeugt: Die Erfolgsstory der Brille ist noch lange nicht zu Ende.

Der einzigartige blaue Reflex der ZEISS Gläser wird mit der Beschichtungstechnik von Bühler hergestellt.

ZEISS so einzigartig machen. Der blaue Reflex der ZEISS Gläser erfordert Schichtdickengenauigkeit bis auf den Nano-meter genau – das sind nur wenige Atomlagen übereinander.

Seit über zehn Jahren ist ZEISS so zufrieden, dass Bühler zu den bevorzugten Ausrüstern zählt und die SYRUS in allen Produktionsstätten des Brillenglasherstellers zu fin-den ist. «Bühler ist für uns nicht einfach nur ein Lieferant, son-dern ein wirklicher Partner», sagt Haidl. Denn es sind nicht nur die Technologien und Maschinen, sondern letztlich die Menschen, die sicherstellen, dass die Forschungs- und Ent-wicklungsarbeiten auch wirklich in einem effizienten industri-ellen Prozess auf dem Brillenglas landen. «Und hier nehmen wir Bühler als verlässlichen Partner wahr, der viel Initiative zeigt», sagt Haidl. Vertrauen auf beiden Seiten spielt auch eine entscheidende Rolle. «Wir müssen sicherstellen, dass die Ergebnisse, die wir mit Prototypen erzielen, in der Gross- serienfertigung verlässlich reproduziert werden», sagt Matl. Das erfordert engste Abstimmung zwischen ZEISS und Bühler, vor allem auch in besonderen Situationen. Für die Überführung einer neu entwickelten, funktionalen Beschich-tung wie ZEISS DriveSafe sind neue technologische Prozes-se und Beschichtungsstandards zu entwickeln – ein Teil des Innovationsprozesses, der gemeinsam zu meistern ist.

Gelangt die Erfolgsstory der Brille nach über 170 Jahren ZEISS und mehr als 100 Jahren Präzisionsbrillengläser lang-sam an ihr Ende? Ist das durchsichtige Stück Plastik nicht langsam ausentwickelt?

Die Frage lässt ZEISS Forscher Haidl und Bühler Exper-te Matl sanft lächeln. Es beginnt ganz grundsätzlich damit, dass das Sehen selbst noch nicht vollständig verstanden ist. Die aktuelle Gehirnforschung erlaubt immer tiefere Ein- blicke, wie wir Menschen uns ausgehend von einem physika-lisch objektiven Lichtwellen-Input ein subjektiv-emotionales Bild machen. «Je besser wir verstehen, was im Gehirn vor sich geht, desto bessere Brillen können wir bauen», sagt Haidl. Am ZEISS Vision Science Lab in Tübingen widmen sich Forscher in enger interdisziplinärer Kooperation mit Universitäten und ausseruniversitären Forschungseinrich- tungen diesen fundamentalen Fragen.

Weiter gibt es in der Produktion noch Optimierungs- potenzial. «Gemeinsam arbeiten wir daran, den Beschich-tungsprozess besser kontrollieren und anpassen zu können», sagt Haidl. Wenn das gelänge, könnte man noch präziser arbeiten und Fehlerquellen leichter ausschliessen. Aktuell entwickelt Bühler eine noch genauere Messung der nano-meterdünnen Schichten.

Und auch bei den Funktionen wollen weitere Rätsel ent-schlüsselt werden; ganz oben steht das Vermeiden des Be-schlagens der Gläser. Nicht nur Wintersportler oder Köche würden es schätzen, wenn die beschlagfreie Brille auf den Markt käme. Alle namhaften Brillenhersteller arbeiten da- ran – und es wäre kein Zufall, wenn ZEISS unter freundlicher Mitwirkung von Bühler mal wieder als Erster einen neuen Standard setzen würde.

PARTNERSCHAFT MIT KUNDENBühler Geschäftsbericht 2017

93

Page 30: PARTNERSCHAFT MIT KUNDEN · Die Akij Group ist ein Geschäftskonglomerat, das aus dem Jutehandel entstand. Von Sheikh Akij Uddin in den späten 1940er-Jahren gegründet, ist

94