Parlamentarischer Beratungs- und Gutachterdienst des Landtags Nordrhein-Westfalen Landtag Nordrhein-Westfalen • Postfach 10 11 43 • 40002 Düsseldorf Landtag NRW • Platz des Landtags 1 • 40221 Düsseldorf • Telefonzentrale: (0211) 884-0 Bankverbindung: Helaba - Niederlassung Düsseldorf • BLZ 300 500 00 • Kto.-Nr. 4 054 011 IBAN DE80300500000004054011 • SWIFT/BIC WELADEDDXXX Internet: www.landtag.nrw.de Rechtsgutachten zu „Landesrechtliche Möglichkeiten einer verpflichtenden Nutzung der Solarenergie an und auf Gebäuden in Nordrhein-Westfalen“ Bearbeitung: Prof. Dr. Klaus Joachim Grigoleit unter Mitarbeit von Ass. iur. Moritz Klanten Datum: 1. November 2020
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Parlamentarischer Beratungs- und Gutachterdienst des Landtags Nordrhein-Westfalen Landtag Nordrhein-Westfalen • Postfach 10 11 43 • 40002 Düsseldorf
Landtag NRW • Platz des Landtags 1 • 40221 Düsseldorf • Telefonzentrale: (0211) 884-0
Rechtsgutachten zu „Landesrechtliche Möglichkeiten einer verpflichtenden Nutzung der Solarenergie an und auf Gebäuden in Nordrhein-Westfalen“
Bearbeitung: Prof. Dr. Klaus Joachim Grigoleit
unter Mitarbeit von Ass. iur. Moritz Klanten
Datum: 1. November 2020
merten
Parlamentspapiere
Dieses Gutachten hat der Parlamentarische Beratungs- und Gutachterdienst im Auf-trag der Abgeordneten Wibke Brems erstellen lassen. Die Abgeordnete hat das Gutachten zur Veröffentlichung freigegeben. Die Gutachten des Parlamentarischen Beratungs- und Gutachterdienstes des Landtags Nordrhein-Westfalen sind urheberrechtlich geschützt. Die weitere Verarbeitung, Verbreitung oder Veröffentlichung - auch auszugsweise - ist nur unter Angabe der Quelle zulässig. Jede Form der kommerziellen Nutzung ist untersagt.
Landesrechtliche Möglichkeiten einer verpflichtenden Nutzung der Solarenergie an und auf Gebäuden in
Nordrhein-Westfalen
Rechtsgutachten
im Auftrag des
Landtags von Nordrhein-Westfalen
erstellt von
Prof. Dr. Klaus Joachim Grigoleit
unter Mitarbeit von Ass. iur. Moritz Klanten
Dortmund, im November 2020
I
Literaturverzeichnis
Battis, Ulrich/ Kersten, Jens/ Mitschang, Stephan
Rechtsfragen der ökologischen Stadterneuerung, Frankfurt am Main 2010 (zitiert: Ökologische Stadterneuerung, S.).
Bleutge, Rolf Zum Grunderwerb der Gemeinde beim Einheimischenmodell, MittBayNot 1996, S. 149 ff. (zitiert: Bleutge, MittBayNot 1996, S. 149).
Brönnimann, Stefan Klimatologie, Bern 2018 (zitiert: Brönnimann, Klimatologie, S.).
Bundesnetzagentur Hinweis zum Mieterstromzuschlag als eine Sonderform der EEG-Förderung, Version 1.1, Stand: April 2020, abrufbar unter: https://www.bundesnetzagen-tur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Sachge-biete/Energie/Unternehmen_Institutionen/Erneu-erbareEnergien/Mieterstrom/Hinweis_Mieter-strom.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (letzter Zu-griff: 26.10.2020) (zitiert: BNetzA, Hinweis zum Mieterstromzu-schlag, S.).
Grigoleit, Klaus Joachim Photovoltaik in der Bauleitplanung, ZfBR-Beil. 2012, S. 95 ff. (zitiert: Grigoleit, ZfBR-Beil. 2012, S. 95).
Hagebölling, Clemens Klimaschutz durch städtebauliche Verträge - Klimawandelgerechtes Städtebaurecht vor dem Hintergrund des Gebäudeenergiefachrechts, Marburg 2014 (zitiert: Hagebölling, Klimaschutz durch städte-bauliche Verträge, S.).
Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen, Energieatlas NRW
Solarkataster NRW, Angaben unter dem Reiter „Potenziale der Solarenergie in NRW“, abrufbar unter: https://www.energieat-las.nrw.de/site/karte_solarkataster (letzter Zugriff: 25.10.2020) (zitiert: Solarkataster NRW).
Landtag Baden-Württemberg
Parlamentsdokumentation zum Gesetz zur Weiterentwicklung des Klimaschutzes in Baden-Württemberg, abrufbar unter: https://parlis.landtag-bw.de/par-lis/vorgang/V-138088 (zitiert: Parlamentsdokumentation BW).
Longo, Fabio Neue örtliche Energieversorgung als kommunale Aufgabe - Solarsatzungen zwischen gemeindli-cher Selbstverwaltung und globalem Klima- und Ressourcenschutz, Baden-Baden 2010 (zitiert: Longo, Neue örtliche Energieversorgung, S.).
ders. Klimaschutz im Städtebaurecht – Globaler Anspruch und kommunale Wirklichkeit der Energiewende durch Bauleitplanung –, DÖV 2018, S. 107 (zitiert: Longo, DÖV 2018, S.).
Manten, Georg/ Elbel, Daniel
Möglichkeiten und Grenzen des kommunalen Klimaschutzes in den neuen Bundesländern, LKV 2009, S. 1 ff. (zitiert: Manten/Elbel, LKV 2009, S. 1).
Maunz, Theodor/ Dürig, Günter
Grundgesetz-Kommentar, München 2020, Werkstand: 91. EL April 2020 (zitiert: Bearbeiter, in: Maunz/Dürig, GG Art. Rn.).
IV
Michl, Fabian Der baurechtliche Bestandsschutz zwischen Grundgesetz und einfachem Recht, ThürVBl. 2012, S. 280 ff. (zitiert: Michl, ThürVBl. 2010, S. 280).
Patzelt, Wolfgang Europäische Union und Einheimischenmodell - Akuter Handlungsbedarf bei Städten und Gemein-den, KommJur 2018, S. 321 ff. (zitiert: Patzelt, KommJur 2018, S. 321).
Pöter, Franz/ Gemmer, Christian
Eine allgemeine Ausstattungspflicht von Gebäuden mit Photovoltaikanlagen in Baden-Württemberg?, IR 2019, S. 98 ff. (zitiert: Pöter/Gemmer, IR 2019, S. 98).
pv-magazine.de Tübingen führt Photovoltaik-Pflicht ein, online-Arti-kel vom 05.07.2018, abrufbar unter: https://www.pv-maga-zine.de/2018/07/05/tuebingen-fuehrt-photovoltaik-pflicht-ein/ (letzter Zugriff: 26.10.2020). (zitiert: Nachricht auf pv-magazin.de)
Spannowsky, Willy/ Saurenhaus, Jens
Beck’scher Online-Kommentar Bauordnungsrecht NRW, München 2020, 5. Edition, Stand: 01.12.2019 (zitiert: Bearbeiter, in: Spannowsky/Saurenhaus, BauO NRW Grundlagen des Bauordnungsrechts in Deutschland).
(III) Gesetz zur Weiterentwicklung des Klimaschutzes in Baden-Württemberg .. 57
2. Solarpflicht auf kommunaler Ebene durch landesweite Satzungsermächtigung ..... 58
D. Solarpflicht auf kommunaler Ebene ............................................................................... 61
I. Örtliche Bauvorschrift ................................................................................................ 62
II. Festsetzungen im Bebauungsplan ............................................................................. 62
1. Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 23 b) BauGB ....................................................... 63
(A) Mögliche Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 23 b) BauGB ............................. 64
(B) Mögliche Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 23 b) BauGB ............................. 65
2. Festsetzung nach § 9 Abs. 4 BauGB...................................................................... 67
III. Vertragliche Ausgestaltung .................................................................................... 68
1. Reichweite einer Vertragslösung ............................................................................ 70
2. Rechtmäßigkeit einer Vertragslösung..................................................................... 71
E. Zusammenfassung........................................................................................................ 73
F. Beantwortung der konkreten Fragestellungen ............................................................... 74
G. Anlage........................................................................................................................... 81
1
Gutachten
A. Einführung
Der Klimaschutz ist eines der bestimmenden Themen unserer Zeit. Klima meint nach
der Definition der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) üblicherweise das
durchschnittliche Wetter oder – genauer ausgedrückt – die statistische Beschreibung
durch Mittelwert und Variabilität der relevanten Größen über eine Zeitperiode.1 Auf der
Erde herrscht dabei derzeit ein lebensfreundliches Klima mit einer globalen
Jahresmitteltemperatur von 14,5 °C.2 Das Klima unterliegt allerdings stetigen
Schwankungen, bei denen auch äußere Faktoren eine Rolle spielen können - hierzu
zählen auch menschengemachte Einflüsse. Der Mensch ist seit mindestens 50 Jahren
der wichtigste äußere Antriebsfaktor des globalen Klimas.3 Insbesondere
Treibhausgase und Aerosole haben einen dominanten Einfluss.4 Bereits
ausgestoßene und in Zukunft emittierte Treibhausgase werden dabei auf absehbare
Zeit der bestimmende Faktor der Klimaentwicklung bleiben und den Klimawandel
beschleunigen.5 Ein wichtiger Schritt zur Reduzierung dieses Effekts ist der Wechsel
hin zu erneuerbaren Energien. Hierdurch kann der Ausstoß von Treibhausgasen
signifikant reduziert werden.
Nach Angaben des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW
könnten auf den Gebäuden Nordrhein-Westfalens insgesamt 482 Quadratkilometer
Photovoltaikmodule mit einer Leistung von ca. 81,4 Gigawattpeak installiert werden.
Alternativ könnten 420 Quadratkilometer Kollektorflächen für die Nutzung von
Solarthermieanlagen installiert werden.6 Dieses Potenzial wird derzeit nicht voll
ausgeschöpft. Das folgende Gutachten untersucht, welche landesrechtlichen
Möglichkeiten einer verpflichtenden Nutzung der Solarenergie an und auf Gebäuden
in Nordrhein-Westfalen bestehen. Dementsprechend wird zunächst analysiert, was
unter einer solchen „Solarpflicht“ zu verstehen ist (Gliederungspunkt B.). Anschließend
wird geprüft, welche rechtlichen Möglichkeiten für das Land (Gliederungspunkt C.) und
für die Kommunen (Gliederungspunkt D.) bestehen, um eine solche Pflicht bei
1 Vgl. jeweils Brönnimann, Klimatologie, S. 18; FAQ der WMO. 2 Brönnimann, Klimatologie, S. 11. 3 Brönnimann, Klimatologie, S. 291. 4 Brönnimann, Klimatologie, S. 267. 5 Brönnimann, Klimatologie, S. 306. 6 Solarkataster NRW.
2
Neubauten und/oder Bestandsgebäuden einzuführen. Nach einer Zusammenfassung
der bisherigen Ergebnisse (Gliederungspunkt E.) wird unter Verweis auf die jeweiligen
Ausführungen im Gutachten Stellung zu den konkret aufgeworfenen Fragen
genommen (Gliederungspunkt F.). Zuletzt folgen in den Anlagen (Gliederungspunkt
G.) Auszüge einiger einschlägiger landesrechtlicher Gesetzestexte.
B. Der Begriff der „Solarpflicht“
Soweit im folgenden Gutachten die landesrechtlichen Möglichkeiten einer
verpflichtenden Nutzung der Solarenergie an und auf Gebäuden in Nordrhein-
Westfalen untersucht werden soll, ist zunächst klärungsbedürftig, was unter einer
solchen „Solarpflicht“ zu verstehen ist.
Eine „Solarpflicht“ kann einerseits die Errichtung von Anlagen zur Erzeugung
erneuerbarer Energien, andererseits – weitergehend – auch die verpflichtende
Nutzung der hieraus gewonnenen Energien umfassen. Unter Anlagen zur Erzeugung
erneuerbarer Energien sind im Rahmen des Gutachtens dabei Photovoltaik- und
Solarthermieanlagen zu verstehen.
Problematisch erscheint die Begründung einer „verpflichtenden Nutzung“. So ist schon
nicht hinreichend geklärt, was unter einer „Nutzung“ zu verstehen ist. Hierunter könnte
zum einen der Betrieb fallen. Bei der Photovoltaik bedeutet dies, dass die Anlage an
ein Netz angeschlossen wird, mithin Abnehmer vorhanden sind. Eine solche Pflicht
kann angeordnet werden. Der Betrieb ist im Folgenden vom Begriff der Errichtung
umfasst.
„Nutzung“ im weiteren Sinne könnte darüber hinaus aber auch den Verbrauch im
eigenen Haushalt oder gar den Einspeisevorgang meinen. Der Einspeisevorgang ist
allerdings durch das Regulierungsrecht des Bundes geregelt. Der Begriff der
„Nutzung“ ist damit diffus. Bei näherer Betrachtung dürfte die Festsetzung einer
solchen „Nutzungspflicht“ auch nicht zielführend sein. Eine Bestimmung, die eine
Nutzungspflicht im Sinne einer verpflichtenden Abnahmemenge vorsieht, stellt einen
schwerwiegenden Eingriff in Grundrechte dar und dürfte durch Beweisschwierigkeiten
zudem erhebliche Vollzugsdefizite aufweisen. Eine so ausgestaltete Nutzungspflicht
ist zu unterscheiden von einer Vorschrift, die eine prozentuale Deckung aus
erneuerbaren Energien vorsieht. Denn hier wird keine Mindestabnahme
3
festgeschrieben, sondern lediglich, dass von der in Anspruch genommenen Energie
ein Teil aus erneuerbaren Energien stammen muss. Während diese Unterscheidung
in rechtlicher Hinsicht bedeutsam ist, hat sie jedoch vor dem Hintergrund der
wirtschaftlichen Vernunft wenig Relevanz.7 Es entspricht der allgemeinen
Lebenserfahrung, dass eine mit (gegebenenfalls hohen) Investitionen errichtete
Anlage auch zum eigenen Vorteil genutzt wird. Die explizite Anordnung einer
„Nutzung“ kann also mit erheblichen rechtlichen Schwierigkeiten verbunden sein, wird
in der Praxis allerdings keine gewichtigen Auswirkungen haben.
Im Folgenden unterfällt damit dem Begriff der „Solarpflicht“ die landesrechtliche
Verpflichtung zur Errichtung von Solarthermie- und Photovoltaikanlagen auf im
Eigentum des Adressaten stehenden Gebäuden in Nordrhein-Westfalen.
C. Solarpflicht auf landesrechtlicher Ebene
In Betracht kommt die Einführung einer landesweiten Solarpflicht. Zunächst wird daher
überprüft, ob und inwieweit dem Land NRW eine diesbezügliche
Gesetzgebungskompetenz zusteht (Gliederungspunkt I.). In diesem Zusammenhang
gilt es auch zu untersuchen, ob Vermieter verpflichtet werden können, sogenannten
„Mieterstrom“ anzubieten. Anschließend wird geprüft, wie eine Solarpflicht auf
Landesebene umgesetzt werden kann (Gliederungspunkt II.).
I. Gesetzgebungskompetenz
Ob und inwieweit die Einführung einer Solarpflicht auf Landesebene möglich ist, hängt
maßgeblich von den Gesetzgebungskompetenzen ab. Ausgangspunkt dieser
Betrachtung ist das Grundgesetz. Das Grundgesetz grenzt die
Gesetzgebungszuständigkeiten von Bund und Ländern in den Art. 70 ff. GG ab. Als
Grundfall ordnet es dabei gemäß Art. 70 Abs. 1 GG an, dass den Ländern das Recht
zur Gesetzgebung zusteht, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund
Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. Nach dieser Residualkompetenz8 liegt die
Gesetzgebungskompetenz also bei den Ländern, soweit nicht ausdrücklich eine
2004, S. 750 (756 f.); BVerfG, NVwZ 2015, S. 582 (585). 15 Uhle, in: Maunz/Dürig, GG Art. 72 Rn. 83. 16 BVerfG, NJW 1999, S. 841 (842 f.); BVerfG, NJW 2004, S. 750 (755). 17 BGBl. I 2019, S. 2513. 18 BGBl. I 2014, S. 1066. 19 BGBl. I 2008, S. 1658. 20 BGBl. I 2005, S. 2684.
6
hierauf beruhende Energieeinsparverordnung (EnEV)21 (Gliederungspunkt 3.), das
Gebäudeenergiegesetz (GEG)22 (Gliederungspunkt 4.) und das Baugesetzbuch
(BauGB)23 (Gliederungspunkt 5.) von Bedeutung.
1. Sperrwirkung des KSG
Eine Sperrwirkung könnte aufgrund des KSG bestehen. Mit diesem – auf den
Kompetenztitel der Luftreinhaltung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG gestützten – Gesetz
bezweckt der Gesetzgeber gem. § 1 S. 1 KSG, zum Schutz vor den Auswirkungen des
weltweiten Klimawandels die Erfüllung der nationalen Klimaschutzziele sowie die
Einhaltung der europäischen Zielvorgaben zu gewährleisten. Die Zielrichtung des
Gesetzes deckt sich damit mit der Zielrichtung der Einführung der Solarpflicht.
Das Gesetz beinhaltet jedoch keine Regelungen, die konkret Photovoltaik- oder
Solarthermieanlagen betreffen. Weder über das „ob“, noch über das „wie“ einer
Solarpflicht wird hier entschieden. Kompetenzrechtlich entscheidend ist zudem § 14
Abs. 1 KSG. Dieser lautet:
„Unbeschadet der Vereinbarkeit mit Bundesrecht können die Länder
eigene Klimaschutzgesetze erlassen. Die bestehenden
Klimaschutzgesetze der Länder gelten unbeschadet der Vereinbarkeit
mit Bundesrecht fort.“
Hieraus wird deutlich, dass die Länder zur Erreichung der Ziele des KSG ebenfalls
Gesetze erlassen können, die Materie also nicht abschließend und exklusiv durch den
Bund geregelt wird.
Eine Sperrwirkung hinsichtlich der Einführung einer Solarpflicht entfaltet das KSG
damit nicht.
2. Sperrwirkung des EEG
Weitreichende Änderungen des EEG wurden zumeist ebenfalls auf den
Kompetenztitel der Luftreinhaltung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG gestützt.24 Das Gesetz
hat dabei gem. § 1 Abs. 1 EEG den Zweck,
21 BGBl. I 2007, S. 1519. 22 BGBl. I 2020, S. 1728. 23 BGBl. I 2017, S. 3634. 24 Vgl. jeweils BT-Drs. 17/6071, S. 44; BT-Drs. 16/8148, S. 26.
7
„insbesondere im Interesse des Klima- und Umweltschutzes eine
nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung zu ermöglichen, die
volkswirtschaftlichen Kosten der Energieversorgung auch durch die
Einbeziehung langfristiger externer Effekte zu verringern, fossile
Energieressourcen zu schonen und die Weiterentwicklung von
Technologien zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien
zu fördern.“
Der Begriff der erneuerbaren Energien umfasst im Rahmen des EEG dabei gemäß der
Begriffsbestimmung des § 3 Nr. 21 c) EEG auch die solare Strahlungsenergie.
Hierunter fällt die Nutzung direkter Sonnenenergie durch Photovoltaik-Anlagen sowie
solarthermische Kraftwerke zur Stromerzeugung, durch Solarkollektoren zur
Gewinnung von Warmwasser- und Heizungswärme (thermische Sonnenenergie)
sowie durch architektonische Maßnahmen zur passiven Unterstützung des
Wärmehaushalts von Gebäuden (Solararchitektur).25 „Solaranlage“ ist gemäß § 3 Nr.
41 EEG jede Anlage zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie. Eine
Solarpflicht würde damit teilweise die gleichen Ziele wie das EEG verfolgen und könnte
auch Regelungsbereiche des EEG berühren.
Für die Beurteilung, ob der Bundesgesetzgeber im Rahmen des EEG abschließende
Regelungen getroffen hat, die der Einführung einer landesrechtlichen Solarpflicht
entgegenstehen, ist eine Betrachtung der einzelnen Bestimmungen notwendig.
Insbesondere aus den §§ 19 ff. EEG wird dabei deutlich, dass der Bundesgesetzgeber
Bestimmungen über finanzielle Anreize zur Erzeugung solarer Strahlungsenergie
sowie deren Einspeisung treffen wollte. So legt § 19 Abs. 1 EEG fest:
„Betreiber von Anlagen, in denen ausschließlich erneuerbare Energien
oder Grubengas eingesetzt werden, haben für den in diesen Anlagen
erzeugten Strom gegen den Netzbetreiber einen Anspruch auf
1. die Marktprämie nach § 20,
2. eine Einspeisevergütung nach § 21 Absatz 1 und 2 oder
3. einen Mieterstromzuschlag nach § 21 Absatz 3.“
25 Greb, in: Greb/Boewe, EEG § 3 Nr. 21 Rn. 15.
8
Dieses Förderregime soll als Anreiz zum Betrieb von Anlagen dienen, in denen
ausschließlich erneuerbare Energien oder Grubengas eingesetzt wird. Eine
abschließende Regelung über das „ob“ oder „wie“ von Solaranlagen wird
demgegenüber nicht getroffen.
Insbesondere kann aus dem bundesgesetzlich geregelten Fördersystem auch nicht
geschlossen werden, dass der Gesetzgeber sich abschließend für ein System
entschieden hat, das ausschließlich über Anreizmodelle funktioniert und verpflichtende
landesrechtliche Regelungen über die Errichtung von Anlagen ausschließt. Dies wird
unter anderem aus der Gesetzeshistorie deutlich. So betont der Gesetzgeber in
seinem Entwurf zum EEG 2000 zu der im Vorlauf positiven Entwicklung der
Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien:
„Voraussetzung dafür war, dass durch das Stromeinspeisungsgesetz
Vergütungen garantiert wurden, die bei rationeller Betriebsführung
den wirtschaftlichen Betrieb von optimierten Anlagen zur Erzeugung
von Strom aus erneuerbaren Energien ermöglichten. Dieser
Grundsatz liegt daher auch diesem Gesetz zugrunde, das auch
insgesamt auf der Systematik des Stromeinspeisungsgesetzes
aufbaut.“26
An anderer Stelle heißt es:
„Die Vergütungsregelung für alle im Anwendungsbereich des
Gesetzes befindlichen erneuerbaren Energien wird von dem
Grundsatz geleitet, den Betreibern von optimierten Anlagen zur
Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen bei rationeller
Betriebsführung einen wirtschaftlichen Betrieb dieser Anlagen
grundsätzlich zu ermöglichen.“27
Diese Zweckmäßigkeitserwägungen liegen den §§ 19 ff. EnWG noch immer
zugrunde.28 Dem Gesetzgeber geht es hier darum, die Erzeugung von Strom aus
erneuerbarer Energie wirtschaftlich zu gestalten. Die Regelung zielt demnach auf den
Betrieb, nicht aber die Errichtung. Die vorgeschaltete Frage einer Pflicht zur Errichtung
26 BT-Drs. 14/2341, S. 7. 27 BT-Drs. 14/2341, S. 8. 28 Vgl. Wiemer, in: Greb/Boewe, EEG § 19 Rn. 4.
9
von Anlagen wird durch die betriebsbezogenen Vergütungsregelungen nicht berührt.
Richtigerweise betont der hamburgische Landesgesetzgeber in seiner Begründung
zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Hamburgischen Klimaschutzgesetzes
– mit dem eine Photovoltaikpflicht festgesetzt wird – daher:
„Das EEG beschäftigt sich mit Förderung und Einspeisung, nicht mit
Ort und Konditionen der Errichtung […].“29
Die bundesgesetzlichen Bestimmungen des EEG stehen damit der Einführung einer
Solarpflicht auf Landesebene nicht grundsätzlich entgegen.
Eine Verpflichtung von Vermietern bzw. externen Dienstleistern zur Anbietung von
Mieterstrom dürfte kompetenzrechtlich dagegen nicht möglich sein. Der
Mieterstromzuschlag ist – wie aus § 19 Abs. 1 Nr. 3 EEG deutlich wird – eine
Veräußerungsform von Strom, sofern dieser Strom ausschließlich aus erneuerbaren
Energien oder Grubengas gewonnen wird. § 21 Abs. 3 EEG konkretisiert, wann ein
Anspruch auf die Zahlung des Mieterstromzuschlags besteht:
„Der Anspruch auf die Zahlung des Mieterstromzuschlags nach § 19
Absatz 1 Nummer 3 besteht für Strom aus Solaranlagen mit einer
installierten Leistung von insgesamt bis zu 100 Kilowatt, die auf, an
oder in einem Wohngebäude installiert sind, soweit er an einen
Letztverbraucher geliefert und verbraucht worden ist
1. innerhalb dieses Gebäudes oder in Wohngebäuden oder
Nebenanlagen im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit
diesem Gebäude und
2. ohne Durchleitung durch ein Netz. […]“
Als Mieterstrom wird also Strom bezeichnet, der in einer Solaranlage auf dem Dach
eines Wohngebäudes erzeugt und an Letztverbraucher (insbesondere Mieter) in
diesem Wohngebäude geliefert wird.30 Beim Mieterstrom handelt es sich demnach
nicht um eine spezielle Erzeugungsart von Strom, sondern vielmehr um ein Modell zur
Veräußerung des Stroms aus Anlagen, die aus erneuerbaren Energien oder
Grubengas gespeist werden. Wie sowohl aus § 19 Abs. 1 EEG („oder“) als auch aus
29 Hamburgische Bürgerschaft Drs. 21/19200, Anlage B, S. 21; vgl. zum Regelungsgehalt des EEG
auch Battis/Kersten/Mitschang, Ökologische Stadterneuerung, S. 116 ff. 30 BT-Drs. 18/12355, S. 12.
10
§ 21b Abs. 1 EEG („müssen jede Anlage einer der folgenden Veräußerungsformen
zuordnen“) hervorgeht, stehen die Veräußerungsformen in einem Alternativverhältnis
zueinander. Es kann also grundsätzlich entweder die Marktprämie nach § 20 EEG oder
die Einspeisevergütung nach § 21 Abs. 1 und 2 EEG oder der Mieterstromzuschlag
nach § 21 Abs. 3 EEG oder gar die sonstige Direktvermarktung nach § 21a EEG ohne
Inanspruchnahme einer Zahlung nach § 19 Abs. 1 EEG gewählt werden. § 21b und §
21c EEG regeln dabei ausdrücklich die Modalitäten eines Wechsels zwischen den
verschiedenen Veräußerungsformen. So lautet § 21c Abs. 1 S. 1 EEG:
„Anlagenbetreiber müssen dem Netzbetreiber vor Beginn des jeweils
vorangehenden Kalendermonats mitteilen, wenn sie erstmals Strom in
einer Veräußerungsform nach § 21b Absatz 1 Satz 1 veräußern oder
wenn sie zwischen den Veräußerungsformen wechseln.“
Hieraus wird deutlich, dass das EEG den Betreibern grundsätzlich die Wahl der
Veräußerungsform offenlässt. Richtigerweise beantwortet daher auch die
Bundesnetzagentur (BNetzA) in ihrem „Hinweis zum Mieterstromzuschlag als eine
Sonderform der EEG-Förderung (Version 1.1)“ die Frage, ob die EEG-Förderung für
Solaranlagen auf Mietshäusern nun stets als Mieterstromzuschlag erfolgt, wie folgt:
„Nein. Betreiber von Solaranlagen auf Mietshäusern sind nicht auf die
Vermarktungsform des „Mieterstromzuschlags“ festgelegt. Es steht
ihnen im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen nach wie vor frei,
zu wählen, ob und welche Form einer Förderung sie nach dem EEG
in Anspruch nehmen. Anlagenbetreiber, die auf eine möglichst
einfache Abwicklung und geringe Risiken Wert legen, können
beispielsweise weiterhin die Variante einer Volleinspeisung (mit
Einspeisevergütung oder Marktprämie auf die gesamte
Erzeugungsmenge) wählen. […]“31
Die verbindliche Anordnung des Mieterstrommodells hingegen würde diese
Konzeption unterlaufen. Sie würde entgegen dem Wortlaut der §§ 21b und 21c EEG
dem Anlagenbetreiber die Wahl der Veräußerungsform sowie deren Wechsel
unmöglich machen. Eine Mieterstrompflicht auf Landesebene würde den Betroffenen
damit die nach dem EEG vorgesehene Möglichkeit der freien Wahl der Förderung
31 BNetzA, Hinweis zum Mieterstromzuschlag, S. 10.
11
nehmen und dadurch das durch den Bundesgesetzgeber gestaltete System der
betriebsbezogenen Anreize und – mittelbar – die dem zugrunde liegenden
Wirtschaftlichkeitserwägungen unterlaufen. Deshalb ist von einer diesbezüglichen
Sperrwirkung des EEG auszugehen.
Das EEG steht damit einer landesrechtlichen Solarpflicht nicht grundsätzlich entgegen.
Insbesondere hinsichtlich der Fördermodalitäten enthält es jedoch Sperrwirkung
entfaltende abschließende Regelungen.
3. Sperrwirkung des EEWärmeG, des EnEG sowie der EnEV (Rechtslage bis zum 01.11.2020)
Fraglich ist, inwiefern das EEWärmeG sowie das EnEG und die darauf beruhende
EnEV die landesrechtliche Kompetenz zum Erlass einer Solarpflicht beschränken.
EEWärmeG, EnEG und EnEV treten nach Artikel 10 Abs. 1 des Gesetzes zur
Vereinheitlichung des Energieeinsparrechts für Gebäude und zur Änderung weiterer
Gesetze vom 08.08.202032 am 01.11.2020 außer Kraft. Ab diesem Zeitpunkt können
sie demnach keine Sperrwirkung mehr entfalten. Trotzdem sind sie auch danach noch
von Bedeutung, denn einzelne Bestimmungen wurden in die Nachfolgeregelung des
GEG aufgenommen.
(A) Sperrwirkung des EEWärmeG
Eine Sperrwirkung könnte vom EEWärmeG ausgehen. Auch dieses Gesetz wird vom
Bund auf den Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG gestützt und fällt damit in
den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung.33 Zweck des Gesetzes ist es gemäß
§ 1 Abs. 1 EEWärmeG,
„insbesondere im Interesse des Klimaschutzes, der Schonung fossiler
Ressourcen und der Minderung der Abhängigkeit von
Energieimporten, eine nachhaltige Entwicklung der
Energieversorgung zu ermöglichen und die Weiterentwicklung von
Technologien zur Erzeugung von Wärme und Kälte aus Erneuerbaren
Energien zu fördern.“
32 BGBl. I 2020, S. 1728. 33 BT-Drs. 16/8149, S. 12.
12
§ 3 EEWärmeG stellt dabei die zentrale Norm des EEWärmeG dar.34 § 3 Abs. 1
EEWärmeG lautet:
„Die Eigentümer von Gebäuden nach § 4, die neu errichtet werden,
müssen den Wärme- und Kälteenergiebedarf durch die anteilige
Nutzung von Erneuerbaren Energien nach Maßgabe der §§ 5 und 6
decken. Satz 1 gilt auch für die öffentliche Hand, wenn sie öffentliche
Gebäude nach § 4 im Ausland neu errichtet.“
Der sprachlich unglücklich formulierte § 3 Abs. 1 EEWärmeG gilt damit anlässlich der
Neuerrichtung von Gebäuden im Sinne des § 4 EEWärmeG und gibt vor, dass der
zukünftige Wärme- und Kälteenergiebedarf durch die anteilige Nutzung von
erneuerbaren Energien zu decken ist. Bei Gebäuden nach § 4 EEWärmeG handelt es
sich dabei um alle Gebäude mit einer Nutzfläche von mehr als 50 Quadratmetern, die
unter Einsatz von Energie beheizt und gekühlt werden, sofern nicht ein Ausnahmefall
nach Nr. 1 bis Nr. 11 vorliegt. Ausnahmefälle liegen dabei beispielsweise vor bei:
„1. Betriebsgebäuden, die überwiegend zur Aufzucht oder zur Haltung
von Tieren genutzt werden,
2. Betriebsgebäuden, soweit sie nach ihrem Verwendungszweck
großflächig und lang anhaltend offen gehalten werden müssen,
3. unterirdischen Bauten, […]“.
Die Pflicht nach § 3 Abs. 1 EEWärmeG stellt maßgeblich auf den Wärme- und
Kälteenergiebedarf ab. Gemäß § 2 Nr. 9 EEWärmeG meint Wärme- und
Kälteenergiebedarf
„die Summe
a) der zur Deckung des Wärmebedarfs für Heizung und
Warmwasserbereitung jährlich benötigten Wärmemenge und
b) der zur Deckung des Kältebedarfs für Raumkühlung jährlich
Für Bestandsgebäude können die Länder in den oben beschriebenen Grenzen eigene
Regelungen erlassen. Photovoltaikpflichten normiert der Bundesgesetzgeber im
EEWärmeG hingegen nicht. Sofern also eine landesrechtliche Photovoltaikpflicht die
Erfüllung der Anforderungen des EEWärmeG nicht unmöglich macht (beispielsweise
dadurch, dass die gesamte Dachfläche durch Photovoltaik genutzt werden muss),
besteht durch das EEWärmeG insofern keine Sperrwirkung.
(B) Sperrwirkung des EnEG sowie der EnEV
Das EnEG gehört zum Recht der Wirtschaft gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG,
insbesondere der Energiewirtschaft sowie der Bau- und Wohnungswirtschaft.49 Zur
Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit ist nach Auffassung des Gesetzgebers
eine bundesgesetzliche Regelung im Sinne des Art. 72 Abs. 2 GG erforderlich.50
Sinn und Zweck des EnEG ist dabei vor allem die Senkung des Energieverbrauchs im
Gebäudebereich. Dies geht schon aus dem Entwurf des Energieeinsparungsgesetzes
von 1976 hervor. Unter „Zielsetzung“ betont der Gesetzgeber dort:
„Der gesamte Heizenergieverbrauch in der Bundesrepublik macht 30
bis 40 v. H. des Energieverbrauchs aus. Die vermeidbaren Verluste in
diesem Bereich lassen sich nach dem gegenwärtigen Stand der
Technik um 25 bis 35 v. H. reduzieren.“51
Auch bei dem vierten Gesetz zur Änderung des Energieeinsparungsgesetzes im Jahre
201352 war dem Gesetzgeber die Senkung des Energieverbrauchs im
48 BT-Drs. 17/3629, S. 45. 49 Vgl. jeweils BT-Drs. 7/4575, S. 7; BT-Drs. 15/5226, S. 7; BT-Drs. 17/12619, S. 7. 50 Vgl. jeweils BT-Drs. 15/5226, S. 7; BT-Drs. 17/12619, S. 7. 51 BT-Drs. 7/4575, S. 1. 52 BGBl. I 2013, S. 2197.
19
Gebäudebereich nach wie vor ein Anliegen.53 Das EnEG hat also zum Ziel,
vermeidbare Energieverluste bei der Nutzung von Gebäuden zu verhindern.54
Die EnEV hat ein ähnliches Ziel. Gemäß § 1 Abs. 1 EnEV ist der Zweck der Verordnung
die Einsparung von Energie in Gebäuden. Bei ihr handelt es sich dabei um eine
Rechtsverordnung im Sinne des Art. 80 GG. Grundlage der EnEV ist das EnEG.55
Weder im EnEG noch in der EnEV sind allerdings Regelungen über das „ob“ oder
abschließende Regelungen zum „wie“ von Photovoltaik- oder Solarthermieanlagen
enthalten. EnEG und EnEV beinhalten damit keine Bestimmungen, die eine
Sperrwirkung hinsichtlich der Einführung einer landesrechtlichen Solarpflicht entfalten
könnten.
Eine Sperrwirkung geht damit weder von dem EnEG noch von der EnEV aus.
4. Sperrwirkung des GEG (Rechtslage ab dem 01.11.2020)
Gemäß dem Gesetz zur Vereinheitlichung des Energieeinsparungsrechts für Gebäude
und zur Änderung weiterer Gesetze vom 08.08.202056 tritt das neue Gesetz zur
Einsparung von Energie und zur Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärme- und
Kälteerzeugung in Gebäuden (Gebäudeenergiegesetz - GEG) zum 01.11.2020 in
Kraft. Zeitgleich treten das EEWärmeG sowie das EnEG und die EnEV außer Kraft.
So soll durch das GEG
„das Energieeinsparrecht für Gebäude entbürokratisiert und
vereinfacht [werden]. Es führt das Energieeinsparungsgesetz, die
Energieeinsparverordnung und das Erneuerbare-Energien-
Wärmegesetz in einem neuen Gesetz, dem Gesetz zur Einsparung
von Energie und zur Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärme- und
Kälteerzeugung in Gebäuden (Gebäudeenergiegesetz – GEG)
zusammen.“57
Das Gesetz wird auf die Kompetenztitel des Rechts der Wirtschaft (insbesondere der
Energiewirtschaft) gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG sowie der Luftreinhaltung gemäß
53 BT-Drs. 17/12619, S. 7. 54 Müller-Kulmann/Stock, in: Theobald/Kühling, EnEG Einführung Rn. 1. 55 Stock, in: Theobald/Kühling, EnEV Einführung Rn. 3. 56 BGBl. I 2020, S. 1728. 57 BT-Drs. 19/16716, S. 1.
20
Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG gestützt.58 Wiederum beruft sich der Gesetzgeber auf die
Erforderlichkeit der bundesgesetzlichen Regelung zur Wahrung der Rechts- und
Wirtschaftseinheit im Sinne des Artikels 72 Abs. 2 GG.59 Die Entwurfsbegründung stellt
klar, dass eine Rechtszersplitterung verhindert werden soll.60 Der Zweck des Gesetzes
wird in § 1 Abs. 1 GEG formuliert:
„Zweck dieses Gesetzes ist ein möglichst sparsamer Einsatz von
Energie in Gebäuden einschließlich einer zunehmenden Nutzung
erneuerbarer Energien zur Erzeugung von Wärme, Kälte und Strom
für den Gebäudebetrieb.“
(A) Sperrwirkung für Neubauten
Das GEG hat Auswirkungen auf die Kompetenz zur Einführung einer landesrechtlichen
Solarpflicht bei Neubauten. Denn eine der zentralen Normen stellt § 10 GEG dar. § 10
Abs. 1 und 2 GEG lauten:
(1) Wer ein Gebäude errichtet, hat dieses als
Niedrigstenergiegebäude nach Maßgabe von Absatz 2 zu errichten.
(2) Das Gebäude ist so zu errichten, dass
1. der Gesamtenergiebedarf für Heizung, Warmwasserbereitung,
Lüftung und Kühlung, bei Nichtwohngebäuden auch für eingebaute
Beleuchtung, den jeweiligen Höchstwert nicht überschreitet, der sich
nach § 15 oder § 18 ergibt,
2. Energieverluste beim Heizen und Kühlen durch baulichen
Wärmeschutz nach Maßgabe von § 16 oder § 19 vermieden werden
und
3. der Wärme- und Kälteenergiebedarf zumindest anteilig durch die
Nutzung erneuerbarer Energien nach Maßgabe der §§ 34 bis 45
gedeckt wird.
§ 10 Abs. 3 bis 5 GEG enthalten Ausnahmetatbestände für bestimmte Situationen oder
Gebäudetypen. § 10 Abs. 2 Nr. 3 stellt – wie die Regelung aus dem EEWärmeG – auf
58 BT-Drs. 19/16716, S. 108. 59 BT-Drs. 19/16716, S. 108. 60 BT-Drs. 19/16716, S. 108.
21
den Wärme- und Kälteenergiebedarf ab. Hierunter versteht man gemäß § 3 Abs 1 Nr.
31 GEG die Summe aus
„a) der zur Deckung des Wärmebedarfs für Heizung und
99 BVerfG, NJW 2005, S. 1917 (1921). 100 VGH Kassel, NVwZ-RR 2007, S. 746 (747).
39
wenn dies durch Gründe des öffentlichen Interesses unter
Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
gerechtfertigt ist […]“.101
So wird ein etwaiger Überraschungseffekt und die Verletzung schutzwürdigen
Vertrauens verhindert.
Um diesbezügliche Zweifel auszuräumen, könnte zudem eine Regelung vorgesehen
werden, die es erlaubt, andere Flächen als die Dachflächen zur Energieversorgung zu
nutzen. Hierdurch könnte der Adressat der Vorschrift erreichen, dass ihm die
Gestaltung der Dachfläche im Rahmen der bestehenden Gesetze weiterhin erhalten
bleibt. Die Dachfläche wäre damit nur eine von mehreren „Erfüllungsmöglichkeiten“
und die Wahl der in Anspruch zu nehmenden Fläche verbliebe beim Adressaten der
Regelung. Die Schwere des Eingriffs in die Baufreiheit würde hierdurch abgemildert.
Problematischer erscheint hingegen der zusätzliche Investitionsaufwand, der bei
Neubauten durch die Solarpflicht hervorgerufen wird. Der Bauherr wird – sofern er
nicht aus eigenem Entschluss eine solche Installation vorgesehen hat – durch die
Pflicht zur Errichtung von Photovoltaik- oder Solarthermieanlagen finanziell zusätzlich
belastet. Fraglich ist, ob diese Belastungen noch adäquat und hinzunehmen sind, oder
ob sie die Grenze der Unzumutbarkeit überschreiten. Auch dies ist eine Einzelfallfrage,
die hier nicht vollends nachvollzogen werden kann.
Trotzdem könnte eine Ausnahmeregelung für besonders kleine Gebäude von bis zu
50 m² Nutzfläche empfehlenswert sein. In seinem Urteil zur „Marburger Solarsatzung“
formulierte das VG Gießen:
„Unter Berücksichtigung von Art. 14 Abs. 1 GG und einer insoweit zu
prüfenden Verhältnismäßigkeit ist darüber hinaus die Solarsatzung
unwirksam, als sie keine Ausnahme für besonders kleine Gebäude
von bis zu 50 m 2 Nutzfläche vorsieht. Eine diesbezüglich statuierte
Solarthermiepflicht ist unverhältnismäßig, weil sie zu unverwertbaren
kostenintensiven Überkapazitäten führt […].“102
Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Eine dementsprechende Regelung könnte daher
auch bei einer landesrechtlichen Solarpflicht nötig sein. Hinsichtlich des erzeugten
101 BVerfG, NVwZ 1986, S. 197 (197). 102 VG Gießen, ZUR 2010, S. 375 (379).
40
Stroms ist jedoch ebenfalls zu beachten, dass dieser in das Netz eingespeist werden
könnte. Hierdurch könnten kostenintensive Überkapazitäten vermieden werden.
Aber auch im Falle von größeren Gebäuden kann die zusätzliche finanzielle Belastung
zur Unverhältnismäßigkeit der Solarpflicht führen. Ein entscheidender Parameter für
die Würdigung, ob eine solche finanzielle Überforderung vorliegt, dürfte dabei das
Verhältnis der gesamten Grundstücks- und Baukosten zu den durch die Solarpflicht
hervorgerufenen Mehrkosten sein.103 Wann eine finanzielle Überforderung vorliegt, ist
ebenfalls eine Frage des Einzelfalles. Longo weist in diesem Zusammenhang jedoch
richtigerweise auf § 42 BauGB hin.104 Diese Regelung kann gegebenenfalls als
Richtschnur für die Beurteilung dienen, wann die finanzielle Mehrbelastung durch die
Solarpflicht die Schwelle zur Unzumutbarkeit überschreitet. § 42 Abs. 1 BauGB lautet:
„Wird die zulässige Nutzung eines Grundstücks aufgehoben oder
geändert und tritt dadurch eine nicht nur unwesentliche
Wertminderung des Grundstücks ein, kann der Eigentümer nach
Maßgabe der folgenden Absätze eine angemessene Entschädigung
in Geld verlangen.“
Die Situationen der Solarpflicht und der des § 42 BauGB unterscheiden sich
erkennbar: Während die Solarpflicht im vorliegenden Zusammenhang Neubauten und
eine hinzukommende finanzielle Belastung betrifft, regelt § 42 BauGB die
Entschädigung bei Aufhebung oder Änderung einer zulässigen Nutzung eines
Grundstücks, wenn hierdurch eine nicht nur unwesentliche Wertminderung des
Grundstücks eintritt. Gemeinsam ist beiden Konstellationen jedoch, dass dem
jeweiligen Adressaten durch hoheitliches Handeln finanzielle Einbußen bzw. ein
zusätzlicher Investitionsaufwand beschert wird. Es erscheint gerechtfertigt, die zu § 42
BauGB entwickelten „Annäherungswerte“105 zur Determinierung einer „nicht nur
unwesentlichen Wertminderung des Grundstücks“ als Orientierungswerte für die
Feststellung, wann ein Investitionsaufwand bei der Solarpflicht unzumutbar ist,
heranzuziehen. Eine schematische Übertragung verbietet sich jedoch aufgrund der
Verschiedenheit der Konstellationen.
103 Vgl. Longo, Neue örtliche Energieversorgung, S. 229 f. 104 Longo, Neue örtliche Energieversorgung, S. 229 f. 105 Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB § 42 Rn. 88.
41
In Anlehnung an eine Rechtsprechung des BGH zu „Sonderopfern“ wird dabei
bezüglich § 42 BauGB davon ausgegangen, dass zumindest Wertminderungen bis
3,6% die Schwelle zur „nicht nur unwesentlichen Wertminderung“ nicht
überschreiten.106 Dieser Wert kann auch als Mindestwert für einen unzumutbaren
Investitionsaufwand bei der Solarpflicht herangezogen werden. Longo hält einen Wert
von 5% für noch angemessen:
„Dabei sind die Kosten einer solarthermischen Anlage beim Neubau
von zirka 5.000 Euro ins Verhältnis zu den Kosten eines Grundstücks
und dem Bau eines Einfamilienhauses von zirka 250.000 Euro zu
setzen. Eine Kostenauferlegung in Höhe von 5% der gesamten
Grundstücks- und Baukosten ist vor dem Hintergrund der
Rechtsprechung zum Planungsschadensrecht des § 42 BauGB vom
Grundstückseigentümer hinzunehmen.“107
Vor dem Hintergrund einer möglichen Amortisation der Kosten108 erscheint eine
höhere Ansetzung des Wertes jedoch ebenfalls als noch angemessen. So geht
beispielsweise die Landesregierung Baden-Württembergs in den Gesetzesmaterialien
zum Gesetz zur Weiterentwicklung des Klimaschutzes in Baden-Württemberg
hinsichtlich der hierin vorgesehenen Photovoltaikpflicht von Folgendem aus:
„Grundsätzlich ist von einem wirtschaftlichen Betrieb der
solche Möglichkeit. Andererseits darf nicht verkannt werden, dass die Aufstellung einer
Solarpflicht gerade nicht nur dem Städtebaurecht zuordenbar ist (siehe hierzu
Gliederungspunkt C. I.). Letztlich kann diese Frage jedoch offenbleiben. Durch die
Möglichkeit, mithilfe des § 89 BauO NRW eine Satzungsermächtigung zu schaffen,
bietet das Landesrecht eine Alternative zu § 9 Abs. 4 BauGB, um den Kommunen die
Umsetzung einer (auf der Landeskompetenz fußenden) Solarpflicht zu ermöglichen.
§ 89 BauO NRW wäre dabei zudem nicht auf Bebauungsplangebiete beschränkt,
sondern kann für das gesamte Gemeindegebiet gelten. Auf § 9 Abs. 4 BauGB muss
damit nicht rekurriert werden.
III. Vertragliche Ausgestaltung
Weiterhin könnte die Möglichkeit bestehen, über den Abschluss eines städtebaulichen
Vertrages eine Solarpflicht einzuführen. Auch dieses Modell wird bereits in Tübingen
praktiziert.173
Wie § 11 Abs. 1 S. 1 BauGB ausdrücklich betont, können die Gemeinden
städtebauliche Verträge abschließen. Verträge sind dann „städtebaulich“, wenn sie
sich auf Maßnahmen oder Regelungen des Städtebaurechts beziehen.174 Ab wann ein
solcher Bezug angenommen werden kann, kann im Einzelnen problematisch sein.175
Ein Hinweis im Vertragstext auf die kommunale Klimapolitik und deren Umsetzung
durch den Vertrag dürfte jedoch genügen.176 Dabei ist sowohl der Abschluss eines
privat-rechtlichen als auch eines öffentlich-rechtlichen Vertrags im Sinne der §§ 54 ff.
VwVfG möglich, wobei der öffentlich-rechtliche Charakter aufgrund der Regelung des
§ 11 BauGB naheliegen dürfte.177
§ 11 Abs. 1 S. 2 BauGB zählt beispielhaft - und damit nicht abschließend - Inhalte
eines solchen Vertrages auf. Von besonderem Interesse ist hier § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 4
BauGB. § 11 Abs. 1 S. 1 und 2 BauGB lauten:
„Die Gemeinde kann städtebauliche Verträge schließen.
Gegenstände eines städtebaulichen Vertrags können insbesondere
sein:
173 Vgl. Nachricht auf pv-magazine.de. 174 Hoffmann, in: Spannowsky/Uechtritz, Stand: 01.08.2020, BauGB § 11 Rn. 2. 175 Vgl. Hagebölling, Klimaschutz durch städtebauliche Verträge, S. 248 ff. m.w.N. 176 Vgl. Hagebölling, Klimaschutz durch städtebauliche Verträge, S. 250. 177 Vgl. Longo, Neue örtliche Energieversorgung, S. 303.
69
[…]
4. entsprechend den mit den städtebaulichen Planungen und
Maßnahmen verfolgten Zielen und Zwecken die Errichtung und
Nutzung von Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und
zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von
Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-
Wärme-Kopplung;
[…]“
Nach § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 BauGB können demnach Vereinbarungen über die
Errichtung und Nutzung von Anlagen zur Erzeugung von Strom Gegenstand eines
städtebaulichen Vertrages sein. Vorteil eines solchen Vertrages wäre, dass die
Parteien den Vertragsinhalt weitgehend frei gestalten können. Die Gemeinde könnte
demnach eine Solarpflicht mit dem jeweiligen Vertragspartner vereinbaren. Zudem
könnte – im Gegensatz zu den Festsetzungen im Bebauungsplan – eine explizite
Nutzungspflicht vorgesehen werden (siehe bezüglich der Problematik einer
„Nutzungspflicht“ bereits Gliederungspunkt B.).178 Angesichts der zu unterstellenden
wirtschaftlichen Vernunft dürfte dieser Aspekt – wie bereits ausgeführt – allerdings zu
vernachlässigen sein.
Der Vertragsabschluss ist dabei in mehreren Konstellationen denkbar. So kann
beispielsweise eine Situation wie beim sog. „Einheimischenmodell“ vorliegen. Darunter
versteht man ein Vorgehen der Gemeinde, das den Interessen der ortsansässigen
Bürger am Erwerb von preisgünstigem Bauland dienen soll. Die Gemeinde trifft hierzu
vertragliche Vereinbarungen mit den Eigentümern der Grundstücke, um so letztlich
Einheimischen den Erwerb der Grundstücke zu einem angemessenen Preis zu
ermöglichen.179 Analog zu dieser Situation könnten auch Vereinbarungen hinsichtlich
der Solarpflicht getroffen werden. So könnte beispielsweise vor der Ausweisung als
Bauland mit den Eigentümern vereinbart werden, dass diese ihre Grundstücke nur
weiterverkaufen dürfen, wenn sie wiederum mit den jeweiligen Käufern und
potentiellen Bauherren vereinbaren, dass diese Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer
178 Hagebölling, Klimaschutz durch städtebauliche Verträge, S. 214 f. 179 Siehe hierzu Bleutge, MittBayNot 1996, S. 149 (149); vgl. auch jeweils Hoffmann, in:
Energien errichten. Sofern die Gemeinde Eigentümerin der betroffenen Grundstücke
ist, können entsprechende Regelungen auch direkt in den Kaufvertrag aufgenommen
werden.180 Letztlich handelt es sich jedoch um Fragen des Einzelfalles und der
konkreten Vertragsgestaltung, die hier nicht abschließend beurteilt werden können.
Im Folgenden soll zum einen untersucht werden, wie das Verhältnis von derartigen
vertraglichen Vereinbarungen zu Festsetzungen im Bebauungsplan ist und ob sowohl
Neu- als auch Bestandsbauten erfasst werden können (Gliederungspunkt 1.). Zum
anderen wird geprüft, welche Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen hierfür erfüllt werden
müssten (Gliederungspunkt 2.).
1. Reichweite einer Vertragslösung
Hinsichtlich der Reichweite einer Vertragslösung sind verschiedene Konstellationen zu
unterscheiden. So können vertragliche Vereinbarungen Bebauungspläne lediglich
ergänzen. Dies ist unproblematisch möglich.181 Teilweise wird jedoch für
problematisch gehalten, ob vertragliche Absprachen die Festsetzungen in einem
Bebauungsplan ersetzen dürfen.182 So führt das OVG Berlin-Brandenburg zu dieser
Thematik aus:
„Denn ungeachtet der durch § 11 BauGB eröffneten Möglichkeit der
Gemeinde, städtebauliche Verträge zu schließen, lässt es der
Grundsatz der Planmäßigkeit „nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs“
(vgl. § 1 Abs. 1 BauGB) nicht zu, die bauliche und sonstige Nutzung
der Grundstücke durch andere Mittel als die der Bauleitplanung
vorzubereiten und zu leiten. Vertragliche Gestaltungen dürfen nicht an
die Stelle der Entwicklungs- und Ordnungsfunktion der Bauleitplanung
treten […]. Die einzige gesetzlich zugelassene Ausnahme von diesem
Grundsatz bildet die in § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB genannte
„Durchführung des Ausgleichs im Sinne des § 1 a Abs. 3“. Hiermit wird
dem städtebaulichen Vertrag im Rahmen der Verwirklichung der
naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung ausnahmsweise die Aufgabe
zugewiesen, durch Vereinbarungen eine sonst erforderliche
180 Vgl. Hagebölling, Klimaschutz durch städtebauliche Verträge, S. 208 f. 181 Hagebölling, Klimaschutz durch städtebauliche Verträge, S. 214; Krautzberger, in:
Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB § 11 Rn. 166. 182 Vgl. jeweils Hagebölling, Klimaschutz durch städtebauliche Verträge, S. 216 f.; Krautzberger, in:
Die Pflicht zur Prüfung der technischen und wirtschaftlichen Machbarkeit stellt dabei
ein milderes Mittel zur umfangreichen Solarpflicht dar, das jedoch zur
Zweckerreichung nicht gleich geeignet ist.
(Für Einzelheiten, siehe Gliederungspunkt C.).
78
4. Welche Landesgesetze bzw. -verordnungen müssten für eine landesrechtliche
Regelung jeweils geändert werden?
Eine landesrechtliche Solarpflicht besteht derzeit noch nicht. Diese könnte an geeigneter Stelle in die BauO NRW eingefügt werden. Die Regelung müsste
verfassungsgemäß ausgestaltet sein, also insbesondere den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit beachten. Hierzu wären verschiedene Ausnahme- und
Befreiungstatbestände vorzusehen.
Das Land könnte zudem erwägen, den Kommunen den Erlass einer Solarpflicht
freizustellen. Durch eine Satzungsermächtigung im Rahmen des § 89 BauO NRW
könnten die Kommunen selber entscheiden, ob sie hiervon Gebrauch machen und
eine Solarpflicht einführen wollen. Derzeit fehlt es jedoch noch an einer
entsprechenden Ermächtigung im Rahmen des § 89 BauO NRW.
(Für Einzelheiten, siehe Gliederungspunkt C., insbesondere C. II. 2.).
5. Die Pflicht externen Investoren die jeweiligen Dachflächen zur Verfügung zu
stellen, sofern die Eigentümerin oder der Eigentümer des Gebäudes nicht selbst in
eine Solarenergieanlage investieren kann oder möchte, wird ebenfalls diskutiert. Wie
und auf welcher rechtlichen Grundlage kann eine derartige Pflicht zur Zulassung
externer Investoren rechtlich umgesetzt werden? (Sofern eine Duldungspflicht aus den
bestehenden Gesetzen nicht abgeleitet werden könnte, bitte die grundsätzliche
Übertragbarkeit bereits geltender Duldungspflichten im Bereich der öffentlichen
Daseinsvorsorge, wie bspw. in §12 Niederspannungsanschlussverordnung auf den
Bereich der dezentralen Energieerzeugung untersuchen)
Die Möglichkeit, externen Investoren Dachflächen zur Verfügung zu stellen, um so die
eigene Solarpflicht erfüllen zu können, kann zur Verfassungsmäßigkeit der Solarpflicht
beitragen. Bei einer solchen Ausgestaltung würde es sich dabei nicht um eine Pflicht,
sondern vielmehr um eine von mehreren Möglichkeiten handeln, die Solarpflicht zu
erfüllen. Diese Konstellation ist dabei nicht mit der Verpflichtung nach § 12 NAV
79
vergleichbar. Vor diesem Hintergrund kann die Möglichkeit, Dachflächen auch
externen Investoren zur Verfügung zu stellen, unproblematisch in eine
Solarpflichtvorschrift eingefügt werden.
(Für Einzelheiten, siehe Gliederungspunkt C II 1 (I) (2) d.)
6. Mieterstrom bezeichnet Stromprodukte, bei welchen ein Teil des an mehrere
Parteien in einem Gebäude gelieferten Stroms in oder auf dem jeweiligen Gebäude
erzeugt wird. Wie können Vermieterinnen und Vermieter verpflichtet werden, ihren
Mieterinnen oder Mietern ein solches Stromprodukt anzubieten ggf. unter Einbindung
externer Investoren und/oder Dienstleister?
Der Bundesgesetzgeber hat im Rahmen des EEG Zahlungsansprüche für Betreiber
solcher Anlagen geregelt, in denen ausschließlich erneuerbare Energien oder
Grubengas eingesetzt werden. Eine Veräußerungsform ist dabei der sogenannten
Mieterstrom. § 21b EEG sieht ausdrücklich vor, dass ein Wechsel zwischen den
Veräußerungsformen möglich ist. Eine landesgesetzliche Pflicht zur Anbietung des
Mieterstroms würde dem Betreiber die Möglichkeit nehmen, zwischen den im EEG
ausgestalteten Vergütungsmodellen zu wählen und zu wechseln. Dies ist dem Land
kompetenzrechtlich nicht möglich.
(Für Einzelheiten, siehe Gliederungspunkt C. I. 2.)
7. Als Ausnahmeregelungen für eine Nutzungspflicht werden in der Regel die
fehlende technische Machbarkeit oder die mangelnde Wirtschaftlichkeit
herangezogen. Auf welchen fachlichen Grundlagen könnten derartige
Nachweisverfahren ausgestaltet werden?
Diesbezüglich können bestehende Vorschriften wie etwa §§ 9, 10 EEWärmeG oder §
5 Abs. 1 EnEG als Vorbild dienen. So sieht beispielsweise § 5 Abs. 1 EnEG vor, dass
80
Anforderungen als wirtschaftlich vertretbar gelten, wenn eine Amortisation der
Aufwendungen innerhalb der üblichen Nutzungsdauer eintritt.
(Für Einzelheiten, siehe Gliederungspunkt C II 1 (I) (2) d.)
Dortmund, 01.11.2020
Prof.Dr.KlausJoachimGrigoleit
81
G. Anlage
Hamburgisches Klimaschutzgesetz - HmbKliSchG:
§ 16
Verpflichtung zum Vorhalten einer Anlage zur Stromerzeugung durch Nutzung solarer Strahlungsenergie
(1) Die Freie und Hansestadt Hamburg strebt langfristig an, dass alle geeigneten Dachflächen möglichst in Kombination mit Gründächern und unter Berücksichtigung der Anforderungen des Schutzes von Bäumen im Stadtgebiet soweit technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar zur Stromerzeugung durch die Nutzung solarer Strahlungsenergie genutzt oder zur Verfügung gestellt werden.
(2) Die Eigentümerinnen und Eigentümer von Gebäuden, deren Baubeginn nach dem 1. Januar 2023 liegt, haben sicherzustellen, dass Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie auf der Dachfläche errichtet und betrieben werden. Sie können sich zur Nutzung der solaren Strahlungsenergie auf Dachflächen eines Dritten bedienen.
(3) Die Pflicht nach Absatz 2 gilt auch bei vollständiger Erneuerung der Dachhaut eines Gebäudes, die nach dem 1. Januar 2025 begonnen wird.
(4) Die Pflicht nach den Absätzen 2 und 3 entfällt, soweit
1. ihre Erfüllung
a) anderen öffentlich-rechtlichen Pflichten widerspricht,
b) im Einzelfall technisch unmöglich ist,
c) wirtschaftlich nicht vertretbar ist,
2. ihre Erfüllung im Einzelfall wegen besonderer Umstände durch einen unangemessenen Aufwand oder in sonstiger Weise zu einer unbilligen Härte führen würde oder
3. auf der Dachfläche solarthermische Anlagen errichtet und betrieben werden.
(5) Der Senat wird ermächtigt durch Rechtsverordnung festzulegen:
1. die Anforderungen an die die technische Unmöglichkeit nach Absatz 4 Nummer 1 Buchstabe b,
2. die Anforderungen an die wirtschaftliche Vertretbarkeit nach Absatz 4 Nummer 1 Buchstabe c,
3. die von den Pflichten nach den Absätzen 2 und 3 ausgenommenen Gebäude,
4. das Verfahren zum Nachweis der Pflichterfüllung.
Der Senat hat die Rechtsverordnung nach Satz 1 spätestens bis zum 31. Dezember 2020 zu erlassen.
82
§ 17
Nutzungspflicht von erneuerbaren Energien bei der Wärmeversorgung
(1) Beim Austausch oder dem nachträglichen Einbau einer Heizungsanlage nach dem 30. Juni 2021 sind die Eigentümerinnen und Eigentümer der betroffenen Gebäude, die vor dem 1. Januar 2009 errichtet wurden, verpflichtet, mindestens 15 v.H. des jährlichen Wärmeenergiebedarfs durch erneuerbare Energien zu decken.
(2) Die Nutzung einer solarthermischen Anlage mit einer Aperturfläche von 0,04 m2 je m2 Nutzfläche bei Wohngebäuden mit höchstens zwei Wohnungen oder mit einer Aperturfläche von 0,03 m2 je m2 Nutzfläche bei Wohngebäuden mit mehr als zwei Wohnungen gilt als Erfüllung der Anforderungen nach Absatz 1.
(3) Die Erfüllung der Verpflichtung ist innerhalb von 18 Monaten nach Inbetriebnahme der neuen Heizungsanlage der zuständigen Behörde nachzuweisen.
(4) Geht das Eigentum an dem Gebäude auf neue Eigentümerinnen oder Eigentümer über, bevor die Nutzungspflicht nach Absatz 1 erfüllt ist, geht auch diese auf die neuen Eigentümerinnen oder Eigentümer über.
(5) Die Pflicht nach Absatz 1 entfällt,
1. wenn ihre Erfüllung und die Durchführung von Ersatzmaßnahmen nach § 18
a) anderen öffentlich-rechtlichen Pflichten widerspricht oder
b) im Einzelfall technisch unmöglich ist oder
2. wenn ihre Erfüllung und die Durchführung von Ersatzmaßnahmen nach § 18 im Einzelfall wegen besonderer Umstände durch einen unangemessenen Aufwand oder in sonstiger Weise zu einer unbilligen Härte führen würde.
(6) Der Senat wird ermächtigt durch Rechtsverordnung festzulegen:
1. die Anforderungen an die Nutzung von erneuerbaren Energien nach Absatz 1,
2. die Ausgestaltung des Verfahrens zur Erfüllung der Verpflichtungen nach den Absätzen 1 und 3,
3. die von der Pflicht nach den Absätzen 1 und 3 ausgenommenen Gebäude.
Der Senat hat die Rechtsverordnung nach Satz 1 spätestens bis zum 31. Dezember 2020 zu erlassen.
83
§ 18
Ersatzmaßnahmen
(1) Die Pflicht nach § 17 Absatz 1 kann durch folgende geeignete Ersatzmaßnahmen erfüllt werden:
1. Anschluss an ein Wärmenetz,
2. nach Maßgabe einer nach Absatz 3 zu erlassenden Rechtsverordnung durch
a) Energieeinsparungen durch baulichen Wärmeschutz,
b) Sanierungsfahrpläne,
c) Quartierslösungen.
(2) Der Anschluss an ein Wärmenetz muss die Anforderungen des § 17 Absatz 1 erfüllen. Die Eigentümerin oder der Eigentümer kann die Heizungsanlage auch dann zur Erfüllung der Pflichten aus § 17 an ein Wärmenetz, welches die Anforderungen des § 17 Absatz 1 noch nicht erfüllt, anschließen, wenn das Wärmeversorgungsunternehmen des Wärmenetzes einen nach § 10 Absatz 3 geprüften Dekarbonisierungsfahrplan vorgelegt hat. Auf Antrag kann die zuständige Behörde für den beabsichtigten Anschluss an ein Wärmenetz die Frist zur Erfüllung der Pflicht nach § 17 Absatz 1 verlängern, insbesondere wenn der geordnete Netzausbau dies erfordert.
(3) Der Senat wird ermächtigt, die Anforderungen an die Ersatzmaßnahmen insbesondere hinsichtlich der zu erreichenden Anteile erneuerbarer Energien oder der zu erbringenden Reduktion von Kohlendioxidemissionen einschließlich des Verfahrens ihrer Berechnung durch Rechtsverordnung zu regeln.
§ 19
Kombinationsmöglichkeiten
Die Nutzung erneuerbarer Energien nach § 17 Absatz 1 und Ersatzmaßnahmen nach § 18 Absatz 1 können zur Erfüllung der Pflicht nach § 17 Absatz 1 kombiniert werden. Der Senat wird ermächtigt, die Anforderungen an die Kombination einschließlich des Verfahrens ihrer Berechnung durch Rechtsverordnung zu regeln.
84
Gesetz zur Weiterentwicklung des Klimaschutzes in Baden-Württemberg:
§ 8a
Pflicht zur Installation von Photovoltaikanlagen auf Dachflächen
(1) Beim Neubau von Nichtwohngebäuden ist auf der für eine Solarnutzung geeigneten Dachfläche eine Photovoltaikanlage zur Stromerzeugung zu installieren, wenn der Antrag auf Baugenehmigung ab dem 1. Januar 2022 bei der zuständigen unteren Baurechtsbehörde eingeht oder ab diesem Zeitpunkt im Kenntnisgabeverfahren die vollständigen Bauvorlagen bei der Gemeinde eingehen. Ausgenommen von dieser Pflicht sind abweichend von § 3 Absatz 4 dieses Gesetzes Gebäude, bei denen der Wohnanteil 5 Prozent der Geschossfläche überschreitet. Als Nachweis der Erfüllung der Pflicht nach Satz 1 ist der zuständigen unteren Baurechtsbehörde eine schriftliche Bestätigung der Bundesnetzagentur über die Registrierung im Marktstammdatenregister im Sinne des § 8 Absatz 4 der Marktstammdatenregisterverordnung vom 10. April 2017 (BGBl. I S. 842), die zuletzt durch Artikel 4 der Verordnung vom 20. Januar 2020 (BGBl. I S. 106) geändert worden ist, vorzulegen.
(2) Zur Erfüllung der Pflicht nach Absatz 1 Satz 1 kann eine Photovoltaikanlage zur Stromerzeugung ersatzweise auch auf anderen Außenflächen des Gebäudes oder in dessen unmittelbarer räumlichen Umgebung installiert und der hierdurch in Anspruch genommene Flächenanteil auf die Pflichterfüllung angerechnet werden.
(3) Zur Erfüllung der Pflicht nach Absatz 1 Satz 1 kann ersatzweise auch eine solarthermische Anlage zur Wärmeerzeugung auf der für eine Solarnutzung geeigneten Dachfläche, auf anderen Außenflächen des Gebäudes oder in dessen unmittelbarer räumlichen Umgebung installiert und der hierdurch in Anspruch genommene Flächenanteil auf die Pflichterfüllung angerechnet werden. Die Pflichterfüllung kann in diesem Fall entsprechend der Regelung des § 20 Absatz 2 Erneuerbare-Wärme-Gesetz nachgewiesen werden.
(4) Zur Erfüllung der Pflicht nach Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 oder nach Absatz 3 kann eine geeignete Fläche auch an einen Dritten verpachtet werden.
(5) Besteht eine öffentlich-rechtliche Pflicht zur Dachbegrünung, so ist diese Pflicht bestmöglich mit der Pflichterfüllung nach Absatz 1 Satz 1 oder nach Absatz 3 in Einklang zu bringen.
(6) Die Pflicht nach Absatz 1 Satz 1 entfällt, sofern ihre Erfüllung sonstigen öffentlich-rechtlichen Pflichten widerspricht.
(7) Von der Pflicht nach Absatz 1 Satz 1 kann durch die nach § 8 c zuständige Behörde auf Antrag befreit werden, wenn diese nur mit unverhältnismäßig hohem wirtschaftlichen Aufwand erfüllbar wäre.