Übertragung von Unternehmerpflichtenvdri.de/fileadmin/downloads/fachinformationen/2016_01_21_Neustadt... · im Büro“ aus 2005 die Benennung einer verantwortlichen Person für
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§ 13 BGV A1 bzw. DGUV Vorschrift 1 Pflichtenübertragung
„Der Unternehmer kann zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich damit beauftragen, ihm nach Unfallverhütungsvorschriften obliegende Auf-gaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen. Die Beauftragung muss den Verantwortungsbereich und Befugnisse festlegen und ist vom Beauftragten zu unterzeichnen. Eine Ausfertigung der Beauftragung ist ihm auszuhändigen“.● Wer? ● an Wen? ● Wie (formal)? ● Wofür (örtlich)?● Was (inhaltlich)?● Rechtsfolge?
der Unternehmer und die von ihm Beauftragtenzuverlässige und fachkundige Personen Schriftlichkeit und Gegenzeichnung
● Pflicht zur Schaffung einer „geeigneten Organisation“ § 3 ArbSchG
● Pflicht zur „Einbindung des Arbeitsschutzes in Führungsstrukturen“ § 3 ArbSchG
● keine Pflicht zur Beauftragung gemäß § 13 BGV A1 „kann“, nicht „muss“● „keine Pflicht zur Aufgabenübertragung“ gemäß § 13 ArbSchG BAG 2009
Hierarchische VoraussetzungenWer kommt generell in Betracht?
1. allgemeine unternehmenshierarchische Delegationsvoraussetzungen:● „Führungskräfte der mittleren und unteren Ebene“, „etwa Bereichsleiter,
Gruppenleiter, Schicht- + Maschinenführer sowie Meister und Vorarbeiter“● Übertragung nach ArbSchG + UVV „setzt Vorgesetztenstellung mit Befugnis
zu Eingriffen in Arbeitsabläufe voraus“ VG Augsburg 2012 „Der haftungsscheue Professor“
● letztlich kommen (je nach Aufgabe) auch „einfache“ Arbeitnehmer in BetrachtDas bestätigt die BAuA, wenn sie – sehr weitgehend (!) – im Faltblatt „Kopiergeräte und Drucker im Büro“ aus 2005 die Benennung einer verantwortlichen Person für jedes Gerät empfiehlt.
● auch externe Dienstleister bestätigend DGUV Regel 100-001 Nr. 2.14 Mai 2014
Fazit: keine abstrakte – unternehmenshierarchische – Delegationsgrenzen, sondern nur konkrete - personenbezogene - Delegationsvoraussetzungen
Personenbezogene Voraussetzungen – AuswahlverschuldenSchlüsselbegriffe: Zuverlässigkeit und Fachkunde
2. konkrete personenbezogene Delegationsvoraussetzungen● „Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch den Verstand“
● „Bin ich meinem Amte nicht gewachsen, so ist der zu tadeln, der es mir anvertraut“ Schiller, Der Parasit oder die Kunst, sein Glück zu machen
● Man soll nicht den Bock zum Gärtner machen
Zuverlässig ist (vgl. die Formulierung in § 10 Abs. 1 der 5. BImSchV)
wer persönlich geeignet ist, die Arbeitsschutzaufgaben zu übernehmen. Dazu ist erforderlich, dass „der Beauftragte auf Grund seiner persönlichen Eigen-schaften, seines Verhaltens und seiner Fähigkeiten zur ordnungsgemäßen Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben geeignet ist“ personenbezogen
Hegel in seiner Vorrede zu den Grundlinien der Philosophie des Rechts
Fachkunde hatwer über die theoretischen Kenntnisse, praktischen Fertigkeiten und hinreichende berufliche Erfahrung verfügt aufgabenbezogen AG Offenbach „Der gebrochene Schiffsmast auf dem Spielplatz in Offenbach“ „Zuver-lässigkeit ersetzt nun mal keine Fachkenntnisse. Ohne Fachkenntnisse kann auch der zuverlässigste Mitarbeiter Spielgeräte nicht verantwortlich auf Sicherheit prüfen“
Strukturelle Voraussetzungen – OrganisationsverschuldenSchlüsselfunktion der Organisation
3. Schaffung der organisationsbezogenen Voraussetzungen der Delegation:● „es ist nachteilig, einen Mitarbeiter mit einer Aufgabe zu betrauen,
die Sie noch gar nicht durchdacht haben“ Nölllke/Zielke/Kraus, Praxiswissen Management
● „Aufgaben müsse transparent und Entscheidungsbefugnisse geklärt sein“: „Erst auf dieser Basis ist eine Pflichtenübertragung sinnvoll“ Unfallkasse Hessen
● Je besser die Rahmenbedingungen desto eher ist eine Pflichtenübertragung zulässig / haftungsvermeidend:
VGH München 2014 „Fachunkundiger Professor“„Angesichts der Formblattstruktur und der einmaligen Begleitung im Jahr 2004 ist der Pro-fessor in der Lage eine – sofern überhaupt erforderlich – erneute Gefährdungsbeurteilung eigenverantwortlich vorzunehmen. Hinsichtlich seiner weiteren Aufgaben bietet ihm das Handbuch Arbeitssicherheit eine weitere Handreichung, dort werden alle von ihm zu berücksichtigenden Gefahren anschaulich bebildert und nachvollziehbar beschrieben“ AG Offenbach 2004 „Der gebrochene Schiffsmast auf dem Spielplatz“: Ein „Blick in die Norm hätte gezeigt, dass die eigenen Untersuchungen und Dokumenta-tionen nicht in Ordnung waren – und dass es gar kein vernünftiges Sicherheitsmanagement gab, dessen Wirksamkeit der ‚Sachverständige‘ hätte überprüfen können“
● § 126 BGB: „Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkun-de von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift … unterzeichnet sein“
● Unterschrift des Beauftragenden● Unterschrift des Beauftragten wegen „Gegenzeichnung“● eine Meinung: Pflichtenübertragung „kann nicht einseitig erfolgen,
sondern bedarf der Vereinbarung mit dem Mitarbeiter“ so Bock + Kranig/Timm
● andere Meinung: „Ob einem Beschäftigten ein Teil der Pflichten übertragen werden kann, ist eine Frage des Arbeits- und Gesellschaftsrechts und keine Frage des Präventionsrechts der Unfallversicherung“ so auch Bock
● „Die Zustimmung des Verpflichteten ist nur erforderlich, sofern der bisherige Rahmen des Arbeitsvertrages überschritten wird“ DGUV Regel 100-001 Nr. 2.14
● bei § 13 ArbSchG reicht ohnehin die Unterschrift nur des Beauftragenden● Übergabe der Aufgabe, nicht nur Unterweisung VG München Urteil aus März 2012
Fazit: Wer nicht schriftlich (durch Unterschrift des Vorgesetzen) beauftragt, ist nicht arbeitsschutzverantwortlich – nach Öffentlichem Recht
Vorsicht: Mit straf- und zivilrechtlicher Wirkung wird Sicherheitsverantwortung automatisch übertragen !
Bernhard Moestl, Die 13 Siegel der Macht – Von der Kunst der guten Führung, Siegel Nr. 7: „Nur wer gelernt hat, deutlich zu kommunizieren, kann sich in der Folge auch darauf verlassen, dass seine Anordnungen nach seinen Wünschen ausgeführt werden“Fall „Sturz im Krankenhaus“ OLG Celle Urteil aus August 2005
Kernsatz: „Delegation der Verkehrssicherungspflichten setzt klare Absprache voraus, die eine Ausschaltung von Gefahren zuverlässig sicherstellt. Unklar-heiten in der Kompetenzabgrenzung gehen zu Lasten des ursprünglich Verkehrssicherungspflichtigen“Im Fall sagte der Vertrag: Reinigungsfirma hat● „dafür zu sorgen, dass durch die Reinigungsarbeiten für Bewohner
und Personal keine Gefährdung möglich“ ist, und● „soweit erforderlich die gebotenen Sicherungsmaßnahmen zu treffen
und entsprechende Hinweise an den Gefahrenstellen anzubringen“. Empfehlung: Verwendung der korrekten Rechtsbegriffe – also:„Das Fremdunternehmen übernimmt für die Zeit und den örtlichen Bereich seiner Tätigkeit die Verkehrssicherungspflicht, insbesondere …
Jemanden für das Erreichen eines unklaren Ziels verantwortlich machen, ist unfair Stephen R Covery, Management – Essentials für die Unternehmensführung, 2014, S. 50
Die erste Instanz LG Verden ist Fall „Sturz im Krankenhaus“ streng:● „zu allgemein um eine klare Abgrenzung der Verantwortlichkeiten
herbeizuführen“● „keine hinreichend klaren Absprachen, die eine Verhinderung der
typischerweise mit der Bodenreinigung verbundenen Rutschgefahr durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen“
Weil dies nicht erfolgt war, scheiterte die Pflichtenübertragung (in 1. Instanz), es gab sie für das Gericht also nicht und das Krankenhaus haftete.
Spezielle und detaillierte Übertragung von Einzelpflichten: ● Vorteil: Rechtssicherheit ● Nachteil, …
– dass falsche Handlungsanweisung gegeben wird==> Vermeidung durch Vorgabe von Zielen!
– dass einzelne Pflichten vergessen werden: Wenn 10 Pflichten übertragen werden, ein Unfall aber gerade durch die Außerachtlassung einer elften Pflicht durch den Mitarbeiter geschieht, bleibt der Vorgesetzte verantwortlich, denn er hat diese Pflicht Nr. 11 nicht übertragen und daher ist sie bei ihm verblieben.
==> Vermeidung durch allgemeine Pflichtenübertragung zB wie BGI 508 ● Vorteil, dass nichts vergessen wird und der Pflichtige selbst den Umfang
(mit-)bestimmen muss und insoweit mitverantwortlich ist (im Beispiel ist auch die Pflicht Nr. 11 übertragen, soweit sie erkennbar war)
● Nachteil: Rechtsunsicherheit, denn Gericht fordern teilweise „genaue und spezielle“ Pflichtenübertragungen
Empfehlung: Kombination = allgemeine Pflichtenübertragung und – nicht abschließende („insbesondere“) – Benennung von Einzelpflichten
Wer schriftlich beauftragt ist, ist auch ohne Gegenzeichnung für den Arbeitsschutz verantwortlich● nach Öffentlichem Recht andere Rechtsvorschriften bleiben unberührt● Schriftform also nur „Voraussetzung für öffentlich-rechtliche Wirksamkeit
der Beauftragung“ VG Regensburg 2011 „Hersteller oder Betreiber?“
● „Erweiterung des Adressatenkreises zur Erleichterung behördlicher Über-wachungsmaßnahmen+Vollzugsanordnungen“ VG Augsburg „Haftungsscheue Professor“
Die eigentliche Bedeutung des Formblattes BGI 508 ist die Pflichtenübertragung nach Zivil- und Strafrechtdurch Übertragung einer Funktion (Übernahmeverantwortung + -haftung)
Pflichtenübertragung „erübrigt sich“, „soweit“ Beschäftigte „bereits aus einem anderen Rechtsgrund eigenständige Pflichten auf dem Gebiet der Unfallverhütung haben“ – z.B.„betriebliche Führungskräfte und Vorgesetzte, z.B. Meister. Denn die Verantwortung dieser Personen, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz und damit für die Gefahrenabwehr in ihrem Bereich zu sorgen, ergibt sich bereits im wesentlichen aus den ihnen durch Arbeitsvertrag übertragenen Aufgaben, also aus der Stellung, die sie im Betrieb einnehmen. Einer gesonderten Übertragung dieser mit der Stellung des Vorgesetzten ohnehin verbundenen Pflichten bedarf es nicht“
Zur Sicherheitsverantwortung der Unternehmensmitarbeiter gibt es 3 Antworten
zwei Verantwortungsbeziehungen sind ausdrücklich geregelt, teilweise sind die Antworten rechtlich schwierig 1. Öffentliches Recht [nicht praxisrelevant] 2. Ordnungswidrigkeitenrecht = Bußgelder [nicht gefährlich]
eine Verantwortungsbeziehung ergibt sich aus allgemeinen Rechtsprinzipen,das Prinzip ist klar, nur die konkreten Ergebnisse sind wegen der Vielfältigkeit in Unternehmen etwas ungenau 3. zivilrechtliches Schadensersatzrecht und Strafrecht
● alle Antworten gelten nebeneinander und unabhängig voneinander ● das Wichtigste zur Schriftlichkeit vorweg:
Schriftform kann im Öffentlichen Recht nötig sein, aber nicht für die zivilrechtliche Schadensersatzhaftung und strafrechtliche Sanktionen
● mit der Leitung des Unternehmens Beauftragte (Nr. 2 und 3) Unternehmen = Rechtsträger – z.B. die GmbH oder AG
● „mit Leitung eines Betriebes beauftragt“ (Nr. 4) ~ Dienststelle Betrieb = tatsächliche Organisationseinheit mit gewisser Selbständigkeit ● die Verantwortlichkeit ist untrennbarer Teil der Führungsaufgabe● einige meinen: alle „Führungskräfte der oberen betrieblichen Leitungsebene“
„Dazu gehören etwa die Personen, die einen räumlich oder organisatorisch getrennten Betriebsteil (z.B. Zweigstelle, Filiale) oder eine als eigenständige Organisationseinheit innerhalb des Gesamtbetriebs geführte Betriebsabteilung (z.B. den Fuhrpark oder die Schlosserei) leiten“
● abstrakte Gefährdungsdelikte im Vorfeld einer Verletzung● zB § 22 BetrSichV:
„Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen § 3 I 1 die auftretenden Gefährdungen nicht oder nicht richtig beurteilt“
● „Wer“ = Wirtschaftsakteur = Unternehmen● aber keine Strafe möglich gegen Unternehmen – auch keine Geldstrafe● „Verlagerung“ der Sanktion durch § 9 OWiG ● „Wer“ sind auch die § 9 OWiG genannten Personen● „Verantwortungsverschiebung nach unten“ Petra Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 2. Aufl. 2011, § 6 Rn. 77
für Strafe + Bußgeld gehen §§ 9 OWiG viel weiter als ArbSchG1. jeder Unternehmensleiter ( ~ § 13 ArbSchG und DGUV Vorschrift 1 / BGV A1)2. nicht nur Betriebsleiter, sondern auch jeder Betriebsteil leiter= jeder Abteilungsleiter + Leiter weiterer eigenständiger Unternehmenseinheiten 3. nicht nur schriftlich, sondern auch „nur“ ausdrücklich Beauftragte= „explizit, unmissverständlich, klar und deutlich“ Duden, Bedeutungswörterbuch, 3. Aufl. 2002
= nicht unbedingt schriftlich: Anhaltspunkte in Dokumentation, Zeugenaussagen = nur nicht „geduldete Wahrnehmung betrieblicher Aufgaben“ Wittig
was aber ausreicht nach den allgemeinen Regeln (§ 823 BGB + § 13 StGB) wenn es um straf- und bußgeldrechtliche Sanktionen bei Verstößen gegen
Unternehmerpflichten geht, ist die Gruppe der verantwortlichen Mitarbeiter - weiter als nach Arbeitsschutzrecht (§ 13 ArbSchG und § 13 BGV A1)- enger als nach den allgemeinen Regeln (§ 823 BGB und § 13 StGB)
Zivilrechtliche und strafrechtliche Verantwortlichkeit nach den allgemeinen Regeln
Zivilrechtliche Verkehrssicherungspflicht § 823 BGB„Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Frei-heit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet“.
●„Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt“ § 276 BGB
●„Alles in konkreter Situation Mögliche + Zumutbare zur Schadensvermeidung“● „neminem laedere“ = (Bitte) schädige niemanden
Strafrechtliche Garantenpflicht § 13 StGB„Wer es unterlässt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört,
(sehr) unbestimmte Rechtsbegriffe Einzelfallurteil Rechtspflicht zum Handeln? – BGH sagt im Urteil zu Bad Reichenhall:
Garantenstellung hängt „letztlich von den Umständen des konkreten Einzel-falles ab; dabei bedarf es einer Abwägung der Interessenlage und des Verantwortungsbereichs der Beteiligten“
„es kommt darauf an“ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn
er rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt“.
Begründung von Verantwortungsbereichen/FührungspflichtenWelche Ursachen haben Befugnisse – „Woher“ kommen Befugnisse?
1. gesellschafts- oder arbeitsvertragliche Absprachen – DokumentationGrundsatz: Wenn Befugnis festgelegt ist, muss sie wahrgenommen werden Beispielsfall „Der patriarchalische Firmenchef“ LG Nürnberg-Fürth Urteil aus Februar 2006
Kernsatz: Wer „formal alle Befugnisse hat, die Organisation zu gestalten“, muss sich durchsetzen, auch wenn andere „faktisch einflußreicher“ sind
„gelebte Organisation“
2. „tatsächliche Betriebsabläufe, aus denen sich die vereinbarte Aufgabenverteilung und deren Handhabung ableiten ließen“
OLG Thüringen 2006: Verantwortlichkeit eines Angestellten einer Zoohandlung für Tierseuchenrecht
Grundsatz: Wenn Aufgabe übernommen wird, muss sie erledigt werdenBeispielsfall „Wuppertaler Schwebebahn“ BGH, Urteil aus Januar 2002
Kernsatz: „Maßgebend für die Begründung einer Garantenstellung ist allein die tatsächliche Übernahme des Pflichtenkreises“
Grundaussage 16: Es gibt 2 Arten der Begründung von Pflichten: ● Absprachen (formelle Organisation – Papierform – „Predigt“) und ● tatsächliche Betriebsabläufe (informelle bzw. „gelebte“ Wirk-
Erster Fall: immer und „nur“ - also nichts anderes - bei „reinen“ Stabsstellen● Garantenpflicht für richtige + vollständige Beratung + Unterstützung● keine Verantwortung für (Nicht-)Durchführung der Unternehmerpflicht
Beispiel Strafsanktion: „Der Schlackenkübel“ AG Kehl Urteil Juni 2002Beispiel Schadensersatzhaftung: „Der Unfall an der Pappkartonstanze“ OLG Nürnberg Juni 2014: er„hätte diese Mängel unverzüglich dem Arbeitgeber mitteilen + auf sofortige Abhilfe hinwirken müssen“
Dritter Fall: Übernahme („Anmaßung“) von Befugnis („gelebter Organisation“):● muss dann in Zukunft diese Maßnahmen auch ergreifen und durchsetzen
Fall „Die Wärmematte“ AG + LG Hamburg Urteile Februar 1999 und Juli 1990
Grundaussage 17 + „Mahnung“ Nr. 2 an Berater + Unterstützer = Stabsstellen
Zweiter Fall: zusätzliche Übertragung von Befugnissen: ● muss insoweit selbst Maßnahmen ergreifen und „durchsetzen“● Doppelfunktion: als Stabstelle bleibt man Fall 1
Stabsstellen ohne Verantwortung für die Beratungs- und Unterstützungsauf-gabe gibt es nicht. Es ist auch möglich, dass zusätzliche Unternehmerauf-gaben (formal) übertragen oder (informell) übernommen – „gelebt“ – werden.
zB OLG Düsseldorf, Beschluß v. 3.12.90 für Gewässerschutz-beauftragten
Verantwortungsumfang abhängig von Unternehmensstellung1. Fall: Stabsstelle = Beratungs- und Unterstützungsaufgabe
= Garantenpflicht für vollständige und ordnungsgemäße/gesetzeskonforme -durchführung im eigenen Zuständigkeitsbereich
+ Garantenstellung für Unternehmeraufgaben („Führungspflichten“) Verantwortung, also Möglichkeit der Haftung bei fehlerhafter und bei Nicht-
umsetzung der eigentlich den Arbeitgeber/Unternehmer treffenden Pflichten● „automatisch begründete Führungspflicht“/“Gesetz der Unauflöslichkeit“ „Verkehrssicherungspflicht knüpft an die typischerweise Gefahren reduzierende soziale Rolle, die hierauf vertrauende Verkehrserwartung und die tatsächliche Wahrnehmung der Aufgabe, nicht an den Vertrag“ OLG Frankfurt Gerüst oder Kartenhaus
Fall „Die beschädigte Kabeltrommel“ AG Tettnang Strafbefehl Februar 2005
► Verantwortung des Geschäftsführers und VorarbeitersFall „Ferienarbeiten des Schülers“ LG Ulm Urteil Oktober 1999
► Verantwortung des Abteilungsleiters, Meisters und Vorarbeiters
die jeweiligen Pflichten reichen von „unmittelbaren Handlungspflichten auf der untersten Stufe über Leitungs- und Kontrollpflichten auf der mittleren Stufe bis hin zu Organisationspflichten auf der obersten Stufe“ Schünemann, Unternehmenskriminalität und Strafrecht, 1979; iDennis Bock, Criminal Compliance, 2011 Grundaussage 18
Verantwortungsumfang abhängig von Unternehmensstellung2. Fall: Linienfunktion = Aufgabe in Unternehmenshierarchie
Arten von – verantwortungsauslösenden – Befugnissen (1)Ausführungsstellen (Fachverantwortung)
● Wer (selbst einfachste) Aufgaben übernommen hat, trifft Entscheidungen● „Jeder Arbeitsauftrag bedeutet automatisch Handlungsverantwortung“ Laufer
● = Entscheidungsbefugnis“
● Garant ist, wer „mit der Sache unmittelbar umgeht und über ihre Behandlung entscheiden kann“ Schünemann, Unternehmenskriminalität
● Garant ist, wer „Sacheinwirkungsbefugnis“ hat – so ist ein einfacher Arbeiter hinsichtlich „seiner“ Maschine „(Überwachungs-)Garant“ Herzberg
● Fall „Stadthalle Freising“ OLG München, Urteil aus Dezember 2010
● § 15 ArbSchG + DGUV Vorschrift 1: „Beschäftigten sind verpflichtet, für ihre Sicherheit und für Sicherheit und Gesundheit der Personen zu sorgen, die von ihren Handlungen oder Unterlassungen bei der Arbeit betroffen sind“
● „Verpflichtung zu Eigen- und Fremdvorsorge“ DGUV Regel 100-001 Nr. 3.1.1
Grundaussage 19 und „Mahnung“ Nr. 3 – an die Ausführungsebene:
Wer sich von Sicherheit vergewissern kann, hat Entscheidungsspielraum und so verantwortungsauslösenden Einfluss. Arbeitnehmer ohne Verantwortung gibt es nicht. Wer es ablehnt, Verantwortung zu tragen, verletzt seinen Arbeitsvertrag.
Arten von – verantwortungsauslösenden – Befugnissen (2)Weisungsbefugnis – Personalverantwortung
● Wer Weisungsbefugnis hat, ist Vorgesetzteroder jedenfalls Entscheider zB SiGeKo, Fremdfirmenkoordinator
● Vorgesetzter/Entscheider = Verantwortung auch für die Auswirkungen allen Handelns auf betroffene „Untergebene“ = Personalverantwortung
● es reicht fachliche Weisungsbefugnis – Disziplinargewalt nicht nötig[ Disziplinarvorgesetzter = Befugnis, Disziplinarmaßnahmen zu verhängen ]
● auch „personeller Verantwortungsbereich“ von Vorarbeitern BGH Urteil 20.10.2011
● OLG Koblenz 1972 zu Polier: „In dieser Stellung hatte er die Pflicht, darauf zu achten, die in seinem Aufgabenbereich tätigen Arbeiter von Gefahren fernzuhalten“
● DIN VDE 0105-100 Betrieb von elektrischen Anlagen zu Arbeitsverantwortlichem: „Person, die beauftragt ist, die unmittelbare Verantwortung für die Arbeiten zu tragen“
Jede Führungsebene – auch Vorarbeiter – hat (fachliche) Weisungsbefugnis und damit Sicherheitsverantwortung für die Mitarbeiter. „Vorgesetzte ohne Verantwortung gibt es nicht. Wer es ablehnt, Verantwortung zu tragen, kann nicht Vorgesetzter sein“ BGI 528 Sicherheit und Gesundheitsschutz durch Koordinieren Ausgabe 2002 Nr. 3
Grundaussage 20 und „Mahnung“ Nr. 4 – an die Vorgesetztenebene:
Arten von – verantwortungsauslösenden – Befugnissen (3)Leitungsverantwortung – Middle bis Top Management
● Führungskraft = Einbindung in Hierarchie ≠ kein unbegrenzter Einfluss, aber: ● Führungskraft wird nicht immer im Einzelnen „angewiesen“, sondern
in Position „eingesetzt“ – zB Betriebs- + Abteilungsleiter oder „verantwort-liche technische Führungskraft“ DVGW Technische Regel Arbeitsblatt W1000 Nr. 6.2.1
● Verantwortlicher mit sehr selbständiger Handlungsmöglichkeit („führen“) ● weite Handlungsfreiheit weite Handlungspflichten große Verantwortung● „Meldung macht frei“ ● Wer gegensteuern kann, ● Durchsetzung notfalls gegen „zaudernden Chef“ BGH 2008 [schon Reichsgericht 1883]
● Vorgesetzter der Führungskraft ist (etwas) weitergehend „entlastet“● Verantwortung vor allem für Organisation, Personalaufsicht, Fehlerwiederholung
z.B. LG Oldenburg, Urteil aus Februar 2010 – „Baustellenleiter bleib bei Deinen Leistungen“
Leitungsfunktion heißt (Führungs-)Verantwortung zur selbständigen Planung + Umsetzung und bedeutet weitgehende Entscheidungsspielräume und Verant-wortung. Die Eigenständigkeit zwingt zu eigenständigem Sicherheitshandeln.
Grundaussage 21 und „Mahnung“ Nr. 5 – an die oberen Führungskräfte
– stimmt jedenfalls nur, wenn man nur melden kann,muss das „im Rahmen der Befugnisse“ tun – und:
Der Unfall an der SchleifmaschineLG Osnabrück, Urteil vom 20. September 2013 – 10 KLs 16/13
Sachverhalt: ● Glaskantschleifmaschine – Lichtschranke mit elektronische Manipulation überbrückt● ein 19-jähriger Auszubildender (Flachglasmechaniker) wird vom beweglichen
Maschinenkopf erfasst und eingeklemmt und verstirbt Urteil: Verurteilt wegen fahrlässiger Tötung wird u.a. der Produktionsleiter – er● „hat in Kenntnis des Fehlens der erforderlichen Lichtschrankensicherheitseinrichtung
an der Ausbildung mitgewirkt, indem er den Ausbildungsplan erstellt hat, der explizit auch Einsätze der Flachglasmechaniker-Auszubildenden an der manipulierten Glaskantenschleifmaschine vorgesehen hat“
● hat „als Produktionsleiter den Einsatz des Auszubildenden mit veranlasst“. ● „Dem Angeklagten wäre eine Nichtberücksichtigung der Glaskantenschleifmaschine
in den Ausbildungsplänen auch zumutbar gewesen. Die Zumutbarkeit entfällt nichtdadurch, dass er für den Fall der Nichtberücksichtigung der Schleifmaschine in den Ausbildungsplänen unter Hinweis auf eine Gefährdung der Auszubildenden den Verlust seines Arbeitsplatzes zu befürchten gehabt hätte. Im Konfliktfall mit denGeschäftsführern hätte er auch dann die Mitwirkung an der Ausbildung unter Berufung auf den Arbeits- und Auszubildendenschutz ablehnen müssen“
Verwarnung: „Die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40,- € bleibt vorbehalten“.
Der Unfall am AbfallförderbandLG Baden-Baden, Urteil aus November 2009
Sachverhalt:● Förderband eines Stanzautomaten ohne Kettenschutz● Funktionsschwierigkeiten: herunterfallende und sich stauende Abfälle● Leiharbeiter im 3-Schicht-Betriebs zur manuellen Beförderung auf Förderband ● Einweisung durch Abteilungsleiter● kein Hinweis, dass Grube unterhalb des Steigförderers nicht betreten werden darf● schwerer Arbeitsunfall, weil (Leih-)Arbeiter von Grube in die Maschine hineingreift ● AG Gernsbach: 70 Tagessätze gegen Betriebsleiter ● BG verlangt € 50.000,- Unfallfolgekosten von Unternehmen + Betriebsleiter B Urteil: Rückgriff möglich bei grober Fahrlässigkeit ● objektiv schwerer Verstoß: BetrSichV regelt „elementare Sicherheitspflichten“● subjektiv unentschuldbar? B dachte, der Abteilungsleiter weist auf Gefahr hin ● aber Abteilungsleiter sagt, er habe nicht vom Fehlen des Kettenschutzes gewusst
= er „war selbst nicht ordnungsgemäß eingewiesen“ „Schuld erhöhend kommt hinzu, dass der Beklagte die Produktion mittels des noch
nicht abgenommenen und freigegebenen Bandes nur hat laufen lassen, damit die Produktions- und Lieferpläne eingehalten werden können. Dies zeigt, dass der Beklagte den wirtschaftlichen Interessen unter Hintanstellung des Sicherungs-interesses ‚seiner‘ Arbeiter Vorrang eingeräumt hat“.