Numerische Berechnung der Schallabstrahlung eines Seitenkanalverdichters basierend auf Oberfl¨ achenschnelledaten aus Laser-Vibrometermessungen Sven M¨ unsterjohann 1 , Till Heinemann 1 , Eugen Biegler 2 , Stefan Becker 1 1 Lehrstuhl f¨ ur Prozessmaschinen und Anlagentechnik, 91058 Erlangen, Deutschland, Email: [email protected]2 Polytec GmbH, 76337 Waldbronn, Deutschland Einleitung Die vorliegende Arbeit berechnet basierend auf der Oberfl¨ achenschnelle aus 3D-Laser-Scanning-Vibrometer- Messungen die Schallabstrahlung eines Seitenkanalver- dichters, wie in Abb. 1 dargestellt. Abbildung 1: Seitenkanalverdichter F¨ ur die Messungen wurde das 3D-Laser-Scanning- Vibrometer PSV-500-3D von Polytec in ca. 1 m Abstand platziert. W¨ ahrend die Deckelfl¨ ache direkt gemessen wur- de, erfolgte die Erfassung der Oberfl¨ achenschnelle in ra- dialer Richtung indirekt ¨ uber Spiegel, wie in Abb. 2 und 3 zu sehen ist. Die Strukturschwingung wird auf der Front- fl¨ ache und der radialen Fl¨ ache des Seitenkanals erfasst. Abbildung 2: Versuchsaufbau von vorne Im ersten Schritt wird das aus den CAD-Daten vorab ge- nerierte Oberfl¨ achengitter auf die Oberfl¨ ache der Struk- tur projiziert (Abb. 4). Das Messgitter besteht aus 1807 Punkten mit einem Abstand von etwa 13 mm. Die Mes- Abbildung 3: Versuchsaufbau von hinten Abbildung 4: Oberfl¨ achenmessgitter mit 1807 Messpunkten sung der Oberfl¨ achenschnelle erfolgte f¨ ur zwei Betrieb- spunkte mit Δp = 13000 Pa und Δp = 27000 Pa bei einer Drehzahl von 50 Hz. Die Geschwindigkeitsinformationen wurden bei einer Abtastrate von 25 kHz f¨ ur 3 s aufge- nommen. Der Beginn der Messung der einzelnen Punkte wurde ¨ uber einen Drehgeber mit einem Impuls pro Um- drehung festgelegt. F¨ ur die zus¨ atzliche M¨ oglichkeit der Triggerung wurde eine Einstrahl-Vibrometer mit einem Referenzpunkt auf der R¨ uckseite des Seitenkanalverdich- ters aufgenommen (siehe Abb. 2). Die Triggerung ¨ uber den Drehgeber f¨ uhrt zu korrekten Phasenbeziehungen der Messpunkte bei Vielfachen der Drehzahl, wie Abb. 5 und 6 zeigen. F¨ ur nicht-harmonische der Drehzahl stellen sich ent- sprechend falsche Phasenbeziehungen der einzelnen Mes- spunkte zueinander ein (Abb. 7). Die Korrektur der Phasenbeziehung wird ¨ uber zwei un- terschiedliche Verfahren, beide basierend auf den Messda- ten des Einstrahl-Vibrometers, untersucht. Im ersten An- satz werden die Messdaten des Einstrahl-Vibrometers sb in den Frequenzbereich transformiert und f¨ ur je- DAGA 2016 Aachen 229
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Numerische Berechnung der Schallabstrahlung eines Seitenkanalverdichters basierend
auf Oberflachenschnelledaten aus Laser-Vibrometermessungen
Sven Munsterjohann1, Till Heinemann1, Eugen Biegler2, Stefan Becker11 Lehrstuhl fur Prozessmaschinen und Anlagentechnik, 91058 Erlangen, Deutschland, Email: [email protected]
2 Polytec GmbH, 76337 Waldbronn, Deutschland
Einleitung
Die vorliegende Arbeit berechnet basierend auf derOberflachenschnelle aus 3D-Laser-Scanning-Vibrometer-Messungen die Schallabstrahlung eines Seitenkanalver-dichters, wie in Abb. 1 dargestellt.
Abbildung 1: Seitenkanalverdichter
Fur die Messungen wurde das 3D-Laser-Scanning-Vibrometer PSV-500-3D von Polytec in ca. 1m Abstandplatziert. Wahrend die Deckelflache direkt gemessen wur-de, erfolgte die Erfassung der Oberflachenschnelle in ra-dialer Richtung indirekt uber Spiegel, wie in Abb. 2 und 3zu sehen ist. Die Strukturschwingung wird auf der Front-flache und der radialen Flache des Seitenkanals erfasst.
Abbildung 2: Versuchsaufbau von vorne
Im ersten Schritt wird das aus den CAD-Daten vorab ge-nerierte Oberflachengitter auf die Oberflache der Struk-tur projiziert (Abb. 4). Das Messgitter besteht aus 1807Punkten mit einem Abstand von etwa 13mm. Die Mes-
Abbildung 3: Versuchsaufbau von hinten
Abbildung 4: Oberflachenmessgitter mit 1807 Messpunkten
sung der Oberflachenschnelle erfolgte fur zwei Betrieb-spunkte mit Δp = 13000Pa und Δp = 27000Pa bei einerDrehzahl von 50Hz. Die Geschwindigkeitsinformationenwurden bei einer Abtastrate von 25 kHz fur 3 s aufge-nommen. Der Beginn der Messung der einzelnen Punktewurde uber einen Drehgeber mit einem Impuls pro Um-drehung festgelegt. Fur die zusatzliche Moglichkeit derTriggerung wurde eine Einstrahl-Vibrometer mit einemReferenzpunkt auf der Ruckseite des Seitenkanalverdich-ters aufgenommen (siehe Abb. 2). Die Triggerung uberden Drehgeber fuhrt zu korrekten Phasenbeziehungen derMesspunkte bei Vielfachen der Drehzahl, wie Abb. 5 und6 zeigen.
Fur nicht-harmonische der Drehzahl stellen sich ent-sprechend falsche Phasenbeziehungen der einzelnen Mes-spunkte zueinander ein (Abb. 7).
Die Korrektur der Phasenbeziehung wird uber zwei un-terschiedliche Verfahren, beide basierend auf den Messda-ten des Einstrahl-Vibrometers, untersucht. Im ersten An-satz werden die Messdaten des Einstrahl-Vibrometerssb in den Frequenzbereich transformiert und fur je-
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Abbildung 5: Strukturschwingung bei 150 Hz
Abbildung 6: Strukturschwingung bei 1807 Hz
den Messpunkt die Phasenverschiebung (bzw. -korrektur)des Einstrahlvibrometers bezuglich eines fixen Referenz-punktes ref berechnet:
Δφcorr,i (f) = φsb,ref (f)− φsb,i (f) . (1)
Die Phasenkorrektur Δφcorr,i des Messpunktes i wird mitdessen frequenztransformierten Daten verrechnet und an-schließend uber eine inverse Fourier-Transformation wie-der in den Zeitbereich uberfuhrt.
Das zweite untersuchte Verfahren berechnet den Zeit-punkt τsb,i der maximalen Kreuzkorrelation der Signaledes Einstrahl-Vibrometers im Bereich einer maximalen
Abbildung 7: Strukturschwingung mit unkorrigierten Pha-sen bei 614 Hz
Signalverschiebung von ±0, 5 s:
max (Rref,i (τ)) =
max
(lim
TF→∞
∫ 0.5TF
−0.5TF
vsb, ref (t) · vsb,i (t+Δτ) dt
)(2)
mit τsb,i ∈ Δτ = [−0, 5; 0, 5] s. Die Zeitsignale der ein-zelnen Messpunkte i werden dann entsprechend um τsb,iverschoben. Durch die maximale mogliche Verschiebungvon ±0, 5 s bleibt eine effektive Signallange von 2 s furalle Messpunkte vorhanden.
Vibro-akustische Kopplung & Schallaus-breitung
Die gemessene mechanische Oberflachenschnelle �vmech
und die Schallschnelle
�vacou = −∇Ψ (3)
als Gradient des akustischen Potentials Ψ stimmen aufder Oberflache der Struktur in Normalenrichtung uberein(Abb. 8):
�n · �vmech = �n · �vacou. (4)
Struktur
Fluid
Abbildung 8: Verformung der Oberflache mit der Ober-flachenschnelle v
Mit der Wellengleichung fur das akustische Potential
∇2Ψ =1
c2∂2Ψ
∂t2(5)
folgt die schwache Formulierung der Wellengleichungfur die Berechnung des Schallfeldes mittels der Finiten-Elemente-Methode zu [3]:∫Ωf
1
c2wΨdΩ+
∫Ωf
∇w · ∇ΨdΩ−∫ΓI
w�n · �vmechdΓ = 0.
(6)
Als Randbedingung dient die Oberflache ΓI , auf der dieSchnelledaten vorliegen (Abb. 9). Abbildung 10 zeigtdas fur die FE-Berechnungen genutzt Volumengitter. DieOberflache des Seitenkanalverdichters ist umgeben voneinem Tetraedergitter, welches schließlich uber Pyrami-denzellen in ein Hexaedergitter uberfuhrt wurde. DasGitter besteht aus insgesamt 2,7 Mio. Zellen mit einerElementgroße von 10mm im strukturierten Bereich. DieFE-Simulation wird mit CFS++ (Coupled Field Simula-tion) durchgefuhrt [3].
Als zweiter Ansatz wird ein Integralverfahren nachFfowcs-Williams und Hawkings verwendet [1]. Im Un-terschied zur FE-Methode wird hier nicht die schrittwei-se Ausbreitung im Raum berechnet, sondern basierend
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Akustische Domäne Struktur
Interface PML
Abbildung 9: Simulationsdomanen mit der StrukturdomaneΩS , der Fluiddomane Ωf , dem Strukturrand (Interface, Rand-bedingung) ΓI und dem Rand der akustischen Domane Γf
Abbildung 10: Horizontaler Schnitt durch das FEM-Gitter.Die Oberflache des Seitenkanalverdichters ist umgeben voneinem unstrukturierten Tetraeder-Gitter, dass durch Pyra-midenzellen auf ein Hexaedergitter uberfuhrt und extrudiertwurde. Die Simulationsdomane ist umgeben von einem dreiElement starken Perfectly Matching Layer.
auf den Daten auf der Integrationsoberflache der direkteSchalleintrag p′ am Beobachterpunkt:
4π (p′H (f)) (xj , t) =∂2
∂xi∂xj
∫Ωf
[TijH (f)
r|Mr − 1|]d3nj
+∂
∂t
∫ΓI
[ρ (ui − vi) + ρ0vi
r|Mr − 1|]dΓI (nj) (7)
− ∂
∂xj
∫ΓI
[ρuj (ui − vi) + Pijni
r|Mr − 1|]dΓI (nj) .
Zur Berechnung wird unser Ffowcs-Williams undHawkings Code SPySI (Sound Prediction by Surface In-tegration) verwendet [2]. In beiden Berechnungsverfahrenwird das original Oberflachengitter der Messungen ver-wendet, so dass keine Interpolation der Messdaten not-wendig ist.
Ergebnisse
Basierend auf der FE-Berechnung lasst sich die Vertei-lung der substantiellen Ableitung des akustischen Poten-tials (vconv. = 0)
p′ = −ρ0∂Φ
∂t(8)
im Raum visualisieren (Abb. 11).
Sie verdeutlicht die Richtcharakteristik der Turbomaschi-ne, die auch in Versuchen nachweisbar ist. Weiterhin wirddie Wirksamkeit der PML Berandung des Rechengebiets
Abbildung 11: Verteilung des substantiellen Ableitung aku-stischen Potentials im horizontalen (oben) und vertikalen (un-ten) Schnitt durch das Rechengebiet.
demonstriert, da keine Reflexionen am Rand des Re-chengebietes nachweisbar sind. Basierend auf beiden Be-rechnungsverfahren ergeben sich fur den Betriebspunktbei Δp = 13000Pa, die in Abb. 12 dargestellten Spek-tren. In gleicher Weise zeigt Abb. 13 fur den Betrieb-spunkt bei Δp = 27000Pa die akustischen Spektren. DieSpektren vergleichen die Messung an zwei Beobachter-punkten (vor (Punkt 1) und seitlich (Punkt 2) des Sei-tenkanalverdichters) mit den berechneten Schalldruckda-ten. Im Bereich bis 4 kHz ergeben sich Abweichungenvon bis zu 20 dB im Vergleich zu Messung. In diesemFrequenzbereich liegt jedoch auch eine starke Beeinflus-sung der Akustik durch den Motor, den Motorlufter unddie Lagerung vor, die in der Simulation nicht abgebil-det werden, da die Eingangsdaten lediglich die Ober-flachenschnelle des Seitenkanals umfassen. Im Bereichvon 4 kHz bis 7 kHz zeigen beide Beobachterpunkte furdie untersuchten Betriebspunkte gute Ubereinstimmungmit den Messungen. Die Abweichungen betragen weni-ge dB. Die FE-Simulation bildet die Messung in diesemFrequenzbereich mit nochmals geringeren Abweichungenab. Wahrend am Beobachterpunkt 1 Messung und Simu-lation in gute Ubereinstimmung bis 10 kHz sind, liegenfur Beobachterpunkt 2 ab 7 kHz die Pegel der Ffowcs-Williams und Hawkings Berechnung unterhalb der Mes-sung.
Die Spektren zeigen ebenfalls den Einfluss der Ein-
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Frequency in Hz0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 8000 9000 10000
SPL
in d
B
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0
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30
40
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60Δ p = 13000 Pa
meas.FW-H. uncorr.FW-H. tsOffsFW-H. ifftFEM
Frequency in Hz0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 8000 9000 10000
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60Δ p = 13000 Pa
meas.FW-H. uncorr.FW-H. tsOffsFW-H. ifftFEM
Abbildung 12: Schallimmission am Beobachterpunkt 1(oben) und 2 (unten) fur Δp = 13000Pa
gangsdatenkorrektur anhand der Phasenkorrektur (ifft)und der Zeitverschiebung uber die maximale Korrelation(tsOffs). Die korrigierten Eingangsdaten generieren sehrahnliche Ergebnissen im Vergleich zu den unkorrigier-ten Daten. Der Mittelungseffekt der FFT fuhrt zu einemleichten Absinken der Pegel insbesondere bei breitban-digen Rauschanteilen. Dominante tonale Komponentenbleiben nahezu unverandert erhalten.
Zusammenfassung
Ein Seitenkanalverdichter als Turbomaschine mit ge-schlossenem Gehause wurde herangezogen um basierendauf der Oberflachenschnelle die Schallabstrahlung zuberechnen. Hierfur wurde in einem ersten Schritt dieOberflache des Seitenkanalverdichters mittels 3D-Laser-Scanning-Vibrometrie vermessen. Die Messdaten wurdenals Eingangsparameter fur die Berechnung der Schall-ausbreitung genutzt. Dabei kamen zwei unterschiedlicheAnsatze zum Einsatz: die Losung der Wellengleichungdes akustischen Potentials auf einem Finite-Elemente-Gitter und die Schallausbreitung uber das Integralver-fahren nach Ffowcs-Williams und Hawkings. Die Messun-gen und Berechnungen wurden fur zwei Betriebspunktedurchgefuhrt. Der Vergleich der berechneten Schallab-strahlung mit der Messung zeigt im Bereich von 4 kHzbis 7 kHz gute Ubereinstimmung mit Abweichungen vonwenigen dB. Der Bereich unterhalb von 4 kHz wird inder Messung von Motor- und Lagergerauschen beein-flusst. Die zwei zusatzlich untersuchten Verfahren zurEingangsdatenkorrektur haben einen vernachlassigbarenEffekt auf das Berechnungsergebnis. Insgesamt liegen die
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Abbildung 13: Schallimmission am Beobachterpunkt 1(oben) und 2 (unten) fur Δp = 27000Pa
FE-Berechnungen bei allen Konfigurationen naher ander Messungen als die Berechnungen mittels des Ffowcs-Williams und Hawkings-Ansatzes.
Danksagung
Dank gilt der Gardner Denver Deutschland GmbHund insbesondere P. Diffo und M. Kempf fur die Un-terstutzung bei der Durchfuhrung dieser Arbeit.
Literatur
[1] J.E. Ffowcs-Williams and D.L. Hawkings. Sound Ge-neration by Turbulence and Surfaces in ArbitraryMotion. Proc. R. Soc. Lond. A, 264(1151):321–342,1969.
[2] T. Heinemann, C. Scheit, M. Springer, S. Muller, andS. Becker. Stationary and moving surface ffowcs wil-liams and hawkings computations of an isolated radi-al impeller. In Proceedings of FAN2012, Senlis, 2012.
[3] M. Kaltenbacher. Numerical Simulation of Mechatro-nic Sensors and Actuators. Finite Elements for Mul-tiphysics. Springer, 2015.