Nozizeption und Schmerz Zsuzsanna Kerekes Institut für Verhaltenwissenschaften
Nozizeption und Schmerz
Zsuzsanna Kerekes Institut für
Verhaltenwissenschaften
Was ist Schmerz?
• Nozizeption: Schmerzleitung zum Hirn
• Schmerz: Ergebnis zentralnervöser Schmerzverarbeitung
Schmerzdefinition
Schmerz ist ein unangenehmes
Sinnes- und Gefühlserlebnis, das
mit aktueller oder potentieller
Gewebsschädigung verknüpft ist
Schmerzdefinition
Definition von SchmerzInternational Association for
the Study of Pain:
„Schmerz ist eine unangenehme sensorische und gefühlsmäßige Erfahrung, die mit bereits eingetretenen oder drohenden Verletzungen einhergeht oder als solche empfunden wird. Schmerz ist das, was der Patient als solches empfindet“.
Komponenten des Schmerzes
• Sensorisch-diskriminativ• bewusste Sinnesempfindung durch Erregungen der
Schmerzrezeptoren (= Nozizeptoren) im ZNS und im autonomen Nervensystem
• Chemisch bestimmbare Schmerzstoffe wie Substanz P, Serotonin
• Lokalisation, Beginn, Intensität, Ende
• Affektiv-motivational• stört Wohlbefinden, unlustbetont, wird vermieden
• Vegetative Komponente• reflektorische Reaktion des ANS (Blutdruck, Herzrate,
Pupillen)
Psychomotorische Komponentemuskuläre Reaktion
z.B. das reflektorische Zurückziehen der Hand von der heißen Herdplatteandere Verhaltensäußerungen
Veränderung der Ausdrucksmotorik (Mimik), Wehklagen
Kognitive KomponenteSchmerzbewertung durch Vergleich mit dem Langzeitgedächtnis (beeinflusst alle vier Komponenten)
Operante KomponenteKonsequenzen des Schmerzverhaltens (soziale Zuwendung, schmerzlindernde Medikamente, Schonhaltungen)
Angeborene Unempfindlichkeit gegenüber Schmerz
Warnsystem Schmerz fehlt- Selbst stärkste Verletzungen werden nicht wahrgenommen z.B. in Gelenken- Früher Todnta
Drei-Ebenen-Konzept des Schmerzes
• subjektiv-psychologische Ebene: • offene Reaktionen ( Klagen, Stöhnen...)• verdeckte Reaktionen (Gedanken, Gefühle,
Vorstellungen..)
• Motorisch-verhaltensmäßige Ebene: • muskuläre Reaktion
• z.B. das reflektorische Zurückziehen der Hand von der heißen Herdplatte, Schonhaltung
• Ausdrucksmotorik
• physiologisch-organische Ebene:• Erregungen der Schmerzrezeptoren (= Nozizeptoren)• Ausschüttung chemisch bestimmbarer Substanzen
Gering
• Vom Vorhandensein eines Schmerzindikators auf einer Ebene, kann nicht auf das Vorhandensein auf einer anderen Ebene geschlossen werden
• Nur durch Datenerhebung auf allen drei Ebenen möglich
• Objektivierung durch ein unsystematisches Gespräch oder die ausschließliche Erhebung des organischen Befundes wird in vielen Fällen zu Fehleinschätzungen des Schmerzproblems führen
Schmerzmessung (Algesimetrie)
• subjektiv-psychologische Ebene:• Verhältnisschätzmethoden (visuelle Analogskala)• Fragebögen (z.B. McGill-Pain-Questionnaire)• Vergleich mit experimentell erzeugtem Schmerz
• motorisch-verhaltensmäßige Ebene: • Verhaltensbeobachtung
• physiologisch-organische Ebene: • evozierte Potenziale • Pupillendurchmesser als Maß für den
Sympathikustonus
Zerebrale Schmerzverarbeitung
affektiv-emotional kognitiv-evaluativ sensorisch-diskriminativ
PFCACC
PFC
medialer Thalamus lateraler Thalamus
IC
SII
SI PC
Schmerz: Zahlen
• 8 Mio. Deutsche: chronischer Schmerz
• 80% der Bevölkerung: mind. einmal im Leben akute Rückenschmerzen
• 15 Mio.: rheumatische Beschwerden
• 25-30%: Spannungskopfschmerz
• 10 %: Migräne-Anfälle
Ausstrahlungsgebiete von Nackenmuskel-Verspannung
Akuter vs. chronischer Schmerz
Dauer Nur kurz andauernd Lang andauernd (4-6 Monate) bzw. wiederkehrend
UrsacheBekannt und ggf. therapierbar(z.B. Verletzung, Entzündung)
Unbekannt, vielschichtig oder bekannt und nicht therapierbar
Funktion Warnfunktion Physiologisch: keine; evtl. soziale Funktion
InterventionSchonung, Behandlung der Schmerzursache, analgetische Behandlung
Abbau schmerzunterstützender Faktoren
Behandlungsziele Schmerzfreiheit
Linderung der Schmerzen, besserer Umgang mit dem Schmerz, Minderung der Beeinträchtigung
Arten von Schmerz
Erkältungsschmerzen
Menstruationsschmerzen
Zahnschmerzen
Kopfschmerzen
Arten von Schmerz
Rückenschmerzen Gelenkschmerzen
TumorschmerzenNeuralgien
NeuropathischeNeuropathischeSchmerzsyndromeSchmerzsyndrome
• 1. Pathophysiologie
• 2. Symptome und Diagnostik
• 3. Formen neuropathischerSchmerzsyndrome
• 4. Therapie neuropathischerSchmerzsyndrome
Pathophysiologie
Akuter Schmerz
nach 3 – 6 Monaten
chronischer Schmerz
Schmerzkrankheit
Pathophysiologie
• Akuter Schmerz biologisch durchaus sinnvoll
• Chronischer Schmerz biologisch nicht sinnvoll,
Entwicklung zur komplexen, eigenständigen Schmerzkrankheit
Chronischer Schmerz
• Schmerzzustand mit oder ohne medizinisches Substrat
• besteht länger als 6 Monate• 5% aller Schmerzpatienten
entwickeln chron. Schmerz• diese Patienten verursachen höchste
Diagnose- und Behandlungskosten• Kopfschmerz > Rückenschmerz >
Gesichtsschmerz > Krebsschmerz
Formen chronischer Schmerzen
Nozizeptive Schmerzen
= Schmerzen nach Gewebetraumen,bei denen
die peripheren und zentralenNervenstrukturen
der Nozizeption intakt sind
Neuropathische Schmerzen
= Schmerzen, die nach Schädigung nervaler
Strukturen entstehen
EinschießendeSchmerzattacken
BrennendeDauerschmerzen
ZentraleSchmerzsyndrome
Chronische Schmerzstörung
• Dauer von mindestens 6 Monaten• Reihe von erfolgloser Behandlungsversuche• Deutliche Beeinträchtigung auf verschiedenen
Ebenen des Verhaltens und Erlebens:• Kognitiv-emotional: Befindlichkeit, Stimmung,
Denken• Behavioral: Verstärktes schmerzbezogenes
Verhalten, Reduktion von Alternativverhalten• Sozial: Arbeitsunfähigkeit, Beeinträchtigungen
der Interaktion mit Familie und Freunden, Bekannten
• Psychologisch-organisch: Mobilitätsverlust
Diagnostische Kriterien für Schmerzstörung nach DSM IV
• Schmerzen in einer oder mehreren anatomischen Region(en) stehen im Vordergrund des klinisches Bildes und sind von ausreichendem Schweregrad, um klinische Beachtung zu rechtfertigen
• Der Schmerz verursacht in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.
• Psychische Faktoren wird eine wichtige Rolle für Beginn, Schweregrad, Exazerbation oder Aufrechterhaltung der Schmerzen beigemessen
• Das Symptom oder der Ausfall wird nicht absichtlich erzeugt oder vorgetäuscht
• Der Schmerz kann nicht besser durch eine Affektive, Angst-oder Psychotische Störung erklärt werden.
Quellen für chron. Schmerz 1. Inflammatorische Reizung
• Entzündung: Prostaglandine, die das Gewebe schädigen
• Körperstelle wird für Schmerzen sensitiviert, die Reizschwelle ist herabgesetzt
• Nozizeptoren signalisieren bei geringen Reizen Schmerz
2. Sensitivierung von Neuronen• Neurone im Rückenmark/Gehirn werden
durch kontinuierlichen Reiz überempfindlich.
• z.B. Berührung der Haut wird als Schmerz empfunden (Allodynie)
Quellen für chron. Schmerz
3. Spontane Aktivierung von Neuronen• Dauerschmerz verändert
Nervenzellen des nozizeptiven Systems,
• sie aktivieren sich selbst• Folge: Brennen oder
Stechen ohne Ursache
Quellen für chron. Schmerz
4. Zerstörung des Schmerzhemmsystems• Opioidsystem: aktiv bei extrem schweren Verletzungen• Dauerschmerzen können das System zerstören
Quellen für chron. Schmerz
5. Neuorganisation von Nervenfasern• Dauerschmerzen verändern im
Lauf der Zeit das Zusammenspiel der Neurone
• Das reorganisierte Gehirn meldet Schmerzen, auch wenn eigentliche Ursache im Körper behoben ist
Therapie• Schmerzen vermeiden• Schmerzgedächtnis blockieren
(NMDA-Antagonisten)
SchmerztypenSchmerztypen
NozizeptiverSchmerz
Physiologische Reaktion auf schmerzhafte Stimuli am Nozizeptor
NeuropathischerSchmerz
Reaktion aufgrund einer Dysfunktion nervalerStrukturen
Wie entsteht im Körper Schmerz?
• Das nozizeptive System:• 80% peripherer
Nervenfasern gehören zum Schmerzsystem
NeuroanatomieNeuroanatomie dderer SchmerzbahnenSchmerzbahnen
Periphere Schmerzrezeptoren z. B. in der Haut
NeuroanatomieNeuroanatomie ddererSchmerzbahnenSchmerzbahnen
Afferente Nociception
• Laterales System (Tractus neo-spinothalamicus) für sensorisch-diskriminative Schmerzkomponente
• Mediales System (Tractus paläo-spinothalamicus) für affektiv-emotionale Schmerzkomponente
Deszendierende Hemmung
• Serotonin (N. raphé)• Noradrenalin (N. Coeruleus)• Dopamin (A11 - Diencephalon)• Endorphine (u.a.
periaquäduktales Höhlengrau/PAG)
Hirnrinde: Stärke, Lokalisation, Aufmerksamkeit, Schmerzgedächtnis. Mittelhirn: Gefühl, vegetative Reaktionen. Rückenmark: Reflexe
Medizinische Vorgeschichte Medizinische Vorgeschichte (Anamnese) (Anamnese) neuropathischerneuropathischer
SchmerzsyndromeSchmerzsyndrome
• Periphere Ursachen• Metabolische
Störungen• Vaskuläre
Erkrankungen• Amputation
(traumatisch, elektiv)• Virusinfektion• Kompression durch
Tumor• Toxine, Medikamente
Alkohol
• Zentrale Ursachen• Trauma
(Querschnitt)• Infektion
(Borreliose)• Tumorinfiltration• Multiple Sklerose• Schlaganfall
(Thalamus)
periphere Mechanismen- Ektope Entladungen- Gekreuzte Erregungen- Sensibilisierung der
Nozizeptoren- Sympathisch-sensorische
Kopplung
zentrale Mechanismen- Änderungen des
modulierenden Systems- Zentrale Sensibilisierung- Zentrale Neuroplastizität
Neuropathische Schmerzen
Periphere Läsion Zentrale Läsion
Symptome des Symptome des neuropathischenneuropathischenSchmerzsyndromsSchmerzsyndroms
Stimulusunabhängiger Schmerz
(Symptome vom Patienten beschrieben)
Brennender Dauerschmerz
Paroxysmaler, einschießender, stechender Schmerz
Elektrisierender Schmerz
Parästhesien
Dysästhesien
Befunde bei Befunde bei neuropathischemneuropathischem SchmerzSchmerz
• Stimulusevozierter Schmerz(vom Untersucher ausgelöst)
Hyperalgesie
Allodynie
HyperalgesieHyperalgesie versusversusAllodynieAllodynie
Hyperalgesie
Übersteigertes Schmerzempfindenauf einen normalen Reiz
Allodynie
Schmerzempfindenaufgrund eines Reizes, dernormalerweise nicht schmerzhaft ist
Veränderung kortikalerAntworten bei chronischen
Schmerzen• Magnetisch evozierte
Felder auf Schmerzreize am Schmerzort
Schmerzfreie Kontrollpersonen
Patienten mit chronischen Rückenschmerzen
Aus Birbaumer et al. (1995), Thecorticalization of chronic pain
Chronifizierungsmechanismen• Für ein wirkungsvolles therapeutisches Konzept ist
eine Aufdeckung der Chronifizierungsmechanismenwichtige Voraussetzung:
• Schmerzgedächtnis• Plastische Veränderungen im Nervensystem
durch Genexpression• Wiederholte traumatisierende Ereignisse führen
zu einer Sensibilisierung von Nozizeptoren und zentraler Neurone
• Dekonditionierungssyndrom:Körperliche Inaktivität und ungünstige Ernährungsgewohnheiten
Missverhältnis zwischen Belastung der Stützung-/Bewegungsorgane und schwindender Funktionskapazität des Körpers
Auftreten von Mikroschäden ( Schmerz)Vermeidung weiterer Schmerzen durch Schonung und Angst vor Bekämpfung des Funktionsdefizits
Chronifizierungsmechanismen• Neben den genannten biomechanischen
Chronifizierungsfaktoren bedingen auch eine Reihe psychologischer Faktoren die Aufrechterhaltung des Schmerzes• Prädisposition auf Stress mit Muskelverspannungen zu
reagieren• Fear-Avoidance-Belief: Angst vor Aktivität und Schmerz• Katastrophengedanken• Psychosoziales Krankheitsverhalten (Depression,
Inaktivität und Schmerzvermeidungsverhalten)
• Umdenken in der Behandlung chronischer SchmerzenZwischen dem pathologischen Prozess und dem Erleben von Schmerzen muss nicht unmittelbar eine Beziehung bestehen.Zu einem dauerhaften Behandlungserfolg gehört das rechtzeitige Erkennen und Behandeln psychosozialer Probleme.
ChronifizierungsmechanismenIatrogene Probleme: Passivierung, Postdisektomie-Syndrom
NSAID = Non-steroidalanti-inflammatory drugs(z.B. Ibuprofen, entzündungshemmend)
Traktion = Streckung
TENS = transkutane elektrische Nervenstimulation
Spondylodese = Wirbelsäulenversteifung
KlinischeKlinische SymptomeSymptomeassoziiertassoziiert mitmit NeuropathienNeuropathien
Schlafstörungen
Angststörungen
Depression
Gewichtsverlust
verringerte Lebensqualität
FormenFormen neuropathischerneuropathischerSchmerzsyndromeSchmerzsyndrome ((klinischklinisch--
äätiologischtiologisch))Schmerzhafte diabetische Neuropathie
Postzosterische Neuralgie
Neuropathische Schmerzen bei Multipler Sklerose
Trigeminusneuralgie
Radikulopathie bei chronischen Rückenschmerzen
Phantomschmerzen nach Amputation
Neuropathische Schmerzen bei malignen Erkrankungen
Komplex-regionales Schmerzsyndrom (CRPS)
Neuropathische Schmerzen nach Rückenmarkstrauma
HIV-assoziierte neuropathische Schmerzen
Zentrale Schmerzen, Thalamusschmerzen, z. B. nach Schlaganfall
Tumorbedingter Tumorbedingter NeuropathischerNeuropathischer SchmerzSchmerz
Schmerzen bei Tumoren: 63 - 80 % somatisch9 - 16 % neuropathisch
Neuropathische Schmerzen durch:
Infiltration / Kompression
des Plexus brachialis bei Mamma-Tumordes Plexus lumbosacralis bei Unterbauch-Tumorder Gesichtsnerven bei Melanom, HNO-Tumor
Radikuläre Syndrome bei Metastasen verschiedener Malignome
Melzack-Wall: Gate-control Theorie
Aufrechterhaltungsbedingungen: Psychologisch
• Knost, Flor & Birbaumer (1999): „Schmerzverhalten, Partnerreaktionen und somatosensorisch evozierte Potentiale chronischer Schmerzpatienten bei akuten Schmerztests“ :• Experimentelles Design:
• Es wurde überprüft, ob Patienten mit chronischen Schmerzen, deren Partner sich „zuwendend“ verhielten, mehr Schmerzverhalten zeigten als Patienten mit nicht-zuwendendemPartner oder gesunde Personen.
• tonischer Schmerztest (Handkraftdynamometer) mit ischämischem Schmerzreiz mit Befragung nach der Schmerzeinstufung durch den Partner. Das Verhalten des Partners wurde von unabhängigen Beobachtern erfasst
• je 300 schmerzhafte und nicht schmerzhafte elektrische Reize am Rücken und am linken Zeigefinger. Einschätzung der Schmerzintensität nach je 75 Reizen Parallele Aufzeichnung des EEG.
• Eiswassertest
Aufrechterhaltungsbedingungen: Psychologisch
• Ergebnisse:
1. Patienten mit zuwendendem Partner zeigten signifikant mehr Schmerzverhalten als Patienten mit nicht-zuwendendem Partner oder gesunde Personen(das erhöhte Schmerverhalten schlug sich aber nicht in erhöhten Schmerzeinstufungen nieder)
Aufrechterhaltungsbedingungen: Psychologisch
Aufrechterhaltungsbedingungen: Psychologisch
• Ergebnisse:
2. Die EEG-Aktivität war bei schmerzhafter Rückenstimulation bei Anwesenheit eines zuwenden Partners signifikant stärker als bei nicht zuwendendem Partner oder Gesunden. Nicht allerdings bei Stimulation am Finger
Psychophysiologische Schmerztherapie
• Biofeedback zur Reduktion der Muskelspannung
• Aktivitätstraining gegen Schonhaltung
• Abbau schmerzkontin-genter Medikamenten-einnahme
• Abbau der Verstärkung durch Partner
Psychologische Behandlung chronischer Schmerzen
Variablen, die für den Therapieerfolg prognostisch
• günstig sind• intakte Familien• geringere psychopathologische Störungen wie Angst und
Depression• vorhandene soziale Kompetenz• geringe externe Verstärker für Krankheitsverhalten (Familie
verstärkt Gesundheitsverhalten, keine Rentenproblematik)
• ungünstig sind• Medikamentenmissbrauch• Chronizität• große Anzahl erfolgloser medizinischer und / oder
psychologischer Therapien
Operante Methoden• Erhöhung des Aktivitätsniveaus
• Reduktion der Inanspruchnahme von klinischen Institutionen zur Diagnose und Behandlung des Schmerzproblems
• Reduktion von Schmerzverhalten und Reduktion der Einnahme von schmerzreduzierendeMedikation
• Aufbau „gesunden Verhaltens“, einschließlich Verbesserung sozialer Fertigkeiten und interpersoneller Kommunikationsfähigkeiten
• Modifikation der Verstärkerkontingenzen
Schmerzgedächtnis• Intensive Schmerzreize können bereits nach Minuten zu
anhaltenden strukturell-anatomischen und neurophysiologischen Veränderungen führen• Intensivierung der Weiterleitung und Verarbeitung v.
Schmerzreizen• Intrazelluläre Aktivität der Transmitter erhöht• Dendriten bilden Verdickungen aus, mit vielen Membranrezeptoren
für synaptische Überträgerstoffe• Stille synaptische Verbindungen im Kortex werden aktiviert.
• Andauernde nozizeptive Reize führen bei reduzierten oder aufgehobenen Kontroll- oder Hemmsystemen zu einem Schmerzgedächtnis.• Autonome Schmerzwahrnehmung nach Beendigung des
ursprünglichen Reizes.
• Im Nervensystem finden durch Genexpression plastische Veränderungen statt, die die Entstehung chronischer Schmerzen begünstigen• Erhöhte evozierte Potentiale bei Schmerzpatienten auf
Schmerzreize
Schmerzgedächtnis
ProteinsyntheseMehr Rezeptormoleküle und IonenkanäleReaktionsbereitschaft der Zelle wird verändertAuch schwache Reize führen zu starken Schmerzempfindungen
Einstrom von Ca2+DepolarisierungReaktionskaskadeGenaktivierung
Freisetzen von Transmitter(TM) auf der präsynaptischenSeiteTM lagert sich an die Rezeptoren anÖffnen von Ionenkanälen
DekonditionierungssyndromHaltungsschwäche
Mangelnder Trainingszustand
Reduktion der Muskelkraft
Leichte Ermüdbarkeit
Stimmungsschwankungen
Nachlassende Kardiovaskuläre Kondition
Zunehmende Weichteilrigidität
Herabgesetzte Stresstoleranz von Bändern, Sehnen und Muskeln
Herabsetzung des Knochenmineral-salzgehalts
Aufrechterhaltungsbedingungen Circulus vitiousus der Schmerzentstehung und
Schmerzaufrechterhaltung
Schmerzerfassung• Wo tut es weh?• Wie stark tut es weh?• Wie empfinden Sie den Schmerz?• Seit wann tut es weh? Tritt der Schmerz
periodisch auf?• Haben Sie noch andere Probleme außer
Schmerzen?• Woher kommen Ihrer Meinung nach Ihre
Schmerzen?• Was löst den Schmerz aus?• Welche Schmerzmittel haben Sie bisher
bekommen?
Harte Männer – wehleidige Frauen?Geschlechtsspezifische Reaktionen auf Schmerz. Unterscheide
• Schmerztoleranz• Schmerzwahrnehmung und –erleben
• Frauen können besser zwischen zwei eng beieinander liegenden Berührungspunkten auf der Haut unterscheiden
• Frauen haben niedrigere sensorische Schwellen (riechen, schmecken, hören)
• Östrogene erhöhen in der Haut den Gehalt an Wasser -> erhöhte elektrische Leitfähigkeit -> erhöhte Empfindlichkeit für elektrische Reize
• Schmerzstillende Geschlechtshormone: Schmerzempfindlichkeit nimmt gegen Ende der Schwangerschaft ab – Aktivierung der Produktion von körpereigenen, morphiumartigen Neuropeptiden
Psychologische Faktoren des Schmerzerlebens
• Subjektive Bewertung der Bedrohlichkeit der Ursache des Schmerzes (Angst )
• Kontrollorientierung (internal vs external)• Normen• Allgemeine Stimmungslage (Depression
)• Muskuläre Verspannung • Aufmerksamkeit • Vorerfahrung mit ähnlichen Schmerzen
SchmerztagebuchSchmerztagebuch
Numerische Ratingskala
Medikations Medikations -- RegelnRegeln
• Nach Stufenschema
• Orale Gabe
• Nach festem Zeitschema
Stufenschema der WHOStufenschema der WHO
Nicht-Opioidez.B.: ASS, Ibuprofen, Diclofenac, „Cox 2“
Paracetamol, Metamizol, FlupirtinStuf
e1
Schwache Opioide ± Nicht-Opioidez.B.: Codein, Dihydrocodein, Tramadol,
Tilidin/NaloxonStuf
e 2
Starke Opioide ± Nicht-Opioidez.B.: Morphin, Oxycodon,
Hydromorphon, Buprenorphin, Fentanyl, MethadonS
tufe
3
Phantomschmerz
Phantomschmerz
Phantomschmerz
Schmerzerfahrung im Phantom
Phantomempfindungen
telescoping
Remapping: Phantomempfindungen durch Reizung von Gesichtsarealen
Remapping: Phantomempfindungen durch Reizung von Gesichtsarealen
Kortikale Reorganisation bei Phantomschmerz
Auch im Motorkortex Reorganisation bei Phantomschmerz
Erklärungsmodell kortikaler Reorganisation
Erklärungsmodell kortikaler Reorganisation
kortikale und subkortikale
Reorganisation ist Basis für das
Schmerzgedächtnis
Phantomempfindungen:Umfang, Berührung,
Bewegung
Neurophysiologische Erklärungen
• peripher: Spontanaktivität der Stumpfneurome
• spinal: abnorme Aktivität der Hinterhornneurone
• zentral: neuroplastische Veränderungen im Kortexund Thalamus
Therapieansätze
Abnahme des Phantomschmerz durch Opioide (MST) –
doppelblind-Placebo-cross-over
kontralateral zur amputierten Seite
Plazebo
kontralateral zur nicht-amputierten Seite
Morphin
Baseline
Einfluß myoelektrischer Prothese auf Phantomschmerz und
Reorganisation
Signifikanter Rückgang von Phantomschmerz und
Reorganisation
“Diabetische Fuß“• ca. 25 000
Amputationen/Jahr wegen Diabetes
• 80% durch Trivialverletzungen (schlechte Fußpflege, Schuhe)
Beginnende Fußgangrän bei Diabetes
Diabetische Gangrän
Testosteron...•...erhöht Häufigkeit/Intensität aggressiven Verhaltens bei Konkurrenzsituationen•...erhöht Risiko für Verletzung•Tierstudie (Hau et al., 2004)zeigt erhöhte Schmerztoleranz nach Testosterongabe,•geringere Toleranz nach Testosteron-Blockade•mgl. Mechanismus: Umwandlung in Estradiol im dorsalen Horn des Rückenmarks
Migräne
Begleiterscheinungen:
Übelkeit und/oder ErbrechenPhotophobie und PhonophobieErkrankungsverlauf –mindestens 5 Attacken
Migräneauslöser• Stress: Ärger, Antizipation von
Mißerfolg, Mobbing• Hunger – unregelmäßiges Essen• Nahrung: Zitrusfrüchte, Alkohol,
Schokolade, Fett, Käse• Licht: Fernsehen, Sonne• Schlaf-Wach-Rhythmus• Wetter - Föhn
Schmerzpatienten –Stiefkinder der Medizin?
Schmerz ist nicht nur das Reagieren spezialisierter Nerven auf Reize, sondern immer auch eine bewusste Erfahrung des betroffenen Menschen. Dabei spielen Lebensanschauung, die Vergangenheit, das Umfeld und die Lebenssituation eine Rolle. Sie beeinflussen vor allem den chronischen Schmerz. Während der akute Schmerz in der Regel ein Warnsignal des Körpers darstellt und durch die Behandlung der angezeigten Störung verschwindet, ist chronischer Schmerz oftmals das Resultat einer Verselbständigung und entwickelt sich zu einer eigenständigen Krankheit ohne direkt erkennbare organische Ursache. Entsprechend schwierig gestaltet sich die Therapie.
(Neue Zürcher Zeitung, 20./21.2.1999)
99
Indianerherz kennt keinen Schmerz?