-
1. Die Eingliederung Crossens in die Neumark
Gegen Ende des 15. Jahrhunderts kam es inCrossen zum
Machtwechsel. Von nun an biszum Beginn des 20. Jahrhunderts war
dieDynastie der Hohenzollern Herrscher überdieses Gebiet. Einer von
ihnen war am Anfangdes 16. Jahrhunderts der Kurfürst Joachim I.,der
in seinem Testament die Teilung seinesLandbesitzes zwischen seinen
beiden Söhnenfestlegte. So kam es nach seinem Tode im Jahr1535
dazu, dass der Herrscher über die Neu-mark, zu der nun auch
Sternberg, Crossen,Züllichau, Sommerfeld und Cottbus gehörten,der
Markgraf Johann wurde. Als Hauptstadtseines Territoriums wählte er
Küstrin.48 Ausder Chronik von Matthias geht hervor, dass dieStadt
Crossen den beiden Söhnen Joachims I.im Jahr 1536 huldigte, wofür
sie dieBestätigung ihrer Privilegien bekam.49
Nach den langjährigen Kriegen undKonflikten begann nun endlich
eine fried-lichere Zeit nicht nur in Crossen, sondern inganz
Brandenburg. Der Geist der Renaissancebreitete sich in diesem Teil
Europas aus, wasdurch die von Gutenberg gemachte Erfindung
des Buchdrucks wesentlich beschleunigtwurde. Das geschriebene
Wort war damitzugänglicher geworden. Dies löste ein Bedür-fnis nach
Wissen und Bildung nicht nur beimAdel, sondern auch beim Bürgertum
aus. DieStelle der Kurpfuscher nahmen immerhäufiger studierte
Mediziner ein. BesonderenEinfluss darauf hatte die Gründung
derUniversität Viadrina in Frankfurt (Oder) imJahr 1506, an der
unter anderem das Medi-zinstudium angeboten wurde. Theologie
undJura spielten zwar immer noch die Hauptrolle,großen Wert legte
man aber auch auf die sogenannten Freien Künste, zu
denenPhilosophie, Rhetorik und Poetik gehörten.
Die von Martin Luther 1517 initiierteReformation der
katholischen Kirche gabAnlass zur Abrechnung mit
Amtsmissbräuchender kirchlichen Amtsträger. In kleinen Städtennahm
diese Bewegung oft die Form brutalerZerstörungen von
Kirchenausstattungen, nichtselten auch von Kunstwerken, an. Die
katho-lischen Priester, sobald sie sich der neuen Lehrenicht
anschließen wollten, wurden vertrieben,an ihre Stelle kamen neue
Prediger, die alsAnhänger von Luther seine Thesen
ver-breiteten.
In der Wirtschaft ließ sich eine günstigeKonjunkturentwicklung
beobachten, die einenüberregionalen Charakter trug und eineBelebung
des gesellschaftlichen Lebens mitsich brachte. Diese Situation
haben diebrandenburgischen Herrscher ausgenutzt unddurch kluges
Regieren mehrere Reformen undRechtsregelungen eingeführt, die zur
Stabili-sierung des Staates und zur Steigerung derProduktion und
des Handels beitrugen.
Es ist heute schwer eindeutig zu beurteilen,wie die Bewohner von
Crossen den Macht-wechsel und die Eingliederung in
Brandenburgwahrgenommen haben. Eine-rseits findet manin den
Geschichtsbüchern Berichte über den
Crossen an der Oder als Teil der Mark Brandenburg
(1482–1701)1
Crossen an der Oder als Teil derMark Brandenburg (1482–1701)
Die Mode der deutschen
Renaissance um1514
Przyk³ad strojów w epoce
niemieckiegoRenesansu,
ok.1514 roku
-
Jubel des Bürgertums. In mehreren Städtenwurden für den
Kurfürsten am 13. Oktober1482 große Dankesfeste abgehalten, in
denKirchen soll ein feierliches Tedeum anges-timmt worden sein.50
Von solchem Festeerfahren wir in Crossen nichts. Das kann
damitzusammenhängen, dass die Stadt am 27. Julides gleichen Jahres
von einem großen Feuererfasst wurde und in großen Teilen
nieder-brannte. Als fünf Jahr später Kurfürst JohannCicero eine
allgemeine Bierziese einführte,erhoben die Crossener, deren
Hauptnahrung-szweig die Bierbrauerei war und welche
solchedurchgreifenden Steuern unter ihren schle-sischen Herzögen
nicht kennen gelernt hatten,gar bittere Klagen, die ihnen aber
freilichnichts fruchteten.51
2. Verordnungen und Privilegien — Crossen unter Johann von
Küstrin
Die oft kritischen Äußerungen polnischerHistoriker gegenüber den
brandenburgischenHerrschern finden in der Person desMarkgrafen
Johann von Küstrin eine großeAusnahme. Gerard Labuda urteilte über
ihm:Johann von Küstrin war eine der hervorra-
genden Persönlichkeiten in der Dynastie derHohenzollern dieses
Jahrhunderts, obwohl diebegrenzten Möglichkeiten seines
kleinesLandes ihm nicht erlaubten, eine bedeuten-dere Rolle in der
mitteleuropäischen Politikzu spielen. Er ist für seine
wirtscha-ftlich–administrative Tätigkeit bekannt und
deswegen hat man ihn in der Geschichtssch-reibung den Ökonomen
genannt.52
Die von Kurfürst Joachim I. begonneneEinführung von neuen
Rechtsregelungenwurde von seinem Sohn auf dem Gebiet derNeumark
fortgesetzt. Er hat in seinem Landeneue, auf das römische Recht
gegründeteOrdnungssysteme mit Hilfe von Steuerneingeführt und die
Landesfinanzen geordnet.53
Die neuen Regelungen bezogen sich auch aufdas gesellschaftliche,
sogar auf das privateLeben der Bürger. So wurde zum Beispiel
1540die Polizei–Ordnung eingeführt, die nach derMeinung von Theodor
Fontane das bürgerlicheLeben in die richtige Bahn lenkte.54 In
dieserAnordnung wurden unter anderem Formen fürFamilienfeiern
festgelegt, zum Beispiel wieviele Gäste zur Hochzeit oder zur
Taufeeingeladen werden dürfen, oder wie man sichbei Besuchen
verhalten soll. Außerdem wurdenPreise für alle Getränke,
Lebensmittel undStoffe sowie die Höhe der Gehälter vonBeamten und
der Arbeiterlöhne bestimmt. DenHandwerkern verbot man dagegen, in
denBierhäusern zu frühstücken, um den über-mäßigen Genuss von
Alkohol zu mindern.
Um die Qualität von Getränken undLebensmitteln zu verbessern,
wurden deta-
illierte Hinweise zurHerstellung von Pro-dukten festgelegt.
Inder Chronik vonKutschbach lesen wir:Bäcker, die
nichtvollwichtiges undgesundes Brot; Fleis-cher, die nicht
hin-reichend frischesFleisch; Gastwirte, dienicht gutes Bier
undreinen Wein zu fest-
gesetzten Preisen lieferten, sollten inGeldstrafe verfallen.55
Diese Städte–Ordnungbestimmte auch, dass die Einkünfte der
Städtejährlich genau berechnet und nichtverschwendet werden
sollten. Die Vorsteherder Kirchen und die Aufseher der Armen-häuser
sollten dem Magistrat jährlich in
Crossen an der Oder als Teil der Mark Brandenburg
(1482–1701)2
Das Innere eines Gasthauses, Holzschnitt von 1518
Wnêtrze gospody, drzeworyt z 1518
-
Gegenwart des Pfarrers Rechnung ablegen.Wer wüste Plätze bebaute
oder verfalleneGebäude wieder herstellte, sollte auf mehrereJahre
frei von allen bürgerlichen Lasten sein.Es wäre ein interessantes
Forschungsthema zuuntersuchen, inwiefern diese
disziplinierendenMaßnahmen in den neumärkischen Städtenwirklich
beachtet wurden.
Kaufleute und Handwerker
Diese Beispiele verdeutlichen die Rolle derKaufleute und
Handwerker in der Stadt. DieVertreter einzelner Berufe waren in
Zünftenvereint, die die Aufgabe hatten, ihre Interessenzu vertreten
und Privilegien zu bewahren.56
Sowohl die Kaufleute als auch die Handwerkergrenzten ihre
Tätigkeit meistens ein auf dieVersorgung der Stadtbewohner und
derMenschen aus den umliegenden Dörfern. Nichtwenige von ihnen
pflegten aber auchüberregionale Handelskontakte und verkau-ften
ihre Produkte im Ausland. Zu diesemZweck wurde meistens die Oder
alsTransportweg benutzt. Sonst profitierte dieStadt von ihrer Lage
am Fluss durch Erhebenvon Zoll auf der Oderbrücke und durch
dieFischerei. Was den Handel in der Stadt betraf,so konnte sie mit
Frankfurt an der Oder undLandsberg nicht Schritt halten, da
dieseHandelsstädte durch ihr Niederlagsrecht eineMonopolstellung im
Raum der mittleren Oder
inne hatten. Nach diesem Recht durften dieKaufleute an diesen
Städten nicht vorbei-fahren, ohne ihre Waren auf dem dortigenMarkt
zum Verkauf anzubieten. Diese undandere Privilegien waren seit
jeher Streit-punkte zwischen Frankfurt, Landsberg undvielen
kleineren Städten der Region. Im Jahr1533 gelang es schließlich
auch den Crossenernbestimmte Handelsbegünst-igungen für sich
zuerlangen, zum Beispiel das Recht ihreTuchwaren auf eigenen
Schiffen dreimal imJahr zu bestimmten Jahrmärkten nachFrankfurt zu
bringen. Was die Handels-beziehungen mit Landsberg anging, so
durftendie Crossener ihre Waren auf dem Landwegnach Landsberg
bringen und dort verkaufen.Ausgenommen waren nur die, die in
Stettineingekauft worden waren, denn diese musstenauf der Oder
durch Frankfurt transportiertwerden. Trotz zahlreicher
Beschränkungenmachten die Crossener Kaufleute guteGeschäfte und
verkauften vor allem Tuch,Wein, Bier, Heringe und Salz in
ganzBrandenburg, Schlesien und Großpolen.Kaufleute waren die
wohlhabendsten Bürgerder Stadt und bildeten das so
genanntestädtische Patriziat.
Städtische Selbstverwaltung
Aufgrund ihrer privilegierten Positionnahmen meistens die
reichsten Bürger an der
Stadtregierung teil. Unter Johann vonKüstrin erhielt Crossen wie
die anderenStädte der Region ein neues Wahlrecht. Inder Chronik von
Matthias ist das ganzeDokument, datiert Montags nach Okuli.Anno
Domini 1540 (dritter Montag derFastenzeit) abgedruckt.57 Diese
Wahlor-dnung ist insofern wichtig, weil nach ihrüber zweihundert
Jahre lang (bis 1811) dieRatswahlen in Crossen erfolgten.
Diewichtigste Änderung darin war dieAbschaffung des
Bürgermeisteramtesauf Lebenszeiten und die Festlegungalljährlicher
Neuwahlen jeweils am 13.Dezember. Der neue Bürgermeister sowieder
alljährlich neu gewählte Rat musstenin ihrem Amt vom Kurfürsten
bestätigt
Crossen an der Oder als Teil der Mark Brandenburg
(1482–1701)3
Weber am Webstuhl und bei Herstellung von Garn,Holzschnitt von
1479
Tkacze przy kroœnie oraz przy zwijaniu przêdzy,drzeworyt z 1479
roku
-
werden. Die Ratsmänner durften, wenn sie ihreAufgaben tüchtig
erfüllt hatten, wiedergewählt werden, der Bürgermeister wardagegen
im Prinzip nur für ein Jahr in seinemAmt. Nur unter besonderen
Umständen durfteer wieder gewählt werden.58
Wie bereits erwähnt, legte Markgraf Johanngroßen Wert auf die
Ordnung des Finanz-wesens und auf die wirtschaftliche Ent-wicklung
seines Landes. Er sorgte auch für eineVerbesserung der
Verteidigungsanlagen in derNeumark und den dazugehörenden
Gebieten.So ließ er nicht nur Küstrin zu einer Festungumbauen,
sondern auch den Zustand derFestungsanlagen in anderen Städten
ver-bessern. Auch Crossen, in der Gabelung vonOder und Bober
gelegen und umgeben vonSümpfen und feuchten Wiesen, war damalseine
Festung. Im Jahr 1540 hielt Johann eineMusterung der Crossener
Wehranlage ab undordnete die so genannte Türkensteuer an, die
mit der drohenden Gefahr eines Türken-überfalls in dieser Zeit
zusammenhing.59 Umden Bürgern die Last der neuen Steuern
zuerleichtern, denn die Bürger hätten sonst ihrenAnteil für den Bau
der Festungen in Küstrin,Peitz und Spandau zahlen müssen,60 verlieh
erder Stadt das Privileg ab 1536 den drittenJahrmarkt am Tag des
Hl. Vincenti, den sogenannten kalten Markt, abzuhalten.
Schützengilde
Seit 1520 gab es auch in Crossen eineSchützengilde. Diese
Vereinigung galt als eineder wichtigsten Gilden in den
branden-burgischen Städten. Mitglieder waren hier diestädtischen
Amtsträger sowie Hofleute desjeweiligen Herrscher und sonstige
Stadtbürgersofern sie die Mitgliedsgebühren bezahlenkonnten. Sie
alle übten sich im Schießen in denso genannten Schießhäusern. Die
alljährlichenSchützenfeste gehörten zu den wichtigstenEreignissen
im Stadtleben, zu denen auchwichtige Persönlichkeiten von
außerhalbeingeladen wurden.61 Der Gewinner desSchießwettbewerbs
wurde zum Schützenkönigund bekam vom Stadtrat den
symbolischenGulden zum Hosentuch sowie eine Geld-summe, die
meistens für den Wein und dasEssen während des Festes ausgegeben
wurde.
Crossener Wasserleitung — eine derersten in Brandenburg
Viele der vom Markgrafen Johanneingeführten Veränderungen haben
das Lebender Crossener und ihre Sicherheit verbessert.Um den
häufigen Bränden vorzubeugen, bauteman nun innerhalb der Stadt nur
ausZiegelsteinen, Holzgebäude durften nur nochaußerhalb der
Stadtmauern gebaut werden.Zur Verbesserung der Stadthygiene
trugebenfalls bei, dass man mehrere Straßenpflasterte und eine
Wasserleitung gelegtwurde.62 Die Tatsache, dass Crossen bereits1538
eine eigene Wasserleitung bekam, machtedie Stadt zu einem Vorreiter
in ganzBrandenburg.63 In der Hauptstadt Berlinwurden erste
Versuche, eine Wasserleitung zulegen, erst in den 70er Jahren des
16.Jahrhunderts unternommen. Dieses Vorhabengelang nur zum Teil, da
die Qualität desWassers nicht dem des Trinkwassers entsprachund es
daher nur zum Haushaltsgebrauch undFeuerlöschen verwendet werden
konnte.Ähnliches trifft auch auf Küstrin zu.64
Crossen wagte diesen Schritt so früh, weil esschon länger mit
Problemen der Trinkwass-erqualität in den städtischen Tiefbrunnen
zu
Crossen an der Oder als Teil der Mark Brandenburg
(1482–1701)4
Johann Markgraf von Brandenburg abgebildet auf einer Münze aus
dem 16.Jh.
Margrabia brandenburski Jan na monecie z XVI wieku
-
kämpfen hatte. Da die Stadt im Überflut-ungsgebiet lag, war sie
fast alljährlich vonHochwasser bedroht, das oft in die Keller
undniedriger gelegenen Gebäude eindrang.Dadurch konnte das Wasser
in den Brunnenverseucht werden. Um dieser Gefahr zuentgehen,
entschloss man sich, das Wasser vonden Rusdorfer Bergen herleiten
zu lassen.Dieser Aufgabe stellte sich der WassermeisterJost aus
Görlitz. Die Wasserleitung wurde ausEichenholz gefertigt, die
Verbindung dereinzelnen Rohre erfolgte durch besonderskonstruierte
Eisenringe, die so genannten„Rohrbuchsen”. Naturgemäß konntendiese
Holzleitungen schnell verfaulen undes mussten daher sehr oft
unbrauchbargewordene Stücke ausgewechselt werden.Deswegen musste
die Stadt eine größereAnzahl Rohre auf Lager halten, dieallerdings
nicht austrocknen durften. Siewurden daher in einem kleinen
Tümpelgelagert. Die Crossener waren sehr schnellvon der wunderbaren
Qualität des„Wassers aus den Bergen” überzeugt undschon 1544 wurde
also eine weitereWasserleitung gelegt. Damals wurde dasWasser
direkt zur Bierbrauerei geleitet.Ansonsten hat man das
Wasserzapfenzuerst an drei Stellen, auf dem Markt,dem Salzmarkt und
am Glogauer Tor,dann an fünf weiteren Stellen in der Stadtden
Bürgern ermöglicht. Dabei istbesonders bemerkenswert, dass
dieAnlage über 400 Jahre lang, bis zum Endedes Zweiten Weltkrieges,
ununterbrochen inBetrieb war und die Altstadt mit
einemausgezeichneten und sehr weichen Wasserversorgte.
Moneta nova Crossnensis
Zu den Stadtprivilegien gehörte auch diePrägung von Münzen. Die
mit der AufschriftMoneta nova Crossnensis versehenen Stückedurften
seit 1507 laut Privileg des KurfürstenJoachim I. in Crossen geprägt
werden. Einebesondere Art von Münzen waren die sogenannten
Dütchen,65 silbernes Geld, das demWert von 3 Schillingen oder 3
polnischen
Groschen entsprach. Sie wurden in der Stadtseit 1544 geprägt,
aufgrund einer Anordnungvon Johann von Küstin, der dafür das sich
inden Crossener Kirchen befindliche Silberbeschlagnahmen und
einschmelzen ließ. Zumgroßen Teil handelte es sich dabei um
Gaben,die die Gläubigen aus Dank für ihre Genesungvor den Altar der
Muttergottes gelegt hatten.So waren es vor allem lauter Hände,
Beine,Füße und andere Körperteile in Silber, die,nachdem sie
geweiht worden waren, sich in der
Kirche befanden. Dieses besondere Silber ließJohann also
beschlagnahmen und davon dieDütchen prägen.
Nachdem sich Johann von Küstrin 1537offiziell für die
Reformation ausgesprochenhatte und seinen Untertanen sich nach
derLehre von Martin Luther zu richten befahl,begann man auch in
Crossen gegen dieMissbräuche der katholischen Kirche zukämpfen. Die
ersten Predigten im Geist derneuen Lehre hatten die Crossener
jedoch schonfrüher zu hören bekommen. In der Chronikvon Obstfelder
wurde sogar ein Briefabgedruckt, den Martin Luther selbst am
Crossen an der Oder als Teil der Mark Brandenburg
(1482–1701)5
Münzwerkstätte, eine Zeichnung aus dem 16. Jh.
Warsztat menniczy, ilustracja z XVI wieku
-
17. April 1525 an den Stadtrat von Crossengeschrieben hatte.66
Ende der dreißiger Jahredes 16. Jahrhunderts waren dann bereits
allePriester in Crossen lutheranisch. BestimmteGewohntheiten der
Bevölkerung ließen sichjedoch nicht so schnell ändern. Dass
derAberglaube immer noch stark war, bezeugtfolgende Geschichte: Das
Volk glaubte, die ausgeweihtem Silber hergestellten Dütchen
hätteneine besondere Kraft und Wirkung. Innerhalbvon kurzer Zeit
wurden sie also zu einem sobegehrten Objekt, dass sie als
Zahlungsmittelgar nicht mehr funktionieren konnten, da jeder,der in
ihren Besitz kam, sie nicht mehrhergeben wollte.
Das Erbe der katholischen Klöster
Als weitere Konsequenz der Reformation istdie Schießung der
katholischen Klöster zunennen. Auch in Crossen wurde der Besitz
derbeiden Klöster von der Stadt übernommen undan private Personen
weiterverkauft. DasFranziskanerkloster kam in die Hände vonHans von
Knobelsdorf, ein Teil des Besitzeswar jedoch für die Einrichtung
des Friedhofesund den Bau einer Kapelle bestimmt. Erst
1631errichtete man auf der Fischerei anstelle derKapelle eine
kleine Kirche. Sie wurde von dendortigen Fischern gestiftet und
bekam denNamen Heiliges Kreuz. Den Altar stifteteKurfürst Johann
Siegmund. Nach demStadtbrand von 1631 ersetzte sie dann
diePfarrkirche, bis zu deren Wiederaufbau.
Das Dominikanerkloster wurde abgetragenund an dessen Stelle der
spätere Lutherplatzangelegt. Einer Legende nach soll von
diesemKloster aus ein unterirdischer Gang unter derOder durch bis
in die Kienberge bei Hundsbellegeführt haben.67
Die Geschichte von Franz Neumann
Johann von Küstrin war zweifelsohne eingeschätzter und hoch
verehrter Herrscher. Derihm so gut gesinnte Kutschbach versäumte
esaber nicht, auch von den Nachteilen desMarkgrafen zu berichten.
Seiner Meinung nachwaren das seine Habsucht in der Vermehrungseines
Besitzes, so dass er sich auch vor
unrechtmäßiger Übernahme des Kirchen-besitzes nicht scheute, und
sein Rachedurst.Ein klassisches und oft genanntes Beispieldieses
Handelns bei Ungehorsamkeit seinerUntertanen ist der Fall des
Crossener Bürger-meisters Franz Neumann. Der
verdienstvolleCrossener hatte einmal die Gelegenheit, vordem
Markgrafen zu sprechen, wobei erAnerkennung und sogar Bewunderung
für seinWissen und seine Klugheit bei dem Herrscherfand. Johann von
Küstrin sah in ihm einentreuen Diener und ein nützliches Werkzeug
inseiner Hand. Deswegen half er ihm, bei derErhebung in den
Adelsstand, was 1530 inAugsburg aus der Hand Kaiser Karls
V.geschah. Danach überließ ihm der Kürfürstwichtige
Verwaltungsaufgaben im Land bis hinzur Leitung des
Johanniterordens. Als Neu-mann sich dann aber dem Willen
desHerrschers widersetzte und ihm die Lände-reien des Ordens nicht
übergeben wollte, ließihn Johann von Küstrin festnehmen und in
derSonnenburg gefangen halten. Neumann, dieAussichtslosigkeit
seiner Situation ahnend,wagte die Flucht, zog ins Ausland und
kehrtenie wieder in die Neumark zurück. Johann, ließdaraufhin die
Wache in Sonnenburg so langefoltern, bis diese ihre Hilfe bei der
Fluchteingestanden. Da der Kapitän von Winningaber kein Geständnis
ablegen wollte undimmer wieder seine Unschuld beteuerte, ließ erihn
zu Tode foltern. Der Rachedurst desKurfürsten war aber damit noch
nicht gestillt.Er ließ ebenfalls den Schwiegersohn vonNeumann,
Christoph von Döberitz, festsetzenund wegen Mithilfe bei der Flucht
zum Todeverurteilen.68
Katharina von Braunschweig–Wolfenbüttel auf der Crossener
Burg
Crossen blieb im 16. Jahrhundert mitKüstrin nicht nur durch die
Person desMarkgrafen Johann, sondern auch die seinerGemahlin
Katharina, Herzogin von Braun-schweig–Wolfenbüttel, verbunden. In
denJahren 1537–1571 lebte sie gemeinsam mitdem Markgrafen auf dem
Schloss zu Küstrin,
Crossen an der Oder als Teil der Mark Brandenburg
(1482–1701)6
-
nahm an der Regierung ihres Mannes aktiv teilund nach der
Meinung von Kutschbachzeichnete sie sich durch höchste
Wirt-schaftlichkeit und Ökonomie 69 aus. Nach demTod des Markgrafen
nahm sie die Burg inCrossen als Witwensitz. Deswegen begann man1571
sowohl innen wie außen mit Reno-vierungsarbeiten. Außen bekam die
Anlageeinen neuen Putz und im Südflügel entstanddamals die von zwei
weit gespannten,mächtigen Rundbogen getragene
zierlichePfeilergalerie.
Erste Apotheke
Im Jahr 1544 kam auf Bestellung desStadtrates ein Architekt aus
Italien nachCrossen. Sein Name war Hans Sultano und erbekam die
Aufgabe, auf dem Markplatz einneues Kaufhaus zu bauen. Sieben Jahre
späterwurde in dem neuen Gebäude die ersteApotheke der Stadt
eröffnet. Zu den Aufgabeneines Apothekers gehörte damals viel mehr,
alswir es heute gewöhnt sind. Er war unteranderem für die
Destillation von Alkohol, dieHerstellung von Wachs, Siegeln,
Parfums undKandis verantwortlich. Im Jahr 1572 kaufte dieWitwe des
Markgrafen die Apotheke von derStadt ab und verlieh ihr, ähnlich
wie in Küstrin,das Privileg für den Ausschank von fremdemWein.
Außerdem gründete sie in der Stadt eineStiftung „zum hausarmen
Lazarus”, die vorallem für die Obdachlosen sorgte. Die Tätigkeitder
Stiftung dauerte bis zum Stadtbrand von1631 an und wurde danach vom
St. GeorgHospital übernommen.
Ganz besonders engagierte sich Katharinavon
Braunschweig–Wolfenbüttel für dieAusstattung der Marienkirchen,
deren Turmmit durchbrochener Spitze 1568 neu mitSchiefer eingedeckt
wurde. Sie ließ dasGotteshaus im Inneren weiß, rot und grün
ausmalen, den Altarbogen und dieKruzifixe gründlich
renovierenund den Ausgang zum Schloss hin(Nordseite) mit
erheblichemMaterialaufwand bequem gestal-ten. Da der Rat der Stadt
außer-dem 1538 von Lukas Cranach inWittenberg ein Bild
dertrauernden Maria hatte malenlassen, dürfte die Haupt-pfarrkirche
damals eine kün-stlerisch wertvolle Renaissa-nce–Innenausstattung
gehabthaben.70
Lateinschule
Nachdem in allen Städten desbrandenburgischen Staates Mittedes
16. Jahrhunderts Kirchen-
visitationen durchgeführt worden waren,wurden städtische
Schulen, die so genanntenLateinschulen, gegründet. Sie bekamen
einumfangreiches Unterrichtsprogramm, bei demneben Lesen und
Schreiben, Religion undGesang großen Wert auf den
Lateinunterrichtgelegt wurde. Finanziert wurden die Schulenaus
einem Fonds, der nach der Übernahme desKirchenbesitzes durch den
Staat gegründetworden war.71 Eine erste Erwähnung einesSchulrektors
in Crossen findet man beiMatthias 1382, als ersten Rektornamen
nennter um 1432 Nickel Czuchindorf.72 VonObstfelder dagegen
erfahren wir, dass dieReformation in der Stadt sich auch auf
„dasziemlich verwilderte Schulwesen erstreckte”.1538 soll die
Schule einen zweiten Lehrer, den
Crossen an der Oder als Teil der Mark Brandenburg
(1482–1701)7
Die Renaissance–Pfeilergalerie im Südflügel der Crossener
Burg
Renesansowe kru¿ganki w po³udniowym skrzydlekroœnieñskiego
zamku
-
Konrektor Hellman, bekommen haben, außerihm unterrichteten noch
der Kantor Hänleinund ein weiterer Lehrer Schulz.73 Aus
diesenAngaben geht also hervor, dass die Schulreformin Crossen
schon begonnen hatte, lange bevordie Kirch– und Schulvisitation in
der Stadt1554 stattfand. Nach Meinung von Karl Weinist als
Entstehungsjahr einer unter städtischerVerwaltung stehenden
Lateinschule in Crossen1527 bzw. 1530 zu nennen.74 Auch die
Herzo-gin Katharina trug zur Erhöhung desSchulniveaus in Crossen
bei, indem sie Dr.Conrad Bergius aus Stettin überredete,
dieRektorstelle in der Stadt an der Bober-mündung zu übernehmen.
Sein Nachfolgerwar ab 1576 der berühmte WissenschaftlerNikolaus
Leutinger, der das bis heute hochgeschätzte 30–bändige Werk
Commentatiorumde Marchia brandenburgensi libros XXXverfasste und
die Geschichte Brandenburgs bis1594 aufschrieb. Während seines
Aufenthaltsin Crossen nutzte er bestimmt auch dieGelegenheit, die
1552 vom Stadtrat neugegründete Bibliothek im ersten Stock
derPfarrkirche zu besuchen.
Die Witwe des Markgrafen Johan ver-brachte in Crossen insgesamt
nur drei Jahre,bevor sie am 16. Mai 1574 in der dortigen Burgstarb.
Beigesetzt wurde sie in Küstrin.Obstfelder betont, dass ihr
Testament einAusdruck ihrer Verbundenheit mit der Stadtund ihren
Einwohnern ist. Die Herzoginübertrug der Stadt ihre Apotheke
sowiegrößere Summen für die Unterstützung derHausarmen und für
höhere Löhne der Schul–und Kirchenamtsträger.75
3. Die Piastenburg als Witwensitz
Kürfürstin Elisabeth
Mit der Herzogin Katharina war dieCrossener Piastenburg zum Sitz
der branden-burgischen Witwen geworden. 24 Jahre nachihrem Tod
wurde die Burg erneut zur Residenz,diesmal für Elisabeth von
Anhalt–Zerbst, dritteFrau des branden-burgischen KurfürstenJohann
Georg, die von 1598 bis zu ihrem Tod
1607 die Burg bewohnte. Nach dem Tode ihresMannes hielt sie hier
ihren Einzug. Sie wardamals 35 und bereits zum 17. oder 18.
Malschwanger.76 Da sie hier noch einen Sohn gebar,ist Crossen die
Vaterstadt wenigstens einesHohenzollern–prinzen geworden. Sie
ließschlichte Bürger der Stadt die Patenschaftübernehmen und wohnte
nicht bloß derkirchlichen Taufe bei, sondern saß dannwährend des
Taufmahls mit am Bürgertisch.Kurfürstin Elisabeth wurde infolge
ihrergroßen Menschenfreundlichkeit gern zurSchiedsrichterin gewählt
und bewährte sich alssolche bestens. Im Jahr 1599 ließ sie
dasSchloss abermals innen und außen instan-dsetzen und eine neue
Zugbrücke bauen.
Kürfürstin Elisabeth Charlotte
Am längsten, mehr als zehn Jahre, hielt sichauf der inzwischen
in ein Schloss verwandeltenCrossener Burg die Kurfürstin
ElisabethCharlotte, Prinzessin von der Pfalz und Witwedes
Kurfürsten Georg Wilhelm sowie Mutter desGroßen Kurfürsten
Friedrich Wilhelm, auf.Nach dem Tode ihres Gemahls 1640 blieb
siezunächst in Berlin und nahm noch nicht sofortihren festen
Wohnsitz in Crossen, teils auf-grund des schlechten Zustandes des
dortigen
Crossen an der Oder als Teil der Mark Brandenburg
(1482–1701)8
Die Kurfürstin Elisabeth von Brandenburg,geb. von Anhalt
(1563–1607)
El¿bieta Brandenburska, ksiê¿niczka von Anhalt
-
Schlosses, das durch einen Brande 1631 sehrgelitten hatte, teils
auch der Schwe-den wegen,die hier während des Dreißi-gjährigen
Kriegesherrschten. Als 1644 die Schweden Crossenschließlich
verlassen hatten, ließ sie im Schlossdie Kapelle für den
reformierten Gottesdienstherrichten. Einge-weiht wurde die
Kapellejedoch erst 1650. (Diese Kapelle wurde dann1887 in die neu
gebaute Kirche im Heyneparkversetzt und wurde daher
Schlosskirchegenannt.) Zu dieser Zeit war auch der Ausbaudes
Schlosses beendet und die Kurfürstin nahmnun ihren ständigen
Wohnsitz in Crossen.
Da sie klug, liebevoll und tatkräftig war,handelte sie als wahre
Mutter von Crossen undführte die Stadt aus dem Elend nach
demDreißigjährigen Krieg heraus. Zum Ausbau derMarienkirche
schenkte sie sowohl Holz als auchGeld und auf ihre Veranlassung hin
wurde 1651auch der Andreaskirche auf dem Berge einegroße Glocke
geschenkt, worauf sich ihr Nameeingraviert befand.
Bei Elisabeth Charlotte im Schloss lebte ihreNichte Henriette,
die von Crossen aus eineeifrige Korrespondenz mit dem
berühmtenPhilosophen Cartesius (Descartes) unterhielt.77
1651 ließ die Fürstin ihre Vermählung mit demBruder des
regierenden Fürsten von Sieben-bürgen in Crossen feiern.
Oft erhielt sie Besuche von ihrem Sohn, demGroßen Kurfürsten
Friedrich Wilhelm, welcherdie Tour von Berlin nach Crossen
gewöhnlichmit untergelegten Pferden in achtzehn
Stundenzurücklegte.78
Die Kurfürstin Elisabeth Charlotte verstarbin Crossen am 16.
April 1660. Ihre Leiche wurdeam 27. August 1660 nach Berlin
überführt unddort begraben. Die Bewohner von Crossentrugen neunzehn
Wochen lang Trauerkleider,von ihrem Tod bis zum Begräbnis in
Berlin.
4. Der Dreißigjährige Krieg(1618–1648)
In die europäische Geschichte ging Crossenselten als Ort
bedeutungsvoller kultureller undzivilisatorischer Leistungen ein,
sondern eher
in Verbindung mit kriegerischen Auseinanders-etzungen. Zu den
schlimmsten und schrec-klichsten gehörte der Dreißigjährige Krieg,
derin den Jahren 1618–48 große Teile Europasbeherrschte. Crossen
wurde in diesem Kriegaufgrund seiner strategischen Lage,
seinerFestungsanlagen sowie seiner seit 1610bestehenden Garnison
zum begehrten Objekt.Es ist anzumerken, dass im Unterschied
zufrüheren militärischen Konflikten in diesemKrieg vor allem die so
genannten Berufssol-daten kämpften, für die vor allem ihr
Soldwichtig war und die sich mit dem Land, für dassie kämpften,
kaum verbunden fühlten. Dadieser Krieg sehr lange dauerte und
großefinanzielle Anstrengungen für beide Seiten,also für
Protestanten und Katholiken,bedeutete, kam es bald dazu, dass die
Soldatenihren Sold nicht mehr regelmäßig erhielten. Indiesem Fall
mussten sie sich dann selbstversorgen und es kam oft zu
räuberischenÜberfällen und nicht selten Morden an
derZivilbevölkerung. So litt unter dem Krieg vorallem die einfache
Bevölkerung, die außerdemnoch der Willkür der Befehlshaber
ausgesetztwar, die jede besetzte Stadt mit hohenKontributionen,
Lebensmittelablieferungen
Crossen an der Oder als Teil der Mark Brandenburg
(1482–1701)9
Crossener StadtchronistenZu den herausragenden Persön-
lichkeiten dieser Zeit in Crossen zählen aufjeden Fall die drei
Stadtchronisten:Johann Prokopius war Rektor derCrossener Schule um
1540 und ist 1552gestorben. Mit seinem Werk CrossnischeEphemerides
und Haus–Chronika hat ergroße Verdienste um die Aufar-beitung
derStadtgeschichte. Johann Puchnerdagegen war zuerst
Stadt-schreiber, dannBürgermeister in den Jahren 1544, 1545,1552
und 1553 und anschließend Rektorder Lateinschule von 1577 bis 1585.
SeinLebenswerk heißt Annales und Zeitbuch derStadt Crossen, das er
1557 beendete. BeideWerke bildeten die Hauptquelle für dennächsten
Stadtchronisten JohannJoachim Möller (1659–1733), der derGeschichte
von Crossen ganze 14 Bändeschenkte. Leider ist keines von
diesenerwähnten Büchern bis heute erhaltengeblieben.
-
und Zwangsleistungen für das Heer belegten.Dies geschah
unabhängig davon, ob es sichdabei um eigene oder feindliche
Armeenhandelte. Als Beispiel kann hier Crossendienen, dass auf
Erlaubnis des Kurfürsten imApril 1631 von den Schweden
eingenommenwurde.
Der Stadtbrand von 1631
Obwohl die Schweden als Verbündete desKurfürsten galten,
betrachteten sie Crossenals feindliches Gebiet und beuteten
dieBevölkerung über alle Maßen aus. Die Stadtwurde zur Festung
erklärt und von denfeindlichen kaiserlichen Truppen, den
Katho-liken, belagert. Obwohl die Angreifer vielstärker waren,
gelang es den Schweden dieFestung zu verteidigen. Dabei wurde nur
dassich in der Vorstadt befindliche Hospital unddie St. Georgkirche
zerstört. So könnte manmeinen, dass sich das Leiden der
Bevölkerung,die darüber hinaus von verschiedenenKrankheiten geplagt
war, in Grenzen gehaltenhabe. Es kam aber anders. Am 4. August
1631ereignete sich ein Unglück von bis dahinunbekanntem Ausmaß. Aus
Unvorsichtigkeitder Schweden brach in der Stadtmitte einFeuer aus,
das innerhalb von ein paar Stundendie ganze Stadt in Schutt und
Asche legte. DerStadtchronist beschreibt das so:
Hier hatten schwedische Soldaten noch spätam Abend gestohlene
Karpfen und Entengesotten und gebraten, sich in (an?)
gemau-stemWeine besoffen und sich, unbekümmert um dasFeuer, mit
ihren Dirnen auf die Streu geworfen.In der Nacht war dieses dann zu
Kräftengekommen und hatte bald so schnell undfürchterlich um sich
gegriffen, dass binnen vierStunden die ganze Stadt samt Schloss,
Kircheund allen öffentlichen Gebäude in Asche lag.79
Matthias beschuldigte die Schweden, dassdiese, statt das Feuer
zu löschen und die Stadtzu retten, raubten was sie nur in die
Händebekommen konnten. Die Bürger konnten selbstnicht eingreifen,
da sich nur wenige von ihnennoch in der Stadt aufhielten und die
meistenaus Furcht vor den Besatzern und vor derPestgefahr schon
früher geflohen waren. An
diesem Tag verbrannten in Crossen 462Häuser. Gerettet werden
konnten nur diekleine Fischerkirche und einige Wohnhäuserauf der
Fischerei. Die Kirche der Fischer sowiedie Andreaskirche mit der
sie umgebendenSiedlung auf dem Berg wurden dann drei Jahrespäter
von den kaiserlichen Soldaten, die dieStadt 1634 eroberten, in
Brand gesteckt. Zuden weiteren Verlusten in diesem Krieg zähltauch
die Oderbrücke. Ihre Zerstörung warebenfalls das Werk der Schweden,
die diesmalals Gegner der Brandenburger im November1634 Crossen
erneut besetzten. Nach kurzenZeit wurden sie von den Kaiserlichen
gez-wungen, die Stadt zu verlassen, um dann imMai 1639 mit einer
größeren Truppe wieder zukehren und diesmal länger an der
Bober-mündung zu bleiben.
Crossen — eine schwedische Festung
Unter dem Befehlshaber Johann Gunnunternahmen die Schweden 1639
Schritte, umdie Stadt in eine Festung zu verwandeln. Dazu
Crossen an der Oder als Teil der Mark Brandenburg
(1482–1701)10
Festungsentwurf für Crossen aus der Zeit des 30–jährigen Krieges
(die Oderbrücke ist unten rechts,
das Schloss links zu sehen)
Projekt umocnieñ dla Krosna z okresu wojnytrzydziestoleniej
(most na Odrze znajduje siê w prawym
dolnym rogu, zamek – po lewej stronie)
-
wurden um die Stadt herum tiefe und breiteGräben angelegt und
vor allen Toren und aufder Fischerei erhoben sich gewaltige
Schanzenund Bastionen aus Holz und Erde. Alle diesemWerk im Wege
stehenden Häuser und Gärtenwurden weggerissen und eingeebnet. Das
nunwieder aufgebaute Schloss wurde durch einenWall und einen Graben
von der Stadt abget-rennt und zu einer Zitadelle ausgebaut.
Alldiese Arbeiten hatten die Crossener selbst unddie Einwohner der
umliegenden Dörfer unterAufsicht der schwedischen Soldaten
auszuf-ühren. Von diesem Zeitpunkt an diente das soverwandelte
Crossen den Schweden alsHauptstützpunkt in ihren Operationen
gegenSchlesien und die Neumark.80 Im Jahr 1641schloss dann der neue
Herrscher überBrandenburg, Friedrich Wilhelm, mit denSchweden einen
Waffenstillstand. Er überließihnen die militärische Besetzung
mehrererOrte und erhielt im Gegenzug von ihnen 1643die Zusage
völliger Neutralität. Die schwe-dischen Soldaten blieben noch bis
1644 inCrossen und haben es erst vier Jahre vor demWestfälischen
Frieden 1648 und dem damitverbundenen Ende des schrecklichen
Kriegesverlassen.
Die Politik von Friedrich Wilhelm, dem Großen Kurfürsten, nach
Kriegsende
Der junge Herrscher wendete seine ganzeAufmerksamkeit dem
Wiederaufbau desLandes sowie dessen Verbesserung undHebung zu.
Gleichzeitig beobachtete er dieEreignisse im Ausland und wusste
geschickteigene Vorteile aus den Konflikten seinerNachbarn zu
erzielen. In dem polnisch––schwedischen Kriege (1655–60) stellte er
sichzum Beispiel zuerst auf die Seite der Schweden,jedoch nur
solange, wie er davon profitierenkonnte. Sobald sich aber die Polen
als dieStärkeren erwiesen, wechselte er die Seitenund erlangte bei
den Friedensverhandlungenin Oliva 1660 den unabhängigen Besitz
vonPreußen. Das war das Ziel seines Taktierensgewesen. Seine
Politik war weiterhin gekenn-zeichnet von der Einmischung in
fremde
Konflikte, außer dem Kreis Schwiebus konnteer jedoch nicht viel
mehrdazu gewinnen. Fürseine Untertanen bed-eutete seine
Regie-rungszeit eine stän-dige Bedrohungdurch den Durch-marsch
fremderArmeen und dasGefühl von Unsi-cherheit und
Kriegs-gefahr.
5. Die Anfänge des Absolutismus
Im seinem letzten Jahrzehnt artete derDreißigjährige Krieg
vollends aus und führtezum sozialen, wirtschaftlichen und
sittlichenRuin des Landes, in dessen Folge dieBevölkerungszahl um
die Hälfte zurückging.Durch die im Westfälischen Frieden
1648anerkannte Selbständigkeit der einzelnendeutschen Fürsten wurde
die Reichseinheitimmer unbedeutender.81 Jedes Fürstenhauswar nun
auf seine Eigeninteressen bedacht undsuchte seinen Machteinfluss zu
vergrößern.Zum Muster einer neuen Staatsordnung wurdeFrankreich.
Hier regierte ein absoluterMonarch, dem gegenüber die
untergeordnetenStände ihren früher so entschiedenen
Einflussverloren hatten und Adel sowie Bürgertum zumehr oder
weniger machtlosen Untertanengeworden waren. Der absolute Monarch
stütztesich auf ein wohl ausgebildetes Beamtentumund auf ein
stehendes Heer. Beim Regie-rungsantritt des Großen Kurfürsten im
Jahr1640 war Brandenburg noch ein unbe-deutendes Land, aber durch
eine klugeAußenpolitik, Gebietserwerbungen und einestraffe innere
Neuordnung wuchs seinemilitärische Bedeutung, so dass es
allmählichzum stärksten deutschen Staate wurde.
Crossen an der Oder als Teil der Mark Brandenburg
(1482–1701)11
Der Große KurfürstFriedrich Willhelm (1640–1688)
Fryderyk Wilhelm,wielki elektor brandenburski
-
Der Salzhandel
Ein gutes Beispiel für das Eingreifen desStaates in die
Selbstverwaltung derStädte war die immer stärker werdendeBegrenzung
des Salzhandels, bis zurvollständigen Übergabe dieses
Wirtsch-aftszweiges in die Hände des staatlichenBeamtentums. Bis
1614 hatte derStadtrat das alleinige Recht auf denSalzhandel gehabt
und vor allem dasLüneburger und Stettiner Salzverkauft. Diese
Tätigkeit war einebedeutende Einnahmequelle für dieStadt und trug
wesentlich zurBereicherung ihrer Einwohner bei. Derdamalige
Kurfürst Georg Wilhelmsuchte jedoch nach Möglichkeiten, umseine
Finanzen zu verbessern. Soerhöhte er zuerst die Steuer, die auf
demSalzverkauf lag, und führte 1633 neueRegelungen ein, die ihm die
Einstellung vonZwischen-händlern ermöglichten. Ein weitererSchritt
war dann der Austausch dieserZwischen-händler durch eigene Beamte
und,im Fall von Crossen, der Bau eines eigenenSalzmagazins. Auf
diese Weise wurden dieEinkünfte der Stadt aus dem Salzhandel
sehrstark eingegrenzt und schrittweise ein Staats-monopol in diesem
Bereich aufgebaut.82
Garnison seit 1610
Der Entscheidung des Kurfürsten JohannSiegmund verdanken die
Crossener, dass sichseit dem zweiten Jahrzehnt des 17.Jahrhunderts
hier ein fester Sitz der Armeebefand und Crossen zu einer der
elfGarnisonstädte in Brandenburg wurde.83 DieTatsache, dass auch in
Friedenszeiten immerSoldaten in der Stadt stationiert waren, war
fürdie Bürger zuerst ziemlich befremdlich. Dashing damit zusammen,
dass die meistenSoldaten aus anderen Ländern kamen, inanderen
Kulturen aufgewachsen waren undihre Verhaltensweise den Crossenern
dahermanchmal unverständlich vorkam. Mit der Zeitjedoch konnten die
Bürger auch Vorteile in derStationierung der Armee in der Stadt
erkennen. Es wurden nämlich neue Arbeitss-tellen eingerichtet
und örtliche Produzentensowie Bauern konnten ihre Produkte an
die
Armee verkaufen. Mitder Zeit engagiertensich vor allem Solda-ten
höheren Rangesauch im gesellschaft-lichen Leben der Stadtund trugen
zu derenEntwicklung bei.
Der erste Anwalt, die erste Post und die Zeitung
Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts bedientesich die Stadt in
verwickelten oder bedeu-tenden gerichtlichen Angelegenheiten der
Hilfeauswärtiger Rechtsgelehrter, vor allem ausFrankfurt an der
Oder, Küstrin oderWittenberg. Erst 1658 siedelte sich der
ersteAnwalt in Crossen an. Jeremias Pestler fandhier genügend
Gerichtsfälle, um von seinemBeruf gut leben zu können.
Verwunderlicherscheint jedoch die Angabe von Matthias, dass72 Jahre
später die Zahl der Anwälte inCrossen auf 77 angestiegen war.84 War
dasCrossener Volk so streitsüchtig, dass so vieleMenschen mit deren
Hilfe ihre Ansprüchedurchsetzen wollten?
Ein wichtiges Ereignis in der Geschichte derStadt war die
Einrichtung der ersten fahrendenPost nach Frankfurt an der Oder und
nachGrünberg im Oktober 1662. Zum erstenPostmeister wurde der
damalige StadtschreiberMartin Thickau ernannt.
Diese Tatsache ermöglichte dem RatsherrnJeremias Lorenz 1675 die
erste handgesch-riebene Zeitung Newe und interessanteNachrichten
herauszugeben. Er entnahm seineNachrichten der seit 1661 in Berlin
gedruckten
Crossen an der Oder als Teil der Mark Brandenburg
(1482–1701)12
LandesknechtFähnrich aus der Mitte des 17.Jh.
¯o³nierz najemnyzpierwszej po³owy
XVII wieku
-
Zeitschrift Berliner Botenmeisterzeitung, die erper Post
zugeschickt bekam. Die dorterschienenen Informationen aus der
Regionund dem Ausland schmückte er zum Teil miteigenen Erfindungen
aus, zum Teil ergänzte ersie auch durch lokale Nachrichten und gab
sieseinen Schülern in vielen Exemplaren zumAbschreiben. In dieser
Form fand dieZeitschrift unter den gebildeten Crossenernviele treue
Leser. Dies erfahren wir aus denCrossnischen Annalen von Johann
JoachimMöller, der als Schüler des örtlichen Gym-nasiums
wahrscheinlich zu den tüchtigenHelfern von Lorenz gehört
hatte.85
Mit weniger Begeisterung begegneten dieCrossener 1684 der
Gründung der erstenDruckerei in der Stadt. Der Gründer, der
ausZüllichau stammende Michael Schwarz, warnämlich Autor von
Seculum Brandenburgicum.Darin hatte er sich zu religiösen
Fragen,insbesondere aber zur Reformation der Kirche,kritisch
geäußert, wofür er zu einer Gefäng-nisstrafe verurteilt worden war.
Danach war erzwölf Jahre lang als Buchdrucker in Crossentätig. Nach
seinem Tode wurde die Druckereigeschlossen und erst mit dem Zuzug
vonChristian Müller nach Crossen eine neueeröffnet. Von diesem
Drucker sind bis heute dieLeichenpredigten erhalten, einige von
ihnenbefinden sich heute im Stadtarchiv inFrankfurt (Oder).86 Die
Tätigkeit von Müllerendete 1706 und seinen Platz nahm dannJohann
Friedrich Liscovius ein, der mit demStadtchronisten Möller verwandt
war. DieseDruckerei war ca. fünfzig Jahre lang tätig, bisder
preußische König Friedrich II. einemanderen Drucker, Friedrich
Grunow, dasMonopolrecht für die ganze Neumark erteilteund dem
Crossener Liscovius 1761 keine neuenDruckrechte mehr erteilte.
Erste polnische Äsop–Fabelnerscheinen in Crossen
An diesem Punkt der Stadtgeschichte ist esangebracht, auf eine
interessante Episodeaufmerksam zu machen, die in der von
derdeutschen Kultur dominierten Stadt Platz fürein bedeutendes
Ereignis in der polnischen
Kulturgeschichte machte: Im Jahr 1658beschloss das polnische
Parlament, diearianische Glaubensgemeinschaft, die sogenannten
Polnischen Brüder, auszuweisen.Aufgrund dieser Entscheidung sahen
sich vielepolnische Familien, unter ihnen zahlreichehoch gebildete
und einflussreiche Menschen,gezwungen ihre Heimat zu verlassen.
Derbrandenburgische Kurfürst Friedrich Wilhelmzeigte sich bereit,
zahlreiche Familien inseinem Land aufzunehmen und bestimmteunter
anderem das in der Nähe von Crossengelegene Dorf Griesel und das am
linkenOderufer gelegene Gut Neudorf zu ihrerAnsiedlung. Auf diesem
Gut fanden dieNiemirycz ihr neues Zuhause. Das Haupt derFamilie war
der Diplomat Stefan Niemirycz. Erpflegte auch in den folgenden
Jahren engeBeziehungen mit Polen und wurde sogar fürkurze Zeit
polnischer Botschafter ambrandenburgischen Hof. Sein Sohn
KrzysztofNiemirycz war Schriftsteller und verfasste dieerste
polnische Märchensammlung, die sich anden berühmten Fabeln des
Griechen Äsoporientierte. Dieses Buch wurde bei Müller inCrossen im
Jahr 1699 gedruckt. Bemer-kenswert ist daran, dass in dieser
Ausgabetypisch polnische Buchstaben fehlen. DieMüllerische
Druckerei besaß offenbar nur diedeutschen Druckbuchstaben und
ersetzte, wieman auf dem Titelblatt sehen kann, diefehlenden
Druckbuchstaben durch andere.
Diese Äsop–Fabeln von Niemirycz hattengroßen Einfluss auf die
polnische Aufklärung.Ihre philosophischen und
erzieherischenGedanken prägten den neuen Geist, der sich zudieser
Zeit in Polen erst aus der Barockkulturzu entwickeln begann. Die
Märchen hat derAutor dem aus Sachsen stammenden polnis-chen
Thronfolger August III. gewidmet, der1699 erst drei Jahre alt war.
Der Wunsch desAutors war, dass der künftige König mit Hilfedieser
Märchen die polnische Sprache lernenmöge, was August III. nie getan
hat. NachMeinung von Stanis³aw Fumaniak ist alseigentlicher
Adressat wohl eher der damaligeKönig von Polen und Kurfürst von
SachsenAugust II. anzusehen.87
Crossen an der Oder als Teil der Mark Brandenburg
(1482–1701)13
-
Weinanbau und Bierbrauereiin Crossen
Mehrere Jahrhunderte lang warCrossen stolz darauf, der
nördlichsteOrt in Europa zu sein, in dem nochWein angebaut wurde.
In denStadtchroniken hat man mit großerSorgfalt alle guten und
schlechtenWeinjahre notiert. Solche Angabenfindet man erstmals in
Bezug aufdas 13. Jahrhundert, die erstenWeinstöcke sollen aber
bereits 1154von Siedlern aus dem Rheinlandnach Crossen gebracht
worden sein.Die Sonneneinstrahlung an derOder eignete sich sehr gut
für diesenbesonderen Anbau. Die städtischen Weingärtenerstreckten
sich daher über 6 Kilometer vonHundsbelle im Osten bis nach
Merzdorf imWesten. Außerdem wurde Wein auch inmanchen umliegenden
Dörfern angebaut.88
Bis zum 16. Jahrhundert befanden sich dieWeinberge hauptsächlich
im Besitz der Kircheund der Klöster. Mit der Reformation kamdann
die Mehrheit in private Hände, man fingdamals auch an, rote
Weinsorten um Crossenherum anzubauen. Mit der Zeit hörte der
Weinauf, nur ein Genussmittel der reichen Leute zusei, und wurde
auch breiteren Schichten desBürgertums zugänglich. Bei
besonderenAnlässen ließ der Stadtrat die Bürger mit Weinbeköstigen.
In dieser Zeit galt als besondersgute Weinjahr der 1594er Jahrgang,
im Jahr1604 erreichte die Weinernte dann sogar das25fache der
jährlichen Durchschnittsernte.Auch 1666 ist in der Stadtchronik als
sehrgelungener Jahrgang notiert. Der Wein solldamals von so guter
Qualität gewesen sein,dass die Väter ihn für die Aussteuer
ihrerTöchter aufbewahrt haben. Als die Hoch-zeitsbitter dann
meldeten, dass man 66ertrinken würde, war großer Zulauf
vonHochzeitsgästen zu erwarten. Zum letzten Malhat man den Wein bei
der Hochzeit desApothekers Rauers im Jahr 1689 getrunken.89
In der Statistik aus dem Jahr 1749 hat man dieEinkünfte aus den
städtischen Ländereien auf
4250 Taler geschätzt, davon betrug der Anteilaus dem Weinanbau
1390 Taler.90 DieserProduktionszweig war neben der Tuchma-cherei
bis Ende der 18. Jahrhunderts dieHaupteinnahmequelle der Crossener
Bürger.
Nach Tuchwaren und Wein war dasdrittwichtigste in Crossen
hergestellte Produktdas Bier. Bereits im 15. Jahrhundert waren
dieBürger im Besitz eines Privilegs, das ihnen dasausschließliche
Recht am Bierausschank in derStadt und in den umliegenden
Dörferneinräumte. Dieses Privileg wurde dann in denfolgenden
Jahrhunderten zum Streitpunktzwischen den Crossenern und dem
Landadel.Schrittweise gelang es letzterem immer
neueTeilkonzessionen vom Kurfürsten zu erlangenund die Rechte der
Stadt einzuschränken. Indiesem Konflikt stellte sich die
bereitserwähnte Kurfürstin Elisabeth Charlotte aufdie Seite der
Stadtbürger und verteidigte siegegenüber der Willkür des Landadels.
Nachihrem Tod kam es aber wieder zu heftigemStreit. Da das
Stadtbier nur noch in wenigenDörfern verkauft werden konnte,
gerieten dieCrossener Brauer in immer größere
finanzielleSchwierigkeiten. Dazu kam noch derStadtbrand von 1708,
der das ganze Hab undGut der Einwohner in Schutt und Asche
legte.Was für eine Rolle der Verzehr von Bier imdamaligen Alltag
spielte, deutet eine Listelebensnotwendiger Mittel an, die nach
dem
Crossen an der Oder als Teil der Mark Brandenburg
(1482–1701)14
Weinprobe in Crossener Weingärten um 1928
Degustacja wina w kroœ?nieñskich winnicach,zdjêcie z ok. 1928
roku
-
Brand zusammengestellt worden war. Es maguns heute vielleicht
wundern, aber an ersterStelle auf der Nahrungsmittelliste stand
ebenBier. Es wurde sogar höher geschätzt alsWasser, da man sich bei
letzterem nie seinereinwandfreien Qualität sicher sein
konnte.Trinkwasseraufbereitungsanlagen gab esdamals nicht, deswegen
trank man lieber Bier,bei dem die Gefahr einer Vergiftung nicht
mehrso groß war.91 Den größten Ruhm erlangte dasCrossener Bier
gegen Ende des 17. Jahr-hunderts, als Johann Kranz die
Schloss-brauerei pachtete. Sein Schlossbier sollbesonders
schmackhaft gewesen sein, so dass erauch viele Kunden in Berlin
fand.
Zauberei– und Hexenprozesse
In Crossen, ähnlich wie in ganz Europa,fanden Hexenprozesse
statt. Zum Glück nimmtaber die seit dem 16. Jahrhundert
protes-tantische Stadt in dieser Hinsicht keinenbesonderen Platz in
der Geschichte ein. DieZahl der wegen Hexerei zum Tode
verurteiltenPersonen war gering, in den Stadtchronikenwerden
allerdings mehrere Personen erwähnt,die deswegen eine Strafe
verbüßen mussten.Eine erste Erwähnung dieses Themas findenwir bei
Obstfelder, der über eine Kuriosität imStrafverfahren berichtet:
Der Rat der Stadt ließ1561 einen großen Korb anfertigen, um
böseWeiber darein zu setzen.92 Von einer ersten
solchen Anklage berichtet Matthias 1618: DerHexerei verdächtigt
wurde damals eine alteFleischerin aus Drehnow, Rosina Pech. Manhat
sie so lange im Keller des Rathausesgefoltert, um sie zum
Geständnis zu zwingen,bis sich die verzweifelte Frau im
Ratsgefängniserhängte Zu einer Verbrennung auf demScheiterhaufen
kam es daher nicht mehr. ZweiJahre später gab es den nächsten
Prozess,diesmal wurde die so genannte „schwarzeKäthe” verurteilt
und wahrscheinlich imStadtgraben ertränkt.93
Als 1625 in Crossen eine Epidemie ausbrachund den Tod von ca.
1500 Menschen mit sichbrachte, suchte man verzweifelt nach
Ursachen
oder eigentlich nach Verantwortlichenfür dieses Unglück. So
verdächtigte maneine Frau, dass sie den Brunnenvergiftet habe.
Obwohl sie sich fürunschuldig erklärte, folterte man sie zuTode. Da
die Einwohner mit diesemErgebnis nicht zufrieden waren, richteteman
die Anklage nun gegen ihren Mann.Noch während der Verhöre soll
erwahnsinnig geworden sein und diessahen die Richter als einen
Beweis dafür,dass er vom Teufel besessen war. DerMann wurde dann
auf dem Scheit-erhaufen verbrannt. In Crossen gab esin diesen
düsteren Zeiten einen Henker;die Todesstrafe — Enthauptung
oderÖffnen der Adern — wurde öffentlich
auf dem Markt vollstreckt. Sollte der/dieVerurteilte erhängt
werden, wurde diese Artder Todesstrafe vor dem Glogauer Tor
aus-geführt. In der zweiten Hälfte des 17. Jahr-hunderts wurden
dann die Strafen wegen einerangeblichen „Teufelsliebschaft” bereits
milder.Als 1666 ein Hirte aus Lagow diesesVerbrechens beschuldigt
wurde, wurde erlediglich mit Rutenschlägen bestraft und desLandes
verwiesen. Damit scheint für Crossendie Zeit der Hexenprozesse
vorüber gewesen zusein. In anderen Städten fanden solche noch bisin
die Mitte des 18. Jahrhunderts statt, obwohlsie in Preußen 1714
offiziell verboten wordenwaren.94
Crossen an der Oder als Teil der Mark Brandenburg
(1482–1701)15
Das Etikett einer Flasche Crossener Wein, Jahrgang 1937
,„Crosener Bischofsgarten”
Etykieta butelki kroœnieñskiego wina, rocznik 1937 o
nazwie„Kroœnieñski Ogród Biskupi”
-
Das Stadtpanorama anno domini 1680
Nach den tragischen Ereignissen desDreißigjährigen Krieges und
eigentlich nochvor Abschluss des Westfälischen Friedens von1648
begann man in Crossen bereits mit demWiederaufbau der Stadt.
Ziemlich schnellwurden zahlreiche öffentliche Gebäudeerrichtet und
neue Wohnhäuser gebaut. Heutefehlen uns leider detaillierte
Überlieferungen,wie die neue Stadt damals ausgesehen hat,
diemeisten historischen Quellen sind nämlichwährend des
katastrophalen Stadtbrandes1708 verbrannt.
Das älteste erhaltene Stadtbild stammt ausdem Jahr 1680 und
wurde von einemholländischen Offizier namens Door von
Callangefertigt. Er muss zu den Lehrmeisterngehört haben, die
Kurfürst Friedrich Wilhelmaus der Heimat seiner Frau Louise
Henriettevon Oranien herbeigerufen hatte, um beimWiederaufbau
seines Landes zu helfen. Doorvan Call fertigte damals mehrere für
dieTopographie der Stadt Crossen äußerstwichtige Ansichten an.95
Zwei von diesenkonnte die Autorin dieses Buches ausfindigmachen:
Eine zeigt im Vordergrund dieBebauung auf der Bergseite um
dieAndreaskirche herum und im Hintergrund dieAltstadt. Dieses ein
bisschen verzerrt wirkende
Panorama stellt auf der rechten Seite die Oderdar und ganz links
im Bild, dort wo wir so gerndas alte Schloss sehen würden, steht
imVordergrund eine große Fichte. Die Aufmer-ksamkeit des
Betrachters richtet sich auf denhochragenden Turm der Pfarrkirche,
derdeutlich höher ist als die anderen Gebäude.Seine Form ist
vollkommen anders als die, dieer dann nach dem Brand von 1708
bekam.Auch die Andreaskirche ähnelt dem uns heutebekannten
Gotteshaus nicht. Es ist einFachwerkgebäude, das erst 1634
wiederaufgebaut wurde und dann keinen Turm mehrhatte.
Wie die Raumplanung der Stadt ausgesehenhaben könnte, erfahren
wir, wenn auch invereinfachter Form, aus einer Skizze
desStadtplanes aus dem Jahr 1650, die Matthiasaufgrund ihm
zugänglicher Quellen 1849anfertigte. Die von den Schweden
getroffenenVeränderungen sowie die so genanntenSchwedenschanzen
sind hier ganz deutlich zuerkennen. Die Stadt bekam damit
denCharakter einer Festung: von Mauernumgeben und mit einem
Wassergrabenabgegrenzt macht sie den Eindruck einesuneinnehmbaren
Bollwerks. Der Eingang indie Stadt wurde von drei Toren
überwacht,deren hohe Türme die Silhouette von Crossenwesentlich
prägten.
Wie diese Tore ausgesehen haben, lässt sicham Stadtbild, das
Daniel Petzold auf einemStich darstellte, erkennen. Dieses Bild ist
auf1711 datiert, muss jedoch vor 1705 angefertigtworden sein. Das
Odertor scheint kleiner alsdie anderen zu sein und hat eine scharfe
Spitzemit Stern. Das Steintor besaß einen hohenTurm mit Satteldach.
Das geräumige Innerebot Raum für Wachstuben und auch fürWohnräume.
Das Glogauer Tor zierte einwuchtiger Turm, dessen übergebaute
Krönungim Renaissancestil waagerecht abschloss.Alle Stadttore
hatten Zugbrücken, die dieÜberquerung des Stadtgrabens
ermöglichten.In der Mitte des Marktplatzes stand
dasRenaissancerathaus mit seinem zierlichen,schlanken Turm, der dem
Turm des Rathausesin Grünberg oder in Züllichau auf ein Haar
Crossen an der Oder als Teil der Mark Brandenburg
(1482–1701)16
Stadtpanorama gezeichnet 1680 von Door van Call
Panorama miasta autorstwa Doora van Calla z 1680
-
glich. Bis zum DreißigjährigenKriege ragte von dem Satteldachdes
Rathauses dieser Turm mitUhr und kupferner Kuppel empor,der nach
dem Brand von 1631zunächst nicht wieder aufgebautworden war und
erst von einemSchweden, Peter Jonassohn, 1673neu angefertigt wurde.
In seinemnördlichen Teil befand sich dasKaufhaus und anfänglich
auch dieApotheke, die später verlegtwurde. Matthias beruft sich
aufMöller und erzählt folgendeGeschichte dazu: Es war aberan der
Schenkstube ein kleinKämmerlein in dem Turm angel-egt, nach einen
Hut oder Schraubedarin zu verwahren. DiesesKämmerlein ließ ein
Schenke demanderen erweitern durch Abbauender Ecken, das endlich
gar etlicheSauf– und Spielbrüder darinincognito sitzen könnten.
Dadurchwar der Grund geschwächtworden.96 Der Rathausturm stürzte am
10. Mai1705 mit gewaltigem Krach ein. Ehe man andie
Wiederherstellung des Turmes denkenkonnte, brach dann das bereits
erwähnte großeFeuer aus. Erst danach wurde das nun
völligabgebrannte Rathaus an die Nordseite desMarktes verlegt und
neu aufgebaut.97
Auf dem Stich von Petzold ist auch derhöchste aller Türme gut zu
sehen, der derMarienkirche.98 Das war ein gewaltiger,wuchtiger
Steinkoloss, dessen vier geradeemporragende Seiten durch vier
Simsegegliedert wurden. Jede Seite trug dreischmale, hohe
Einbuchtungen, vielleichtFenster. Oben schloss ihn ein Zierrand ab.
EinSatteldach mit zwei Fähnchen war darübersichtbar. Die Kirche
wurde gleich nach demBrand von 1631 neu aufgebaut, der Turmjedoch
bekam seine Form erst in der Mitte des17. Jahrhunderts. Bereits in
den ersten Jahrendes 18. Jahrhunderts erwies sich die Kirche alszu
klein und es wurden Pläne für deren Ausbauangefertigt. Mit den
Arbeiten begann man im
Jahr 1705. Da jedoch dieses Unternehmenfinanziell nicht
gesichert war, wurden dieBauarbeiten unterbrochen und erst
1707wieder aufgenommen. Das damals aufgestellteBaugerüst brannte
dann mitsamt der Kircheam 8. April des folgenden Jahres ab.
Danachdauerten die Bauarbeiten weitere zwanzigJahre, bis die
Pfarrkirche die uns heutebekannte, schöne barocke Form bekam.
Das Crossener Schloss mit seinem Uhrturmzeigt sich auf dem Stich
von Petzoldmajestätisch und seine Architektur unter-scheidet sich
deutlich von der der Stadt. Infolgedes von den Schweden
unternommenenUmbaus war es nun von allen Seiten mitWassergräben
umgeben. Der Zugang zumSchloss erfolgte durch einen
viereckigenTorturm und über eine Zugbrücke. Das Schlosshatte auch
eine eigene Wassermühle und gegenEnde des 17. Jahrhunderts kamen
imnördlichen Teil des Geländes noch zwei weitereWirtschaftsgebäude
hinzu.
Crossen an der Oder als Teil der Mark Brandenburg
(1482–1701)17
Stadtplan von Crossen im Jahr 1400 nach Matthias
Plan miasta Krosna w 1650 wed³ug Matthiasa