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Aufbaukurs NT I – Rückfrage nach Jesus1
Aufbaukurs Neues Testament I - Rückfrage nach Jesus (WS
2017/18)
Allgemeine Vorbemerkungen
1 Geographisch-topographischer Rahmen der Evangelien 1.1
Palästina insgesamt (Landschaftsabschnitte) 1.2 Galiläa und
Umgebung: Galiläa allgemein (ethno-kulturell, ökologisch,
ökonomisch, politisch, religiös);
einzelne Orte: Nazaret, Sepphoris, Kana, Tabor, Naïn, Kafarnaum,
Tabga, See Gennesaret, Chorazin, Betsaida, Magdala, Tiberias, Tyrus
und Sidon, Caesarea Philippi, Dekapolis: Gerasa, Gadara,
Skytho-polis
1.3 Jerusalem und seine nördliche wie südliche Umgebung:
Samaria, Sichem, Caesarea Maritima; Jerusa-lem mit Tempel, Burg
Antonia, Prätorium, Palast des Herodes, Teiche Betesda und
Schiloach, Golgota; Ölberg mit Betanien, Betfage und Getsemani;
Jericho, Betlehem, Herodeion
2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund der Evangelien: Die Zeit
zwischen Herodes I. und dem Jüdischen Krieg 2.1 Herodes I., der
Große (37 - 4. v. Chr.) 2.2 Söhne des Herodes: Archelaos,
Philippus, Herodes Antipas 2.3 Herodes Antipas (4 v. - 39 n. Chr.),
der Landesherr Jesu 2.4 Pontius Pilatus (röm. Präfekt 26 - 36 n.)
2.5 Der Jüdische Krieg und der Neuanfang nach der Zerstörung
Jerusalems 2.5.1 Die Zeit vor dem Jüdischen Krieg 2.5.2 Der
Jüdische Krieg (66 - 70 n.) 2.5.3 Das palästin. Judentum nach dem
Fall Jerusalems (Javne; Bar Kochba-Aufstand 132-135 n.; Folgezeit)
2.5.4 Ergänzung: Frühjüdisches und rabbinisches Schrifttum 2.5.4.1
Jüdische Apokryphen, Philo von Alexandrien (Schriften von Qumran:
s. u.) 2.5.4.2 Rabbinisches Schrifttum 2.5.4.2.1 Perioden des
rabbinischen Judentums 2.5.4.2.2 Traditionssammlungen des
rabbinischen Judentums (Mischna, Tosefta, Baraita, Gemara,
palästinischer
und babylonischer Talmud) 2.5.4.2.3 Midrasch (sowie Targum und
Pescher) 3 Religiös-politische Parteien und Bewegungen zur Zeit
Jesu und des NT 3.1 Sadokiden / Sadduzäer 3.1.1 Name und Geschichte
3.1.2 Inhaltliche Positionen (Theologie, Anthropologie etc.) 3.1.3
Die Sadduzäer im NT / Jesus und die Sadduzäer 3.2 Pharisäer 3.2.1
Name und Geschichte 3.2.2 Inhaltliche Positionen (Theologie,
Anthropologie, Frömmigkeit und Politik) 3.2.3 Die Pharisäer im NT /
Jesus und die Pharisäer 3.3 Essener / Verhältnis zur
Qumran-Gemeinde 3.3.1 Essener (Josephus, Bell 2,119-161; Ant
18,18-22; Philo, Quod omnis probus 75-91; Plinius d. Ä., Hist.
nat. 5, 17, 73) 3.3.2 Verhältnis der Essener zur Qumran-Gemeinde
3.3.2.1 Qumran: Handschriftenfunde und Ausgrabungen 3.3.2.2 Essener
und Qumran: Ähnlichkeiten, Differenzen, Hypothesen 3.3.2.3 Der
„Lehrer der Gerechtigkeit“ (CD, 1QpHab, 4Q14) 3.3.2.4 Johannes der
Täufer und Jesus im Verhältnis zu Qumran 3.3.2.5 Bedeutung der
Qumran-Handschriften für das NT (bes. zur Diskussion um 7Q4 und
7Q5) 3.4 „Vierte Philosophie“: Zeloten, Sikarier 3.4.1 Name,
Geschichte, politisch-religiöse Anschauungen 3.4.2 Jesus und die
Zeloten bzw. Sikarier 3.5 Messiasse und Propheten 3.5.1 Die
„Messiasse“ 3.5.1 Die „Propheten“ (u. a. Johannes d. T.) 3.5.3
Folgerungen für Johannes den Täufer und Jesus 4 Vertiefende
Ergänzungen und Auslegungen wichtiger Evangelien-Texte 4.1 Johannes
der Täufer und Jesus 4.1.1 (Wiederholung) Unterschiedliche Quellen
(Q, Mk, SLk, Joh, Sonstiges) 4.1.2 Predigt und Wirken des Täufers
4.1.2.1 Unerbittliche Gerichtspredigt (Mt 3,7-10.12 / Lk 3,7-9.17)
4.1.2.2 Wüstenaufenthalt und Lebensweise des Täufers;
Selbstverständnis (Mk 1,4.6par; Mt 11,7par)
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Aufbaukurs NT I – Rückfrage nach Jesus2
4.1.2.3 Die Spendung der Taufe als besonderes Kennzeichen (Mk
1,4-5; Mt 3,1.5 / Lk 3,2-3) 4.1.2.4 Hinweis auf die Taufe mit Feuer
und Geist durch den kommenden „Stärkeren“ (Mk 1,7-8par) 4.1.3 Der
Tod des Täufers (Mk 6,17-29par; Josephus, Ant 18,116-119;
Vergleich) 4.1.4 Johannes der Täufer – der Vorläufer Jesu? 4.2 Jesu
Taufe durch Johannes (Mk 1,9-11par) 4.2.1 Synchrone Analyse von Mk
1,9-11par 4.2.1.1 Kontext, Gliederung und Darstellungsweise 4.2.1.2
Einzelerklärung Mk 1,9-11 (kursorisch) 4.2.1.3 Einzelerklärung der
Seitenreferenten Mt 3,13-17; Lk 3,21-22; Joh 1,32-34 (kursorisch)
4.2.2 Form und Gattung / Textsorte (bes. Mk-Text) 4.2.3 Diachrone
Textanalyse (Redaktion und Tradition, historische Rückfrage,
Erklärungsversuche) 4.2.4 Theologische Auslegung und Aktualisierung
4.3 Jesus als Täuferjünger und seine Trennung vom Täufer 4.4 Jesu
Verkündigung der Gottesherrschaft / des Gottesreiches (basileia tou
theou) 4.4.1 Zusammenfassung Grundkurs I 4.4.2 Auslegung und
Vertiefung von Mk 1,14-15par 4.4.2.1 Zusammenfassung der Tätigkeit
Jesu in Mk 1,14 4.4.2.2 Resümee der Verkündigung Jesu in Mk 1,15ab
(bes. zum Begriff basileia tou theou bei Jesus und zur
möglichen Verankerung im Visionswort Lk 10,8) 4.4.2.3
Folgerungen für die HörerInnen in Mk 1,15cd (Umkehr, Glaube)
4.4.2.4 Zusammenfassung zu Redaktion und Tradition in Mk 1,14-15par
4.5 Die Botschaft der Gleichnisse und Parabeln Jesu 4.5.1
Allgemeines 4.5.2 Begriffsbestimmungen, weitere Einteilungen,
Erzählgesetze 4.5.3 Überlieferung und Redaktion der Gleichnisse
(Jesus – Urkirche – Synoptiker) 4.5.4 Beispiele 4.5.4.1 Kursorisch:
Sämann, selbstwachsende Saat, Senfkorn und Sauerteig, Schatz im
Acker und Perlenkauf-
mann; kluger / betrügerischer Verwalter 4.5.4.2 Ausführlicher:
Arbeiter im Weinberg Mt 20,1-16: Kontext, Struktur,
Einzelerklärung, erzählerisches
Geschick, Gattung, Überlieferung und Redaktion, Aussage: Jesus –
Mt, Aktualisierung 4.6 Die Wunder Jesu 4.6.1 Wiederholung Grundkurs
I: Wunderverständnis; Wunderüberlieferungen im NT: Logien,
Summarien,
Wundergeschichten; Verankerung im Leben Jesu und urchristliche
Gestaltung, Historizität … 4.6.2 Zusammenfassung und Aktualisierung
4.6.3 Beispiele 4.6.3.1 Heilung der Schwiegermutter des Petrus (Mk
1,29-31par; Zusammenfassung und Vertiefung von
Grundkurs I): Kontext, Struktur, Einzelerklärung, Bearbeitung
durch Mt/Lk, Form und Gattung, Redak-tion, Tradition und
historische Rückfrage
4.6.3.2 Jesu Wandel auf dem See (Mk 6,45-52par): Kontext und
Abgrenzung, Struktur, Texterklärung nach Mk; Form und Gattung,
Redaktion und Tradition, vermutliche Textentstehung und histor.
Rückfrage, theol. Zusammenfassung und Aktualisierung
4.7 Nachfolge Jesu / Berufung von Jüngern (Zusammenfassung
Grundkurs I; Sammlung Israels, Beru-
fungserzählungen, Frauen um Jesus) 4.8 Jesus und die Tora
(Zusammenfassung Grundkurs I) 4.9 Der Gang nach Jerusalem: Einzug,
Tempelreinigung, Konflikte 4.10 Das letzte Mahl Jesu 4.11
Todesbeschluss, Gefangennahme, Verhör und Prozess, Verurteilung
4.12 Kreuzigung, Tod und Begräbnis 4.13 Die österliche Wende:
Grabesgeschichten und Erscheinungen des Auferstandenen
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Aufbaukurs NT I – Rückfrage nach Jesus3
Literatur zu Aufbaukurs NT I – Rückfrage nach Jesus (WS 2016/17)
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Aufbaukurs NT I – Rückfrage nach Jesus10
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Aufbaukurs NT I – Rückfrage nach Jesus11
Palästina z. Z. Jesu
Palästina
Der heutige Staat Israel besitzt (mit den besetzten Gebieten
Golan, Gazastreifen und Westjordanland) eine Ge-samtfläche von 27
650 km2 (entspricht ungefähr der Größe Niederösterreichs). Trotz
der relativen Kleinheit des Landes (max. Länge: 420 km; Breite
variiert zwischen 20 und 116 km) ist dieses Gebiet eine uralte
Landbrücke (zwischen Ägypten und Mesopotamien [ð fruchtbarer
Halbmond]) und seit jeher Schnittpunkt und Drehscheibe der
Kulturen. – In Kontrast zur Kleinheit des Landes steht die Vielfalt
von vier – klimatisch teilweise krass von-einander unterschiedenen
– Landschaftsabschnitten:
1. Küstenebene mit mediterranem Klima. 2. Westjordanisches
Bergland (Galiläa, Samaria und Judäa) sowie Ostjordanisches
Bergland (heute Jordani-en). Diese Gebiete weisen starke
klimatische Unterschiede auf: Galiläa ist gezeichnet durch hohe
Fruchtbarkeit infolge des klimabegünstigenden Sees Gennesaret,
während die Judäische Wüste (stark hügelige Steinwüste im Südosten
von Jerusalem) typisches Wüstenklima aufweist. 3. Die Jordansenke
schneidet tief in das Berg- und Hügelland ein (der Höhenunterschied
Jerusalem – Jericho beträgt über 1000 Meter). Die Fruchtbarkeit des
Jordan wie auch die starke Depression zeitigen vor allem in der
Gegend um Jericho subtropische Vegetation (Jericho, die
„Palmenstadt“). Das Tote Meer liegt fast 400 Meter unter dem
Meeresspiegel und bildet mit seinen zusätzlichen 400 Metern Tiefe
die stärkste Depression der Welt. 4. Der Negev (das Südland):
Niederschlagsarmes Wüstengebiet.
Galiläa Soziologisches
a) Ethno-kulturelle Spannungen zwischen Juden und Heiden: Vgl.
Jes 8,23 (zit. Mt 4,4) und 1 Makk 5,14f: „Ga-liläa der
Heiden/Fremdstämmigen“. Nach 721 v. (Fall des Nordreiches) wurden
wohl ähnlich wie in Samaria fremde Völker angesiedelt (vgl. 2 Kön
17,24-41). Unter dem Makkabäer Aristobul I. (104-103 v.) wird
Galiläa zurückerobert, mit Judäa vereinigt und erfolgreich
rejudaisiert. – Zur Zeit Jesu war Galiläa zweifellos ein jüdisch
geprägtes Land, doch wurde es von einer hellenistisch geprägten
Oberschicht in den Großstädten regiert. Das zeitigte:
b) Sozio-ökologische Spannungen zwischen Stadt und Land: Galiläa
war eine jüdische Enklave, umgeben von hellenistischen
Stadtrepubliken: Tyrus, Sidon, Ptolemais, der Dekapolis sowie dem
verhassten Samaria mit dem hellenistisch geprägten Sebaste. Aber
auch mitten in Galiläa stehen die hellenistischen Städte
(Sepphoris, Tibe-rias) in krassem Gegensatz zur ländlich-dörflichen
Umgebung und ihrer angestammten jüdischen Bevölkerung. Besonders
unter Herodes Antipas wird Sepphoris als hellenistische Stadt
ausgebaut und Tiberias neu gegründet. Die Zerstörungswut der
Landbevölkerung richtet sich öfter gegen diese Städte, und auch die
Jesusüberlieferung schweigt von den beiden größten galiläischen
Städten. Jesus wandte sich v.a. der Bevölkerung auf dem Land zu und
hatte zu den hellenistischen Zentren ein distanziertes
Verhältnis.
c) Sozio-ökonomische Spannungen zwischen Reichen und Armen:
Starke soziale Schichtung hängt vor allem mit dem Landbesitz
zusammen. Die Gleichnisse Jesu zeigen, dass die Großgrundbesitzer
Absentismus prakti-zierten (lebten in der Stadt), während die
Pächter nur grollend ihre Erträge ablieferten (vgl. die rebellische
Stimmung in Mk 12). Die Kleinbauern lebten in kargen Verhältnissen,
immer von Verschuldung bedroht (vgl. das fremde Recht der
Schuldhaft in Mt 5,25f; 18,23ff; häufiger Abstieg zu Pächtern,
Mietarbeitern, Bettlern und Räubern).
d) Sozio-politische Spannungen zwischen Herrschern und
Beherrschten: Etliche Male belegt Flavius Josephus, dass sich diese
Spannungen in Aufständen und wiederholten Unruhen entluden. Die Pax
Romana (vgl. Tacitus, Hist 5,9,2: „sub Tiberio quies“) dürfte
aufgrund des starken religiösen und kulturellen Widerstandes der
Bevöl-kerung in Palästina nur geringe Wirkungen gehabt haben.
e) Religiöse Spannungen zu Judäa und Jerusalem: Obwohl man in
Galiläa in aller Treue zum Tempel stand und die Unterscheidung zu
den heidnischen Völkern betonte, galten die Galiläer aufgrund der
unter a) genannten Gründe als religiös ungebildet und als
Ignoranten in rituellen Fragen (vgl. den JOCHANAN BEN ZAKKAI [um
70] zugeschriebenen Ausruf: „Galiläa, Galiläa, du hasst die
Tora!“). Topographie
Nazaret: Nazaret liegt in einer fruchtbaren Gegend, im Hochtal
eines Bergausläufers, offen zur Jesreelebene hin, doch nicht direkt
auf einem Berg (diff. Lk 4,29). Der Ort wird in vorchristlicher
Zeit nicht genannt (weder im AT noch bei Flavius Josephus). Nazaret
war offensichtlich eher klein und unbedeutend (vgl. Joh 1,45f:
„Kann denn aus Nazaret etwas Gutes kommen?“). Im NT wird Jesus
Nazarhno,j (Mk, Lk) oder Nazwrai/oj (Mt, Lk, Apg, Joh) genannt
(vielleicht vom ursprüngl. Namen Nazará: Lk 4,16 zum einzigen Mal
im NT erwähnt). Nach
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Aufbaukurs NT I – Rückfrage nach Jesus12
Lk 1-2 stammten Maria und Josef aus Nazaret, nach Mt 2,22 zogen
sie erst später dorthin. Nazwrai,oi ist auch älteste Bezeichnung
für die Anhänger Jesu (Apg 24,5). Heute: Verkündigungsbasilika,
Josefskirche, Marien-brunnen und Gabrielskirche, alte
Synagogenkirche.
Zippori (Sepphoris): 5 km nördlich von Nazaret. Von Herodes
Antipas (Sohn Herodes d. Gr.) als hel-lenistische Residenz
ausgebaut. Vom hellenistischen Leben zeugen heute noch die Ruinen:
Theater, Palast, Nymphäum, Tetrapylon, Cardo und Decumanus sowie
Villen mit Mosaiken („Venus von Galiläa“). Auch eine große jüdische
Siedlung und eine Synagoge (mit Mosaik). – Wird im NT nie erwähnt;
offensichtlich hat Jesus die hellenistische Stadt bewusst gemieden.
Auch in den Gleichnissen Jesu spiegelt sich primär die Lebenswelt
der ländlichen Bevölkerung; die Stadtmetaphorik fehlt aber nicht
völlig.
Kana: Das heutige Kafr Kana liegt 6 km nordöstlich von Nazaret.
Moderne Forscher verlegen das biblische Kana (vgl. Joh 2,1-11;
4,47; 21,2) aber eher nach Khirbet Kana (14 km nördl.).
Berg Tabor: Rundhügel am Rand der Jesreelebene, von Nazaret aus
zu sehen; schon sehr früh besiedelt, altes Heiligtum; in der
Tradition (nicht im NT) als „Berg der Verklärung“ bestimmt.
Nain: südlich vom Tabor in der Ebene, in Lk 7,11 als „Stadt“ mit
einem Stadttor gezeichnet (im Unterschied zu den Ausgrabungen).
Kafarnaum: Wohnort des Simon und Andreas. Nach den Evangelien
die Hauptstätte des Wirkens Jesu, nach Mt 9,1 „seine Stadt“ (ist
Jesus regelrecht dorthin übersiedelt?). Wenn auch als „Stadt“
bezeichnet, war es doch eher ein größeres Fischerdorf am See
Gennesaret. 5 km entfernt verlief die Grenze zwischen dem Gebiet
des Herodes Antipas und dem Territorium des Philippus. An der
Jordanmündung bei Betsaida lag eine Zollstätte (vgl. Mk 2 / Mt 9);
wohl deswegen war dort auch eine Garnison stationiert (vgl.
Hauptmann von Kafarnaum, der – nach Lk 7,5 – den Bau der Synagoge
förderte). – Die Ruinen einer herrlichen Synagoge aus dem 4./5.Jh.
ruhen auf einem Vorgängerbau aus dem 3. Jh. Unter diesem wiederum
fand man die Grundmauer einer noch älteren Synagoge, die in das 1.
Jh. zurückgehen könnte. – Vis-à-vis der Synagoge befindet sich das
„Haus des Petrus“: Unter einer oktogonalen byzantinischen Kirche
wurden Reste einer vorkonstantinischen „Synagogenkirche“ gefunden
und im Stratum darunter Grundmauern ärmlicher Wohnhäuser (bis ins
1. Jh. v. zurückgehend). Viel spricht dafür, dass schon im 1. Jh.
das Haus des Petrus hier lokalisiert wurde, möglicherweise aufgrund
einer zutreffenden Ortstradition.
Heptapegōn / Tabga: „Siebenquell“, wo warmes Wasser in den See
strömt; Benediktinerkloster mit Brotver-mehrungskirche und
bedeutenden Mosaiken. In der Nähe wird Joh 21 lokalisiert:
„Primatskapelle“ mit Mensa Domini (Fels unter dem Altar); Berg über
Tabga heute als „Berg der Seligpreisungen“ bezeichnet.
Ebene und See Gennesaret: mildes Klima, Fruchtbarkeit;
„Galiläisches Meer“; atl. Ausgrabungen auf Tell Kinneret; beim
Kibbuz Ginnosar wurde 1986 das sog. „Jesusboot“ (aus dem 1. Jh. n.)
gefunden.
Chorazin: 3 km nördl. v. Kafarnaum (vgl. Weherufe Mt 11,21par);
Synagoge aus Basaltstein (3. Jh.).
Betsaida (Haus der Fischerei): Geburtsort des Simon, Andreas und
Philippus nach Joh 1,44; 12,21; gehörte zum Gebiet des Philippus;
stärker hellenistisch geprägt; Wirken Jesu: Mt 11,21; Mk 8,22.
Magdala (= Turm der Fische), in Antike auch Tarichäa genannt: am
Westufer des Sees, am Ausgang des Tau-bentales; politisch und
wirtschaftlich bedeutender Ort; im NT nur als Herkunftsort der
Maria von Magdala er-wähnt. Jüngst Synagoge (1. Jh.?) entdeckt.
Tiberias: Südlich von Magdala am Westufer gelegen. 17 bzw. 20 n.
Chr. von Herodes Antipas (auf einem Grä-berfeld) gegründet (nach
Kaiser Tiberius benannt) und anstelle von Sepphoris zur Hauptstadt
von Galiläa ge-macht (bis 61 n.). Im 2. Jh. n. Chr. war die Stadt
das wichtigste Zentrum jüdischen Geisteslebens. Dort lebte R. AQIBA
(135 n. von den Römern hingerichtet), dort wurde die Mischna
redigiert und wohl auch der palästinische Talmud. Im Vorort Hamat
Tiberias sind Reste einer schönen Synagoge mit Nebenbauten und
Mosaiken erhalten (Ende 3. Jh.). – Jesus hat offensichtlich die
Stadt gemieden, wo Herodes Antipas residierte (vgl. Lk 13,32). Hier
oder auf der Festung Machairos am Toten Meer ist auch das Gastmahl
des Herodes zu lokalisieren, das nach Mk 6,21ff die Enthauptung des
Johannes nach sich zog.
Tyrus und Sidon: am Meer (Mt 15,21; Mk 7,24). Jesus scheint in
diesen Städten nicht gewirkt zu haben, wohl aber kannte er sie –
evtl. aus kurzen Besuchen in diesem Gebiet oder aus seiner Bibel
(vgl. Weherufe über Cho-razin und Betsaida Mt 11,21-22par).
Caesarea Philippi (diff. Caesarea am Meer): Hauptstadt des
Tetrarchen Philippus (neben Betsaida); nahe der Jordanquelle (heute
Banyas: nach dem Pan-Heiligtum benannt). Nach Mk 8,27par Stelle des
Petrusbekenntnisses nach dem Rückzug Jesu in heidnisches
Gebiet.
Dekapolis (Zehnstädte): Verwaltungseinheit südl. und südöstl.
des Sees Gennesaret (vgl. Mk 4,25; 7,31ff): Orte Gerasa (heute
Dscherasch, 50 km vom See entfernt ð Vernichtung der Schweine [Mk
5,1-20], bedeutende Ausgrabungen); Gadara (näher am See; Mt 8,28-34
korrigiert die mk Vorlage zu „Gadara“); Pella (nach Euse-
-
Aufbaukurs NT I – Rückfrage nach Jesus13
bius flohen dorthin die Christen während des Ersten Jüdischen
Kriegs); Skythopolis (Bet-Schean, heute großer archäologischer
Nationalpark; in der Nähe Bet-Alfa: Synagoge mit Mosaik);
Philadelphia (heute Amman) etc.
Samaria
Die Region Samaria liegt zwischen Galiläa und Judäa und ist nach
der Stadt Samaria (Schomron, später Sebas-te) benannt, der alten
Hauptstadt des Nordreiches. Die Bevölkerung von Samaria war den
Einwohnern von Judäa verhasst, weil dort nach der Zerstörung des
Nordreiches 722 fremde Völker angesiedelt wurden (vgl. 2 Kön
17,24-41). Die Samaritaner hatten auf dem Garizim (900 m) ein
eigenes Heiligtum, wo sie auch heute noch ihr Paschafest (mit
Schlachtung der Lämmer) feiern. In der Nähe liegt Sichem (vgl. Jos
24: Landtag von Sichem; Zentrum der Josefstämme Efraim und
Manasse). An seine Stelle trat 72 n. Chr. das von Vespasian
gegründete Nablus (Neapolis), vgl. Joh 4,5ff: Jesus und die
Samariterin am Jakobsbrunnen bei Sychar; Frage nach der wah-ren
Anbetung Gottes: auf dem Garizim oder in Jerusalem.
Caesarea Maritima: auf dem Gebiet von Samaria, am Meer gelegen,
ca. 20-10 v. Chr. von Herodes d. Gr. er-baut; seit 6 n. Chr.
Residenz des römischen Statthalters und seiner Truppen (vgl. die im
Theater gefundene Pila-tus-Inschrift). Die mondäne hellenistische
Stadt (vgl. die weitläufigen Ruinen samt Aquädukten) wurde später
zur Kreuzfahrer-Festung umgebaut. Die Evangelien erzählen nichts
von einem Aufenthalt Jesu in dieser Stadt, wohl aber die Apg von
christlichen Gemeinden, die auf Petrus und Philippus zurückgehen
(Apg 8,40; 10,24). Der Diakon Philippus hatte dort ein Haus (Apg
21,8f), Paulus weilte dort als Gefangener (Apg 23-26), später
wirkten dort Origenes (3. Jh.) und Eusebius (4. Jh.).
Judäa und Jerusalem
Jerusalem
Geographie: 25 km westlich vom Nordende des Toten Meeres; auf
zwei Höhenrücken (Osten und Westen, da-zwischen sog.
Tyropoion-/Käsemachertal) gelegen. Umgeben vom Kidrontal im Osten
(zum Ölberg hin) und dem Hinnomtal im Westen und Süden. Die Stadt
liegt 800 Meter über dem Meeresspiegel (Höhenunterschied zu
Jericho: 1000 Meter). In geographischer wie auch theologischer
Hinsicht zog man zur Heiligen Stadt „hinauf“ (vgl. Gal 1,18; 2,1).
Jerusalem liegt weder an einem Fluss noch an einer großen
natürlichen Verkehrsstraße und hat auch keine fruchtbare Umgebung
(Judäische Wüste). Ihre Bedeutung verdankt die Stadt v. a. König
David, der hier die Bundeslade aufstellen ließ und Jerusalem zu
seiner Stadt ausbaute.
Geschichte der Stadt: Die ältesten Reste Jerusalems (1800 v.
Chr.) wurden auf dem Ophel (südlich der Tem-pelareals) gefunden.
Nachdem David die Stadt von den Jebusitern erobert hat, wird
Jerusalem (die Davidstadt auf dem Ophel) zum Reichszentrum erhoben.
Tempelbau unter Salomo. Kultzentralisation unter Joschija.
Wie-deraufbau nach der Zerstörung von 587. Prachtvoller Ausbau der
Stadt unter Herodes d. Gr.; Zerstörung 70 und 136 n. Chr. –
Kreuzzüge im 11. und 12. Jh., dann Mameluckenherrschaft bis 1517,
Osmanisches Reich von 1517-1917, gefolgt von der englischen
Mandatszeit. Bei der Gründung des Staates Israel (1948) gehörte
Ostjeru-salem zu Jordanien. Seit dem Junikrieg 1968 ist ganz
Jerusalem im Besitz Israels.
Zur Zeit Jesu: ca. 25.000-30.000 Einwohner, vermehrt durch eine
große Zahl an Festpilgern, besonders aus Judäa und Galiläa (vgl. Lk
2,41). Eine ausführliche Beschreibung der Stadt vor und zur Zeit
des Jüdischen Krie-ges (70 n. Chr.) erhalten wir durch FLAVIUS
JOSEPHUS (Bell. V 136-247). Die Stadt hatte um das Jahr 70 drei
Mauern: Erste Mauer (Davidstadt, Tempel und südlicher Teil des
Westhügels): aus der Hasmonäerzeit, von Herodes überarbeitet und
durch die zweite Mauer (Nordteil des Westhügels) ergänzt. Die
dritte Mauer wurde unter Agrippa I. (41-44 n. Chr.) geplant und
begonnen, jedoch erst von den Aufständischen im Jüdischen Krieg
vollendet. Erst diese Mauer umfasste auch das Gebiet der heutigen
Grabeskirche und des Golgota.
Tempelberg: Gemäß altorientalischen Vorstellungen ist zwischen
dem Tempelbezirk (temenos) und dem eigent-lichen Tempelgebäude
(naos) zu unterscheiden. Der Jerusalemer Tempelbezirk unterteilt
sich zusätzlich in den allgemeinen Bezirk und den eigentlichen
heiligen Bezirk (nur für Juden zugänglich). Der Tempelbereich erhob
sich als große Esplanade über Kidron- und Tyropoiontal. Vor allem
gegen das Kidrontal fiel die Tempelstütz-mauer bis über 50 Meter in
die Tiefe ab (vgl. „Zinne des Tempels“ Mt 4,5f). Die von
Säulenhallen eingefasste Tempelesplanade nahm etwa ein Viertel der
damaligen Stadt ein. Im Süden oder Osten der Esplanade befand sich
die Halle Salomos (vgl. Joh 10,23; Apg 3,11; 5,2; evtl. identisch
mit der von Herodes erbauten dreischiffi-gen Basilika, „Königliche
Halle“ (stoa basilikē) genannt, im Süden des Tempelareals). In oder
bei dieser Halle wird wohl auch die Tempelreinigung zu lokalisieren
sein. Der ganze Tempelberg (außerhalb des hl. Bezirks) galt als
Vorhof der Heiden, den auch Heiden betreten durften. Vor dem
Eingang zum Vorhof der Frauen befand sich eine steinerne Schranke
mit Warntafeln, die Heiden den Eintritt in den Heiligen Bezirk
verboten (vgl. Apg 21,29ff). Vom Vorhof der Frauen gelangte man in
den Vorhof der Männer, in dem sich auch, durch ein Gatter getrennt,
der Brandopferaltar befand. In diesem Hof standen die Beter (vgl.
Lk 18,11); hier wird auch Jesus gebetet haben.
-
Aufbaukurs NT I – Rückfrage nach Jesus14
Der eigentliche Tempel: Das eigentliche Tempelgebäude bestand
aus Vorhalle, Heiligtum und Allerheiligstem und entspricht damit
altorientalischen Vorstellungen. Das Tempelgebäude durfte nur von
Priestern betreten wer-den. Die Vorhalle (ulam) diente der
rituellen Vorbereitung und Reinigung. Von dort gelangte man in das
Heilig-tum (hekal). Darin befanden sich der siebenarmige Leuchter,
der Schaubrottisch und der Räucheraltar. Für das Weihrauchopfer
waren die Priester nach einer eigenen Dienstordung eingeteilt (vgl.
Zacharias in Lk 1,8-11). Durch einen Vorhang vom Heiligtum getrennt
war das Allerheiligste (debir). Während dieses in
altorientali-schen Tempeln der Platz für die Götterstatue war,
befand sich im Salomonischen Tempel dort die Bundeslade. Im
Herodianischen Tempel hingegen stand das Allerheiligste leer,
nachdem die Bundeslade in den Kriegswirren von 587 v. Chr.
verlorengegangen war.
Burg Antonia: Römische Festung an der nw. Ecke der
Tempelesplanade. Dort war auch die römische Garnison in Jerusalem
stationiert und konnte bei Unruhen auf dem Tempelberg (Festzeit –
viele Pilger) auf der Stelle einschreiten.
Herodespalast (heute Zitadelle): Der Palast lag am Westhügel von
Jerusalem und war mit einer dreitürmigen Befestigungsanlage
gesichert. Zu den unruhigen Festtagszeiten übersiedelte der Präfekt
von Cäsarea nach Jerusa-lem und wohnte dann im Herodespalast.
Wahrscheinlich hat hier auch der Prozess Jesu stattgefunden – und
nicht, wie lange Zeit angenommen, im Legionslager, der Burg
Antonia. Mit dem griechischen Wort lithostrotos („Steinpflaster“ /
Joh 19,13) sind jedenfalls nicht die Steinplatten unter dem
sogenannten „Ecce homo-Bogen“ der Via Dolorosa gemeint, da diese
eindeutig erst aus der Zeit Hadrians (2. Jh. n. Chr.) stammen.
Lithostrotos könnte vielmehr einen schönen Festsaal mit Mosaiken im
Herodespalast meinen, in dem der Statthalter Audien-zen und
Gerichtssitzungen abhielt. Der aramäische Ausdruck gabbata (Anhöhe
/ Joh 19,13) könnte dann auf die erhöhte Lage des Westhügels
verweisen. Der Verlauf der historischen Via Dolorosa (Tradition aus
der Kreuzfah-rerzeit) wäre somit zu korrigieren.
Golgota: Lag nach Aussage aller Evv außerhalb der Stadt (für
Gräber und Hinrichtungsstätten vorgeschrieben). Der Golgotafelsen
in der heutigen Grabeskirche kann mit größter Wahrscheinlichkeit
als historisch korrekt ge-wertet werden. Zur Zeit Jesu lag Golgota
tatsächlich außerhalb der zweiten Stadtmauer (was lange Zeit
umstrit-ten war). Erst nach dem Tod Jesu wurde dieser Abschnitt in
die dritte Stadtmauer aufgenommen. Das Gebiet um Golgota war ein
aufgelassener Steinbruch aus vorexilischer Zeit, wobei der Golgota,
eine etwa 15 Meter hohe Kuppe, stehengeblieben war. Die Form des
heutigen Golgota (unter dem Kreuzigungsaltar der Grabeskirche)
erinnert tatsächlich an einen kahlen Schädel (aram. golgota =
Schädelstätte). Da der Ort unmittel-bar vor der Stadtmauer lag
(vgl. Mk 15,29) und erhöht war, eignete er sich besonders gut zur
Vollstreckung öffentlicher Hinrichtungen. Auch die Aussage, dass
das Grab „gleich in der Nähe“ war, scheint historisch kor-rekt zu
sein: die Stollen des alten Steinbruches dienten als Grabkammern.
Tatsächlich fand man auch um das Hl. Grab der Grabeskirche noch
eine Reihe anderer Gräber.
Judäa
Jericho: 250 m unter dem Meeresspiegel; 9,5 km nördlich vom
Toten Meer. Der Weg nach Jerusalem beträgt zwar nur 27 km
(Direktweg durch das Wadi Qelt), doch sind 1000 m Höhenunterschied
und der Weg durch die unsichere Judäische Wüste dabei zurückzulegen
(vgl. Lk 10,30-37). Jericho gilt als älteste Siedlung der
Mensch-heit (9000 v. Chr. erste Spuren; um 7000 bereits ein
steinerner Turm zu kultischen [?] Zwecken). Das Klima in Jericho
ist ausgesprochen mild bis subtropisch. Es gedeihen Bananenstauden
und Mangos. Dem AT galt Jericho als „die Palmenstadt“ (Dtn 34,3).
Die Hasmonäer und dann Herodes d. Gr. ließen sich hier einen
großartigen Winterpalast errichten. – Vgl. Lk 19,2ff Jesus und
Zachäus; Mk 10,46 Heilung des blinden Bartimäus.
Ölberg: Im Osten von Jerusalem gelegen und von diesem durch das
Kidrontal getrennt, überragt der Ölberg die Stadt. Hinter dem
Ölberg (gegen Osten) beginnt die Judäische Wüste, deren Klima auch
Jerusalem wesentlich beeinflusst. Am Ölberg selber befindet sich
der Ort Betfage (am Osthang des Ölberges), kurz vor der Wüste dann
der Ort Betanien (Lazarus, Maria und Marta). Am Gipfel des Ölbergs
gedenkt man der Himmelfahrt Jesu (oktogonale Kreuzfahrerkapelle mit
schönen Kapitellen, heute Moschee). Am Westhang des Ölbergs, fast
schon im Kidrontal, liegt Getsemani (gat schemanim: „Presse der
Öle“). Jesus betete hier (Mk 14,32ff) vor seinem Leiden (die Nähe
zur Judäischen Wüste hätte eine gute Möglichkeit zur Flucht
geboten) und wurde hier gefan-gengenommen (vgl. Joh 18,1ff).
Betlehem: 7 km südlich von Jerusalem; auch „Betlehem Efrata“
(Mich 5,1) genannt, um es von Betlehem Zabu-lon (Jos 19,5) zwischen
Haifa und Nazaret zu unterscheiden. – Betlehem war die Heimat
berühmter Männer: Boaz (Rut 4,22; 1 Sam 16,1), Isai (= Jesse) und
David (1 Sam 17,12 u. ö.); nach Mi 5,1-4 auch Heimat des künf-tigen
(messianischen) Herrschers (vgl. Mt 2,15; Lk 2,4-17; Joh 7,42).
Nach Mt 2 und Lk 2 wurde auch Jesus in Betlehem geboren. Neben
historischen Bedenken sehen modernere WissenschaftlerInnen auch
theologisch in Mt 2 und Lk 2 midraschartige Ausgestaltungen des
jüdischen Theologumenons der Messiasgeburt in Betlehem. Heute:
Geburtskirche aus der Zeit Konstantins, mit Erweiterung unter
Justinian, darunter Geburtsgrotte; daneben kath. Katharinenkirche;
in näherer Umgebung Hirtenfeld mit Grotten. – In der Nähe: Festung
Herodeion (an der Außenseite wurde 2007 das Grab des Herodes
gefunden) und ein weiterer Herodespalast.
-
Aufbaukurs NT I – Rückfrage nach Jesus15
Die Zeit zwischen Herodes I. und dem Jüdischen Krieg
Im Unterschied zu mythischen Erzählungen ist das Leben Jesu von
Nazaret engstens mit einer kon-kreten geschichtlichen Situation
verknüpft (vgl. den „Synchronismus“ in Lk 3,1f). Über diese Zeit
informieren uns auch profane Quellen, bes. FLAVIUS JOSEPHUS und
PHILO VON ALEXANDRIEN.
Herodes I. / der Große
Seit der Eroberung Jerusalems durch C. Pompeius (63 v Chr.)
befand sich Judäa unter römischer Oberhoheit. Doch Schwierigkeiten
im unruhigen Palästina (Parthereinfall) zwangen die Römer, sich mit
dem Militärführer Herodes, einem judaisierten Idumäer und Gegner
der Parther, zu verbünden. Herodes wurde von Rom zum rex socius
(verbündeter König: innenpolitisch ohne Machtbeschrän-kung,
außenpolitisch aber völlig von Rom abhängig) ernannt und regierte
das Land 37 - 4 v. Chr. Als Idumäer (vgl. das alte Edom südlich des
Toten Meeres) war Herodes ein Fremdling auf dem Thron in Jerusalem.
Um diesen Makel zu beheben, heiratete er Mariamne/Mariamme aus dem
Geschlecht der Hasmonäer. Das verringerte aber nicht seine Sorge um
den Thron. Deshalb ließ er ihren Bruder, seinen Schwager Aristobul,
den er zum Hohenpriester gemacht hatte, im Bad ermorden; ebenso
später seine Gattin Mariamne und zwei ihrer Kinder (die Hasmonäer
Alexander und Aristobul: 7 v.). Damit hatte er schließlich alle
Hasmonäer ausgerottet. Fünf Tage vor seinem Tod ließ er noch
Antipater, seinen Sohn aus erster Ehe, töten, den er zunächst zum
Thronerben bestimmt hatte.
Für die Regierungszeit des Herodes ist ein Doppeltes
charakteristisch: 1. Herodes entfaltete eine große Bautätigkeit im
gesamten Land (z. B. Jerusalemer Tempel, Burg An-tonia, Herodeion
bei Betlehem, Festung Masada, Winterpalast in Jericho; Städte
Sebaste und Cäsarea etc.). Der Baustil des Herodes ist in der Tat
unverkennbar (vgl. typische „Herodesquader“) und zählt zum
Schönsten, was das Hl. Land je an Architektur hervorgebracht hat.
2. Herodes erkannte die Griechen als gleichberechtigt an. Anders
als seine Vorgänger förderte er die griechische Kultur und
unterstützte heidnische Kulte. Daher die Feindschaft der Pharisäer,
die ihn auch beim Volk unbeliebt machte.
Nachfolger des Herodes d. Gr.
Herodes hatte 10 Frauen. Die für die Nachfolge wichtigsten und
ihre Söhne können schematisch auf folgende Weise verdeutlicht
werden:
Herodes I. (37 - 4 v.) Mariamne I. Mariamne II. Malthake
Kleopatra (2. Ehe) (3. Ehe) (4. Ehe) (5. Ehe) (6.-10.Ehe) Aristobul
Herodes Boethos Archelaos Herodes Antipas Philippus (+ 7 v.) (verh.
mit Herodias (4 v.-6 n.) (4 v.-39 n.; (4 v.-34 n.; [Mutter der
Salome], 1. Ehe mit Tochter verh. mit diese später mit des Aretas
IV. Salome) Antipas verheiratet) 2. Ehe mit Herodias) Agrippa I.
(37-44 n.) Agrippa II. (50-94 n.)
Herodes I. bestimmte, dass ARCHELAOS, HERODES ANTIPAS und
PHILIPPUS seine Nachfolger würden. Doch diese Nachfolge musste in
Rom bestätigt werden. Daher reisten die Söhne nach Rom, „um die
Königsherrschaft zu erlangen“ – allerdings gegen den Willen des
Volkes, das eine Gegengesandtschaft abschickte (Reflex evtl. in Lk
19,12.14). Rom setzte die drei von Herodes Bestimmten zu romhörigen
Klientelfürsten ein (Archelaos als „Ethnarch“, die beiden anderen
als „Tetrarchen“).
Archelaos (4 v. - 6 n. Chr.): Judäa, Samaria und Idumäa
Archelaos kam mit den politischen und religiösen Spannungen seines
Reiches nicht zu Rande. Er war beim Volk unbeliebt und gefürchtet
(vgl. Mt 2,22). Schon 6 n. Chr. wurde er seines Amtes enthoben.
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Aufbaukurs NT I – Rückfrage nach Jesus16
An seine Stelle traten römische Präfekten (Statthalter), die in
Caesarea Maritima residierten. Zu diesen zählt Pontius Pilatus
(26-36 n. Chr.).
Philippus (4 v. - 34 n. Chr.): Gaulanitis, Trachonitis, Batanäa
Philippus regierte ein überwiegend von Nicht-Juden besiedeltes
Gebiet; er gründete Caesarea Philippi. Seine Residenz war teilweise
in Betsaida am See Gennesaret.
Herodes Antipas (4 v. - 39 n. Chr.): Galiläa und Peräa Als
Gebieter von Galiläa war er sozusagen „Landesherr“ Jesu. Ähnlich
wie sein Vater war er einer-seits den Juden gegenüber
entgegenkommend und verteidigte ihre Sitten. Andererseits gab er
sich als griech.-hellenist. Fürst (z. B. Bau der hellenist. Stadt
Tiberias [Kaiser Tiberius geweiht] auf einem Gräberfeld). Er stand
später unter dem bes. Einfluss der HERODIAS (nach FLAVIUS JOSEPHUS
die Frau seines Stiefbruders Herodes Boethos; nach Mk 6,17-29
[Enthauptung des Täufers] die Frau des Phi-lippus und Mutter der
Salome [Name bei Mk nicht genannt]). Diese drängte ihn, sich in Rom
um die Königswürde zu bemühen. Antipas’ Versuch schlug fehl: Der
argwöhnische Caligula verbannte ihn 39 n. Chr. nach Lyon, wohin ihm
Herodias folgte. Sein Land erhielt Agrippa I. Nach Lk 13,32 nannte
Jesus Herodes Antipas einen „Fuchs“ und mied ihn, obwohl Herodes
den Wunsch äußerte, den Wun-dertäter zu sehen (Lk 9,9). – An einer
Vorführung Jesu vor Herodes im Rahmen des Prozesses (vgl. Lk
23,6-15) bestehen jedoch historische Zweifel (Einfluss von Ps
2,1f?).
Pontius Pilatus (26-36 n. Chr.): Statthalter der Provinz Judäa
Er war der 5. Präfekt nach Archelaos. Außerbiblisch ist sein Name
seit 1911 durch den „Pilatusstein“, eine Wei-heinschrift, die
seinen Namen trägt, bezeugt. Der Stein wurde im Theater von
Caesarea in sekundärer Verwen-dung gefunden. Lk 3,1
(„Synchronismus“) erwähnt ihn beim Zeitpunkt des Auftretens des
Täufers als den Statt-halter im 15. Jahr des Tiberius (14-37 n.
Chr.), d. h. im Jahr 28. Für die Beurteilung seiner Rolle im
Prozess Jesu sind außer den Evangelien die Angaben bei FLAVIUS
JOSEPHUS Ant. XVIII 8 (257-309); Bell. II 169-177 und PHILO,
Legatio ad Gaium § 299-305 heranzuziehen. Während Philo das Bild
des Statthalters polemisch verzerrt, die Evangelien hingegen um
eine Schönung des Pilatusbildes be-müht sind (Stellung der frühen
Christen im römischen Staat), versucht Josephus (als Jude und
Römerfreund) ein eher neutrales Bild zu zeichnen. Gegen Philo wird
man Pilatus keine prinzipielle Judenfeindlichkeit anlasten können
(vgl. jedoch Lk 13,1-3), wohl aber viel Unverständnis gegenüber
jüdischen Bräuchen und Eigenheiten.
Jüdischer Krieg Vor dem Krieg
Herodes Agrippa I. (37-44): Nach dem Tod des Philippus (34) fiel
dessen Herrschaftsgebiet zunächst an die Provinz Syrien und ab 37
an Herodes Agrippa, einen Enkel Herodes d. Gr. und Günstling des
Kaisers Caligula. Nach der Verbannung des Antipas (39) erhielt
Agrippa auch Galiläa und Peräa. 41 n. forderte Caligula, dass im
Tempel sein Standbild aufgestellt werde (vgl. „Gräuel der
Verwüstung“ Mk 13,14). Nach Caligulas Ermordung folgte Claudius,
der Agrippa ab 41 auch noch die Herrschaft über Judäa, Samaria und
Idumäa übertrug. Herodes Agrippa vereinigte 41-44 also noch einmal
ganz Palästina unter seiner Herrschaft. Unter ihm wurde Jakobus d.
Ä. hingerichtet und Petrus ins Gefängnis geworfen (Apg 12,1-3.19).
– Nach dem Tod des Agrippa (44) kam ganz Palästina unter röm.
Prokuratoren, die dem Statthalter von Syrien unterstanden und ihren
Amtssitz in Caesarea hatten. Der Sohn Agrippas, Agrippa II., damals
erst 17 Jahre alt, wurde später König über das Gebiet des
Phi-lippus. Er erregte Anstoß, weil er mit seiner Schwester
Berenike offenkundig zusammenlebte (vgl. Apg 25,13).
Der Jüdische Krieg (66 - 70/74) Unter den nun folgenden
römischen Prokuratoren wuchsen Hass und Widerstand gegen die
Römerherrschaft. Ein Übergriff auf den Tempelschatz durch den
Prokurator Gessius Florus 66 n. Chr. brachte den Aufstand. Die
Römer wurden überrumpelt und aus Jerusalem vertrieben. Kaiser Nero
entsandte mit Vespasian seinen besten General. Dieser traf nach
gründlicher Vorbereitung im Jahre 67 mit seinem Sohn Titus in
Palästina ein und be-gann das Land von Norden (Galiläa) her zu
erobern. Als Vespasian Mitte 69 zur Belagerung Jerusalems ansetzte,
wurde er von seinen Truppen zum Kaiser ausgerufen und überließ den
Feldzug seinem Sohn Titus. Dieser be-gann Jerusalem zu Beginn des
Jahres 70 zu stürmen und konnte es nach erbittertem Widerstand
einnehmen (Dar-stellung der Tempelbeute am Titusbogen in Rom). Das
letzte Widerstandsnest im Land, die Festung Masada, konnte erst 74
ausgehoben werden.
Bar Kochba-Aufstand (132-135) Unter Kaiser Hadrian (117-138) kam
es zum Aufstand gegen die römische Besatzungsmacht. Der Anführer
Simeon ben Kos(i)ba wurde von R. Aqiba als „Bar Kochba“ (aram.
„Sternensohn“; vgl. Num 24,17-19) bezeich-net und als „Messias“
begrüßt. Bar Kochba verschanzte sich in Bet Ter, 11 km südöstlich
von Jerusalem am Toten Meer, und fiel bei der Eroberung. Nach 135
wurde Jerusalem zur röm. Kolonie Aelia Capitolina. Bis zum 4. Jh.
war den Juden das Betreten der Stadt verboten, danach das Beten an
der Klagemauer nur am Gedächtnistag der Zerstörung Jerusalems
erlaubt.
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Aufbaukurs NT I – Rückfrage nach Jesus17
Rabbinisches Schrifttum und Schriftexegese
Geschichte des rabbinischen Judentums
Rabbinen Zeit Erklärung Tannaiten Von aram. tanna (hebr. hnv /
šnh = wiederholen, durch Wiederho-lung lernen).
Von: * entweder: 300 v. Chr. * oder: Hillel & Schammai (um
die Zeitenwende). * oder: erst ab 70 n. Chr. Bis: frühes 3. Jh.
Die Mischna ist die Frucht der Arbeit der Tannaiten. Den
Ab-schluss der Tannaiten und der Mischna bildet JEHUDA HA-NASI
(auch einfach nur „RABBI“ genannt) † um 220 n. Chr.
Amoräer Von rma (’mr = sagen, kommen-tieren).
Vom frühen 3. Jh. bis etwa 500 n. Chr.
Die Amoräer kommentieren das Werk der Tannaiten. Ihr Werk findet
Eingang in den Talmud.
Saboräer Von rbf (śbr = meinen).
Von 500 bis ins frühe 7. Jh. Gemäß der „Meinung“ der Saboräer
wird das Erbe der Amoräer rezipiert. Das findet seinen Ausdruck im
babyloni-schen Talmud (s. u.).
Geonim Von !AaG" (gā’ôn = Herrlichkeit).
Bis in das 11. Jh. in Babylonien. Ehrentitel der
Schuloberhäupter in Babylonien.
Das rabbinische Schrifttum Mischna Der Ausdruck stammt von hnv
(šnh = wiederholen, durch Wiederholung lernen). Ziel der Mischna
ist es, die wichtigsten Gesetze, Vorschriften und Traditionen aus
der schriftlichen (Hebräische Bibel) und mündlichen Überlieferung
zusammenzuschreiben. Die Mischna findet ihren Abschluss durch
„RABBI“ (Jehuda ha-Nasi) um das Jahr 220 n. Chr. Die 6 Ordnungen
der Mischna lauten: 1) Zeraim (Samen): Vorschriften für die
Landwirtschaft 2) Moëd (Festzeit): Sabbat, Fest- und Fasttage 3)
Naschim (Frauen): Ehegesetze 4) Neziqin (Schaden, Unrecht): Zivil-
und Strafrecht 5) Qodaschim (Heiliges): Tempel, Kult, Speisegesetze
6) Toharot (Reinheiten): Reinheitsgebote Tosefta Von @sy (jsf =
hinzufügen). Die Tosefta läuft weithin parallel zur Mischna und ist
gleich ihr in sechs Ordnungen gegliedert. Der Stoff der Tosefta ist
jedoch viermal so groß wie der der Mischna. Traditionellerweise
gilt die Tosefta als Werk des RABBI CHIJJA BAR ABBA, eines Schülers
und Freun-des RABBIS (des letzten Tannaiten). Knapp nach der
Mischna entstanden (also um 250 n. Chr.), ist sie ein Supplement zu
dieser. Ihr Zweck ist es, die in die Mischna nicht aufgenommenen
Traditionen zu bewahren. Höchstwahrscheinlich stammt die Tosefta
aus der Zeit kurz nach der Mischna. Manche Stücke dürften freilich
viel älter sein, einige aber wohl auch jünger (bis ins 5. Jh.).
Baraita Baraita (= die draußen befindliche [Lehre]) ist eine den
Tannaiten zugeschriebene Lehre, die weder in die Mischna noch in
die Tosefta aufgenommen wurde. Baraitot finden sich im Talmud in
der Gemara (s. u.). Dort werden sie meist mit den Worten „tennu
Rabbanan“ (Lehre der Väter) eingeleitet. Die Baraitot sind meist in
Hebräisch verfasst – im Unterschied zum Aramäisch des restlichen
Talmuds. [Tosefta und Baraita zusammen bilden die „äußere Mischna“
oder „Nebenmischna“.]
Talmud Von dml (lmd = üben, lernen). Der Talmud ist eine Art
„kommentierte Neubearbeitung“ der Mischna. Er umfasst 1. die volle
Mischna, 2. deren Deutung und Interpretation in der Gemara (s. u.),
3. Ergän-zungen aus Baraitot und Midraschim. Den Talmud gibt es in
zwei Formen: als palästinensischen und als babylonischen
Talmud.
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Aufbaukurs NT I – Rückfrage nach Jesus18
Gemara Von rmg (gmr = vollenden). Die Gemara ist der Kommentar
zur Mischna. Man unterscheidet einen babylonischen Zweig und einen
Jerusalemer (palästinischen) Zweig.
Palästinischer Talmud Auch als „Jerusalemer“ Talmud bezeichnet
(Talmud Jeruschalmi), abgekürzt Tj. Doch ist diese Be-zeichnung
irreführend: Zur Abfassungszeit des Tj war es Juden verboten,
Jerusalem zu betreten. Ab-fassungsort ist daher Tiberias, nicht
Jerusalem. Der Tradition nach wurde Tj von RABBI JOCHANAN BAR
NAPPACHA (Ende des 3. Jh.) redigiert. Dennoch sind die letzten im
Werk genannten Lehrer erst in die erste Hälfte des 5. Jh. zu
datieren. Demnach hat das Werk seine Endgestalt wohl erst um 450
erhalten. Im Tj haben nicht alle Traktate der Mischna eine Gemara.
Vor allem die beiden letzten Ord-nungen Qodaschim und Toharot
werden nicht erklärt. Vermutlich musste der Tj vorzeitig
abgeschlos-sen werden. Die politischen Unruhen um 450 erhärten
diese Annahme.
Babylonischer Talmud Der Talmud Babli / Tb ist fast dreimal so
umfangreich wie der Tj. Zwei Drittel des Stoffes sind dabei
haggadischer Natur (Legenden, Anekdoten, Wissen aus Medizin,
Mathematik, Astronomie etc.). Alles (!), was in den jüd. Schulen
Babyloniens gelehrt wurde, kam in den Talmud, z. B. auch viele
Midra-schim zu Bibelstellen. Nach der Tradition kam der Tb unter
RAB ASCHI († 424 od. 427) und RABINA (letzter Amoräer, † 500) zum
Abschluss. Tatsächlich ist die Zeit Aschis und Rabinas ein Fixpunkt
in der Redaktion des Talmuds, doch die endgültige Redaktion des Tb
erfolgte durch die Saboräer. Die Tradition weist ihnen zwar nur
eine untergeordnete Rolle bei der Endredaktion des Tb zu, doch
dürfte ihre Bedeutung in Wirklichkeit viel größer gewesen sein. Der
Abschluss des Tb fällt wohl mit der Eroberung Babyloniens durch die
Araber (634) zusammen. Der Tb erlangte bald größere Bedeutung als
der Tj; schon ab dem 11. Jh. verdrängte er diesen ganz und wurde
zum Talmud schlechthin.
Jüdisch-rabbinische Schriftexegese Midrasch Vom Wort vrd (drš =
suchen, nachforschen, untersuchen) abgeleitet, nennt man die Art
der jüdischen Schriftauslegung Midrasch (pl.: Midraschim). Ansätze
zu einer midraschartigen Auslegung sind be-reits im Alten Testament
als Interpretation älterer Texte bezeugt (s. u.). Die ältesten
greifbaren Belege für die Theorie rabbinischer
Schriftinterpretation haben wir in den sieben Middot (= Regeln zur
Schriftauslegung), welche die Tradition Rabbi Hillel, einem
Zeitgenossen Jesu, zuschreibt. Prinzipiell lassen sich zwei
verschiedene Arten von Midraschim unterscheiden:
Midraschê Halacha Auch kurz als Halacha (Adj.: halachisch)
bezeichnet. Von $lh (hlk = gehen); meint den rechten Le-benswandel.
Diese Art des Midrasch bezeichnet alle Auslegungen von Bibel und
jüdischer Tradition, die sich auf das Gesetz und auf konkrete
juridische Anweisungen beziehen. Die Halacha stellt sozusa-gen eine
komprimierte Zusammenfassung der Gesetzesvorschriften aus Bibel und
Tradition dar.
Midraschê Haggada Auch kurz als Haggada (Adj.: haggadisch)
bezeichnet. Von dgn (ngd = erzählen); meint eine spirituel-le,
narrativ ausdeutende und erzählende Art der Exegese. In die Haggada
sind viele verschiedenartige Erzählungen, Fabeln und Anekdoten
eingegangen. Berühmtestes Beispiel ist die Pesach-Haggada.
ð Midrasch, Halacha und Haggada meinen zunächst keine Bücher,
sondern literarische Genera. Es gibt aber auch einzelne Bücher, die
mit dieser Gattungsbezeichnung benannt werden.
Vorformen der Midraschim finden sich in:
Altes Testament: Die Bibel selbst ist der älteste Beleg für jüd.
Schriftauslegung. Die Bücher der Chronik (1/2 Chr) können als
midraschartige Relektüre der älteren Königsbücher (1/2 Kön)
verstanden werden. Ziel ist nicht eine wortwörtliche Wiedergabe
älterer Texte, sondern deren Deutung und Aktualisierung.
Kennzeichnend für diese Exegese ist es, Spannungen und Widersprüche
in der Bibel auszugleichen, unklare Passagen zu erhellen, zu deuten
und Unsicherheiten des Heiligen Textes von anderen Aussagen der
Schrift her zu beseitigen.
Septuaginta (LXX): Die Septuaginta ist die Übersetzung der
Hebräischen Bibel in das Griechische (3. Jh. v. Chr. in
Alexandria). Diese Übersetzung erfolgt meist nicht wortwörtlich,
sondern bietet eine deutende und para-phrasierende Interpretation
des hebräischen Textes.
Frühjüdische Literatur: In der frühjüdischen Literatur zwischen
200 v. bis 100 n. Chr. lässt sich ein besonders starkes Interesse
an der Bibelauslegung nachweisen. Zu nennen wären aus der großen
Fülle:
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Aufbaukurs NT I – Rückfrage nach Jesus19
Äthiopisches Henochbuch, Jubiläenbuch, Liber Antiquitatum
Biblicarum, Psalmen Salomos sowie einzelne Abschnitte bei Flavius
Josephus und Philo von Alexandrien.
Targumim: Targumim (sg.: Targum) sind Übersetzungen der Hebr.
Bibel in das Aramäische. Noch weniger als der LXX geht es den
Targumim um eine wortwörtl. Übersetzung, sondern um Deutung u.
Auslegung der Texte.
Neues Testament: Auch im NT stoßen wir auf etliche Belege einer
midraschartigen Exegese. Vor allem die unserem heutigen Denken
öfter „unlogisch“ anmutende Exegese des Apostels Paulus bedient
sich solcher Inter-pretationsmuster, genauso etliche Passagen des
JohEv und der Kindheitsevangelien.
Vgl. Pescher: Von rvp (pšr = auslegen, deuten). Meint die
besondere Art der Schriftauslegung in Qumran. Nach der Zitation
einer Bibelstelle folgt, mit pischro (= seine Auslegung) betitelt,
der Kommentar. Pescherim gibt es hauptsächlich zu den prophetischen
Schriften und den Psalmen. Die Pescher-Deutung bezieht den
Bibeltext ganz konkret auf die Gemeinschaft von Qumran.
Pescherexegese zeichnet sich also durch eine – der rabbinischen
Form der Midraschexegese nicht geläufige – radikale Aktualisierung
des Bibeltextes aus. In den Bildworten der Propheten sieht man
allegorisch die eigenen Feinde und die Situation der eigenen
Gemeinde reflektiert.
Skizze zur rabbinischen Literatur nach W. BÖSEN: Der letzte Tag
des Jesus von Nazaret, Freiburg 1994, S. 30:
-
Aufbaukurs NT I – Rückfrage nach Jesus20
RELIGIONSPARTEIEN (W. Bösen)
-
Aufbaukurs NT I – Rückfrage nach Jesus21
Johannes der Täufer und Jesus Die Quellen Q: Mt 3,7-10 / Lk
3,7-9: Gerichtspredigt: Schlangenbrut, kein Entrinnen, Früchte
würdig der Umkehr bringen; keine
Berufung auf Abraham als Vater, Gott kann sich aus Steinen
Kinder erwecken; Axt schon an Wur-zel der Bäume gelegt, Baum ohne
gute Frucht wird umgehauen u. verbrannt
Mt 3,11-12 / Lk 3,15-18: kommender Stärkerer (nicht wert, seine
Sandalen zu tragen / deren Riemen zu lösen) wird „mit Hl. Geist und
Feuer“ taufen; hat Worfschaufel schon in der Hand, wird Tenne
reinigen, Weizen in die Scheune sammeln, Spreu in unauslöschlichem
Feuer verbrennen
Mt 11,2-15.16-19 / Lk 7,18-30.31-35; 16,16: Anfrage des Täufers;
Jesu Antwort und Urteil über ihn (mit „Stür-merspruch“ Mt 11,12 /
Lk 16,16); Beurteilung durch „diese Generation“.
Mk: Mk 1,2-8 par: Auftreten in der Wüste, Verkündigung von Taufe
der Umkehr zur Vergebung der Sünden;
Zulauf; Beschreibung: Aussehen, Lebensweise; Wort vom kommenden
Stärkeren, der „mit Hl. Geist“ taufen wird
Mk 1,9-11 par: Taufe Jesu durch Johannes Mk 1,14 par:
Gefangennahme („Überlieferung“) und Beginn des Wirkens Jesu Mk 2,18
par: Fasten der Jünger des Täufers Mk 6,14-29 par: Tod des Täufers.
SLk: Lk 1,5ff: Ankündigung der Geburt an Zacharias, Begegnung von
Maria und Elisabet, Geburt ..., Wachs-
tumsnotiz 1,80 Lk 3,10-14: Standespredigt (über Q hinaus):
Menge, Zöllner, Soldaten Lk 11,1: Lehren eines Gebetes an die
Jünger. Joh: Joh 1,6-8.15: Zeugnis des Johannes („Täufereinschübe“
im Prolog) Joh 1,19-36: Tätigkeit in „Betanien ... jenseits des
Jordans“ (V. 28), Hinweis auf Jesus als „Lamm Gottes“
(V. 29.36), Überwechseln einiger seiner Jünger zu Jesus Joh
3,22-30: Tauftätigkeit (gleichzeitig mit Jesus; für Jesus in 4,2
eingeschränkt) in „Änon bei Salim“, Aus-
einandersetzung zwischen Jüngern Jesu und des Täufers; Worte des
Täufers über Jesus (Bräu-tigam, Freund, zu-/abnehmen)
Joh 5,33-36: Worte über Zeugnis des Johannes für Jesus; Bildwort
über den Täufer als „Lampe“ Joh 10,40f: Ort jenseits des Jordans,
wo Johannes getauft hatte; Meinung vieler: Johannes hat kein
Zeichen
getan, aber alles, was er über Jesus sagte, ist wahr. Sonstiges:
Apg 18,25; 19,3: Apollos kennt nur Taufe des Johannes; Jünger des
Täufers in Ephesus Flavius Josephus, Ant 18,116-119: Hinrichtung
des Täufers und sein Ansehen Mandäische Schriften
(gnostischeTäufersekte); Apokryphen. Die Gerichtspredigt des
Täufers
Mt 3,7-10 7Als er aber viele der Pharisäer und Sadduzäer zur
Taufe kommen sah, sprach er zu ihnen: Gezücht von Schlangen, wer
hat euch angewiesen, zu fliehen vor dem künftigen Zorn(gericht)?
8Tut nun Frucht, würdig der Buße! 9Und wähnt nicht zu sagen bei
euch selbst: Zum Vater haben wir den Abraham! Denn ich sage euch:
Kraft hat Gott, aus diesen Steinen Kinder zu erwecken dem Abra-ham.
10Schon aber ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt. Jeder Baum
nun, der nicht gute Frucht tut, wird ausgehauen und ins Feuer
geworfen!
Lk 3,7-9 7Er sagte nun (zu) den hinausziehenden Volksscharen,
die getauft werden (wollten) von ihm: Gezüchtet von Schlangen, wer
hat euch angewiesen, zu fliehen vor dem zukünftigen Zorn(gericht)?
8Tut nun Früchte, würdig der Buße! Und beginnt nicht zu sagen bei
euch selbst: Zum Vater haben wir den Abraham! Denn ich sage euch:
Kraft hat Gott, aus diesen Steinen Kinder zu erwecken dem Abra-ham.
9Schon aber ist auch die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt. Jeder
Baum nun, der nicht gute Frucht tut, wird ausgehauen und ins Feuer
geworfen!
Vgl. Mt 23,33: Ottern, Gezücht von Schlangen, wie (wollt) ihr
fliehen vor dem Gericht der Hölle? Vgl. Mt 7,19: Jeder Baum, der
nicht gute Frucht tut, wird ausgehauen und ins Feuer geworfen!
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Aufbaukurs NT I – Rückfrage nach Jesus22
Die Ankündigung des kommenden Stärkeren
Der Tod des Täufers Mk 6,14-29
14 Der König Herodes hörte von Jesus; denn sein Name war bekannt
geworden, und man sagte: Johannes der Täufer ist von den Toten
auferstanden; deshalb wirken solche Kräfte in ihm. 15 Andere
sagten: Er ist Elija. Wieder andere: Er ist ein Prophet, wie einer
von den alten Propheten. 16 Als aber Herodes von ihm hörte, sagte
er: Johannes, den ich enthaupten ließ, ist auferstanden.
17 Herodes hatte nämlich Johannes festnehmen und ins Gefängnis
werfen lassen. Schuld daran war Herodias, die Frau seines Bruders
Philippus, die er geheiratet hatte. 18 Denn Johannes hatte zu
Herodes gesagt: Du hattest nicht das Recht, die Frau deines Bruders
zur Frau zu nehmen. 19 Herodias verzieh ihm das nicht und wollte
ihn töten lassen. Sie konnte ihren Plan aber nicht durchsetzen, 20
denn Herodes fürchtete sich vor Johannes, weil er wusste, dass
dieser ein gerechter und heiliger Mann war. Darum schützte er ihn.
Sooft er mit ihm sprach, wurde er unruhig und ratlos, und doch
hörte er ihm gern zu. 21 Eines Tages ergab sich für Herodias eine
günstige Gelegenheit. An seinem Geburtstag lud Herodes seine
Hofbeamten und Offiziere zusammen mit den vornehmsten Bürgern von
Galiläa zu einem Festmahl ein. 22 Da kam die Tochter der Herodias
und tanzte, und sie gefiel dem Herodes und seinen Gästen so sehr,
dass der König zu ihr sagte: Wünsch dir, was du willst; ich werde
es dir geben. 23 Er schwor ihr sogar: Was du auch von mir
verlangst, ich will es dir geben, und wenn es die Hälfte meines
Reiches wäre. 24 Sie ging hinaus und fragte ihre Mutter: Was soll
ich mir wünschen? Herodias antwortete: Den Kopf des Täufers
Johannes. 25 Da lief das Mädchen zum König hinein und sagte: Ich
will, dass du mir sofort auf einer Schale den Kopf des Täufers
Johannes bringen lässt. 26 Da wurde der König sehr traurig, aber
weil er vor allen Gästen einen Schwur geleistet hatte, wollte er
ihren Wunsch nicht ablehnen. 27 Deshalb befahl er einem
Scharfrichter, sofort ins Gefängnis zu gehen und den Kopf des
Täufers herzubringen. Der Scharfrichter ging und enthauptete
Johannes. 28 Dann brachte er den Kopf auf einer Schale, gab ihn dem
Mädchen, und das Mädchen gab ihn seiner Mutter. 29 Als die Jünger
des Johannes das hörten, kamen sie, holten seinen Leichnam und
legten ihn in ein Grab. Flavius Josephus, Ant 18,116-119: „Einige
der Juden aber glaubten, das Heer des Herodes sei von Gott
vernichtet worden, womit er ihn höchst gerechterweise büßen ließ
und Rache nahm für Johannes, den sogenannten Täufer. Diesen nämlich
tötete Herodes, obwohl er ein Mann von guter Gesinnung war und die
Juden dazu aufforderte, (zunächst) Tugend zu üben und Gerechtigkeit
gegeneinander und Frömmigkeit gegenüber Gott zu praktizieren und
(dann) zur Taufe zu kommen ... Weil aber die anderen [?]
zusammenströmten und weil sie vom Hören der Worte aufs höchste
erregt wurden, fürchtete Hero-des, sein [Johannes’] übergroßer
Einfluss auf die Menschen könnte zu einer Art Aufstand führen (denn
sie schienen alles seinem Rat gemäß zu tun) und hielt es darum für
viel besser, ihn, bevor Neuerungen durch ihn entstünden,
vorgreifend aus dem Weg zu räumen, als nach geschehenem Umsturz in
eine schwierige Lage zu geraten und (sein Zögern) zu bereuen. Auf
den Verdacht des Herodes hin wurde er [Johannes] gefesselt nach
Machärus – die bereits erwähnte Festung – geschickt und dort
hingerichtet. Bei den Juden aber herrschte die Ansicht, dass als
Rache für jenen der Untergang über das Heer kam, weil Gott Herodes
Schaden zufügen wollte.“ (Theißen/Merz 176f)
-
Aufbaukurs NT I – Rückfrage nach Jesus23
Die Taufe Jesu
+ Jes 63,19: Reiß doch den Himmel auf, und komm herab, so dass
die Berge zittern vor dir. Ez 1,1: Am fünften Tag des vierten
Monats im dreißigsten Jahr, als ich unter den Verschleppten am
Fluss Kebar lebte, öffnete
sich der Himmel, und ich sah eine Erscheinung Gottes. Offb 4,1:
Danach sah ich: Eine Tür war geöffnet am Himmel,
und die Stimme, die vorher zu mir gesprochen hatte ..., sagte
... ° Jes 11,2: Der Geist des Herrn lässt sich nieder auf ihm:
Der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und
der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht.
Jes 42,1b: Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt, er bringt den
Völkern das Recht. Jes 61,1: Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf
mir, denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt ...
* Ps 2,7: Er [der Herr] sprach zu mir: „Mein Sohn bist du. Heute
habe ich dich gezeugt.“ Jes 42,1: Seht, das ist mein Knecht, den
ich stütze, das ist mein Erwählter, an ihm finde ich Gefallen.
Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt, er bringt den Völkern das
Recht. Gen 22,2: Gott sprach: Nimm deinen Sohn, deinen einzigen,
den du liebst, Isaak,
geh in das Land Morija und bring ihn dort auf einem der Berge,
den ich dir nenne, als Brandopfer dar. Nazaräerevangelium: Siehe,
die Mutter des Herrn und seine Brüder sagten zu ihm: Johannes der
Täufer tauft zur Vergebung der Sünden; lasst uns hingehen und uns
von ihm taufen lassen. Er aber sprach zu ihnen: Was habe ich
gesündigt, dass ich hingehe und mich von ihm taufen lasse? Es sei
denn das, was ich gesagt habe, Unwissenheit (Unwissenheitssünde)
(Hieronymus, Adv. Pelag. 3,2). Ebionäerevangelium: Als das Volk
getauft war, kam auch Jesus und wurde von Johannes getauft. Und wie
er vom Wasser heraufstieg, öffneten sich die Himmel, und er sah den
heiligen Geist in Gestalt einer Taube, die herabkam und in ihn
einging. Und eine Stimme (erklang) aus dem Himmel, die sprach: Du
bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.
Und abermals: Ich habe dich heute ge-zeugt. Und sofort umstrahlte
den Ort ein großes Licht. Als Johannes dies sah, heißt es, spricht
er zu ihm: Wer bist du, Herr? Und abermals (erscholl) eine Stimme
aus dem Himmel zu ihm: Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich
Wohlgefallen gefunden habe. Und da, heißt es, fiel Johannes vor ihm
nieder und sprach: Ich bitte dich, Herr, taufe du mich. Er aber
wehrte ihm und sprach: Lass; denn so ziemt es sich, daß alles
erfüllt werde (Epiphanius, Haer. 30,13,7-8). Hebräerevangelium: Es
geschah aber, als der Herr aus dem Wasser heraufgestiegen war,
stieg die ganze Quelle des heiligen Geistes auf ihn herab und ruhte
auf ihm und sprach zu ihm: Mein Sohn, in allen Propheten erwartete
ich dich, dass du kämest und ich in dir ruhte. Denn du bist meine
Ruhe;