Neurobiologische Untersuchungen im Praetectum von Knochenfischen Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Naturwissenschaften der Fakultät für Biologie der Ruhr- Universität Bochum angefertigt am Lehrstuhl für Allgemeine Zoologie und Neurobiologie vorgelegt von Matthias Klar aus Dortmund Bochum 2004
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Neurobiologische Untersuchungen im Praetectum von ... · In den Vertebratenklassen Mammalia, Aves, Reptilia und Amphibia wurden weitreichende, neuroanatomische, cytoarchitektonische
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Neurobiologische Untersuchungen im Praetectum
von Knochenfischen
Dissertation zur Erlangung des Grades
eines Doktors der Naturwissenschaften
der Fakultät für Biologie
der Ruhr- Universität Bochum
angefertigt am
Lehrstuhl für Allgemeine Zoologie und Neurobiologie
vorgelegt von
Matthias Klar
aus
Dortmund
Bochum 2004
Dissertation eingereicht am: 02. Februar 2004
Betreuer: Prof. Dr. K.-P. Hoffmann
(Lehrstuhl Allgemeine Zoologie und Neurobiologie, Fakultät Biologie)
Koreferent: Prof. Dr. W. H. Kirchner
(AG Verhaltensbiologie und Didaktik der Biologie, Fakultät Biologie)
Dekan: Prof. Dr. Dr. H. Hatt
(Lehrstuhl Zellphysiologie, Fakultät Biologie)
Inhaltsverzeichnis I. Elektrophysiologische Einzelzellableitungen im Praetectum
3.7 Weitere Charakterisierungen der prätektalen Neuronen von Salmo gairdneri
und Esox lucius ...........................................................................................................34
3.7.1 Neuronale Aktivität in Abhängigkeit von der Reizgeschwindigkeit.....................34
3.7.2 Analyse der Latenzzeit .........................................................................................36
3.7.3 Größe und Verteilung der rezeptiven Felder richtungsselektiver Neurone...........37
3.8 Rekonstruktion des Ableitortes richtungsselektiver Neurone im Praetectum
von Salmo gairdneri und Esox lucius .........................................................................39
3.8.1 Histologische Lokalisation der praetectalen richtungsselektiven Neurone ..........39
3.8.2 Existiert eine topographische Ordnung? ...............................................................41
4. Diskussion ................................................................................................45 4.1 Auswahl der Versuchstiere und die Wahl der Methode..............................................45
4.2 Elektrophysiologische Ableitungen im Praetectum ...................................................46
2. Material und Methoden ..........................................................................63 2.1 Versuchstiere ..............................................................................................................63
Eine einzelne Stimulationsphase (10 Sekunden) bestand aus: 2 Sekunden stationäres
Zufallspunktemuster, 3 Sekunden Bewegungsrichtung im Uhrzeigersinn, 2 Sekunden
stationäres Zufallspunktemuster und 3 Sekunden Bewegungsrichtung gegen den
Uhrzeigersinn (siehe Abb. I. 2.1). Dieses wurde zehn Mal pro Rotationsposition
(Stimulusrichtung) wiederholt. Die Stimulusgeschwindigkeit betrug konstant 10°/s.
10
I. Elektrophysiologie 2. Material & Methoden
Zur Untersuchung des geschwindigkeitsabhängigen Verhaltens der richtungsselektiven
Neurone wurde die Reizgeschwindigkeit von 0°/s bis 80°/s in jeweils 10°/s Schritten
variiert. Die Stimulationsdauer betrug acht Sekunden. Die Stimulusrichtung entsprach der
Vorzugsrichtung des jeweiligen Neurons.
2.4.3 Stimulussteuerung und elektrophysiologische Datenregistrierung Die zentrale Kontrolle der Ansteuerungseinheit des Planetariums zur visuellen Stimulation
und die Datenregistrierung der neuronalen Aktivität wurden von einem Computer (MW-
SOFT, Celeron 330 MHz) mit einer Multi I/O Karte (Computerboard, PIO 24-DAS 16,
Plug - In) geleistet. Für die elektrophysiologischen Untersuchungen wurde eine neue
Aufnahme- Software CORTEX (NIH, Version 5.3) etabliert.
Über programmierte Steuerungsfiles in CORTEX wurde zufallsgeneriert nacheinander eine
der vier Rotationspositionen des Planetariums mit Hilfe von Infrarot-Lichtschranken
angefahren. Zu jeder Rotationsposition erfolgte die visuelle Stimulation mit gleichzeitiger
Registrierung der vom Flip/Flop-Interface bereitgestellten TTL-Spikeaktivität in CORTEX
- Datenfiles. Gleichzeitig wurden Triggerdaten zu Beginn und Ende der Registrierung und
vom Anfang bis zum Ende der stationären Phasen, sowie der Stimulationsphasen in das
Datenfile zur späteren Analyse mit aufgenommen.
Das System bot eine Online-Darstellung des Stimulusverlaufs auf dem Computermonitor
(EIZO, 570A) und die zeitgleiche Darstellung der Spikeaktivität in Form von Rasterplots
und PSTH.
2.5 Erstellen des Penetrationsrasters Um eine möglichst hohe Erfolgsrate in der Lokalisation praetectaler richtungsselektiver
Neurone zu erzielen, wurden zwei Methoden kombiniert.
Mit Hilfe der drei Mikromanipulatoren (X-, Y-, Z-Achse) konnte mit der Ableitelektrode
ein Penetrationsraster in 200 µm Schritten im rostralen Bereich des linken Tectum opticum
11
I. Elektrophysiologie 2. Material & Methoden
(TeO) abgefahren werden, um elektrophysiologische Ableitungen im ventral unterhalb des
TeO gelegenen Praetectum durchzuführen.
Als Ursprungskoordinate mit der Position anterior / posterior = 0/0 µm diente der rostrale
Pol des Tectum opticum. Die medio - laterale Position = 0/0 µm war der Torus
longitudinalis, der sich zwischen den beiden Tectum opticum Hälften befindet (Abb. I.
2.2).
TeO
posterior
m/l = 0
lateral a/p > 0
TeO
a/p = 0
m/l > 0 anterior
Abb. I. 2.2: Schematische Darstellung des verwendeten Penetrationsrasters. Dorsalansicht des linken
ezeptiven Felder der abgeleiteten praetectalen Neurone befanden sich an
chiedlichen Positionen des rechten Gesichtsfeldes. Ihr mittlerer rezeptiver
rchmesser betrug mindestens 35°. Aus diesem Grund konnten die rezeptiven Felder
17
I. Elektrophysiologie 3. Ergebnisse
der praetectalen Neurone eindeutig von denen der visuellen Neurone im TeO mit RF
Größen von 2° bis 15° unterschieden werden. Außerdem waren sie anhand der Ableittiefe
eindeutig von visuellen Neuronen des TeO, das eine Schichtdicke von ca. 530 µm aufwies,
zu trennen. Auch sind letztere eindeutig retinotop organisiert.
Als diffus visuell wurden Zellen charakterisiert, die auf Veränderung der Lichtintensität im
Raum reagierten, aber keine eindeutig bestimmbaren rezeptiven Feldgrenzen besaßen und
auch nicht auf Bewegung des Zufallspunktemusters oder auf Bewegung von kleinen und
großen Lichtpunkten aus der Handlampe mit Aktivitätsveränderung reagierten.
Mit einer OFF Eigenschaft konnten 25 Neurone bei Salmo gairdneri und 5 bei Esox lucius
abgeleitet werden. Diese Neurone zeigten ihre höchsten tonischen oder auch phasisch /
tonischen Entladungsraten bei völliger Abdunkelung des Raumes.
Die Anzahl von Neuronen mit einer ON Eigenschaft betrug bei Salmo gairdneri 42 und bei
Esox lucius 4. Ihre maximale tonische oder phasisch/tonische Reaktion erfolgte bei
Belichtung des RFs oder der Plexiglashalbkugel.
Visuelle Neurone mit einem RF, das annähernd dem gesamten rechten Gesichtsfeld
entsprach, und die nur auf einen kleinen (ca. 1° Sehwinkel) bewegten Lichtpunkt mit und
ohne Präsentation des Zufallspunktemuster reagierten, waren etwas seltener (Salmo
gairdneri: n = 14, Esox lucius: n = 8 ).
Außerdem konnten Zellen mit einem großen RF abgeleitet werden, die nur auf
einen großen Lichtpunkt (ca. 5° Sehwinkel) reagierten (Salmo gairdneri: n = 14,
Esox lucius: n = 4).
Die Anzahl dieser klassifizierten Neurone entspricht nicht der tatsächlichen
Ableithäufigkeit. Genauere Angaben sind nicht möglich, da im Verlauf der
elektrophysiologischen Untersuchungen solche Zellen nicht weiter konsequent untersucht
wurden. Die Begründung dafür ist, dass diese Neurone typischerweise im Laufe der
Versuche wiederholt bei verschiedenen Tieren an den gleichen Positionen abgeleitet
wurden und deshalb als Leitstrukturen zum Auffinden des praetectalen Areals mit
richtungsselektiven Neuronen (RS) dienten.
18
I. Elektrophysiologie 3. Ergebnisse
3.2 Praetectale richtungsselektive Neurone An einer mittleren Elektrodenposition 800 µm posterior vom rostralen Pol des linken TeO
und 1000 µm lateral des Torus longitudinalis konnten in einer Ableittiefe von 1960 µm
richtungsselektive Neuronen im Praetectum von Salmo gairdneri abgeleitet werden. In
nachfolgenden Ableitungen wurde das Penetrationsraster in diesem Bereich auf 100 µm -
Abstände verkleinert. An einem an o.a. Position abgeleiteten Beispielneuron von Salmo
gairdneri, das eine ON Charakteristik aufwies und auf die Bewegung des
Zufallspunktemuster mit einer Veränderung der Entladungsraten reagierte, soll die
eindeutige Richtungsselektivität gezeigt werden.
In der Abbildung I. 3.2 ist die Aktivität dieses Neurons bei visueller Stimulation mit der
Handlampe dargestellt. Die Zelle reagierte bei Beleuchtung des rezeptiven Feldes (RF) mit
einer kurzen Erhöhung der Entladungsrate (phasisch). Unterbrechung des Lichtstrahls
führte zu keiner Veränderung der Spikerate. Damit konnte dieses Neuron als ON Zelle
charakterisiert werden.
Abb. I. 3.2: B
Nachweis erf
zeigen den Ze
Lichtstrahls an
Im Anschlu
Planetarium
In der Abbi
PSTH mit e
eispiel eines praetectalen Neurons von Salmo gairdneri mit einer ON Charakteristik. Der
olgte durch einen Lichtpunkt aus der Handlampe im rezeptiven Feld. Die schwarzen Pfeile
itpunkt an, an dem das Licht eingeschaltet wurde, der graue Pfeile gibt das Abdunkeln des
.
ss wurde dieses Neuron mit dem großflächigen Zufallspunktemuster des
s in horizontaler Bewegungsrichtung untersucht.
ldung I. 3.3 sind die registrierten Spikeraten dieses Neurons als Rasterplot und
iner Binbreite von 40 ms dargestellt.
19
I. Elektrophysiologie 3. Ergebnisse
Fo4c1_1.1
Abb. I. 3.3: Rasterplot und PSTH (Spikerate [Hz] in Abhängigkeit der Stimulationsdauer [ms]) eines
richtungsspezifischen Neurons von Salmo gairdneri. Von 0 ms bis 2000 ms stationäres Reizmuster, 2000 ms
bis 5000 ms temporo - nasale Stimulusrichtung, 5000 ms bis 7000 ms stationäres Reizmuster, 7000 ms bis
10000 ms naso - temporale Stimulusrichtung. Die Binbreite des PSTHs betrug 40 ms.
Während der stationären Stimulusphase (0 - 2000 ms) konnte eine geringe Spontan-
aktivitätsrate von 1,4 Hz registriert werden. Mit Einsetzen des Bewegungsreizes in
temporo-nasaler Richtung (ipsiversiv zum Ableitort) reagierte dieses Neuron mit einer
tonischen Aktivierung von ca. 75,8 Hz (2000 - 5000 ms). Es folgte eine zweite stationäre
Stimulusphase (5000 - 7000 ms) mit einer wiederum geringen Spontanaktivitätsrate von
4,5 Hz. In naso-temporaler Reizrichtung (kontraversiv zum Ableitort) von 7000 bis10000
ms betrug die mittlere Entladungsrate 4 Hz.
Mit Einsetzen der Reizbewegung in eine der beiden horizontalen Stimulusrichtungen
reagierte diese Zelle jeweils mit einer kurzzeitigen (Dauer = 120 ms) hohen Entladungsrate
(160 Hz nasal bzw. 59 Hz temporal). Anschließend sank die Spikerate auf 49 % (78,4 Hz)
bzw. 6 % (4,5 Hz) ab und verlief tonisch weiter.
Die Latenzzeit zwischen Einsetzen der Bewegung und der ausgelösten neuronalen
Aktivität betrug 120 ms. Genauere Latenzzeitanalysen folgen später in dieser Arbeit.
Zusammengefasst zeigt dieses praetectale Neuron von Salmo gairdneri bei horizontaler
Reizrichtung eine eindeutige Richtungsspezifität nach nasal.
Zur genaueren Bestimmung der Richtungspräferenz wurden neben dem horizontalen
Stimulusverlauf sechs weitere Reizrichtungen untersucht: vertikal oben ↔ unten (90° ↔
270°), sowie nasal - oben ↔ temporal - unten (45° ↔ 225°) und nasal - unten ↔
temporal - oben (315° ↔ 135°).
20
I. Elektrophysiologie 3. Ergebnisse
Die neuronale Aktivität unter diesen Stimulationsbedingungen ist in der Abbildung I. 3.4
als Rasterplot und PSTH mit 40 ms Binweite dargestellt.
Abb. I. 3.4: Neuronale Aktivität eines richtungsselektiven Neurons von Salmo gairdneri während visueller
Stimulation mit dem Planetarium als Rasterplot und PSTH mit einer Binweite von 40 ms. Stimulation in den
acht getesteten Stimulusrichtungen mit jeweils zehn Trials pro Stimulationsrichtung und einer
Reizgeschwindigkeit von 10 °/s.
Fo4c1_1.1
Das Zentrum der Abbildung I. 3.4 repräsentiert die Lage des rechten, visuell stimulierten
Auges und die Position des Versuchstieres relativ zur Stimulusrichtung. Die acht
Rasterplots und PSTHs sind nach dem Stimuluszeitverlauf (2000 ms stationäres
Reizmuster, 3000 ms bewegtes Reizmuster) und den acht Stimulationsrichtungen
angeordnet.
Mit dieser Darstellung kann deutlich gezeigt werden, dass horizontale Bewegung des
Zufallspunktemusters nach nasal in einem Bereich von 45° bis 315° die höchsten
Spikeraten auslöst. In entgegengesetzter Reizrichtung (135° bis 225°) nach temporal sind
die Spikeraten signifikant (ANOVA: p < 0,05) niedriger. In den 2000 ms andauernden
stationären Stimulationsphasen sind sie am niedrigsten.
21
I. Elektrophysiologie 3. Ergebnisse
Im Praetectum von Esox lucius konnten an der Ableitposition 600 µm posterior vom
rostralen Pol des TeO und 900 µm lateral vom Torus longitudinalis und in einer Ableittiefe
von 1140 µm ebenfalls richtungsselektive Neurone abgeleitet werden. Dieser Ableitort
befindet sich im Vergleich zu Salmo gairdneri 200 µm weiter anterior und lateral. In der
Abbildung I. 3.5 ist das Aktivitätsprofil einer solchen Zelle während horizontaler
Stimulation als Rasterplot und PSTH mit 40 ms Binweite dargestellt.
He4c6_1.1
Abb. I. 3.5: Rasterplots und PSTHs (Binweite 40 ms) des richtungsselektiven Neurons von Esox lucius.
Von 0-2000 ms stationäres Reizmuster, 2000 - 5000 ms naso - temporale Stimulusrichtung, 5000 - 7000 ms
stationär, 7000 - 10000 ms temporo - nasale Stimulusrichtung.
Während der stationären Stimulusphase (0 bis 2000 ms) zeigt dieses Beispielneuron von
Esox lucius eine Spontanaktivitätsrate von 10 Hz. Die stärkste reizgetriebene Aktivität
konnte in einer Reizrichtung nach nasal (ipsiversiv zum Ableitort) von 2000 bis 5000 ms
mit 53 Hz registriert werden. In der anschließenden stationären Stimulusphase (5000 -
7000 ms) sank die Entladungsrate auf 10,3 Hz ab. In der Reizrichtung nach temporal trat
von 7000 - 10000 ms eine Inhibition auf, die neuronale Aktivität sank auf 5 Hz ab. Das mit
der Reizmusterbewegung in nasaler und temporaler Richtung einsetzende phasisch -
tonische Aktivitätsverhalten dieses Neurons ähnelt dem des zuvor beschriebenen
richtungsspezifischen Neurons von Salmo gairdneri. Die Latenzzeit zwischen Einsetzen
der Bewegung und neuronaler Aktivierung betrug 120 ms.
Auch hier wurden neben der horizontalen Stimulationsebene die sechs weiteren
Stimulusrichtungen untersucht. Die in acht Stimulationsrichtungen ausgelöste neuronale
Aktivität ist in der Abbildung I. 3.6 als Rasterplot und PSTH dargestellt.
22
I. Elektrophysiologie 3. Ergebnisse
He4c6_1.1
Abb. I. 3.6: Neuronale Aktivität einer richtungsselektiven Zelle von Esox lucius mit Rasterplot und PSTH
(Binweite 40 ms) bei acht getesteten Stimulusrichtungen mit jeweils zehn Trials und einer
Reizgeschwindigkeit von 10 °/s. Die vertikalen Linien zu den Zeitpunkten 0 ms, 2000 ms, 5000 ms und 7000
ms geben den Zeitpunkt der Stimulationsänderung an.
Die Darstellung der neuronalen Aktivität in der Abbildung I. 3.6 zeigt, dass diese
praetectale Zelle von Esox lucius eine horizontale, nach nasal verlaufende
Stimulationsrichtung (ipsiversiv zum Ableitort) in einem Bereich von 45° bis 270° mit
einer hohen Spikerate (75Hz) deutlich bevorzugt. In entgegengesetzter Stimulusrichtung,
der Nullrichtung, kann eine Inhibition der neuronalen Aktivität beobachtet werden. Dieses
Funktionsprinzip wird als push-pull bezeichnet. Das phasisch-/-tonische Antwortverhalten
mit Einsetzen und Fortführung der Bewegungsphase ist in allen Reizrichtungen gegeben.
Mit diesen zwei Beispielneuronen kann gezeigt werden, dass im Praetectum beider
Fischarten visuelle, richtungsselektive Zellen existieren, die einen horizontalen nach nasal
verlaufenden visuellen Stimulus (ipsiversiv zum Ableitort) bevorzugen.
Bei beiden Fischarten tritt ein phasisches „movement onset“ Verhalten der
richtungsselektiven Neuronen mit Beginn der Stimulusbewegung auf. Unterschiede zeigen
sich in der Antwortcharakteristik. Die richtungsselektiven Neurone von Salmo gairdneri
zeigen stets geringe bis gar keine Spontanaktivität und reagieren mit Aktivitätserhöhung
23
I. Elektrophysiologie 3. Ergebnisse
im Bereich ihrer Vorzugsrichtung. Die Neurone von Esox lucius sind immer spontanaktiv,
reagieren ebenfalls mit Aktivitätserhöhung auf Reizung in ihrer Vorzugsrichtung, aber mit
Aktivitätserniedrigung auf Reizung in der Nullrichtung (push - pull Prinzip).
Zusammengefasst deuten diese bisherigen Befunde bei beiden Fischarten auf ein
praetectales Areal hin, dass möglicherweise dem NOT und dem nLM der anderen
Vertebratenklassen entspricht.
3.3 Untersuchungen zum Vorkommen weiterer richtungs-
selektiver Neurone In weiteren Experimenten wurde in einem Bereich von ca. 300 µm anterior / posterior und
200 µm medial / lateral relativ zu den ersten Penetrationsorten (siehe I. 3.1) in größeren
Ableittiefen (ca. + 400 µm) Neurone lokalisiert, deren Vorzugsrichtung nicht
ausschließlich ipsiversiv zum Ableitort war.
Zur genauen Bestimmung der Richtungspräferenz wurden Richtungsempfindlichkeits-
kurven (Tuning - Kurven) und die jeweilige Vorzugsrichtung über trigonometrische
Funktionen als Richtungsvektors berechnet.
Der Mittelpunkt der nachfolgend dargestellten Polarplots repräsentiert die Lage des
rechten, visuell stimulierten Auges. Eine Stimulusrichtung nach nasal entspricht 0° in
Polarkoordinaten, eine temporale Reizrichtung 180°, eine vertikale Bewegung nach oben
90°, nach unten 270°, sowie die Bewegungsrichtungen nasal - oben 45°, temporal - unten
225° und temporal - oben 135°, nasal - unten 315°.
Die Tuning-Kurven der richtungsselektiven Neurone ergaben sich aus der Berechnung der
mittleren Spikerate während des 3000 ms andauernden Bewegungsreizes über zehn
Einzeltrials in jeder der acht untersuchten Stimulusrichtungen. Die Radien der Polarplots
geben die mittlere Spikerate pro Sekunde an. Die Position des Richtungsvektors, der die
Vorzugsrichtung des analysierten Neurons anzeigt, wurde mit trigonometrischen
Funktionen berechnet und auf das Radienmaximum normiert. Er repräsentiert nicht die
berechnete Entladungsrate in der Vorzugsrichtung.
Abbildung I. 3.7 A zeigt die Tuning-Kurve mit der Vorzugsrichtung von 353° des oben
beschriebenen, die nasale Reizrichtung (ipsiversiv zum Ableitort) kodierenden Neurons
24
I. Elektrophysiologie 3. Ergebnisse
von Salmo gairdneri (Abb. I. 3.4). Die Abb. I. 3.7 B zeigt ein weiteres richtungsselektives
Neuron mit einer temporalen Vorzugsrichtung (kontraversiv zum Ableitort) von 189°.
BA
0 20 40 60 800
20
40
60
80
0204060800
20
40
60
80
0°
45°
90°
135°
225°
270°
315°
180°0 20 40 60 80
0
20
40
60
80
0204060800
20
40
60
80
0°
45°
90°
135°
180°
225°
270°
315°
temporal
temporal-oben
temporal-unten nasal-unten
nasal
nasal-oben
unten
oben
Abb. I. 3.7: Tuning - Kurve und Richtungsvektor zweier richtungsselektiver Neurone von Salmo gairdneri
in Polarkoordinaten. In A das zuvor beschriebene Neuron (vgl. Abb. I. 3.4), in B ein weiteres Neuron, das
eine horizontale kontraversive Stimulusrichtung kodiert.
Neben Neuronen, die eine ipsiversive (nach nasal) Stimulusrichtung kodieren, konnten
richtungsselektive Neurone mit einer genau entgegengesetzten, also kontraversiven
Vorzugsrichtung (nach temporal) abgeleitet werden.
Das bedeutet, dass in einem räumlich begrenzten Ableitbereich Zellen mit
unterschiedlichen Vorzugsrichtungen vorkommen.
Die Abbildung I. 3.8 zeigt exemplarisch die Tuning - Kurven und Vorzugsrichtungen
weiterer richtungsselektiver Neurone, die spezifisch für eine der sechs weiteren
Stimulusrichtungen sind.
25
I. Elektrophysiologie 3. Ergebnisse
0 20 40 60 800
20
40
60
80
0204060800
20
40
60
80
0°
45°
90°
135°
180°
225°
270°
315°
B
0 20 40 60 800
20
40
60
80
0204060800
20
40
60
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0°
45°
90°
135°
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315°
0 20 40 60 800
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0°
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135°
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315°
0 20 40 60 800
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0°
45°
90°
135°
180°
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0 20 40 60 800
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0204060800
20
40
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0°
45°
90°
135°
180°
225°
270°
315°
0 20 40 60 800
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0204060800
20
40
60
80
0°
45°
90°
135°
180°
270°
315°
E F
C D
temporal-oben
temporal
nasal-unten
nasal
nasal-oben
unten
oben A
225°temporal-unten
Abb. I. 3.8: Tuning - Kurven und Richtungsvektoren in Polarkoordinaten. Die Polarplots A und B zeigen
Neurone, die eine vertikal nach oben und nach unten verlaufende Stimulusrichtung kodieren. C bis F:
Neurone mit Vorzugsrichtungen nach nasal - oben, temporal - unten, sowie nach temporal - oben und nasal -
unten.
Diese Zellen zeigen eine breite Richtungsempfindlichkeit. Dies kann durch die
Halbwertsbreite belegt werden (Hoffmann & Schoppmann, 1981). Halbmaximale
26
I. Elektrophysiologie 3. Ergebnisse
Entladungsraten werden noch bei Winkelrichtungen, die +/- 45° von der jeweiligen
Vorzugsrichtung abweichen, erreicht.
Im Praetectum von Esox lucius wurden ebenfalls Neurone mit beiden horizontalen
Vorzugsrichtungen abgeleitet, die in der Abbildung I. 3.9 A und B in Polarkoordinaten mit
ihrer Richtungsempfindlichkeitskurve und Richtungsvektor dargestellt sind.
0 20 40 60 800
20
40
60
80
0204060800
20
40
60
80
0°
45°
90°
135°
180°
225°
270°
315°
0 20 40 60 800
20
40
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0204060800
20
40
60
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0°
45°
90°
135°
180°
225°
270°
315°
A
temporal
temporal-unten nasal-unten
nasal
unten
Bnasal-oben
oben
temporal-oben
Abb. I. 3.9: Tuning - Kurve und Richtungsvektor von richtungsselektiven Neuronen aus dem Praetectum
von Esox lucius. A: ipsiversiv, B: kontraversiv kodierendes Neuron.
Wie bei Salmo gairdneri konnten auch bei Esox lucius in dem untersuchten Areal Neurone
mit vertikalen und schrägen Vorzugsrichtungen abgeleitet werden. Abbildung I. 3.10 zeigt
die Richtungsempfindlichkeitskurven und Richtungsvektoren solcher Neurone.
27
I. Elektrophysiologie 3. Ergebnisse
0 20 40 60 800
20
40
60
80
0204060800
20
40
60
80
0°
45°
90°
135°
180°
225°
270°
315°
oben
unten
nasal-oben
nasal
nasal-untentemporal-unten
temporal
temporal-oben
0 20 40 60 800
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60
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0204060800
20
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0°
45°
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135°
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225°
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0 20 40 60 800
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0204060800
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135°
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0 20 40 60 800
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0 20 40 60 800
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0 20 40 60 800
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0°
45°
90°
135°
180°
225°
270°
315°
F
D
E
C
A B
Abb. I. 3.10: Tuning - Kurven und Richtungsvektoren in Polarkoordinaten. Die Polarplots A und B zeigen
Neurone, die eine vertikal nach oben und nach unten verlaufende Stimulusrichtung kodieren. C bis F:
Neurone mit Vorzugsrichtungen nach nasal - oben, temporal - unten, sowie nach temporal - oben und nasal -
unten.
28
I. Elektrophysiologie 3. Ergebnisse
Die Vorzugsrichtungen entsprechen auch bei Esox lucius den untersuchten acht
Stimulationsrichtungen. Das Tuning der Richtungsempfindlichkeit gleicht dem von Salmo
gairdneri, d.h. halbmaximale Entladungsraten werden noch in einem Winkelbereich +/-
45° um die Vorzugsrichtung erreicht. Auch hier zeigt sich die Inhibition dieser Neurone in
der Nullrichtung, womit das „push - pull“ Prinzip auch für die anderen Richtungen
bestätigt.
Bei beiden untersuchten Spezies liegen in einem begrenzten Areal des Praetectums
richtungsselektive Neurone, die spezifisch auf eine von den acht untersuchten
Stimulusrichtungen reagieren. Diese Zellen weisen ein breites Richtungstuning auf.
3.4 Verteilung der Vorzugsrichtungen aller richtungsselektiven
Neurone Insgesamt wurden 72 richtungsspezifische Neurone bei Salmo gairdneri und 63
richtungsspezifische Neuronen bei Esox lucius abgeleitet. Dabei fiel auf, dass die
Vorzugsrichtungen dieser Zellen sich nicht nur auf eine der acht untersuchten
Stimulusrichtungen beschränkten, sondern unterschiedlich verteilt waren.
Um zu testen, ob alle richtungsselektiven Neurone ausschließlich vom rechten Auge
aktiviert wurden, wurde bei jeder Einzelzelle auch das linke Auge durch eine Veränderung
der Raumhelligkeit und eine direkte Beleuchtung mit der Handlampe gereizt. Eine
Veränderung der Luminanz auf der Retina hätte eine veränderte Entladungsrate des
abgeleiteten praetektalen Neurons bewirken müssen. Keine der untersuchten
richtungsspezifischen Zellen konnte vom linken Auge (ipsilateral) beeinflußt werden. Dies
deutet auf eine totale Überkreuzung des Nervus opticus am Chiasma opticum und keine
Verbindung zwischen den Hirnhälften bei diesen Neuronen hin.
Aufgrund der Vorzugsrichtungsverteilung und des breiten Tunings (Halbwertsbreite > 90°)
wurde mit zirkulärer Statistik die Richtungsselektivität eindeutig bestimmt.
Von den 72 Neuronen der Regenbogenforelle konnten 63 Neurone mit einer statistisch
signifikanten Richtungsselektivität (p < 0,001) ermittelt werden. Von ursprünglich 57
Neuronen des Hechtes sind nach dem zirkulären statistischen Verfahren 45 als signifikant
29
I. Elektrophysiologie 3. Ergebnisse
richtungsselektiv einzuordnen. Ein Vergleich der Vorzugsrichtungen aus den
trigonometrischen Berechnungen mit denen aus der zirkulären Statistik ergab keinen
Unterschied für die eindeutig richtungsselektiven Neurone.
In der Abbildung I. 3.11 sind in Polarkoordinaten die Vorzugsrichtungen der signifikant
richtungsspezifischen Neurone von Salmo gairdneri und Esox lucius dargestellt.
0°
45°
90°
135°
180°
225°
270°
315°
0°
45°
90°
135°
0°
225°
270°
315°
unten
oben
18
temporal-oben
temporal
temporal-unten nasal-unten
nasal
nasal-oben
Esox lucius Salmo gairdneri
Abb. I. 3.11: Verteilung der Vorzugsrichtungen signifikant richtungsspezifischer praetectaler Zellen
(p < 0,001) von Salmo gairdneri (n = 63) und Esox lucius (n = 45) in Polarkoordinaten.
Ob die Vorzugsrichtungen der 63 Neurone von Salmo gairdneri und der 45 Neurone von
Esox lucius im Polarkoordinatensystem gleich verteilt sind, soll im Weiteren untersucht
werden.
Die Lage der acht gewählten Stimulusrichtungen im Polarkoordinatensystem erlaubt eine
Einteilung in jeweils zwei horizontale und vertikale Winkelbereiche: in nasaler Richtung
45° bis 315°, in temporaler Richtung 135° bis 225°, nach oben 45° bis 135° und nach
unten 225° bis 315°.
Die Legitimation zu dieser Einteilung liegt in dem breiten Tuning dieser Neurone und
darin, dass im NOT und nLM der anderen Vertebratenklassen durchaus Neurone
vorkommen, die eine Tuningbreite in diesem Winkelbereich besitzen. Demnach ergeben
sich in der Summe für Salmo gairdneri 39 Neurone, die eine horizontale Stimulusrichtung
30
I. Elektrophysiologie 3. Ergebnisse
kodieren (nach nasal = 21, nach temporal = 18) gegenüber 24 Neurone, die eine vertikale
Vorzugsrichtung besitzen (nach oben = 13, nach unten = 11).
In der horizontalen Stimulusebene beträgt die Summe der Neurone für Esox lucius 32
(nach nasal = 18, nach temporal = 14), für die vertikalen Stimulusrichtungen 13 Neurone
(nach oben = 6, nach unten = 7).
Tabelle 2: Verteilung der Vorzugsrichtungen richtungsselektiver Neurone von Salmo gairdneri und Esox
lucius in den vier Kardinalrichtungen.
horizontal vertikal
Versuchstier n Temporal nasal oben unten
Salmo gairdneri 63 18 21 13 11
Esox lucius 45 14 18 6 7
Die Analyse bezüglich einer Ungleich- bzw. Gleichverteilung der Vorzugsrichtungen von
horizontal und vertikal kodierenden Neurone im Polarkoordinatensystem wurde mit einem
nichtparametrischen Test durchgeführt. Das statistische Verfahren des χ2-Tests beruht auf
dem Vergleich zweier Häufigkeitsverteilungen (hier: Zahl der horizontal und Zahl der
vertikal kodierenden Neurone).
Mit einem Wert von p = 0,720 kann kein signifikanter Unterschied zwischen der Zahl
horizontaler und vertikaler Bewegungsrichtung kodierender Neurone bei Salmo gairdneri
festgestellt werden. Ein signifikanter Unterschied (p < 0,05) tritt bei Esox lucius auf. Die
Anzahl der Neurone, die eine horizontale Stimulusbewegung kodieren, ist hier größer als
die Anzahl von Neuronen, die eine vertikale Stimulusbewegung kodieren.
Dieses Analyse zeigt eine Gleichverteilung der Vorzugsrichtungen für horizontal und
vertikal verlaufende visuelle Stimuli bei Salmo gairdneri und eine Ungleichverteilung bei
Esox lucius mit einer horizontalen Präferenz.
Zusammenfassend wird belegt, dass in einem begrenzten praetectalen Areal beider
untersuchten Fischarten horizontale und vertikale Richtungen retinaler Bildverschiebungen
kodiert werden. Es findet keine Segregation von Neuronen statt, die horizontal - und
vertikal verlaufende visuelle Stimuli kodieren, wie sie in den anderen Vertebratenklassen
im nLM und NOT und nBOR und MTN / LTN gezeigt wurde.
31
I. Elektrophysiologie 3. Ergebnisse
3.5 Entscheidet die Anzahl richtungsselektiver Neurone über
eine Symmetrie bzw. Asymmetrie des monokularen
horizontalen optokinetischen Reflexes? Mit den bisher gewonnenen Erkenntnissen drängt sich die Frage auf, ob es möglich ist, aus
der Richtungspräferenz der praetectalen richtungsspezifischen Neuronenpopulation beider
Fischarten Rückschlüsse auf eine Asymmetrie des monokularen horizontalen
optokinetischen Reflexes (mhOKR) zu ziehen.
Zur Klärung dieser Fragestellung wurden nur die in der horizontalen Stimulusebene
kodierenden Neuronen beider Fischarten in die Analyse einbezogen. In die Auswertung für
Salmo gairdneri gingen insgesamt 39 Zellen ein, wovon 21 eine nasale und 18 Neuronen
eine temporale Reizrichtung bevorzugten.
Für Esox lucius waren es insgesamt 32 Neuronen, 18 Neuronen kodierten eine nasale
Stimulusrichtung und 14 Neuronen eine temporale Reizrichtung.
In der Abbildung I. 3.12 ist die Verteilung der Neurone von Salmo gairdneri und Esox
lucius in Polarkoordinaten dargestellt.
airdneriSalmo g
0°
45°
90°
135°
180°
225°
270°
315°
0°
45°
90°
135°
180°
225°
270°
315°
temporal-oben
temporal
temporal-unten nasal-unten
nasal
nasal-oben
unten
oben
Esox lucius
Abb. I. 3.12: Verteilung der horizontalen nasalen und temporalen Vorzugsrichtungen praetectaler Zellen von
Salmo gairdneri (n = 39) und Esox lucius (n = 32) in Polarkoordinaten.
32
I. Elektrophysiologie 3. Ergebnisse
Der Test auf eine Gleich- bzw. Ungleichverteilung der Neurone auf die beiden
horizontalen Stimulusrichtungen wurde mit dem χ2-Test durchgeführt.
Das Ergebnis zeigte weder für Salmo gairdneri (p = 0,172) noch für Esox lucius
(p = 0,389) einen signifikanten Unterschied in der Anzahl von Neuronen, die einen in
nasaler oder temporaler Reizrichtung verlaufenen Stimulus kodieren. Damit ist eine
Asymmetrie des OKR aus der Verteilung der Vorzugsrichtung der Neurone nicht
abzuleiten.
3.6 Populationsantwort Eine weitere Analysemöglichkeit zur Charakterisierung des richtungsselektiven Areals in
bezug auf den mhOKR bietet die Untersuchung der Aktivität der gesamten
Neuronenpopulation. Dazu wurde durch Summation der Tuning - Kurven aller signifikant
richtungsselektiven Neuronen die Populationsantwort berechnet. Die Ergebnisse sind für
beide untersuchten Fischarten in der Abbildung I. 3.13 dargestellt.
n = 63
20 40 60 80
20
40
60
80
20406080
20
40
60
80
0°
45°
90°
135°
180°
225°
270°
315°
n = 45
20 40 60 80
20
40
60
80
20406080
20
40
60
80
0°
45°
90°
135°
180°
225°
270°
315°
temporal-oben
temporal
temporal-unten nasal-unten
nasal
nasal-oben
unten
oben
Salmo gairdneri Esox lucius
Abb. I. 3.13: Richtungscharakteristik der Neuronenpopulation von Salmo gairdneri (n = 63) und Esox lucius
(n= 45). Die Radien geben die mittlere Spikerate der Neuronenpopulation an.
33
I. Elektrophysiologie 3. Ergebnisse
Die Richtungscharakteristik der Population zeigt keine Präferenz für eine der vier
Kardinalrichtungen (horizontal: nasal-temporal und vertikal: oben-unten) bei Salmo
gairdneri und bei Esox lucius.
Das deutet auf eine Gleichverteilung der Vorzugsrichtungen im visuellen Raum hin. Eine
Asymmetrie des mhOKRs lässt sich dadurch nicht erklären.
3.7 Weitere Charakterisierung praetectaler richtungsselektiver
Neurone von Salmo gairdneri und Esox lucius Anhand der bisher gewonnenen Ergebnisse kann die Qualität des mhOKR (Klar 1999)
nicht erklärt werden. Aus diesem Grund wurden die signifikant richtungsselektiven
Neuronen von Salmo gairdneri und Esox lucius weiter analysiert. Diese Ergebnisse sollen
zusätzlichen Aufschluss über die Rolle der richtungsselektiven Neurone im
optokinetischen System geben.
3.7.1 Neuronale Aktivität in Abhängigkeit von der Reizgeschwindigkeit Das optokinetische System ist so konzipiert, dass es einer retinalen Bildverschiebung
entgegenwirkt. Dazu muss diesem visuomotorischen System die Richtung, wie auch die
Reizgeschwindigkeit bekannt sein, damit die Augenmuskeln die Augen entsprechend
auslenken können. Die Bestimmung der Bildverschiebungsrichtung kann von den
praetectalen richtungsselektiven Neuronen beider Fischarten geleistet werden. Es stellt sich
nun die Frage, wie diese Zellen auf unterschiedliche Geschwindigkeiten des präsentierten
Zufallspunktemuster reagieren.
Während des elektrophysiologischen Experiments konnte akustisch und mit dem
Aufzeichnungsprogramm CORTEX, das eine Online- Darstellung der Spikeraten
ermöglichte, eine der acht untersuchten Stimulusrichtungen als Vorzugsrichtung sofort
bestimmt werden. In dieser Richtung wurden Geschwindigkeiten des Zufallspunktemusters
von 0 °/s bis 80 °/s in jeweils 10 °/s Schritten bei Salmo gairdneri untersucht. Eine
Reizgeschwindigkeit von 5 °/s wurde bei Esox lucius zusätzlich gemessen, da es sich
34
I. Elektrophysiologie 3. Ergebnisse
während der Experimente abzeichnete, dass diese Neurone sehr empfindlich auf geringste
Geschwindigkeitsänderungen reagierten.
16 Neurone von Salmo gairdneri und 11 Neurone von Esox lucius wurden untersucht. Für
jedes Neuron wurde die mittlere Spikerate während der 8000 ms andauernden Stimulation
pro untersuchter Reizgeschwindigkeit berechnet und der Median dieser Spikeraten von
allen Neuronen bestimmt.
Die Analyse erfolgte für beide Fischarten getrennt und ist in der Abb.: I. 3.14 dargestellt.
Esox lucius
Stimulusgeschwindigkeit [°/s]
0 5 10 20 30 40 50 60 70 80
Spi
kera
te [H
z]
0
10
20
30
40
50
60Salmo gairdneri
Stimulusgeschwindigkeit [°/s]
0 10 20 30 40 50 60 70 80
Spi
kera
te [H
z]
0
10
20
30
40
50
60
Abb. I. 3.14: Median der Spikeraten [Hz] in Abhängigkeit von der Stimulusgeschwindigkeit bei Salmo
gairdneri und Esox lucius.
Mit Erhöhung der Stimulusgeschwindigkeit nahm die Spikerate der Neurone von Salmo
gairdneri kontinuierlich bis auf eine maximale Entladungsrate von 52 Hz zu, die bei einer
Reizgeschwindigkeit von 70 °/s erreicht wurde. Eine weitere Erhöhung der
Reizgeschwindigkeit auf 80 °/s bewirkte eine Abnahme der Spikeraten auf 38 Hz.
Die 11 untersuchten Neurone des Hechtes hingegen zeigten ihre maximale Entladungsrate
von 25 Hz bei einer Stimulusgeschwindigkeit von 20 °/s. Höhere Reizgeschwindigkeiten
bis 30 °/s bewirkten eine Abnahme der Spikefrequenz auf 19 Hz. Ab dieser
Reizgeschwindigkeit traten die Entladungsraten in eine Sättigungsbereich ein, der sich bis
zur maximalen Stimulusgeschwindigkeit von 80 °/s statistisch nicht signifikant (p > 0,05)
änderte. Mit diesen Ergebnissen kann gezeigt werden, dass die richtungsselektiven
Neuronen von Salmo gairdneri Reizgeschwindigkeitsänderungen bis 70 °/s mit einer
Zunahme der Spikefrequenz kodieren. Die richtungsselektiven Neuronen von Esox lucius
35
I. Elektrophysiologie 3. Ergebnisse
hingegen erreichen bei langsamen Reizgeschwindigkeiten bis 20 °/s ihre maximale
Entladungsrate.
3.7.2 Analyse der Latenzzeit Weiteren Aufschluss über eine mögliche Rolle der richtungsspezifischen Neurone im
optokinetischen System soll die Analyse der visuellen Latenzzeit ergeben.
Das zur visuellen Stimulation verwendete Zufallspunktemuster wurde durch ein
Planetarium generiert. Dabei handelt es sich um ein gekoppeltes elektronisches /
mechanisches System. Zwischen dem Steuerimpuls zum Auslösen der Drehbewegung des
Planetariums und dem Einsetzen der visuellen Stimulation trat aufgrund der mechanischen
Trägheit eine Verzögerungszeit von 72 ms auf. Diese Verzögerungszeit des mechanischen
Systems wurde als Konstante bei der Berechnung der neuronalen Latenzzeit von den
ermittelten Werten abgezogen.
Abb. I. 3.15: Visuelle Latenzzeiten der richtungsselektiven Neurone von Salmo gairdneri und Esox lucius bei
Stimulation in Vorzugsrichtung. Die Ordinate gibt die Neuronenzahl an, die Abzisse die Latenzzeit in ms.
In diesem Beispiel betrug die vertikale Auslenkung +/- 0,3° und die horizontale
Auslenkung +/- 0,1°.
Mit Hilfe der schnellen Fourier - Transformation (FFT), die eine Umformung von
periodischen Signalen mit einem Zeitpunkt und Abtastwert (Augenpositionssignal der
Messspule) in eine Darstellung von Frequenzanteil, Amplitude und Phase ermöglicht,
wurden die aufgezeichneten Kalibrierungs- und Kontrollmessungen der paralysierten
Tiere, sowie die Augenpositionssignale der acht Versuchstiere bei den drei
Stimulationsparadigmen quantitativ analysiert.
Die Abbildung II. 3.6 zeigt am Beispiel des Versuchstieres Sg 9 das FFT - transformierte
Kalibrierungssignal der verwendeten Augenspule und das Augenpositionssignal des
paralysierten Tieres.
79
II. Verhaltensuntersuchungen 3. Ergebnisse
Paralysiert
Kalibrierung
Abb. II. 3. 6: Darstellung des Fourier - transformierten Messspulensignals aus der Kalibrierung und des
Augenpositionssignals des paralysierten Versuchtieres Sg 9. Auf der Abszisse ist die Frequenz in Hertz
angegeben, die Ordinate zeigt den Energiewert an.
Die Fourier - Transformation des Kalibrierungssignals zeigt, dass exakt bei einer Frequenz
von 0,1 Hz, die der experimentellen sinusförmigen Stimulusdrehfrequenz entspricht, ein
maximaler Amplitudenwert mit der Energie von 10257 erreicht wird.
Die Transformation der Kontrollaufzeichnung (paralysierter Fisch) zeigt eine maximale
Energie von 137 bei 0,1 Hz. Dieser Fehlerwert wurde in der weiteren Analyse des vVORs
durch Subtraktion mit einbezogen. In der Abbildung II. 3.7 sind in A, B, C exemplarisch
die FFT - transformierten Augenpositionssignale von Sg 9 in den gleichnamigen
Stimulationsparadigmen unter Einbeziehung des Fehlerwertes dargestellt. In allen drei
untersuchten Paradigmen befinden sich die maximalen Amplitudenwerte bei einer
Frequenz von 0,1 Hz (rot). In A (Reizmuster dreht mit) besitzt die maximale Amplitude
einen Energiewert von 3879. Die Energie der maximalen Amplitude in B (Muster
stationär) hat einen höheren Wert von 5786. Die größte Amplitude mit einem Energiewert
von 7430 wird in C (Reizmuster dreht gegen) erreicht.
Aufgetretene Sakkadischeaugenbewegungen befinden sich aufgrund ihrer hohen
Geschwindigkeit ausserhalb des untersuchten Frequenzspektrum von 0 bis 1 Hz.
80
II. Verhaltensuntersuchungen 3. Ergebnisse
Reizmuster dreht gegen
Reizmuster stationär
Reizmuster dreht mit
C
B
A
Abb. II. 3. 7: Energiespektren in Abhängigkeit von der Frequenz der Fourier - transformierten
Augenpositionssignale des Versuchtiers Sg 9 in den Versuchsparadigmen: A (Reizmuster dreht mit), B
(Reizmuster stationär), C (Reizmuster dreht gegen). In rot ist das vertikale und in schwarz das horizontale
transformierte Augenpositionssignal dargestellt.
Der Anteil horizontaler Augenbewegungen die während der Stimulationsphasen
stattfanden, sind in den Energiebalken schwarz dargestellt. Der niedrige und
unregelmäßige Energiewert zeigt den geringen Anteil horizontaler Augenbewegungen.
81
II. Verhaltensuntersuchungen 3. Ergebnisse
Die Normierung der FFT Augenpositionssignale zur Einzelanalyse der Versuchstiere
erfolgte, indem der Energiewert der maximalen Amplituden aus den Kalibrierungsdateien
einem gain von 1 gleichgesetzt wurden.
VersuchstiereSg4 Sg5 Sg6 Sg7 Sg8 Sg9 Sg10 Sg11
gain
0.0
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0A: Reizmuster dreht mitB: Reizmuster stationärC: Reizmuster dreht gegen
Abb. II. 3.8: Dargestellt ist das gain kompensatorischer Augenbewegungen des vVORs der Versuchstiere
Sg 4 bis Sg 11 in Abhängigkeit von den drei untersuchten Stimulationsparadigmen.
Die Einzelanalyse zeigt, dass kein Versuchtier die Fähigkeit besitzt, in einem der drei
untersuchten Stimulationsparadigmen kompensatorische Augenbewegungen mit einem
gain von 1 auszuführen. Ausserdem gilt folgendes:
- Im Stimulationsparadigma A sollte das visuelle System die Information einer
unveränderten Position im Raum erhalten, während das vestibuläre System die
Drehbeschleunigung der sinusförmigen Stimulation registriert. Hier wird ein minimales
gain von 0,28 (Sg 8) und ein maximales gain von 0,38 (Sg 9) erreicht.
- Im Stimulationsparadigma B erhält das visuelle System die Information über eine
Lageveränderung im Raum. Das gain ist bei allen Versuchstieren größer als in Paradigma
A. Das minimale gain beträgt bei dieser Untersuchung 0,42 (Sg 7), das maximale gain 0,54
(Sg 9).
- In Stimulationsparadigma C besteht ebenfalls eine visuelle Ortsveränderung, jedoch
entgegengesetzt zur sinusförmigen Drehbewegung des Tieres. Die retinale
Bildverschiebungsgeschwindigkeit erhöht sich. Das gain aller Versuchstiere ist in
82
II. Verhaltensuntersuchungen 3. Ergebnisse
Paradigma C größer als in Paradigma B. Es wird ein minimales gain von 0.57 (Sg 10) und
ein maximales gain von 0,72 (Sg 11) erreicht.
Dieses Ergebnis belegt für jedes einzeln untersuchte Versuchstier einen signifikanten
Unterschied (ANOVA: p < 0,001) zwischen den Stimulationsparadigmen A und B, sowie
zwischen B und C.
Mit der Gruppenanalyse aller acht untersuchten Regenbogenforellen bei den jeweiligen
Stimulationsparadigmen (A, B, C) kann gezeigt werden, dass mit der zusätzlichen
visuellen Information über eine Lageveränderung im Raum eine signifikante (ANOVA,
Tukey: p < 0,001) Erhöhung des gains stattfindet (Abb. II. 3.9).
StimulationsparadigmenMuster dreht mit Muster stationär Muster dreht gegen
gain
0.0
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
*
*
A B C
Abb. II. 3.9: Gruppenanalyse des gains kompensatorischer Augenbewegungen des vVORs durch
Mittelwertbildung mit Standardfehler der acht untersuchten Regenbogenforellen in Bezug auf die
Stimulationsparadigmen A, B, C.
Im Stimulationsparadigma A (Reizmuster dreht mit) wird ein mittleres gain von 0,31
erreicht. Im Stimulationsparadigma B (das Reizmuster ist stationär, der Fisch dreht sich) ist
der Mittelwert des gains 0,48, und im Stimulationsparadigma C (das Reizmuster dreht
gegen die Drehrichtung des Fisches) erreicht das gain einen Mittelwert von 0,67.
Damit kann ein Vergrößerungsfaktor des gains von A nach B mit 1,55 und von B nach C
mit 1,4 beziffert werden.
83
II. Verhaltensuntersuchungen 3. Ergebnisse
Dieses Ergebnis belegt den visuellen Einfluss auf die Ausführung vertikaler
kompensatorischer Augenbewegungen des vestibulo - oculären Reflexes.
3.2.2 Der horizontale vestibulo-okuläre Reflex
Entsprechend den vertikalen VOR Stimulationsparadigmen (A, B, C) wurde an drei
Versuchstieren (Sg 9, Sg 10, Sg 11) zusätzlich der horizontale VOR untersucht. In der
horizontalen Stimulationsebene betrug die maximale sinusförmige Auslenkung +/- 10°, die
Reizfrequenz 0,1 Hz.
Die Einzelanalyse (Abbildung II. 3.10) zeigt, dass keines der drei Versuchstiere einen
gain - Wert von 1 in den drei untersuchten Stimulationsparadigmen erreicht.
VersuchstiereSg9 Sg10 Sg11
gain
0.0
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0A: Reizmuster dreht mitB: Reizmuster stationärC: Reizmuster dreht gegen
Abb. II. 3.10: Dargestellt ist das gain kompensatorischer Augenbewegungen des hVORs der drei
untersuchten Regenbogenforellen Sg 9, Sg 10 und Sg 11 in Abhängigkeit von den drei
Stimulationsparadigmen.
Unter Stimulationsparadigma A wird von Sg 10 ein minimales gain des hVORs von 0,49
erreicht. Einen maximalen gain - Wert von 0,59 zeigt das Versuchstier Sg 9.Signifikant
größere hVOR gain - Werte werden im Stimulationsparadigma B von allen Versuchstieren
mit einem Minimalwert von 0,68 (Sg 11) und einem Maximalwert von 0,73 (Sg 10)
erreicht.
84
II. Verhaltensuntersuchungen 3. Ergebnisse
Das gain der horizontalen kompensatorischen Augenbewegungen im
Stimulationsparadigma C ist bei den Versuchstieren Sg 9, Sg 10 und Sg11 signifikant
höher als bei Stimulationsparadigma B. Unter der Stimulationsbedingung C werden die
größten gain-Werte dieser Untersuchungsreihe erreicht. Den minimalen Wert von 0,81
zeigt das Versuchstier Sg 11, das maximale gain von 0,87 wird von Sg 9 erzielt.
Zusammengefasst ergibt die Gruppenanalyse der drei untersuchten Tiere folgendes
Ergebnis (Abb. II. 3. 11).
Stimulationsparadigmen
Muster dreht mit Muster stationär Muster dreht gegen
gain
0.0
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
**
A B C
Abb. II. 3. 11: Gruppenanalyse des gains kompensatorischer Augenbewegungen des hVORs durch
Mittelwertbildung mit Standardfehler der drei untersuchten Regenbogenforellen in Bezug auf die
Stimulationsparadigmen A, B, C
Im Stimulationsparadigma A beträgt das mittlere gain 0,55, in B 0,69 und in C 0,84. Die
Erhöhung des gains der horizontalen kompensatorischen Augenbewegungen zwischen
Paradigma A und B, sowie zwischen B und C ist statistisch signifikant (ANOVA, Tukey:
p < 0,05). Die Erhöhung des mittleren gains von A nach B nimmt um einen Faktor von
1,25 und von B nach C um 1,22 zu.
Dieses Ergebnis belegt den visuellen Einfluss auf das vestibulo - okuläre System auch
unter horizontalen Stimulationsbedingungen. Das gain des hVOR ist im Vergleich zum
vVOR aus der vorherigen Untersuchung (II. 3.2.9) bei allen Stimulationsparadigmen stets
größer.
85
II. Verhaltensuntersuchungen 3. Ergebnisse
3.2.3 Vertikaler und horizontaler vestibulo - okulärer Reflex im Dunkeln Aufgrund der o.g. Befunde zum vOKR und hOKR stellt sich die Frage, wie sich das
vestibulo - okuläre System verhält, wenn keine visuelle Information zur Verfügung steht.
Die bisherigen Untersuchungen zum vVOR und hVOR erfolgten stets im Hellen. Um eine
vollständige Entkopplung des visuellen und des vestibulären Systems zu erreichen, wurde
an vier Salmo gairdneri (Sg 8, Sg 9, Sg 10 und Sg 11) der vertikale und der horizontale
VOR in Dunkelheit untersucht. An diesen vier Versuchstieren wurden zuvor die
Experimente zum vertikalen und horizontalen VOR durchgeführt. Die Amplitude der
sinusförmigen Drehbeschleunigung, die Stimulationsfrequenz und die Aufzeichnungszeit
entsprachen exakt den experimentellen Bedingungen zum vVOR und hVOR.
hVOR
VersuchstiereSg8 Sg9 Sg10 Sg11
gain
0.0
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
vVOR
VersuchstiereSg8 Sg9 Sg10 Sg11
0.0
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
gain
Abb. II. 3.12: Das gain des vertikalen und horizontalen VORs der Versuchstiere Sg 8 bis Sg 11 im
Dunkeln.
Die vVOR Stimulation im Dunklen ergab ein minimales gain von 0,17 (Sg 9) und ein
maximales gain von 0,29 (Sg 8).
Die hVOR Stimulation im Dunklen ergab einen minimalen Wert von 0,32 (Sg 8) und einen
maximalen Wert von 0,39 (Sg 10).
86
II. Verhaltensuntersuchungen 3. Ergebnisse
Auch hier ist das gain bei horizontaler Stimulation höher als bei vertikaler Reizung. Eine
Ausnahme bildet das Versuchstier Sg 8, bei dem das gain bei vertikaler Reizung um 0,03
höher ist als bei horizontaler Stimulation. Abbildung II. 3.13 zeigt die Gruppenanalyse
(vertikal vs. horizontal).
vOKR-dunkel hOKR-dunkel
gain
0.0
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
gain vertikaler vs. horizontaler VOR im dunklen
*
Abb. II. 3. 13: Dargestellt ist das gain kompensatorischer Augenbewegungen des VORs bei vertikaler und
horizontaler Stimulation im Dunkeln.
Das gain der kompensatorischen Augenbewegungen bei horizontaler Reizung ist mit einem
Faktor von 1,37 signifikant (t-Test: p < 0,05) größer als bei vertikaler Reizung.
Der Vergleich des gains aller untersuchten Paradigmen (A, B, C) und bei
Dunkelstimulation, zwischen vertikaler und horizontaler Stimulusrichtung zeigt signifikant
(ANOVA, Tukey: p < 0,05) die Dominanz in der horizontalen Reizrichtung (Abb. II. 3.14).
87
II. Verhaltensuntersuchungen 3. Ergebnisse
Abb. II. 3.14: Ver
der Stimulationspar
Neben dieser h
Eingang den VO
bei mitbewegtem
StimulationsparadigmenA B C dunkel
gain
0.0
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0 vertikal horizontal
* *
*
*
gleich des VOR gains für die vertikale und horizontale Stimulusrichtung in Abhängigkeit
adigmen, A: Muster dreht mit, B: Muster stationär, C: Muster dreht gegen und dunkel.
orizontalen Präferenz wurde ausserdem festgestellt, dass der visuelle
R nur leicht modulieren kann. Eine komplette Unterdrückung des VORs
Reizmuster trat nicht auf.
88
II. Verhaltensuntersuchungen 3. Ergebnisse
3.3 Optokinetische Augenbewegungen vor und nach Läsion des
dorsalen Praetectums Mit Hilfe elektrolytischer Mikroläsionen wurde untersucht, ob die im
elektrophysiologischen Teil dieser Arbeit beschriebenen praetectalen richtungsselektiven
Neurone von Salmo gairdneri an der Generierung der langsamen Augenfolgephase des
hOKRs essentiell beteiligt sind und somit das neuronale Substrat für optokinetische
Augenbewegungen in der Überordnung Teleostei stellen können.
Zu Beginn dieser Experimentreihe wurden sechs Salmo gairdneri (Sg 12 bis Sg 17) auf die
Auslösbarkeit ihres mhOKRs hin untersucht. Auch diese sechs Versuchstiere konnten vor
dem Läsionsexperiment einen mhOKR bei Reizgeschwindigkeiten von 4 °/s, 9 °/s, 14 °/s
und 18 °/s in beiden Stimulusrichtungen (T-N und N-T) ausführen (siehe Abb. II. 3.15).
3.3.1 Elektrophysiologisches Läsionsexperiment Zur Lokalisation des praetectalen Areals richtungsselektiver Neurone wurden
elektrophysiologische Ableitungen an den zuvor in den Verhaltenstests untersuchten, sechs
Regenbogenforellen durchgeführt. An je einem Ableitort eindeutig richtungsselektiver
Neurone erfolgten bei fünf Fischen (Sg 12 bis Sg 16) elektrolytische Mikroläsionen. Das
sechste Versuchstier (Sg 17) diente als Kontrolle. An ihm wurden nur
elektrophysiologische Ableitungen im peripheren Bereich des richtungsselektiven Areals
in vergleichbaren Ableittiefen durchgeführt.
In der Abbildung II. 3.15 sind in Polarkoordinaten die Tuning-Kurven und
Vorzugsrichtungen signifikant richtungsselektiver Neurone gezeigt, die vor der Läsion bei
den fünf Versuchstieren abgeleitet wurden. Der Mittelpunkt des Polarplots repräsentiert die
Lage des rechten, stimulierten Auges. Die Radien geben die Spikerate pro Sekunde an.
89
II. Verhaltensuntersuchungen 3. Ergebnisse
Abb. II. 3.15: Tuning - Kurven und Richtungsvektoren fünf richtungsselektiver Neurone der Versuchstiere
Sg 12 bis Sg 16 vor der Läsion. Die Radien geben die Aktivität in Spikes / Sekunde an.
0 20 40 60 800
20
40
60
80
0204060800
20
40
60
80
0°
45°
90°
135°
180°
225°
270°
315°
0 20 40 60 800
20
40
60
80
0204060800
20
40
60
80
0°
45°
90°
135°
180°
225°
270°
315°
Sg 15
Sg 14
0 20 40 60 800
20
40
60
80
0204060800
20
40
60
80
0°
45°
90°
135°
180°
270°
315°
nasal-unten
temporal-oben
temporal
unten
oben
nasal
nasal-oben
Sg 12
225°
temporal-unten
0 20 40 60 800
20
40
60
80
0204060800
20
40
60
80
0°
45°
90°
135°
180°
225°
270°
315°
0 20 40 60 800
20
40
60
80
0204060800
20
40
60
80
0°
45°
90°
135°
180°
225°
270°
315°
0 20 40 60 800
20
40
60
80
0204060800
20
40
60
80
0°
45°
90°
135°
180°
225°
270°
315°
Sg 16
Sg 14
Sg 13
Im Praetectum der fünf Versuchstiere konnten vor der Läsion folgende richtungsselektive
Neurone abgeleitet werden:
- Sg 12 nasal, 9,5°
- Sg 13 unten, 261°
- Sg 14 nasal - oben, 38° und nasal - unten, 309°
- Sg 15 temporal - oben, 121°
- Sg 16 temporal, 169°
Nach erfolgter Läsion konnte während des Zurückziehens der Ableitelektrode bei keinem
der fünf Versuchstiere neuronale Aktivität innerhalb eines Bereiches von 200 – 350 µm
oberhalb des Läsionsortes registriert werden. Die genaue histologische Rekonstruktion der
Läsionsorte erfolgte nach Beendigung der anschließenden Verhaltensexperimente zum
mhOKR.
90
II. Verhaltensuntersuchungen 3. Ergebnisse
3.3.2 Verhaltensbeobachtung nach Läsion des dorsalen Praetectums Im Anschluss an das Läsionsexperiment und nach eindeutig abgeklungener
Narkosewirkung konnten folgende Verhaltensbeobachtungen im Hälterungsbecken der
getrennt gehaltenen Versuchstiere gemacht werden.
Alle fünf Fische mit einem lädiertem Praetectum zeigten eine starke Einschränkung in
ihrer Mobilität. Sie vermieden es, im Becken frei umher zu schwimmen, wie es für Salmo
gairdneri charakteristisch wäre. Vielmehr verweilten sie häufig mit einer leichten Neigung
um ihre Körperlängsachse nach links auf ihre Brustflossen gestützt am Boden des
Hälterungsbeckens. In den wenigen beobachteten Aktivitätsphasen wurden überwiegend
Schwimmrichtungen entgegen dem Uhrzeigersinn (ipsiversiv zur Läsion) registriert. Mit
einem weißen Stock (∅ = 2 cm), der im frontalen Gesichtsfeld horizontal bewegt wurde,
konnten die Fische zum Schwimmen animiert werden. Die bevorzugte Schwimmrichtung
entgegen dem Uhrzeigersinn behielten alle fünf Versuchstiere aber bei.
Ein völlig anderes Verhalten zeigte der Kontrollfisch im gleichen postoperativen Zeitraum.
Eine Einschränkung der Mobilität wurde nicht beobachtet. Der Fisch schwamm stetig im
Hälterungsbecken umher. Ebenso war kein Unterschied zwischen den Schwimmrichtungen
entgegen dem Uhrzeigersinn (ipsiversiv zum Ableitort) oder im Uhrzeigersinn
(kontraversiv zum Ableitort) festzustellen. Dieses Kontrolltier zeigte ein arttypisches
Aktivitätsverhalten.
3.3.3 Der monokulare horizontale optokinetische Reflex nach der Läsion Im Anschluss an die elektrolytische Läsion durften sich die Fische acht bis maximal zwölf
Stunden erholen, um zu gewährleisten, dass der Einfluss der verwendeten Narkotika
vollständig abgeklungen war.
Danach wurde den Versuchstieren wie vor der Läsion der visuelle Stimulus monokular,
rechtes Auge sehend, bei den gleichen Geschwindigkeiten und in den gleichen
Stimulusrichtungen (T-N und N-T) präsentiert.
91
II. Verhaltensuntersuchungen 3. Ergebnisse
Sg 12
18 14 9 4 0 4 9 14 18
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
1.2
Sg 15
18 14 9 4 0 4 9 14 18
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
1.2
Sg 16
18 14 9 4 0 4 9 14 18
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
1.2
Sg 17 (Kontrolle)
18 14 9 4 0 4 9 14 18
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
1.2
Sg 13
18 14 9 4 0 4 9 14 18
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
1.2
Sg 14
Stimulusgeschwindigkeit [°/s] und Reizrichtung
18 14 9 4 0 4 9 14 18
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
1.2
naso - temporaltemporo - nasal
gain
Sg 12
18 14 9 4 0 4 9 14 18
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
1.2
Sg 15
18 14 9 4 0 4 9 14 18
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
1.2
Sg 16
18 14 9 4 0 4 9 14 18
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
1.2
Sg 17 (Kontrolle)
18 14 9 4 0 4 9 14 18
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
1.2
Sg 13
18 14 9 4 0 4 9 14 18
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
1.2
Sg 14
Stimulusgeschwindigkeit [°/s] und Reizrichtung
18 14 9 4 0 4 9 14 18
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
1.2
naso - temporaltemporo - nasal
gain
Abb. II. 3.16: Vergleich des gains von Sg 12 bis Sg 17 als Funktion von Stimulusgeschwindigkeit und
Reizrichtung vor (schwarz) und nach Läsion bzw. Ableitung (Sg 17) (rot).
Die Reizgeschwindigkeiten aus der Voruntersuchung wurden gewählt, da bei diesen
Geschwindigkeiten erwartungsgemäß das größte gain erzielt wird und damit auftretende
Veränderungen der Augenfolgebewegung am deutlichsten nachweisbar sein sollten.
92
II. Verhaltensuntersuchungen 3. Ergebnisse
In der Abbildung II. 3.16 ist für jedes Versuchstier (Sg 12 bis Sg 17) das gain als Funktion
der Stimulusgeschwindigkeit und Reizrichtung vor (schwarz) und nach (rot) Läsion bzw.
Ableitung des linken Praetectums gezeigt. Die Versuchstiere Sg 12, Sg 13 und Sg 16
zeigen im Vergleich zur Voruntersuchung eine deutliche Abnahme der Geschwindigkeit
der Augenfolgereaktion des mhOKRs in temporo - nasaler Stimulusrichtung (ipsiversiv).
Schon bei 4 °/s Reizgeschwindigkeit reduziert sich das gain um 80 % auf einen Wert von
< 0,2. Bei höheren Reizgeschwindigkeiten nimmt das gain weiter ab, so dass ab einer
Reizgeschwindigkeit von 14 °/s die gain - Werte unterhalb von 0,05 lagen. Das gain in
naso - temporaler Stimulusrichtung ist weniger stark reduziert als in temporo - nasaler
Stimulusrichtung bei gleichen Stimulusgeschwindigkeiten. Es verringert sich für alle drei
Tiere im Vergleich zur Voruntersuchung um ca. 30 %.
Das Versuchstier Sg 14 zeigt bei einer Reizgeschwindigkeit von 4 °/s eine starke
Reduktion des gains um 87 % in naso - temporaler Stimulusrichtung. Ab einer Reiz-
geschwindigkeit von 14 °/s war das gain kleiner als 0,05. Kaum beeinträchtigt hingegen ist
die temporo - nasale Stimulusrichtung, bei der das gain um 10 % (4 °/s) bis 23 % (18 °/s)
abnahm.
Eine Verringerung des gains in beiden Stimulusrichtungen im Vergleich zur
Voruntersuchung tritt bei Versuchstier Sg 15 auf. Hier kommt es zu einer Reduktion um
82 % in temporo - nasaler und um 91 % in naso - temporaler Stimulusrichtung.
Das Kontrolltier Sg 17 (sham - Operation) zeigte nach dem Ableitexperiment über den
gesamten untersuchten Geschwindigkeitsbereich und für beiden Stimulusrichtungen ein
gain, das ähnlich (Reduktion zwischen 2 % und 8 %) zu den vor dem Experiment
gemessenen Werten war. Mit dieser Kontrolle kann belegt werden, dass die Operation und
die Penetrationen mit der Mikroelektrode durch das Tectum opticum nicht zu
Beeinträchtigungen der langsamen Augenfolgephase des mhOKR führen.
Diese Ergebnisse zeigen, dass die irreversible Inaktivierung des Areals richtungsselektiver
Neurone im Praetectum Auswirkungen auf die Geschwindigkeit der langsamen
Augenfolgephase des mhOKRs hat. Zusätzlich wird deutlich, dass die Reduktion des gains
nicht auf eine der untersuchten Stimulusrichtungen beschränkt sein muss.
93
II. Verhaltensuntersuchungen 3. Ergebnisse
3.3.4 Analyse der Augenfolgebewegungen während der
Stimulationsphasen Als Augenfolgebewegungsereignisse werden Veränderungen, die während der
monokularen visuellen Stimulationsphasen innerhalb der 30 s Aufzeichnungsdauer
registriert wurden, definiert. Dazu gehören die Anzahl der Augenfolgebewegungen, also
die Frequenz, sowie die Amplituden der Augenpositionsveränderung des abgedeckten
linken und des stimulierten rechten Auges vor und nach der Läsion.
3.3.4.1 Anzahl der Augenfolgebewegungen
In der Abbildung II. 3.17 ist von allen Versuchstieren die absolute Anzahl aufgetretener
Augenfolgephasen (ohne Berücksichtigung ihrer Folgegeschwindigkeit) pro 30 Sekunden
Aufzeichnungsdauer gezeigt. Das Versuchstier Sg 12 steht aufgrund der vergleichbaren
Reduktion des gains in temporo-nasaler Reizrichtung repräsentativ auch für die
Regenbogenforellen Sg 13 und Sg 16.
Bei keinem der Tiere zeigte sich vor der praetectalen Läsion ein signifikanter Unterschied
in der Anzahl der Augenfolgebewegungen des linken und des rechten Auges. Signifikante
Unterschiede treten erst nach der Läsion bei den Tieren Sg 12 bis Sg 16 auf.
Die Anzahl der Augenfolgebewegungen in N-T Stimulusrichtung von Versuchstier Sg 12
ist nach der Läsion für das linke Auge im Mittel um 14,8%, für das rechte Auge um 18,6
% gegenüber dem präoperativen Werten reduziert. In T-N Stimulusrichtung tritt dagegen
eine signifikante Reduktion um 66,7 % für das linke und um 74,5% für das rechte Auge
gegenüber der Anzahl von Augenfolgebewegungen beim intakten Tier auf (p < 0,05).
94
II. Verhaltensuntersuchungen 3. Ergebnisse
Sg12 Sg15
AbbStimPaa
Die
Ab
66,
Au
18 14 9 4 0 4 9 14 18
10
20
30
40
50
18 14 9 4 0 4 9 14 18
10
20
30
40
50
Sg13
18 14 9 4 0 4 9 14 18
10
20
30
40
50
Sg14
18 14 9 4 0 4 9 14 18
10
20
30
40
50
N-TT-N
Reizgeschwindigkeit [°/s]
Anzahl
Sg16
18 14 9 4 0 4 9 14 18
10
20
30
40
50
Sg17 (Kontolle)
18 14 9 4 0 4 9 14 18
10
20
30
40
50
linkes Augelinkes Auge nach der Läsionrechtes Augerechtes Auge nach der Läsion
. II. 3.17: Anzahl der Augenfolgebewegungen in Abhängigkeit von der Reizgeschwindigkeit und ulationsrichtung vor und nach der Läsion für alle Versuchstiere. Aufzeichnungsdauer 30 Sekunden.
rweise Darstellung des linken Auges und des rechten Auges vor und nach der Läsion bzw. Ableitung.
Regenbogenforelle Sg 14 zeigte in der N-T Stimulusrichtung für beide Augen eine
nahme der Anzahl von Augenfolgebewegungen im Mittel um 68,9 % links und um
3 % rechts. In der umgekehrten Reizrichtung (T-N) nimmt die Anzahl für das linke
ge um 35,1 %, für das rechte Auge um 26,6 % ab.
95
II. Verhaltensuntersuchungen 3. Ergebnisse
Eine deutliche, läsionsbedingte Herabsetzung der Anzahl der Augenfolgebewegungen in
beiden Stimulusrichtungen wird von Versuchstier Sg 15 gezeigt. In der N-T
Stimulusrichtung nimmt die Anzahl um 71,8 % für das linke Auge und um 67,2 % für das
rechte Auge ab, in der T-N Reizrichtung um 57,4 % für das linke Auge und um 67,2 % für
das rechte Auge.
Das Kontrolltier Sg 17 zeigt eine Abnahme in der Anzahl von Augenfolgephasen nach
dem Ableitexperiment um 10,9 % für das linke und um 14,9 % für das rechte Auge in T-N
Reizrichtung und um 11,2 % (linkes Auge) bzw. 17,8 % (rechtes Auge) in N-T Richtung.
Die Unterschiede in der Anzahl der Bewegungen der beiden Augen zeigen die
Entkopplung des linken und des rechten Auges.
3.3.4.2 Amplituden der Augenfolgebewegungen
Die Bestimmung der Amplituden der Augenfolgebewegungen in Abhängigkeit von den
untersuchten Reizgeschwindigkeiten und Stimulusrichtungen vor und nach Läsion des
Praetectums soll weiteren Aufschluss über den Reduktionsfaktor des gains der
Augenfolgebewegung geben.
Hierzu wurde die Augenposition zu Beginn und am Ende jeder aufgetretenen langsamen
Augenfolgephase innerhalb der 30 Sekunden Stimulusphase bestimmt und deren Median
berechnet. Wie in der Untersuchung zuvor repräsentiert das Versuchstier Sg 12 auch die
Ergebnisse von Sg 13 und Sg 16.
Vor der Läsion des Praetectums lag bei allen Versuchstieren, unabhängig von Reizrichtung
und Geschwindigkeit, der Median der Augenfolgebewegungsamplituden zwischen 3,2°
(Sg 12) und 7,9° (Sg 15).
96
II. Verhaltensuntersuchungen 3. Ergebnisse
ARAu
bb. II.3.18: Darstellung der Mediane der Amplituden der Augenfolgebewegungen in Abhängigkeit von der eizgeschwindigkeit und Stimulationsrichtung vor und nach der Läsion aller Versuchstiere. ufzeichnungsdauer pro Trial 30 Sekunden. Paarweise Darstellung des linken und dem rechten Auge vor nd nach der Läsion.
Sg 12
18 14 9 4 0 4 9 14 18
2
4
6
8
10
Sg 13
18 14 9 4 0 4 9 14 18
2
4
6
8
10
Sg 15
18 14 9 4 0 4 9 14 18
2
4
6
8
10
Sg16
18 14 9 4 0 4 9 14 18
2
4
6
8
10
linkes Auge
linkes Auge nach der Läsion
rechtes Auge
rechtes Auge nach der Läsion
Sg 14
18 14 9 4 0 4 9 14 18
2
4
6
8
10 N-TT-N
Reizgeschwindigkeit [°/s]
Grad [°]
Sg 17 (Kontrolle)
18 14 9 4 0 4 9 14 18
2
4
6
8
10
97
II. Verhaltensuntersuchungen 3. Ergebnisse
Nach dem Läsionsexperiment sind bei allen Versuchtieren die Amplituden der
Augenfolgebewegung beider Augen signifikant (ANOVA: p < 0,05) verringert (Abb.
III.3.18).
Das Tier Sg 12, wie auch Sg 13 und Sg 16, zeigt signifikant kleinere Amplituden der
Folgebewegung des rechten und des linken Auges in T-N im Vergleich zur N-T Reizung.
In N-T Reizrichtung findet sich eine signifikante Abnahme der Amplituden bei
Versuchstier Sg 14.
Das Versuchstier Sg 15 zeigt nach Läsion in beiden Stimulusrichtungen geringere
Amplituden der Augenfolgebewegung.
Das Kontrolltier Sg 17 zeigt nach dem Ableitexperiment eine geringe Abnahme in der
Amplitude der Augenfolgebewegungen. Es besteht kein signifikanter Unterschied in der
Amplitude zwischen der T-N und N-T Stimulusrichtung.
3.3.4.3 Geschwindigkeit der Augenfolgebewegung
Mit dem direkten Vergleich der drei Parameter Augenfolgegeschwindigkeit, Amplitude der
Augenfolgebewegung und Frequenz der Augenfolgebewegungen soll das durch die Läsion
ausgelöste Defizit näher charakterisiert werden.
In Tabelle 3 sind diese Werte für alle untersuchten Versuchstiere nach den
Stimulusrichtungen und Geschwindigkeiten aufgeschlüsselt. Zusätzlich wurde das Produkt
aus Amplitude und Frequenz der Augenfolgebewegung berechnet. Diese Werte stimmen
erwartungsgemäss grösstenteils mit den gemessenen Geschwindigkeiten der
Augenfolgebewegungen überein.
98
II. Verhaltensuntersuchungen 3. Ergebnisse
Tabelle 3: Wertetabelle für die Versuchstiere Sg 12 bis Sg 17, geordnet nach Stimulusrichtung (T-N und N-
T), untersuchter Reizgeschwindigkeit 4 °/s, 9 °/s, 14 °/s und 18 °/s. Gezeigt wird Augenfolgegeschwindigkeit
(Grad/Sekunde), Amplitude der Augenfolgebewegungen (Grad), Frequenz der Augenfolgebewegungen
(Herz) und das Produkt aus Amplitude und Frequenz der Augenfolgebewegung (Grad*Herz).
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Name: Matthias Klar Geburtsdatum: 02. August 1962 Geburtsort: Dortmund Familienstand: ledig Eltern: Ruth-Eva Klar, geborene Greinert Dipl. Ing. Helmut Klar Schulausbildung 1968- 1973 Suitbertus-Grundschule in Dortmund 1973- 1974 Leibnitz-Gymnasium in Dortmund 1974- 1980 Albertus-Magnus-Realschule in Dortmund 1980- 1981 Dr. Zimmermannsche-Wirtschaftsschule in Koblenz 1988- 1991 Abendgymnasium in Dortmund Ausbildung 1982- 1986 Auszubildender als Radio-Fernseh-Techniker Anstellungen 1986- 1987 Computer-Service-Techniker bei Computer Reschke GmbH 1987- 1989 Leiter der Computer-Werkstatt und Service-Techniker bei CASDO Computer Steuer in Dortmund Akademische Ausbildung 1991- 1997 Studium der Biologie, Ruhr-Universität Bochum 1997- 1999 Diplom am Lehrstuhl für Allgemeine Zoologie und
Neurobiologie, Ruhr-Universität Bochum; Leiter: Prof. Dr. K. P. Hoffmann Thema der Arbeit: Zusammenhang zwischen Ausbildung einer Area centralis in der Retina und Augenbewegungen bei Knochenfischen.
Seit 1999 Doktorand am Lehrstuhl für Allgemeine Zoologie und Neurobiologie, Ruhr-Universität Bochum
Danksagung An dieser Stelle möchte ich mich bei all denjenigen bedanken, die mir während meiner
Promotion mit Rat und Tat zur Seite standen.
Insbesondere gilt mein Dank meinem Doktorvater Prof. Dr. K.-P. Hoffmann, nicht nur für
die Bereitstellung dieses interessanten Themas und die Freiheit bei der Ausgestaltung
meiner Arbeit, sondern auch dafür, dass er sich stets für mich Zeit nahm und mir mit
seinem außerordentlichen Wissens- und Erfahrungsschatz zur Seite stand. Nicht zuletzt sei
hier seine Geduld erwähnt.
Frau P.D. Dr. C. Distler danke ich für ihre wertvollen Ratschläge auf dem Gebiet der
Histologie, Anatomie und ihrer Hilfsbereitschaft.
Herrn H.-J. Korbmacher bin ich nicht nur für seine Mikroelektroden zu großem Dank
verpflichtet. Nicht vergessen möchte ich Frau M. Möllmann, die mir in der Histologie zur
Seite stand. Herrn Dr. L. Lünenburger danke ich für seine inspirierende Diskussions- und
seine Hilfsbereitschaft, Herrn Dr. B. Krekelberg für seine Hilfe in Matlab und Herrn W.
Junke für seine Unterstützung bei Computerproblemen.
Eewähnen möchte ich auch Herrn E. Reuter, Herrn G. Tiney, Herrn H. Marquart, Herrn B.
Thyner, sowie Herrn S. Dobers, die mir bei elektrischen und mechanischen Problemen eine
große Hilfe waren. Weiterhin schulde ich den Tierpflegern Herrn V. Rostek und Frau M.
Schmidt für die gewissenhafte Versorgung der Fische Dank.
Nicht zuletzt danke ich meinen „ alten“ und „neuen“ Zimmergenossen Frau Dr. A.
Schlack, Dr. M. Kubischik, Frau vet .med. M. Grewing, Frau Dipl.-Biol.W. Blaszcyk und
Herrn C. Schönberger für ein stetig gutes Arbeitsklima und so manche Lacher.
Abschließend möchte ich mich besonders bei meinen Eltern bedanken, die mich auch in