Neue Aspekte des geburtshilflichen Ultraschalls in Bezug auf die Grundversorgung Boris Tutschek, Sevgi Tercanli Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Boris Tutschek
Neue Aspekte des geburtshilflichen Ultraschalls in Bezug auf die Grundversorgung Boris Tutschek, Sevgi Tercanli
Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Boris Tutschek
Zusammenfassungen
Abstract Deutsch Screening-‐ („Routine-‐“) Untersuchungen in der Schwangerschaft haben eine genau beschriebenen Umfang. Die Anforderungen für sie sind in den letzten Jahren gestiegen. Neue Ultraschallgräte ermöglichen zudem in der weiterführenden Diagnostik detaillierte Darstellungen verschiedener fetaler Körperregionen. Dies kann zu einer besseren Planung der Geburt führen, was vor allem bei angeborenen Herzfehlern offensichtlich ist.
Abstract English Screening ultrasound during pregnancy has an established role and a defined scope that has increased over the years. Diagnostic possibilities with newer ultrasound systems can help in particular in referral settings and for a more detailed analysis of various fetal organ systems. In particular for the fetal heart there is a clear benefit with regard to neonatal morbidity and mortality.
Schlüsselwörter Deutsch
Screening; Nackentransparenz; angeborene Fehlbildungen; Herzfehler; 3D-‐Ultraschall
English Screening; nuchal translucency; congenital anomalies; next generation sequencing; massive parallel sequencing
Abkürzungen
BPD biparietaler Durchmesser ETT Ersttrimester-‐Test (individuelle Risikoabschätzung für fetale Trisomie 21)
MPS/NGS massive parallel sequencing/next generation sequencing
NT Nackentransparenz SSL Scheitel-‐Steiss-‐Länge
STIC spatial and temporal image correlation TUI tomographic ultrasound imaging
Einleitung Viele Ärztinnen und Ärzte, die Schwangere betreuen, betrachten den Ultraschall als eines ihrer wichtigsten und oft als entscheidendes diagnostisches Verfahren in der täglichen Praxis. Neben den beiden vorgeschlagene Routine-‐ (oder: Screening-‐) Untersuchungen sind Indikationen zum Einsatz des diagnostischen Ultraschalls fest etabliert und in den Empfehlungen der Fachgesellschaften verankert.
ü Ort der Implantation ü Vitalität ü Erkennung von Mehrlingen und dabei insbesondere Diagnose der Chorionizität
(Erkennung von Monochorialen) ü Bestätigung oder Korrektur des Gestationsalters ü Beurteilung des fetalen Wachstums (Normwerte bzw. Wachstumskurven) ü besonders beim zweiten Screening: fetale Morphologie ü besonders im dritten Trimester: fetale Lage ü Lage und der Morphologie von Plazenta und Nabelschnur ü Fruchtwassermenge ü Uterus und Adnexe
Tabelle 1 Grundsätzliche Fragestellungen der Ultraschall-‐Diagnostik in der Schwangerschaft (modifiziert nach1)
Dieser Artikel gibt -‐ohne Anspruch auf Vollständigkeit-‐ eine Übersicht über typische Anwendungen des diagnostischen Ultraschalls bei Schwangeren in der täglichen Praxis (Routine, Grundversorgung). Dabei werden die aktuellen Empfehlungen der Schweizer Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin, Sektion Gynäkologie und Geburtshilfe, die für die Grundversorgung wichtig sind, besonders berücksichtigt.
Weiterhin versuchen wir, Neuerungen z.B. technischer Art, bei der Bewertung der Befunde sowie sich anbahnende Entwicklungen aufzuzeigen.
Beratung Jede diagnostische Leistung beinhaltet auch eine adäquate ärztliche Beratung über Zweck und Inhalt der Untersuchung sowie die erhobenen Befunde. Eine Besonderheit der Diagnostik in der Schwangerschaft ist, dass über 90% der untersuchten Feten Normalbefunde aufweisen. Andererseits sind erkannte oder vermutete Auffälligkeiten mit einer besonderen psychischen Belastung verbunden. Nicht ganz sicher einzuordnende Befunde (z.B. „Soft-‐Marker“) sowie die Natur des Screenings, wonach nicht alle Betroffenen erkannt werden können, aber immer auch falsch-‐Positive generiert, sind weitere besondere Herausforderungen für die Beratung. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Schwangere den gesamten Untersuchungsverlauf versteht und idealerweise direkt mitverfolgt.
Frühschwangerschaft In der Geburtshilfe lassen sich die Aspekte der praktischen Routine am besten nach ihrer Anwendung im Schwangerschaftsverlauf, also chronologisch betrachten. Manche Schwangere erhalten bereits vor dem formalen Ersten Screening (also vor 11-‐14 Wochen) eine diagnostische Ultraschall-‐Untersuchung. In diesem Fall sind die wichtigen Inhalte dieser Untersuchung in erster Linie Beschreibung und Dokumentation der folgenden Punkte:
• Lokalisation • Intaktheit • Datierung • Bei Mehrlingen: Chorionizität
Neben der normalen Lokalisation einer Schwangerschaft im Cavum uteri kommt auf 100 normale Schwangerschaften etwa eine ektope Schwangerschaft. Die meisten ektopen Schwangerschaften liegen extrauterin und in der Tube, und zwar ampullär und im Verlauf der Tube. Seltener und vor allen aufwendiger in der Therapie sind die interstitiellen (auch: „kornualen“) Schwangerschaften, bei denen die Implantation im Verlauf der Tube im Myometrium stattgefunden hat. Eine in den letzten Jahren offenbar zunehmende Entität sind die Implatation an bzw. in der Sectionarbe, wobei es Überlappungen zur echten zervikalen Schwangerschaft und Verläufe in die Placenta increta und Plazenta percreta gibt, auf die noch weiter unten eingegangen wird.
Neue technische Aspekte Die 3D-‐ oder Volumen-‐Sonographie ist in den letzten in vielen neuen Geräten verfügbar geworden, ist aber nicht Teil des Screenings. Sie beinhaltet verschiedene Verfahren, z.B. die Oberflächendarstellung oder multiplanare Schnittbilder. Diese Verfahren können in ausgewählten Fällen auch in der Früh-‐Schwangerschaft zur Anwendung kommen.
Am ehesten erwarten Schwangere von eine 3D-‐Untersuchung eine Oberflächen-‐rekonstruktion, ein so genanntes „Rendering“. Dabei werden aus vielen benachbarten Schnitten, die mit einer automatisierten Sonde aufgenommen werden, heutzutage annähernd fotorealistische Bilder (Beispiel einer vaginalen 3D-‐Aufnahme aus der Frühschwangerschaft mit Oberflächenrekonstruktion in Abb. 1). Der medizinische Wert solchen Aufnahmen ist meist eher gering. Einen echten diagnostischen Nutzen kann die so genannte multiplanare Darstellung ergeben, bei der aus einem Volumenblock senkrecht aufeinander stehende Ebene dargestellt werden. Dies ermöglicht eine genaue Zuordnung der anatomischen Strukturen bereits bei sehr jungen Feten (siehe Abb. 2)
Abb. 1 Oberflächenrekonstruktion eines normalen Embryos mit 9+2 Wochen (transvaginale 3D-‐Sonographie).
Abb. 2 Volumen-‐Sonographie in der 10. Woche: Multiplanare Rekonstruktion eines transvaginale aufgenommenen Datenvolumens zur Differenzierung einer Chorionfalte DD Amnionstrang.
Erstes Screening (Biometrie 1) In der Schweiz werden allen Schwangeren zwei Routine-‐ (Screening-‐) Ultraschall-‐untersuchungen angeboten: das erste Screening mit 11-‐14 Wochen und das zweite Screening mit 20-‐22 Wochen. Beide haben bestimmte Ziele.
Strukturelle Untersuchung beim ersten Screening Zum Umfang des so genannten Ersten Screening in der Schwangerschaft gehören die in Tab. 2 gelisteten Punkte. Typische Bilder, die beim ersten Screening bewertet werden, sind in Abb. 3 dargestellt.
ü Uterusform, Erkennung genitaler Tumoren ü Fetale Vitalität ü Normaler intrauteriner Sitz ü Bestätigung oder Korrektur des Gestationsalters (in der Regel über die Scheitel-‐
Steiss-‐Länge, alternativ über BPD) ü Erkennung von Mehrlingen und dabei insbesondere Diagnose der Chorionizität
(Erkennung von Monochorialen) ü Erkennung von schweren Fehlbildungen und Markern für Aneuploidien (z.B.
Exenzephalie, Holoprosenzephalie, grosse Omphalozele, Megazystis) ü Messung der Nackentransparenz bei einer Scheitel-‐Steiss-‐Länge von 45-‐84mm
(bei NT-‐Verdickung Hinweis auf eine mögliche Chromosomenstörung z. B. Down-‐Syndrom und erhöhtes Risiko für einen Herzfehler)
Tab. 2 Umfang des ersten Screenings (modifiziert nach1)
A.
B. C. D.
E. F.
G. H.
Abbildung 3 Elemente der Basis-‐Untersuchung im Rahmen des ersten Screenings (abdominaler Ultraschall, normaler Fetus, 13 Wochen). A. Längsschnitt mit Rumpflänge (Scheitel-‐Steiss-‐Länge, geschlossene Kontur des Schädels und der Wirbelsäule. B. Axialer Schnitt des Schädels: Trennung in zwei Gehirnhälften, erkennbare an Mittellinie und den beiden Plexus chorioidei. C. Bauchumfang mit Magen auf der linken Seite. D. Bauchwand:
kein Defekt um den normalen Nabel herum; Blase normal gross darstellbar. E. Medianer Schnitt im Profil: keine Nackenödem, Nackentransparenz im Normbereich (siehe auch Abb. 4). Beachte: Profil mit Nasenspitze sollte erkennbar sein. F. Arme und Hände. G. Beide Beine. H. Fuss-‐Stellung (optional, nicht Teil der Routine).
Individuelle Risikoabschätzung für eine fetale Trisomie 21 Falls die Schwanger nach entsprechender Aufklärung über Umfang und mögliche Ergebnisse und Verläufe die Durchführung des so genannten Ersttrimestertests (ETT) wünscht, gehört der ETT zum Umfang des Ersten Screenings.
Das Risiko für eine fetale Trisomie 21 steigt mit dem mütterlichen Alter. Weiterhin besteht (unabhängig vom maternalen Alter) auch zwischen der Dicke der Nackentransparenz („nuchal translucency“, NT) und dem Risiko für das Vorliegen einer fetalen Trisomie 21, 18 und 13 ein positiver, quantitativer Zusammenhang (siehe Abb. 4C), Die NT ist der echofreien Raum zwischen Haut und Wirbelsäule im Nacken eines Feten zwischen 11 und 14 Wochen (genauer: zwischen 45 und 85mm Scheitel-‐Steiss-‐Länge, SSL). Je stärker die Abweichung einer gemessenen NT über der für das Gestationsalter erwarteten, mittleren NT normaler Feten ist, desto stärker weicht das individuelle Risiko vom Hintergrundrisiko (Altersrisiko) für eine Trisomie 21 ab (siehe Abb. 4A, 4B). Hohe NT-‐Werte „erhöhen“ das Risiko, Werte im Normbereich und vor allem im unteren Normbereich „senken“ das individuelle Risiko unter das Hintergrundrisiko. Der Normbereich für die Nackentransparenz je nach Gestationsalter und der mögliche Effekt verschiedener NT-‐Messwerte bei Feten gleichen Alters (gleicher SSL) ist in Abb. 4C gezeigt. Weiterhin bestimmen das maternale Alter und eine eventuelle anamnestische Belastung (vorherige Schwangerschaft mit Trisomie) das Risiko für das Auftreten einer Freien Trisomie 21, 18 und 13. Das „Alters-‐Risiko“ kann durch die Beurteilung der NT also individualisiert, also aussagekräftiger und genauer beziffert werden.
Weitere fetale Stigmata der fetalen Trisomie 21 sind unter anderem die fehlende Verknöcherung des Nasenbeins, eine systolische Trikuspidalklappen-‐Insuffizienz und ein auffälliges Blutflussprofil im fetalen Ductus venosus, allesamt in der Routine aber nur begrenzt oder eben nicht einsetzbare Marker. Die Detektionsrate des Ersttrimester-‐Test für das fetale Down-‐Syndrom kann durch die Einbeziehung der maternalen Serumwerte freies beta-‐hCG und PAPP-‐A verbessert werden.
A. B.
Abb. 4 Normale (A.) und verdickte (B.) Nackentransparenz in zwei Feten mit 13 bzw. 12 Wochen Gestationsalter.
C.
Abbildung 4 Nackentransparenz (NT). A. normale Nackentransparenz. B. erhöhte Nackentransparenz (Fetus mit Trisomie 21) C. Normalbereich der Nackentransparenz für SSL zwischen 45 und 84mm (entsprechend 11 bis 14 Wochen) mit Beispielen für die Bedeutung für die Modifikation des Altersrisikos (Hintergrundrisikos).
Neue Aspekte: Weiterführende Untersuchung zwischen 11 und 14 Wochen Gemäß dem Screening-‐Konzept, wonach bei Auffälligkeiten im Screening eine diagnostische Untersuchung angeboten werden sollte, kann eine weiterführende Untersuchung bereits zwischen 11 und 14 Wochen erfolgen. Diese weiterführende Untersuchung wird durch eine optimale apparative Ausstattung und besondere Erfahrung der Untersucher erleichtert und wird daher oft im Rahmen einer Zweitbeurteilung („second opinion“) durchgeführt.
Biometrie
ü Scheitel-‐Steiß-‐Länge (SSL) ü Kopfumfang ü Abdomenumfang ü Nackentransparenz (NT)
Sonoanatomie ü Schädel: Kontur ü Hirnstruktur: Mittelecho, Plexus chorioideus bds. ü evtl. „intracranial translucency“ (Regiogn des Vierten Ventrikels: auffällig bei manchen
Fällen mit Spina bifida) ü Gesicht: Profil, Aufsicht ü Hals: Kontur ü Wirbelsäule: Längs-‐ und Querschnitte ü Thorax: Kontur ü Herz: Lage, Form, Größe, Vierkammerblick, Herzfrequenz ü Abdomen: Bauchwand, Magen und Leber, Harnblase ü Extremitäten: Arme und Beine, Hände und Füße vorhanden
Mehrlingsschwangerschaften ü Chorionizität, Amnionizität
Tabelle 3 Checkliste weiterführende Untersuchung zwischen 11 und 14 Wochen (modifiziert nach2)
Neue Aspekte: Massiv-‐parallele Sequenzierung (MPS) -‐ gefahrlose fetale genetische Untersuchung aus mütterlichem Blut? Seit den ersten Publikationen einer Arbeitsgruppe aus Hong Kong im Jahr 2010 wurde viel über die Untersuchung einer mütterlichen Blutprobe auf fetale Trisomie 21 berichtet, zuletzt auch in den Laienmedien. Nachdem früher -‐mit begrenztem Erfolg-‐ versucht wurde, fetale Zellen aus mütterlichem Blut zu isolieren, scheint es jetzt möglich, freie fetale DNS im mütterlichen Serum zu messen und dadurch auf Trisomie 21 zu testen. Dabei wird ein aufwändiges molekulargenetisches Verfahren genutzt, das als „massiv-‐parallele Sequenzierung“ (MPS) oder „next generation sequencing (NGS)“ bezeichnet wird. Ein Anbieter bereitet die „Einführung“ dieses Tests in der Schweiz für Sommer 2012 vor. Wie sicher ist dieser Test, und welche Schwangeren könnten ihn nutzen? MPS basiert auf einem hochtechnisierten, derzeit noch sehr teuren und von den Krankenkassen ggw. nicht bezahlten molekulargenetischen Ansatz, dem sich eine aufwändige bioinformatische Auswertung anschliesst. Dadurch scheint sich im mütterlichen Blut eine „Dosisabweichung“ bei fetaler Trisomie 21 erkennen zu lassen.
Bisher ist die Aussagekraft des MPS in dieser Form nur an zwei „Hochrisiko-‐Kollektiven“ untersucht, also bei Frauen mit erhöhtem Risiko für eine fetale Trisomie 21 (z.B. mit auffälligem ETT). Für diese Gruppe von Frauen wird der MPS-‐Test als Alternative zur eigentlich indizierten invasiven Diagnostik (Chorionzottenbiopsie oder Amniozentese) angeboten werden. Untersuchungen der jetzt vor der Markteinführung stehenden Firma aus Konstanz, die diesen Test auch unmittelbar in der Schweiz anbieten will, zeigten in einem ersten Hochrisikokollektiv eine Detektionsraten von unter 90% für das Down-‐Syndrom In einer zweiten, kleineren Studie mit veränderter Methodologie lag die Detektionsrate für Trisomie 21 bei 100% (pers. Mitteilung). Im allgemeinen, dem so genannten Niedrigrisiko-‐Kollektiv, also bei der grossen Mehrzahl aller Schwangeren, ist der MPS-‐Test derzeit noch nicht untersucht; man kennt in dieser Situation die Detektionsraten nicht. Wie soll man also jetzt beraten, und wer kann den Test durchführen lassen?
Es ist absehbar, dass die Nachfrage für diesen Test, aber insbesondere auch die Fragen zur Bewertung und Ergebnisbeurteilung zunehmen werden. Damit steigt auch der Beratungsbedarf interessierter Schwangerer, die den Test auch selbst bezahlen muss.
Grundsätzlich wäre es wünschenswert, bei Frauen mit erkannt erhöhtem Risiko für eine fetale Trisomie 21 –und nur darauf und z.B. nicht auf Trisomien 13 und 18, Deletionen, Triploidien etc. wird im anstehenden MPS derzeit getestet-‐ den Ausschluss einer fetalen Trisomie 21 ohne das Eingriffsrisiko (0,5-‐1% Abortrisiko) durchführen zu können. Bis aber bestätigte Daten zu den Detektionsraten in den verschiedenen Kollektiven vorliegen, müssen Schwangere, die einen MPS-‐ Test erwägen, verstehen, dass es wahrscheinlich falsch-‐positive wie auch falsch-‐negative Befunde geben kann. Insbesondere darf auf keine Fall ein „auffälliges“ MPS-‐Ergebnis zum Abbruch einer Schwangerschaft führen, ohne dass durch den derzeitigen Standard, die invasive Diagnostik, der Befund validiert wird.
Weiterhin wird die Bedeutung eines detaillierten diagnostischen Ultraschalls durch einen erfahrenen Untersucher steigen. Nur dadurch besteht die Möglichkeit, die erkennbaren strukturellen Anomalien, die in der Summe viel häufiger vorkommen als ein fetales Down-‐Syndrom, zu diagnostizieren. Dazu zählen auch Fälle mit fetaler Trisomie 13 und 18, auf die durch MPS derzeit noch nicht untersucht wird.
Wenn der MPS-‐Test also demnächst verfügbar wird, sollten Schwangere, die den Test wünschen, unbedingt auch einen weitergehenden Ultraschall durchführen lassen. Nur dadurch ist ein grosser Teil im MPS-‐Test natürlich nicht erkennbaren strukturellen Besonderheiten diagnostizierbar.
Zweites Screening (Biometrie 2) Das Zweite Screening (auch: Biometrie 2) ist die Domäne der strukturellen Untersuchung der fetalen Organe. In geübten Händen kann die Mehrzahl der schwerwiegenden strukturellen Anomalien erkannt werden. Eine detaillierte Beschreibung der dabei einzustellen Schnittebenen übersteigt den Umfang dieses Artikels. Daher wird hier nur auf die Normalbefunde am fetalen Herz eingegangen; für die restlichen Organsysteme wird auf die neu aufgelegte Broschüre der SGUMGG verwiesen, 1 die über die Webseite www.sgumgg.ch bezogen werden kann.
ü Beurteilung der Fruchtwassermenge und des zeitentsprechenden Wachstums des Feten
ü Erkennen von schweren Fehlbildungen (für beispielhafte Normalbefund und typische Pathologien siehe1)
ü Bestimmung der Plazentalage
Tabelle 4 Grundsätzliche Ziele des Zweiten Screening (nach 1)
Herz Beim Herz hat sich die systematische Untersuchung in transversalen Standardschnitten bewährt. Nach Festlegung der linken und rechten Seite wird mit einem Abdomenquerschnitt der Magen auf der linken Seite dokumentiert. Dann wird der Schallkopf parallel am fetalen Rumpf nach kranial verschoben: Zuerst wird der Vierkammerblick erkennbar, der am besten in Systole (AV-‐Klappen geschlossen) und Diastole (AV-‐Klappen geöffnet) dokumentiert wird. Bei weiterer Parallelverschiebung nach kranial kommen dann zuerst der Aortenabgang, dann im Winkel von fast 90° dazu der Pulmonalisabgang ins Bild. Dieser Teil entspricht der Basis-‐ oder Screening-‐Untersuchung (siehe Abb. 5, obere Bildreihe). Bei jeglichen Auffälligkeiten ist eine fetale Echokardiographie indiziert, also eine weiterführende Untersuchung, bei der Zusatzverfahren wie Farb-‐Doppler (siehe Abb. Herz, untere Bildreihe) oder auch STIC (s.u.) angewendet und weitere Ebenen eingestellt werden.
Neue technische Aspekte: erweiterte Untersuchung bei Verdacht auf Fehlbildung Bei der weiteren Abklärung auffälliger fetaler Befunde oder bei erhöhtem Risiko z.B. durch familiäre Belastung kann auch im zweiten Trimester im Rahmen einer weiterführenden Untersuchung die Volumen-‐Sonographie sehr sinnvoll sein. Dies betrifft vor allem das Herz3 und das Gehirn.4
STIC Der Begriff „STIC“ steht für „spatial and temporal image correlation“. Dabei wird, ausgehend von einer optimierten Herzeinstellung im B-‐Bild, z.B. dem Vierkammerblick, mit einem besonderen Schallkopf durch einen automatischen Schwenk, der 7-‐15 Sekunden dauert, eine Vielzahl von Bildern aus multiplen Herzzyklen aufgenommen wird. Dann ordnet ein spezieller Algorithmus die Bilder zeitlich und räumlich neu so an, dass ein optimierter Herzzyklus als Volumensequenz vorliegt. Aus einem solchen STIC-‐Volumen können dann digital ein Vielzahl von Bildern extrahiert werden, die teils nicht durch direkte Schallkopfhaltung eingestellt werden können.3
Die STIC-‐Technik hat sich vor allem für die weitere, differenzierte Beurteilung auffälliger Herzbefunde bewährt. So können z.B. verschiedene Ebenen eines Herzens gleichzeitig dargestellt werden (so genannte tomographische Darstellung); eine solche Abbildung ist in Abb. 6 gezeigt, in der an einem normalen Herz mit 19 Wochen (mit Farb-‐Doppler) die Systole und die Diastole gleichzeitig in mehreren Ebenen dargestellt sind.
3D am Gehirn Gerade am fetalen Gehirn ist die Anwendung der Volumensonographie wichtig, wenn bestimmte Fehlbildungen vermutet bzw. ausgeschlossen werden müssen. 4 Weiterhin eignet sich die Volumensonographie zur Kontrastanreicherung („volume contrast imaging“) durch automatische Kontrastverstärkung aufgrund der Signalvergleiche Vergleich benachbarter Ebenen. Schliesslich ist die Volumen-‐Sonographie auch sehr gut für die Befunddokumentation geeignet. Abb. 7 zeigt tomographische Schnitte (mit Volumenkontrastanhebung) durch eine fetales Gehirn mit 19 Wochen, in dem in beiden Plexus choroidei beider Seitenventrikel (harmlose) Plexuszysten zu sehen sind.
Abb. 5 B-‐Bild-‐ und Farb-‐Doppler-‐Untersuchung des fetalen Herzens. Standardschnitte im Screening: In der oberen Bildreihe sind (von links nach rechts) der Situs abdominalis, der Vierkammerblick in Systole und Diastole sowie der linksventrikuläre (Aorta) und dann der rechtsventrikuläre Ausflusstrakt (Arteria pulmonalis) dargestellt. Typische zusätzliche Bilder der erweiterten Untersuchung (auf Indikation): In der unteren Reihe von links nach rechts der Drei-‐Gefässe-‐Trachea-‐Blick sowie in Farbe die biventrikuläre Füllung, der Aortenabgang, der Pulmonalisabgang und das Zusammenfliessen des Blutes aus Aortenbogen und Ductus.
A.
B.
Abb. 6 STIC am normalen fetalen Herzen (19 Wochen), Darstellung im tomographischen Modus. A. Diastole (Füllung beider Kammern), B. Systole
Abb. 7 Fetales Gehirn mit 19 Wochen, Plexuszysten bds. Tomographische Darstellung mit automatischer Kontrastanhebung
Zusammenfassung und Diskussion Die Inhalte der vorgeburtlichen Routine-‐Diagnostik in der Grundversorgung sind von der SGUMGG umfassend und klar beschrieben. Sie spiegeln eine realistische, ausgewogene Balance zwischen dem im Praxisalltag Möglichen und den mit den Jahren gestiegenen Anforderungen wieder. Generell sind zwei Trends erkennbar: Zum eine wird versucht, zumindest Teile der anatomischen (strukturellen) Untersuchung früher durchzuführen, also zum Beispiel bereits mit 12 oder 13 Schwangerschaftswochen. Eine weiterführende Diagnostik im Sinne einer Zweitmeinung ist bei anamnestischen Risiken oder auffälligen sowie nicht eindeutig normalen bzw. nicht klaren Befunden indiziert. Zum anderen haben in der weiterführenden spezialisierten Untersuchung neue Technologien Einzug gehalten wie z.B. die Volumen-‐Sonographie, die, wie in diesem Artikel unter der neuen Aspekten gezeigt, weit mehr ist als die Oberflächendarstellung des fetalen Gesichts.
Key messages • Zwei Screening-‐Untersuchungen werden allen asymptomatischen Schwangeren
ohne Risikofaktoren angeboten. • Beim ersten Screening gibt es für alle Schwangeren mit der Messung der
Nackentransparenz und der Blutwerte hCG und PAPP-‐A die Möglichkeit, das individuelle Risiko für eine Trisomie 21 abzuschätzen; auch diese Untersuchung muss von einer adäquaten Aufklärung begleitet werden.
• Bei anamnestischen Risiken oder jeglichen Auffälligkeiten im Schwangerschaftsverlauf können weitere, spezialisierte Untersuchungen indiziert sein, z.B. zur Erkennung fetaler Herzfehler anderer Besonderheiten, die eine besondere Behandlung um die Geburt herum erfordern.
• Ein neue Test zur nicht-‐invasiven Untersuchung auf fetale Trisomie 21 („MPS“) aus mütterlichem Blut, der demnächst angeboten wird, muss noch in Studien validiert werden. Seine „Performance“ (Detektionsrate, falsch-‐positiv-‐Rate) im allgemeinen Kollektiv aller Schwangeren ist noch nicht bekannt. Er sollte von einem weiterführenden Ultraschall begleitet werden, weil nur dadurch strukturelle Fehlbildungen neben einer Trisomie 21 erkannt werden können.
Literatur 1. Schweizerische Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin, Sektion Gynäkologie und Geburtshilfe. Empfehlungen zur Ultraschalluntersuchung in der Schwangerschaft. 3. Auflage, 2011 (zu beziehen via www.sgumgg.ch)
2. Merz E, Meinel K, Bald R, Bernaschek G, Deutinger J, Eichhorn K, Feige A, Grab D, Hackelöer BJ, Hansmann M, Kainer F, Schillinger W, Schneider KT, Staudach A, Steiner H, Tercanli S, Terinde R, Wisser J; DEGUM; Fetal Medicine Foundation. [DEGUM Level III recommendation for "follow-‐up" ultrasound examination (= DEGUM Level II) in the 11 -‐ 14 week period of pregnancy]. Ultraschall Med. 2004 Aug;25(4):299-‐301
3. Tutschek B, Sahn DJ (2008) Technical advances in fetal echocardiography. In: Yagel S, Silverman N, Gembruch U (Hrsg.): Fetal Cardiology, 2nd edition, Martin Dunitz
4. Tutschek B, Pilu G (2009) Virtual reality ultrasound imaging of the normal and abnormal fetal central nervous system. Ultrasound Obstet Gynecol. 34(3):259-‐267