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Springer-Lehrbuch
Naturstoffchemie
Eine Einführung
vonGerhard Habermehl, Peter Hammann, Hans Christoph Krebs, W.
Ternes
erweitert, überarbeitet
Naturstoffchemie – Habermehl / Hammann / Krebs / et al.
schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE
FACHBUCHHANDLUNG
Thematische Gliederung:
Pharmazeutische Chemie
Springer 2008
Verlag C.H. Beck im Internet:www.beck.de
ISBN 978 3 540 73732 2
Inhaltsverzeichnis: Naturstoffchemie – Habermehl / Hammann /
Krebs / et al.
http://www.beck-shop.de/Habermehl-Hammann-Krebs-Ternes-Naturstoffchemie/productview.aspx?product=566482&utm_source=pdf&utm_medium=clickthru_lp&utm_campaign=pdf_566482&campaign=pdf/566482http://www.beck-shop.de/Habermehl-Hammann-Krebs-Ternes-Naturstoffchemie/productview.aspx?product=566482&utm_source=pdf&utm_medium=clickthru_lp&utm_campaign=pdf_566482&campaign=pdf/566482http://www.beck-shop.de?utm_source=pdf&utm_medium=clickthru_lp&utm_campaign=pdf_566482&campaign=pdf/566482http://www.beck-shop.de/trefferListe.aspx?toc=9229&page=0&utm_source=pdf&utm_medium=clickthru_lp&utm_campaign=pdf_566482&campaign=pdf/566482http://www.beck.dehttp://www.beck-shop.de/fachbuch/inhaltsverzeichnis/9783540737322_TOC_001.pdf
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2 Steroide
Die Steroide zählen mit zu den wichtigsten Naturstoffen
überhaupt. Zahlreiche biologisch wichtige Substanzklassen wie die
Gallensäuren, die Sexual- und die Nebennierenrindenhormone, die
herzaktiven Verbindungen (Cardenolide und Bu-fadienolide),
Steroid-Sapogenine und Steroid-Alkaloide zählen zu ihnen. Wegen
ihrer biologischen Wirksamkeit sind sie nicht nur von großem
wissenschaftlichem Interesse, sondern auch von eminenter
industrieller Bedeutung im Hinblick auf ih-re pharmazeutische
Verwendung.
Steroide leiten sich biogenetisch von den Triterpenen ab. Alle
Steroide besitzen als Grundgerüst ein tetracyclisches System, das
Steran (Gonan, 1,2-Cyclo-pentanoperhydrophenanthren), das in der
Regel jedoch noch durch zwei anguläre Methylgruppen (C-18 und C-19)
ergänzt wird. Die Stereochemie und die Beziffe-rung sollen am
Beispiel des Androstans dargestellt werden, wobei die Ringe mit
Buchstaben und die einzelnen C-Atome mit Ziffern bezeichnet
werden.
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34
1
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7
9
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19
18
AndrostanA B
C D
Substituenten, die oberhalb der Molekülebene stehen, werden als
β-ständig,
solche die unterhalb der Molekülebene stehen, als α-ständig
bezeichnet. Als Be-zugspunkt wird die Methylgruppe an C-13 gewählt,
die oberhalb der Ringebene liegt. Ist die räumliche Stellung eines
Substituenten nicht sicher, so wird dies durch den griechischen
Buchstaben ξ (xi) gekennzeichnet. In der Strukturformel werden
β-ständige Substituenten durch ausgezogene oder dicke Striche,
α-ständige durch eine gestrichelte Linie, ξ-ständige durch eine
Wellenlinie angege-ben. Die angulären Methylgruppen und die
Seitenkette an C-17 sind in den natür-lichen Steroiden
grundsätzlich β-ständig. Die Ringe A und B können sowohl cis- als
auch trans-verknüpft sein, die Ringe B und C sind stets
trans-verknüpft, die Ringe C und D weisen in der Regel
trans-Verknüpfung auf; Ausnahmen finden sich z. B. bei den
herzwirksamen Glykosiden. Bezogen auf ein Grundsystem wird das
Fehlen eines C-Atoms mit dem Präfix Nor- angegeben, ein
zusätzliches C-Atom wird mit dem Präfix Homo- gekennzeichnet.
Ringspaltungen werden mit dem Präfix Seco- gekennzeichnet.
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56 2 Steroide
R
H
H
H
H
H
5ξ-Androstan: R = H 5ξ-Pregnan: R = C2H5 5ξ-Cholana: R =
CH(CH3)CH2CH2CH3 5ξ-Cholestana: R = CH(CH3)CH2CH2CH2CH(CH3)2
5ξ-Ergostana,b: R = CH(CH3)CH2CH2CH(CH3)CH(CH3)2 5ξ-Stigmastana,c:
R = CH(CH3)CH2CH2CH(C2H5)CH(CH3)2 a20R-, b24S-,
c24R-Konfiguration
2.1 Cholesterin und verwandte Sterine
Das in der Natur am weitesten verbreitete Steroid ist das
Cholesterin (Choleste-rol). Es nimmt eine zentrale Stellung im
gesamten Steroidstoffwechsel des tieri-schen Organismus ein. Selbst
ohne jede physiologische Aktivität, stellt es das Ausgangsmaterial
für alle übrigen Steroide im Organismus dar. Ein erwachsener Mensch
besitzt in Blut, Fett und Leber ständig ca. 300 g Cholesterin. Es
ist außer-dem ein wesentlicher Bestandteil der Galle (griechisch
χολη = Galle) und wurde hieraus schon 1775 von Conradi isoliert. Es
hat zwei Hauptfunktionen im Orga-nismus: Es ist im Darm an der
Resorption von Fettsäuren beteiligt, und es ist Be-standteil der
Zellmembranen.
Etwa 300–500 mg Cholesterin werden pro Tag über tierische Fette
aufgenom-men, weitere 800–1200 mg werden im Körper synthetisiert.
Die Absorptionsrate für Cholesterin liegt bei 50 % und damit
deutlich über den Werten für Phytosteri-ne, die für Sitostanol nur
1 %, für Sitosterin 4 %, für Campesterin 10 % und für Campestanol
13 % betragen.
20
2221
23
24
25
26
27
OH
H
H
HCholesterin
In wirbellosen Tieren kommen außer Cholesterin noch weitere
Sterine vor, wie
z. B. das 24-Dehydrocholesterin. Die Steroide Stigmasterin
(Sojabohne) und Si-tosterin (Getreide) gewinnen zunehmend an
industrieller Bedeutung für Steroid-Partialsynthesen. Das
Ergosterin ist häufig als Bestandteil von Pilzen, Flechten und
Algen nachweisbar.
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2.1 Cholesterin und verwandte Sterine 57
OH
H
H
H
OH
H
H
H
OH
H
H
H
OH
H H
Stigmasterin Sitosterin
24-Dehydrocholesterin Ergosterin Phytosterine (Tabelle 2.1)
besitzen, im Unterschied zum tierischen Cholesterin,
eine zusätzliche Methyl- oder Ethylseitenkette. Sie sind
essenzielle Bestandteile pflanzlicher Zellmembranen. Bisher wurden
44 verschiedene Phytosterine identi-fiziert. Die entsprechenden am
B-Ring gesättigten Verbindungen bezeichnet man als Stanole, von
denen am häufigsten das Sitostanol in der Nahrung vorkommt,
besonders reichlich im Sojaöl und in geringen Mengen in Roggen und
Weizen (Tabelle 2.2). Am häufigsten kommen in pflanzlichen
Lebensmitteln β-Sitosterin mit 65 %, Campesterin mit 30 % und
Stigmasterin mit 5 % der Nahrungsphytoste-rine vor. Die
Phytosterine kommen hauptsächlich in den fettreichen
Pflanzentei-len, den Samen und den daraus gewonnenen Ölen und den
entsprechenden Verar-beitungsprodukten, z. B. Margarine, vor.
Obwohl der Gehalt an Phytosterinen in Getreideprodukten mit bis zu
200 mg/100 g niedrig ist, werden mit ihnen durch-schnittlich etwa
17 % aufgenommen. Bei der Raffination verliert Sojaöl etwa ¾ seines
Phytosteringehaltes im Vergleich zum nativen Öl. Die
Absorptionsrate der Phytosterine und Phytostanole hängt von der
Länge der Seitenkette ab und ist im Vergleich zum Cholesterin
(>40 %) deutlich geringer. Phytosterine beeinträchti-gen die
Absorption des Cholesterins der Nahrung sowie das mit der
Gallenflüssig-keit ausgeschiedene, worauf die Senkung des
Plasmacholesteringehaltes beruht. Dies ist die Basis der Therapie
von Hypercholesterinämien mittels Phytosterinen. Es gibt auch
zahlreiche Hinweise auf eine protektive Wirkung gegen Dickdarm-,
Brust- und Prostatakrebs; vermutlich beeinflussen sie die Bildung
sekundärer Stoffwechselprodukte (sekundäre Gallensäuren,
Abbauprodukte von Cholesterin) im Magen-Darm-Trakt. Mit einer
gemischten Kost werden pro Person täglich 100–500 mg Phytosterine
und 20–50 mg Phytostanole aufgenommen. Bei Vegeta-riern liegt die
Gesamtaufnahme viermal höher. An der C-3-Position liegen oft
Fe-rulasäuren verestert vor. In Maisöl sind 50 % der Phytosterine
an C-3 mit einer
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58 2 Steroide
langkettigen Fettsäure verestert. Glycosylierte Steroide sind
vor allem bei Pflan-zen, weniger bei Tieren zu finden, in der Regel
ist deren Anteil gering.
Zur Senkung des Plasmacholesteringehaltes werden Margarinesorten
angebo-ten, die mit Phytosterinen angereichert sind. Da die freien
Sterine schlecht löslich sind, werden Sterinester eingesetzt, die
im Verdauungstrakt hydrolysiert werden. Extrahiert werden die
Phytosterine aus pflanzlichen Ölen und aus Tallöl, welches als
Nebenprodukt bei der Papier- und Zellstoffgewinnung anfällt. Tallöl
ist reich an Phytostanolen, besonders β-Sitostanol.
Tabelle 2.1. Ausgewählte Sterine in Lebensmitteln (die OH-Gruppe
am C3 ist β-ständig)
Sterin Ligand am C3
Ligand am C24
Vorkommen und Gehalte (soweit nicht anders angegeben: mg je 100
g)
Zoosterine: Cholesterin (Cholest-5-en-3β-ol)
-OH -H In allen tierischen Fetten, besonders reichlich im
Rückenmark und Gehirn; Hühnereigelb: 1260; Rind- bzw.
Schwei-nefleisch: 60–70; Vollmilch (Kuh): 12; Gemüse und Obst: 1 mg
bzw. >1 mg
Dehydrocholesterin-(7) (Provitamin D3,
Cho-lest-5,7-dien-3β-ol)
-OH -H Schweineschwarte, Haut
Phytosterine: Δ7-Avenasterin (24-Ethyl-7,11-dien-3β-ol)
-OH -C2H5 Haferöl; 100 g Erbsen enthalten 1 mg A.; 100 g Tomaten
ca. 0,4 mg A. (jeweils Summe von Δ5 und Δ7-A., bezogen auf
Frischsubstanz [Fr.-S.])
Daucosterin (Glycosid: 24-Ethyl-Cholest-5-en-3β-ol + 1 Mol
Glucose)
- - Mohrrüben, Orangen, Grapefruit
Brassicasterin (24-Ethyl-Cholest-5,22-dien-3β-ol)
-OH -CH3 Rüböl, Zuckerrohrwachs, Gemüsepaprika (2,5 % der
Gesamtsterine der Oberflä-chenlipide); Gehalte: Brokkoli 3 mg/kg
(Fr.-S); Dill, Petersilie, Rosenkohl: je-weils 2 mg/kg (Fr.-S.)
Δ5-Avenasterin (24-Ethyl-cholest-5,11-dien-3β-ol)
-OH -C2H5 Haferöl, Sonnenblumenöl
α-Spinasterin (Bessis-terin)
(24-Ethyl-cholest-7,22-dien-3β-ol)
-OH -C2H5 Spinat, Koloquinten (Citrúllus co-locýnthis [L.]
Schrad.), Luzernesamenöl; Hauptsterin in Gurken: 3,7 (bes. in
freier Form und als Glucoside); in 100 g Ar-ganöl wurden 12 mg S.
bestimmt (Sum-me von α-, β- und γ-S.)
α1-Sitosterin (Cho-lestol, 24-Ethyl-Cholest-5,8-dien-3β-ol)
-OH -C2H5 sehr verbreitet, besonders in Mais-, Rog-genkeim-,
Weizenkeim-, Reiskeim-, Son-nenblumen-, Soja-, Sesam-, Lein-,
Baumwollsamen-, Olivenöl sowie Ap-feltrester
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2.1 Cholesterin und verwandte Sterine 59
Sterin Ligand am C3
Ligand am C24
Vorkommen und Gehalte (soweit nicht anders angegeben: mg je 100
g)
β-Sitosterin (Cinchol, 24-Ethyl-Cholest-5-en-3β-ol)
-OH -C2H5 β-Sitosterin ist das Hauptsterin der meis-ten Obst-
und Gemüsearten, Gurken: 3,9 (bes. in freier Form und als
Glucoside); Sojabohne (roh): 492 mg/kg Trockensub-stanz (Tr.-S.);
fermentierte Sojazuberei-tung mit B. subtilis: 788 mg/kg Tr.-S.
Δ7-Stigmastenin (24-Ethyl-cholest-7-en-3β-ol)
-OH -C2H5 Weizen-, Roggenkeimöl
Stigmasterin (24-Ethyl-cholest-5,22-dien-3β-ol)
-OH -C2H5 Mais-, Kokosnuss-, Raps-, Reiskeim-, Sonnenblumen-,
Sojaöl, Kakaofett, Hauptsterin in reifen Tomaten, Neben-sterin
vieler Obst- und Gemüsearten, be-sonders in Aubergine, Kopfsalat,
Porree, Grünspargel und Möhre; Sojabohne (roh): 146 mg/kg Tr.-S.;
fermentierte So-jazubereitung mit B. subtilis: 225 mg/kg Tr.-S.
Campesterin (24-Methyl-Cholest-5-en-3β-ol)
-OH -CH3 Raps-, Soja-, Weizenkeimöl, Nebensterin vieler Obst-
und Gemüsearten, besonders in Rettich, Weiß- und Rosenkohl,
Son-nenblume und Sonnenblumenöl, Puff-bohne sowie Gemüsepaprika;
Sojabohne (roh): 169 mg/kg Tr.-S.; fermentierte So-jazubereitung
mit B. subtilis: 255 mg/kg Tr.-S.
Gramisterin (4α-Methyl-24-methylen-5α-cholest-7-en-3β-ol)
Methylsterin in Pflanzenölen
Mykosterine: Ergosterin (Provitamin D,
24-Methyl-cholest-5,7,22-trien-3β-ol)
-OH -CH3 Butter, Lebertran, Milch, Eigelb, Hefe, Pilze; in 100 g
Shiitakepilz (kultivierte Art) kommen bis zu 680 mg E. vor.
Ergosterin wird vermehrt bei Pilzbefall in Lebensmitteln gebildet,
sodass es als In-dikator dafür gilt.
Fungisterin (24-Methyl-cholest-7-en-3β-ol)
-OH -CH3 Pilze, Mutterkorn; in 100 g Speisepilzen wie z. B. dem
Shiitakepilz kommen bis zu 60 mg F. vor.
Fukosterin (24-Ethyl-cholest-5,24-dien-3β-ol)
-OH =CH-CH3
Meeresalgen, in geringen Konzentratio-nen in Äpfeln
-
60 2 Steroide
Tabelle 2.2. Phytosteringehalt von Lebensmitteln (in mg je 100 g
essbarem Anteil)
Lebensmittel Phytosterin-gehalt
Lebensmittel Phytosterin-gehalt
Gemüse Obst Bohnen 76 Äpfel 13 Blumenkohl Brokkoli Karotten
Kopfsalat Oliven, schwarz Rosenkohl Tomaten
40 39 16 38 50 43 5
Banane Birne Grapefruit Kiwi Orange Pfirsich Öle
14 12 22 9 24 15
Getreide 1–200 Palmöl 49 Weizen 69 Maisöl 952 Saaten und Nüsse
Olivenöl 176 Mandeln 143 Sojaöl, kalt gepresst 494 Sesamsaat 714
Sojaöl, raffiniert 132 Sonnenblumenkerne 534 Sonnenblumenöl 725
Einige in Pflanzenölen vorkommende Phytosterine tragen am C-Atom
4 eine
oder mehrere Methylgruppen, die zum Herkunftsnachweis von Fetten
dienen. Hauptverbindungen mit einer Methylgruppe sind Obtusifoliol
(4α,14α-Dimethyl-24-methylen-5α-cholest-8-en-3β-ol) und Gramisterin
(4α-Methyl-24-methylen-5α-cholest-7-en-3β-ol). Obtusifoliol stellt
das Hauptsteroid im Olivenöl (794 mg je kg). Da es in Haselnussöl
nicht vorhanden ist, stellt es eine Möglichkeit zur Un-terscheidung
der beiden Pflanzenöle dar, deren Fettsäuremuster sehr ähnlich ist.
Als Vertreter der 4,4-Dimethylsterine sind α- und β-Amyrin,
Cycloartenol, Olea-nolsäure und Lupeol (Lup-20[29]-en-3β-ol) zu
nennen. α-Amyrin kommt in Bei-fuß (Artemisia vulgaris) und β-Amyrin
in Form des Acetats in Traubenkernöl vor. Cycloartenol findet sich
in Spuren in allen grünen, photosynthetisch aktiven Pflanzen als
Zwischenprodukt der Cholesterin-Synthese. Oleanolsäure ist
Be-standteil in zahlreichen Pflanzen wie Zwiebel, Zuckerrübe,
Heidelbeere, Moos-beere, Olive, Basilikum, Thymian und Salbei.
Lupeol findet sich besonders in Milchsäften, Samen und Rinden, z.
B. im Kaugummi von Achras zapota, in der Sheanuss sowie in der
Schale von Lupinensamen.
H
HOH Gramisterol Cycloartenol
H
HOH
H
HOH Obtusifoliol
-
2.1 Cholesterin und verwandte Sterine 61
HO H
H
H
β-AmyrinHO H
H
H
α-Amyrin
LupeolHO
H
H
H
H OleanolsäureHO
COOHH
H
H
Withanolide kommen in Nachtschattengewächsen wie in den
Tomatillofrüchten
vor. Es sind bioaktive pflanzliche Steroide mit anticarcinogenen
und cytotoxi-schen Aktivitäten.
2,3-Dihydro-3-methoxywithaphysacarpin
Withanolide aus Physalis philadelphia und Physalis ixocarpa
(Tomatillo)
Withaphysacarpin: R = OH;24,25-Dihydrowithanolid: R = H
OHO
H R
OH
OO
HH
OH
O
OHO
H OH
OH
OO
HH
H3C
O
Die Doppelbindung in 5,6-Stellung lässt sich katalytisch
hydrieren; dabei ent-
stehen – je nach Reaktionsbedingungen – Isomerengemische. So
führt die Reduk-tion im sauren Medium in die 5α-Reihe (mit
trans-Verknüpfung der Ringe A und B). Verbindungen der 5β-Reihe
(Koprostanole) erhält man dagegen bei der Re-duktion des
α,β-ungesättigten Ketons, das bei der Oppenauer-Oxidation des
Cho-lesterins entsteht.
-
62 2 Steroide
OH OHH
OHH
O OHH
OHH
Raney-Ni
OH-
Δ
OH-
Δ
Oppenauer-Oxidation
Pt/H2
H+
H2/OH-
Cholestanol 3epi-Cholestanol
Koprostanol 3epi-Koprostanol Der Mechanismus der
Oppenauer-Oxidation am Beispiel von Koprostanol ist
im folgenden Schema dargestellt.
OHH
OH
H
OAl
O O
O
OH
Al(iso-OC3H7)3- Isopropanol
+ Al(iso-OC3H7)3 Die an C-3 epimeren Cholestanole lassen sich
durch Kochen mit stärkeren Ba-
sen (z.B. Alkoholat) isomerisieren; dabei ist in der
A/B-trans-Reihe die 3β-OH-Verbindung, in der A/B-cis-Reihe die
3α-OH-Verbindung die stabilere. Der Grund hierfür liegt darin, dass
die Verbindung mit einem äquatoralen Substituen-ten vergleichsweise
stabiler ist als diejenige mit einem axialen Substituenten.
H H
OH
OH H
H
OH
H
H
H
H
OH
BA
B
A
MeONa
über Keton
MeONa
über Keton
3β-OH 3α-OH
-
2.1 Cholesterin und verwandte Sterine 63
Aus den gleichen Gründen entstehen bei der NaBH4-Reduktion von
3-Keto-steroiden jeweils die 3-Hydroxyverbindungen, die die
OH-Gruppe in äquatorialer Stellung tragen.
HO
HOH
HO
HOH
NaBH4
NaBH43α-Hydroxy-Reihe
3β-Hydroxy-Reihe
Allgemein kann bei der Metallhydridreduktion von Ketonen
beobachtet wer-
den, dass in Abhängigkeit vom Raumbedarf der Substituenten im
Ring die Additi-on des Hydrids entweder über sterische
Annäherungskontrolle oder Produktbil-dungskontrolle verläuft. Da
die 3-Ketogruppe in Cholestanonen sterisch kaum behindert ist,
entsteht bei der Reduktion mit NaBH4 das thermodynamisch stabile-re
Produkt (Produktbildungskontrolle) mit einer äquatorialen
Hydroxygruppe. Die thermodynamisch weniger stabilen axialen
3α-Alkohole in der A/B-trans-Serie können durch eine Veresterung
unter Inversion dargestellt werden. Die Umset-zung der
3β-Hydroxygruppe mit Diazodicarbonsäureester/Triphenylphosphin und
einer Carbonsäure ergibt den 3α-Ester (Mitsunobu-Verfahren).
H H
OH
H H
OP+
C6H5C6H5
C6H5
N NCOOEt
EtOOC
CO RH O
P C6H5C6H5C6H5
O H
H
O
R
C
O
R O
- EtOOC-NH-NH-COOEt
- (C6H5)3PO
-
64 2 Steroide
Die Reaktionen des 3β-Tosylcholesterins mit Nucleophilen, wie z.
B. MeOH in CHCl3, ergeben 3,5-Cyclocholestane.
TsO
H H
O CH3O CH3H
CH3OH
- TsOHTs = CH3-pC6H4-SO2
Eine weitere wichtige Reaktion an Steroiden ist die α-Bromierung
von Keto-
nen, wobei die Regio- und Stereoselektivität im Folgenden
diskutiert werden soll.
OH
OH
Br
OH
OH
Br
H
H
Br
O
H
HBr
O
[Br]
[Br]
Die Bromierung erfolgt nach Corey primär axial, da der
Übergangszustand
energetisch begünstigt ist, wenn das Orbital des enolisierten
C-Atoms, welches nucleophil am Brom angreift, mit dem π-Orbital des
Carbonylkohlenstoffatoms überlappt. Dies ist nur in der
Sesselkonformation möglich, wenn das Orbital axial orientiert ist.
Eine zweite Erklärung geht von der Überlegung aus, dass über eine
Bromonium-Zwischenstufe des Enols und diaxiale Öffnung des
cyclischen Inter-mediats das α-Bromketon entsteht.
-
2.1 Cholesterin und verwandte Sterine 65
H
OH
H
O
Br+
Br+
H
OH
Br+
H
OH
Br
Br
H
Br
O
HO
Br
BrIsomerisierung- HBr
α-Bromketon
Im nächsten Schritt erfolgt eine Isomerisierung über das
entsprechende Enol
zum stabileren Bromketon. Die thermodynamische Stabilität ergibt
sich sowohl aus dem Dipoleffekt als auch aus der 1,3-diaxialen
Wechselwirkung. Bei den 2-Brom- bzw. 4-Brom-oxo-Steroiden überwiegt
der sterische Effekt. Dagegen über-wiegt in sterisch nicht
fixierten Verbindungen, wie z. B. im α-Brom-cyclohexanon, der
Dipoleffekt. Die bevorzugte Konformation der Bromverbin-dungen ist
diejenige, in der der Substituent die axiale Position einnimmt.
O
Br
HO
Br
H
Die Regioselektivität bei der Bromierung von 3-Ketonen hängt von
der Rich-
tung der Enolisierung ab. In der 5α-Reihe (Cholestanon) ist die
2-Doppelbindung stabiler als das 3-Alken. Dagegen ist in der
5β-Reihe (Koprostanon) das 3-Alken bevorzugt.
Cholesterinderivate sind pharmakologisch interessant aufgrund
ihrer Wirkung auf die Cholesterinbiosynthese. Die Kontrolle dieser
Biosynthese sollte die Cho-lesterinmenge im Blut reduzieren, womit
eine Verhinderung bzw. Behandlung von Arteriosklerose möglich sein
sollte.