Ein für die Nats gedeckter Tisch auf einer Dachterrasse. Nats - gute und böse Geister Bildbericht von Ernst Scheideifger Obwohl <lrr Buddhismus sein ganze« Leiten von «Irr Geburl bis 7.11m Tode bestimmt, versucht der Burmese dorn, uurli mit den Nats, die ;nil.iri'li;ill> der buddhistischen Religion stehen, in gutem Einvernehmen xii leben. Muts .sind Geister. Sir kommen überall vor, spielen böse Streiche, bringen auch größte« Unglück über den Menschen, können ihm aber auch zum Glück verhelfen. Der Aberglaube des Burmesen, der sich auch in andern Erscheinungen iinl.iiTi. geht durch ullt- Volksschich- ten. Selbst ein Muiiii, der realistisch denkt, weitgereist ist uiul fort- schrittlich plant, vielleicht an einer Universität geschult ist, unternimmt nie eine Heise, setzt nie das Datum für ein wichtiges Familienereignis, etwa für die Hochzeit einer Tochter, au, zieht nie in ein neues Iluns ein, ohne den günstigsten Tag, die günstigste Stunde für dieses Unter- nehmen von seinem Astrologen feststellen zu lassen. Im Kulle, dal.! er ein neues Haus besitzt, wird er auch nicht versäumen, so schnell wie möglich Kokosnüsse au den Dachenden aufzuhängen, um die Nats außerhalb des Hauses zu hallen, oder einen Tisch mit Früchten auf der Dachterrasse zu decken, um sie mit Nahrung zu erfreuen. In vielen buddhistischen Pagoden und Tempeln befinden sich außerhalb der Heiligtümer Schreine für die Nats. I'.- soll verhindert werden, duß die Nals auf die meditierenden Gläubigen eifersüchtig werden. Im Frühling, in einer Zeit, du die Nats besonders geschäftig sind und deshalb begütigt werden müssen, finden Not-Tänze .statt, bei denen Blumen, Früchte, Eier, Kokosnüsse und Textilien geopfert wer- den. Der Tun/ wird von Frauen ausgeführt, wobei sie sich in ihren Bewegungen von einer Nal leiten lassen; rs handelt sich also um einen Trancetanz. Die Frau sitzt still auf dem Boden vor einem Gestell, auf dem die Opfer ausgelegt sind, und wird Min Helferinnen in kultische Gewänder gehüllt und geschminkt. Das Orchester spielt laut und be- geistert. Sobald die Musik erklingt, sieht die Tänzerin lungsam auf und beginnt sieb zu wiegen. Man kann ihre Leistung als Tänzerin nicht beurteilen: denn nicht sie selbst tanzt, vielmehr «übernimmt» eine Nat die Tänzerin und verleiht ihr einen neuen Charakter etwa den einer Betrunkenen, und dann tanzt sie mit allen Gebärden und Bewegungen, die einer solchen eigen sind. Oder sie wird zum jungen Mädcln-u, zu einer übermenschlichen Feueresserin oder vielleicht zur Wohltäterin, die alles, was ihr in die Hände kommt, an die Umstehenden verteilt. Sie ist das und wie die Nat sie haben will, .'.linden um Stunden kann der Tanz dauern. Sein Ende ist gekennzeichnet durch ein eigentüm- liches, unkontrolliertes, ja fieberähnliches Schütteln der Tänzerin in dem Augenblick, in dem die Nat ihren Körper verläßt. Meistens ist das Medium vollkommen erschöpft, wenn der Geist seinen Körper ver- lassen hat. Die Nut-Tänze finden im Frühling überall in den Straßen der burmesischen Dörfer und Städte statt; stößt man beim Bummeln zufällig auf eine solche «Vorstellung», ist einem ein interessanter Abend sicher. '}' \ Alks, was der Frau in die Ilünde kommt, verteilt sie an die Umstehenden, denn eine Nat gab ihr den Charakter einer Wohltäterin. Eine von einer Nat «.übernommene'» Tänzerin wird zur Fcucresserin. Neue Zürcher Zeitung vom 24.11.1962