1 Hauptvorlesung MKG-Chirurgie: Mundschleimhautkrankheiten Jan Liese Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und plastische Gesichtschirurgie der Universität Leipzig Übersicht • Anatomie, Effloreszenzenlehre, histopathologische Grundbegriffe • Prämaligne Mundschleimhautkrankheiten • Infektionen der oralen Mukosa • Orale Ulzerationen und vesikulobullöse Mundschleimhautkrankheiten • Sonstige Affektionen der oralen Mukosa Anatomie der Mundschleimhaut • Ontogenetischer Ursprung: ekto- und mesodermal (entspricht Haut) • Aufbau: -Plattenepithel -Basallamina -Lamina propria -Submukosa
23
Embed
Mundschleimhautkrankheiten web Version 1 vom 4.6.07 web... · follicularis • hydroptische Degeneration d. Basalzellschicht ÖVakuolenbildung, Pigmentinkontinenz, ... -Hyperkeratosis
This document is posted to help you gain knowledge. Please leave a comment to let me know what you think about it! Share it to your friends and learn new things together.
Transcript
1
Hauptvorlesung MKG-Chirurgie:
Mundschleimhautkrankheiten
Jan Liese
Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und plastische Gesichtschirurgie
• Einteilung nach Verhornungsgrad in-orthokeratinisiert (dicke Hornschicht, ∅Zellkerne im Str. corneum), v.a. Gaumen-parakeratinisiert (dünne Hornschicht, Zellkerneim Str. corneum), Wangenschleimhaut
Morphologisch und funktionelleAufteilung der Mundschleimhaut
Zusammenfassung Anatomie• Orale Epithelien sind sehr heterogen.
erschwert Histologie u. Zytologie, Verteilungd. Effloreszenzen
• Gingivo-dentale Verbindung ist locus minorisresistentiae.
• Speichel erfüllt wichtige Schutzfunktion für Zähne und Mundschleimhaut.
• Ort hoher Keimdichte: 1012 Keime/ml im Sulkus• Gute Durchblutung (Rotfärbung) u. hohe
Regenerationsfähigkeit.
3
Effloreszenzenlehre• Effloreszenzen (= Hautblüten) sind
-sichtbare Veränderungen der Haut- und Schleimhäute-pathomorphologisches Substrat der jeweiligenDermatosen
• Einteilung:-Primär- und Sekundäreffloreszenzen-in Relation zumHautniveau:
hormonell• Squama = Ansammlung von Hornlamellen• Crusta = eingetrocknete Sekrete
4
Wertung der Effloreszenzen
• Morphologische Vielfalt wie auf der Haut existiert in SH nicht:-Blasen sehr kurzlebig-Erytheme einheitlich rot-Urticae ∅ scharf begrenzt QuinckeÖdem-∅ Schuppen u. Krusten Beläge
• Homogenität der Effloreszenzen erschwertDiagnostik!
Histologie große Bedeutung
Dermatohistopathologie –Grundbegriffe 1
• Akantholyse = Verlust d. Zusammenhaltes d. Stachelzellen (Desmosomen) Spalt- u. Blasenbildung, Bsp.: Pemphigus vulgaris
• Akanthose = Verbreiterung d. Stachelzellschicht Epidermisverdickung, Reteleisten breiter und länger, Bsp.: chron. Ekzem, friktionaleHyperkeratose
• Epithelatrophie = Ausdünnung des Epithels i.d.R. mit Verlust derReteleisten
• zelluläre Atypien = zytologische Veränderungen, die in der epithelialenDysplasie typisch sind
• epitheliale Dysplasie = Vorhandensein von Zellatypien im Epithel
Dermatohistopathologie –Grundbegriffe 2
5
Prämaligne Läsionen - Problematik• 4100 neue Malignome der
Mundhöhle pro Jahr in Deutschland
• Kopf-Hals Tumoren machen 7% aller Malignome aus
• 5-Jahres Überlebensrate stagniert bei 50%
steigende Inzidenz und Mortalität weltweit, v.a. bei Frauen und jüngeren Menschen
Strategien zur Reduktion der Mortalität des Mundkrebs
•• Primäre Prävention:Primäre Prävention:--BekanntmachenBekanntmachen von Mundkrebs als bedeutendes von Mundkrebs als bedeutendes GesundheitsproblemGesundheitsproblem--Aufklärung über Risikofaktoren wie Tabak, Aufklärung über Risikofaktoren wie Tabak, Alkohol und schlechte MundhygieneAlkohol und schlechte Mundhygiene
•• Sekundäre Prävention:Sekundäre Prävention:Früherkennung Früherkennung prämalignerprämaligner LäsionenLäsionenwesentliche Einflussmwesentliche Einflussmööglichkeit des Zahnarztesglichkeit des Zahnarztes
•• TertiTertiääre Prre Präävention:vention:--Verbesserung der BehandlungsprotokolleVerbesserung der Behandlungsprotokolle--Nachsorge und rekonstruktive BehandlungNachsorge und rekonstruktive Behandlung
Stellenwert der sek. Prävention• Die Prognose oraler Malignome hängt wesentlich vom
Stadium der Erkrankung bzw. Größe ab.
• Bei über 90% der Plattenepithelkarzinome derMundhöhle finden sich prämaligne Läsionen. (Kujan O et al., 2006)
Durch effektive Früherkennung kann die Mortalitätwesentlich reduziert werden.
Einschränkungen:-Behandlungsmotivation (Compliance) der Patienten istoft schlecht!-Kontrolle von Risikofaktoren oft nicht möglich
6
Was sind orale prämaligne Läsionen?
Nach WHO-Einteilung von 1978:• Präkanzeröse Läsion:
ein erkennbar verändertes Gewebe, in dem Krebs wahrscheinlicher entsteht als in normal erscheinendem vergleichbaren Gewebe.
• Präkanzeröse Bedingung:eine generalisierte Erkrankung, die mit einem signifikant höheren Krebsrisiko vergesellschaftet ist.
Oral and Maxillofacial Pathology, Marx & Stern 2003
Klassifikation der “weißen” Läsion
• Farbe der Schleimhaut hängt ab von-Vaskularisierung-Pigmentierung (Melanin)-Epitheldicke-Keratinisierung
• Störung der Keratinisierung ist in meisten FällenUrsache für Weißfärbung der Mukosa:-zu starke oder abnorme Keratinproduktion-fehlende Entfernbarkeit durch Wischen-Klassifikation nach Aetiologie
Aetiologische Klassifikation der“weißen Läsion”
•Carcinoma in situ•Plattenepithelkarzinom
Neoplasien
•Lichen planus•Lupus erythematodes
DermatologischeKrankheiten (Bsp.)
LeukoplakieIdiopathische Läsionen
•Candidiasis•Syphilitische Leukoplakie•Haarleukoplakie (= orales Condyloma planum), HIV
Wichtige Abrenzung zur Leukoplakie:• reaktive Läsionen:
-reversibel-in Zusammenhang mit einem Reiz-nicht als Leukoplakie zu bezeichnen
Diagnose: reaktive Keratose• Bis Diagnose evident ist, z.B. durch
Reizkarenz V.a. Leukoplakie
Mechanische Läsion• Reaktion d. Mukosa auf mechan. Trauma
-akutes Trauma Ulzeration-chronisches Trauma Epithelverdickung u. Hyperkeratose
• Friktionale Hyperkeratose:-Syn. Morsicatio buccarum-Ätio.: scharfe Kanten, Wangenbeissen, schlechtsitzende Prothese-Klin.: raue, papuläre Läsion analog zum Reiz-Histo: Akanthose, Hyperkeratose, keineDysplasie
Chemische Läsionen• orale submuköse Fibrose
-Vor.: Indien, v.a. ♀-Ätio.: Betelnussgenuß, Kollagensynthese 170% -Klin.: Fibrosierung von Schleimhaut und v.a. SubmucosaMundöffnung , SH derb und weißlich-Th.: Exzision u. mikrovaskulärer Gewebetransfer o. Fernlappenplastik-Prog.: Risiko d. malignen Tranformation
• Aspirin burn:-Ätio.: Verätzung d. oralen Mukosa durch Acetylsalizylsäure-Tabl. (ph = 3,5 Proteindenaturierung)-Klin.: anfangs brennendes Gefühl, Ausbleichen d. Schleimhäute, weißliche gefältelte Bereiche Epitheliolyseu. Ulkusbildung-Th.: andere Applikationsform Abheilung in 8-10 Tagen
• Rauchergaumen:-Syn.: Leukokeratosis nicotinica palati, Nikotinstomatitis, „smokers’ palate“-Vor.: v.a. in Indien u. Kulturen mit „reverse smoking“-Klin.: Rötung d. SH, später grau-weißliche Farbe, Fältelungen u. gerötete Knötchen (=Ausführungsgänged. Speicheldrüsen)-Th.: Tabakkarenz-Prog.: keine Präkanzerose, aber ingesamt höheresKrebsrisiko
Leukoplakie - Epidemiologie• Vorkommen:
-höheres Lebensalter (5. Dekade)-v.a. Männer, zunehmend mehr Frauen -Prävalenz: 0,2-11,7%, am höchsten in Indien
• Alkohol: meist in Kombination mit Nikotinabusus, Kanzerogenität erwiesen, Leukoplakieinduktion ?
Kombi Nikotin u. Alkohol häufiger u. früher• schlechte Mundhygiene• chron. Infektionen wie Candidiasis, Lues• virale Infektionen• Hypovitaminosen A, B, C und E, Fehlernährung• (Sonnenexposition u. Austrockung d. Lippen)
?
• WHO 1978:= weißer (nicht wegwischbarer) Fleck oder Schwellung, die klinisch oder histopathologischkeiner anderen Erkrankung zugeordnet werden kann.
• Int. seminar on oral leukoplakia, Malmö 1984:= weißlicher Fleck oder Schwellung, die klinisch oder histopathologisch keiner anderen Erkrankung zugeordnet werden kann und nicht in Zusammenhang steht mit physikalischen oder chemischen Reizen außer dem Gebrauch von Tabak.
Wandel der Leukoplakiedefinitionen 1
Wandel der Leukoplakiedefinitionen 2
• Int. collaboration group on oral white lesions, Uppsala 1994:= vornehmlich weiße Läsion der Mundschleimhaut, die nicht einer anderen genau bestimmbaren Läsionzugeordnet werden kann, einige orale L. werden sich in Krebs transformieren.
•• LeukoplakieLeukoplakie –– Vorschlag für eine einheitliche Vorschlag für eine einheitliche Terminologie, van der Terminologie, van der WaalWaal 2001:2001:zusätzlich Unterteilung in zwei Gruppen:-Leukodysplasie = dysplastische Läsion-Leukokeratose = nicht-dysplastische LäsionBeschreibung unter Einbeziehung der Größe und Lokalisation der Läsion.
12
Terminologie der Leukoplakievan der Waal, Axell 2001
Leukoplakie = vornehmlich weiße Läsion der Mundschleimhaut, die nicht einer anderen genau bestimmbaren Läsion zugeordnet werden kann: einige orale L. werden sich in ein Karzinom transformieren.
Unterteilung in zwei Gruppen:• Leukodysplasie = dysplastische Läsion = P1• Leukokeratose = nicht-dysplastische Läsion = P0
Nach diagnostischer Sicherheit:• Verdacht auf Leukoplakie = alle Läsionen gemäß der Definition
(provisional)• definitive Leukoplakie = nach Ausschluß von ursächlichen Faktoren
und HistopathologieNach klinischen Kriterien:-Farbe: weiß, gelb-weißlich, grau-Subtypen (n. WHO):• homogene Leukoplakie:
•Abhängig von Größe, Form u. Lokalisation d. Läsion u. Art d. Erkrankung:
Biopsie einer Erythroleukoplakie 1Ziel: Identifikation
d. Dysplasie / Karzinoms
Wahl d. Biopsiestelle ist kritisch, Kriterien:
• klinisch: erythroplakische u. atrophe Areale, Indurationen
• intravitale Färbung
17
Biopsie einer Erythroleukoplakie 2
intravitale Färbung zur Wahl d. BiopsiestelleToluidinblau färbt DNA, Mukopolysaccaride
Identifizierung proliferativer Areale
Bewertung Histologiebefund 1• Derzeit Goldstandard zur Beurteilung
prämaligner Läsionen, da-HOIN hohe Korrelation mit maligner Transformation-einzige Methode zur Beurteilung d. Invasivität-unabhängig von Keratinisierung u. Narbenbildung Lippe u. Rezidive-etablierte MethodeAngabe o. Ausschluss einer Oralen Intraepithelialen Neoplasie (OIN) mit zwei Graden: LOIN o. HOIN ist zu fordern!
Bewertung Histologiebefund 2Einschränkungen:• schlechte interindividuelle Reproduzierbarkeit (Parker et al. 2002)
Graduierung nur in zwei Stufen• Reproduzierbarkeit in hohem Maße abhängig vom Biopsieort,
Biopsietechnik, Inflammation (Fischer, Epstein, et al. (2004)) Zufall bei Inflammation, hoch bei Wangen- u. Zungen-SH, Stanze
• mangelhafte prognostische Validität d. histologischen Dysplasiediagnostik d. Plattenepithels (Sudbø et al. 2001)
nicht alle Dysplasien durchlaufen eine maligne Transformationkeine sichere Prognoseeinschätzung !
Gefahren v.a. bei prämalignen Läsionen• Überbehandlung• falsche Sicherheit
Verschleppung d. Krebsdiagnose
18
Schlussfolgerungen• Zur initialen Einordnung sowie
Verlaufsbeurteilung intraoraler Läsionen (auch gutartiger) ist die Zytologie gut geeignet.
• Histopathologie (Biopsie) ist immer zu fordern!• Zytologie und Histopathologie können falsch
negativ sein, im Zweifel Therapieentscheidung nach klinischer Diagnose + Anamnese (Risiko)!
• Keine Methode ermöglicht derzeit eine zuverlässige Prognose.
Welche neuartigen diagnostischen Methoden und Verfahren etablieren sich?
Zusammenfassung Leukoplakie• Diagnose Leukoplakie sollte auf histologisch
gesicherte prämaligne Läsionen und Läsionen unklarer Dignität eingeschränkt werdensowie Angaben zur Lokalisaton und Größe der Läsion enthalten.
• Bürstenzytologie dient der initialenDignitätsbeurteilung und der Nachsorge.
• Jede prämaligne Läsion erfordert Biopsie und histopathologische Untersuchung mit Beurteilung bzw. Ausschluß einer Oralen Intraepithelialen Neoplasie (OIN).
-retikulärer, plaqueförmiger u. papulärer Typ: keine bis geringes Missempfinden, Rauhigkeiten-erosiver, ulzerierender, bullöser, atrophischerTyp: starke Schmerzen u. Brennen, v.a. beiNahrungsaufnahme u. Mundhygiene
• Einflussfaktoren auf Erkrankungaktivität:-unspezifische mechanische Reize (Köbner-Phänomen)-psychische Verfassung-Superinfektion mit Candida
OLP - DiagnostikZur Diagnosesicherung ist immer eine Biopsie zu
fordern DD: Leukoplakie!• Histologische Merkmale:
-Hypergranulose-subepitheliales T-Lymphozytenband mitDegeneration basaler Epithelschichten-Sägezahnprofil d. Reteleisten
• Untersuchungsmethoden:-ggf. direkte Immunfluoreszenz natives Gewebe u. spezialisiertes Labor
22
OLP - TherapiePrinzipien:• rein symptomatisch, d.h. beschwerdeorientiert• Tumorvorsorge