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MULTIRESISTENTE
GRAMNEGATIVE ERREGER Hintergrund, Diagnostik,
Resistenztestung
Rainer Hartl
Nationales Referenzzentrum für nosokomiale
Infektionen und Antibiotikaresistenz
Institut für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin
Ordensklinikum Linz Elisabethinen
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Antibiotikaresistenz
• Antibiotikaresistenz: Fähigkeit von Bakterien, die Wirkung
von
Antibiotika abzuschwächen oder ganz aufzuheben
Versagen einer Antibiotikatherapie wahrscheinlich!
• Primäre Resistenz (intrinsische oder natürliche Resistenz):
Alle
Organismen einer Gattung oder Art weisen die Resistenz auf.
Meist
geben sie diese nicht an andere Erreger weiter.
• Sekundäre Resistenz (erworbene Resistenz): Primär
empfindliche
Organismen werden durch Akquisition einer Resistenz
unempfindlich gegen Antibiotika. Eine Weitergabe ist häufig.
Seite 2 19.12.2018
Multiresistente Gramnegative Erreger
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Resistenzmechanismen
Gramnegative Erreger
Seite 3 19.12.2018 Multiresistente Gramnegative Erreger
Modifikation des Angriffspunktes für das Antibiotikum
Effluxpumpen, die das Antibiotikum aus Zelle herauspumpen
Herabsetzung der Permeabilität für das Antibiotikum
Produktion von Enzymen, die das Antibiotikum inaktivieren
N Engl J Med 2010; 362:1804-1813
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Multiresistenz bei
gramnegativen Erregern
• Das Vorliegen eines isolierten Resistenzmechanismus ist
bei
multiresistenten gramnegativen Erregern (MRE) selten.
• Meist treten Kombinationen verschiedener Mechanismen auf.
• Unterschiedliche genetische Elemente mobilisieren
Resistenz
Gene und führen zu einer Kumulation, sodass zahlreiche
Antibiotikagruppen betroffen sind.
• In Kombination ergibt sich dann oft ein Phänotyp, der als
multiresistent bezeichnet wird.
Seite 4 19.12.2018 Multiresistente Gramnegative Erreger
N Engl J Med 2010; 362:1804-1813
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Beispiel
Seite 5 19.12.2018 Multiresistente Gramnegative Erreger
K. pneumoniae blaKPC +
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Wichtige Vertreter multiresistente
gramnegative Erreger
• Enterobacterales
(EB)
• Pseudomonas
aeruginosa
• Acinetobacter
baumannii Gruppe
Seite 6 19.12.2018 Multiresistente Gramnegative Erreger
GLOBAL PRIORITY LIST OF ANTIBIOTIC-RESISTANT BACTERIA TO GUIDE
RESEARCH, DISCOVERY, AND DEVELOPMENT OF NEW
ANTIBIOTICS 2017
http://www.who.int/medicines/publications/WHO-PPL-Short_Summary_25Feb-ET_NM_WHO.pdf?ua=1
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Klassifikation multiresistente
gramnegative Erreger
• Bis heute gibt es keine allgemein anerkannte Definition von
MRE.
• Nicht selten wird daher Multiresistenz mit der Anwesenheit
eines
Resistenzmechanismus gleichgesetzt (z.B. ESBL).
• Daher wurden Klassifikationen eingeführt, welche die
Zugehörigkeit zur Gruppe der Multiresistenten Erreger aus
dem
Ergebnis der Empfindlichkeitstestung ableiten.
• Eine 2012 vorgeschlagene Definition für epidemiologische
Belange teilt die wichtigsten MRE in folgende Kategorien:
MDR: multi drug resistant
XDR: extensively drug resistant
PDR: pan drug resistant
Seite 7 19.12.2018 Multiresistente Gramnegative Erreger
Clin Microbiol Infect 2012; 18: 268–281
Im Alltag schwer umsetzbar!
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Hygiene Klassifikation - 3/4 MRGN
• Die Krankenhaushygiene benötigt eine praktikable
Klassifikation
für ein klar strukturiertes Vorgehen im klinischen Alltag.
• Die 2012 vorgeschlagene MRGN (Multiresistente gramnegative
Stäbchen) Klassifikation soll diesem Zweck Rechnung tragen.
• Definiert 2 Ausprägungsgrade von Multiresistenz
(unabhängig
vom eigentlich zugrundeliegenden Mechanismus):
Resistenz gegen 3 der 4 klinisch relevanten Antibiotikagruppen:
3 MRGN
Resistenz gegen 4 der 4 klinisch relevanten Antibiotikagruppen:
4 MRGN
• Gilt für:
Enterobacterales
P. aeruginosa
Acinetobacter baumannii Komplex
Seite 8 19.12.2018 Multiresistente Gramnegative Erreger
Bundesgesundheitsbl 2012 55:1311–1354
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Wichtige Vertreter
multiresistente gramnegative Erreger
• Enterobacterales (EB):
CPE
ColRE
• Pseudomonas aeruginosa
• Acinetobacter baumannii Gruppe
Seite 9 19.12.2018 Multiresistente Gramnegative Erreger
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Carbapenemase produzierende
Enterobacterales - CPE
• Carbapeneme (Ertapenem, Imipenem, Doripenem, Meropenem):
gegen bakterielle Enzyme stabilste und somit potenteste
Gruppe
der ß-Laktam Antibiotika
• Carbapenemasen: Meist Plasmid-kodierte Enzyme, die von
Enterobakterien gebildet werden und Carbapeneme inaktivieren
• CPE: Carbapenemase produzierende Enterobacterales,
weltweit
rasante Zunahme beschrieben (typische Verteilung der Enzyme)
• Vorkommen bei allen Enterobacterales, wobei K. pneumoniae
und
E. coli überwiegen
• Einteilung in 3 Ambler Klassen möglich: A, B und D
Seite 10 19.12.2018 Multiresistente Gramnegative Erreger
Clin Microbiol Infect 2014; 20: 821–830
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Carbapenemasen
• Ambler Klasse A (Serin-Carbapenemasen): KPC, IMI etc.
Hydrolysieren so gut wie alle ß-Laktame
Hemmung durch neue ß-Laktamase Hemmer
• Ambler Klasse B (Metallo-ß-Laktamasen): VIM, NDM etc.
Hydrolysieren Penicilline, Cephalosporine und Carbapeneme
Keine Aktivität gegenüber Monobactamen
• Ambler Klasse D (Serin-Carbapenemasen): OXA-48
Hydrolysiert Penicilline, Schmalspektrum-Cephalosporine und
Carbapeneme
Oxyiminobetalaktame und Aztreonam: schlechte Hydrolyse
Hemmung durch neuen ß-Laktamase Hemmer Avibactam
Seite 11 19.12.2018 Multiresistente Gramnegative Erreger Clin
Microbiol Infect 2014; 20: 821–830,
Int J Antim Agents 46(2015): 483-493
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CPE Diagnostik
Detektion (Screening Cut-off)
• Das Ergebnis der Empfindlichkeitstestung ist zur CPE
Detektion
ungeeignet (Carbapeneme können sensibel sein).
• Daher muss ein sogenannter Screening Cut-off verwendet
werden
(deutlich niedriger als die klinischen Grenzwerte):
• Meropenem weist die beste Balance zwischen Sensitivität
und
Spezifität in Hinblick auf CPE Detektion auf.
Seite 12 19.12.2018 Multiresistente Gramnegative Erreger
Substanz MHK Wert (mg/L)
Sensibel Screening cut-off
Meropenem ≤ 2 > 0,125
Ertapenem ≤ 0,5 > 0,125
EUCAST guideline for the detection of resistance mechanisms and
specific resistances of clinical and/or public health importance
version 2.0
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CPE Diagnostik
Bestätigung
• Wird der Screening Cut-off erreicht, ist eine Bestätigung im
Sinn
einer Zweistufen Testung anzuschließen:
Phänotypische Bestätigung
• Tests zum Nachweis aller Carbapenemasen
• Tests zum Nachweis einzelner Carbapenemasegruppen (meist
Inhibitor basierte Bestätigung, die eine grobe Zuordnung zu
den
einzelnen Ambler Klassen erlaubt)
Molekularbiologische Bestätigung
• Goldstandard
• Weist direkt das kodierende Carbapenemasegen nach
• Molekularbiologischer Carbapenemasenachweis: 4MRGN!
• Detektiert nur bereits bekannte Carbapenemasen
Seite 13 19.12.2018 Multiresistente Gramnegative Erreger
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Phänotypische Bestätigungstests
Seite 14 19.12.2018 Multiresistente Gramnegative Erreger
Modifizierter Hodge-Test Inhibitor basierte Bestätigung
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CPE Diagnostik
Screening aus klinischen Proben
• Kultureller Nachweis aus klinischen
(Screening-) Proben etabliert
Sensitivität von verwendeter Methode
abhängig
Relativ lange Dauer
Chromogene Nährmedien verfügbar
Empfindlichkeitstestung möglich
• Direkter molekularbiologischer
Nachweis
Rasche Ergebnisse
Höhere Kosten
Nur bekannte CPE werden detektiert
Keine Empfindlichkeitstestung möglich
Seite 15 19.12.2018 Multiresistente Gramnegative Erreger
Clin Microbiol Infect 2014; 20: 839-53
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Epidemiologie
CARBA-Net
• Seit 2015: Diagnostik und Surveillance von Carbapenemase
produzierenden gramnegativen Bakterien in Österreich
(CARBA-Net)
• Abklärung gramnegativer Bakterien mit Verdacht auf
Carbapenemase-Produktion in Österreich:
Enterobacterales
Pseudomonas aeruginosa
Acinetobacter baumannii Gruppe
• Zeitnahe Abklärung am Nationalen Referenzzentrum für
nosokomiale Infektionen und Antibiotikaresistenz in Linz.
• Jährlicher Berichterstattung im österreichischen
Resistenzbericht
AURES
Seite 16 19.12.2018 Multiresistente Gramnegative Erreger
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CARBA-Net
CPE Epidemiologie Österreich 2016
• 163 CPE Verdachtsfälle
Seite 17 19.12.2018 Multiresistente Gramnegative Erreger
AURES 2016
61
39
25
12
6 6 4 3 2 2 1 1 1
Klebsiellapneumoniae
Enterobactercloacaecomplex
Escherichiacoli
Enterobacteraerogenes
Citrobacterfreundii
Klebsiellaoxytoca
Serratiamarcescens
Proteusmirabilis
Morganellamorganii
Raoultellaplanticola
Citrobacterbrakii
Proteusvulgaris
Providentiastuartii
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CARBA-Net
CPE Epidemiologie Österreich 2016
• 102 CPE (62,6%) molekularbiologisch bestätigt
Seite 18 19.12.2018 Multiresistente Gramnegative Erreger
AURES 2016
40
32
15 14
1
blaVIM blaOXA-48 blaNDM blaKPC blaIMI
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Colistin resistente EB
ColRE
• Colistin als Reservesubstanz ist nicht selten die letzte
verfügbare
Therapiealternative bei MRE
Wirkt an der äußeren Membran gramnegativer Erreger (zahlreiche
Spezies
sind intrinsisch resistent)
• Korrekte Empfindlichkeitstestung sehr schwierig
Nur Bouillon Mikrodilution zulässig
• Resistenz gegenüber dieser Substanz wird besondere
Beachtung
geschenkt (insbesondere bei EB und CPE: ColRE)
Plasmid kodierter mcr Mechanismus (bisher mcr-1 bis mcr-8
bekannt)
• PCR Nachweis in der Routine bisher für mcr etabliert
Seite 19 19.12.2018 Multiresistente Gramnegative Erreger
Clin Infect Dis 2005; 40:1333–41
Emerging Microbes & Infections (2018) 7:122
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CARBA-Net
Bouillon Mikrodilution
Seite 20 19.12.2018 Multiresistente Gramnegative Erreger
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Pseudomonas aeruginosa
• Gramnegatives Stäbchenbakterium („Nonfermenter“) mit
zahlreichen intrinsischen Resistenzen
• Klassischer Erreger nosokomialer Infektionen
• Schnelle Resistenzentwicklung unter Therapie möglich
• Zahlreiche Mechanismen können zur Multiresistenz führen:
Porinverlust, Efflux-Pumpen, AmpC, ESBL
Carbapenemasen: V.a. Metallo-Beta-Laktamasen, seltener
Serin-
Carbapenemasen
Molekularbiologischer Carbapenemasenachweis bedeutet nicht
automatisch 4MRGN!
Seite 21 19.12.2018 Multiresistente Gramnegative Erreger
Clin Microbiol Rev 2009; 22:582-610
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Carbapenemase produzierender
Pseudomonas aeruginosa - Diagnostik
• Richtlinien zur Detektion nicht so genau definiert wie bei
EB
• Ebenfalls phänotypische und molekularbiologische
Bestätigung:
Seite 22 19.12.2018 Multiresistente Gramnegative Erreger
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CARBA-Net
Epidemiologie Österreich 2016
• 99 Isolate mit Verdacht auf Carbapenemaseproduktion
• In 40 Fällen (40,4%) Carbapenemasegen mittels PCR
bestätigt:
Seite 23 19.12.2018 Multiresistente Gramnegative Erreger
AURES 2016
35
2 2 1
blaVIM blaDIM blaIMP blaNDM
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Acinetobacter baumannii Gruppe
• Acinetobacter baumannii Gruppe
MRGN Klassifikation erfasst A. baumannii, A. pittii und A.
nosocomialis
• Häufiges Auftreten von nosokomialen Ausbrüchen
Nicht selten ausgehend von Indexpatienten, die zuvor in
Hochendemiegebieten hospitalisiert waren
• Hohe Umweltresistenz und ausgeprägte Biofilmbildung
• Zahlreiche Mechanismen können zur Multiresistenz führen
• Bei den ß-Laktamasen überwiegen Enzyme der Ambler Klasse D
(OXA Carbapenemasen)
Seite 24 19.12.2018 Multiresistente Gramnegative Erreger
Pathog Dis 2014; 71(3): 292-301
Clin Microbiol Infect 2010; 16: 112–122
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CARBA-Net
Epidemiologie 2016
• 18 Isolate zur Bestätigung einer Carbapenemase
eingesandt:
Seite 25 19.12.2018 Multiresistente Gramnegative Erreger
AURES 2016
8
7
2
1
blaOXA-51, -23 blaOXA-51, -24 blaNDM, OXA-51,-23 blaOXA-51
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Zusammenfassung
• Das Phänomen der Multiresistenz bei gramnegativen Erregern
wird meist durch eine Kombination mehrerer Resistenz-
mechanismen verursacht
• Die Labordiagnostik bei MRE ist aufwändig und bedarf oft
eines
spezialisierten Labors
Lange Dauer bis Vorliegen der Befunde
Hohe Kosten
• Weltweit wird eine Zunahme von MRE beschrieben
• Enterobacterales, P. aeruginosa und Acinetobacter
baumannii
stellen die wichtigsten Vertreter der MRE dar
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Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!