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Monatszeitung der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und
Menschenwürde e.V.
In seiner Begrüßungsansprache ver-wies GBM-Vorstandsmitglied
Prof. Dr. Gerhard Fischer auf die 60. Wiederkehr des Tages, an dem
die UNO-Vollversammlung die Allge-meine Erklärung der
Menschenrechte verabschiedete. „Damit wurden grund-legende Lehren
aus dem Völkerkampf gegen den Faschismus gezogen und Fundamente für
eine Menschheitszu-kunft in Frieden und sozialer Gerechtig-keit
gelegt“, stellte er fest. Des weiteren schilderte er die bewährte
Zusammen-arbeit der Alternativen Enquetekom-mission „Deutsche
Zeitgeschichte“, der Vorläuferin des von ihm geleiteten Ber-liner
Alternativen Geschichtsforums, mit Prof. Vilmar.Dann ging Gerhard
Fischer darauf ein, dass am gleichen Tage im Bendler-block nahe dem
Berliner Tiergarten der Grundstein für ein „Ehrenmal der
Bun-deswehr“ gelegt worden war. „Im Bend-lerblock, wo zur Nazizeit
das OKW, das OKH und zeitweise das OKM ih-ren Sitz hatten, wurden
Aggressions-pläne für den Zweiten Weltkrieg aus-gearbeitet. Im Hof
des Bendlerblocks mussten Oberst Stauffenberg und drei seiner
Mitverschworenen ihr Le-ben geben, weil sie – aus welchen Mo- tiven
auch immer – mit Hitlers Raubkrieg Schluss machen wollten. Im
Bendlerblock erinnert die Gedenkstät-te Deutscher Widerstand unter
anderem an Kriegsdienstverweigerer und Deser-teure, die einer
Beteiligung an Aggressi-onshandlungen der faschistischen Wehr-macht
entgehen wollten.An solchen Aggressionsakten sind deut-sche
Soldaten seit 1999 wieder beteiligt.
Dass dabei Bundeswehrangehörige wie Zivilisten ihr Leben
verloren, ist Anlass zur Trauer, gereicht aber der Bundes-wehr und
ihren Auftraggebern nicht zur Ehre. So verstehen wir unsere
Zusam-menkunft auch als Bekundung von Pro-test und Gegenwehr –
eingedenk des Artikels 3 der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte, der das Recht auf Leben proklamiert.“Prof. Dr.
Wolfgang Richter stellte sei-ne Laudatio unter das Leitwort
„Zu-kunft in der Vergangenheit entdecken
– den Sozialismus neu denken“. Da-mit seien die Themen
bezeichnet, die Fritz Vilmars Leben begleiteten, ihn als
Wissenschaftler herausforderten und als Friedensforscher
bewegten.
„Was er sich auch zum Gegenstand nahm, sei es in seinen
sozialphiloso-phischen Arbeiten, sei es als einer der Väter der
kritischen Friedensforschung in der Bundesrepublik, sei es als
Re-
formsozialist, der seine wissenschaft-liche Tätigkeit in den
großen Bezugs-rahmen positiven Friedens und demo-kratischen
Sozialismus stellte, seien es seine Arbeiten über
Wirtschaftsdemo-kratie, über soziale Selbsthilfe, Selbst-
organisation in Basisbewegungen und
Vor der Europäischen Seite 2FriedenskonferenzWendejahre in
Seiten 5-7DeutschlandEhrung für Seite 8Jürgen KuczynskiKatja
Ebstein kommt Seite 10
01/2009 134. Ausgabe F 48734 Unkostenbeitrag 0,75 Euro (Für
Mitglieder kostenlos)
Kommunen, sei es sein ökologisches Engagement – es war alles
immer auch auf dem Weg zu einer humanen, ge-rechten Gesellschaft
und in menschen-rechtlicher Absicht gedacht und getan“, hob
Wolfgang Richter hervor. Fritz Vil-
GBM - Menschenrechtspreis 2008für Prof. Fritz Vilmar
Ihren Menschenrechtspreis für das Jahr 2008 verlieh die
Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschen- würde e.V. in
einer Feierstunde am 27. November in Ber-lin dem Sozial- und
Politikwissenschaftler Prof. Dr. Fritz Vil-mar, der seit Anfang der
neunziger Jahre der GBM eng ver-bunden ist. Deren Vorsitzender,
Prof. Dr. Wolfgang Rich-ter, würdigte in seiner Laudatio die
sozialphilosophischen und gesellschaftlichen Verdienste des
Geehrten.
Zu Beginn der GBM-Vorstands-sitzung vom 18. November 2008 hob
der Vorsitzende, Prof. Dr. Wolfgang Richter, die Bedeu-tung hervor,
die der für den 13. und 14. März in Berlin vorgesehenen
Eu-ropäischen Friedenskonferenz ge-rade im Blick auf die
gegenwär-tige politisch und wirtschaftlich kri-tische Weltsituation
zukommt. Umso wichtiger sind Beiträge der GBM- Mitglieder und
Förderer zur finan- ziellen Sicherstellung der Tagung (siehe Seite
2).Karl-Heinz Witzke und Dr. Jürgen Zen-ker berichteten dem
Vorstand über den Anteil der GBM an dem Gegenbericht, den das
„Forum Menschenrechte“ na-mens der über 40 in ihm
zusammen-wirkenden deutschen Nichtregierungs-organisationen als
Stellungnahme zu dem jüngsten Bericht der Bundesre-
gierung an den UNO-Menschenrechts-rat ausgearbeitet hat. Dieser
Staaten-bericht – eingereicht im Rahmen des regulären Verfahrens,
in dem dieses UN-Gremium die Menschenrechts-lage in den einzelnen
Ländern über-prüft – hätte nach Ansicht des Forums Menschenrechte
stärker problembezo-gen ausfallen und die Verwirklichung der
Menschenrechte auch in der BRD als Prozess darstellen müssen. Die
re-gierungsoffizielle Einschätzung der Menschenrechts-Probleme, die
mit der Herstellung der staatlichen Einheit in Deutschland
zusammenhängen, lasse Realitätsbezug vermissen; die Art, wie die
Bundesregierung die wiederholt dabei von UNO-Gremien an ihr geübte
Kritik bewerte, zeuge von Arroganz.Dr. Peter Michel informierte den
Vor-stand über die Tätigkeit der Arbeits-gruppe Kultur zur
Verwirklichung der
politischen Ziele der GBM, insbeson-dere über die Pläne für
Ausstellungen und Veranstaltungen im Jahr 2009. Im zweiten Halbjahr
ist, wie Dr. Sieg-fried Wege mitteilte, mit dem Erschei-nen des
Lexikons „Kunst in der DDR“ zu rechnen. Ferner behandelte der
Vor-stand eine Erklärung zu Gedenkta-gen 2009/2010 (s. S. 5ff.).
Die Schatz- meisterin, Dr. Gisela Hering, gab eine Vorschau auf die
Erfüllung des Finanz-plans 2008. Red.
Der Vorstand tagte
Beste Wünsche für
2 0 0 9allen Mitgliedern
und Freunden der GBM!Vorstand & Redaktion
Während der Verleihung des Menschenrechtspreises in den Berliner
Räumen der GBM (v.l.n.r.) Prof. Dr. Siegfried Mechler, Prof. Dr.
Fritz Vilmar, Prof. Dr. Wolfgang Richter und Frau, Prof. Dr.
Gerhard Fischer; 2. Reihe: Prof. Dr. Her-mann Klenner und die
stellvertretende GBM-Vorsitzende Dr. Ursula Schön-felder Foto: Jörg
Pauly
(Fortzetzung auf Seite 3)
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2 Europäische Friedenskonferenz
Frieden der WeltGibt es ein höheres Menschen-recht? Denn Frieden
der Welt heißt Menschenleben. Dazu braucht man keine NATO, ihre
Geschichte ist die Verkörperung des Gegenteils und die Zukunft ist
nur ohne sie gesichert.Den Frieden in der Welt zu er-zwingen – das
braucht starke und gut organisierte Kräfte. Das haben wir erlebt
und sind daher froh, dass die GBM als Friedens-initiator das Wort
erhebt. Die für März gerade in Deutschland ge-plante internationale
Friedens-konferenz ist für sie eine große Verpflichtung. Das
braucht unser aller Solidarität und auch finan-zielle
Unterstützung.
Prof. Dr. Gudrun Langendorf,Prof. Dr. Kurt Langendorf,
OV Hohenschönhausen-Weißensee
Das Europäische Friedens-forum, in dem unsere Gesell-schaft zum
Schutz von Bür-gerrecht und Menschenwürde eine bedeutende Rolle
spielt, hat aufge-rufen, eine gesamteuropäische Frie-denskonferenz
im März 2009 in Ber-lin durchzuführen.Der unmittelbare Anlaß ist
der 10. Jahrestag des Überfalls der USA und ihrer NATO-Verbündeten
auf die ju-goslawischen Völker. Wir alle wis-sen, welches
unermessliche Leid die-ser imperialistische Krieg den Men-schen,
vor allem Frauen und Kindern, in Jugoslawien zugefügt, welchen
immensen materiellen Schaden er verursacht hat.Das geschah vor zehn
Jahren. Auch heute führen die USA und ihre NA-TO-Partner
einschließlich der Bun-desrepublik Deutschland völker-rechtswidrige
Kriege und Kampf-handlungen in vielen Ländern.
„Für den Frieden der Welt steht die Menschheit auf Wacht“ – so
sangen wir im Weltjugendlied, und „Dass nie eine Mutter mehr ihren
Sohn beweint“ in der Nationalhymne der DDR. So klang es auch bei
Angela Merkel wäh-rend ihrer aktiven Zeit als FDJ-Funk-tionärin.
Wir schworen uns, nie wie-der zuzulassen, dass von deutschem Boden
noch einmal ein Krieg aus-geht. Diesen Schwur hielten wir, bis die
Konterrevolution ihren Marsch begann.Seither fliegen deutsche
Kugeln, Handgranaten, Geschosse und Flug-zeuge auf Bürger fremder
Länder und töten Menschen. Die Blutspur, die vor zehn Jahren in
Jugoslawien begann, zieht sich bereits von Europa über
„Die Erhaltung und Siche-rung des Friedens ist und bleibt das
Allerwichtigste. Das hat unser Leben in und mit der DDR…begleitet“,
heisst es u.a. in dem Aufruf unseres Bundesvorstandes. Wie wahr,
diese Feststel-lung. Ja, 60 Jahre NATO sind mehr als genug!40 Jahre
lang haben NA-TO-Truppen in der Syste-mauseinandersetzung bei
Manövern wie „Autumn Forge“, „Reforger“ oder
„Crusader“ immer wieder ihre aggressive „Vorwärts-strategie“ des
„roll back“ durchgespielt. In den Plan-spielen „Wintex“ wur-de
Atomkrieg geprobt. Schon 1955 war beim Luftwaffenmanöver „Carte
Blanche“ der Abwurf von Atombom-ben auf die DDR simuliert
worden!Dank der Existenz des Warschauer Paktes und einer weltweiten
Friedens-bewegung wurde es dem sogenannten Verteidigungsbündnis,
als das sich die NATO ausgab, verwehrt, die Welt mit
„Neuordnungs“- und Ressourcenkrie-gen an den Rand des Abgrunds
zu füh-ren.Die Erhaltung und Sicherung des Frie-dens hat in hohem
Maße auch mein Leben geprägt – als Mitglied eines
Be-triebsfriedenskomitees, als Mitglied des DDR-Friedensrates, als
Vizeprä-sident der DDR-Komitees für Euro-päische Sicherheit und
Zusammenar-beit, als Mitglied des Wissenschaft-lichen Rates für
Friedensforschung bei der AdW.Die Durchführung von und die
Teil-nahme an internationalen Friedens-konferenzen und Beratungen
wurde in der nicht gerade reichen, aber dem Frieden verpflichteten
sozialistischen DDR von Staats wegen finanziell
un-terstützt.Grundlegend anders die Situation heu-te in der BRD,
einem der reichsten ka-
Unterstützt die Europäische Friedenskonferenz!
Erinnert sei an den Irak, Afgha-nistan, Georgien und
Südossetien.Diese imperialistische Kriegspo-litik verbunden mit
geopolitischen Wirtschaftszielen - Sicherung stra-tegischer
Rohstoffreserven! - zu entlarven, ist eine dringende Auf- gabe
aller friedliebenden Menschen. Deshalb ist die Durchführung einer
gesamteuropäischen Friedenskonfe-renz so wichtig.Kann man erwarten,
dass eine der NATO verpflichtete BRD dazu fi-nanzielle Mittel
bereitstellen wird? Natürlich nicht ! Es ist deshalb rich-tig und
notwendig, dass wir als Mit-glieder der GBM die Durchführung der
Konferenz finanziell unterstüt-zen. Mein Beitrag: 20 Euro zur
er-folgreichen Durchführung der Kon-ferenz. Dr. Klaus Elste
Mitglied des Sprecherrats des OV Köpenick
Unser Engagement zählt
pitalistischen Länder der Welt. Da flie-ßen einerseits seit Jahr
und Tag Mil-liarden und Abermilliarden für die Umrüstung der
Bundeswehr zur In-terventionsstreitmacht und für immer neue
Kriegs-Auslandseinsätze. Und da ist andererseits die GBM, die eine
gewichtige Rolle im Europä-ischen Friedensforum spielt, ein Fall
für den Verfassungsschutz und Ziel verleumderischer Angriffe. Die
Mittel, über die unsere Organisa-tion für die Durchführung einer
Euro-päischen Friedenskonferenz verfügt, sind gering, ja
unzureichend. Trotz al-ledem! Wir handeln - angesichts des
aggressiven NATO-Kurses - gemäß der einmal gewonnenen Erkenntnis,
dass Frieden das Allerwichtigste für unseren Kontinent und die Welt
ist. Weshalb die Bitte unseres Bundesvor-sitzenden, das Gelingen
der Konfe-renz durch Spenden zu ermöglichen, mit der von uns
Mitgliedern immer wieder bewiesenen Bereitschaft zur Solidarität
und Hilfe beantwortet wer-den sollte. Prof. Dr. Georg Grasnick
60 Jahre NATO sind genugden „schwarzen Kontinent“ bis nach
Afghanistan. Und wo sie nicht selbst schießen, da stehen die
deutschen Im-perialisten den Aggressoren mit Rat und Tat zur Seite
wie im Irak oder den georgischen Aggressoren beim Über-fall auf
Russland oder beim Bau ame-rikanischer Raketensysteme in Polen und
in Tschechien. Und wo Bundes-wehr und Diplomatie nicht mitmi-schen,
da tauchen die schmutzigen Finger des BND auf.Mehr als 10 000
Bundeswehrsoldaten waren bereits in ausländischen Gefil-den im
Einsatz – mit Waffen natürlich. Über 2 600 kehrten bisher in Särgen
zurück, beweint von ihren Müttern, Frauen und Bräuten.
„Schwerter zu Pflugscharen“ predigte
einst ein Pfarrer Eppelmann und wi-ckelte später als
„Abrüstungsmini-ster“ die Nationale Volksarmee ab. Wann, Herr
Eppelmann, kommt Ih-nen heute eine solche „Erleuchtung“?60 Jahre
NATO sind reichlich genug. Angesichts der angehäuften
Massen-vernichtungswaffen wäre ein neu-er Völkermord fürchterlich.
Ihn zu verhindern ist das Gebot der Stunde. Aber da helfen uns
weder Barack Ob-ama noch Angela Merkel. Auch „kein höheres Wesen,
kein Gott, kein Kai-ser noch Tribun. Uns aus dem Elend zu erlösen
können wir nur selber tun.“ Und dazu wird das Europäische
Frie-densforum im März 2009 seinen Bei-trag leisten. Ernst-Otto
Christalle
In den Jahren 1944 und 1945 bin ich als ganz junger Mensch
unmittelbar in die Wirren, Gefahren und Verbrechen des Zweiten
Weltkrieges verstrickt worden. Das hat dazu geführt, dass ich mir
in meiner Kriegsgefangenschaft selbst versprochen habe, nie wieder
ei-ne Waffe in die Hand zu nehmen, um damit auf Menschen zu
schießen. In den nachfolgenden Jahren und Jahr-zehnten ist mir
bewusst geworden, dass Kriege nie dazu beitragen, Pro-bleme der
Menschheit zu lösen. Im Gegenteil: Ein Krieg birgt in sich be-reits
die Ursachen für den nächsten. Schlimmer noch: Angesichts des
Ver-nichtungspotenzials von Atomwaffen ist heute und in Zukunft
jeder Krieg ein Schritt hin zur Vernichtung der Menschheit und
daher von vornherein ein Verbrechen gegen die Menschlich-keit.Jeder
Einzelne von uns, wir alle ge-
meinsam müssen daher lernen, zur Lösung unserer Probleme – der
per-sönlichen, gesellschaftlichen und po-litischen – aufeinander
mit dem Ziel zuzugehen, Wege zu finden und be-gehbar zu machen, die
das Leben als lebenswert erhalten und – wenn mög-lich – schöner
machen. Das schließt selbstverständlich auch ein, jene an den
Pranger zu stellen, die Kriege vor-bereiten, betreiben und
schönreden. Deshalb freue ich mich, dass im kom-menden März in
Berlin die Europä-ische Friedenskonferenz stattfindet. Denn: Das
Europäische Friedensfo-rum (epf) hat sich vor allem auch die
Aufgabe gestellt, die Friedenskräfte in Ost und West zum
gemeinsamen Han-deln zusammenzuführen. Und: Die GBM hat bei der
Vorbereitung und Durchführung der Tagung meine volle Unterstützung.
Wolfgang Göpelt
Wir müssen aufeinander zugehen
-
3akzente aktuell
(Fortsetzung auf Seite 4)
mar habe mitten im Geschehen mu-tig Positionen bezogen und
diesen Mut mit dem stetigen Bemühen verbunden, all die umstrittenen
Fragen auf eine so- zialwissenschaftliche Ebene zu he-ben. „Fritz
Vilmar ist wohl zum Dialog geboren“, meinte der Redner. „Dialog
nimmt den Menschen nicht hinter dem Wissenschaftler zurück. Fritz
Vilmar kann mit Engagement umgehen, doch er ist dadurch nicht
interesselos an der Meinung des anderen, er erachtet sie als
erfahrens- und erwägenswert.“ Er ha-be gerade auch durch seine
objektivie-rende Art in den letzten nun schon fast zwanzig Jahren
viel zur Annäherung von Ost und West beigetragen. „Er war
Gründungsmitglied und Vizepräsident des Kuratoriums der GBM seit
1991. In einer Zeit, in der die öffentliche Mei-nung von
Vorurteilen, Schmähungen, Demütigungen und Lügen durchtränkt ist,
schafft die Suche nach Wahrheit nicht nur gute Freunde. Sie macht
oft auch einsam in der wissenschaftlichen Kommunität. Wer ein Buch
über die ‚Kolonialisierung der DDR‘ geschrie-ben hat, wird auch das
gewiss erfah-ren haben.“ Vilmars Buch „Rüstung und Abrüstung im
Spätkapitalismus“ (1965) sei ein Standardwerk der Frie-densbewegung
geworden, ebenso sein Buch „Sozialistische Friedenspolitik für
Europa“ (1972).
Vilmars Lebensmaxime sei es, die kritische Wissenschaft immer in
den Dienst sozialer Bewegungen zu stel-len. „Seine
wissenschaftliche und po-litische Sozialisation in der so
be-rühmten ‚Frankfurter Schule‘ sowie den Gewerkschaften und
Basisbewe-gungen haben ihn geprägt. Mit dieser seiner Analyse hat
er sich auch als Frie-densforscher, als Kämpfer für
Men-schenrechte, auch für das Recht des Menschen auf Leben, einen
Namen ge-macht.“ Wenn die GBM, der auch die Deutsche Sektion des
Europäischen Friedensforums angegliedert ist, heu-te den
Menschenrechtspreis 2008 ver-leihe, dann wäre das
Friedensengage-ment von Fritz Vilmar allein schon ein guter Grund,
ihm den Preis zu verleihen.
Die Erinnerung an das Buch über Rü-stung und Abrüstung sei
gerade heute auf eine bestimmte Art besonders ak-tuell. Das hänge
mit seinem system-kritischen, antineoliberalen und
anti-kapitalistischen Charakter zusammen.
„Heute, in einer Zeit, wo der ‚Spätkapi-talismus‘ in eine
umfassende System-krise geraten ist und selbst die herr-schende
Elite die Systemfrage stellt, gewinnt das Interesse an dem Buch von
Vilmar noch eine andere Facette. So-ziale, politische und
gesellschaftliche Krise, die gegenwärtige Weltkrise, die sich nicht
auf eine Wirtschaftskrise oder gar eine bloße Krise des Moneta-
rismus reduzieren lässt, sind nicht zu-letzt durch die starke
Hinwendung des von Vilmar kritisch untersuchten Spät-kapitalismus
zu Neoliberalismus und Chicagoer Schule noch beschleunigt worden“,
fuhr der Laudator fort. Vil-mar lasse sein Buch in die Frage
mün-den: „Können wir verhindern, dass Westeuropa den Weg der USA
geht: dass der ‚militärisch-industrielle Kom-plex‘ zum
Krebsgeschwür des gesam-ten politischen Lebens wird?“ Das sei im
Zusammenhang mit der Enttabuisie-rung des Militärischen in der
Politik und wachsenden Gefahren neuer Kriege ei-ne immer noch sehr
aktuelle Frage. Vil-mars Hinweis auf die Identität von
Ka-pitalismus und Rüstung sei nicht das damals modische
Zugeständnis an den Zeitgeist der „Stamokap-Theorie“ ge-wesen,
sondern sei eine These, die sich über die Jahrzehnte immer aus Neue
be-stätigt hat.
„Prof. Vilmar, den ich aus der Friedens-forschung kannte, wurde
von mir 1990 gebeten, an der Humboldt-Universi-tät zusammen mit
anderen Politikwis-senschaftlern zu helfen, mit den
Gesell-schaftswissenschaftlern einschließlich der Sektion
Marxismus-Leninismus eine Sektion Politikwissenschaft auf-zubauen.
Fritz Vilmar war von dem Auftrag sehr angetan und lobte
Auf-merksamkeit und Bereitschaft der Vor-lesungsteilnehmer“,
erinnerte sich Prof. Richter. „Er bat mich damals um Mitar-beit im
Arbeitskreis Atomwaffenfreies Europa, dessen Vorsitzender er war
und in dessen Vorstand ich dann auch ge-wählt wurde. Der Kreis
wurde für ei-nige Zeit ein echtes Ost-West-Diskus-sionsforum. Von
Beginn unserer Zu-sammenarbeit an interessierte sich Fritz Vilmar
für die Art und Weise des Eini-gungsprozesses, unterstützte unser
Vor-haben, Weißbücher darüber herauszu-geben, und half bei der
Titelsuche, wo-bei das Wort ‚Unfrieden in Deutschland‘ auf seinen
Vorschlag zurückging. Er schrieb auch eine Nachbetrachtung zu
diesem Weißbuch.“„Nach einer solchen Niederlage der bis dato
einflussreichsten Weltanschauung der letzten 150 Jahre“, sagte
Wolfgang Richter weiter, „ist es legitim und not-wendig, um es mit
einem Hegel-Wort zu sagen, sich – um die Not zu wenden
– allen Fragen der Kritik und Selbstkri-tik radikal zu stellen;
doch niemand wird verhindern können, es eben mit seinen Augen zu
tun. Fritz Vilmar hat uns immer dann kritisiert, wenn er un-sere
Sicht einseitig fand. Er kritisier-te manchmal hart, aber in
sympathi-sierender Solidarität. Er kam zu den Veranstaltungen und
Jahreshauptver-sammlungen der GBM. Als 1992 un-ser erstes Weißbuch
erschien, war er den Mitgliedern der GBM schon sehr vertraut, und
die GBM hatte ihm auch viele ihrer Mitglieder zu verdanken.“Auch
nach seiner Emeritierung habe Fritz Vilmar als Hochschullehrer
gear-beitet. 2002 erschien – gegen den Main-stream – das von Stefan
Bollinger und Fritz Vilmar herausgegebene Buch
„Die DDR war anders“. „Fritz Vilmar ging es nie um Wissenschaft
ohne je-den sozialen Bezug“, stellte W. Richter fest. „Er suchte
stets nach Alternativen.“ Er fordere ein neues Konzept einer
de-mokratischen Gesellschaft. „Über die Konzepte kann und muss man
streiten. Er wirft den linken Parteien SPD, PDS und Grüne
‚kleinkariertes Denken‘ vor. Wie vermeintlich linke Konzepte
schei-tern müssen, deuten auch die Gründe seines Austritts aus der
SPD an, die er 2003 nach 52-jähriger Mitgliedschaft verließ, weil
sie zunehmend ‚kapital-hörig‘ sei und einen hochgradigen sozi-alen
Substanzverlust zeige.“ Die Bundesregierung sei an Ignoranz
gegenüber der Geschichte der DDR und ihren zweifellos vorhandenen
po-sitiven Seiten und Errungenschaften nicht zu überbieten und habe
seit 1999 nichts dazugelernt, „Unbelehrt betreibt sie das Geschäft,
ein DDR-Bild aus der Zeit des Kalten Krieges zu kolportie-
ren, und stellt die DDR in eine Reihe mit dem faschistischen
Deutschland.“ Im Blick auf den jüngsten Menschen-rechts-Bericht der
Bundesregierung an die UNO kritisierte der Redner eine Rei-he von
Menschenrechtsverletzungen im Prozess der deutschen Einheit. „In
all unseren menschenrechtlichen Bemü-hungen gegenüber nationalen
und in-ternationalen Adressaten haben wir die Forschungen von Fritz
Vilmar stets als eine wichtige Hilfe und Quelle empfun-den und uns
nicht selten auf ihn beru-fen. Die Einschätzungen von Fritz Vil-mar
münden in die Forderung und das Konzept eines neuen Reformprojekts,
an dem auch wir auf ausgewählten Feld-ern arbeiten; ich denke an
die Renten-regelungen ebenso wie an menschen-rechtliche Standards,
an eine europä-ische Friedens- und Sicherheitsordnung ebenso wie an
Linien der neueren Ge-schichtsschreibung.“Fritz Vilmar habe sich
auch engagiert für die Erkenntnis eingesetzt, dass die bildende
Kunst aus der DDR nichts für die Müllhalde der Geschichte ist.
Da-durch fühle sich die GBM in ihrer Gale-riearbeit ermutigt. Sie
habe seit 10 Jah-ren über 50 Ausstellungen veranstal-tet. „Die
zeitweise enge, zeitweise auch eher lose Form der Zusammenarbeit
mit Fritz Vilmar in vielen Phasen der GBM-Geschichte lässt uns mit
Hochachtung und Dankbarkeit von ihm und seinem Schaffen sprechen“,
schloss Prof. Rich-ter und überreichte Prof. Fritz Vilmar die
Urkunde sowie die dazugehörige Skulptur, geschaffen von dem
kürzlich verstorbenen Bildhauer Martin Wetzel.
In seiner Dankesrede äußerte Prof. Dr. Fritz Vilmar seine Freude
über die Ver-leihung des Menschenrechtspreises der GBM und dankte
ihr „für diese ehren-volle Auszeichnung, die meine bald
zwanzigjährige Kooperation mit der Gesellschaft besiegelt“. Seine
Anspra-che widmete er dem Thema „Histo-rische Kritik und Würdigung
- die bei-den notwendigen Seiten eines ideolo-giefreien
DDR-Bildes“.
„Meine Gedanken über die DDR ent-springen einem langjährigen –
bei die-sem Anlaß sehr dringend gewordenen
– existentiellen Bedürfnis, öffentlich Rechenschaft abzulegen
über mein Ver-hältnis zur DDR und über die vorherr-schende
westdeutsche DDR-Politik“, hob er hervor. „Ich bin seit der Wende
eingetreten für die zahllosen aktiven Menschen und besonders die
Funk- tionsträger guten Willens, die vier-zig Jahre lang am Aufbau
einer nicht- kapitalistischen Ordnung mitgearbei-tet hatten und
jetzt als Mitläufer und als politisch und wirtschaftlich Unfähige
diffamiert werden. Der ja zumindest teilweise erfolgreiche Kampf
der GBM gegen das jener Diffamierungspolitik entsprechende
Rentenstrafrecht, des-sen Unrecht schließlich sogar das ober-ste
Gericht bloßlegte und zur Revision zwang, zeigte, dass wir mit
unserem Widerstand gegen diese westdeutsche Anti-DDR-Politik im
Recht waren und die Kolonisatoren im Unrecht.
Blick in den Saal während des Auszeichnungsakts Foto: Jörg
Pauly
(Fortsetzung von Seite 1)
GBM-Menschenrechtspreis 2008für Prof. Fritz Vilmar
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4 akzente aktuell
Aber der Kolonialisierungsprozeß ging ja weiter: Mit dem
Kampfbegriff der ‚Delegitimierung‘ der DDR wurde ver-sucht, deren
gesamtes gesellschaft-liches System als ‚Unrechtsstaat‘ in den
Mülleimer der Geschichte zu werfen und seine Einrichtungen zur
Zerschla-gung oder Ausweidung freizugeben. Ich brauche nur an die
Verramschung der ostdeutschen Industrie durch die sogenannte
Treuhandanstalt zu erin-nern oder an die Entlassung der Mehr-heit
der ostdeutschen Professoren. Hier nun stellt sich dem kritischen
Soziolo-gen die schwierige Aufgabe, die ich mit ‚Historischer
Kritik und Würdigung der DDR‘ bezeichnet habe: Wir müssen
versuchen, in der öffentlichen Darstel-lung der DDR endlich über
das vorherr-schende ideologische Schwarz-Weiß-Bild
hinauszukommen.“Als anzuerkennende sozial-kulturelle Leistungen
nannte der Redner das di-daktisch vorbildliche „polytechnische
Prinzip im Schulwesen der DDR“, die
„zukunftweisenden Gehalte in der ost-deutschen Kunst“, die
jahrelange, schließlich erfolgreiche Arbeit am Zi-vilgesetzbuch der
DDR, die Möglich-keiten der Mitbestimmung in DDR-Betrieben, „durch
die die ostdeutsche Arbeitswelt als Lebenszentrum in Er-scheinung
trat“, die Neuorganisati-on der Landwirtschaft in den
Agrarge-nossenschaften sowie die Polikliniken als „ein
vorbildliches Modell“ medizi-nischer Versorgung.Des weiteren
verwies Prof. Vilmar auf die Entwicklung der – teilweise durch-aus
kritischen – ostdeutschen Rock-musik und der Singebewegung, auf die
Leistungsfähigkeit des Vorschul- und Schulwesens und die
Entwicklung der beruflichen Erwachsenenbildung, auf
„die größere Selbständigkeit der Frauen in der DDR im Verhältnis
zur BRD“, auf Sozialpolitik und Arbeitsschutz. Er zitierte sein und
Stefan Bollingers Ur-teil aus der von ihnen herausgegebenen
zweibändigen Aufsatzsammlung „Die DDR war anders“ über „das
Wichtigste, das Zukunftsweisende“: „Es hat sich ge-zeigt, dass
nicht wenige sozialkulturelle Einrichtungen der DDR Anregung und
Vorbild auch für gesellschaftliche Alter-nativen zum westdeutschen
Status quo sind. Alle Einrichtungen sind Belege für die These, dass
in der DDR auch beachtenswerte, zukunftsweisende ge-sellschaftliche
Strukturen geschaffen wurden und dass dieses Gesellschafts-system
nicht zu negativen Pauschalur-teilen taugt.“Seit Jahren kritisiere
er – leider ohne Erfolg! – den fehlenden Mut der PDS und jetzt der
Partei Die Linke vor der eigenen Courage, was die öffentliche
Anerkennung der gesellschaftlichen Leistungen in der DDR – „trotz
all ihrer Fehlleistungen!“ – betrifft. Im ND habe er geschrieben:
„Ein... Defizit ihrer Pro-grammatik ist der mangelnde Respekt der
LINKEN gegenüber dem zuneh-menden Selbstbewußtsein einer gros-
sen Mehrheit der Ostdeutschen. Es wird mehr und mehr klar, dass
es in der DDR nicht nur schwerwiegende staatliche Repressionen und
ökonomische Defi-zite gegeben hat, sondern auch sehr
be-achtenswerte sozial-kulturelle Einrich-tungen.“ Andererseits
lasteten in der DDR auf den gesellschaftlichen Leistungen
„schwere Schatten, ja entstellende Ein-wirkungen“, meinte Fritz
Vilmar: „die undemokratische, diktatorische Herr-schaft vieler
staatlicher Funktionäre und Gesetze“. Das Leben sehr vieler
Menschen in der DDR sei „trotz der wesentlich verbesserten
Bildungs- und Berufschancen, frei von Arbeitslosig-keit, durch den
hochgradigen Mangel an Meinungs- und Pressefreiheit, po-litischer
und Reisefreiheit verdüstert“ worden. „Dieser Mangel an
zivilge-sellschaftlichen Grundfreiheiten bleibt auch dann eine
Beeinträchtigung des Lebens in der DDR, wenn wir die von
konservativen Politikern und Juristen seit der westdeutschen
Machtübernah-me in der DDR systematisch betrie-benen Versuche, die
Ostdeutschen als Opfer einer permanenten Stasispitzel-Verfolgung
darzustellen, als Ergebnis einer antikommunistischen Hexenjagd,
zurückweisen.“An dieser Stelle verglich der Referent die
„Verfolgung von nationalsozialis-tischen und kommunistischen
Straf-tätern“. „Die Verfolgung der letzte-ren durch ein Heer von
Ermittlern der Gauck- und Birthlerbehörde führte zu circa 100 000
Beschuldigten und zu 62 000 Ermittlungsverfahren, schließ-lich aber
zu nur knapp 300 Verurtei-lungen. Die Verfolgung krimineller
Nazi-Täter in Westdeutschland endete, nachdem man bis 1958 die
meisten der verurteilungsfähigen NS-Verbrecher geräuschlos in der
Versenkung hatte verschwinden lassen, mit der Gründung einer
‚Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer
Gewaltverbre-chen‘. Diese aber gelangte mit einer mi-nimalen
personellen Austattung und ge-gen den Widerstand des
Bundesjustiz-ministers, begleitet durch immer neue Ausklammerung
schwer belasteter Gruppen – zum Beispiel der Wehr-macht! -, in 50
Jahren nur mit groß-er Mühe und gegen breiten, wenn auch
verhohlenen öffentlichen Widerstand schließlich zu etwa 400
Verfahren ge-gen nur 900 Angeklagte“.Die repressiven Elemente des
DDR-Sy-stems leitete Prof. Vilmar aus der histo-rischen
Abhängigkeit ab, „die Staat und Gesellschaft Ostdeutschlands seit
1945 an die Sowjetunion und deren stalini-stische Diktaturformen
gebunden hat“. Als solche Elemente, „die der Recht-fertigung des
antidemokratischen rus-sischen Führungsprinzips dienten“,
kennzeichnete Prof. Vilmar die Dogma-tisierung des
Marxismus-Leninismus in der Stalinschen Fassung, das Kader-prinzip
der alleinherrschenden Partei, die Führungsrolle der Sowjetunion,
die Verwerfung der Demokratie zugunsten des sogenannten
Demokratischen Zen-tralismus, die zentralistische Planwirt-schaft
und die Instrumentalisierung der Kunst als alleingültiger
Staatskunst in Form des sozialistischen Realismus.Doch seien „die
positiven Konzepte und Modelle der DDR eigenständig auf der
Grundlage humanistischer und sozia-listischer Traditionen
formuliert und in
Angriff genommen worden“.Es sei möglich, „viele der
soziokultu-rellen Einrichtungen der DDR von ih-ren repressiven
Rahmenbedingungen zu lösen und sie positiv-kritisch ‚auf-zuheben‘.
Und dafür sollten sich al-le sozialistisch orientierten Menschen in
Deutschland selbstbewusst engagie-ren. Hier wurde in 40 Jahren
Wesent-liches in Gang gebracht, das nicht für den Mülleimer der
Geschichte ist, so-sehr die reaktionären westdeutschen
Kolonisatoren sich auch darum bemü-hen“, schloss der Redner.Dann
wandte sich Prof. Siegfried Mech-ler, Präsident des Ostdeutschen
Kurato-riums von Verbänden, mit einem Gruss-wort an Fritz Vilmar.
„Durch vielfältige und langjährige wissenschaftliche und politische
Publikationen im Interesse des größten Teils des Volkes, der
Werk-tätigen, hast du dich wahrhaft verdient gemacht“, führte er
aus. Besonders im Osten Deutschlands habe der Geehrte
„vielen Enttäuschten, Entwurzelten und Deprimierten Mut gemacht
für das Wei-terdenken, ihnen bewusst gemacht, dass sie in der DDR
ein anzuerkennendes Le-ben geführt haben, was ihnen heute noch von
der herrschenden politischen Klas-se und ihren Paladinen streitig
gemacht wird“.Unter Hinweis auf den Vilmar-Band „Die
Kolonialisierung der DDR“ stellte Prof. Mechler fest: Der 13 Jahre
alte Sam-melband sei auch heute noch lesenswert
„und das nicht nur aus historischer Sicht, sondern auch für das
weitere Suchen nach fortschrittlichen
Gesellschaftsent-wicklungen“.
(Die Reden sind im Internet auf derSeite der GBM abrufbar)
Bild links: Prof. Vilmar während seiner Dankesrede; rechts:
Prof. Richter übergibt Willi van Ooyen ein Heft der GBM-Zeitschrift
ICARUS. Nach dem Auszeichnungsakt vereinte ein kleiner Empfang
Veranstalter und Gäste mit dem Ge-ehrten Fotos (2): Jörg Pauly
(Fortsetzung von S. 3 und Schluss))
GBM-Menschenrechtspreis 2008 für Prof. Fritz Vilmar
-
5akzente dokumentiert
Der Vorstand der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und
Men-schenwürde e.V. (GBM) verabschie-dete folgende vom Berliner
Alterna-tiven Geschichtsforum entworfene Erklärung:
In den Jahren 2009 und 2010 er-warten uns zahlreiche Gedenk-tage
mit entsprechenden Veran-staltungen. Im Mittelpunkt werden dabei
die „Wende“ 1989 in der DDR und deren Beitritt zur Bundesrepu-blik
im folgenden Jahr stehen. Auf-fällig ist, dass offizielle und
offiziöse Verlautbarungen vorrangig den Zeit-raum von 1961 bis 1990
betrachten. Das ist eine verkürzte Sichtweise, weil sie Ursachen
für Entwicklungen der jüngsten Jahrzehnte im Unklaren lässt. So
sollen die Ursachen der Nachkriegsspaltung Deutschlands und die
dafür Verantwortlichen im öffentlichen Bewusstsein ausgeblen-det
werden.Alle Wendepunkte in der deutschen Geschichte lassen sich nur
dann rich-tig einordnen, wenn sie in ihrem grö-ßeren Zusammenhang
analysiert werden. In jüngerer Zeit begann die Reihe wichtiger
Zäsuren mit der bür-gerlich-demokratischen Revolution von 1848/49
und deren weitgehen-dem Scheitern. Das war der Beginn vieler
verpasster gesellschaftlicher Gelegenheiten für wirklich
demo-kratische Veränderungen zugunsten der arbeitenden Mehrheit des
Volkes. Erinnern wir uns:
1919 entstand mit dem Inkrafttre-ten der Weimarer Verfassung die
erste demokratischen Staatsform in Deutschland; aber am Ende
die-ser Republik stand der Beginn der Nazidiktatur.Das deutsche
Kaiserreich verlor 1918 den von ihm mit angezettelten Weltkrieg.
Die aufständischen Volks-massen zwangen den Kaiser, abzu-danken;
aber die Generale blieben. Um die Aufrechterhaltung der alten
Ordnung und deren historische Nie-derlage zu verschleiern, wurde
die
„Dolchstoßlegende“ geboren: Den „im Felde unbesiegten“ deutschen
Truppen sei die „Heimat“ durch Auf-ruhr in den Rücken gefallen.
Bereits während der revolutionären Kämpfe verbündete sich die
Füh-rung der Mehrheits-SPD – den Weg fortsetzend, den sie im August
1914 mit dem Ja ihrer Reichstagsfraktion zu den Kriegskrediten
betreten hatte - unter dem späteren ersten Reichsprä-sidenten
Friedrich Ebert mit der blut-befleckten Militärführung. Anfang
1919 endete die November-Revo-lution in konterrevolutionärem
Ter-ror. Die Ermordung von Karl Lieb-knecht und Rosa Luxemburg
sowie zahlreichen weiteren Revolutionären in den Januarkämpfen ist
unvergess-liche Mahnung, die Konterrevolution niemals zu
unterschätzen. Der Friedensvertrag von Versailles erlegte
Deutschland hohe Lasten auf, damit es als Konkurrent im Kampf der
imperialistischen Haupt-mächte um die Weltherrschaft mög-lichst
dauerhaft ausgeschaltet wür-de, ließ aber den deutschen
Imperia-lismus als Bollwerk gegen das junge Sowjetland bestehen.
Die Reichsre-gierungen unter Führung von Sozi-aldemokraten wie auch
später von bürgerlichen Beauftragten der herr-schenden Klasse
missachteten mit der Bildung von Freikorps die vorge-schriebene
Begrenzung der Reichs-wehr auf 100.000 Mann. Während des
Kapp-Putsches und bei Terror- aktionen gegen die Arbeiterbewe-gung
sorgten die Freikorps für den Erhalt der alten Ordnung. Sie nah-men
auch an den Interventionskrie-gen gegen Sowjetrussland teil.Das
alles sollte vom Mäntelchen ei-ner formalen bürgerlichen
Demokra-tie der Weimarer Republik verhüllt werden. Im Schoße dieser
Republik wuchs eine immer mächtiger wer-dende faschistische
Bewegung, die sich irreführend „nationalsozialis-tisch“
nannte.Ungeachtet massiver Unterdrückung der Werktätigen gehören
zur Ge-schichte der Weimarer Republik je-doch auch zahlreiche
revolutionäre Aktionen großer Bevölkerungsteile, vor allem der
Arbeiter, bis hin zum politischen Generalstreik.
Das Jahr 1929 bescherte der Welt den „Schwarzen Freitag“, den
großen Kurseinbruch an der New-Yorker Börse.Deutschland geriet in
den Strudel der sich daraus entwickelnden Weltwirt-schaftskrise;
die Zahl der Arbeitslosen wuchs auf mehr als 6 Millionen.
An-gesichts wachsender Unzufriedenheit in allen Schichten suchten
die Herr-schenden nach einem Ausweg, um ih-re Macht zu
stabilisieren.Im Januar 1933 wurde Adolf Hitler, der Führer der
NSDAP, auf Betrei-ben großindustrieller und junkerlicher Kreise
„ganz legal und verfassungs-treu“ von Hindenburg, dem
Gene-ralfeldmarschall Wilhelms II., zum Reichskanzler ernannt.
Damit vollzog sich der Übergang von der Weimarer Republik zur
faschistischen Diktatur.
Im Jahr 1939 begannen die deut-schen Faschisten den bisher
schrecklichsten aller Kriege, den Zweiten Weltkrieg.Das
Großkapital, die Junker und die Militaristen nutzten ihre
wiederge-wonnene unbeschränkte Macht zu dem blutigen Versuch, für
die Nie-derlage während des Ersten Welt-kriegs Revanche zu nehmen
und Eu-ropa sowie große Teile der übrigen Welt zu unterjochen. Weil
die West-mächte – auch im Sinne ihrer antiso-wjetischen Politik -
den Einmarsch der deutschen Wehrmacht in das 1919 entmilitarisierte
Rheinland, die völkerrechtswidrige Teilnah-me der Legion Condor an
der Nie-derwerfung der republikanischen Kräfte Spaniens, den
Anschluss Ös-terreichs sowie die schrittweise Li-quidierung der
Tschechoslowakei duldeten, glaubten der Führer und Reichskanzler
sowie seine Paladine, sie könnten ungestraft ihre viel wei-ter
reichenden Herrschaftspläne re-alisieren. Sie lösten planmäßig mit
dem Überfall auf Polen am 1. Sep-tember 1939 den Zweiten Weltkrieg
aus.
Bis auf einige Ausnahmen un-terwarfen sich die deutsche
Wehrmacht und deren Ver-bündete fast alle Staaten Europas und
überzogen deren Bevölkerung mit Mord und Vernichtung. Millio-nen
Menschen wurden in Konzen-trationslagern ermordet, darunter die
Mehrzahl europäischer Juden sowie Sinti und Roma, aber auch
Widerstandskämpfer und Patrioten vieler Länder, nicht zuletzt
Kommu-nisten und Sozialdemokraten, so-wie unzählige Kriegsgefangene
und Zwangsarbeiter. Viele Menschen starben auf den Schlachtfeldern
oder im Bombenhagel. Über die Ge-samtzahl der menschlichen Opfer
gibt es auch heute nur Schätzungen. Die materiellen Verluste lassen
sich kaum beziffern.Im Jahr 1944 zeichnete sich die mi-litärische
Niederlage Deutschlands ab: vor allem nach den Siegen der
Sowjetarmee vor Moskau, in Stalin-grad, im Kursker Bogen und bei
der Befreiung Leningrads von der Blo-ckade, ebenso nach der
Invasion der Engländer und Amerikaner in Frank- reich und nach
deren Erfolgen im Mittelmeerraum. Jetzt versuchten Offiziere und
bürgerliche Opposi-tionelle, sich Hitlers zu entledigen. Als das
Attentat vom 20. Juli 1944 misslang, wurden faschistischer Terror
und Krieg buchstäblich bis zur letzten Patrone fortgesetzt. Am 8.
Mai 1945 kapitulierte das Deutsche Reich bedingungslos.
Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Hitler schon durch Selbstmord
seiner Ver-antwortung entzogen. Die Mehrzahl seiner führenden
Parteigänger und Generäle sowie die Reste der Wehr-macht gingen in
Gefangenschaft. Deutschland war faktisch vollstän-dig in der Hand
der alliierten Trup-pen. Damit war unser Volk vom Fa-schismus
befreit.Am 5. Juni 1945 übernahm der sich im Hauptquartier des
Sowjetmar-schalls Georgij Shukow in Ber-lin-Wendenschloss
konstituieren-de Alliierte Kontrollrat die Regie-rungsgewalt in
Deutschland. Das Deutsche Reich des Kaisers und der Faschisten, der
Monopolherren, Großagrarier und ihrer Getreuen existierte nicht
mehr. Vor dem deut-schen Volk lag ein offener Weg zum Eintritt in
die demokratische und friedliebende Völkergemeinschaft, die von ihm
allerdings Schuldein-sicht und die Wiedergutmachung an-gerichteter
unermesslicher Schäden erwartete.Wegen der bald nach Kriegsende
of-fen aufgebrochenen Widersprüche zwischen den Besatzungsmächten
blieb die Hoffnung der großen Mehr-heit der Deutschen auf ein
erneuertes Gesamtdeutschland jedoch unerfüllt. Der Weg zur
Veränderung der gesell-schaftlichen und politischen Verhält-nisse
wurde - wie schon einmal nach 1918 - in den Westzonen und später in
der BRD durch die wieder erstark-ten reaktionären Kreise mit Hilfe
der westlichen Besatzungsmächte blo-ckiert. Alle Siegermächte
etablierten auf dem von ihnen besetzten Territo-rium eine ihrer
eigenen Gesellschaft wesensgleiche Ordnung. Sie stützten sich dabei
auf die entsprechenden deutschen Kräfte.
In den drei Westzonen gewannen Nutznießer, Träger und Förde-rer
des Faschismus schnell wie-der wirtschaftliche Stärke und
po-litischen Einfluss. Im Verein mit den Westmächten nahmen sie
unter Bruch des Potsdamer Abkommens und unter Missachtung der
Forde-rungen der Volkskongressbewegung für Einheit und gerechten
Frieden erfolgreich Kurs auf einen separa-ten Weststaat. Dem
Volkswillen, wie er sich beispielsweise 1946 in dem Verlangen der
hessischen Wähler nach Überführung der Schlüsselin-dustrien in
Gemeineigentum aus-drückte, wurde zuwidergehandelt. Bereits 1948
wurde mit der Einfüh-rung einer separaten Währung für die Westzonen
und die Westsektoren Berlins die Spaltung unseres Vater-landes
vorgezeichnet.
Wendejahre in Deutschland -eine Chronik versäumter
Gelegenheiten
Erklärung zu Gedenktagen im Jahr 2009
(Fortsetzung nächste Seite)
-
6 akzente dokumentiert
Demgegenüber entwickelte sich in der sowjetischen
Be-satzungszone als greifbare Alternative zu der Ordnung, die seit
Kaisers Zeiten das deutsche Volk ins Unglück gestürzt hatte,
schrittweise eine neue, antifaschistisch-demokra-tische Ordnung.
Endlich einmal wur-den die Interessen der Besitzlosen und
Unterdrückten zum Maßstab ge-sellschaftlichen Handelns.
Kommu-nisten, Sozialdemokraten, bürgerli-che Demokraten und viele
Menschen, die einfach aus dem bisherigen Elend herauswollten,
schlossen sich zusammen, brachten das wirtschaft-liche Leben in
Gang und engagierten sich in Selbstverwaltungsorganen. Nazipartei,
SA und SS, Wehrmacht, bürgerliche Verwaltung, Polizei und Justiz,
vom Elterneinkommen ab-hängige Volksbildung wurden besei-tigt.
Demokratische Verwaltungen neuer Art entstanden, die in
Lan-desregierungen und – ursprünglich für ganz Deutschland
vorgesehenen – deutschen Zentralverwaltungen ih-ren Überbau
erhielten.Mit der demokratischen Bodenre-form wurde die Macht der
Junker und Großagrarier gebrochen, er-hielten Landarbeiter,
landarme Bau-ern und Umsiedler eine Existenz-grundlage. Ein
Volksentscheid über die Enteignung der Nazi- und Kriegs-verbrecher
und die Überführung ih-rer Unternehmen in Volkseigentum war
Grundlage, die Konzernherren, Naziaktivisten und Kriegsgewinnler zu
entmachten. Jetzt wurden die ein- fachen Leute endlich Nutznießer
ih-rer Arbeit.
Im Jahr 1949 entstanden zwei deut-sche Staaten. Mit der Gründung
von BRD und später DDR fand die Nachkriegsteilung Deutsch-lands
ihren Abschluss.
Die führenden Politiker der Westzo-nen arbeiteten auf Geheiß der
drei Besatzungsmächte das Grundgesetz eines westdeutschen
Separatstaates aus, das die westlichen Militärgou-verneure
genehmigten und am 23. Mai 1949 in Kraft setzten. Die Be-völkerung
der Westzonen blieb von der Verfassungsarbeit ausgeschlos-sen. Die
Bürger der fünf ostdeut-schen Länder wurden nicht gefragt und
sollten später „heimgeholt“ wer-den. Alle Vorschläge, die Einheit
Deutschlands zu bewahren, wurden im Westen kategorisch abgelehnt.
Am 6. und 7. September 1949 kon-stituierten sich Bundestag und
Bun-desrat.Als Reaktion darauf erfolgte am 7. Oktober 1949 die
Gründung der Deutschen Demokratischen Repu-blik. Der Deutsche
Volksrat, aus all-gemeinen und geheimen Wahlen her-
vorgegangen, konstituierte sich als Provisorische Volkskammer –
damit andeutend, dass der Weg zur staatli-chen Einheit Deutschlands
offenge-halten werden sollte – und setzte als Verfassung den
Entwurf des Deut-schen Volkskongresses in Kraft, des-sen Text zuvor
öffentlich und umfas-send beraten worden war.Heute die Gründung der
DDR als Akt der Spaltung Deutschlands dar-zustellen, ist glatte
Geschichtsfäl-schung und eine reine Propaganda- lüge.Schon Anfang
der fünfziger Jahre begann in Westdeutschland die
Re-militarisierung. Am 5. Mai 1955 trat die BRD der NATO bei.
Daraufhin wurde als Antwort auf die Ostaus-dehnung der NATO der
Warschauer Vertrag abgeschlossen, dessen Mit-glied auch die DDR
wurde.
Das Jahr 1989 wird allgemein mit der Wende in der DDR
verbunden.
Die SED-Führung betrieb bereits seit Ende der siebziger Jahre
eine der realen Lage zunehmend weni-ger Rechnung tragende
Wirtschafts-politik. Sie zeigte sich außerstan-de, innenpolitisch
sachgerechte und demokratisch erarbeitete Problem-lösungen zu
suchen. Ab Mitte 1989 verfiel die Führung in Sprachlosig-keit und
Agonie. Außenpolitisch wirkte sich die jahr-zehntelange
Nichtanerkennung der DDR aus, die durch Hallstein-Dok-trin und
Embargopolitik untermau-ert worden war. Auch die weitaus
un-günstigere ökonomische Ausgangs-position der DDR gegenüber der
BRD wirkte nach, auch dadurch be-dingt, dass allein der Osten
Deutsch-lands die Reparationsleistungen nach 1945 zu tragen gehabt
hat-te. Kalter Krieg und Wettrüsten hat-ten den sozialistischen
Staaten Bela-stungen auferlegt, denen sie auf Dau-er nicht
gewachsen waren.
Unzufriedenheit der Mehrheit der Bürger mit staatlichen
Maßnahmen, zunehmender Verzicht der Führung auf die offene
Einschätzung der Lage und auf die Beteiligung der Bevölkerung an
Ent-scheidungen sowie die steigende Verunsicherung der Mitarbeiter
von SED- und Staatsapparat destabili-sierten den Staat. Folge und
zugleich Beschleuniger dieser Entwicklung war, dass immer mehr
meist jüngere DDR-Bürger die DDR verließen. Im Inneren
artikulierten sich Bewe-gungen für mehr Bürgerfreiheiten und
politische Menschenrechte, für umfassende Demokratie. Die
Aktivisten der Bürgerbewegung in der DDR äußerten in ihrer
Mehr-heit, sie strebten eine bessere DDR an. Selbst als an die
Stelle der Lo-sung „Wir sind das Volk“ die mit
BRD-Unterstützung verbreitete Lo-sung „Wir sind ein Volk“ trat,
hatten weder die Mehrheit der DDR-Bevöl-kerung noch die Regierung
Modrow das Ziel, der BRD gemäß Artikel 23 Grundgesetz beizutreten.
Verbrei-tet wurden Wege diskutiert, wie die Vorzüge der BRD und der
DDR fruchtbar für einen künftigen ein-heitlichen deutschen Staat
gemacht werden könnten. Der vom Runden Tisch aller Parteien und
Bewegungen in der DDR erarbeitete Entwurf einer neuen Verfassung
der DDR sollte zu-sammen mit dem Grundgesetz den Inhalt einer
gesamtdeutschen Verfas-sung bestimmen
Die Politiker der Bundes-tagsparteien und vor allem der
Kohl-Regierung torpe-dierten im Bunde mit ihren Junior-partnern in
der DDR, namentlich in der „Allianz für Deutschland“ (Ost-CDU und
Anhängsel), dieses Bestre-ben der DDR-Bürger. So wurde die von den
1989 politisch aktiven Teilen der DDR-Bevölkerung wesentlich mit
erkämpfte demokratische Erneu-erung der DDR zugunsten einer
wür-delosen Vereinnahmung durch die an Oder und Neiße vorrückende
BRD abgewürgt. Der Osten Deutschlands erhielt die Ordnung der alten
BRD ungefragt übergestülpt und wurde von der Regierung unter Lothar
de Maizière der alten BRD ausgeliefert.
In geschichtlicher Rückschau auf 41 Jahre DDR
wird als wesentlich bleiben, was in ihr erfolgreich erprobt
wurde, um für ein europäisches Industrieland ei-nen Entwicklungsweg
zu finden, der gekennzeichnet ist durch demokra-tische
Verfügungsgewalt des Volkes über die Quellen des Reichtums an-statt
der Konzentration aller Wirt-schaftsmacht in Privathand mit dem
daraus folgenden Diktat von Egois-mus und Profitstreben.
Im Jahr 2009 ist es an der Zeit, nach fast zwei Jahrzehnten
staat- licher Einheit Bilanz zu ziehen.
Mit der Wahl zum Bundestag 2009 wird dazu Gelegenheit sein.
Welche Posten stehen zu Buche?Die sozialen Errungenschaften, die
Westdeutschland über Jahrzehnte hinweg prägten, sind ab Mitte der
achtziger Jahre schrittweise und nach 1990 beschleunigt abgebaut
worden.Das Land beteiligt sich wieder an Kriegen gegen andere
Völker: Der NATO-Überfall auf Jugoslawien und der Krieg am
Hindukusch in Af-ghanistan sind die extremsten Fälle. Deutschland
ist drittgrößter Waffen-exporteur in der Welt. Die steigenden
Militärausgaben belasten den Staats-haushalt, die Verschuldung
wächst, die Bürger verarmen. Das internatio-
nale Finanzkapital ist politisch nicht mehr zu steuern,
Inflation droht, ebenso eine tiefe Wirtschaftskrise des globalen
Kapitalismus.In Deutschland sind zwei Teilgesell-schaften
entstanden; die Spaltung zwischen Arm und Reich, oben und unten,
West und Ost hat sich trotz staatlicher Einheit vertieft.Die
„Umerziehung“ der „beigetre-tenen“ Bürger misslingt fast
aller-orts: Die in der DDR erlebte sozi-ale Gerechtigkeit, die
Sicherheit des Ausbildungs- und Arbeitsplatzes, unentgeltliche
Gesundheitsfürsor-ge und Bildung, sichere Lebensper-spektive werden
mit den jetzigen Verhältnissen verglichen. Die gegen-wärtig in
Staat und Wirtschaft herr-schende Elite wittert die latente
Ge-fahr, dass tieferes Nachdenken über Alternativen zu den
bestehenden Ge-sellschaftsverhältnissen einsetzt und daraus
Aktionen zu deren Verände-rung erwachsen könnten. Damit er-klärt
sich im Kern die Verteufelung aller Werte, von denen das Leben in
der DDR wesentlich geprägt wurde. Geradezu hysterisch werden die
lei-der noch uneinigen antiimperialis-tischen und demokratischen
Kräfte als „Kommunisten“ beschimpft und verfolgt. Ein gigantischer
Überwa-chungsapparat soll die derzeitigen Machtstrukturen sichern.
Die faschi-stische Ideologie, deren Theorien und Vorstellungen noch
in vielen Köpfen weiterlebten, wird dem Zeit-geist angepasst und
besonders un-ter jungen Menschen verbreitet. Par- allelen zur Zeit
der Weimarer Repu-blik begründen große Besorgnis.Das politische
System der BRD be-stimmten jahrzehntelang drei Par-teien: CDU/CSU,
SPD und FDP. Dieses System ist zerbröckelt. Die später etablierten
Grünen haben sich mittlerweile den anderen Parteien angeglichen;
sie spielen nur noch partiell die Rolle eines Mehrheitsbe-schaffers
für die SPD und wohl dem-nächst auch für die CDU/CSU. Für die
Altparteien unerwartet hat im Bundestag und in zahlreichen
Land-tagen die Partei DIE LINKE Man-date und Einfluss gewonnen. In
den ostdeutschen Ländern ging die Mei-nungsführerschaft weitgehend
auf DIE LINKE über. Es deuten sich völ-lig neue
Mehrheitsverhältnisse auf allen Ebenen an.Wenn es gelingt, soziale
Errungen-schaften der alten BRD zurückzuge-winnen, die nicht
zuletzt unter dem Eindruck der bloßen Existenz der DDR erreicht
werden konnten, wird die Wirkung von DDR-Erfahrungen erheblich
wachsen. Sicher aber ist, dass nur breiter und energischer
Wi-derstand weiteren Sozial- und De-mokratieabbau verhindern
kann.Weltweite Einsätze der Bundes-wehr verursachen zunehmende
wirt-schaftliche und soziale Belastungen im Lande selbst.
Außenpolitisch besteht die reale Gefahr, dass sich
Wendejahre in Deutschland(Fortsetzung von Seite 5)
(Fortsetzung nächste Seite)
-
7 akzente zeitgeschichtlich
Deutschland als Juniorpartner der USA durch eine Mitwirkung an
der NATO-Erweiterung zwecks Einkrei-sung Russlands - und in der
nahen Zukunft auch der VR China - weiter zu einem Vorreiter
militärischer Lö-sung politischer Differenzen entwi-ckelt.
Provokationen, auch kleiner Randländer mit gemeinsamen Gren-zen zu
Russland oder China, könnten dann rasch den „Bündnisfall“ auslö-sen
und unser Land in massive krie-gerische Auseinandersetzungen
hi-neinziehen. Um so dringlicher ist es, dass sich die
Friedenskräfte zu kraft-vollen Aktionen zusammenfinden.Ein
souveräner, demokratischer deutscher Staat, der dem
Mehrheits-willen unseres Volkes entspricht, muss seinen Weg in die
Zukunft selbst bestimmen. Von deutschem Boden darf nie wieder
Krieg, son-dern nur noch Frieden ausgehen.
In der Weltlage bahnen sich grundle-gende Veränderungen an. Der
Neoli-beralismus erweist sich als untaug-lich, die ökonomischen und
sozialen Probleme zu lösen, vor denen in un-seren Tagen die gesamte
Menschheit steht. Eine neue Politik ist notwendig und möglich,
die
Abrüstung und Frieden, soziale Sicherheit und
Gerechtigkeit,Demokratie in Staat und Wirtschaft,einen ökologischen
Umbauder Gesellschaft, globale Solidarität von Nord und Süd
zum Inhalt und Ziel hat. In einer solchen Welt im Wandel muss
und kann Deutschland seinen Platz fin-den und seiner
verantwortlichen Rol-le gerecht werden. In dieser Rich-tung sollte
das Jahr 2009 ein Jahr der Wende werden.
Wendejahre in Deutschland (Fortsetzung von 6 Seite )
Unser Miglied Helga Bornstädt brachte jetzt im Verlag am Park
(edi-tion ost in der Eulenspiegel-Ver-lagsgruppe) ihr Büchlein
„Zeitsplit-ter – Erlebte Momente“ (126 Seiten, Preis 12,90 Euro
einschl. Porto) mit nachdenkenswerten Betrachtungen heraus
(Bestellungen im Buchhandel unter ISBN-Nr. 978-3-89793-177-0 oder
bei der Autorin, Hans-Grade-Ring 44, 14480 Potsdam)
März 1999 Aktive Teilnahme der Mitglieder der GBM an Protesten
und Aktionen gegen den völker-rechtswidrigen NATO-Angriff auf
Jugoslawien3.7.1999 Aktivisten der Friedensbe-wegung und der GBM
konstituieren eine Arbeitsgruppe zur Vorbereitung eines
Europäischen Tribunals gegen den NATO-Krieg. Aufnahme von Kontakten
zu Gruppen in 15 europä-ischen Ländern und in den USA30.10.1999 1.
Hearing zum Tribunal über den NATO-Krieg gegen Jugo-slawien in der
Heilig-Kreuz-Kirche, Berlin; organisiert von der GBM und
Friedensgruppen16.4.2000 2. Hearing zum Tribunal über den
NATO-Krieg gegen Jugo-slawien in Hamburg2.-3.6.2000 Europäisches
Tribunal über den NATO-Krieg gegen Jugo-slawien in der
Heilig-Kreuz-Kirche, BerlinEs folgen Besuche von GBM-Mit-gliedern
in Jugoslawien, Teilnahme an Protestaktionen, Solidarität mit den
Opfern von Varvarin und mit dem Kinderheim „Mladost“ in
Kra-gujevac, die zu einer ständigen Ein-richtung wird24.3.2001 1.
Europäischer Friedens-konvent anlässlich des 2. Jahrestages des
NATO-Überfalls auf Jugosla-wien, zu dem sich Teilnehmer aus 19
europäischen Staaten in Berlin ver-sammeln. Der Konvent beginnt mit
einer wissenschaftlichen Konferenz über „Menschenrechte und
Interven-tion“.8.12.2001 Das Präsidium des Euro-
päischen Friedensforums tagt in Ber-lin – Erklärung: „Nicht
durch Bush-Brände zum Weltenbrand“17.5.-19.5.2002 2. Europäischer
Friedenskonvent und Gründung des Europäischen Friedensforums in
Athen unter Beteiligung von Vertre-tern aus 17 europäischen
Ländern24.-25.8.2002 „Keine Kriege! Frie-den jetzt!“ – Ostdeutsche
Friedens-konferenz des Ostdeutschen Ku-ratoriums von Verbänden und
der Bundestagsfraktion der PDS in Neu-ruppin19.1.2003
Frankfurt/Main: Interna-tionale Konferenz „Alternativen zu Krieg
und Gewalt“21.3.2003 Friedenskonferenz des Europäischen
Friedensforums in Prag, organisiert von der Tsche-chischen
Friedensgesellschaft; Pra-ger Resolution des Europäischen
Friedensforums gegen die Aggressi-on gegen den Irak11.12.2003
Beratung des Präsidiums des Europäischen Friedensforums in Berlin –
Erklärung: „Für ein Europa des Friedens, der Sicherheit, der
Völ-kerverständigung und der sozialen Gerechtigkeit“6.-9.5.2004
Tagung des Weltfrie-densrates in Athen Aufnahme des Europäischen
Friedensforums als Mitglied19.6.2004 Hearing in Berlin zur
Vor-bereitung eines Tribunals über den Irak-Krieg der USA und ihrer
Ver-bündeten20.6.2004 Beratung des Euro-päischen Friedensforums in
Ber- lin – Berliner Erklärung: „Die
EU-Erweiterung und ihre Bedeu-tung für Europa“7.5.2005
Internationale Gedenkver-anstaltung der GBM/epf zum „Tag der
Befreiung vom Hitlerfaschis-mus“, Erklärung zum 60. Jahrestag der
Befreiung vom Faschismus26.-29.10.2005 Teilnahme am A.R.A.C.
Kongress in Tremblai bei Paris. Vereinbarung über zukünftige
Zusammenarbeit mit dem epf2005/2007 Aktive Teilnahme von
Mitgliedern der GBM an der Aus- einandersetzung um den Vertrag über
eine Verfassung für Europa1.6.2006 Internationales
wissen-schaftliches Kolloquium in Berlin zum Thema „Globale Kriege,
Sozial-raub, Repression – ein neuer Faschis-mus?“24.-26.6.2006
Istanbul: Gesell-schaftliches Welttribunal zur Verur-teilung des
Krieges der USA und ih-rer Verbündeten gegen den Irak17.3.2007
Protestaktion vor der US-Botschaft in Berlin anlässlich der
in-ternationalen Aktionswoche gegen den Irak-Krieg 6.6.2007
Großdemonstration in Ro-stock als Protest gegen den G8-Gip-fel in
Heiligendamm15.9.2007 Demonstration in Berlin gegen die Fortsetzung
der Beteili-gung an dem NATO-Krieg in Afgha-nistan28.-29.9.2007
Europäisches Treffen des Weltfriedensrates in Lissabon23.-24.2.2008
Gemeinsame Ver-sammlung des Präsidiums des Euro- päischen
Friedensforums und des Antifaschistischen Komitees der
Ukraine.Kiewer Erklärung: Gegen die Sta-
tionierung des sogenannten Raketen-abwehrschirms der USA! Für
eine europäische Friedenskonferenz! Erklärung zur
völkerrechtswidrigen Sezession des Kosovo7.-9.3.2008 „Alternativen
zu Krieg und Besatzung“ – Internationale Irak- konferenz in Berlin
zum 5. Jahrestag des Krieges7.-8.6.2008 Afghanistan-Kongress der
Friedensbewegung in Hanno- ver unter der Losung „Dem Frie-den eine
Chance – Truppen raus aus Afghanistan!“20.9.2008 Demonstration in
Ber-lin und Stuttgart „Dem Frieden eine Chance, Truppen raus aus
Afghanistan“ – Nein zur Verlänge-rung der Mandate für den
Bundes-wehreinsatz in Afghanistan
Die GBM als Mitbegründer und aktives Mitglieddes Europäischen
Friedensforums
– Eine Chronologie in Auswahl –
Die Mitglieder des Sprecherrates ha-ben in ihrer Sitzung am 2.
Dezem-ber 2008 einen persönlichen Brief zum Jahreswechsel an alle
Mit-glieder unseres Ortsverbandes Bar-nim verabschiedet und darüber
bera-ten, wie es uns gelingt, mit unseren Möglichkeiten die
Anstrengungen der GBM für die Erhaltung und Si-cherung des Friedens
zu unterstüt-zen. Ja, unsere Stimmen gegen So-zialabbau und gegen
Kriege dürfen nicht leiser werden, dies gebietet
„Gebot solidarischer Verbundenheit“unsere solidarische
Verbundenheit. Die Mitglieder des Sprecherrates unterstützen daher
voll den Aufruf des GBM-Vorstandes: „Spendet für eine Europäische
Friedenskonfe-renz!“. So haben alle fünf Mitglieder des
Sprecherrates sofort gespendet, zusammen 90 Euro. Wir hoffen, dass
sich viele GBM-Mitglieder diesem Aufruf anschließen. Ernst Jager,
Vorsitzender des OV Barnim
-
8 akzente Spezial
JK steht für Prof. Dr. Dr. h. c. Jür-gen Kuczynski (1904 bis
1997). Er war ein überragender Hoch-schullehrer und Wissenschaftler
der DDR, Weltbürger, aktiver Kämpfer gegen Faschismus und Kritiker
des Kapitalismus. Seine Arbeiten fanden weltweit Resonanz und
Anerkennung. In der Online-Enzyklopädie „Wikipe-dia“ sind heute 350
seiner wichtigsten Schriften aufgeführt, die in 18 Spra-chen von
Verlagen in Ost und West herausgegeben worden sind.Die Themen von
JK sind heute - ange-sichts der großen Krise - wieder von
brennender Aktualität. Das betrifft sein Hauptthema „Geschichte der
Lage der Arbeiter im Kapitalismus“. Das betrifft aber auch seine
erste grö-ßere Arbeit 1926 „Zurück zu Marx“ und seine Tätigkeit in
der American Federation of Labor (AFL), wo er - erstmalig für die
USA – Arbeitslosen-statistiken und Relativlöhne errech-nete und
damit gewerkschaftlichen Lohnkämpfen eine wissenschaftliche
Orientierung gab.Brennend aktuell bleibt auch sein Gutachten für
die Auschwitz-Pro-zesse vor dem Schwurgericht in Frankfurt am Main
1963 bis 1968. „Die Verflechtung von sicherheitspo-lizeilichen und
wirtschaftlichen Inte-ressen bei der Errichtung und im Be-trieb des
KZ Auschwitz und seiner Nebenlager“ war seine Veröffentli-chung
dazu 1964 überschrieben.Jürgen Kuczynski war ein schöpfe-rischer
und unangepasster Denker. In der DDR hatte er seine
Schwierig-keiten mit den Obrigkeiten und die-se mit ihm. Und nach
dem Ende der DDR ließ er sich nicht in den Main-stream der
DDR-Verteufelung ein-ordnen.Diesem Jürgen Kuczynski gebührt eine
nachhaltige öffentliche Ehrung. Das jedenfalls meinte eine Gruppe
von Bürgern aus dem Bezirk Pankow von Berlin.Sie schlug ihrer
Bezirksverwaltung vor, einen gärtnerisch gestalteten Platz in
unmittelbarer Nähe des Ortes, an dem Jürgen Kuczynski diese 50
Jahre gelebt hat, nach diesem zu be-nennen. Dieser Platz wurde in
Zu-sammenarbeit mit dem Verein Wei-ßenseer Heimatfreunde e. V.
ausge-wählt.Die Annahme, dass die Würdigung Jürgen Kuczynskis und
diese Platz-benennung reibungslos über die Büh-ne gehen würden, hat
sich als Irrtum erwiesen. Zwar wurden in Pankow ähnliche
Benennungen vorgenom-men. Eine neu gestaltete Grünfläche wurde nach
einem Pankower Künstler benannt. Ein von dem Bezirksamt ge-nutzter
Gebäudekomplex hat den Na-men Sebastian Haffner erhalten. Aber mit
solcher Art öffentlicher Ehrung für JK tat man sich deutlich
schwerer.Erst müsse ein „Verfahren für die Be-
nennung von Anlagen, Orten und öf-fentlichen Einrichtungen im
Bezirk Pankow“ durch das Bezirksparlament beschlossen werden,
befand der Aus-schuss für Kultur und Bildung im Ju-ni 2007. 13
Monate später reichte er dann einen entsprechenden Antrag bei der
Bezirksverordnetenversamm-lung ein, der im September 2008
be-schlossen wurde. Im November 2008 erklärte das Bezirksamt, nach
diesem Beschluss zu verfahren.Im gleichen Monat stand dann die
Benennung eines Platzes nach Jür-gen Kuczynski erneut auf der
Tages-ordnung des Ausschusses für Kultur und Bildung. Wie vom
beschlossenen Verfahren vorgeschrieben, lag eine Stellungnahme von
der „sachverstän-digen Stelle im Bezirksamt“ vor. Die-se
befürwortete den Antrag.Frau Prof. Dr. Binus,
Wirtschaftshi-storikerin, Schülerin und Kollegin von JK,
unterstützte erneut den An-tragsteller für die Platzbenennung. Sie
verwies darauf, dass etwa ein-tausend Bürgerinnen und Bürger mit
ihrer Unterschrift dafür votiert ha-ben, einen Stadtplatz nach JK
zu be-nennen. Ein Viertel der Unterstützer kommt aus dem Wohnumfeld
von JK. Unterstützer sind vor allem ehema-lige Studenten und
Mitarbeiter des Hochschullehrers und Wissenschaft-lers, aber auch
Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wie Dr. Hans Coppi, Prof.
Dr. Norman Paech, Prof. Dr. Erich Buchholz oder die Künst-ler
Walter Womacka und Ronald Paris und nicht zuletzt Prof. Dr. Gerhard
Fi-scher und viele andere Mitglieder und Sympathisanten der
GBM.Darüber hinaus befürworten Dr. Irene Runge und der Jüdische
Kulturver-ein Berlin e.V. diese öffentliche Eh-
rung. Der heutige Präsident der Hum-boldt-Universität zu Berlin
steht dem Vorhaben „wohlwollend gegenüber“, weil Jürgen Kuczynski
„zweifels-frei eine herausragende Persönlich-keit gewesen“ ist.
Wolfgang Thierse zählt in der „Berliner Zeitung“ vom 6.6.2007
Jürgen Kuczynski zu den wichtigen Persönlichkeiten der
intel-lektuellen Geschichte der DDR.Prof. Dr. Ritschel, bis 2007
Leiter des von Jürgen Kuczynski gegründeten Instituts für
Wirtschaftsgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin,
begrüßt in einem Brief dieses Vorha-ben und möchte „auf geeignete
Wei-se zum Gelingen beitragen“. Er hatte, konnte man in diesem
Brief weiter le-sen, bei seinen eigenen Literaturstu-dien als
junger Doktorand „zur akade-mischen Elitenkontinuität zwischen dem
Dritten Reich und der Bundesre-publik“ ganz ähnliche
Entdeckungen
Ehrung für JKgemacht, wie sie bei JK zu finden seien. Jedoch ist
er damals dem „kar-rieretechnisch objektiv guten Rat sei-ner
akademischen Lehrherren“ ge-folgt und hat seine Ergebnisse nie
ver-öffentlicht.Dr. Lengsfeld sprach in der Aus-schusssitzung für
die Fraktion der CDU und für die Fraktion Bünd-nis 90/Die Grünen
gegen den Antrag. Prof. Kuczynski sei zwar „eine he-rausragende und
bedeutende Persön-lichkeit“, sei „aber auch durch eine ausgeprägte
Nähe zur SED-Führung charakterisiaert“. Als Beleg dafür zi-tiert er
einen Projektleiter aus dem Apparat der Bundesbeauftragten für die
Unterlagen des Staatssicherheits-dienstes.Im Ergebnis der Debatte
wurde mit den Stimmen der SPD und der LIN-KEN mehrheitlich
beschlossen, einen „Platz im Ortsteil Weißensee nach Jür-gen
Kuczynski“ zu benennen. Gleich-zeitig ist das Bezirksamt
beauftragt, einen geeigneten Platz zu finden und
„dem Ausschuss vor der endgültigen Entscheidung über den Platz
Bericht zu erstatten“.Fazit: Der primitive Antikommunis-mus in der
verordneten Geschichts-darstellung zur DDR wurde abgewie-sen. Die
„endgültige Entscheidung“ zur verdienten Würdigung von Jürgen
Kuczynski ist verschoben. Die Erfah-rung lehrt, dass eine baldige
Entschei-dung weitere öffentliche Fürsprache erfordert. Dr. Herbert
Hanke
*Ergänzend sei bemerkt, dass sich die GBM dem Erbe Prof. Kuczyn-
skis auch deshalb verpflichtet weiß, weil er seit 1926 in der
Deut-schen Liga für Menschenrechte mit-arbeitete und deren
Monatszeit-schrift „Die Menschenrechte“ redi-gierte. 1930 wurde er
Mitglied der KPD. D. Red.
Prof. Dr. Jürgen Kuczynski Foto: Archiv Dr. Hanke
Der Zentrale Arbeitskreis Kultur- und Bildungsreisen der GBM
führt gemeinsam mit dem Fremdenverkehrsamt Zürich/Schweiz
am Mittwoch, dem 28. Januar 2009,um 15.00 Uhr im Schloss
Biesdorf,Alt Biesdorf 55, 12683 Berlin
eine Veranstaltung zum Thema „LandschaftlicheExtreme, Kontraste
und Werte der Schweiz“ durch.Dazu wird ein Film gezeigt, und ein
Vertreter des Fremdenverkehrsamtes Zürich spricht.Wir laden
herzlich ein. Die Veranstaltung dient auch der Vorbereitung unserer
Reise im Juni 2009 in den Kanton Wallis der Schweiz.
-
9GBM in Aktion
Am 30. Oktober konnten wir den Schriftsteller Günter Gör- lich
als Gast im Bernauer Club 23 begrüßen. Der Ortsverband Barnim der
GBM hatte ihn zu ei-ner gemeinsamen Veranstaltung mit ISOR und GRH
eingeladen.Zu Beginn sagte der Vorsitzende des Ortsverbandes
Barnim, Ernst Ja-ger, dass zwar viel darüber diskutiert wird, warum
die DDR von der kapi-talistischen BRD vereinnahmt wer-den konnte,
aber kaum jemand fragt, warum sie gegründet und aufgebaut wurde –
als radikaler Bruch mit der faschistischen und militaristischen
Vergangenheit, als Hoffnung auf ein friedliches, menschenwürdiges
und sozial gerechtes Leben für die werk-tätige Bevölkerung.Günter
Görlich ist mit seinem litera-rischen Schaffen ein Kronzeuge für
diese Entwicklung und diese Hoff-nung, aber auch für die tiefe
Enttäu-schung nach der schweren Nieder-lage. Der 1928 in Breslau
geborene Autor las aus seinen 1999 erschie-nenen Erinnerungen
„Keine Anzeige in der Zeitung“.Eine bemerkenswerte Episode in
die-sem Buch berichtet über Erlebnisse während seiner letzten Reise
als Mit-glied einer ZK-Delegation mit Erich Honecker im Juni 1989
nach Magni-togorsk. Berührend wirkten dabei die Gedanken Günter
Görlichs, der sich an die gleiche Route erinnert, die ihn als
17jährigen nach der Ver-teidigung der „Festung Breslau“ im Sommer
1945 in sowjetische Kriegs-gefangenschaft und damit in eine
un-gewisse Zukunft führte. Während er 1945 in einem Güterwaggon
hockte und auf das ihm fremde Land blickte, saß er jetzt -–1989 –
im Flugzeug mit der SED-Delegation.Erich Honecker erzählte stolz,
dass er als junger Komsomolze am Auf-bau dieses gigantischen
Industrie-kombinats mitgeholfen hatte. Im Ju-ni 1989 war er nach
einem Gespräch
Dieter Frielinghauswurde 80
Der Präsident des Kurato-riums der GBM, Pfarrer Dr. Dieter
Frielinghaus, beging am 14. November 2008 sei-nen 80. Geburtstag.
Der Bundesvorstand der GBM gratulierte herzlich. Die Ausgabe 11-08
unserer Zei-tung hatte den Jubilar be-glückwünscht.Die Zeitschrift
„Topos – In-ternationale Beiträge zur dialektischen Theorie“ gab
aus gleichem Anlass einen Sonderdruck heraus, in dem Ellen
Brombacher, Horsta Krum, Friedrich Wolff, Chri-stian Stappenbeck
und Ka-rin Hildebrandt den Geist-lichen und Friedenskämp-fer
würdigen. Unser Vorsitzender, Prof. Dr. Wolfgang Richter, steuerte
einen ausführlichen Bei-trag „‘Ostdeutsche‘ – Dis-kriminierung und
neues Gemeinschaftsgefühl“ bei.Auch überbrachte Prof. Richter dem
Jubilar in des-sen Wohnort Brüssow (Uckermark) die Wünsche der GBM
und überreichte ihm eine Grafik von Ronald Paris. Dieter
Frielinghaus bedank-te sich in bewegten Worten. Brieflich
wiederholte er sei-nen Dank an die GBM „ehr-erbietig und herzlich“,
ver-bunden mit guten Wün- schen. –isc-
Das Thema der Mitgliederversamm-lung des GBM-Ortsverbandes
Ber-lin-Lichtenberg am 19. November 2008 lautete: Vorschläge der
Partei DIE LINKE für eine sichere und so-lidarische Rente. Es
referierte (an-stelle des verhinderten stellvertre-tenden
Vorsitzenden Klaus Ernst) der Mitarbeiter der Linksfraktion des
Bundestages Ingo Schäfer. Er erläuterte die Positionen der Par- tei
zur Verteidigung des Solidar-prinzips in der Rentenfrage, zur
Verhinderung von Altersarmut, zur Bindung der Renten an die Lohn-
und Gehaltsentwicklung, zur An-gleichung der Renten Ost an die
Renten West.
mit Gorbatschow der festen Über-zeugung, dass die DDR von der
so-wjetischen Führung noch immer als wichtigster Verbündeter der SU
an der westlichen Frontlinie des sozi-alistischen Lagers angesehen
wer-de und die „deutsche Frage“, wie sie sowohl von westdeutschen
als auch von einigen sowjetischen Politikern aufgeworfen worden
war, vom Tisch sei. Diese Episode hinterließ eine be-drückende
Stimmung bei den Zuhö-rern, weil sie von der Realitätsferne der
DDR-Führung in der damaligen Situation zeugte. Außer diesem
Abschnitt aus dem genannten Erinnerungsband hat-te Günter Görlich
noch drei Erzäh-lungen mitgebracht. Eine Geschich-te erzählt von
den Gefühlen eines ehemaligen Offiziers, der für die Or-ganisation
der Militärparade zum Jahrestag der DDR verantwortlich gewesen war
und drei Jahre nach der Wende am 7. Oktober seine Uni-form aus dem
Schrank holt, sie an-zieht, die Paradestrecke noch ein-mal
abschreitet und feststellen muss, dass er gar nicht mehr
wahrgenom-men wird.Sehr betroffen machte die Erzäh-lung „Spuck vor
ihr aus“, in der es um die Freundschaft zweier Mäd-chen geht, die
in der Wendezeit unter dem Einfluss der Eltern in eine gro-teske
Feindseligkeit umschlägt.Die Erzählung „Eine Insel aus Träu-men
geboren“ verdeutlicht ein Stück Zeitgeschichte: das Erleben von
Un-recht bei Eigentumsverhältnissen und Verlust von
Nutzungsrechten; die Selbstherrlichkeit und Igno-ranz vieler
„Alteigentümer“; die be-wusste und zielgerichtete Politik der
Bonner Regierung zur Delegitimie-rung der DDR unter dem Banner
der
„Wiedervereinigung“ des geteilten Deutschlands.Mit dieser Lesung
weckte Günter Görlich unter den Teilnehmern in-tensive Erinnerungen
und Gefühle
Literatur und GeschichteEine Lesung des Schriftstellers Günter
Görlich in Bernau
in der Wendezeit. Man erlebte noch einmal das Unrecht und die
Entwür-digung vieler DDR-Deutscher durch die neuen Herren des
Siegerstaates. Diese Ohnmachtsgefühle bleiben ein Stück Geschichte
unseres Volkes.In der sich anschließenden Aus-sprache mit dem
Schriftsteller wur-de die Wertschätzung, die die Zuhö-rer Günter
Görlich und seinem lite-rarischen Schaffen entgegenbringen, sehr
deutlich. Seine Arbeiten sind authentische Zeugnisse, die
gei-stigen und emotionalen Gewinn für die Leser und Zuhörer
bringen. Um-so mehr war die Empörung zu ver-stehen, als bekannt
wurde, dass die Bücher Günter Görlichs im Buch-handel und den
Bibliotheken nicht mehr zu finden sind. Dadurch wird den ehemals
Westdeutschen und der jüngeren Generation ein wichtiges Stück
Literatur- und Zeitgeschichte vorenthalten.Es wurde gefragt, ob und
wann ei-ne Veränderung im historischen Ver-ständnis heute schon
absehbar ist. Zugehörigkeitsgefühl zu Deutsch-land wird sich wohl
erst einstellen, wenn sich die Menschen der älteren Generation
ihrer Wurzeln in der DDR bewusst werden und ein neues
Selbstbewusstsein erlangen. Günter Görlich antwortete: „Das wird
noch lange dauern.“Abschließend bedankten sich die Zu-hörer bei
Günter Görlich für die en-gagierte und beeindruckende Lesung und
wünschten ihm noch weitere schöpferische und gesunde Lebens-jahre.
Wir hoffen, dass noch vielen Lesern die spannende Erzählweise
dieses Schriftstellers zum Erkennen gesellschaftlicher
Zusammenhän-ge verhelfen und sie durch die Ver-mittlung der
historischen Wahrheit über das Leben in der DDR in ihrem Kampf um
Menschenwürde und so-ziale Gerechtigkeit bestärken wird. Uta und
Werner Henze OV Barnim
In der engagierten und kritischen Diskussion wurden die
Bemü-hungen der Partei anerkannt, zu-gleich aber mehr öffentlicher
Druck gefordert (gemeinsame Aktionen mit Gewerkschaften und
Sozialver-bänden, Kundgebungen, Unter-schriftensammlungen).
Deutlich wurde Bereitschaft und Stimmung für effektive politische
Aktionen, vor allem im bevorstehenden Wahl-kampf. In der Diskussion
infor-mierte Helmut Semmelmann, Mit-glied des GBM-Bundesvorstandes,
über die Vorbereitung einer Europä-ischen Friedenskonferenz im März
2009 und rief zu Spenden dafür auf. Foto: Dr. Hans Dahlke
BILD?????
-
10
Irgendeines von vielen Berliner Konzerten? „akzente“ ist kein
Werbeblatt. Wenn hier die Mati-nee am 15. Februar 2009 angekün-digt
wird, muß es sich um ein Ereig-nis handeln, das mit dem Credo
un-seres Verbandes zu tun hat. Katja Ebstein kommt mit ihrem
Programm „Meine Lieder“ zum ersten Mal in das Haus am
Gendarmenmarkt - 32 Jahre nach ihrem Auftritt während der Eröffnung
des Palastes der Re-publik. Wir, die das damals miterlebt haben und
ihr auch danach erneut be-gegnet sind. freuen uns auf das
Wie-dersehen. Katja ist eine weltweit ge-schätzte Künstlerin,
bescheiden wie große Charaktere und Könner, mit einer Aura, die
andere per Show nicht zu erlangen vermögen.Katja Ebstein hat eine
Stiftung gegen Kinderarmut in Berlin und Branden-burg gegründet,
populär durch das schlichte Wort „Ene mene Muh und arm bist du“.
Ihr Motto „Für eine enkeltaugliche Zukunft“ benennt nicht nur
Notlagen, in die ein herr-schendes System viele stürzt. Es
ent-spricht unserem Vorsatz, dem Eltern wie Erzieher, Historiker
und Philo-sophen wie Ökonomen, Menschen überhaupt verpflichtet
sind.Der Erlös des Konzerts im Februar soll dem „Feriensommer 2009“
zu-gute kommen, den Marzahn-Hellers-dorfer Kinder erleben werden,
deren Familienbudget ansonsten höchstens dazu reicht, die großen
Ferien auf der Strasse zu verbringen. Wir können leider nicht auch
den Moabiter Schü-lern helfen, deren Elternrats-Vorsit-zende
mitteilt, dass 80 Prozent der Eltern ihrer Klasse arbeitslos sind
und nicht einmal die BVG-Preise für kleine Exkursionen oder
Erholungs-ausflüge in den Tegeler Forst bezah-len können. Wir
können leider nicht den Hunger der vielen Schulkinder stillen, der
von Familienverhältnis-sen und von realen Zuständen unter deutscher
Staats-Flagge zeugt.Doch wir wollen helfen, so weit wir können –
nicht aber mit ständigen Trinkgeld-Zuschüssen, während Not
wissentlich durch antisoziale Maß-nahmen und Kriegspolitik erzeugt
wird. Für eine „enkeltaugliche Zu-kunft“ zu sorgen, darunter
verste-hen wir mehr: Praktische Hilfe und kämpferisches Eintreten
für gesell-schaftlichen Fortschritt.Das Konzert im Februar
betrachten wir als einen der Höhepunkte einer Veranstaltungslinie,
die wir spezi-ell auch der GBM empfehlen wollen. Wir möchten, so
bescheiden auch un-sere Möglichkeiten sind, einiges da-zu
beitragen, möglichst vielen Kin-dern Emotionen und Erkenntnisse zu
bieten, die sie für’s Leben brauchen. Wir können an lobenswerte
Initiati-ven in Schulen und Kindertagesstät-ten anknüpfen, um früh
und wahrhaf-tig Wissen und Werte zu vermitteln
– entgegen der Verdummungs- und Verrohungs-Maschinerie inklu-
sive vieler Massenmedien. Wie er-frischend, die Kinder-Uni in
Berlin-Lichtenberg zu erleben, zu der im-mer wieder weit über
hundert auf-geweckte Mädchen und Jungen mit ihren Eltern kommen,
Vorträge hö-ren und mitgestalten – ein ausbau-fähiger Ansatz. Wie
erfreulich die Bewegung „Jedem Kind ein Instru-ment!“, außerhalb
Berlins entstan-den und auch hier durchaus unseres Einsatzes wert.
Die Künstleragentur Con Takt ist mit gesellschaftlichen Partnern
und in Kooperation mit Mu-sikschulen und dem Neuen
Sinfonie-orchester Berlin angetreten, dies zu fördern. Die GBM
setzt sich seit ihrer Grün-dung für Bürgerrecht und Men-
Gemeinsamfür Berliner Kinder
Dieses Konzertwird zu Herzen gehen
- die stimmungsvollen undnachdenklichen Lieder,
- die Verse Heinrich Heines,Kurt Tucholskys, Georg Kreislers
und Katjas eigene Worte,- der musikalische Gruß
von Kinderchören.Sonntag, 15. Februar 2009,
11 UhrKonzerthaus Berlin
am GendarmenmarktKarten zu 34 €, 29 €, 26 €,
22 €, 17 €, 12 €.Vorverkauf hat begonnen.
Bestellen Sie bitte beiKünstleragentur
Con Takt / SchäferHusumer Strasse 27,
12683 BerlinTel.: 030-517 39 803,
Fax: -804E-Mail: [email protected]
Katja Ebstein kommt
Willi Sitte in derGBM-Galerie
Im Blick auf die bevorstehen-de Europäische Friedenskonfe-renz
zeigt Prof. Willi Sitte in der GBM-Galerie, Weitlingstraße 89,
Berlin-Lichtenberg, „Bilder gegen den Krieg“. Die Ausstel-lung wird
im Beisein des Künst-lers am Freitag, dem 23. Januar, um 15.00 Uhr
eröffnet und läuft bis Ende März 2009. Besucher können Druckgrafik
Willi Sittes und anderer Künstler käuflich erwerben und damit zur
Finan-zierung der Friedenskonferenz beitragen.
schenwürde ein, für gerechtfertigte Interessen von Senioren und
Men-schen anderer Altersgruppen. Es wird vielleicht, wenn man von
der GBM spricht, viel zu wenig wahr-genommen, mit welcher Liebe und
Fürsorge ihre Mitglieder ihre eige-nen Kinder, Enkel und Urenkel
be-treuen. Und wenn die GBM noch so giftig angegriffen wird von
Leu-ten, die – bewusst oder unbewusst
- eine ganz andere Zukunft herauf-beschwören möchten – die
Ange-hörigen der Generationen, die Fa-schismus und Krieg noch
erlebt, die an der Gestaltung eines neuen, sozi-alistischen
Deutschland mitgewirkt haben, dürfen und werden sich nicht hindern
lassen, weiterzugeben, was junge Menschen brauchen, um sich nicht
irreführen und mißbrauchen zu lassen. Bürgerrecht und Menschenwürde
haben vor allem schon die Kinder, hat die Jugend zu beanspruchen,
al-so zu verstehen und zu erkämpfen. Dafür sollte auch die GBM –
wie auch mancher Sozialverband – mehr Ideen und Einsatz
investieren. Be-reiten wir also im Einklang mit wis-senschaftlichen
und praktisch-po-litischen Arbeiten auch gemeinsam kulturelle
Vielfalt und einprägsame Erlebnisse vor! Kommt im Februar ins
Konzerthaus, bringt Eure jungen Leute mit! Eure Gedanken,
Anregungen und so-lidarischen Taten werden den Kin-dern nützlich
sein! Ilona und Johannes Schäfer
„Lesen in der Galerie“ nennt sich die Veranstaltungsreihe, in
der Schriftsteller in loser Folge bei der GBM in der Berliner
Weitlingstra-ße 89 aus älteren, neueren und neu-esten Werken
vortragen. Am 14. November 2008 war hier Dr. Er-hard Scherner
(Jahrgang 1929) zu Gast, vielen noch bekannt als stell-vertretender
Chefredakteur der Zeitschrift „Neue Deutsche Litera-tur“ oder als
leitender Mitarbeiter der Akademie der Künste der DDR. Ihm
zuzuhören war Vergnügen und brachte Erkenntnisgewinn.Im Mittelpunkt
der Lesung standen Kindheitserinnerungen des Autors, in Erzählform
gekleidet. Anfang der vierziger Jahre nämlich war er, der gebürtige
Berliner Arbeiterjun-ge, „kinderlandverschickt“ worden, und zwar
nach Oberschlesien. Dort fand er ein familiäres Milieu vor, das
eine weiterhin behütete Kind-
„Lesen in der Galerie“
heit zu ermöglichen schien, in dem aber doch Hitlerei und Krieg
allge-genwärtig waren.Seine Erinnerungen an diese Le-bensphase im
Plauderton schil-dernd, verlässt der Verfasser nie den
Erfahrungshorizont des da-mals Heranwachsenden und ver-mittelt
gerade dadurch einen stim-migen Eindruck von den Umstän-den jener
Zeit. Die scheinbare Naivität, die lockere Darstellungs-weise
erzeugen Unmittelbarkeit. „So wird Geschichte lebendiger als in so
mancher Fernsehsendung“, urteilte in der Diskussion ein Zuhö-rer
über die Wirkung dieser Erzäh-lerperspektive.Kurze Geschichten aus
und über China – diesem Land gehört Scher-ners Liebe -, heitere
kleine Erzäh-lungen und Gedichte schlossen den unterhaltsamen Abend
ab. Gerhard Fischer
akzente Kultur
Erhard Scherner las bei der GBM
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NACHGEDACHT
Leserpost / akzente gratuliert
Da erscheint vor fast 90 Jahren in der Politik ein
Deutsch-Österreicher als „unbe-kannter Gefreiter des ersten
Welt-krieges“. Er ist maßlos enttäuscht über die Niederlage
Kaiser-Deutsch-lands und Österreich-Ungarns im er-sten
Völkergemetzel des 20. Jahr-hunderts. In seiner Enttäuschung
summieren sich alle reaktionären Ideologien und Auffassungen, Hass,
Revanche, Nationalismus, Antise-mitismus, Aberglauben,
Mystizis-mus. Er entscheidet sich nach un-talentierter und
existenzloser Ma-lerei „Politiker zu werden“. Sein politisches
Wirken sieht er als ein von der „Vorsehung“ bestimmtes Handeln.
Seine Reden sind phrasen-haft, gepaart mit viel Gestik und
pos-senhaftem Getue. Mit verschränkten Armen und Gebrülle offenbart
er sich in Versammlungen. Er entwi-ckelt ein verführerisches
Programm, das den kapitalistischen und revan-chistischen Kräften in
Deutschland zusagt: Mehr Land für ein „Volk oh-ne Raum“. Der
„Germanenzug nach dem Westen“ müsse gestoppt wer-den. Land gäbe es
im Osten. Die Welt müsse zugunsten Deutschlands und der „arischen
Rasse“ aufgeteilt und geformt werden. Der Jude ist an allem Elend
schuld, deshalb müs-se das Judentum ausgerottet werden. Sein
Programm passt den Großkapi-talisten und -agrariern wie die Faust
aufs Auge. Er wird hochgepäppelt und kommt an die Macht. Ein
Milita-rist als Staatspräsident krönt ihn zum Kanzler und damit zum
mächtigsten Mann Deutschlands. Die Anrede „Mein Führer“ wird zur
gängigen An-redeform und der wichtigste Gruß im deutschen Lande
wird ab sofort mit seinem Nachnamen bestimmt. Sein Anknüpfen an
niedrige Instinkte im Menschen, seine grenzenlosen Versprechungen,
seine Demagogie und gezielten Lügen werden zu Waf-fen, die das Volk
betören und gestrau-chelte Existenzen und dunkle Gestal-ten auf den
Plan rufen. Die Millionen Arbeitslosen, die kleinbürgerlichen
bankrotten Schichten durchschau-en den Pharisäer nicht. Sie heben
in ihrer Mehrzahl den rechten Arm und begrüßen den „Führer“ wie
ei-nen „Erlöser“. Es ist wie ein Rausch, der die Massen erfasst und
ihnen die Losung eingibt: „Führer befiehl, wir folgen dir.“ Und sie
folgen ihm. Sie hören nicht auf die warnenden Stim-men von
politischen Kräften, die das
„Führerprogramm“ als Programm des Krieges und der
Menschenver-achtung durchschaut haben.
Dieser sich asketisch gebende und angeblich dem Volk dienende
Mann erhält das Mandat, das zu einer der größten Tragödien in der
Mensch-heitsgeschichte führt. Es ist der Mann, dirigiert vom
deutschen Groß-kapital, der zusammen mit seinen Gefolgsleuten und
Gönnern verant-wortlich zeichnet für die Blutopfer von Millionen
Menschen. Sein Sy-stem zeichnet verantwortlich für eine
unermessliche Zahl von Toten in der Welt, zu sechs Millionen im
eigenen Land, zu mehr als sechs Millionen Polen und jüdische
Menschen, zu 1,7 Millionen Jugoslawen, 600 000 Fran-zosen, 400 000
Briten und Ameri-kanern und zu fast 22 Millionen So-wjetbürger.
Hätte diesem Menschen-verachter damals die Atombombe zur Verfügung
gestanden, wäre sie durch ihn skrupellos zum Einsatz ge-kommen und
der Berg der Toten wä-re ins Unermessliche gewachsen.Die Mahnung
dieser verheerenden Entwicklung in der Geschichte muss und kann nur
sein: Sie darf sich nicht wiederholen! Es muss Schluss sein mit der
Methode, die Völker zum Spielball machtbesessener Politiker zu
machen, Schluss sein damit, sich von einem neuen Pharisäer
miss-brauchen zu lassen, der sich wiede-rum von „Gott berufen“
sieht, gegen das „Böse“ in der Welt zu kämpfen, aber in
Wirklichkeit nach ökono-mischen Ressourcen in anderen Län-dern
giert und die Welt erneut be-herrschen möchte.Alle Menschen haben
das Recht auf Leben. Es darf ihnen nicht durch machtgeile Politiker
genommen wer-den. Das verantwortungslose Spie-len mit dem Einsatz
heute ausgereif-ter Atomwaffen könnte das Ende der menschlichen
Zivilisation bedeuten. Jedes Volk hat das Recht auf seine
Lebensordnung. Niemand darf die Völker zwingen, ein Leben zu
füh-ren, das ihnen fremd erscheint und das sie nicht haben möchten.
Mit Bit-terkeit ist leider festzustellen, dass die Worte des von
den Nazischer-gen ermordeten tschechischen Kul-turpolitikers und
Schriftstellers Juli-us Fucik: „Menschen, ... seid wach-sam“ und
von Bertolt Brecht „Der Schoss ist fruchtbar noch, aus dem das
kroch“ nichts an Bedeutung ver-loren haben. Dr. Rudolf Dix
zum 94. GeburtstagMartin Fischer, Bützow
zum 92. GeburtstagEva-Barbara Bönicke,
Bergholz-Rehbrücke
zum 91. GeburtstagErna Reiche, Neuhausen/Spree
zum 89. GeburtstagHelmut Kindler, LeipzigGerhard Körbel,
ReutlingenHildegard Lenk, Chemnitz
zum 88. GeburtstagGertrud Linke, BerlinHeinz Netzsch,
Weißwasser
zum 87. GeburtstagHellmut Brendel, BrandenburgGertrud Kunze,
MagdeburgGerhard Liefländer, BerlinWerner Plassa,
HalberstadtAnneliese Schulz, BerlinPipina Wittig, Kauern
zum 86. GeburtstagAnni Dörmer, BerlinUrsula Enderle, BerlinRudi
Focke, BerlinWerner Funke, NiederndorfHeinz Kempt, ChemnitzKarl
Kohlschütter, Neu FahrlandRosemarie Rehahn, BerlinMR Dr. Ingeborg
Straube, BerlinKurt Wendt, Berlin
zum 85. GeburtstagAnnemarie Batram, MagdeburgGeorg Förster,
BerlinMarianne Glaser-Goßens, BerlinRudi Heimbold, BerlinGertraud
Kirchner, BerlinKurt Lange, BerlinHelmut Reinhardt, BerlinWerner
Schlechtendahl, SchwerinGerda Schmidt, Berlin
Heinz-Jürgen Schwab, KölledaWitta Vogel, Berlin
zum 80. GeburtstagGünther Arnoldt, BerlinDr. Siegfried Büttner,
BerlinHelmut Ebert, HalberstadtHarry Engel, DresdenWolfgang
Geißler, GörlitzWerner Gutmann, GeraProf. Dr. Horst Haase,
BerlinProf. Dr. Karl Hartmann, BerlinRudi Krause, Tornau v. d.
HeideHeinz Langbecker, BerlinEmma Laudahn, SchwerinHeinz Prohl,
BerlinAnneliese Richter, FürstenwaldeSiegfried Sadowski,
BerlinHarry Stritzke, BerlinHarry Wartenberg, GreizGünter Weigel,
DresdenAlexa Zach, Berlin
zum 75. GeburtstagIngeborg Burandt, SuhlChristine Dialer,
LeipzigHelmut Faust, BerlinSiegfried Gallinat, WolmirslebenDr.
Siegfried Garz, VogelsdorfHildegard Held, WeimarChrista Horstmann,
NeuruppinMaria Kanitz, LeipzigHelmut Kollesser,
MönchenholzhausenProf. Dr. Gudrun Langendorf,
BerlinIngeborg Luks, NeustrelitzRosemarie Mehler, BerlinDr.
Gisela Mühlberg, BerlinHans-Joachim Neumann,
Bad SaarowKlaus Pfüller, PotsdamHorst Rogge, MagdeburgHorst
Sauermilch,
NeubrandenburgDieter Schäfer, SchöneicheNorbert Semdner,
Berlin
Wir gratulierenWir beglückwünschen alle Geburtstagskinder
des
Monats Januar.Besonders herzlich grüßen wir
Deutscher Michel, deutscher Michel,schläfst du noch, schläfst du
noch?
Hörst du nicht die Glocken, hörst du nicht die Glocken,
ding, dang, dong, ding, dang, dong.
Deutscher Michel, deutscher Michel,werde wach, werde wach!Du
wirst ausgenommen, du wirst ausgenommen,
merkst du’s nicht, merkst du’s nicht?
Deutscher Michel, deutscher Michel,stehe auf, stehe auf,gehe auf
die Strasse, gehe auf die Strasse,
mach Protest, mach Protest!
Deutscher Michel, deutscher Michel,bleibe ständig wachsam,
bleibe ständig wachsam!
Sonst zahlst du, sonst zahlst duAlles ganz alleine, bleib stets
wach!
Weckruf
Text: Rainer Weigt, Melodie: „Bruder Jacob“
9 Mitgliederüberwiesen von Mitte November bis Anfang Dezember
Spenden an die GBM. Der Vorstand bedankt sich herzlich. Spenden
können auf das Konto der GBM bei der Berliner Sparkasse, Konto-Nr.:
0013192736, BLZ: 100 500 00, gezahlt werden.
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Herausgeber:Bundesvorstand derGesellschaft zum Schutz von
Bürgerrecht und Menschenwürde e. V., Weitlingstraße 89, 10317
Berlin
Tel.: 030/5 57 83 97Fax: 030/5 55 63 55e-mail:
[email protected]: www.gbmev.deBankverbindung:Berliner
Sparkasse,BLZ 100 500 00,Kto.-Nr. 0013 192 736
Geschäftszeiten:Mo.–Do. 9.00–16.00 UhrFr. 9.00–12.00 Uhr
Rentensprechstunden:Jeden 1. und 3. Mittwoch von 13.00 bis 15.00
Uhr
V. i. S.