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Mikrochirurgie der Wirbelsäule
Lumbaler Bandscheibenvorfall und Spinalkanalstenose: Indikation,
Technik, Nachbehandlung
vonRobert Krämer, Jörg Herdmann, Jürgen Krämer
1. Auflage
Mikrochirurgie der Wirbelsäule – Krämer / Herdmann / Krämer
schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE
FACHBUCHHANDLUNG
Thematische Gliederung:
Orthopädie- und Unfallchirurgie – Orthopädie- und
Unfallchirurgie
Thieme 2005
Verlag C.H. Beck im Internet:www.beck.de
ISBN 978 3 13 128331 3
Inhaltsverzeichnis: Mikrochirurgie der Wirbelsäule – Krämer /
Herdmann / Krämer
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Abb. 8.1 Synopsis für den Operateur beim Hautschnitt: Deutli-che
Markierung des betroffenen Zwischenwirbelabschnitts mitQuerstrich,
am Bildschirm MRT (CT) und Nadelaufnahme inBlicknähe (Abb.
7.1).
8 Standardoperation: Interlaminärer Zugang
8.1 4 Phasen
Von der Hautinzision bis zur Dekompression der Nerven-wurzel im
ventralen Epiduralraum ergeben sich 4 Phasenim operativen Ablauf,
die mikrochirurgisch in jederSchicht und in jedem Segment einen
charakteristischenOperationssitus bieten. Abweichungen von dem zu
er-wartenden Anblick sollten zu einer intraoperativen
radio-logischen Segmentüberprüfung führen, um eine
unnötigeerweiterte Exploration mit entsprechender
ausgedehnterNarbenbildung zu verhindern.
8.1.1 Phase 1: Hautschnitt
Der ca. 3 cm lange Hautschnitt erfolgt in der
Mittelliniesenkrecht in Höhe des Hauptbefundes. Zur
Orientierungdient die durchgezogene Linie der Nadelmarkierung inder
diskalen Ebene des betroffenen Segmentes. CT, bessernoch MRT,
vervollständigen zusammen mit der Nadelauf-nahme die Synopsis bei
der Hautinzision. Die Palpationder Beckenkämme und Dornfortsätze
kann zusätzlich zurOrientierung herangezogen werden, sollte aber
nicht ent-scheidend sein, da anatomische Variationen, z.B. hochoder
tief stehende Beckenkämme und unterschiedlicheAusprägungen des
Dornfortsatzes L5 falsche Informatio-nen geben könnten. Maßgebend
ist die Markierung derNadelaufnahme, auf die man sich verlassen
muss. Beischräger Nadellage, verbleibender Lordose mit Durch-
hang in der Knie-Hock-Lage und extremer Adipositassind
intraoperativ Kontrollen mit dem Bildwandlerdurchzuführen.
Je nach Lage des Prolaps in Relation zur Ebene
desBandscheibenfaches infra- bzw. supradiskal oder der dis-kalen
Ebene wird der Hautschnitt mit dem Mittelpunktdirekt über der
Bandscheibe oder etwas oberhalb bzw.unterhalb durchgeführt. Bei
deutlich palpablem Proces-sus spinosus liegt der Schnitt bei
supradiskaler und dis-kaler Prolapslage der Segmente L3/4, L4/5
mehr oder we-niger in Dornfortsatzhöhe und bei infradiskaler Lage
L4/5und L5/S1 und auch diskal L5/S1 etwas unterhalb des je-weiligen
Dornfortsatzes.
Alle Blutungen, auch leichterer Art, im Unterhautge-webe sollten
mit der bipolaren Koagulationspinzette ge-stillt werden, da sie
sich störend auf die weitere Explora-tion im relativ engen Situs
bemerkbar machen.
8.1.2 Phase 2: Lamina/Flavum
Auch die Phase 2 beim interlaminären Zugang zur Dar-stellung der
Lamina/Flavum-Schicht erfolgt noch ohneMikroskop. Nach Inzision der
Haut in der Mittellinie undder obersten Schicht des subkutanen
Fettgewebes wirdder laterale Wundrand mit einer Pinzette nach
lateral ge-halten, so dass sich der Situs um 1–2 cm von der
Mittelli-nie nach lateral bewegt. Die Darstellung und Inzision
derLumbodorsalfaszie erfolgt dementsprechend 1,5 cm(1QF)
paraspinal. Das Doppelblatt der Lumbalfaszie wirdnach kranial und
kaudal subkutan mit der Schere erwei-tert, damit der Retraktor
später spannungsfrei einge-bracht werden kann. Die beiden medialen
Blätter derMuskelfaszie werden mit einer Kocher-Klemme gefasstund
nach medial gehalten. Mit einem 2 cm breiten Raspa-torium nimmt man
Kontakt mit der Seite des nächst hö-her gelegenen Dornfortsatzes
auf und verfolgt diesennach ventral auf der knöchernen Leitschiene
bis zum Un-terrand der Lamina. Die obere knöcherne Ecke des
inter-laminären Fensters (upper interlaminar corner, UIC bzw.obere
interlaminäre Ecke, OIE) des betroffenen Bewe-gungssegmentes stellt
einen wesentlichen topogra-phisch-anatomischen Orientierungspunkt
in dieser Phaseder Operation dar. Sie gibt dem Operateur zusammen
mitdem Blick auf die quer verlaufende Linie der diskalenEbene,
markiert durch die Nadel, die Sicherheit, im richti-gen Segment zu
sein. In dieser Phase ist die Sicht durchdie noch medial anliegende
Muskulatur versperrt. DerNiveauunterschied zwischen dem unteren
Bogenrand
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Abb. 8.2 Die 3 cm lange Hautinzi-sion liegt mit ihrem
Mittelpunktoberhalb (1), in Höhe (2) oder un-terhalb (3) der
Nadelmarkierung(NM), welche sich in Höhe der dis-kalen Ebene auf
der kontralatera-len Seite befindet.
Abb. 8.4 Phase 2 mit Darstellungder Lamina/Flavum-Schicht in
derdiskalen Ebene: Beim Zugang zurBandscheibe L5/S1 tastet und
siehtman den Unterrand des nächst hö-heren Bogens (L5) im kranialen
An-teil des Situs. In der diskalen EbeneL4/5 befindet sich der
Unterrand imoberen Drittel bzw. in der Mitte desSitus und bei L3/4
und höher imkaudalen Anteil des Operationssitus.Bei älteren
Menschen und Band-scheibenverschmälerung überlapptder Wirbelbogen
den Bandscheiben-raum noch weiter.
Abb. 8.3 Die knöcherne Leitlinie an der Seite des
Dornfortsat-zes führt zur oberen interlaminaren Ecke (OIE) bzw.
„Upper in-terlaminar Corner“ (UIC) des interlaminären Fensters.
und dem Lig. flavum kann mit dem Raspatorium wegenfehlender
Sicht meistens nur ertastet werden. In dieserPhase der Operation
wird ein Dissektor unter den Unter-rand des im Situs sichtbaren –
eher fühlbaren – nächsthöheren Bogens in die sog. obere
interlaminäre Ecke ge-legt. Der Situs wird mithilfe der
Kniepinzette mit einemGazestreifen ausgestopft.
Beim Zugang zur diskalen Ebene liegt der Unterranddes nächst
höheren Bogens (OIE bzw. UIC) beim SegmentL5/S1 im kranialen Rand
des Situs, bei L4/5 im oberenDrittel und bei L3/4 und L2/3 im
kaudalen Drittel. Diesbedeutet: Vor der Eröffnung des Spinalkanals
muss der
Unterrand des nächst höheren Bogens in Relation zur
Na-delmarkierung klar identifiziert werden. Nur so ist esmöglich,
im weiteren Verlauf Nervenwurzeln, Pedikelund Foramina
intervertebralia zu lokalisieren – ohne Si-tuserweiterung. Bei
älteren Menschen und Verschmäle-rung des Zwischenwirbelabschnitts
überlappen die Wir-belbogen die Bandscheiben noch stärker.
Bei schräger Nadellage, Adipositas, fixierter Hyperlor-dose,
Skoliose und Bogenanomalien gibt es Abweichun-gen von der
Leitstruktur der OIE (UIC). So ist es z.B. mög-lich, dass besonders
breite Bögen bei L4 und L5 den Ope-rationssitus in der 2. Phase
(Lamina/Flavum) fast voll-ständig ausfüllen. Andererseits kann ein
großes interla-minäres Fenster bei L4/5 mit etwas zu tief
geratenemHautschnitt den Anblick eines L5/S1-Situs der Phase
2bieten. Wenn eine gewisse Toleranzbreite überschrittenist, sollte
man schon in dieser Phase eine intraoperativeRöntgenkontrolle
anfertigen, damit nicht unnötig einweiteres Segment eröffnet
wird.
Cave: Bei einer Spina bifida oder beim Zustand
nachHemilaminektomie ist die knöcherne Führung entlangder Seite des
Dornfortsatzes zur Lamina unterbrochen.In diesen Fällen sucht man
sich den nächst unteren Bo-gen als knöcherne Leitlinie. Ein Blick
auf die a. – p. Auf-nahme vor der Operation ist deswegen
unerlässlich.
8.1 4 Phasen 47
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Abb. 8.5 Der Retraktor wird bis zum Knochenkontakt mit derLamina
in die Tiefe vorgeschoben.
a b
Abb. 8.6a u. b Situserweiterung bei lumbaler Mikrodiskotomie.a
Weiteres Spreizen des Retraktors mit Einsetzen des Gegenspreizers.b
Parallelverschiebung des Retraktors im erweiterten Situs mit
Tamponade neben dem Retraktor.
Bei breitem interlaminärem Fenster (z.B. bei L5/S1) kannman ohne
knöchernen Kontakt mit dem Raspatorium dasLig. flavum perforieren.
Die knöcherne Leitlinie an derDornfortsatzseite im Übergang zum
unteren Bogenrandist für die Tiefenauslotung unbedingt
einzuhalten.
Einsetzen des Retraktors
Die paraspinale Muskulatur wird mit dem Raspatoriumund einem
schmalen Langenbeck-Haken (Kap. 6.1.4), dieim Wechsel eingesetzt
werden, zur Seite geschoben, bisder Retraktor hineinpasst. Dieser
wird unter starkem Zugan der Kocher-Klemme und dem Langenbeck-Haken
mitdem Daumen in die Tiefe bis zum Knochenkontakt mitder Lamina
vorgeschoben und solange manuell in derTiefe gehalten, bis er
gespreizt die Position selber hält.Der Bügel des Retraktors wird
zur gegenüberliegenden
Seite (Assistentenseite) gedreht, damit er ggf. durch
Un-terlegen von Polstern angewinkelt werden kann. Bei He-rausragen
des Retraktors aus der Wundhöhle ist der Bü-gel ohnehin zu
unterpolstern, um eine senkrechte Retrak-torposition zu erhalten.
Nach Entfernen restlicher Weich-teile mit der Prolapsfasszange und
einem kräftigen Tup-fer erscheint in der Tiefe der Phase-2-Aspekt
für das je-weilige Segment mit Lamina- und Flavumanteilen.
Wenn die Hautinzision zu weit kranial oder kaudal er-folgt ist,
kann man durch Anwinkeln des Retraktors denEinblick nach kranial
bzw. kaudal erweitern. Das Mikro-skop muss entsprechend angewinkelt
werden. Falls dieseMaßnahme nicht ausreicht, ist eine
Inzisionserweiterungund weitere Spreizung des Retraktors
erforderlich. Da dieseitlichen Wundränder durch Vorwölbung der
Weichteilezunehmend die Sicht versperren, ist es erforderlich,
indieser Phase den Gegenspreizer einzusetzen.
Alternativ dazu besteht die Möglichkeit, den Retraktorim normal
gespreizten Zustand zu belassen und ihn pa-rallel zu verschieben.
Die Wundhöhle neben dem Retrak-tor wird mit einer Kompresse
ausgestopft. Wenn der Re-traktor in Position gebracht ist, erfolgt
die erste Wund-spülung mit anschließender Wundabdeckung durch
eineKompresse während der Einstellung des
Operationsmi-kroskopes.
Mikroskopeinsatz
Nach Darstellung des Phase-2-Situs wird das schon vorder
Operation auf der Hautinzisionsstelle in Position ge-brachte
Mikroskop über den Situs geschwenkt. Bis zu die-sem Manöver
erfolgten alle Maßnahmen ohne Mikroskopmit normaler
OP-Lampenausleuchtung. Das Mikroskopwird in Phase 2 zunächst so
eingerichtet, dass der Unter-rand des nächst höheren Bogens (OIE,
UIC) mit den da-
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a b
Abb. 8.7a u. b Einstellung des Operationsmikroskopes.a Zur
Flavektomie und Laminotomie.b Zum weiteren Operationsverlauf.
runter liegenden Anteilen des Lig. flavum eindeutig zusehen
sind. Bei kleinem interlaminärem Fenster mit en-gem Bogenabstand,
was praktisch ab L4/5 kranialwärtsimmer der Fall ist, liegt das
Flavumfenster eher medialund kann nur durch Anwinkeln des
Mikrokopes um20–30° gut eingesehen werden. Der Eingriff am Lig.
fla-vum erfolgt in dieser Position. Nach lateraler Flavektomiewird
das Mikroskop wieder gerade gerichtet und auf denlateralen Dura
bzw. Wurzelrand zentriert.
8.1.3 Phase 3: Epidural posterior
Der dorsale Abschnitt des Epiduralraumes stellt sich
nachFlavektomie bzw. Hemilaminektomie dar. Die Eröffnungdes
Spinalkanals sollte immer so erfolgen, dass man ei-nerseits den
Prolaps möglichst in der Mitte des Situs hatund andererseits
Gelegenheit besteht, die Donorband-scheibe nach weiteren
infradiskalen Fragmenten zu revi-dieren. Zur Darstellung der
Bandscheibe L5/S1 ist in derRegel eine Flavektomie ausreichend. Bei
L4/5 muss dafürder Unterrand des Bogens L4 entfernt werden
(Laminoto-mie). Bei L3/4 und höher ist zur Darstellung der
diskalenEbene eine Abtragung größerer Bogenanteile bis hin
zurHemilaminektomie erforderlich.
Laterale FlavektomieZur Darstellung der diskalen sowie supra-
und infradiska-len Ebene L5/S1 und der infradiskalen Ebene L4/5 ist
einelaterale Flavektomie ausreichend, wenn der interlami-näre
Abstand groß genug ist.Die laterale Flavektomie besteht aus 5
Schritten:1. Längsinzision des dorsalen Flavumblattes im
mittleren
Drittel mit dem halbscharfen Flavummesser (Kap.6.1.6). Das
ventrale Flavumblatt bleibt stehen.
2. Darstellen einer lateralen Tasche zwischen ventralemund
dorsalem Flavumblatt mit dem Dissektor.
3. Entfernen des lateralen dorsalen Flavumblattes mitder
2-mm-Kerrison-Stanze.
4. Stumpfe Perforation des ventralen Flavumblattes mitdem
Dissektor und stumpfe Erweiterung des Schlitzesnach kranial und
kaudal. In dieser Phase kann einLokalanästhetikum bzw. Opioid mit
der gebogenenKnopfkanüle instilliert werden.
5. Entfernen des lateralen ventralen Flavumblattes mitdem
2-mm-Kerrison bis zum knöchernen Rand.
Mitunter ist das Lig. flavum besonders bei Spinal-kanalstenose
so dick, dass Längsinzision mit dem halb-scharfen Flavummesser,
laterale Taschenbildung undEntfernen dorsolateraler Flavumanteile
in mehrerenSchritten erfolgen müssen. In diesen Fällen ist auch
dieErweiterung des interlaminären Fensters durch Entfer-
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a b
c d
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Abb. 8.8a – f Lumbale laterale Flavektomie in 5 Schritten.a
Phase 2 Situs: Lamina flavum.b Interlaminäre Längsinzision des Lig.
flavum im mittleren Drittel mit dem halbscharfen Flavummesser.c
Laterale Taschenbildung zwischen dorsalem und ventralem Flavumblatt
mit dem Dissektor.d Entfernen des dorsolateralen Flavumblattes mit
dem 2-mm-Kerrison.e Perforation des ventralen Flavumblattes in
Längsrichtung mit Erweiterung bis zum oberen und unteren Bogenrand
mit dem nor-
malen (stumpfen) 2-mm-Dissektor.f Entfernen des ventrolateralen
Flavumblattes mit dem 2-mm-Kerrison.
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a b
Abb. 8. 9a u. b Abtragung des Knochens kranial und lateral (a)
bis zur klaren Darstellung des lateralen Dura- bzw. Wurzelrandes
(b).
Abb. 8.10 Einsatz der Kerrison-Stanze mit umgekehrtemHandgriff
(„verkehrt“) zur Entfernung lateraler Flavum- undKnochenanteile im
interlaminären Fenster. Die Stanze solltedem Operateur auf
Anweisung auch in dieser Stellung in dieHand gegeben werden, damit
er sich nicht vom Operationsmi-kroskop abwenden muss.
nen von Knochen am Unterrand der Lamina und im seitli-chen
Bereich sinnvoll.
Nach Flavektomie im lateralen Abschnitt des Forameninterarkuale
sieht man bei L5/S1 zunächst in der Regelepidurales Fett unter dem
sich S1-Wurzel und lateralerDurarand befinden. Epidurales Fett
sollte erhalten undmit dem Dissektor vorsichtig zur Seite geschoben
wer-den. Es erhält die Gleitfähigkeit der Nervenwurzel. BeiL4/5 und
in höheren Segmenten blickt man in dieserPhase auf Dura. Eine
Entfernung des medialen Lig. flavumist unter normalen Bedingungen
nicht erforderlich. Diediskale Pathologie kann mit dem lateralen
interlaminä-ren Situs ausreichend dargestellt werden. Das stehen
ge-bliebene mediale Flavum bietet außerdem den Vorteil,dass Dura
und Nervenwurzeln nicht zu vehement nachmedial gezogen werden
können.
Laminotomie – Hemilaminektomie
Bei dislozierten Fragmenten im Segment L5/S1 und zurDarstellung
der diskalen und supradiskalen Ebene L4/5sowie zur Operation
höherer Segmente ist eine Teilresek-tion von Knochen erforderlich.
Die meisten Operateurebevorzugen zur Knochenresektion im
mikrochirurgi-schen Situs Kerrison-Stanzen. Bei massivem und
hartemKnochen wie z.B. bei Spinalkanalstenosen ist hierfür
dieKnochenfräse geeignet.
Bei supradiskaler Sequesterlage L4/5 und bei allen Be-funden in
den Segmenten L3/4 und höher beginnt der Zu-gang zum dorsalen
Epiduralraum mit der Abtragung desUnterrandes des nächst höheren
Bogens in der oberen in-terlaminaren Ecke (OIE, UIC). In der Regel
gelingt es aufAnhieb, den Fuß (Unterkiefer) des 3-mm-Kerrison
zwi-schen Lamina und Flavum zu schieben, um den Unter-rand des
Bogens schrittweise abtragen zu können. Bei Re-visionsoperationen
ist der Spalt zwischen Knochen undNarbe vorher mit einem
halbscharfen Dissektor (Revisi-onsdissektor 2, Kap. 6.1.20)
darzustellen. Wenn größereBogenanteile abgetragen werden, erscheint
darunter dieDura bzw. epidurales Fett. Die Abtragung des
Knochens
erfolgt zunächst kranial am Unterrand des Bogens und la-teral am
medialen Rand des unteren Gelenkfortsatzes.Der Beißvorgang des
Kerrison-Rongeurs erfolgt im Mi-krositus immer unter Sicht
vorwärts, seitwärts und rück-wärts (verkehrt) und sollte dem
Operateur auf Anwei-sung normal (vorwärts) oder verkehrt
(rückwärts) in dieHand gegeben werden, ohne dass er den Kopf vom
Ope-rationsmikroskop abwendet.
Lig. flavum bzw. Knochen werden soweit nach lateralabgetragen,
bis lateraler Durarand bzw. lateraler Wurzel-rand sicher
auszumachen sind. Bei massivem, weiter me-dial gelegenem Prolaps
können Dura und Nervenwurzelnach lateral verdrängt sein. Gerade in
diesen Fällen ist dielaterale Randdarstellung besonders wichtig, um
Duraund Nervenwurzelverletzungen zu vermeiden. Die late-rale
Knochenabtragung in der supradiskalen Ebene solltenur zur
Darstellung des lateralen Durarandes bzw. Wur-
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Abb. 8.11 Ein Sequester (rot) kann zusammen mit Dura
undNervenwurzel medialisiert werden.
zelabganges führen, da weiter lateral das Wirbelgelenkliegt.
Infradiskal kann man gefahrlos bis zur medialen Pe-dikelbegrenzung
abtragen.
8.1.4 Phase 4: Epidural anterior
Im vorderen (ventralen) Epiduralraum des lumbalen Wir-belkanals
spielt sich die eigentliche Bandscheibenchirur-gie ab. Die
Medialisierung des Durasackes mit den austre-tenden Nervenwurzeln
erlaubt einen direkten Einblick indiesen Raum, nachdem man bei
L5/S1 das Flavum undbei L4/5 und in höheren Segmenten zusätzlich
Anteiledes Bogens entfernt hat. Nach reiner Flavektomie undDura-
bzw. Nervenwurzelmedialisierung stellen sich beiL5/S1 die diskale
und teilweise auch die supra- und infra-diskale Ebene des ventralen
Epiduralraumes dar. Bei L4/5und in den höheren Segmenten blickt man
nach Mediali-sierung der Dura bzw. der austretenden Nervenwurzelauf
die Hinterfläche des Wirbelkörpers mit seiner vonVenengeflechten
durchzogenen ventralen epiduralenMembran in der infradiskalen
Ebene. Bei einer zu erwar-tenden Pathologie in der diskalen Ebene
sollte man dieweiter infradiskal gelegene, stark durchblutete,
retrover-tebrale Region meiden, um epidurale Venenblutungen
zuverhindern. Das Aufsuchen des lateralen Durarandes er-folgt am
besten in der diskalen Ebene. Infradiskal kannman in die Achsel,
d.h. zwischen Dura und Wurzel, gera-ten und die Wurzel lateral
nicht bemerken, was beson-ders für das Segment L5/S1 zutrifft.
Wurzel-/Duramedialisierung
Wenn lateraler Durarand bzw. lateraler Rand der S1-Wur-zel im
Segment L5/S1 einwandfrei identifiziert sind, er-folgt die
Medialisierung des Dura-Wurzel-Komplexes zurDarstellung des
ventralen Epiduralraumes mit der dortbefindlichen Protrusion bzw.
dem Prolaps. Die Mediali-sierung beginnt mit 1 bzw. 2
4,5-mm-Dissektoren, diedann durch den Love-Wurzelhaken ersetzt
werden. DieseMedialisierung muss schrittweise und behutsam
erfol-gen, da Durasack und Wurzelrand oft stark gespannt
sind.Wurzel- und Duraretraktion dürfen nicht zu lange
hinter-einander erfolgen, weil weiterer Druck auf die
vorgeschä-digte Wurzel zu Schäden führen kann. Die Retraktion
er-folgt intermittierend und wird z.B. immer dann unter-brochen,
wenn der Rongeur gereinigt wird. Bei ungeüb-ten Assistenten hält
der Operateur den Wurzelretraktorbesser selbst. Die ebenfalls
angespannten epiduralen Ve-nen, die wegen der Dehnung kaum oder
überhaupt nichtmit Blut gefüllt und deswegen schlecht zu sehen
sind,können beim Medialisierungsvorgang einreißen. WennWurzel bzw.
Durarand noch nicht ausreichend mediali-siert sind, sollte in
dieser Phase noch keine Blutstillungvorgenommen werden, da sonst
Verletzungsgefahr be-steht. Bei störender Blutung vor der
Medialisierungwird der abgeflachte Spezialsauger (Kap. 6.1.18)
ein-gesetzt und dient als Retraktor für Dura und Wurzel-rand.
Cave: Ein freier Sequester kann bei der Dura und
Wur-zelmedialisierung mitmedialisiert werden. Wurzel undDura
sollten dann wiederholt vorsichtig angehobenwerden, damit man den
darunter liegenden Raum mitdem Nervenhäkchen und der gebogenen
Fasszangeexplorieren kann (Abb. 8.11).
Auch kann ein mobiler subligamentärer Sequester durchdie
intraoperativen Manipulationen z.B. mit dem Love-Haken wieder
reponiert werden und ins Bandschei-benzentrum zurückgleiten. Er
sollte nach Anulusinzisiontrotzdem entfernt werden, weil er sich
unter axialerBelastung wieder nach dorsal verschiebt und
vorwölbt.
Identifikation des ventralen Epiduralraumes
Wenn lateraler Durarand bzw. Nervenwurzel sichermedialisiert
sind und sich unter dem Love-Haken befin-den, erfolgt die
Identifikation des ventralen Epiduralrau-mes.
Cave: Die abgeplattete Wurzel kann über eine großeProtrusion
gespannt sein und den hellen Aspekt vonBandscheibengewebe
vortäuschen. Nicht gleich zufas-sen. Erst den lateralen Rand
darstellen.
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Mit dem 4-mm-Dissektor werden noch restliches Epidu-ralfett bzw.
Venen zur Seite geschoben, bis Wirbelkörper-rückfläche bzw.
dorsaler Bandscheibenraum zu sehen sindbzw. mit dem
2-mm-Mikrodissektor ausgelotet werdenkönnen. Die mit dem
Mikrodissektor punktierte Band-scheibe muss mit der Nadelmarkierung
übereinstimmen.Kaudal hiervon tastet man mit dem längeren
Nervenhäk-chen nach lateral den Pedikel. In Zweifelsfällen ist
jetzteine Röntgenkontrolle durchzuführen. Aus der Beziehungzwischen
Nadelmarkierung, im Zwischenwirbelraum lie-gendem Mikrodissektor
und unterem Bogenrand (OIE,UIC) ergibt sich die exakte aktuelle
Topographie.
Extraktion
Die Extraktion des dislozierten Bandscheibengewebesstellt das
eigentliche Ziel der lumbalen Bandscheiben-operation dar. Kein
Prolaps ist zu groß, um ihn nicht auseinem Mikrositus entfernen zu
können. Die Extraktionerfolgt schrittweise. Sobald Wurzel und
Durasack ausrei-chend medialisiert und vom Love-Haken geschützt
sindund der ventrale Epiduralraum identifiziert ist, sollteman das
sichtbare Sequestermaterial mit der schmalenFasszange (Maulbreite
1,5 mm) entfernen, um die Sichtzu verbessern. Nur eindeutig
identifizierbare Bandschei-benfragmente sollten gefasst werden. Bei
Blutungenist der Sauger in der oberen oder unteren Situseckezu
platzieren, um eine einwandfreie Sicht zu gewährlei-sten.
Cave: Nie in den Blutsee fassen. Bandscheibengewebedarf nur
unter Sicht gefasst und extrahiert werden.Die Wurzel könnte unter
dem Love-Haken hervorge-glitten sein.
In der Regel ist auch sequestriertes Bandscheibenmaterialnoch
von der ventralen epiduralen Membran umgeben,die mit dem stumpfen
Dissektor ohne weiteres durchsto-ßen werden kann. Die
Perforationsstelle sollte man kleinwählen und mit der spreizenden
Prolapsfasszange vor-sichtig bougieren, um nicht die in der
ventralen Epidural-membran zahlreich vertretenden Venen zu
verletzen. Inder Regel gelangt man unter der ventralen
Epiduralmem-bran, welche das dislozierte Bandscheibenmaterial
um-hüllt, durch vorsichtiges Ausloten mit dem 2-mm-Dissek-tor zur
Perforationsstelle im Anulus fibrosus. Die Orien-tierung zum
Bandscheibenraum ist unproblematisch,wenn sich die Protrusion in
der diskalen Ebene befindet.Sollten noch Anteile des dorsalen
Anulus fibrosus das dis-lozierte Bandscheibengewebe überdecken, ist
eine Läng-sinzision mit dem halbstumpfen Flavummesser
erforder-lich. Das dislozierte Bandscheibengewebe wird in der
Re-gel als größeres Gewebestück in toto extrahiert. Weitertiefer
intradiskal gelegenes Bandscheibengewebe kannnicht mehr als
eigentlicher Prolaps bezeichnet werdenund sollte als Präparat 2
gekennzeichnet und einge-schickt werden (als intradiskales
Gewebe).
Die Extraktion des intradiskalen mobilen Bandschei-bengewebes
erfolgt mit einer 2-mm-Fasszange mit Tiefe-nanschlag (Kap. 6.1.13).
Die auf 2//3 des Bandscheiben-durchmessers eingestellte
Prolapsfasszange mit Tiefen-anschlag soll eine Perforation des
ventralen Anulus fibro-sus mit Verletzung der großen Bauchgefäße
verhindern.Mit der gebogenen Prolapsfasszange werden
dorsolateralund dorsomedial neben der Perforationsstelle
gelegeneFragmente aufgespürt und extrahiert. Die gebogene
Fas-szange dient auch zur (vorsichtigen) Exploration des me-dialen
Epiduralraumes unter der Dura und lateral imForamen
intervertebrale. Die Entfernung intradiskalerFragmente von der
Perforationsstelle im dorsalen Anulusfibrosus aus erfolgt solange,
bis sich keine nennenswer-ten Fragmente mehr extrahieren lassen.
Eine Kürettagedes Zwischenwirbelabschnitts ist nicht erforderlich,
weilsie keine besseren Ergebnisse bringt (Balderston 1991,Dyk 1998,
McCulloch 1989, Postacchini 1998, Yoshizawa1998). Wenn der
Zwischenwirbelabschnitt durch degene-rative Sinterungen soweit
verschmälert ist, dass die Pro-lapsfasszange nicht hineinpasst,
sollte man auf eine wei-tere Exploration verzichten. Zwischendurch
wird der in-tradiskale Raum mit einer geraden Knopfkanüle
(Kap.6.1.15) unter kräftigem Druck mehrmals gespült. Der inden
Epiduralraum ragende Aufbruchrand des Anulusfibrosus, der die
Nervenwurzel von ventral weiter irritie-ren könnte, sollte mit der
Prolapsfasszange soweit wiemöglich entfernt werden. Gleiches gilt
für dorsale Exo-phyten, die mit dem Mikrospezialmeißel (Kap.
6.1.14)abgetragen werden.
Exploration (Situskontrolle)
Nach Extraktion des dislozierten Bandscheibengewebesist die
Menge des entfernten Bandscheibenmaterials mitder Größe des Prolaps
im MRT bzw. CT zu vergleichen. Beierheblichen Diskrepanzen ist eine
Überprüfung der Topo-graphie ggf. mit Röntgenkontrolle
erforderlich.
Cave: Bei länger zurückliegendem MRT kann sich einextradiskaler
Sequester verlagert oder bereits weitge-hend aufgelöst haben.
Die Revision der unmittelbaren Umgebung des Operati-onssitus
erfolgt entweder unter Sicht durch Anwinkelndes Mikroskopes
(mikroskopische Epiduroskopie) unddurch Austasten mit dem
3-mm-Nerven- bzw. Explorati-onshäkchen (Kap. 6.1.16). Nach
nochmaliger Medialisie-rung von Dura und Nervenwurzeln kann man mit
diesemHäkchen auch die ventrale epidurale Membran zur
Perfo-rationsstelle hin ausdrücken (ausmelken), um
etwaigeRestfragmente zu gewinnen. Ein weiterer Schritt zurventralen
epiduralen Exploration stellt das Ansaugen et-waiger Restfragmente
mit einer an der Spitze rechtwink-lig angebogenen Knopfspülkanüle
dar. Diese wird mitdem Schlauch des Saugers verbunden und mit
ihrerSpitze unter Durasack und Nervenwurzel geschoben. Ab-
8.1 4 Phasen 53
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Abb. 8.12 Hautnaht (intrakutan mit Vicryl) nach lumbaler
Mi-krodiskotomie.
schließend ist über diesen Zugang auch eine ausgiebigeSpülung
des ventralen Epiduralraumes auch unter derDura bzw. Nervenwurzel
möglich. Die nächst höhere bzw.tiefere Etage sondiert man mit der
Knopfsonde. Bei Opera-tionsende müssen Dura und Nervenwurzel
beweglich sein,jedenfalls deutlich mobiler als vor der
Dekompression.
Wundverschluss
Nach Entfernung des Retraktors wird der Situs nach Blu-tungen im
Muskel und Unterhautfettgewebe überprüft.Eine subfasziale
Redondrainage ist nur nach größerenepiduralen Blutungen und nach
größeren Knochenresek-tionen (Hemilaminektomie) erforderlich. Die
Faszienre-konstruktion erfolgt nur in Höhe des Hautschnitts.
DieHautnaht ist intrakutan möglich, da die Wundränder kei-ner
Spannung ausgesetzt sind.
8.2 Spezielles Vorgehenim Segment L5/S1
8.2.1 Besonderheiten im Segment L5/S1
Das Segment L5/S1 ist im mikrochirurgischen Situs leich-ter zu
identifizieren als die darüber liegenden Segmente.Kranial liegt der
relativ schmale Bogen L5, kaudal diekontinuierliche Knochenlinie
des Os sacrum, die mit demFinger oder dem Raspatorium in Phase 2
als durchge-hende Knochenstrecke getastet werden kann.
Cave: Bei Lumbalisation von S1 gibt es im SegmentL5/S1 kaudal
noch ein Flavum mit einem S1/S2-Inter-laminarraum. Bei einer
Lumbalisation mit 6-gliedrigerLWS ist das Segment L5/S1 die
vorletzte Bandscheibe.Die Anordnung von Durasack und Wurzeln in
Phase 4entspricht dem normalen L5/S1-Situs bei normal ge-gliederter
5-teiliger LWS.
Beim Zugang zum Segment L5/S1 trifft man in Phase
2(Lamina/Flavum) im lateralen Bereich des Situs auf
einenfettgefüllten Hohlraum dorsal der Facette, der
mitunterzähflüssige Synovialflüssigkeit enthält. Dieser Raum
ent-steht dadurch, dass das lumbosakrale Wirbelgelenk an-ders als
die darüber liegenden quer steht und mit seinemmedialen Gelenkrand
und somit mit Ausläufern der Ge-lenkkapsel an den lateralen
Fensterrand angrenzt. Derventrale Teil der Gelenkfacette kann
mitunter weit nachmedial reichen, so dass die eigentliche
Fensterung desLig. flavum für L5/S1 in einer tieferen Schicht
medial er-folgt.
Die Bandscheibe befindet sich in der Mitte zwischenden Laminae.
Bei Verschmälerung des Zwischenwirbe-labschnitts und breitem Bogen
L5 kann sie sich auch ähn-lich wie im L4/5-Situs im kranialen
Drittel des interlami-nären Fensters befinden.
Cave: Häufiger als in anderen Segmenten gibt es Bo-genanomalien
bei L5 und S1 (Spina bifida). Beim Auf-suchen der oberen
interlaminären Ecke (OIE) mit demRaspatorium ist darauf zu achten
(a. – p. Aufnahme!).
Die S1-Wurzel ist die einzige Wurzel, die im
Wirbelkanalaußerhalb des Durasackes eine Bandscheibe überquert.Sie
ist mit reichlich epiduralem Fett umgeben und solltemit ihrem
medialen und lateralen Rand genau identifi-ziert werden, bevor man
den ventralen Epiduralraum ex-ploriert.
Der Sakralkanal kaudal der L5/S1 Bandscheibe enthältim ventralen
Epiduralraum zahlreiche Venen. Dieser Be-reich sollte nur bei
infradiskaler Sequesterlage exploriertwerden, um unnötige Blutungen
zu vermeiden.
Tabelle 8.1 Anatomisch-chirurgische Besonderheiten im Seg-ment
L5/S1
> Palpatorische Identifikation durch die Knochenstreckedes Os
sacrum> Cave: Lumbalisation mit einem weiteren Lig. flavum
unterhalb von L5/S1> Cave: Spina bifida bei der
Bogenpräparation mit dem
Raspatorium> Synovialflüssigkeit im lateralen Situs von
Gelenkausläufern> S1-Wurzel traversiert die Bandscheibe>
Zahlreiche epidurale Venen im Sakralkanal
8.2.2 L5/S1 diskale Ebene
L5/S1 diskal, Phase 1: Hautschnitt
Der Hautschnitt erfolgt mit der Nadelmarkierung in derMitte.
Wenn der Dornfortsatz L5 zu tasten ist, beginnt derHautschnitt in
Höhe des Dornfortsatzes L5 und zieht sich3 cm nach kaudal.
54 8 Standardoperation: Interlaminärer Zugang
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Abb. 8.13 L5/S1 diskale Ebene,Phase 1: Hautschnitt.
Abb. 8.14 L5/S1 diskale Ebene Phase2: Lamina/Flavum.
L5/S1 diskal, Phase 2: Lamina/Flavum
Nach Längsinzision der lumbodorsalen Faszie 1 cm para-vertebral
und Anklemmen des medialen Faszienblattessucht man den knöchernen
Kontakt mit dem Raspato-rium an der Seitenfläche des Dornfortsatzes
L5. Aufsu-chen der oberen interlaminären Ecke mit der Unterkanteder
Lamina L5 im kranialen Teil des Situs.
Cave: Bei großem Fenster sollte man unbedingt imKnochenkontakt
mit dem Unterrand des Bogens L5bleiben, um mit dem Raspatorium
nicht das Lig. fla-vum zu perforieren.
Beiseiteschieben der Muskulatur, bis das Lig. flavum alsheller
Fleck in der Situsmitte erscheint. Auf diesen hellenFleck wird der
Retraktor ausgerichtet unter Beiseitehal-tung des medialen
Faszienblattes mit der Kocher-Klemme und der lateralisierten
Muskulatur mit dem Lan-genbeck-Haken. Danach erfolgt die
Anfertigung einerseitlichen Röntgenaufnahme mit Dissektor in der
obereninterlaminären Ecke.
L5/S1 diskal, Phase 3: Epidural posterior
Die Flavektomie erfolgt durch Längsinzision des Lig. fla-vum mit
dem halbscharfen Flavummesser im mittlerenDrittel. Mitunter stößt
man in dieser Phase auf lateraleAusläufer der Gelenkkapsel hinter
der ventralen Gelenk-facette, die mit Synovialflüssigkeit und
Fettgewebegefüllt ist. Der interlaminäre Raum muss dann
weitermedial aufgesucht werden.
Abb. 8.15 L5/S1 diskale Ebene Phase 3: Epidural posterior.
Nach lateraler Flavektomie sieht man in der Regel epi-durales
Fett. Darunter befindet sich die S1-Wurzel, diebei medialem Prolaps
stark nach lateral verlagert seinkann. Die Achsel der S1-Wurzel
findet sich in Höhe derBandscheibe, mitunter etwas darüber.
L5/S1 diskal, Phase 4: Epidural anterior
Nach Identifikation des lateralen Wurzelrandes S1 wirddie Wurzel
medialisiert.
Cave: Bei schmalem Durasack und bei großem Prolapskann die
S1-Wurzel soweit nach lateral gedrängt sein,dass sie sich im
lateralen Rezessus unter der Facettebzw. unter dem lateralen
Flavumrand befindet. Der la-terale Durarand könnte für die
S1-Wurzel gehaltenwerden.
Deswegen weiteres laterales Präparieren, vorsichtigesmediales
Palpieren mit dem stumpfen Dissektor zurIdentifikation des medialen
S1-Wurzelrandes. Nach Me-dialisierung der S1-Wurzel findet sich die
Bandscheibe inder Mitte des Situs. Das Foramen intervertebrale
L5/S1findet sich lateral in Höhe der Bandscheibe und oberhalbder
Bandscheibe mit der lateral austretenden L5-Wurzel.Kaudal lateral
findet sich der Pedikel S1.
Bei paramedian gelegenem Prolaps sollte immerversucht werden,
die S1-Wurzel zu medialisieren. Solltedies nicht gelingen, ist auch
eine vorsichtige Extraktiondes Prolaps medial der S1-Wurzel
möglich. Nach Prolaps-extraktion sollte die Medialisierung
erfolgen, um wei-
8.2 Spezielles Vorgehen im Segment L5/S1 55
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Abb. 8.16a u. b L5/S1 diskaleEbene Phase 4: Epidural
anterior.
Abb. 8.17 L5/S1 infradiskal, Phase1: Hautschnitt.
tere Manöver im Zwischenwirbelraum bei medialisierterWurzel (und
nicht aus der Achsel) durchzuführen.
8.2.3 L5/S1 infradiskale Ebene
L5/S1 infradiskal, Phase 1: Hautschnitt
Die Nadelmarkierung der diskalen Ebene L5/S1 findetsich im
oberen Drittel des Hautschnitts, der in der Regelam Unterrand des
Dornfortsatzes L5 beginnt, falls dieserpalpabel ist.
L5/S1 infradiskal, Phase 2: Lamina/Flavum
Der Zugang zum Lig. flavum L5/S1 erfolgt wie in der dis-kalen
Ebene über Knochenkontakt des Raspatoriums mitder Seitenfläche des
Dornfortsatzes L5 bis zum Unterrandder Lamina (obere interlaminäre
Ecke). Bei weit kaudalgelegenem Sequester kann man den Zugang auch
überknöchernen Kontakt mit dem Oberrand des Os sacrumwählen. Es
hängt von der Größe des interlaminären Fens-ters ab, ob man in der
Phase 2 im kaudalen Anteil des Si-tus mehr oder weniger größere
Flächen des Oberrandesdes Os sacrum vorfindet. Danach erfolgt die
Anfertigungeiner seitlichen Röntgenaufnahme mit Dissektor in
deroberen interlaminären Ecke bzw. am oberen Rand der La-mina des
Kreuzbeins.
Abb. 8.18 L5/S1 infradiskal, Phase 2:Lamina/Flavum.
L5/S1 infradiskal, Phase 3: Epidural posterior
Die laterale Flavektomie beginnt unmittelbar oberhalbder
S1-Lamina. Falls das Lig. flavum nicht groß genug ist,kann man auch
mit dem 2-mm-Kerrison mit einer Lami-notomie zwischen noch
stehendem Lig. flavum und Ober-kante des Os sacrum beginnen. Nach
lateraler Flavekto-mie bzw. Abtragung der Oberkante des Os sacrum
landetman bei L5/S1 infradiskal in der Regel zwischen Dura
undS1-Wurzel. Im kranialen Bereich des Situs sollte deswe-gen der
laterale Rand der S1-Wurzel identifiziert werden.In diesem
Abschnitt des Wirbelkanals findet sich reich-lich epidurales
Fettgewebe, welches geschont werdensollte. Um zu wissen, wie weit
kaudal revidiert werden
56 8 Standardoperation: Interlaminärer Zugang
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Abb. 8.19 L5/S1 infradiskal Phase 3: Epidural posterior.
Manch-mal müssen Teile der S1-Lamina durch Laminotomie
entferntwerden, um die nach kaudal dislozierten Fragmente zu
errei-chen.
Abb. 8.20a u. b L5/S1 infradiskal,Phase 4: Epidural
anterior.
muss, ist die diskale Ebene abgesehen von der Nadelmar-kierung
durch Punktion der Bandscheibe mit dem 2-mm-Dissektor zu
identifizieren.
L5/S1 infradiskal, Phase 4: Epidural anterior
Fett und die in diesem Bereich reichlich vorhandene epi-duralen
Venen müssen im ventralen Epiduralraum vor-sichtig manipuliert
werden, um stärkere Blutungen zuvermeiden. Venen, die sich bei der
Manipulation anspan-nen und ein weiteres Revidieren erschweren,
sollten pro-phylaktisch kauterisiert werden. Klar ersichtliche
Seques-teranteile sollte man in dieser Phase auch ohne
Identifi-kation der diskalen Ebene und der S1-Wurzel
vorsichtigextrahieren, um die weitere Revision spannungsfrei
zugestalten und zu erleichtern. Auch weit nach kaudal dis-lozierte
infradiskale Fragmente können sich unter derepiduralen Membran
verbergen. Verdächtige Vorwölbun-gen dieser Membran sollten
deswegen mit dem 2-mm-Dissektor punktiert werden. Vorher ist eine
Auslotungder Sakrumhinterfläche erforderlich. Bei L5/S1
infradiskalsind Manipulationen auch zwischen Dura und medialem
Wurzelrand möglich bzw. notwendig, da die Achsel sichweiter
kranial in der diskalen bzw. supradiskalen Ebenebefindet. Je nach
MRT-Befund ist die S1-Wurzel im latera-len Anteil des Sakralkanals
neben dem Pedikel nach kau-dal zu verfolgen, bis man sicher ist,
dass sich dort keineweiteren Fragmente befinden. Der Knochen des
Sakralka-nals kann dorsal in diesem Bereich ohne weiteres
abge-tragen werden. Die Verbreiterung der Nervenwurzel wei-ter
kaudal weist auf das beginnende Ganglion hin.
8.2.4 L5/S1 supradiskale Ebene
L5/S1 supradiskal, Phase 1: Hautschnitt
Beim Hautschnitt L5/S1 supradiskal findet sich die
Nadel-markierung der diskalen Ebene im unteren Drittel
derSchnittlänge. Der Dornfortsatz L5, falls palpabel, liegt inHöhe
des Hautschnitts.
L5/S1 supradiskal, Phase 2: Lamina/Flavum
Nach Faszieneröffnung erfolgt der Knochenkontakt mitdem
Raspatorium zur Seitenkante des Dornfortsatzes L5.Die knöcherne
Stufe zum Lig. flavum L5/S1 mit der obe-ren interlaminären Ecke
(OIE) findet sich im kaudalen Teildes Situs. Danach erfolgt die
Anfertigung einer seitlichenRöntgenaufnahme mit Dissektor in der
oberen interlami-nären Ecke.
L5/S1 supradiskal, Phase 3: Epidural posterior
Die Phase 3 supradiskal L5/S1 beginnt mit der Abtragungdes
Unterrandes des Bogens L5 in der oberen interlami-nären Ecke (OIE).
Der Bogen wird soweit abgetragen, bissich in der Mitte des Situs
ausreichend Lig. flavum füreine bequeme laterale Flavektomie
befindet. Mituntersieht man schon unter dem Bogen L5 Dura und
epidura-les Fett, so dass von hier aus die weitere laterale
Flavekto-
8.2 Spezielles Vorgehen im Segment L5/S1 57
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Abb. 8.21 L5/S1 supradiskal,Phase 1: Hautschnitt.
Abb. 8.22 L5/S1 supradiskal,Phase 2: Lamina/Flavum.
mie nach kaudal mit der 2-mm-Kerrison-Stanze erfolgenkann. Mit
der Abtragung des Bogens kraniolateral mussman vorsichtig sein, da
sich lateral das Wirbelgelenkbefindet. Im kaudalen Teil des Situs
entsprechend derdiskalen Ebene sollte lateral soweit Flavum bzw.
Bogen-rand abgetragen werden, bis der laterale Wurzelrand
S1identifiziert werden kann.Nach Abtragung des Unterrandes der
Lamina L5 (Lamino-tomie) sieht man nur den lateralen Durarand. Die
S1-Wurzel verläuft intrathekal.
Abb. 8.23 L5/S1 supradiskal,Phase 3: Epidural posterior.
L5/S1 supradiskal, Phase 4: Epidural anterior
Vor der Medialisierung müssen lateraler Dura- bzw. Wur-zelrand
identifiziert werden. Sodann erfolgt die Punktionder Bandscheibe im
kaudalen Anteil des Situs zur Orien-tierung und Bestimmung der
Strecke nach kranial, dieentsprechend dem MRT-Befund exploriert
werden muss.Alle Manipulationen im supradiskalen Abschnitt
müssenwegen der zahlreichen epiduralen Venen vorsichtig erfol-gen.
Kraniolateral findet sich der supradiskale Anteil des
Foramen intervertebrale L5/S1 mit der austretenden L5-Wurzel.
Kaudal lateral liegt der diskale Anteil des Fora-men
intervertebrale.
Fragmente in der supradiskalen Ebene können in denlateralen
Anteil bis ins Foramen L5/S1 vordringen. Siekönnen sich nach dem
letzten MRT-Befund weiter nachkraniolateral verlagert haben. Eine
weitere Knochenab-tragung nach kranial/kraniolateral ist nicht
möglich, weilman damit den tragenden Knochen der medialen
Facettegefährdet. Die Extraktion freier Sequester vom Wirbelka-nal
aus erfolgt in diesem Bereich durch vorsichtiges Zup-fen mit der
gebogenen Fasszange.
Cave: Keine weitere Knochenabtragung oberhalb derBandscheibe
nach lateral wegen der Gefährdung derStabilität.
Wenn es nicht gelingt, den nach kraniolateral
disloziertenSequester zu extrahieren, muss ein neuer Situs von
late-ral zum Foramen intervertebrale L5/S1 über den
inter-transversalen lateralen Zugang geschaffen werden.
8.3 Spezielles Vorgehen imSegment L4/5
8.3.1 Besonderheiten im Segment L4/L5
Im mikrochirurgischen Situs ist das Segment L4/5schwieriger zu
identifizieren als L5/S1, weil das Sakrumfür die palpatorische
Orientierung nicht zur Verfügungsteht. Die exakte Nadelaufnahme ist
ab L4/5 aufwärtsnoch bedeutender als im lumbosakralen Segment.
Palpa-torisch findet sich der interspinöse Raum L4/5 in Höheder
Beckenkämme, der intervertebrale Raum mit derBandscheibe L4/5 liegt
kurz darüber. Der interlaminareAbstand L4/5 ist kürzer und schmaler
als bei L5/S1. Umbequem den lateralen Durarand und die Bandscheibe
zuerreichen, muss der Unterrand des Bogens L4 abgetragenwerden. Im
Situs befinden sich auch nach Laminotomienur Dura und etwas
epidurales Fett. Die Wurzel L5 istallenfalls infradiskal lateral
auszumachen. Um Dura undVenen zu schonen, sollten Manipulationen
wie z.B. Me-dialisierung der Dura im kranialen Situsabschnitt
erfol-gen.
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Abb. 8.24a u. b L5/S1 supradiskal,Phase 4: Epidural
anterior.
Abb. 8.25 L4/5 diskale EbenePhase 1: Hautschnitt.
Cave: Bei massivem paramedialem Prolaps kann derlaterale
Durarand weit nach lateral verschoben sein.Punktion der Bandscheibe
nur nach einwandfreier Me-dialisierung des lateralen Durarandes in
der diskalenEbene.
Tabelle 8.2 Anatomisch/chirurgische Besonderheiten im Seg-ment
L4/5
> Genaue Nadelmarkierung, ein Sakrum steht für die Palpa-tion
nicht zur Verfügung> Interspinöser Raum (soweit palpabel) in
Beckenkamm-
höhe, die Bandscheibe kurz darüber> Flavum kleiner und weiter
medial> Im Situs nur Dura, wenig epidurales Fett, keine
Wurzeln> Die Bandscheibe L4/5 liegt im oberen Situsanteil
etwas
unter dem Bogen deswegen bei L4/5 immer Laminotomiedes
Unterrandes L4
8.3.2 L4/5 diskale Ebene
L4/5 diskal, Phase 1: Hautschnitt
Der Schnitt erfolgt neben dem unteren Anteil des Dorn-fortsatzes
L4, soweit dieser zu tasten ist, mit der Nadel-markierung der
diskalen Ebene in der Mitte.
L4/5 diskal, Phase 2: Lamina/Flavum
Nach paramedianer Faszieninzision gleitet das Raspato-rium an
der Seitenfläche des Dornfortsatzes L4 zur obe-ren interlaminären
Ecke, die sich etwa in der Mitte des Si-tus befindet. Das Lig.
flavum findet sich nur im kaudalenund medialen Anteil des Situs.
Zur besseren Darstellungdes Lig. flavum muss das Mikroskop u.U. um
20° nachmedial angewinkelt werden. Danach erfolgt die Anferti-gung
einer seitlichen Röntgenaufnahme mit Dissektor inder oberen
interlaminären Ecke.
Abb. 8.26 L4/5 diskale EbenePhase 2: Lamina/Flavum.
L4/ diskal, Phase 3: Epidural posterior
Der Zugang zum Wirbelkanal beginnt mit der Abtragungdes
Unterrandes des Bogens L4 in der oberen interlaminä-ren Ecke, bis
ausreichend Flavum für die laterale Flavekto-
8.3 Spezielles Vorgehen im Segment L4/5 59
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Abb. 8.27 L4/5 diskale Ebene Phase 3: Epidural posterior.
NachEntfernung des Unterrandes L4.
Abb. 8.28a u. b L4/5 diskaleEbene Phase 4: Epidural
anterior.
mie im Situs erscheint. Unter Umständen wird unter derLamina L4
schon die Dura sichtbar, so dass die weitere la-terale Flavektomie
von dieser Stelle aus mit dem 2-mm-Kerrison nach kaudal und lateral
erfolgen kann. Mansieht in dieser Phase nur Dura. Die Wurzel L5
befindetsich in der diskalen Ebene intrathekal. Der Wurzelabgangmit
der Wurzelachsel liegt kaudal unterhalb der Band-scheibe.
Cave: In der diskalen Ebene bei L4/5 medial keineWurzel
suchen!
L4/5 diskal, Phase 4: Epidural anterior
In der diskalen Ebene, d.h. im kaudalen Teil des Situs,müssen
Flavum und lateraler Bogenanteil soweit abgetra-gen werden, bis der
laterale Durarand einwandfrei identi-fiziert werden kann. Mitunter
kann ein großer Prolapsden lateralen Durarand weit nach lateral
dislozieren. Derüber den Prolaps gespannte laterale Duraanteil ist
ebensoblutarm und hell wie Bandscheibengewebe und kann mitdiesem
verwechselt werden.
Cave: Keine Manipulation an der „Bandscheibenpro-trusion“,
solange der Durarand nicht identifiziert undmedialisiert ist.
Das Aufsuchen des lateralen Durarandes bei L4/5 mussunbedingt im
kaudalen Teil des Situs erfolgen, weil eineLateralabtragung im
kranialen Situsanteil stabilisierendeBogenanteile gefährden.
Nach Medialisierung der Dura liegt die Bandscheibe inder Mitte
des Situs. Der laterale Rezessus mit der WurzelL5 und dem Pedikel
L5 liegen kaudolateral, kraniolateralfindet sich der supradiskale
Anteil des Foramen interver-tebrale L4/5 mit der austretenden
Wurzel L4. Bei älterenLeuten und (oder) Sinterung der Bandscheibe
L4/5 kanndie Bandscheibe L4/5 noch weiter unter dem Bogen L4liegen,
so dass bis zur Hemilaminektomie größere Bogen-anteile abgetragen
werden müssen, um einen vollen Ein-blick und Zugang in die diskale
Ebene L4/5 zu bekom-men.
8.3.3 L4/5 infradiskale Ebene
L4/5 infradiskal, Phase 1: Hautschnitt
Die Nadelmarkierung liegt im oberen Drittel des Haut-schnittes.
Dieser erfolgt zwischen den Dornfortsätzen L4und L5, soweit
Dornfortsätze zu palpieren sind. Die Posi-tion des Hautschnitts
hängt auch davon ab, wie weit derSequester nach kaudal disloziert
ist. Liegt er wie meistensunmittelbar unterhalb der Bandscheibe
L4/5 an der Hin-teroberkante des Wirbels L5, erfolgt das Vorgehen
eherwie beim Zugang zur diskalen Ebene L4/5.
L4/5 infradiskal, Phase 2: Lamina/Flavum
Nach Längsinzision der Faszie und Lateralisierung
derLumbodorsalmuskulatur gleitet das Raspatorium an derSeitenfläche
des Dornfortsatzes L4 zur oberen interlami-
60 8 Standardoperation: Interlaminärer Zugang
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Abb. 8.29 L4/5 infradiskal,Phase 1: Hautschnitt.
Abb. 8.30 L4/5 infradiskal, Phase 2: Lamina/Flavum. Abb. 8.31
L4/5 infradiskal, Phase 3, vor und nach Abtragen la-teraler
Bogenanteile. Die Wurzeldarstellung im Situs entsprichtL5/S1
diskale Ebene Phase 3.
nären Ecke am Unterrand des L4-Bogens. Die obere inter-laminäre
Ecke findet sich im kranialen Anteil des Situs.Nach Einsetzen des
Retraktors findet sich im kranialenAnteil der Unterrand des Bogens
L4 und im kaudalen An-teil der Oberrand des Bogens L5. Die
Situation ist ähnlichder Phase 2 L5/S1 diskal. Im Unterschied dazu
ist der In-terlaminarraum insgesamt kleiner mit mehr
Knochenan-teilen vor allem im lateralen Bereich. Schwenken
desMikroskops um etwa 20° bringt vollen Einblick in das
in-terlaminäre Fenster L4/5. Danach erfolgt die Anfertigungeiner
seitlichen Röntgenaufnahme mit Dissektor in deroberen
interlaminären Ecke.
L4/5 infradiskal, Phase 3: Epidural posterior
Längsinzision in das Lig. flavum im lateralen Anteil mitdem
halbscharfen Flavummesser. Abtragen des lateralenFlavums und des
lateralen Bogenrandes, bis der lateraleDurarand bzw. im kaudalen
Anteil des Situs die WurzelL5 mit Durarand sichtbar werden. Die
Achsel der L5-Wur-zel liegt unterhalb der Bandscheibe in Höhe der
Ober-kante des L5-Wirbelkörpers.
L4/5 infradiskal, Phase 4: Epidural anterior
Die Medialisierung der Dura und der austretenden L5-Nervenwurzel
infradiskal sollte vorsichtig und möglichstim kranialen Anteil des
Situs in der diskalen Ebene erfol-gen. Unter der L5-Wurzel hinter
dem Wirbelkörper L5findet sich der Prolaps in der Regel noch von
der epidura-
len Membran überzogen. Wenn es nicht gelingt, die
dortverlaufenden zahlreichen Venen unter dem
Love-Hakenunterzubringen, müssen die Gefäße prophylaktisch
kau-terisiert werden.
Cave: Medialisierung der L5-Wurzel infradiskal L4/5muss
vorsichtig und schrittweise erfolgen, Gefahr derFußheberparese.
Direkt lateral infradiskal neben der austretenden WurzelL5
findet sich der Pedikel L5. Kraniolateral beginnt in derdiskalen
Ebene das Foramen L4/5. Die darüber liegendeWurzel L4 ist weder
sicht- noch erreichbar.
Die weitere Verfolgung der L5-Wurzel nach kaudalerfordert eine
Abtragung des Bogens L5 nach kaudal undlateral. Hier ist der
gelenktragende biomechanisch wich-tige Bogenanteil in Gefahr.
Deswegen sollte die weiterelaterale Revision der austretenden
Wurzel L5 entwedervom Interlaminarraum L5/S1 oder durch den
lateralenSitus erfolgen.
8.3.4 L4/5 supradiskale Ebene
L4/5 supradiskal, Phase 1: Hautschnitt
Die Nadelmarkierung liegt im kaudalen Drittel des Haut-schnitts.
Der Schnitt erfolgt in Höhe des DornfortsatzesL4, soweit dieser
palpabel ist. Der Schnitt richtet sichnach dem Ausmaß der
Kranialdislokation des Sequesters.
8.3 Spezielles Vorgehen im Segment L4/5 61
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Abb. 8.32 u. b L4/5 infradiskal,Phase 4: Epidural anterior.
Abb. 8.33 L4/5 supradiskal,Phase 1: Hautschnitt.
Grundsätzlich wäre ein supradiskaler Sequester aus
derBandscheibe L4/5 auch durch das interlaminäre Fensterim kaudalen
Abschnitt L3/4 zu erreichen. Soweit identifi-zierbar, sollte der
Zugang jedoch immer so gewählt wer-den, dass die Perforationsstelle
der Donorbandscheibeauf Restsequester revidiert werden kann.
L4/5 supradiskal, Phase 2: Lamina/Flavum
Der Kontakt des Raspatoriums nach Faszienschnitt erfolgtmit der
Seitfläche des Dornfortsatzes L4 und endet in derTiefe auf den
Bogen L4, der den Situs (fast) vollständig aus-füllt. Zur besseren
Orientierung und vor allem, um einengeeigneten Zugang zum
Wirbelkanal zu schaffen, sollte imkaudalen Teil des Situs evtl.
durch Ankippen des Retrak-tors immer auch die obere interlaminäre
Ecke (OIE) L4/5mit dem Unterrand des Bogens L4 dargestellt werden.
Da-nach erfolgt die Anfertigung einer seitlichen Röntgenauf-nahme
mit Dissektor in der oberen interlaminären Ecke.
Abb. 8.34 L4/5 supradiskal,Phase 2: Lamina/Flavum.Der Situs wird
fast vollständigvom Bogen L4 eingenommen.
L4/5 supradiskal, Phase 3: Epidural posterior
Um die Supradiskalebene des L4/5-Segmentes zu errei-chen, ist
fast immer eine komplette Hemilaminektomieerforderlich.
Eingangspunkt für den 3-mm-Kerrison istdie obere interlaminäre
Ecke. Im Fenster sieht man nurDura, keine Wurzeln. Die weitere
Abtragung nach lateralmuss vorsichtig erfolgen, bis der laterale
Durarand er-reicht ist. Die Lateralabtragung des Bogens in diesem
Be-reich gefährdet die Stabilität durch Resektion tragenderElemente
der Interartikularportion. Deswegen sollte derlaterale Durarand
möglichst im kaudalen Teil des Situsaufgesucht werden.
Cave: Vorsichtige Manipulationen sind erforderlich,damit der
supradiskale Sequester nicht ins Foramenverschoben wird.
Abb. 8.35 L4/5 supradiskal,Phase 3: Epidural posterior.
62 8 Standardoperation: Interlaminärer Zugang
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Abb. 8.36a u. b L4/5 supradiskal,Phase 4: Epidural anterior.
Bei supradiskaler Sequesterlage ist deswegen auch einunmittelbar
vor der Operation angefertigtes MRT erfor-derlich. Hat sich der
Sequester weiter nach kraniolateralin den supradiskalen Anteil des
Foramen intervertebraleL4/5 verlagert, ist eine weitere Abtragung
des Bogens kra-niolateral nicht möglich. Deswegen erfolgt in diesem
Fallder Zugang am besten intertransversal lateral.
L4/5 supradiskal, Phase 4: Epidural anterior
Zur Orientierung im supradiskalen epidural anteriorenSitus
punktiert man die Bandscheibe L4/5 mit dem 2-mm-Dissektor. Kranial
und lateral davon findet sich dersupradiskale Anteil des Foramen
intervertebrale L4/5 mitder austretenden L4-Wurzel kranial. Lateral
der Punkti-onsstelle liegt der diskale Anteil des Foramen
interverte-brale L4/5. Weiter kaudolateral der Pedikel L5.
8.4 Spezielles Vorgehen in denSegmenten L3/4, L2/3, L1/2
8.4.1 Besonderheiten der höherenlumbalen Segmente
Bandscheibenvorfälle und Vorwölbungen mit
Nerven-wurzelkompression sind in den Segmenten L3/4, L2/3 undL1/2
selten (unter 5%), (Albert 1993, McCulloch 1998).Da Beckenkämme und
Os sacrum zur Orientierung weg-fallen, ist zur Segmentlokalisation
neben der präoperati-ven auch immer eine intraoperative
radiologische Über-prüfung erforderlich. Die Segmentüberprüfung
erfolgt inPhase 2, wenn die Lamina/Flavum-Ebene dargestellt
ist,noch bevor man den Wirbelkanal eröffnet hat. Die prä-operative
Nadelmarkierung dient wieder zur richtigenPositionierung der
Hautinzision senkrecht über dem Be-fund. Wegen der breiten Laminae
und der vollständigenÜberlappung des Zwischenwirbelabschnitts ist
der Zu-
Tabelle 8.3 Anatomisch-chirurgische Besonderheiten der obe-ren
lumbalen Segmente
> Schwierige Segmentidentifikation,
intraoperativeRöntgenkontrolle erforderlich> Breite Laminae mit
vollständiger Überlappung des
Zwischenwirbelraumes> Horizontaler Wurzelabgang> Schmaler
Wirbelkanal
gang zum Wirbelkanal in diesem Abschnitt nur übermehr oder
weniger umfangreiche Bogenabtragung mitHemilaminektomie möglich.
Bei der Bogenabtragung istlateral auf die Pars interarticularis zu
achten. Der Wirbel-kanal ist schmaler als im unteren Abschnitt der
Lenden-wirbelsäule, obwohl er intrathekal mehr
Neuroelemente(Spinalnerven) enthält. Im oberen LWS-Anteil haben
dieNervenwurzeln einen eher horizontalen Abgang aus
demDurasack.
L3/4, L2/3, L1/2 Phase 1: Hautschnitt
Der Hautschnitt hängt davon ab, ob man nur das extra-diskale
Fragment ohne Bandscheibenrevision entfernenwill oder ob die
Donorbandscheibe gleichzeitig darge-stellt werden soll. In der
Regel handelt es sich bei den hö-her gelegenen Segmenten um nach
kranial dislozierteFragmente, die sich in das Foramen
intervertebrale legen.Präoperativ muss die Entscheidung gefällt
werden, obsolche Fragmente durch einen dorsalen
interlaminärenZugang oder durch den paravertebralen
intertransversa-len Zugang entfernt werden.
Bei dorsalem interlaminärem Zugang sollte der Haut-schnitt so
erfolgen, dass sich das dislozierte Bandschei-bengewebe in der
Phase 4 in der Situsmitte befindet.Dementsprechend richtet sich wie
bei den darunter lie-genden Segmenten der Hautschnitt allein nach
der Na-
8.4 Spezielles Vorgehen in den Segmenten L3/4, L2/3, L1/2 63
Krämer/Herdmann/Krämer, Mikrochirurgie der Wirbelsäule (ISBN
3131283319) © 2004 Georg Thieme Verlag
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Abb. 8.37 L3/4, L2/3, L1/2,Phase 1: Schnittführungen für
diediskale, infradiskale und supra-diskale Ebene.
Abb. 8.38 L3/4, L2/3, L1/2, Phase 2: Lamina/Flavum in der
su-pradiskalen, diskalen und infradiskalen Ebene.
Abb. 8.39 L3/4, L2/3, L1/2, Phase 3: Epidural posterior
supra-diskal, diskal, infradiskal: In allen 3 Fällen muss die
Lamina ent-fernt werden (Hemilaminektomie), um in den Epiduralraum
zugelangen.
delmarkierung der diskalen Ebene. Bei supradiskalemSequester
liegt die Nadelmarkierung im unteren Dritteldes Hautschnitts, bei
diskaler Ebene in der Mitte und beiinfradiskaler Sequesterlage im
oberen Drittel des Haut-schnitts.
L3/4, L2/3, L1/2, Phase 2: Lamina/Flavum
Nach dem Hautschnitt, der Längsinzision der lumbodor-salen
Faszie und der Lateralisierung der Muskulatur stelltsich bei allen
3 Schnittführungen diskal, supradiskal undinfradiskal der breite
Bogen des nächst höheren Dorn-fortsatzes dar. Bei diskaler und
infradiskaler Zielrichtungempfiehlt es sich, wie in den darüber
liegenden Segmen-ten mit dem Raspatorium die obere interlaminäre
Eckeim kaudalen Situsanteil darzustellen, um mit der Stanzeden
Eingang in den Wirbelkanal zu finden. Bei supradis-kaler
Sequesterlage ist bei diesem Vorgehen immer einekomplette
Hemilaminektomie erforderlich. Eine Alterna-tive stellt in diesem
Fall die Abtragung des oberen Bogen-randes des nächst höheren
interlaminären Fensters dar.Man verzichtet dann allerdings auf die
Revision der Do-norbandscheibe. Nach Darstellung der
Lamina/Flavum-Ebene schiebt man einen Dissektor zwischen Lig.
flavumund Bogenunterrand der oberen interlaminären Ecke undfertigt
eine intraoperative Röntgenseitaufnahme an, umdas zu operierende
Segment zu identifizieren, noch bevorman den Wirbelkanal
eröffnet.
L3/4, L2/3, L1/2, Phase 3: Epidural posterior
Nach Entfernung der Lamina nach lateral bis zur
Inter-artikularportion sieht man in allen Ebenen, d.h.
supradis-kal, diskal und infradiskal Dura ohne wesentliche
Auf-lagerungen von epiduralem Fett. Die laterale Wirbel-kanalwand
muss mit dem Dissektor palpiert werden, umnicht die tragenden
Anteile der Interartikularportion ent-fernen zu müssen.
L3/4, L2/3, L1/2, Phase 4: Epidural anterior
Wenn der mittlere Anteil der Lamina bis lateral
zurInterartikularportion entfernt ist, palpiert man lateral
dieWirbelkanalwand. Eine Entfernung der Lamina bis zumlateralen
Durarand ist unbedenklich. Die Palpation derlateralen
Wirbelkanalwand mit dem Dissektor und Me-dialisierung des
Durasackes mit dem Dissektor bzw.Love-Haken erfolgen mit größter
Sorgfalt. Nach der Medi-alisierung wird zunächst der
Zwischenwirbelabschnittim betroffenen Segment mit dem
2-mm-Dissektor punk-tiert und ggf. im Röntgenbild dokumentiert. Je
nach Lagedes dislozierten Bandscheibengewebes orientiert mansich
jetzt nach kranial oder kaudal, um den Sequester zuentfernen. Das
Procedere entspricht den Manövern beiL4/5 diskal, supradiskal bzw.
infradiskal.
64 8 Standardoperation: Interlaminärer Zugang
Krämer/Herdmann/Krämer, Mikrochirurgie der Wirbelsäule (ISBN
3131283319) © 2004 Georg Thieme Verlag