Gesundheit Gesundheit Fachtagung Caritasverband für den Fachtagung Caritasverband für den LandkreisPeine LandkreisPeine Projekt „Salud“ Projekt „Salud“ 22. April 2009 22. April 2009 Prof. Dr. med. Wielant Machleidt Prof. Dr. med. Wielant Machleidt Zentrum Psychologische Medizin Zentrum Psychologische Medizin Medizinische Hochschule Hannover Medizinische Hochschule Hannover Kontakt: [email protected]Kontakt: [email protected]
49
Embed
Migration und seelische Gesundheit Fachtagung Caritasverband für den LandkreisPeine Projekt „Salud“ 22. April 2009 Prof. Dr. med. Wielant Machleidt Zentrum.
This document is posted to help you gain knowledge. Please leave a comment to let me know what you think about it! Share it to your friends and learn new things together.
Transcript
Migration und seelische GesundheitMigration und seelische GesundheitFachtagung Caritasverband für den LandkreisPeine Fachtagung Caritasverband für den LandkreisPeine
Projekt „Salud“Projekt „Salud“ 22. April 2009 22. April 2009
Prof. Dr. med. Wielant MachleidtProf. Dr. med. Wielant MachleidtZentrum Psychologische MedizinZentrum Psychologische Medizin
Bedeutungen und die therapeutische Beziehungsknüpfung.
Diagnose und Behandlung Inwiefern finden kulturelle Aspekte bei der Diagnosestellung und im Be-
handlungsplan Berücksichtigung?
Kulturelle Bedeutung körperlicher Symptome
„Medizinisch nicht erklärbare Symptome und Sorgen um körperliche Krankheit können eine kulturell geprägte Ausdrucksform von Belastung sein, die eingesetzt wird, um Sorgen um eine Vielzahl persönlicher und sozialer Probleme auszudrücken, ohne notwendigerweise auf psychopathologische Auffälligkeiten hinzuweisen.“ DSM IV 1996, S. 515
Psychische Störungen in Psychische Störungen in verschiedenen Kulturenverschiedenen Kulturen
• Die „Kulturelle Adoleszenz“ im Migrationsprozess geht mit schwer zu bewältigenden Stressoren bei erhöhter Vulnerabilität einher (Machleidt 2009, 2008, 2007)
• Maladaptive Erfahrungen im interpersonellen Umgang mit dem Körpererleben i.d. frühen Mutter-Kind-Beziehung
• VT-Ansätze: Fokussierung der Aufmerksamkeit auf Wahrnehmung von Körper(miss)empfindungen mit dem Risiko der Fehlinterpretation/-bewertung
Beziehung zwischen somatischen Symptomen und Depression
(Simon et al. 1999)
Zusammenfassung:
1. Somatische Symptome bei Depression sind ubiquitär2. Die Häufigkeit variiert abhängig von der Definition von
Somatisierung3. Somatische Symptome sind genauso „primär“ wie
psychologische Symptome4. Interkulturell bestehen keine Unterschiede bei der
„Somatisierung“5. Somatische Symptome sind Teil depressiver
Kernsymptomatik6. Somatisierung ist eine „somatosensorische Verstärkung“
von psychologischer Belastung
Beziehung zwischen somatischen Symptomen und Depression
(Simon et al. 1999)
Zusammenfassung:
7. Somatisierung ist Abwehr gegen Belastung8. Somatisierung ist alternativer Ausdruck von Belastung
(„idiom of distress“) 9. Somatisierung ist symbolische Körpersprache für Belastg.10.Somatisierung ist die „Eintrittskarte“ zum Medizinischen Versorgungssystem („fakultative Somatisierung“)11.Korrelation zwischen Vertrautheit der Arzt-Patient
Beziehung und Somatisierung12.Keine Korrelation zwischen Somatisierung und
Akkulturation
Psychische Störungen in Psychische Störungen in verschiedenen Kulturenverschiedenen Kulturen
Somatisierung als Befindlichkeitsstörung
Depression
Psychosen
Sucht
Kulturelle Symptomvariationen bei depressiven Episoden (1)
Kernsymptome (DSM-IV 1994):
• Depressive Stimmung• Vermindertes Interesse oder Freude• Gewichtsverlust oder -zunahme• Schlafstörungen• Psychomotorische Agitation oder Apathy• Erschöpfung oder Energieverlust Gefühle von Wertlosigkeit oder Schuld• Verminderte Fähigkeit für Denken und
Kulturelle Symptomvariationen bei depressiven Episoden (2)
Gefühle von Wertlosigkeit, Selbstanklagen und Schuld (wahnhaft):
sind häufiger in westlichen als in nicht-westlichen Kulturen z.B. Afrika, Mittlerer Osten, Asien u.a.(Sartorius et al. 1983).
sind in nicht-westlichen Kulturen eher verknüpft mit Themen wie Familie, Vorfahren, Freunde, Sozialstatus als z.B. mit ‘Gott’ wie in westlichen Kulturen
Kulturelle Symptomvariationen bei depressiven Episoden (3)
Psychotische Symptome: Halluzinationen und Wahn sind in nicht-
westlichen Ländern weniger häufig dort aber häufiger bei nicht-psychotischen Störungen (Pfeiffer 1994).
Akustische und optische Halluzinationen Wahnthemen sind typischer Weise
Somatisierung, Religion und Verfolgung (und weniger häufig Schuld, Wertlosigkeit und Armut)
Kulturelle Symptomvariationen bei depressiven Episoden (4)
Unterscheidung falsch psychotischer Symptome: Angst, verhext zu sein Gefühle von „Hitze im Kopf“ Krabbelsensationen von Würmern oder Ameisen Lebendige Eindrücke, heimgesucht zu werden von
verstorbenen Vorfahren Aber CAVE:
Ein Symptom darf nicht übersehen werden, indem es irrtümlicherweise als „Norm“ einer gewissen Kultur betrachtet wird!
Häufigkeit und Risikofaktoren für Depression bei älteren Türkischen und Morokkanischen
Migranten in den Niederlanden (van der Wurff et al: J Affect Disord 2004)
Prävalenz bei älteren Migranten (55-75 Jahre):
Aus Marokko 33,6 %, aus der Türkei 61,5 %
Bei einheimischen Niederländern 14,5 %
Ausbildungsgrad und Einkommen von Migranten waren
sehr niedrig
Hohe Zahl körperlicher Behinderungen und chronischer
medizinischer Erkrankungen
Der Faktor ethnische Herkunft war allein für sich mit dem
Mit einem Anteil von 45,7 % sind Migranten in der ambulanten Nachbetreuung in
der Institutsambulanz unterrepräsentiert. Keine Unterschiede zwischen Einheimischen und Migranten:
Häufigkeit der Diagnose Behandlungsdauer (6-7 Jahre) Psycho-sozialer Risikoscore Intensität der Behandlung Langzeithospitalisation Dosis der Neuroleptikagabe
Unterschiede zwischen Einheimischen und Migranten:
Dauer zwischen Erstdiagnose und Erstkontakt zur ambulanten Nachsorge ist bei Migranten halb so lang wie bei Einheimischen (3 anstatt 6 Jahre)
Migranten erhalten häufiger eine Depot-Neuroleptikagabe
Psychische Störungen in Psychische Störungen in verschiedenen Kulturenverschiedenen Kulturen
Somatisierung als Befindlichkeitsstörung
Depression
Psychosen
Sucht
Vorläufige Ergebnisse: Russen trinken mehr Alkohol als Türken
Präventives Gesundheitsverhalten von Migranten
Beispiel SuchtKonzept interkultureller Gesundheitsmediatoren (Salman und Kimil 2006, EMZ)
„Keypersons“ der Zielgruppe als „muttersprachliche Präventionsberater“
Schulung der „Keypersons“ zu Themen der Sucht, der Prävention und der Einrichtungen und Aufgaben der Suchthilfe
Mehrsprachige Aufklärungsveranstaltungen der „Keypersons“ als „muttersprachliche Präventionsberater“ („Komm“- und „Zugeh“-Strukturen)
Migration und Sucht: RisikenMigration und Sucht: Risiken
Stressoren der Migration und Droge Spannungsaufschub (Grüsser et al. 2005)
Unterdrückte Trauer- und Anpassungsprozesse (2. Generation) (Sluzki 2001)
Droge als identitätsstiftender Faktor in der Peergroup (v. Schlippe 2003)
Enttäuschung über mangelnde soziale Teilhabe (Strobl und Kühnel 2000)
Wegfall traditioneller Einbindung und kultureller Steuerungsmechanismen (Pfeiffer 1996, Topraz und Lorenzen 2008)
Risikogruppe: junge männliche Migranten (Osteuropa): Interkulturelle Norm- und Wertekonflikte
Versorgung abhängiger MigrantenVersorgung abhängiger Migranten Unterrepräsentation in Einrichtungen (Hannover: ca. 5% von 20% der
Drogenkonsumenten plus Aussiedler ⅓) der Suchthilfe in Ballungszentren (Ängste vor aufenthaltsrechtlichen Folgen) (Haasen 1997, Haasen et al. 2001, Salman und Tuna 2001, Topraz und Lorenzen 2008)
Unterschiedliches Krankheitsverständnis (Konzepte von körperlicher Abhängigkeit und Kontrollminderung sind inakzeptabel ebenso wie als Krankheit) (Heinz et al. 2006)
Versuch innerfamiliärer Lösungen (Machleidt 2005)
Leitlinien als Handlungsempfehlungen für die Praxis (Kimil et al. 2006, Salman und Tuna 2001, Topraz und Lorenzen 2008)
Prävention: „Key persons“ – Ansatz (Salman 2007, Walter et al. 2007)
Suchterkrankungen und –behandlung bei Aussiedlern aus osteuropäischen
bzw. GUS-Staaten (1)
Deutlich erhöhte Häufigkeit stoffgebundener Süchte: 3-fach Alkohol, Drogen
Spezialstation für muttersprachliche (polnisch, russisch) Entwöhnungsbehandlung (Alkohol-, Medikamentenabhängigkeit)
Spezialstation für muttersprachliche (russisch) Entzugsbehandlung Drogenabhängiger Aussiedler (peer-groups setting)
Suchterkrankungen und –behandlung bei Aussiedlern aus osteuropäischen
bzw. GUS-Staaten (2)
Passive Erwartung medizinischer Behandlung: Distanz zur sprechenden Medizin, Familienaufklärung
Drogenabhängige Aussiedler kommen doppelt so schnell in Behandlung wie Deutsche (3,5 statt 8,5 Jahre nach Krankheitsbeginn u. sind jünger: 23 Jahre vs. 28 Jahre)
Sprach- u. kulturkompetentes Personal unverzichtbar (Deutschkurse)
AIDS- und Hepatitis-Prävention mehrsprachig! Ethnische Spezialisierung und Vernetzung (Selbsthilfe,
Prävention, Beratung, Therapie) Öffnung und Niederschwelligkeit des Suchthilfesystems!
Besonderheiten der Behandlung suchtmittelabhängiger Aussiedler: