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Ernst Lauermann/Peter Trebsche (Hrsg.) Beiträge zum Tag der Niederösterreichischen Landesarchäologie 2015
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Metallverarbeitende Werkstätten im römischen Vicus von Neunkirchen. Die Ergebnisse der Grabung 2011

Apr 25, 2023

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Josh Lange
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Page 1: Metallverarbeitende Werkstätten im römischen Vicus von Neunkirchen. Die Ergebnisse der Grabung 2011

Ernst Lauermann/Peter Trebsche (Hrsg.)

Beiträge zum Tag der Niederösterreichischen Landesarchäologie 2015

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Impressum

Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums N. F. 521Asparn/Zaya 2015

Grafik, Layout: Andreas KubineczDruck: Bösmüller Print Management GesmbH & Co. KGISBN: 3-85460-288-X

Umschlagbild: Hollabrunn „An der Aspersdorfer Straße“: Profil der teilweise freigelegten Urne Objekt 4/2014 (Foto: Landessammlungen Niederösterreich, Norbert Weigl).

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Vorwort zum 6. Tag der NÖ Landesarchäologie

Am 13. Juni findet heuer zum 6. Male der Tag der Nieder-österreichischen Landesarchäologie statt. Dieser Tag, an dem neue Forschungsergebnisse der Landesarchäologie vorgestellt werden, ist aus dem jährlichen Forschungsbe-trieb nicht mehr wegzudenken. Das heurige Jahr steht unter einem besonderen Stern für die Ur- und Frühge-schichtsforschung in Niederösterreich, denn fünf junge aufstrebende Wissenschaftler konnten im Rahmen der Neuerrichtung des Zentrums für Museale Sammlungswis-senschaften an der Donau-Universität Krems angestellt werden. Dies war mir immer ein Herzensanliegen, dass die wissenschaftliche archäologische Forschung auch in Zukunft weitergehen kann, daher ein besonderer Dank dem Land Niederösterreich, dass dies ermöglicht wurde. Auch heuer, wo MAMUZ in Asparn und Mistelbach sich als Kompetenzzentrum für Ur-, Frühgeschichte und Mit-telalterarchäologie weiter bestens bewährt, ist es beson-ders wichtig, Bevölkerungsschichten anzusprechen, die vielleicht das erste Mal in der Region sind und so auch die Möglichkeit haben, einen Blick hinter die Kulissen des Museums zu werfen. Internationale Sonderausstellung (heuer ÖTZI), Dauerausstellung, archäologisches Freige-lände und wissenschaftliche Forschung haben einen Bil-dungsauftrag, den es heißt nach Kräften zu erfüllen. Die Bedeutung unseres archäologischen Erbes muss in den Köpfen der Menschen möglichst stark verankert wer-den. Das ist der Auftrag und die Herausforderung, der wir uns zu stellen haben.Ich freue mich sehr, Sie am Tag der Niederösterreichi-schen Landesarchäologie begrüßen zu dürfen.

Dr. Ernst LauermannLandesarchäologe für Ur- und Frühgeschichte und

Mittelalterarchäologie

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Inhaltsverzeichnis

Martin Krenn und Martina Hinterwallner: Die archäologische Denkmalpflege in Niederösterreich in den Jahren 2013/2014. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

Nadine Eibler: Leben und Sterben in Niederhollabrunn im Lauf der Jahrtausende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .12

Hannes Schiel, Peter Trebsche und Karin Wiltschke-Schrotta: Der älteste Neunkirchner – eine Hockerbestattung der Badener Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

Roland Haubner, Susanne Strobl, Susanne Klemm und Peter Trebsche: Prähistorische Kupfergewinnung im südöstlichen Nieder österreich – archäometallurgische Untersuchungen an alten und neuen Fundstücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

Ernst Lauermann und Tobias Kurz: Schon wieder sieben Gräber an der Aspersdorfer Straße. Das urnenfelderzeitliche Gräberfeld von Hollabrunn „An der Aspersdorferstraße“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

Karin Wiltschke-Schrotta: Niederösterreichs Kelten – aus der Sicht der Anthropologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

Maria Linke und Susanne Baumgart: Eisenzeitliche und frühmittelalterliche Siedlungsspuren im nördlichen Hollabrunner Land. Die Grabungen 2013/2014 in Aspersdorf und Hollabrunn-Kaplanstraße . . . . . . . . 50

Verena Gassner: Metallverarbeitende Werkstätten im römischen Vicus von Neunkirchen. Die Ergebnisse der Grabung 2011 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

Hubert Emmerig und Johannes Hartner: Frühe Pfennige aus Österreich – ein neuer Hortfund des 12. Jahrhunderts aus Frauenhofen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

Karin Kühtreiber: Zur Sitte der Gefäßbeigabe in Gräbern des 15./16. Jahrhunderts in Ostösterreich und Südmähren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

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Verena Gassner

Der römische Vicus

Seit längerem ist bekannt, dass sich unter dem moder-nen Neunkirchen im Steinfeld ein römischer Vicus befand (Trebsche 1998; Ployer 2010; Das römische Neunkirchen 2013). Die ältesten Funde, vor allem Grabsteine, bezie-hen sich auf die Gräberfelder des Vicus und kamen in der Mehrzahl im späten 19. bzw. der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zutage, etwa beim Bau der Neunkirchner Druckfabrik in der Alleegasse oder beim Bau der Spinnfa-

brik Eltz in der Augasse (Schiel u. a. 2013). Insgesamt wurden bisher vier Gräberfelder unterschieden, von de-nen die beiden unmittelbar südlich der Schwarza gele-genen Fundgebiete A und B zu einer einzigen Nekropo-le gehört haben dürften (Abb. 1A–B; Erdrich/Gassner im Druck). Unter den hier gefundenen Steinen fanden sich auch zwei Porträt-Stelen, von denen jene der Ulpia Pri-ma (Krüger 1974, Nr. 18; www.ubi-erat-Lupa.org Nr. 432) aufgrund der Formel hic sita est noch ins 1. oder frühe 2. Jahrhundert gehören dürfte und so – ebenso wie der

Grabstein der Ehefrau eines Ve-teranen der 15. Legion (Mosser 2003, 257 Nr. 180, Taf. 26) – auf ein Anfangsdatum des Vicus im 1. Jahrhundert hinweist. 1937 wurde ein weiteres Gräberfeld im Süden des Vicus angeschnit-ten (Abb. 1C), in dem ein aus äl-teren Grabsteinen zusammen-gesetzter Plattensarkophag, ein weiteres Körpergrab sowie drei Brandgräber zum Vor-schein kamen. Als viertes Grä-berfeld von Neunkirchen wur-den schließlich die insgesamt 14 Brandgräber im Bereich der Gemeinde Natschbach ange-sprochen, die als Reste eines heute eingeebneten Hügelgrä-berfelds interpretiert wurden (Ployer 2010; Schiel u. a. 2013).

1Übersichtsplan der römischen Fundstellen in Neunkirchen (Plan: D. Serini nach Google Earth).

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Angesichts der Entfernung von mehr als einem Kilome-ter könnte diese Nekropole jedoch auch mit einer kleinen ländlichen Siedlung in Verbindung gebracht werden. Befunde aus dem Siedlungsbereich wurden in größerem Ausmaß erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beobachtet. In den Jahren 1990 und 1998 wurden im Bereich des Hauptplatzes sowie auf dem Parkplatz der Sparkasse an der Zeil Reste von in Holz errichteten Werk-stätten entdeckt, die deutliche Anzeichen einer Brand-zerstörung zeigten, ohne dass dieses Ereignis chrono-logisch eingeordnet werden konnte, da keine regulären Grabungen möglich waren (Abb. 1/1–2). Im Bereich des sog. Mühlfelds wurde ein etwa 1,50 m großer Töpfer-ofen gefunden (Abb. 1/3), in dessen Innerem sich Reste von Auerbergtöpfen und Dreifußschalen fanden, die eine Datierung ins 1. Jahrhundert ergaben (Haider-Berky 2013) und das schon anhand der Grabsteine vermutete Anfangsdatum des Vicus im 1. Jahrhundert bestätigten.

Die Grabungen 2011

Während die groben Umrisse des römischen Vicus von Neunkirchen damit bekannt waren, fehlten moderne Grabungen, die Erkenntnisse zur chronologischen Ent-wicklung ermöglicht hätten. Diese Gelegenheit bot sich erst 2011, als in einem zentralen Bereich des Vicus (Tries-terstraße Nr. 9; Abb. 1/5), nicht weit entfernt von dem oben angesprochenen Parkplatz der Sparkasse, Bauar-beiten stattfanden. Dank des Entgegenkommens des Grundbesitzers, Herrn David Vogelhuber, fand hier eine reguläre Grabung statt, die eine Nord–Süd verlaufende Schotterstraße sowie die Reste von zwei Gebäudekom-plexen (Gebäudekomplex 1 und 2; Abb. 2) freilegte, bei denen sich insgesamt fünf Bauperioden beobachten ließen (Igl 2011). Diese Befunde wurden 2012/13 im Rah-men von zwei Lehrveranstaltungen des Instituts für Klassische Archäologie der Universität Wien bearbei-tet und kürzlich gemeinsam mit M. Erdrich vorgelegt (Erdrich/Gassner im Druck). Im südlichen Bereich der

Grabung fand sich unter den kaiserzeitlichen Befunden eine jungneolitische Hockerbestattung (siehe Beitrag Schiel/Trebsche/Wiltschke-Schrotta in diesem Band).

Periode 1 und 2

Bei der ältesten Bebauung handelt es sich um Holzbau-ten, von denen sich nur mehr geringe Reste erhalten haben. Ihr Beginn kann in die erste Hälfte des 2. Jahr-hunderts gesetzt werden; sie gehörte also nicht zum ältesten Siedlungskern. Das erste Gebäude der Periode 1 wurde relativ rasch durch einen Neubau ersetzt, der an derselben Stelle wie das ältere Gebäude lag. Von ihm konnten die Südwestecke eines Raums als Verfärbung sowie ein Pfostenloch dokumentiert werden. Dieses Haus wurde durch einen Brand zerstört, der sich in der teilweisen Verziegelung des Lehms sowie massiven Brandschuttlagen manifestierte und um die Mitte des 2. Jahrhunderts zu datieren ist.

Periode 3

Wesentlich besser fassbar wird die Bebauung dieses Bereichs in Periode 3. An derselben Stelle wie zuvor, je-doch vermutlich mit einem gewissen zeitlichen Abstand wurde wieder ein Haus errichtet, dessen Westmau-er sich im Bereich des späteren Gebäudekomplexes 1 in Form einer breiten Ausrissgrube erhalten hat (SE 105N). Im Süden gehört dazu eine deutlich schmälere Innenmauer, die ebenfalls nur als Ausriss erhalten war (SE 113N). Da die Ausrissgruben der tragenden Mauern dieses Hauses mit einer Breite von rund einem Meter für einen reinen Holzbau zu massiv erscheinen, dürfte es sich um einen Fachwerkbau mit Steinfundament ge-handelt haben. Die Innenmauern waren vermutlich als Lehmwände ausgeführt, wie das Vorhandensein von Rutenputz andeutet. In dem von diesen Mauern einge-schlossenen Bereich fanden sich zwei kleine Öfen (SE 122 und 124), von denen vor allem der Ofen SE 122 ei-

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nen für Metallverarbeitung typischen birnenförmigen Grundriss erkennen lässt (Abb. 3). Von beiden Öfen sind nur die durch die Hitzewirkung verziegelten Brennkam-mern erhalten, das Aufgehende fehlt. Das Ensemble er-gänzt eine ca. 1,10 x 0,90 m große Grube (SE 110N), in der vielleicht ein mit Wasser gefüllter hölzerner Bottich stand. Ein weiteres gewerblich genutztes Haus wurde

im Süden unter dem späteren Gebäudekomplex 2 ange-troffen (Wandgräbchen SE 169N und SE 163N=SE 164N), bei dem wieder ein kreisrunder Ofen mit einem Durch-messer von 0,85 m (SE 160) auffällt, zu dem zwei oder drei annähernd runde, steilwandig eingetiefte Gruben gehören. Auch die Häuser der Periode 3 wurden durch Feuer zerstört, wie der durch Hitze verziegelte Hori-

Der römische Vicus von NeunkirchenTriesterstraße 9Grundstücknummer 146Maßnahmennummer 23321.11.02Grabung durch AS–Archäologie ServicePlangrundlage: R. Igl

Plangestaltung: R. Klingraber, J. Reiter, D. Swoboda, T. Winklehner

Periode 1

Periode 2

Periode 3

Periode 4

Periode 4 (Ausrissgrube)

Periode 4 (Estrich)

Periode 5

antike Straßenschotterung

rezente Störung

neuzeitliche Störung

jungneolith. Hockerbestattung

Bauphasen

Gebäudekomplex 1 Gebäudekomplex 2

Hockerbestattung

2Überblick über die Grabungsstelle Triesterstraße 9 (Plangrundlage: AS-Archäologie Service, R. Igl; Erstellung D. Svoboda, R. Klingraber, J. Reiter und Th. Winklehner).

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zont unter dem Gebäudekomplex 1, aber auch massive Brandschuttlagen klar erkennen lassen (Abb. 4). Reste der Ofenwandung, Schlacken sowie Buntmetall-funde, die Schnitt- und Hackspuren aufwiesen, also zum Umschmelzen vorbereitet wurden, weisen ebenso wie eine größere Menge von nicht näher bestimmbaren

Bronzeabschnitten und Blechschnipseln auf die Tätig-keit von metallverarbeitenden Betrieben hin. Allerdings fehlen Gussformen, Fehlgüsse oder Halbfertigproduk-te. Auffällig ist hingegen eine deutlich militärische Kom-ponente, etwa bei einer Beschlagplatte eines Cingulums vom Typ Klosterneuburg oder den Überresten eines

3Birnenförmiger Ofen (SE 122) für die Metallverarbeitung im Bereich der Grabungsfläche 1 (Foto: AS-Archäologie Service).

4Ausrissgrube der Westwand des Gebäudes der Periode 3 sowie der durch die Brandzerstörung verziegelte Horizont (Foto: AS-Archäolo-gie Service).

5Reste eines Schuppenpanzers aus Periode 3 (Foto: K. Klein, Institut für Klassische Archäologie, Universität Wien).

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Schuppenpanzers (Abb. 5; Erdrich/Gassner im Druck). Unter den zahlreichen Funden aus den Zerstörungs-straten der Periode 3 fanden sich die Fragmente meh-rerer Reliefschüsseln von Rheinzaberner Töpfern, die der Gruppe 2 nach Bernhard angehören und damit in die spätantoninisch-frühseverische Zeit datiert wer-den können. Dieser chronologische Ansatz wird durch die Metallfunde, aber auch durch die Fein- und Ge-brauchskeramik unterstützt, die vor allem Parallelen im Repertoire des Steinkastells 2 in Carnuntum haben. Eini-ge Topfformen der grautonigen Ware, wie etwa die Töp-fe mit kurzem ausgebogenem Rand zeigen bereits die Entwicklung zur Spätantike an, sodass für sie eine Da-tierung ins 3. Jahrhundert sehr wahrscheinlich scheint (Erdrich/Gassner im Druck).

Periode 4

In Periode 4 wurden die Reste der Brandzerstörung einplaniert und auf ihnen zwei aus Stein gebaute Häu-ser errichtet, für welche die Parzellen neu eingemessen wurden. Die Westfront des Gebäudekomplexes 1 wurde dabei im Vergleich zum Haus der Periode 3 um etwa 2 m nach Westen verschoben, wodurch die alte Straße teil-weise überbaut und die Straße der Periode 4 weiter nach Westen verlegt wurde. Gebäudekomplex 1 (Abb. 2) be-steht aus zwei langgestreckten Raumfluchten (im Wes-ten Raum 1–2, im Osten Raum 3–5), die gut in das Bild römischer Vicushäuser passen und mit einer Breite von etwa 9 m den aus anderen Teilen des Reichs bekannten Verhältnissen entsprechen (Sommer 1988; Kaiser/Som-mer 1994, 309 ff.). Der 6 m südlich von Gebäudekomplex 1 gelegene Gebäudekomplex 2 weist eine in Relation zu Gebäudekomplex 1 nach Westen verschobene Orientie-rung auf, die nicht genau erklärt werden kann. Auch diese Gebäude werden von einer gut erkennbaren Zerstörungsschicht bedeckt, die jedoch im Unterschied zu den vorangegangenen Perioden keine Einwirkung von Feuer erkennen ließ. Wie vor allem im besser er-

haltenen Bereich des Gebäudekomplexes 2 beobachtet werden konnte, handelt es sich überwiegend um san-dig-lehmige Straten, die regelmäßig einen hohen Mör-telanteil enthielten. Dies könnte darauf hinweisen, dass die Häuser der Periode 4 nicht zerstört wurden, son-dern langsam verfielen. Die chronologische Einordnung dieser Bauten wird durch die Tatsache erschwert, dass vor allem die Verfall- oder Aufgabeschichten bereits stark durch neuzeitliche bzw. rezente Eingriffe gestört waren. Aufgrund der Datierung der Periode 3 in das spä-te 2. bzw. das erste Drittel des 3. Jahrhunderts wird für die Erbauung der Häuser ein Zeitpunkt im mittleren 3. Jahrhundert wahrscheinlich. Ihre Aufgabe könnte am Ende des 3. Jahrhunderts erfolgt sein, denn im Kontext der Aufgabestraten fand sich das Wandfragment einer innen grünbraun glasierten Reibschüssel, die in dieser Zeit in Pannonien erstmals auftreten (Gassner 2009, 52). Aufgrund der Singularität des Stücks sowie der oben er-wähnten Störungen ist jedoch Vorsicht geboten.

Periode 5

Auch im 4. Jahrhundert setzte sich die Besiedlung des Neunkirchner Vicus fort. Allerdings sind ihre Reste bereits stark gestört. Eine parallel zur Nordmauer von Raum 5 verlaufende breite Mauer sowie ein im Norden anschlie-ßender Heizkanal (SE 71–74) gehörten offenbar zu einem spätantiken Gebäude, das sich zumindest über den äl-teren Räumen 3 und 4 erstreckte, möglicherweise aber auch größer war. Im Estrich der Kanalsohle haben sich die Abdrücke von Kinderfüßen erhalten, die vermuten lassen, dass hier ein Kind beidbeinig mit eng aneinandergestellten Füßen durch den noch nicht ganz ausgehärteten Mörtel gehüpft war. Ein weiteres, schlecht erhaltenes Gebäude lässt sich in Gebäudekomplex 2 erschließen. Anhaltspunk-te für die chronologische Einordnung dieser spätantiken Periode liefern vor allem die Münzen, deren Spektrum mit einem Follis des Valentinianus I (364–375 n. Chr.) bis in die 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts reicht (Müller 2013).

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Zusammenfassung

Die Grabungen des Jahres 2011 erlauben es, die Ent-wicklung des römischen Vicus von Neunkirchen über fast 400 Jahre zu verfolgen. Aufgrund der Datierung von mehreren Grabstelen aus dem Gräberfeld A sowie des Töpferofens im Mühlfeld (Abb. 1/3) kann von einem Beginn des Vicus im Laufe des 1. Jahrhunderts ausge-gangen werden. Befunde dieser Zeit haben sich bei den Grabungen Triesterstraße Nr. 9 aber nicht gefunden. Hier setzt die Bebauung mit Holzhäusern erst in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts ein, wobei mit Peri-ode 1 und 2 eine rasche Abfolge von Häusern gefasst werden konnte, die jeweils durch einen Brand zerstört wurden. Ein Zusammenhang der Zerstörung der Perio-de 2 mit den Markomannenkriegen konnte nicht wahr-scheinlich gemacht werden. Mit deutlichem zeitlichen Abstand wurden in diesem Areal schließlich in spätanto-ninisch-frühseverischer Zeit Fachwerkbauten errichtet, die als Werkstätten für Metallverarbeitung interpretiert werden können. Sie dürften gegen Ende des 3. Jahrhun-derts langsam verfallen sein, doch kann auch für das 4. Jahrhundert noch eine Bebauung mit geheizten Häu-sern angenommen werden, die uns allerdings durch die modernen Störungen nur mehr eingeschränkt fassbar waren.

Literatur

Das römische Neunkirchen. Katalog zur Sonderausstel-lung 2013 im Städtischen Museum. 6. September 2013–18. Jänner 2014 (Neunkirchen 2013).

Erdrich, M./Gassner, V., Metallverarbeitende Betriebe im Vicus von Neunkirchen. Die Grabung Triester-straße Nr. 9. Carnuntum-Jahrbuch 2014, im Druck.

Gassner, V., Late Roman lead-glazed pottery at Car-nuntum – contexts and chronology. In: F. Sbarra/Ch. Magrini (Hrsg.), La ceramica invetriata tardo-romana nell’arco alpino orientale e nelle province

danubiane. Atti del I incontro Internazionale di Ar-cheologia a Carlino, 14–15 dicembre 2007 (Carlino 2009) 51–62.

Haider-Berky, W., Ein frühkaiserzeitlicher Töpferofen aus Neunkirchen. In: Das römische Neunkirchen 2013, 28–33.

Igl, R., KG Neunkirchen. Fundberichte aus Österreich 50, 2011, 276–277.

Kaiser, H./Sommer, C. S., Lopodunum I. Die römischen Befunde der Ausgrabungen an der Kellerei in La-denburg 1981–1985 und 1990. Forschungen und Be-richte zur Ur- und Frühgeschichte in Baden-Würt-temberg 50 (Stuttgart 1994).

Krüger, M.-L., Die Reliefs der Stadtgebiete von Scarban-tia und Savaria. CSIR I.5 (Wien 1974).

Mosser, M., Die Steindenkmäler der legio XV Apollinaris. Wiener Archäologische Studien 5 (Wien 2003).

Müller, O., Über die Münzfunde. In: Das römische Neun-kirchen 2013, 51–53.

Ployer, R., Zur Besiedlung zwischen Schwarza und Pit-ten während der Römischen Kaiserzeit. In: R. Lang, Depot- und Siedlungsfunde der späten Römischen Kaiserzeit aus dem Karth im südlichen Niederöster-reich. Römisches Österreich 33, 2010, 44–54.

Schiel, H./Staudenhirz, V./Wallner, B., Die römischen Gräberfelder Neunkirchens. In: Das römische Neunkirchen 2013, 16–27.

Sommer, S., Kastellvici und Kastell. Untersuchungen zum Zugmantel im Taunus und zu den Kastellvici in Obergermanien und Rätien. Fundberichte aus Ba-den-Württemberg 13, 1988, 458–705.

Trebsche, P., Römisches Neunkirchen. Katalog zur Aus-stellung der Sparkasse Neunkirchen – Gloggnitz – Ternitz (Neunkirchen 1998).