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medienlebenUNI BREMEN MA MEDIEN
KURS MEDIENPRAXIS LB WOLSCHNER
SEMESTERZEITUNG 2010/2011
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EDITORIAL
ohnemedien
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leben?
ein angeblicher Bauer versucht,die Frau fürs Leben zu
finden.Oder wie sich angebliche Promi-nente in einem
angeblichenDschungel zurecht finden. Ichkann dieser ganzen Sache
nichtsabgewinnen. Ich habe das Ge-fühl, ich kann richtig spüren,
wieich beim Zuschauen verblöde.Humberto, mein anderer Mitbe-wohner,
ist da anderer Meinung.
„Ich liebe scheiße Fernsehen“,sagt er meist lachend, wenn
icheinen kritischen Blick ins Wohn-zimmer werfe. Humbertokommt aus
Brasilien und machthier gerade seinen Doktor
inKommunikationstechnologie. Erscheint dabei eine ziemlich gro-ße
Nummer zu sein, das würde erallerdings niemals zugeben.Auch er
schaut gerne mit, wennPatte sich im Fernsehen an-schaut, wie
Möchtegern-Topmo-dels heulend vor der Kameraüber den Zickenterror
ihrer Mit-bewerberinnen klagen. Woherich so viel über das mir so
ver-hasste Programm weiß? Zugege-ben, ab und zu schaue ich auchmal
mit. Man kann sich ja neben-her auch unterhalten.
Humberto ist ein echt diszipli-nierter Mensch, eigentlich
alles,
was er so tut, ist strukturiert. Egalob es dabei um den
Haushalt, sei-ne Steuererklärung oder seinenFreitags-Döner geht. In
der Mit-tagspause liest er die englischeWochenzeitung „The
Economist“.Voher checkt er noch die Inter-netseiten der
brasilianischen Ta-geszeitungen.
Auch Patte liest gerne mal einBuch, am liebsten Romane.
Dieeignen sich zwar nicht so gut
zum Abschalten wie das Fernse-hen, helfen dafür aber umso
bes-ser beim Einschlafen. Für meinebeiden Mitbewohner hat das
In-ternet einen ebenso hohen Stel-lenwert wie für mich, sie
nutzenes eigentlich für die gleichenDinge wie ich. Pattes Freund,
der
mir den letzten Nerv rauben. BeiVerabredungen würde ich michohne
Google-Maps noch mehrverspäten, als ich es ohnehinschon tue. Mein
Alltag würde imChaos versinken.
Die Qualität meiner Referateund Hausarbeiten würde abneh-men,
trotzdem würden sie mehrZeit in Anspruch nehmen, weilich jeden mir
unbekannten Be-griff mühsam nachschlagenmüsste. Vorausgesetzt, ich
hättedie passende Literatur griffbe-reit. So sehr Wikipedia, die
Inter-netpräsenz der Bundeszentralefür politische Bildung & Co
vonvielen Wissenschaftlern auch ge-scholten werden – zur
Ausbesse-rung von Bildungslücken sind sieGold wert. Texte für die
Unikönnten nicht mehr online be-reit gestellt werden, was
unwei-gerlich dazu führen würde, dassich mir trotz
Bibliotheksausweisunendlich viele Bücher kaufenmüsste. Dass ich
dadurch klügerwäre als jetzt, bezweifle ich aber.
Um das Abo einer Tageszei-tung könnte ich mich nicht
mehrdrücken. Hinzu käme, dass ichohne Testberichte aus dem
Inter-net viele ärgerliche Kaufent-scheidungen tätigen würde,
unddabei ohne Internet-Preisver-gleich entweder viel Zeit oderviel
Geld verschwenden würde.Mein Leben würde also teurerwerden, mein
Lebensstandardaber vermutlich nicht besser.
Wenn ich nach einem zwölf-stündigen Uni-Marathon nachhause käme,
dann hätte ichnichts, um mich zerstreuen. Ichhätte die Wahl
zwischen „Germa-ny‘s Next Topmodel“ mit mei-nen Mitbewohnern und
einemteuren und anstrengenden Kino-besuch. Denn wer will nach so
ei-nem Tag schon ein Buch lesen?
Das Internet ist ein echtesWunderding. Es hilft mir, mei-nen
Alltag zu managen, es hilftmir dabei, mich zu bilden, es er-höht
meinen Lebensstandardund nach einem anstrengendenTag bietet es mir
Zerstreuung. Esist aus meinem Leben kaummehr wegzudenken, das
giltauch für meine Mitbewohner.Und ich denke, damit sind wirkeine
Ausnahme. Lang lebe dasInternet!
Meine WG, die Medien und ichEIN BLICK IN DIE WOHNUNG GANZ
NORMALER STUDENTEN: WIE DIE MEDIEN DEN ALLTAG MEINER WG BESTIMMEN
UND WARUM WIR UNMÖGLICH AUF SIE VERZICHTEN KÖNNEN
VON MORITZ LEHMANN
Schuhe aus, Computer an. DasEinschalten des Laptops gehörtzu
meinen ersten Handgriffen,wenn ich nach Hause komme.Erstmal Emails
checken, Musikhören, Nachrichten lesen oder„Social Networking“, wie
das Pfle-gen von Freundschaften neuer-dings genannt wird. Wird
heut-zutage selbstverständlich auchalles online gemacht. Wenn
ichmich dann tatsächlich mal ausdem Haus bewege, dann checkeich
vorher noch schnell im Inter-net, wann die Straßenbahn fährt.
Kann man das Internet über-haupt als Medium bezeichnen?Sogar
meine Bankgeschäfte erle-dige ich online. Wäre da eine an-dere
Bezeichnung nicht zutref-
fender? „Alltagsmanager„ zumBeispiel, das bringt die Sacheganz
gut auf den Punkt. Hin undwieder benutze ich das Dingauch zum
Arbeiten, wie jetztzum Beispiel. In der Regel aberüberwiegend für
andere Dinge,Medienkonsum zum Beispiel.Ganz verkehrt scheint es
alsodoch nicht, das Internet als Medi-um zu begreifen.
Lernen am Computer versu-che ich zu vermeiden. Dabeikann ich
mich nicht gut konzen-trieren, zu viele Möglichkeitender
Zerstreuung. Texte für dieUni also lieber ausdrucken, Lap-top aus
und runter vom Schreib-tisch, oder besser gleich ab in
dieUnibibliothek.
Zwar lese ich Zeitung amLiebsten auf gedrucktem Papier,aber im
Internet sind Nachrich-ten kostenlos und immer aktuell.Ethisch ist
das zwar bedenklich,besonders, wenn man mit demGedanken liebäugelt,
später ein-mal Journalist zu sein. Aber meinstudentischer
Geldbeutel gibtleider nicht viel her. Und ist esnicht viel
interessanter, einenArtikel über Glen Beck und dieamerikanischen
TV-Medien zulesen, wenn ich dazu gleich einVideo von ihm und seinen
Kolle-gen sehen kann? Die Medienkönnen außerdem selbst
ent-scheiden, welche Inhalte sie onli-ne stellen, und ob diese
kostenlossein sollen. Bücher sind wohl daseinzige, was ich niemals
amComputer lesen werde. Aberman soll ja niemals nie sagen. So-gar
die Tagesschau kann man imInternet ansehen. Das ist fürmich
besonders praktisch, weilder Fernseher meistens von mei-nen
Mitbewohnern belegt ist.Von meiner Mitbewohnerin Pat-te zum
Beispiel.
Patte studiert Chemie. Ihr Tagbeginnt meistens früh, dannhört
sie sich den ganzen Tag Vor-träge über chemische Formelnan oder
steht im Labor. Wenn sienach Hause kommt, dann bietetder Fernseher
die ideale Mög-lichkeit zur Zerstreuung. Amliebsten schaut sie dann
„TrashTV“, also Sendungen, in denenMenschen vorkommen, denenman
sich überlegen fühlt. Daschaut man zum Beispiel zu, wie
sowieso schon in Münchenwohnt, muss jetzt auch noch un-bedingt
ein Auslandssemester inSingapur machen. Zum Glückkann man mit dem
Internet tele-fonieren. Auch für Humbertowäre die Telefonrechnung
sonstauf Dauer zu hoch. Zum alla-bendlichen Ritual hat sich für
dieBeiden das Schauen der TV-Serie„Friends“ entwickelt.
Manchmalschaue ich mit, aber eigentlichsehe mir so etwas lieber im
Inter-
net an. Wenn manweiß wo, dann
kann man allesim Internet
schauen, je-derzeit. Sogaraktuelle Ki-nofilme. Undalles auch
noch ohneWerbeunterbre-
chung. Was würdeich nur ohne Internet
machen?Ich müsste in der Bank Schlan-
ge stehen, und ohne Social Net-working und Emails es
wäreschwierig, mit allen Leuten inKontakt zu bleiben.
AndauerndTelefonate zu führen und Briefeschreiben zu müssen
würden
Medienkommunikation im Alltag: Meine WG und ich Foto: privat
Erträglichem. Schon bei demnächsten Sender werde ich wie-der
enttäuscht. Ein Kamerateambegleitet Ordnungshüter. Mehrals Mitleid
für alle Beteiligten, in-
klusive mir, empfinde ichnicht.
Ich frage mich, warum die Au-toren solcher Sendungen
diesegedanklichen Exkremente auf
die Gesellschaft loslassen. Siemüssen wohl ihr Gehirn an
die„Brainpool“ Organisation abge-geben haben. Doch mir fällt
ein,dass Shows und Sendungen mit
einem solchem „Bild“- Cha-rakter wohl das ist, was
die Menschen sehenwollen.
Mir tut derKopf weh von derSinnlosigkeit desFernsehens.
Einklarer Miss-brauch meiner
Gedanken. Ich se-he das Licht am En-
de des Tunnels in ei-nem kleinen roten Knopf
links oben an meiner Fernbe-dienung. Ich unterbreche
dasMartyrium, lege mich schlafen.Zwischen sieben und acht sollteich
kein Fernsehen gucken.
Von Nacktscannern und RiesenschnitzelnWIE SICH PRIVATSENDER ZUR
AUFGABE GEMACHT HABEN, MIR DEN LETZTEN NERV ZU RAUBEN UND MIR DEN
VORABEND VERMIESEN. EIN AUSBRUCH VON WUT UND ENTÄUSCHUNG
VON JAN BARTSCH
Ich schalte den Fernseher an undmuss durch den Sumpf
derschlechten Unterhaltung waten.Die erste Etappe sind
gecasteteJugendliche auf Ibiza. Hier wer-den die üblichen Klischees
abge-arbeitet, die man von NeukölnerTeenies kennt. Der banale
Unrea-lismus macht mich krank. Dieunglaublichen,
dramatischenGeschichten halbstarker Jungs,die sich die Hörner
abstoßenwollen und die niedlichen klei-nen Stories von
nymphomani-schen Mädchen.
Ich halt es nicht mehr aus,schalte um und lande in
einerWerbesendung, in der ein bayri-scher Koch das „Miracle
Blade“vorstellt. Mit enormen Enthusi-asmus versucht er, mir zu
erzäh-len, dass diese Klinge eine Le-
bensnotwendigkeit ist. Sein bes-tes Argument ist, dass man
mitdem Messer eine Dose auf-
schneiden kann. Ich frag mich,warum er keinen Dosenöffnerbenutzt
und entflieh der hirnlo-
sen Kaufempfehlung.Zwischendurch kriege ich
noch eine wichtige Verbraucher-informationen, denn der
Nackts-canner 3D ist erhältlich. Natür-lich auch absolut
fundamentalfür meinen Lebensweg. Übrigensist es erst kurz nach
sieben undschon springen einem die Brüsteeiner Frau ins Gesicht.
Ich kämp-fe mich weiter durch denDschungel von Handywerbun-gen und
darf mir jetzt ansehenwie ein dicker, grinsender Typmit Glatze ein
4 Kilo Steak ver-drückt. Ich schaue noch ein biss-chen weiter und
der Titel diesesabsurden Beitrages lautet : „Jum-bo und die größten
Portionender Welt“. Wenn ich Leuten beimFressen zusehen will, dann
gehich in ein Fastfood- Restaurant.Also mach ich mich weiter aufdie
Suche nach etwas halbwegs
in Leben ohne elektronischeMedien können sich junge Er-wachsene
heute kaum noch
vorstellen. Warnungen vor der„Droge im Wohnzimmer“ oderdem
„verkabelten Leben“, die esin den 70-er Jahren noch zuBuchtiteln
gebracht haben, wir-ken heute fast lächerlich – unre-alistisch.
Was machen die elektroni-schen Medien mit den Men-schen? Oder
besser: Was machendie Menschen mit den
elektroni-schenMedien?Wastreibtunsda-zu, die Hälfte oder mehr
unsererFreizeit vor dem Bildschirm zuverbringen? Welche
rationalenund welche irrationalen Bedürf-nisse werden da
befriedigt?
Diese Frage hat uns im Medi-enpraxis-Kurs Journalismus
imWintersemester 2010/11 be-schäftigt und zu dieser Frage ha-ben
die Studierenden Texte fürihre „Semesterzeitung“ ge-schrieben –
auch ganz persönli-che.
KLAUS WOLSCHNER, LB
E
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Moritz Lehmann, 23
■ studiert Politikwis-senschaft an der UniBremen und
möchtespäter einmal Jedi-Meister werden. Fallsdas nicht
klappt,möchte er auf ande-rem Wege die dunklenMächte bekämpfen.
AlsJournalist zum Beispiel.
Die weite Welt kommt ins Wohnzimmer: Fernsehen als Fenster zur
was?
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Jan Bartsch, 20
■ studiert Poli-tikwissen-schaft in Bre-men. Späterwill er sich
alsRomanautoreinen Namenmachen
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medien leben WS 2010 / 2011 2semesterzeitung uni bremen
sen in die Konstellationen. Men-schen, die eine ausgeprägte
para-soziale Beziehung zu einemSoap-Charakter haben, könnenProbleme
bekommen, wenn sieeine Beziehung zu einem realenMenschen eingehen
wollen: Diereale Person kann den Wünschennicht entsprechen.
Ist nun dies der Hintergrundfür meine Serienbegeisterung?Gucke
ich die Serie, weil ich michals Teil der Berliner Clique füh-len
will? Nein, das traue ich mirnicht zu. Wenn GZSZ läuft, spüleich
ab, ereifere ich mich darüber,wie sehr mich die Protagonistennerven
und wenn ich gar nichtmehr weiterweiß gehe ich Wä-sche machen.
Ganz anders mein Freund,wenn er vor dem Fernseher sitztund die
altbekannte Melodie er-tönt, ist er wie gefesselt. Von derAußenwelt
lässt er sich nicht ab-lenken. Durch nichts soll der all-abendliche
Soap-Konsum ge-stört werden. Eine Sekunde zuverpassen wäre für ihn
eine mit-telschwere Katastrophe.
Trotz seiner extremen Kon-zentration auf die Serie, wenn er
Immer die gleiche LaugeWAS UNS TÄGLICH DAZU VERFÜHRT SEIFENOPERN
EINZUSCHALTEN – EINE SELBSTKRITISCHE ANALYSE
VON STEFANIE DÖSCHER
Ein Junge sitzt im Kerker. SeinGesicht ist blutverschmiert,
derKaputzenpullover vor Drecknicht mehr grau sondern bräun-lich.
Auf dem Boden vor ihm liegteine Pizzaschachtel. Salami. EinAchtel
liegt angebissen drin.
Mir läuft der Angstschweißüber den Rücken. Ich habe Angstum den
Jungen. Und das obwohlich ungefähr vierhundert Kilo-meter entfernt
in meiner Bre-mer Einzimmerwohnung sitze.Meine Wäsche frisch
gewaschen,vor mir eine Schale Cornflakesund mollige 22 Grad in
Zimmer.
Aber wer ist dieser Junge, derdort in einem Keller unter
derBrandenburgischen Provinzschmort? Das ist nicht schwer
zubeantworten. Gefühlt weiß ichalles über ihn.
Dominic Grundlach ist 22, erist der Sohn von Joe Gerner undder
Sekretärin Claudia Löpel-mamn. Seine Stiefmutter ist Ka-trin
Flemming, HalbschwesterJohanna Gerner, StiefschwesterJasmin Nowak.
Sein bester Kum-pel heißt Tuner, mit Pia Koch hat-te er zuletzt
Sex. Seit einemschweren Autounfall kann ernicht mehr seinem Hobby
demMotorradfahren nachgehen.Auch kann er nicht mehr in sei-nem
Beruf als Handwerker nach-gehen, jetzt will er sein Abi nach-holen,
Architektur studieren undKarriere machen. Wäre da nurnicht diese
ungünstige Entfüh-rung dazwischengekommen.Schuld daran ist sein
verhassterCousin Patrick Graf, der sich beiAktiengeschäften
verspekulierthat. Der Sohn des Anwalts Gernerschien den Drahtzieher
ein gutesFaustpfand um an die elf Millio-nen Euro zu kommen.
Aber wie kommt es dazu, dassich so viel über diesen
Menschenweiß? Ein Mensch, mit dem ichniemals gesprochen habe.
EinMensch, mit dem auch niemalssprechen werde können, weil ernur im
Fernsehen existiert.
Das Internationale Zentralins-titut für das Jugend und
Bil-dungsfernsehen (IZI) hat dafüreine ganz einfache Erklärung:Wer
eine Serie jahrelang konsu-miert, entwickelt
„parasoziale„emotionale Bindungen. Fühltsich als Teil der Clique,
oder imp-liziert seine erotischen Interes-
Das Set von „Gute Zeiten - Schlechte Zeiten“ an den Babelsberger
Filmstudios in Potsdam
dann Zeit hat sie einzustellen,gibt er an, dass er kein
Problemdamit hätte, würde morgen dassofortige Ende verkündet.
Ob-wohl die Handlung der Serie einBestandteil seines täglichen
Le-bens ist - neulich sprach er sogarmit einem seiner besten
Kumpelüber die Entwicklung der Cha-raktere - würde er sie nicht
ver-missen.
Vielleicht ist die Berliner Kiez-Welt mittlerweile so weit in
denAlltag übergegangen, dass mansie als selbstverständlich
wahr-nimmt. Ein Leben ohne kannman sich gar nicht mehr vorstel-len.
Wie alles, das selbst- ver-ständlich ist vergisst man es
zuschätzen.
Ob er freundschaftliche Ge-fühle für ein Mitglied der Grup-pe
habe, frage ich ihn. ,,NEIN!“Die Antwort kommt wie aus derPistole
geschossen, mit Entrüs-tung unterlegt, als komme dieFrage einer
Unterstellung gleich.Dennoch sagt er finde er dieJungs und Mädels
nett und lus-tig: ,,Wenn man jemanden so lan-ge kennt, dann will
man ja auchwissen, wie es weitergeht“.
Ist er süchtig? Eigentlichnicht. Das wäre zu hart. Bei
einerSucht muss man ja leiden, wenndie Befriedigung nicht
eintritt.
Das Wort „Hobby„ würde sei-ne Serienverkonsum am
ehestenbeschreiben, sagt er. Das Fremd-wörterbuch sagt, dass Hobby
ei-ne Liebhaberei oder ein Stecken-pferd ist. Das kommt mir
verwir-rend vor: Eine Liebhaberei ist et-was, ohne das ich nicht
Lebenkann. Sind dies vielleicht alleAusreden? Wollen wir
einfachnicht zugeben, dass wir tief inunserem Inneren parasoziale
Be-ziehungen zu den Serienfigurenhaben?
Für mich ist die Erkenntnisschwer zu akzeptieren. Gegen
dieextreme emotionale Resonanz,wie das IZI sie Soap-Konsumen-ten
unterstellt, wehre ich mich.Um meine Emotionen zu we-cken, ist die
Serie zu billig, dieSchauspieler zu schlecht und dieGeschichte zu
monoton.
Aber wo ist nun der Grund fürmeine hohe Serienaffinität?
Im-merhin konsumiere ich die Serieseit mittlerweile 12 Jahren
undobwohl ich zwischendurch zwei
Jahre Pause gemacht habe kannich jede Aktion der Charaktere
inein Muster einbinden. Auf Mut-terschaft folgt
Vaterschaftstest.Auf den netten unbekanntenfremden, der böse
Zwilling. Nacheinem Koma folgt immer dieAmnesie.
Diese extensive Auseinander-setzung mit einer Serie ermög-licht
die Flucht aus dem Alltagund gleichzeitig die Konstrukti-on des
Alltages. Nach einem lan-
gen Uni- und-/oder Arbeitstagnach Hause kommen. Habe dannkeine
Lust, mich mit anspruchs-vollen Themen zu befassen, lassemich
einfach berieseln. Am bes-
ten mit Problemen, denen ge-genüber die eigenen
mickrigwirken.
Dem kommt ein fester Sende-platz entgegen. Egal was
passiert,GZSZ kommt immer Montag bisFreitag um 19.45 Uhr. Das
machtes für viele der ca. drei MillionenZuschauerInnen einfach,
sichtäglich wieder dem Schicksal vonJohn, Paula und Pia zu
widmen.
Dennoch möchte ich hiernicht leugnen, dass
parasozialeBeziehungen einen entscheiden-den Einfluss das
Serien-Sehver-halten haben. Beweise dafür fin-den wir auf Facebook.
Im diesemsozialen Netzwerk hat auch „Gu-te Zeiten, Schlechte
Zeiten“ einPortal. Hier können die Fans sichnach Herzenslust über
die Ge-schichten rund um die Jungs undMädels vom Berliner Kiez
aus-tauschen. Da spekuliert manschon, was mit dem entführtenDominik
passiert. Janina K. hofftdarauf, dass Dominik überlebt.Aber viele
sind schon ein Stückweiter. Für Jasmin E. ist ganz klar,das
Dominik, wenn er denn erstMal gerettet ist, sein
Gedächtnisverlieren wird. Stephanie S. hin-gegen hofft darauf, dass
Patrickmal richtig von Dominik verprü-gelt wird. Rosalba F. ist
hingegenschon viel weiter, sie wünschtsich eine Hochzeit. Jasmin
undDominik sollen endlich zusam-men kommen und Patrick solledoch
gefälligst normal werden.
In der Fernsehzeitung kannman allerdings schon nachlesen,was
passiert. Dominik wirdflüchten, am Ende wird‘s danndoch die Polizei
richten. Jasminwird sich mannig darüber freu-en. Dominik wird
natürlich ins
Koma fallen undauch wieder
aufwachen.Alles
wird gutsein. Bisüber-nächsteWochePia ent-
deckt, dasssie unge-
wollt von Do-minik schwan-
ger ist. Oder wäre esnicht wieder mal Zeit für
einenDrogenskandal, der uns für dienächsten drei Wochen an
denBildschirm fesselt?
Günter Netzer, auf die Bühneführt sie ihr Lebensgefährte,
derProduzent Rolf Hellgardt.
Vorbeireitet war der Auftrittlange. Im Oktober fing Lierhausan,
die die ersten Zeilen ihrer Re-de vorzubereiten, deren Kern-stück
der Satz ,,Ich bin wieder da“;sein dürfte. Die Einzigen, die
von
dieser Inszenierung erst in letz-ter Minute erfahren haben,
dürf-ten sind die Zuschauer.
So überrascht sind sie von die-sem Augenblick in dem die ih-nen
so vertraute Fernsehmode-ratorin den ,,Ehrenpreis der gol-denen
Kamera“ bekommt, dasssie nicht mal fragen, für was ei-
Wie Phönix aus der Asche zum Platz an der SonneWIE DER AXEL
SPRINGER-VERLAG DIE AUFERSTEHUNG DER SPORTMODERATORIN MONICA
LIERHAUS INSZENIERTE
VON STEFANIE DÖSCHER
Unter tosendem Applaus tritt ei-ne Frau auf die Bühne. Lange
ha-ben wir sie alle nicht gesehen, sievermisst, uns Sorgen
gemacht.
Ihre Beine zittern, das Gesichtwirkt aufgedunsen. Die
Anwe-senden erheben sich, viele vonihnen brechen in Tränen
aus.Monica Lierhaus ist wieder da.
Kurz vorher hatte GüntherNetzer mit zittriger Stimme ver-kündet
,,Willkommen zurück,Monika Lierhaus!“. Nach langerKrankheit hat die
ehemaligeSportschau-Moderatorin zurückauf die Bühne gefunden. Ein
Mo-ment auf den alle gewartet ha-ben.
Ihr erster Auftritt in der Öf-fentlichkeit wird inszeniert
ähn-lich der Auferstehung eines Phö-nixes aus der Asche. Nichts
wur-de dem Zufall überlassen. Allesind da. Die Laudatio hält
derehemalige Sportschau-Kollege
gentlich. Natürlich ist die Leis-tung Monika Lierhaus sich
zu-rück ins Leben gekämpft zu ha-ben durch nichts zu schmälern.
Ehrgeiz, Durchhaltevermö-gen und Ausdauer sind definitivfest in
ihrem Geist verankert.Aber dennoch stellt sich die Fra-ge: Wäre
diese Auferstehungauch ohne das Gros an kulturel-lem, sozialem und
finanziellemKapital möglich gewesen?
Es wirkt schon leicht verräte-risch, dass Monika Lierhaus ei-nen
Preis der Hörzu erhält. EineZeitschrift des Axel Springer
Ver-lages. Die Preisverleihung warkeine drei Minuten vorbei undder
Springer-Verlag berichtete inder Sonntagsausgabe seinesFlagschiffs,
der Bildzeitung, überdas lange Leiden der Lierhaus.Exklusiv
beantwortet das Blatt,was sich ganz Sportschau-Deutschland seit
Langem fragt:Welche Krankheit hatte MonikaLierhaus?
War es nicht ebendiese Zei-tung, die in regelmäßigen Ab-ständen,
die Legendenbildungrund um Monika Lierhaus be-günstige? Sich
ungefähr halbjäh-rig über den Gesundheitszu-stand der ehemaligen
Sport-schaumoderatorin ereiferte? Im-mer wieder in den
Mittelpunktstellte, dass keiner wisse, was mitder ehemaligen Grand
Dame derdeutschen Fußballberichterstat-tung passiert?
Und schließlich löst sich derganze Mythos, wie ein gordi-scher
Knoten, am 5. Februar 2011.Im Verlagshaus der Axel-Sprin-ger AG in
Berlin wird geklärt,wieso Lierhaus von der Bühneabgetreten ist und
sie wird auchwieder zurück auf die Bühne ge-führt.
Die Frage, was hinter dieserInszenierung steht, wird garnicht
gestellt. Hat Monica Lier-haus sich aus eigenem Antriebentschlossen
wieder auf die Büh-
ne zu gehen, oder hat sich die an-stehende Preisverleihung
ge-drängt? Fehlte ihr der Mut sichnach ihrer schweren Krankheitsich
der medialen Bühne zu ent-ziehen? War der finanziellePunkt, nach
der ausgedehntenKameraabstinenz entscheiden?
Die Auferstehung wurde vie-len Seiten begünstigt und siewird
angenommen. Das stehtfest. Und der Erfolg zeichnet sichab: Am Ende
springt für MonikaLierhaus ein neuer Vertrag alsModeratorin der
ARD-Fern-sehlotterie ,,Ein Platz an der Son-ne“ raus und ihr
Lebensgefährteerhält vor ein paar Millionen Zu-schauerInnen einen
Heiratsan-trag. Ganz spontan.
Alles in allem ein rundum ge-lungener Abend für das ZDF undAxel
Springer, beim dem mansich gar nicht traut zu fragen:Was ist mit
all den Menschen, dienach ähnlichen Schicksalen kei-nen Platz an
der Sonne finden?
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Stefanie Döscher, 25
n studiert Soziologiean der Universität Bre-men. Nach dem
Ab-schluss ihres Studiumsmöchte sie Gesell-schaftsreporterin
imAusland, am liebstenAfghanistan, werden.
Monika Lierhaus – wieder ganz oben
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3 WS 2010 / 2011 medien leben semesterzeitung uni bremen
und mit der Polizei oder Armeeliefern.
Der Kolumbianer Andrés Ló-pez arbeitete für das Kartell
„Norte del Valle“, das zu dengefährlichsten Drogen-
banden Lateinamerikaszählt und zwischen 1990und 2004 ein Drittel
desweltweit verkauften Ko-
kains kontrollierte. Nachseiner Verhaftung erzähl-te er seine
Geschichte inseinem ersten Buch „Das
Kartell der Kröten“, aufdem der TV-SenderCaracol seiner
Tele-
novela basiert.Die Serie er-
reichte 2008,das Jahr ihres
Debüts, diehöchstenEinschalt-quotenund wurdein
überfünfzigweltweiteLänderverkauft.Eine nichtminder er-
folgreichezweite Staf-
fel wurde 2010 ausgestrahlt.Nach López besteht der Erfolg
der Telenovelas darin, dass „dieLeute die Geschichten aus
ersterHand hören wollen. Ich habe dieDinge ja selbst erlebt“.
Das zweite Buch des ex Dro-genleaders heißt „Die Phantasti-sche,
die Frauen des Kartells“. Ca-
racol drehte im 2009 die TV-Ver-sion mit dem Namen „Die
Püpp-chen der Mafia“, die die meistge-sehene Serie des Jahres in
Ko-lumbien war.
Die Serie beschreibt das Le-ben von sechs Frauen, die
davonträumen ein Leben jenseits derArmut, als Gespielin eines
rei-chen Drogenbarons, zu haben.“Die Püppchen der Mafia“ zeigtden
Versuch der jungen Frauenaus dem Armenviertel, im Dro-genhandel Fuß
zu fassen. Wie Re-nata, die sich überzeugen lässt,einen Flug als
„Mula“ (Drogenku-rier) zu wagen, um der Armut zuentfliehen. Am Ende
stirbt sie.
Für María Emma Mejía, ko-lumbianischer
Aussenminister,beschädigen diese Serien das
legale und illegale Schönheitskli-niken, die vergleichsweise
güns-tig einen normalen Mädchen-körper auf traumhafte Model-maße
umoperieren.
Im Jahr 2009 berichtete dieKolumbianische Gesellschaft
fürPlastische Chirurgie tausendBrustvergrößerungs-OPs im Mo-nat. Zu
der Anzahl gehören nichtnur Frauen aus Medellín sondernauch aus
anderen Städten undLändern.
Die Polemik über die Einflüs-se der kolumbianischen Teleno-velas
steht immer noch im Mit-telpunkt vielen Debatten. Trotz-dem werden
immer wieder neueProduktionen ausgestrahlt. Erstvor wenigen Tagen
fand das De-büt der Serie „El Capo“ (Der Mafi-apate) statt. Nun
erfahren die Zu-schauer, wie Pablo Escobar, derehemalige Boss des
MedellínKartells, durch Gewalt und Dro-genschmuggel zu einem
der
reichsten Menschender Welt wurde.
„El Capo“wurde so-
gar inEscobarsRanch„Hacien-da Nápo-les“ ge-
dreht.Heutzutage
ist die Hacien-da für das Publi-
kum geöffnet undwird vom kolumbianischenStaat als
Touristenattraktion ge-fördert.
„Ohne Titten kein Paradies“Geld, Macht und Frauen: die
Erfolgsformel der kolumbianischen Telenovelas
VON SOLANGE MORALES
Prostitution, Drogenhandel -undAuftragsmord sind keine
unge-wöhnlichen Themen derkolumbianischen Tele-novelas. Sie
heißen„Das Kartell der Krö-ten“, „Die Püppchender Mafia“ oder
„Oh-ne Titten gibt eskein Para-
dies“ und sind ein Teil der ko-lumbianischen Alltagskultur.
Einige wurden von den Dro-genbossen selbst geschriebenund zeigen
ihre Welt: SchöneFrauen, teure Sportwagen,Apartments in Miami und
NewYork. Und der Krieg, den sich dieBanden täglich
untereinander
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Telenovelas im kolumbianischen Fernsehn
Die kolumbianische Universität „De Los Andes“ bezeichnete 2009
dieTelenovelas als das erfolgreichste Fernsehprodukt des Jahres.
Ein For-schungsprojekt der Fakultät für Kommunikationswissenschaft
der Uni-versität berichtete, dass mindestens 60 Prozent des
nationalen Fernseh-programms aus eigenen Produktion stammt. Das
führte dazu, dass vieleProduktionsfirmen mehrere Telenovelas für
den nationalen Markt her-stellten. Die Produzenten bekamen die
Auflage, dass die Telenovelas aufWerken aus der Literatur basieren
müssten. Dies hatte Auswirkungen aufdie Qualität der Geschichten:
Die Produzenten konnten in einem relativgeschützten Markt Neues
ausprobieren. So entstanden neue Geschich-ten. Die beiden
kommerziellen TV-Sender RCN und Caracol erreichen inKolumbien 80
Prozent des Publikums. Es werden zwar recht viele auslän-dische
Fernsehprogramme gezeigt. Doch werden in der Hauptsendezeitnur
Eigenproduktionen ausgestrahlt, die im eigenen Land immer
erfolg-reicher sind als importierte. Caracol zeigt acht Telenovelas
pro Tag, da-von vier in der Hauptsendezeit. Auf nationaler Ebene
erreicht Caracolden größten Anteil des Publikums. 2006 lag er bei
über 50 Prozent. Da-mals konnte Caracol fünf Telenovelas unter den
acht meist gesehenenProgrammen in Kolumbien platzieren.
Szene der Telenovela „Ohne Titten gibt es kein Paradies“: Das
Bild zeigt „La Diabla“ und Catalina zusammen mit den Drogenbossen
Foto: Caracol TV
Bild des Landes. Sie zeigen Ko-lumbien als das Land der
Drogen,der Mafia und der Guerrillas. Au-ßerdem haben sie keinen
gutenEinfluss auf die Zuschauer. Vorallem die Jugendlichen aus
denArmenvierteln wollen sich ge-nauso wie ihre TV-Helden nachoben
schießen. Sie träumen voneinem Porsche, von einem Lebenin Miami und
von Latina-Schön-heiten aus den Clubs in New Yorkoder Los
Angeles.
Für Legionen von Fans sinddie Telenovelas eine authenti-sche
Darstellung des von Armutund Kriminalität
durchsetztenkolumbianischen Alltags. Dochan diesem Image stoßen
sichauch die Gegner. Familiengrup-pen, religiöse Institutionen
und
Feministinnen machen in Zei-tungskommentaren und Inter-views
Ihrem Unmut über die ih-rer Meinung nach sexistischenFrauenbilder
der Serien Luft.
In der Telenovela „Ohne Tit-ten gibt es kein Paradies“ wirddiese
Thematik deutlich darge-stellt. Die 17-jährige Catalina ver-sucht
das Herz eines Drogenba-rons zu gewinnen und lässt sichdeswegen den
Busen vergrö-ßern. Da sie arm, mittellos undkein Geld hat, muss sie
als Prosti-tuierte arbeiten.
“Was heute zählt, ist ein gutesPaar Titten“, muss sich
Catalinavon ihrer Erzfeindin „La Diabla“(Die Teufelin) unverblümt
beleh-ren lassen, „egal, ob sie aus Gum-mi, Holz oder Stein
sind.“
Wie auch in anderen lateina-merikanischen Ländern boomtin
Kolumbien die Schönheitschi-rurgie. Medellín, die Stadt des le-
gendären Drogenhändlers PabloEscobar, steht nicht nur für
Koka-in, sondern auch für Hunderte
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Solange Morales, 26
n ist Studentin desMasterstudiengangsMedienkultur an
derUniversität Bremen.Nach ihrem Studiumwürde sie gerne
alsNachrichtenkorrespon-dentin für Lateinamerikaarbeiten
Andrés López, ehemaliger Drogendealer
-
medien leben WS 2010 / 2011 4semesterzeitung uni bremen
than ten years now. „When I firstcame I used to call my family
on-ce a week, sometimes less, becau-se it was very expensive.
Someti-mes I would receive or send a let-ter to one of my closest
familymembers and friends, not more“,she explains. She says that
overthe years she started to hearfrom other foreigners how theyused
the Internet to stay in touchwith their homeland and eventhough she
describes herself asbeing not the „computer type ofperson“ she
started to try andsurprisingly it worked out veryeasily. Soon
sending e-mails ortalking in the MSN messengerbecame part of her
routine. The-se days she is also an active userof Skype, specially
when her firstson was born and almost every-day the grandparents in
Brazilcan sort of monitor the growth oftheir grand some trough
thewebcam.
After coming from Rio de Ja-neiro two years ago, Thamya Ro-cha
experienced another realitythan the one from Magali. „SinceI came,
I‘m always calling my fa-mily with Skype and chattingwith friends
every time that Iwant“. She also explains that sheeasily stays in
touch with her fri-ends that also are in the socialnetwork,
Facebook „I can postphotos and comments in orderto share my
experiences hereand become an instant feedback.Sometimes I‘m
feeling down andthe receive some kind of onlinemoral support“, she
sayslaughing.
It is clear how the Internet hel-ped to insure the maintenance
ofspecial relationships for peopleliving abroad, especially for
theones that, like Brazilians don‘thave the opportunity to fly
homeoften, because of the big coststhat are implied to that. But
onthe other side, it also brings upthe question if this easiness to
bevirtually connected to theirhomeland is somehow replacingor
taking the time that was sup-posed to be used to bild and de-velop
real relationships in theirhost country.
The psychologist AlexandreSerpa affirms that it is importantto
be alert so that the time spendin Facebook and Skype doesn‘t
Brazilians that are already livefor some time away from
Brazil,and also pages and virtual com-munities spread by
Facebookand a Brazilian version of Face-book.
In this pages is possible to findvaluable tips even before they
re-ally leave Brazil, about how to dif-ferent sorts of bureaucracy
likeapplying for visa, studding atGerman universities and how
toapply for a job. There are also for
the ones that are already here,the opportunity to share
theirexperiences and sometimes tohelp the ones that are now
arri-ving and on the other hand to beadvised about practical or
cultu-ral aspects they aren‘t‘ aware un-til now. There are topics
that cango from how to find Brazilianfood in the region their
living oronline to topics describing witch
To BrazilonlysurfingHOW THE BRAZILIAN COMMUNITY USE THE INTERNET
TO
REDUCE THE REAL AND CULTURAL DISTANCE FROM THEIR
HOMELAND AND GERMANY
VON BRUNA RUSSO
More than 10.000 kilometersdistance. That‘s how far thou-sands
of Brazilians living in Ger-many are from their family andfriends.
Living so far away andhaving to cope with all the chal-lenges of
starting a new life inanother country are just some ofthe aspects
to deal with, witch al-so includes the omnipresent fee-ling of
saudade. This Brazilianword that actually doesn‘t havean exact word
to translate it, de-scribes „a somewhat melancho-lic feeling of
incompleteness. It isrelated to think back situationsof privation
due to the absence ofsomeone or something, to moveaway from a place
or thing, or tothe absence of a set of particularand desirable
experiences andpleasures once lived“.
It is not at all easy to live con-stantly feeling that your
missingsomething or someone an theonly thing to do is to remain
incontact. There are now availableso many more options than
thatalmost romantic peace of paperthat traveled many days, so
manythat sometimes the news on it,were already old. Its almost a
cli-ché to say that the Internet chan-ged everything, but in this
case ofthe ones that for some reason de-cided to live in Germany it
reallydid.
It certainly changed the life ofMagali Sonder Fett, a member
ofthe Bremen Tanz Theater Group,that lives away from her home-town
in south Brazil for more
97.000 neue Bücher erschienen im Jahr 2007– wie soll man sich
hier noch orientieren Foto: dpa
stores in Germany are open,where they are and how to
gettherewithpublictransportation.
The doctor student Ana Caro-lina Santos lives in Bremen formore
than two years now and in-tends to live here with her Ger-man
husband. For her those fo-rums and websites a very usefultool to
find Brazilians that also li-ve here to share experience. Shetells
that sometimes that tends
to evolves into a fri-endship. „I‘m he-
re studyingand have a
Germanhusband.I think Ialreadyhave theopportu-nity to un-
derstandthe German
culture littlebit, what I find it
very important. Butits is inevitable that sometimes Imiss my own
culture and havesome difficulties living here.That‘s why is very
good to meetpeople trough these websitesthat I can relate to“ , she
explains,adding that sometimes they alsopromote events witch are
verygood to integrate the virtualgroup in real life.
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Brasil online
Websites for Brazilians living inGermany and all people
interestedin Brazilian culture and people.www.viver-na-alemanha.de:
con-taisn the biggest forum from Brazi-lians in Germany.
www.face-book.com: search for group Brasi-leiros na Alemanha or
Brasilianerin Deutschlandna-alemanha-tem.tumblr.com:tumlr about
brazilian food. How tofind brazilian ingredients and alsothe german
ones that can replacewhat you cannot find it here.
It is not at all easy to live constantly feeling that your
missing something or someone an the only thing to do is to remain
in contact.
VON STEFANIE DÖSCHER
Die Türen öffnen sich, man wireingesogen in eine Welt fernabder
Realität. Die Welt der Bücher.Hinter manchem kunterbuntemCover
verbringt sich ein Schick-sal, tiefgreifend und aufwüh-lend. Andere
können ein Pro-blem lösen, das bisher als unü-berwindbar galt.
Manche ma-chen einfach nur glücklich.
Das Gefühl einen Buchladenzu betreten ist
überwältigend.Stundenlang durch die Regalelaufen, in den Seiten
versinken.Die Realität um sich herum ver-gessen und am Ende steht
dieFrage: Welche dieser fernen Wel-ten gefällt mir am besten?
Zu meinem Bedauern verla-gerte ich diese Entscheidung im-mer
mehr aus dem Buchlandenhinaus. Nachdem ich jedes Buchan- gesehen
habe, mich reingele-sen habe, ein bisschen das Ge-fühl der
Geschichte erfasst habe,verließ ich den Lasen wieder.
Bevor ich ging machte ich mitdem Handy ein Bild des Buch-covers.
In meiner Wohnung an-gekommen schaltete ich denLaptop ein, suchte
das interes-sante Buch bei Amazon undkaufte es nur, wenn es eine
guteBewertung hat. Überraschungs-momente gab es kaum noch,
ichfühlte mich nahezu betrogen,wenn das Buch nicht hielt wasdie
Bewertungen versprachen.
Überraschungsmomente, dieich früher oft erlebte bleiben aus.In
den meisten Fällen waren dieBücher genauso gut oder ebenschlecht,
wie Amazon es einemsagte. Jedoch kommt es aller-dings auch zum
Situationen indenen Bücher nicht verstandenwerden, der nächste
Kritiker ori-entiert sich am ersten und repro-duziert seine
Aussage.
Bücher, die über einen hohenkünstlerischen Wert verfügenwerden
abgewertet. ThomasManns Zauberberg wird das At-tribut ,,Langeweile
pur“ vorge-
Leseverständniszwang: Wider die KommentarfunktionJEDER KANN
SEINEN SENF DAZUGEBEN. WEB 2.0 MACHT ES MÖGLICH. ZU ALLEN BÜCHERN,
MUSIK ODER FILMEN. WIE MIR AMAZON KOMMENTATOREN SCHON SO MANCHES
BUCH VERMIESTEN
worfen und dem großartigen,,One Day“ von David Nicholiskeinerlei
Emo- tionen unter-stellt.
Irgendwann kam der Momentals ich mich darauf spezialisiertebei
jedem Buchkauf nur die ne-gativen Bewertungen zu lesenund diese zu
widerlegen oder zuunterstützen. Der Moment indem ich wusste: Es ist
genug.
Ich habe aufgehört, Bewer-tungen bei Amazon zu lesen, ha-be
beschlossen nicht mehr im-mer zuerst das Preis-Leistungs-verhältnis
zu überprüfen, bevorich ein Buch kaufe. Dies hat zweipositive
Nebeneffekte. Auf der ei-nen Seite steht man nicht mehrunter dem
Zwang, das schlechtean einem Buch herauszufiltern.Und man erlebt
immer wiederÜberraschungen.
Wieder eine ferne Welt abzu-tauchen, ohne unter dem Zwangzu
stehen, sein Leseverständnismit dem der anderen zu verglei-chen,
ist wunderbar befreiend.
replace the one shared withother people in social activities.„It
is important to maintain con-tact with family and friends inBrazil,
but also not to forget to goout and meet people. This activi-ties
can be crucial for the personto feel integrated to his or hernew
reality“, he explains.
Yasmin Lechte recently gradu-ated in Communication Studiesin
Hamburg and agree that at so-me point the excessive connec-tion to
Brazil affects her will tosearch and establish news relati-onships
in Germany. „Someti-mes I think that when I should bejust living my
life here I‘m tal-king and looking pictures of myfriends there,
what they are do-ing. Specially in winter when itssummer there,
everybody onvacation at the beach, and I‘m he-re studying and
working in thecold. At some point you are justthinking about what
would it beto be there, not living the mo-ment.“ Internet as a link
to rea-lity
For some Brazilians its is so-metimes difficult to
unlinkthemselves from this „virtualBrazil“, but there are many
otherones that use the Internet to findinformation that helps them
un-derstand how everything worksin Germany. There are Websitesand
Forums, mostly created by
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Bruna Russo, 28
n studiert im Master-Studiengang Medien-kultur und möchteeinmal
Korrespon-dentin für Internatio-nales werden
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5 WS 2010 / 2011 medien leben semesterzeitung uni bremen
ren ruhige Sprecher angeblichdie einzigen und wahren Ver-mittler
von Nachrichten sind.
Das Experiment beginnt dankPro 7 tagtäglich mit einer bitte-ren
Enttäuschung: Recht schnellwird mir als Zuschauer deutlich,dass
diese Sendung nicht zurHerzensangelegenheit derPro7Sat1Mediagroup
gehört. Wieauch, wenn Vorstandschef Tho-mas Ebeling der Meinung
ist,dass Nachrichten ,,vielleicht fürdas Image bei Politikern
wichtig“seien, ,,aber nicht unbedingt beiallen Zuschauern“. So
scheinendann auch die Nachrichten, ein-gebettet zwischen TAFF
undSimpsons, nicht mehr als ein Lü-ckenfüller zu sein. Zwischen
An-und Abmoderation vergehenmaximal sieben Minuten. IhrKonzept ist
in dieser Zeit immerdasselbe: Einige kurze Topnews,immerhin mit
Expertenmei-nung und dem ein oder anderenO-Ton der Beteiligten
garniert. Esfolgt der ,,Newsflash“, wo überAgenturvideos zwei, drei
gehetz-te Sätze der Nachrichtenspre-cher gesprochen werden.
Zölibat,
Tunesien, Australien- In Tele-gramm-Form wird berichtet, Zeitfür
eine kritische Berichterstat-tung bleibt da nicht. Die erstenfünf
Minuten lassen den Zu-schauer uninformiert und ver-wirrt ob der
vermeintlichenKomplexität zurück. Fragennach dem warum und wieso
blei-ben auf der Strecke.
Dann aber ist man zumindestbetroffen, schockiert oder ent-zückt.
Es scheint Pro7- Konzeptzu sein, zumindest eine dramati-
sche Meldung lang und breit zupräsentieren. Schon die
Anmo-deration macht es deutlich: esgeht nun nicht mehr um das
ver-breiten von Wissen, sondern umdas hervorrufen von Gefühlen.Vom
,,tierischen Glück im Londo-ner Zoo“ über den ,,überaus be-wegenden
Trauergottesdienst“für den toten Mirco bis zum,,schrecklichen und
grausamenZugunglück“ in Sachsen-Anhalt-Die emotionale Schiene
scheint
Pro7 mit seinen Nachrichten per-fektionieren zu wollen. Doch
pi-etätvoll ist die Präsentation auchhier nicht. Manche der
ausge-strahlten Straßeninterviews vonweinenden Menschen nach
demGottesdienst scheinen nichtmehr als plumpe Effekthasche-rei zu
sein. Und es spricht vonausgesprochenem Zynismus
Ägypten oder Hirschruf - WeltmeisterschaftKANN DER ZUSCHAUER
BEIM THEMA NACHRICHTEN AUF DIE ÖFFENTLICH-RECHTLICHEN SENDER
VERZICHTEN? ODER SIND SIE DIE LETZTE BASTION FÜR DIEJENIGEN, DIE
IM
FERNSEHEN WERT AUF GUTE NACHRICHTEN LEGEN? EIN KLEINER
SELBSTVERSUCH.
VON LUCA STARK
Mein Freund Benjamin ist einMensch mit hoher
Frustrations-grenze. Die braucht er auchschließlich hat er es in
den Mühl-steinen einer am Boden liegen-den ehemaligen Volkspartei
in-nerhalb von kurzer Zeit zu einerLokalgröße der gebracht. Er
istein Überzeugungstäter der Ver-ständnis für die Wut der
Bürgerüber die da Oben und ihr Politi-kersprech entgegenbringt.
Um-so erschütterter war ich als ersich vor einigen Wochen
seinerFrustration hingab. Es war einebierselige Diskussion über
Parti-zipation und Jugendengagementin den Parteien. ,,Der Grund“,
be-gann er ,,warum sich keinermehr für Politik interessiert
ist,dass alle nur noch Privatfernse-hen schauen.“ Punkt. Aus.
Ende.Da war sie kurz, die Basta-Politikaus vergangenen SPD-Tagen,
dermein Freund eigentlich abge-schworen hatte, weil sie die Lustan
Politik zerstört. Dennoch ließer sich auf keine Diskussion
ein.Dieser Standpunkt scheint fixund unumkehrbar in
seinenGrundfesten verankert.
Meinem dickköpfigen Freundkonnte ich an diesem Abend mitkeinem
noch so schlagkräftigenArgument Paroli bieten: Auf RTLAktuell
antwortete er Dschun-gelcamp,auf Klöppel Bohlen.
Viele Gründe diese Theorie zutesten.
Bringen die Privaten wirklichnur Versatzstücke,
unzusam-menhängende Informationen,die mich der Politik eher
ent-fremden als dass ich sie verste-hen könnte? Oder bieten
sieletztlich dieselben Nachrichten,nur eben garniert mit den
unver-zichtbaren Promibabys nach derdie Massen lechzen? Eine
Wochelang werde ich neben der übli-chen Tagesschau auch die
Priva-ten einschalten. Beginnen wirdder Tag mit Pro7-Newstime um18
Uhr. Kurz darauf folgt mit RTLAktuell das Flaggschiff der
RTL-Group. Schlussendlich geht esdann wieder zurück in denSchoß der
Grande Dame derNachrichten, der Tagesschau, de-
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Luca Stark,22
n studiert in BremenPolitikwissenschaf-ten.
Zukunftspläne?„Irgendwas mit Me-dien oder etwas ganzanderes“
wenn im nächsten Beitrag einelfjähriger Junge als ,,kleiner
Re-porter“ auf die aktuelle Spielwa-renmesse geschickt wird (im
Üb-
rigen einer der längsten Beiträgeder gesehenen Sendungen).
Noch düsterer sieht es fürPro7 aus, wenn ich mir im Ver-gleich
dazu die Tagesschau be-trachte: Fünfzehn Minuten un-aufgeregte
Nachrichten aus allenWinkeln der Welt. Das Bildmate-rial ist nicht
auf Skandale aus,sondern dient hier der Unter-stützung des
Gesprochenen,nicht andersherum. Und es wer-den Fragen beantwortet
anstattaufgeworfen. Wo Pro 7 nur einenSatz zur Zölibatsdebatte in
derkatholischen Kirche zustandebringt, da lässt die ARD Für-
undGegensprecher zu Wort kom-men. Über die ägyptischen Un-ruhen
wird nicht innerhalb vonzwei Minuten über Kairoer Bil-der
gesprochen, es gibt dezidier-te Berichterstattungen aus Afri-ka,
den USA, Europa.Auch dieSprache ist weniger drastisch, da-für um
einiges komplexer. WoPro7 von den SchlägertruppsMubaraks spricht,
spricht dieARD schlicht von Pro-MubarakAnhängern. Ich hätte nach
die-sen Eindrücken meine Segelstreichen müssen und meinemFreund
kleinlaut recht gebenmüssen, gäbe es nicht den Be-gründer des
Privatfernsehens inDeutschland, RTL. Während ichvon Newstime
enttäuscht undvon der ARD in meiner Meinungbestätigt wurde, hat
mich RTL po-sitiv überrascht.
Das Format mit der selbenLänge der Tagesschau gibt sichetwas
moderner als die anderen
Nachrichtenshows im deut-schen TV. Nach amerikanischemVorbild
stehen zwei Sprecher amTisch. Noch vor der Anmoderati-on gibt es
einen Teaser der zweioder drei der wichtigen Nach-richten
zusammenfasst, danngeht es sofort in medias res. Auchhier das
Top-Thema der Woche:Ägypten. Neben den üblichenAgenturmeldungen
auch frischeBilder vom Tahirplatz, auf denensich RTL-Ikone Antonia
Rados ge-schlagen hat. Eine Journalistinvor Ort, die Bilder
sammelt-Mehr als die ARD zwei Stundenspäter vorzeigen kann,
dereneinzige direkten Nachrichtenüber Tage das Telefoninterviewmit
dem dortigen Korrespon-denten war. Am meisten hatmich jedoch etwas
anderes in der
Berichterstattung überrascht:Die einzige wirklich kritische
Be-richterstattung über die Zurück-haltung der EU und USA in
derÄgyptenfrage wurde nicht vonder ARD sondern von RTL gelie-fert.
Insgesamt sind beide Sen-dungen auf demselben Niveau
bei RTL alles etwas fescherund moderner wirkt. Die Spra-che ist
einfacher und verkürzter -Eben auf die ,,werberelevanteZielgruppe“
zugeschnitten. Al-lerdings beweist RTL dann dochnoch, dass nicht
alles Gold ist,was glänzt. Auf wirklich gutejournalistische Arbeit
folgt oft-mals prompt der Rückfall aufdüsteres Niveau.
Beispielsweiseals zum Thema Alkoholkonsumvon Jugendlichen der
gesamteBeitrag aus Bildern von saufen-den oder komatösen
Jugendli-chen besteht, über die eine Off-Stimme gelegt wurde (und
aufRTL.de der persönliche Alkohol-problem-Test angeboten wird).Oder
wenn wirklich fünf Minu-ten Sendezeit auf die
Hirschruf-Hallenmeisterschaft verwendetwird.
Was vom Fernseh-Streit übrigbleibt? Nun ich muss Benjaminwohl in
Teilen recht geben: Da-durch, dass die Privaten
keinenBildungsauftrag haben, könnensie als Nachrichten
verkaufen,was immer sie wollen - bzw.durch den Staatsvertrag
zeigenmüssen. Aber eine generelle Ver-teufelung oder
Sündenbock-funktion kann man Ihnen nichtzu schieben. Gerade RTL
beweist,dass auch die Privaten trotz Quo-tendruck zumindest
teilweiseanspruchsvolle Nachrichten ma-chen können. RTL News mag
et-was bunter und aufgeregter wir-ken und nicht immer die
glück-lichsten Themen und Bildaus-wahl haben- Aber wer ihre
Nach-richten ordentlich verfolgt, der
hat zumindest inden Kernthe-
men nichtsverpasst, was
der ARD-Zuschauernicht auchmitbe-kommt.Einzig Pro 7
sollte manerst nach 18
Uhr einschal-ten- da läuft dann
keine Realsatire mehr, sonderndie Simpsons. Die schaut Benja-min
übrigens gerne.
was ausgeglichene Berichter-stattung, zumindest über
dieTopthemen, angeht, auch wenn
fen.Noch jedenfalls, denn die End-
losschleifen des Nachmit-tagstrash-TVs sorgen weiterhindafür,
dass jede Woche ein neuerName aus der Liste gestrichenwerden muss.
Ansonsten wärendie Rollenbilder, die meine Kin-der mit ziemlicher
Sicherheit
einnehmen werden, definitivklar. Cindy wird sich mit 14
Lip-penpiercings stechen lassen,wahlweise ihre Schule, Ausbil-dung,
Studium abbrechen undletztlich viel zu früh Schwangerwerden.
Jaquline wird sich naivvon ihrem Freund ausnehmenlassen, Dennis
droht ein Alkoholund Drogenproblem und Aliwürde mit Fabio und
Martin einekleine, halbstarke Schlägertrup-pe bilden. Dass
Doppelnamenwie Marie-Chantal und Domi-nik-Pasqual inzwischen jede
le-gitime Daseinsberechtigung au-ßerhalb des Nachmittagspro-gramms
verloren haben, mussan dieser Stelle nicht mehr er-wähnt
werden.
Mit jeder Stunde weiterenStunde Fernsehkonsum wirdmir die Wucht
der sozialen Kon-struktion auf mich deutlicher:Spricht jemand von
Murat wür-de ihm selbst ein Germanistik-Magister nichts nützen, im
ers-ten Moment wird er immer derhalbstarke Drogendealer
sein.Genauso wie Kevin auch im An-
zug und mit der Management-lehre in der Tasche immer
derPrekariats-Junge mit ADHS seinwird, der seiner Mutter
undruck-bare Beschimpfungen entgegenschleudert.
Das Traurige ist, dass es nichtreicht wenn ich die
Programmeausschalte – wer garantiert mirdenn, dass meine Freunde
beider Taufe nicht unweigerlich aneinen melancholischen Emo-Co-re
denken, wenn Timo seinen Na-men erhält? Die einzige Lösung,so
scheint es mir, ist es auf unmo-dische Namen zu setzen. Klar ist,er
muss antiquiert genug sein,um zu verhindern, dass die
Pro-grammdirektoren auf die Ideekommen den nächsten
juvenilenAsozialen, der Hip wirken soll, sozu benennen. Und es darf
keines-falls ein Name mit „J“ am Anfangoder „E“ am Ende sein, um
ein ge-grölten Befehl wie „Tschaqueli-ne“ vorzubeugen.
Viele bleiben nicht übrig. Viel-leicht sollte ich mein Kind
ein-fach ,,Niemand“ nennen– Nemoklingt jedenfalls
unvorbelastet.
Wo sind denn nur all die schönen Namen hin?
Josephine, Max, Canoder Masha - für michsind diese NamenNeutren,
die mein Le-ben getrost mit Kind-heitserinnerungenfüllen
dürfen.
Wie lange noch?
VON LUCA STARK
Ich hasse das Fernsehen. Nichtaus den althergebrachten Grün-den,
der Dauerberieselung mitWerbung, dem Krawall der Priva-ten oder
Dieter Bohlen. Ehrlichgesagt - ich mag das Fernsehengrade wegen so
etwas.
Was mich stört, ist etwas ande-res. Lange bevor ich überhauptmit
der Familienplanung begin-ne, streicht die Flimmerkiste dieListe
mit möglichen Namen fürmeine zukünftigen Kinder syste-matisch
zusammen. Denn wäh-rend frühere Generationen we-nigstens noch auf
andere Klas-sen oder Subkulturen herab-blickten, die sie mit
handfestenVorurteilen anreichern konnten,bleibt meiner Generation
dankdes heutigen Fernsehpro-gramms und der Auflösung vonalten
Milieus nur noch der ab-schätzige Blick auf Namen. Jose-phine, Max,
Can oder Masha - fürmich sind diese Namen Neutren,die mein Leben
getrost mit Kind-heitserinnerungen füllen dür- Nemo mit Bär Nemo
mit Bär
DAS NACHMITTAGSPROGRAMM BEDIENT SICH NICHT NUR STETS DER
GLEICHEN STEREOTYPEN, SONDERN AUCH DER
GLEICHEN NAMEN. OFT GENUG GEHEN DAMIT GANZE FAMILIEPLANUNGEN ZU
GRUNDE. AUCH BEI MIR.