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"Dmmerpunkte" der berlieferung. Autor, Text und
KontingenzAuthor(s): Martin StingelinSource: MLN, Vol. 117, No. 3,
German Issue (Apr., 2002), pp. 650-660Published by: The Johns
Hopkins University PressStable URL:
http://www.jstor.org/stable/3251977 .Accessed: 03/02/2015 01:28
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NOTES
"Dammerpunkte" der Uberlieferung. Autor, Text und Kontingenz
Martin Stingelin
Zu den treuesten Begleiterinnen der Uberlieferung zahlen ihre
Materialitat und die vielfaltigen Formen der Kontingenz, denen sie
sich durch jene ausgesetzt sieht. Autorschaft ist unter diesen
Vorzeichen zunichst das
Phantasma, immer schon Herr uiber die Zufalle und Bedingtheiten
der
Uberlieferung gewesen zu sein oder sich wenigstens uiber diese
aufschwingen zu konnen, sei es als 'Autor' selbst, sei es als
dessen Stellvertreter, Editor. Die
frag-wiirdigsten Autoren sind dabei diejenigen, deren Texte die
heteronome
Bedingtheit ihrer eigenen Uberlieferung reflektieren, alien
voran Friedrich Nietzsche und Walter Benjamin.
Der Zufall ist Nietzsches janusk6pfiger Verbiindeter in der
historischen Kritik, der ihm einerseits bei der Entteleologisierung
der Geschichte zur Hand geht: "Grundsatz: in der gesamten
Geschichte der Menschheit bisher kein Zweck, keine vernunftige
geheime Leitung, kein Instinkt, sondern Zufall, Zufall, Zufall -
und mancher gunstige. Diese sind ins Licht zu setzen. Wir durfen
kein falsches Vertrauen haben und am allerwenigsten uns weiter auf
den Zufall verlassen. Derselbe ist in den meisten Fallen ein
sinnloser Zerstorer."' Deshalb kann Nietzsches Autorschaft sich
andrerseits nicht
ganzlich vom Zufall abhangig machen, will sie sich wenigstens in
ihren
vielfaltigen Bedingtheiten zu erkennen geben. Zu den Strategien,
die sich in Nietzsches 'Lebens-Werk' beobachten lassen, die
Abhangigkeit des Autors vom Zufall der Geburt, der Begegnungen, der
Bucher, der Schreibgerate,
MLN 117 (2002): 650-660 ? 2002 by The Johns Hopkins University
Press
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M L N
der Lebensumstande, der Ernahrung, der Stimulanzien, des Ortes,
des Klimas, kurz: der Produktionsbedingungen und Begleitumstande
des Schrei- bens zu reflektieren und diesen gleichzeitig zu
bandigen,2 zihlt die Umkeh-
rung der uiberlieferungsgeschichtlich bedeutsamen Hierarchie
zwischen 'Autor', 'Schreiber' und 'Editor'. Tatsachlich hielt
Nietzsche seine Manu-
skripte ffir "'unedirbar"': "Das kommt von dem Princip des 'mihi
ipsi scribo"', wie er Paul Ree gegeniber am 29. Mai und am 10. Juni
1882 bekannte,: weshalb er sie zur Abschrift nach Moglichkeit
seinem Sekretar Heinrich Koselitz alias Peter Gast uberlieB wie das
Manuskript der Morgenrothe am 25. Januar 1881: "Nun heiBt es
wieder: 'Freund, in Ihre Hande befehle ich meinen Geist!' und noch
mehr: 'in Ihren Geist befehle ich meine Hande!' Ich schreibe zu
schlecht und sehe alles krumm. Wenn Sie nicht errathen, was ich
denke, so ist das Manuscript unentzifferbar."4 Eine ahnliche
Formulierung findet sich noch am 26. Februar 1888: "Eben merke
ich, daB die Finger blau sind: meine Schrift wird nur dem
errathlich sein, der die Gedanken errath ...". Nietzsche selbst hat
die durch seine Kurzsichtigkeit bedingte, anachronistische
Arbeitsteilung zwischen dem Autor (der sich gelegentlich ganzlich
aufs Diktieren beschrankte) und dem Schreiber-die im 14.
Jahrhundert durch die Entwicklung der gotischen Kursive und eines
Systems von Abkurzungen aufgehoben worden ist, womit zuletzt alle
Arbeits- gange von der Konzeption bis zur Niederschrift des
Druckmanuskripts in einer Person zusammengefallen sindt-zum
Schauplatz einer historischen Reevaluation des Konzepts
'Autorschaft' und der in ihrem Namen in
Anspruch genommenen Autoritat gemacht: "Im Grunde hat Herr Peter
G a s t, damals an der Basler Universitat studirend und mir sehr
zugethan, das Buch [Menschliches, Allzumenschliches] auf dem
Gewissen. Ich diktirte, den Kopf verbunden und schmerzhaft, er
schrieb ab, er corrigirte auch, - er war im Grunde der eigentliche
Schriftsteller, wahrend ich bloss der Autor war."' Der "eigentliche
Schriftsteller", "bloss der Autor": Darin lediglich eine Ironie zu
sehen, die das Gegenteil von dem, was sie sagt, das heiBt
'eigentlich' die Apotheose der 'reinen', von ihren korperlichen,
technischen und diskurs- historischen Voraussetzungen unabhangigen
Autorschaft meint, hieBe gera- de die Problematisierung ihres
Status verkennen, die Nietzsche hier leistet, indem er den
'Schriftsteller' uber den 'Autor' und damit die Frage nach ihrem
jeweiligen 'Wert' im SchopfungsprozeB und in der Uberlieferungs-
geschichte stellt.'
DaB auch in der Uberlieferungsgeschichte der Zufall herrscht,
wird in Walter Benjamins Aufsatz uber "Das Kunstwerk im Zeitalter
seiner techni- schen Reproduzierbarkeit" nicht nur reflektiert:
"Die Echtheit einer Sache ist der Inbegriff alles von Ursprung her
an ihr Tradierbaren, von ihrer materiel- len Dauer bis zu ihrer
geschichtlichen Zeugenschaft. Da die letztere auf der ersteren
fundiert ist, gerat in der Reproduktion, wo die erstere sich dem
Menschen entzogen hat, auch die letzere: die geschichtliche
Zeugenschaft der Sache ins Wanken. Freilich nur diese; was aber
dergestalt ins Wanken gerat, das ist die Autoritat der Sache."' Die
Uberlieferungsgeschichte von
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MARTIN STINGELIN
Benjamins Aufsatz selbst bezeugt ihre Abhangigkeit vom Zufall:
Nicht nur, daB die von Benjamin schlieBlich ffir den Druck in der
Zeitschrift fur Sozialforschung autorisierte Fassung der
franz6sischen Ubersetzung von 1936 das Ergebnis von diplomatischen
Winkelzigen, versteckten N6tigungen und forcierten H6flichkeiten
war, die an Byzantinismus grenzen und von Strei-
chungen hinter dem Rficken des Autors orchestriert worden sind,
Begleitum- stande, deren ebenso produktiver wie zerst6rerischer
Anteil an der 'autori- sierten' Druckfassung reflektiert werden
miuBte; gleichzeitig scheint die
umfangreichste Zwischenfassung, die, wenn sie auch nicht der
'Intention' des finanziell von Zuwendungen der
Zeitschriftenredaktion abhangigen Autors am nachsten kommen mag, so
doch das meiste von ihm in diesem
Zusammenhang erarbeitete Material bietet, gegen das sich die
Redaktion in dieser Form gestraubt hat, von Max Horkheimer, dem
Leiter des Instituts ffir
Sozialforschung, 'verlegt' worden zu sein: "Das vor
einigenJahren unter den Materialien des Max-Horkheimer-Archivs in
der Frankfurter Stadt- und Universitatsbibliothek aufgefundene
Typoskript Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen
Reproduzierbarkeit erwies sich als die bei der Etablierung der
beiden Fassungen der Arbeit 1974 (s. Bd. I, 431-469 und 471-508)
schmerz- lich vermiBte Version, die die erste definitive, aus der
stellenweise betricht- lich modifizierten handschriftlichen Fassung
erwachsene Typoskriptfassung von Ende 1935/Anfang Februar 1936
darstellt. Sie ist die Arbeit in der
Version, in der Benjamin sie zuerst ver6ffentlicht sehen wollte,
und die bei der Umschmelzung in ihre franzosische Fassung auf die
Version reduziert
wurde, in der sie zu seinen Lebzeiten erschien (s. a.a.O.,
709-739)."1" Der in diesem Editionskommentar stillschweigend
etablierte Zusammen-
hang zwischen 'Schmerz' der Editoren ("die bei der Etablierung
der beiden
Fassungen der Arbeit 1974 [...] schmerzlich vermiBte Version")
und 'Inten- tion' des Autors ("die Arbeit in der Version, in der
Benjamin sie zuerst ver6ffentlicht sehen wollte") offenbart die
Abhangigkeit unseres Autorbildes von der Uberlieferungsgeschichte
und ihrer durch Zufalle und Fahrnisse
bedingten Lfickenhaftigkeit: Welcher Autor des Aufsatzes fiber
"Das Kunst- werk im Zeitalter seiner technischen
Reproduzierbarkeit" wurde uns gegen- fibertreten, wenn Max
Horkheimer die 'zweite Fassung' wirkungsvoller, ja
unwiederbringlich 'verlegt' hatte? (Nur wo Fehlleistungen die
Ordnung von Archiven beherrschen, darf man hoffen, daB vermeintlich
Verlorenes, ge- setzt, es hat sich iberhaupt eine Spur und damit
ein BewuBtsein des Verlusts
erhalten, wieder zutage tritt; in Archiven, die strikten
Ordnungsgesetzen unterliegen, entscheiden diese absolutistisch
zwischen Bewahrens- und Nicht-
bewahrenswertem, wie groB der Platz auch sein mag, derjenem
eingeraumt wird.) Harren dagegen noch weitere Fassungen in den
Archiven ihrer
Entdeckung? Wfirden sie den Eindruck des Z6gerlichen,
Vorlaufigen, ebenso Vorbehalts- wie in diesem Schutz
Erweiterungsfreudigen noch verstirken, den die Schritt fur Schritt
ans Licht getretene Uberlieferungsgeschichte des Kunstwerkaufsatzes
in unserem Bild seines Autors Walter Benjamin geweckt hat?
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M LN
Es sei an dieser Stelle an das fragile Verhaltnis zwischen
Archiv und 'historischer' Wahrheit erinnert, das diesem
Uberlieferungszusammenhang geschuldet ist: Welche historische
Wahrheit verzeichnen die Archive? Gibt es historische Wahrheiten,
die zu fibermachtig sind, als daB nicht alle Archive aufs
augenfalligste von ihnen zeugen muBten? K6nnen sich umgekehrt in
den Archiven weitreichende historische Wahrheiten verbergen? In
den
fiunfzigerJahren entdeckte Michel Foucault im umfangreichen
Archiv medizin- historischer Dokumente, die Erik Waller der
Universitatsbibliothek von
Uppsala vermacht hat, daB sich in der europaischen
Spatrenaissance und
Fruhaufklarung ein Bruch im Umgang mit den Wahnsinnigen vollzog:
Durch ihre Internierung wurden sie zum Gegenstand des
psychiatrischen Wissens; ihre "Unvernunft" wurde nicht langer als
Teil der menschlichen Wahrheit betrachtet, sondern als
Geisteskrankheit pathologisiert." Als Foucault 1960 dem
Wissenschaftshistoriker Georges Canguilhem, den er als Gutachter
fur seine these principale uber Wahnsinn und Gesellschaft gewinnen
wollte, mfind- lich diese Forschungsergebnisse unterbreitete,
erwiderte dieser: "Wenn das wahr ware, wurde man's wissen", " um
sich beim Studium von Foucaults Buch und den Quellen, auf die es
sich stutzt, eines Besseren belehren zu lassen.'3
Doch in welcher Form wurde sich eine vollkommenere Verdrangung,
Verbannung oder Ausloschung als diejenige des Wahnsinns in den
histori- schen Archiven dokumentieren? Und gibt es historische
Wahrheiten auBer- halb der Archive? Kommt etwa einem Mord, der
paradoxerweise bis auf das Verschwinden des Opfers keine Spuren
hinterlassen hat, historische Wahr- heit zu? Wie konnen wir
uberhaupt etwas von ihm wissen?
Als Sigmund Freud in seinem letzten Buch Der Mann Moses und die
monotheistische Religion die auffalligen Licken, storenden
Wiederholungen und greifbaren Widerspruche des Alten Testaments
einer psychoanalytischen Deutung unterzog, um den historischen
Sachverhalt zu rekonstruieren, der sich hinter dieser entstellten
Uberlieferung verbirgt, verglich er seine Tatig- keit nicht
zufallig mit der Aufklarung eines Kriminalfalls:
Es ist bei der Entstellung eines Textes ahnlich wie bei einem
Mord. Die Schwierig- keit liegt nicht in der Ausfuhrung der Tat,
sondern in der Beseitigung ihrer Spuren. Man mochte dem Worte
'Entstellung'den Doppelsinn verleihen, auf den es Anspruch hat,
obwohl es heute keinen Gebrauch davon macht. Es sollte nicht nur
bedeuten: in seiner Erscheinung verandern, sondern auch: an eine
andere Stelle bringen, anderswohin verschieben. Somit durfen wir in
vielen Fallen von Textentstellung darauf rechnen, das Unterdruickte
und Verleugnete doch irgendwo versteckt zu finden, wenn auch
abgeandert und aus dem Zusammenhang gerissen.l4
Was der schwerkranke zweiundachtzigjahrige Freud im Londoner
Exil durch seine rationalistische psychoanalytische
Ruckfibersetzung des mythischen Bibel-Textes zu beweisen hoffte,
versetzte die judische Gemeinde am Vor- abend des Zweiten
Weltkriegs in helles Entsetzen: Moses soil kein Jude, sondern ein
agyptischer Adliger oder Priester gewesen sein, der die unterge-
hende Aton-Religion retten wollte, indem er einen unterdruckten
semitischen
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Stamm aus der Sklaverei fuhrte und zu einer noch
vergeistigteren, bildlosen Form der monotheistischen Religion
bekehrte. Doch dieser Stamm soil Moses in einem Volksaufstand
erschlagen, seine Religion abgeworfen und sich im Lande Midian mit
verwandten Stammen vereinigt haben, die den VulkangottJahve
anbeteten, auf den als Zeichen des unbewuBten Schuldge- fuihls aber
nach und nach die Eigenschaften des Gottes von Moses iibertra-
gen worden sind. Schon am 6. Januar 1935 schrieb Sigmund Freud
an Prinzessin Marie-Bonaparte, daB die Religionen ihre zwingende
Macht der Wiederkehr des Verdrangten verdanken sollen und
Wiedererinnerungen von uralten, verschollenen, hochst effektvollen
Vorgangen der Menschen-
geschichte seien. Tatsachlich glaubte Freud wie der franz6sische
Naturfor- scher Jean Baptiste Pierre de Lamarck an die biologische
Vererbbarkeit unbewuBter "Erinnerungsspuren an das Erleben frfherer
Generationen"5. Er stellte sich den Volkskorper gewissermaBen als
sein eigenes Archiv vor, in dem keine historische Erfahrung
verlorengehen kann. Wo dokumentarische
Zeugnisse fehlten, unterschied Freud zwischen 'materieller' und
'historischer
Wahrheit', um seine Thesen zu retten: "Wir glauben auch, daB die
L6sung der Frommen die Wahrheit enthalt, aber nicht die materielle,
sondern die
histomrscheWahrheit. Und wir nehmen uns das Recht, eine gewisse
Entstellung zu korrigieren, welche diese Wahrheit bei ihrer
Wiederkehr erfahren hat."'6
Diese Deutung hat der an der Columbia University unterrichtende
jiidi- sche Historiker Yosef Hayim Yerushalmi 1991 in seinem Buch
Freuds Moses im Namen der judischen Tradition, die Missetaten der
Juden nicht zu vertu-
schen, zurfickgewiesen: "Ware Moses tatsachlich von unseren
Vorfahren
get6tet worden, so ware der Mord nicht nur nicht verdrangt,
sondern im
Gegenteil erinnert und festgehalten worden, eifrig,
unvers6hnlich und in allen Einzelheiten, als unuberbietbares
Extrembeispiel fur Israels Sunde des
Ungehorsams."17 Der franz6sische Philosoph Jacques Derrida hat
nun seinerseits in einem
1994 gehaltenen Vortrag die Voraussetzungen von Yerushalmis
Freud-Kritik in Frage gestellt, indem er die Theorie der
Psychoanalyse als Theorie des
Archivs, nicht nur als Theorie des Gedachtnisses interpretiert:
"Wie kann Yerushalmi sicher sein, daB der fragliche Mord im
Gedachtnis Israels nicht in hohem MaBe erinnert und archiviert
(remembered and recorded) worden ist? Wie kann er die Abwesenheit
eines Archivs nachweisen wollen?"'8 Reflektiert nicht
gerade die Freudsche Psychoanalyse, wenn auch in einer noch
immer in der abendlandischen Metaphysik befangenen, gebrochenen
Weise, daB verdran-
gen anders archivieren heiBt? Anders archivieren: Tatsachlich
hat die Technikgeschichte den Begriff des
Archivs selbst virtualisiert (und es sei gerade hier noch einmal
an Walter
Benjamins Feststellung erinnert, daB "in der Reproduktion", wo
die materiel- le Dauer des Uberlieferten "sich dem Menschen
entzogen hat, auch [...] die
geschichtliche Zeugenschaft der Sache" ins Wanken gerat). Diente
der Freudschen Psychoanalyse noch die uberschreibbare Wachstafel
des soge-
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nannten "Wunderblocks" dazu, die Speichervorgange im psychischen
Apparat technisch zu veranschaulichen, ist die Geschichte des
Archivs mit der elektronischen Datenverarbeitung in eine neue
Epoche getreten. Hatte Freud sich eines anderen Modells fur das
Zusammenspiel von BewuBtsein und Unbewuftem bedient, wenn er den
Computer schon gekannt hatte? Und wie hatte dieses Modell unser
durch die Psychoanalyse gepragtes Menschenbild und
Selbstverstandnis verandert?
Doch ebensowenig wie Freud sich vergegenwartigen konnte, in
welcher Weise seine Zukunft die Archivierung verandern wurde,
konnen wir schon die Geschichte unserer Archive im Licht der
Zukunft vorhersehen, vorweg- nehmen und archivieren: "Es gibt kein
Meta-Archiv."19 Gerade darin erkennt
Jacques Derrida die Aktualitat und die (historische) Tragweite
dessen, was Freud das UnbewuBte genannt hat. Nimmt man es ernst,
kann man zwar Yosef Hayim Yerushalmis Vorbehalte gegen Freuds
Mosesdeutung nachvoll- ziehen; GewiBheit aber wird man ihnen nicht
einraumen.
Die Frage des Archivs bleibt eine Frage der Politik: "Die
wirkliche Demo- kratisierung bemilt sich stets an diesem
essentiellen Kriterium: an der Partizipation am und dem Zugang zum
Archiv, zu seiner Konstitution und zu seiner Interpretation.""'
Partizipation am und Zugang zum Archiv aber leisten stellvertretend
Editionen historischer Quellen, nicht nur vor der
medienhistorischen Revolution der digitalen Datenverarbeitung, wenn
diese auch weitreichende Auswirkungen auf die Editionsmodelle haben
wird."'
Es lohnt sich, unter diesen Vorzeichen das Beiheft 15 der editio
zu lesen, das aus einem Symposium des Munchner Graduiertenkollegs
"Textkritik als Grundlage und Methode historischer Wissenschaften"
in Venedig 1998 hervorgegangen ist: Text und Autor.22 Die Beitrage
verbindet das Pladoyer fur die von Freud sogenannte "materielle"
und gegen die von ihm sogenannte "historische Wahrheit": Sie gehen
davon aus, daB "in den geschichts- und geisteswissenschaftlichen
Fachdisziplinen die Reflexion dariber erforder- lich" sei, "daB
ihre Erkenntnis, die sich aus der Kritik ihrer Texte entfaltet,
damit auch in der Materialitat der Uberlieferungen grfindet",23 und
erlau- ben, eine kleine Typologie der Phantasmen und Verkennungen
zu entwer- fen, die durch Lucken in der Uberlieferung und das
Begehren, diese zu fillen, geweckt werden. Diese Typologie ist,
bedingt durch ihren Gegen- stand, unsystematisch, vorlaufig und
erganzungsbedurftig.
So gibt es Editoren, die, wie Sigmund Freud als 'Editor' des
Alten Testaments, jede durch Zufalle und Lucken in der
Uberlieferung bedingte Entstellung als Symptom einer hoheren
'historischen' jenseits der niedrigen 'materiellen Wahrheit' deuten
und sich im Namen einer-paradoxerweise- uberhistorischen Wahrheit
uber diese hinwegsetzen. Es sind die erleuchteten Editoren. Die sie
erfullenden Lichtquellen der 'historischen Wahrheit', in deren
Namen sie samtliche Schatten der Kontingenz aus der Uberlief-
erungsgeschichte bannen zu konnen glauben, sind vielfaltiger
Natur:Johann Jacob Bodmer etwa orientierte sich bei seiner Edition
des Nibelungenliedes
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1757 an Thomas Blackwells zivilisationshistorischem Modell, daB
jede Gesell- schaft seit der griechischen Antike eine homerische
Blutezeit erlebe; da er diese in der Stauferzeit, "ein Zeitalter
homerischer Einfalt" (Bodmer), wiedererkannte, der er den in der
graflichen Bibliothek Hohenems 1755 wiederentdeckten Pergamentkodex
Chriemhilde Rache, und Die Klage (Bodmer) zuordnete, unterstellte
er diesem einen Autor von 'homerischer' Genialitat, der
folgerichtig gleichzeitig der Schreiber gewesen sein muBte: "Die
Handschrift hat fur ihn den Status eines Autographs, das Bodmer
daher seinen Fahigkeiten entsprechend herausgibt. Die Kfirzungen
sind dabei nur
notwendige Zugestandnisse an das zeitgen6ssische Publikum und
sind ferner
legitimiert, da sie eine 'homertypische' Dichtung entstehen
lassen. Da Bodmer u.a. aufgrund einer in seinen Werken immer wieder
beschworenen Dichter-Autoritat von der Idee einer Autorschaft fur
das in der Handschrift Uberlieferte nicht abstrahieren kann, fillt
ihm der Schritt nicht schwer, den in der Klage genannten
meisterKuonrdt als Dichter des Ganzen anzunehmen."24
Es gibt Editoren, die in der durch sie fortgesetzten
Uberlieferungs- geschichte dem nachhallenden Echo der Stimme
vorangegangener Autorita- ten gehorchen; es sind die Schatten
erleuchteter Editoren. So scheint es fur Giovanni Battista Pighi
1941 bei seiner Edition der 1890 in Rom gefundenen Fragmente der
augusteischen ludi saeculares im Jahre 17 v. Chr. unvorstellbar
gewesen zu sein, daB Theodor Mommsens AusschluB dieser Fragmente
in seiner Edition von 1891 sich einer falschen Konstruktion des
Zusammen-
hangs verdankt haben k6nnte; er wahlte-wider 'besseres'
m6gliches Wissen, die durch die produktive Gunst des Zufalls
fiberlieferten Stficke nahtlos(er) an die wenigen trotz der
zerst6rerischen Wut des Zufalls erhaltenen Frag- mente angliedern
zu k6nnen-ein Editionsmodell, in das sich Mommsens 'Erkenntnisse'
integrieren lieBen.25 Die Goetheedition steht weitgehend unter dem
Eindruck der Autoritat ihres Autors, selbst dort, wo sich die
Ausgabe 'letzter Hand' (1827-1830), in der seine Werke
kanonisiert worden
sind, als (Mach-)Werk eines von Goethe um Unterstuitzung
gebetenen Philologen erwiesen haben.26
SchlieBlich gibt es Editoren, die so sehr im Bann der
materiellen Schatten der Uberlieferung stehen, daB sie sich uber
den eigenen Schatten hinwegset- zen; das sind die Dokumentaristen
wider Willen. So ist Freuds Vorstellung des
Volksk6rpers als sein eigenes Archiv bei Jacob Grimm zwar
vorweggenom- men; die Konsequenz, die dieser daraus zog, ist aber
ganzlich der materiellen
Uberlieferung verpflichtet, glaubte er doch, die sch6pferische
Produktivitat des 'Volks' und seiner 'Natur'-im Gegensatz zur
'Kunstpoesie' nur dadurch
belegen zu k6nnen, daB er die Singularitit jeder uiberlieferten
Handschrift
bewahrte, um diese Produktivitat in den Umformungsschritten
zwischen den verschiedenen Fassungen festzuhalten. Wilhelm Grimm
hielt deshalb seinem Bruder den noch immer unsere Gegenwart der
Editionspraktiken erhellen- den Spiegel vor: "Indem Du also aus
Furcht gar nichts anruhren willst und in
jeder Verschiedenheit ein Zeichen der Eigentumlichkeit siehst,
wirst Du
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M LN
notwendig (folgerecht) darauf geffihrt werden, die Handschriften
mit alien Zeichen der Verkurzungen usw. wiederzugeben."27
Tatsachlich sah Jacob Grimm sich zu dieser Behutsamkeit im Umgang
mit Handschriften durch den Umstand angehalten, daB "wenn man
Lebendiges und Zufalli- ges (Boses) sondern will, [...]
Dammerpunkte fibrigbleiben"28. Die Natur dieser "Dammerpunkte" und
ihrer durch die Kontingenz der Uberlieferung bedingten Entstehung
mag unergrundlich sein; gerade deshalb aber konnte
Jacob Grimms Bemiihen, solche "Dammerpunkte" gar nicht erst
aufkommen zu lassen, ihn zur editorischen 'Treue' verfiihren, das
Uberlieferte in seiner Singularitat festzuhalten.
Die Konsequenzen dieser 'Treue' zur Materialitat der
Uberlieferung werden von den weiteren Beitragen zu Text und Autor
in ebenso vielfaltiger wie anregender Weise erwogen: So erganzt
Albrecht Hausmann die Dimensi- on, in der die Entstehung von
Uberlieferungsvarianz bei mittelalterlichen Handschriften
reflektiert werden muB, um die Dimension des Versuchs, die-im
Mittelalter durchaus schon wachen und wirkungsmachtigen-Autor-
bilder der Redaktoren/Schreiber und ihre redaktionellen
Konsequenzen zu rekonstruieren.29 Stephan Kammer und Annette
Schutterle leisten eine
exemplarische Lekture der Handschrift zu Friedrich Holderlins
Gedicht ffir Christian Landauer, das deren Entwurfscharakter
semiotisch und poetolog- isch ernst nimmt; sie wenden den Blick
"auf die Szene des Schreibens, auf der und fur die alle Zeichen auf
dem Papier grundsatzlich von gleicher Relevanz sind: Gestrichenes
und Ungestrichenes, Uberschriebenes und Umgeschriebenes stellen
gleichermafen das Material dar, aus dem Holder- lins Text gewebt
ist."3" Kammer problematisiert daruber hinaus die editions-
philologisch noch weitgehend unbedachten Konsequenzen aus dem Um-
stand, daB Autorinnen und Autoren wie Friedrich Nietzsche, Arno
Schmidt oder Ingeborg Bachmann durch die Benutzung der
Schreibmaschine die Arbeitsteilung zwischen Schreiben, Edieren und
Drucken weitgehend aufge- hoben haben (mit dem Computer ist diese
Aufhebung zur okonomisch bedingten Not angewachsen, druckfertige
Vorlagen literaturwissenschaftli- cher Qualifikationsarbeiten
einreichen zu mussen, sollen diese uberhaupt noch publiziert
werden).3' Weitere Beitrage widmen sich dem Plagiat im Mittelalter,
der Uberlieferung und Edition der Musik des friihen Trecento, der
Intertextualitat in der Musik der Renaissance, dem Autor- und Text-
modell im Vergleich zwischen der "Copy-Text-Edition" und
"Historisch- kritischen Ausgaben" und der poetischen Produktivitat,
die gerade das Wissen um die Instabilitat der Uberlieferung in den
Roman Die verlorene Handschrift von Gustav Freytag und Possession
von Antonia S. Byatt entfaltet.
(Die hier in Angriff genommene Typologie wird fortgesetzt.)
Universitiit Basel
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MARTIN STINGELIN
NOTES
1 Nietzsches Werke werden zitiert nach Friedrich Nietzsche,
Kritische Studienausgabe in 15 Binden. Herausgegeben von Giorgio
Colli und Mazzino Montinari. Miinchen/ Berlin, New York: Deutscher
Taschenbuch Verlag/Walter de Gruyter, 1980 (= KSA), hier KSA 9, S.
19: 1[63], Anfang 1880.
2 Vgl. dazu Vf., "'Unser Schreibzeug arbeitet mit an unseren
Gedanken'. Die
poetologische Reflexion der Schreibwerkzeuge bei Georg Christoph
Lichtenberg und Friedrich Nietzsche." In: Lichtenberg-Jahrbuch 1999
[2000], S. 81-98.
3 Nietzsche an Paul Ree in Stibbe, [Naumburg, 29. Mai 1882];
Nietzsches Briefe werden zitiert nach Friedrich Nietzsche,
Sdmtliche Briefe. Kritische Studienausgabe in 8 Banden.
Herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. Miinchen/
Berlin, New York: Deutscher Taschenbuch Verlag/Walter de Gruyter,
1986 (= KSB), hier KSB 6, Nr. 235, S. 198-199, S. 199, und
Nietzsche an Paul Ree in Stibbe, [Naumburg, vermutlich 10.Juni
1882], KSB 6, Nr. 238, S. 201-202, S. 202.
4 Nietzsche an Heinrich K6selitz in Venedig (Postkarte), [Genua,
25.Januar 1881], KSB 6, Nr. 77, S. 58.
5 Nietzsche an Heinrich K6selitz in Venedig, Nice, pension de
Geneve / 26. Febr. 1888, KSB 8, Nr. 1000, S. 262-265, S. 263.
6 Vgl. Otto Ludwig, "Geschichte des Schreibens." In: Hartmut
Gunther und Otto
Ludwig (Hrsg.), Schrift und Schriftlichkeit/Writing and Its Use.
Ein interdisziplindres Handbuch. 1. Halbband. Berlin, New York:
Walter de Gruyter, 1994 (= Handbiicher zur Sprach- und
Kommunikationswissenschaft 10.1), S. 48-65, S. 59: "Kurz: die
Inte-
gration der verschiedenen Schreibarbeiten in einer
einheitlichen, kontinuierlich sich entwickelnden Schreibhandlung
fuhrte zu einer Interaktion unter diesen und veranderte so den
SchreibprozeB grundlegend."
7 KSA 6, S. 327: Ecce homo. Wie man wird, was man ist (1889),
Menschliches, Allzumenschliches 5.
8 Zu dieser Problematisierung und ihrer Geschichte vgl. etwa
Erich Kleinschmidt,
Autorschaft. Konzepte einer Theorie. Tfibingen, Basel: A.
Francke Verlag, 1998, in
komprimierter Form auch ders., "Autor." In: Reallexikon der
deutschen Literatur-
wissenschaft. Neubearbeitung des Reallexikons der deutschen
Literaturgeschichte. Gemeinsam mit Harald Fricke, Klaus Grubmuller
und Jan-Dirk Muller
herausgegeben von Klaus Weimar. Band I: A-G. Berlin, New York:
Walter de
Gruyter, 1997, S. 176-180; Antoine Compagnon, Le demon de la
theorie. Litterature et sens commun. Paris: Editions du Seuil,
1998, S. 47-99, "L'auteur", und Michael Wetzel, "Autor/Kinstler."
In: Asthetische Grundbegriffe (AGB). Historisches Worterbuch in
sieben Binden. Herausgegeben von Karlheinz Barck u.a. Band 1:
Absenz-
Darstellung. Stuttgart, Weimar: VerlagJ.B. Metzler, 2000, S.
480-544.
9 Walter Benjamin. "Das Kunstwerk im Zeitalter seiner
technischen Reproduzierbar- keit." . In: Ders. Gesammelte
Schriften. Unter Mitwirkung von Theodor W. Adorno und Gershom
Scholem herausgegeben von RolfTiedemann und Hermann
Schweppenhauser. Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag, 1980, Band 1/2:
Abhandlungen, S. 471-508, S. 477.
10 Kommentar zu "Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen
Reproduzier- barkeit." . In: Benjamin, Gesammelte Schriften. Band
VII/2: Nachtrage. Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag 1989, S. 661-690,
S. 661.
11 Vgl. Vf., "Psychiatrisches Wissen,juristische Macht und
literarisches Selbstverhaltnis: Daniel Paul Schrebers
Denkwiirdigkeiten eines Nervenkranken im Licht von Michel Foucaults
Geschichte des Wahnsinns." In: Scientia Poetica. Jahrbuch fiir
Geschichte der Literatur und der Wissenschaften 4 (2000), S.
131-164.
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M L N
12 Zit. nach Didier Eribon, Michel Foucault. Eine Biographie
(1989). Aus dem Franzosischen ubersetzt von Hans-Horst Henschen.
Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag, 1993, S. 164.
13 Noch immer einschlagig fur das Verhaltnis zwischen
Uberlieferung, doku- mentarischer Materialitat, historischen
Bedingungen der Moglichkeit von Aussagen und Archiv ist Michel
Foucault, Archdologie des Wissens (1969). Aus dem Franzosischen
ibersetzt von Ulrich Koppen. Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag, 1973,
1981.
14 Sigmund Freud, Der Mann Moses und die monotheistische
Religion (1939). In: Ders. Gesammelte Werke. 16. Band: Werke aus
denJahren 1932-1939, unter Mitwirkung von Marie Bonaparte
herausgegeben von E. Bibring u.a. London: Imago Publish- ing, 1950,
S. 101-246, S. 144. Zur Textgenese dieses Buches vgl. Ilse
Grubrich- Simitis, Zuriick zu Freuds Texten. Stumme Dokumente
sprechen machen. Frankfurt/ Main: S. Fischer Verlag, 1993, S.
244-258. Die editionsphilologischen Konsequenzen fur den
psychoanalytischen Begriff der "Textentstellung" harren allerdings
noch ihrer method(olog)ischen Reflexion.
15 Freud, Der Mann Moses, S. 206.
16 Ebd., S. 238.
17 Yosef Hayim Yerushalmi, Freuds Moses. Endliches und
unendliches Judentum (1991). Aus dem Englischen ubersetzt von
Wolfgang HeuB. Berlin: Verlag Klaus Wagenbach, 1992, S. 127.
18 Jacques Derrida, Dem Archiv verschrieben. Eine Freudsche
Impression (1995). Aus dem Franzosischen fibersetzt von Hans-Dieter
Gondek und Hans Naumann. Berlin: Brinkmann + Bose, 1997, S.
116.
19 Ebd., S. 122.
20 Ebd., S. 14-15.
21 Noch vor wenigen Jahren ware eine Edition wie Nietzsches
Werke. Kritische Gesamtausgabe, IX. Abteilung: Der handschriftliche
NachlaB ab Frihjahr 1885 in differenzierter Transkription.
Herausgegeben von Marie-Luise Haase und Michael Kohlenbach, Band
I-III: N VII 1-4, bearbeitet von Marie-Luise Haase u.a. Berlin, New
York: Walter de Gruyter, 2001, kaum verwirklichbar gewesen, weil
die technischen Moglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung
zu beschrankt waren; das betrifft nicht nur die begleitende
Abbildung der handschriftlichen Zeugnisse auf CD-ROM, sondern
insbesondere die ultradiplomatische Umschrift, die dem Leser im
Vierfarbendruck sowohl die verschiedenen von Nietzsche benutzten
Schreibwerkzeuge wie die zum Teil verworrenen Schriftverlaufe
akribisch genau vor Augen fuhrt. Einen Schritt weiter noch geht die
"Open Source"- Philosophie von "HyperNietzsche", die
Nietzsche-Forschung zu demokratisieren und zu globalisieren. Das
inzwischen dem Mfinchner Graduiertenkolleg "Textkritik als
Grundlage und Methode historischer Wissenschaften" angegliederte
Projekt steht allerdings noch ganz am Anfang und verspricht
moglicherweise mehr, als es zu leisten imstande sein wird; vgl. zur
Utopie immerhin Paolo D'Iorio (Hrsg.), HyperNietzsche. Modele d'un
hypertexte savant sur Internet pour la recherche en sciences
humaines. Questions philosophiques, problemes juridiques, outils
informatiques. Paris: Presses Universitaires de France, 2000.
22 Christiane Henkes und Harald Saller mit Thomas Richter
(Hrsg.), Text und Autor. Beitrage aus dem Venedig-Symposium 1998
des Graduiertenkollegs "Textkritik". Mfinchen, Tfibingen: Max
Niemeyer Verlag, 2000 (= Beihefte zu editio 15).
23 Hans Walter Gabler, "Vorwort." Ebd., S. 1-4, S. 2.
24 MatthiasJanBen, "Findet den, der es gemacht hat! Uber Autor,
Text und Edition beiJ.J. Bodmer undJ. Grimm." Ebd., S. 5-32, S.
17-18.
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MARTIN STINGELIN
25 Barbel Schnegg, "Inschriften edieren. Probleme bei der
Edition inschriftlicher Quellentexte zur romischen
Religionsgeschichte." Ebd., S. 71-83.
26 Thomas Richter, "'so schien es geboten, [...] das ganze Stuck
wegzulassen'. Zum
Spannungsfeld der Begriffe 'Text' und 'Autor' am Beispiel der
Goetheedition." Ebd., S. 153-165; Richter pflegt allerdings einen
ebenso emphatischen wie unreflektierten Begriff von
'Authentizitit', der sich im Licht der Kontingenz, die die
Uberlieferung beherrscht, kaum halten laBt. Im Namen welchen
Kriteriums wollte man zwischen mehr oder weniger 'authentischen'
Lucken in der
Uberlieferung entscheiden wollen?
27 Zit. nachJanBen, "Findet den", S. 23.
28 Zit. nach JanBen, "Findet den", S. 23-24.
29 Albrecht Hausmann, "Autor und Text in der Weingartner
Liederhandschrift (B). Zu M6glichkeiten und Grenzen der
Interpretation von Uberlieferungsvarianz." Ebd., S. 33-52.
30 Stephan Kammer und Annette Schiitterle, "Friedrich H6lderlin:
6/47, 6/46. Eine
textgenetisch-poetologische Lektfire." Ebd., S. 167-190, Zitat
auf S. 168. Zum
Begriff der "Schreibszene" vgl. grundsatzlich die-von Kammer und
Schiitterle nicht berucksichtigte-Studie von Riidiger Campe, "Die
Schreibszene. Schreiben." In: Hans Ulrich Gumbrecht und K. Ludwig
Pfeiffer (Hrsg.), Paradoxien, Dissonanzen, Zusammenbriiche.
Situationen offenerEpistemologie. Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag,
1991, S. 759-772.
31 Stephan Kammer, "Tippen und Typen. Einige Anmerkungen zum
Maschinenschrei- ben und seiner editorischen Behandlung." In:
Henkes und Sailer (Hrsg.), Text und Autor, S. 191-206.
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Article Contentsp. [650]p. 651p. 652p. 653p. 654p. 655p. 656p.
657p. 658p. 659p. 660
Issue Table of ContentsMLN, Vol. 117, No. 3, German Issue (Apr.,
2002), pp. 527-693Front MatterTextkritik/Editing
LiteratureGrattier, Gratthier oder Steinbock? Zur Textkonstitution
bei Conrad Ferdinand Meyer und Gottfried Keller [pp. 527 -
543]Schrift und Textkritik. Vorlufige berlegungen zu einem
Editionsproblem in Robert Walsers Mikrogrammen am Modell der
"Bleistiftskizze" [pp. 544 - 559]Lschblatt. Vom Umgang mit Walter
Benjamins Handschriften [pp. 560 - 575]"noch ein Blttchen Papier fr
Dich" Zu Heinrich v. Kleists Brief an Wilhelmine v. Zenge vom
20./21. August 1800 [pp. 576 - 583]Notizen zum Grundri der
Textkritik [pp. 584 - 589]Face to Face. Hlderlin in a New Italian
Bilingual Edition [pp. 590 - 598]De revolutionibus. Bahnen und
Bahnungen im Werk Hlderlins [pp. 599 - 633]Das Gedicht an sich.
Paul Flemings Trostsonett [pp. 634 - 649]
Notes"Dmmerpunkte" der berlieferung. Autor, Text und Kontingenz
[pp. 650 - 660]Notes [pp. 661 - 666]
Reviewsuntitled [pp. 667 - 670]untitled [pp. 671 - 674]untitled
[pp. 675 - 681]untitled [pp. 681 - 688]
Books Received [pp. 689 - 690]Back Matter [pp. 691 - 693]