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marketing-tag.de Inhaltskonzept DEUTSCHER MARKETING TAG 2020 30.11./1.12.2020 | Berlin Me.Unlimited Ralf E. Strauß Marketing Agenda 2020
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Marketing agenda 2020

Mar 21, 2023

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Khang Minh
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Page 1: Marketing agenda 2020

marketing-tag.de

Inhaltskonzept

Deutscher

MarketIng tag

2020

30.11./1.12.2020 | Berlin

Me.unlimited

ralf e. strauß

Marketingagenda 2020

Page 2: Marketing agenda 2020
Page 3: Marketing agenda 2020

Partner

Kantar TNS ist eines der renommiertesten Institute für Markt- und Medienforschung, für Marken- und Marketingberatung in Deutschland.

“Wir unterstützen den Deutschen Marketing Verband e.V. bei seiner Arbeit, eine wissenschaftlich fundierte Marketing Agenda 2020 zu entwickeln, um Entscheider in Unternehmen mit den richtigen Impulsen zu versorgen.”

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Marketing Agenda 2020 Inhaltskonzept zum 47. Deutschen Marketing Tag

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Inhalt Seite

Vorwort „Deutscher Marketing tag 2020“ Dr. Ralf E. Strauß 6

Marketing agenDa 2020 – Me. unliMiteD. 7

„Me.unliMiteD.“ – Die operationalisierung Deep DiVe-sessions (Tag 1, 30. NovEMbER 2020) 16

Deep Dive-Session 1: Meet the Disruptors – Lernen von innovativen geschäftsmodellen 16

Deep Dive-Session 2: Künstliche Intelligenz – anwendungsbeispiele im Marketing 17

Deep Dive-Session 3: Nachhaltigkeits-Marketing … Trend-Surfen auf der (inflationären) Welle des „guten“? 19

Deep Dive-Session 4: Marketing-automatisierung … Reloaded 20

Deep Dive-Session 5: Start-up bootcamp (adTech & big Data/analytics) 21

Deep Dive-Session 6: Direct-to-Consumer … ausschaltung des Handels? 21

keynotes & rounDtables (Tag 2, 1. DEzEMbER 2020) 23

breakout-sessions & Masterclasses (Tag 2, 1. DEzEMbER 2020) 23

breakouts i (Tag 2, voRMITTag) 24

Breakout 1: Purpose-driven Marketing – Sinnhaftigkeit in einem Meer undifferenzierter angebote 25

Breakout 2: 3D-Druck – kommt jetzt die massenhafte Individualisierung von Produkten? 26

Breakout 3: Customer Experience Management – vom Konzept in die Umsetzung 28

Breakout 4: Customer Journey analyse und attributionsmodellierung – blick hinter die Kulissen 29

Breakout 5: blockchain im Marketing – Hype or Hope? 31

Breakout 6: Marketing Science Slam 34

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Marketing Agenda 2020 Inhaltskonzept zum 47. Deutschen Marketing Tag

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breakouts ii (Tag 2, NaCHMITTag) 34

Breakout 7: Content-Marketing … Mythen und Wahrheiten 34

Breakout 8: Innovate or Perish – oder: wie organisiert man Innovation? 36

Breakout 9: vom klassischen Handel zur Plattformstrategie in einem IT-Handels-Ökosystem 37

Breakout 10: MarketingTech … die Hochzeit von Marketing und IT?! 39

Breakout 11: Marketingorganisation 3.0 – auf dem Weg zum agilen organistionsmodell 40

Breakout-Session 12: award: best of DMv 42

Roundtable 1: Customer Experience Management – das Problem sitzt vor dem Laptop?! 42

Roundtable 2: CMo trifft CIo – Ende des Disconnects? 42

Roundtable 3: Meet generation z … oder: bedürfnisse und Wünsche jenseits des Hype 44

Roundtable 4: building High-Performance Teams – Lucky Strike oder gezielte Führung? 45

Masterclass 1: Preisbildung bei Innovationen – Monetarisierung vs. verlust? 45

Masterclass 2: Change Management … jenseits von Powerpoint-Platitüden 46

Danksagung 49

kuratoriuM Des Deutschen Marketing VerbanDs 50

Jury zuM Deutschen Marketing preis 2020 51

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Marketing Agenda 2020 Inhaltskonzept zum 47. Deutschen Marketing Tag

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MarketIng agenda 2020

deUtSCher MarketIng tag 2020

Wir freuen uns sehr darüber, dass sich der Deutsche Marketing Tag über die letzten Jahre zu einer der be-deutendsten Konferenzen in Europa zu allen aktuel-len Fragen rund um Marketing, vertrieb und Service entwickelt hat. Der bisherige Erfolg über die letzten Jahre ist auch in 2020 für uns wieder anspruch und verpflichtung zugleich. als branchen-Highlight geht es immer wieder darum, aus einem inhaltlich relevan-ten und zukunftsweisenden Konzept eine vielzahl an nationalen und internationalen Referenten, beiträ-gen und Inspirationen miteinander zu verbinden, die aus möglichst vielen unterschiedlichen Perspektiven verschiedenartigste Themenfelder beleuchten. Un-sere ambition ist es damit abermals, 8 grundlegen-den Anforderungen gerecht zu werden:

·aktuelle und zukunftsweisende Konzepte darzustel-len und zu diskutieren;

·weniger theoretisch, als anhand konkreter, prakti-scher Umsetzungserfahrungen;

·keine unidirektionalen Powerpoint-vorträge, als vielmehr Plattformen für die Interaktion, Diskussi-on, den qualitativ hochwertigen austausch und das Networking zu bieten;

·keine aneinanderreihung beliebiger Success Sto-ries und die beliebige Enumeration möglicher neu-ester Trends und Chancen, als vielmehr konkrete Erfahrungsbeiträge aus Sicht der verantwortlichen inkl. deren persönlicher Erfahrungen und konkreter „Lessons Learned“;

·keine oberflächlichen „Sales-Pitches“, sondern Fokus auf konzeptionell werthaltige vorträge von Unternehmen, welche die jeweiligen Themenfelder bereits umgesetzt haben und ihre jeweiligen Erfah-rungen vorstellen;

·von der Strategie bis zur Umsetzung;·über verschiedenartigste größenklassen und Indus-

triesegmente hinweg;·cross-funktional in der verbindung zwischen klassi-

schen offline-Themen, IT/Digital, Produktmanage-ment, Pricing, Innovationsmanagement, vertriebs-kanalsteuerung oder auch von organisation und Führung.

Das Feedback der Deutschen Marketing Tage der letzten Jahre zeigt, dass dieser inhaltliche Fokus ange-sichts einer vielzahl ansonsten vorzufindender meist

vager Heilsversprechen und Platitüden sehr viel positi-ve Resonanz erfährt – gleichzeitig wir diesen auch wei-terhin konsequent umsetzen müssen. Daher haben wir für die Entwicklung des vorliegenden Inhaltskonzepts als „roten Faden“ für den Deutschen Marketing Tag 2020 gemeinsam mit der European Marketing Confe-deration (EMC) abermals die Marketing Agenda 2020-befragung bei knapp 1.000 Marketing- und ver-triebsleitern in Europa durchgeführt. Sekundiert wurde diese Erhebung abermals u.a. durch Diskussionen mit dem Kuratorium des Deutschen Marketing verband, der Jury zum Deutschen Marketing Preis, den Leitern der Competence Circle des Deutschen Marketing ver-band, den Mitgliedern der CMo Community, den Mit-gliedern der digital CMo Community sowie insgesamt mehr als 30 Interviews. allen Kollegen gebührt mal wieder ein herzliches Dankeschön für die vielzahl an anregungen, Denkanstöße, das Engagement und die dahinterliegende „brain-Power“. Danke! Ein herzliches Dankeschön gilt auch allen Kollegen der European Marketing Confederation (EMC), wie alvyde Palaimai-te (Litauen), georg Wiedenhofer (Österreich), andreas balazs (Schweiz), Jonathan Deacon (UK), Martin Huis-man (Niederlande), Nikolay Tinkov (bulgarien), Tatiana Komissarova (Russland), Tom Trainor (Irland), Rui ventu-ra (Portugal), victor Conde (Spanien) und Uwe Tännler (EMC). Dank gebührt auch Hr. Hartmut Scheffler (Kan-tar) für die Unterstützung der Marketing agenda 2020.

Wir hoffen sehr, dass die vorliegende Marketing agenda 2020 und das damit verbundene Inhaltskon-zept erneut viele anregungen und Diskussionspunkte bietet und wir diese dann gemeinsam mit Ihnen auf dem Deutschen Marketing Tag am 30. November / 1. Dezember 2020 in berlin mit einer vielzahl spannen-der Referenten weiter vertiefen können.

Wir freuen uns sehr auf ein Wiedersehen in der Hauptstadt!

Mit herzlichen grüßen,

Dr. Ralf E. Strauß Präsident Deutscher Marketing verband (DMv) vice Chairman European Marketing Confederation (EMC)

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Marketing Agenda 2020 Inhaltskonzept zum 47. Deutschen Marketing Tag

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MarketIng agenda 2020

Me. UnlIMIted.

Die Digitalisierung stellt Marketing-organisationen und -Entscheider vor Herausforderungen, die dabei selten nur einzelne Unternehmensbereiche, son-dern vielmehr die gesamte Unternehmensstrategie, die Unternehmenskultur, die organisation und alle operativen Prozesse betreffen. aus diesem grund ist es nicht verwunderlich, dass anfangs vermeintlich isolierte Digitalprojekte schnell einen kompletten Change-Prozess in allen Unternehmensbereichen erfordern, oftmals verbunden mit einer operativen Restrukturierung. Der versuch einer Digitalen Trans-formation bei gleichzeitiger verteidigung des beste-henden ist hingegen meist zum Scheitern verurteilt. Damit haben wir hier eine zwiespältige Situation: auf der einen Seite steht das Dogma im Sinne von “Digi-tal is the New Normal“ und eine Legion an Startups, die nur darauf warten, das bisherige geschäftsmo-dell zu kannibalisieren, auf der anderen Seite eine vielzahl an schmerzhaften und kostenintensiven Er-fahrungen (und persönlichen blessuren) aus gemein-samen Marketing/vertrieb und IT-Projekten der ver-gangenheit, etwa im Umfeld von CRM. Für Kunden und verbraucher auf der anderen Seite sind digitale Innovationen hingegen längst Teil des alltags (wie etwa die Nutzung von WhatsApp oder Netflix) und werden in erstaunlichem Tempo adaptiert.

Die zukunft des Marketings als Schnittstelle zwischen Unternehmen und Konsumenten im Sinne einer marktorientierten Unternehmensführung wird dabei von einigen wenigen, zentralen Entwicklungen ge-prägt, zusammengefasst als 10 Thesen zur Zukunft des Marketings:

· Hyper-Individualisierung und Storytelling für spitze Konsumenten-Zielgruppen: Masse in soziodemo-grafischen zielgruppen wird durch Storytelling für die jeweilige audience ersetzt. Die grundlage: Insights, katalysiert in datengetriebenen Plänen;

· Künstliche Intelligenz zur weitergehenden Auto-matisierung der Kundeninteraktion: In Chatbots wird hier die Killer-app gesehen, als konsequenter erster Kontaktpunkt die automatisierung des Kun-denkontaktes neu zu definieren;

· Veränderte rechtliche Rahmenbedingungen: durch die DSgvo und alle damit verbundenen Heraus-forderungen zur gewinnung und Speicherung vor allem personenbezogener Daten in abgrenzung zu Walled gardens (wie Google, Facebook und Ama-zon);

· Programmatic-Revolution frisst ihre Kinder: Walled gardens, deren Werbeverkauf praktisch schon im-mer programmatisch war, machen es unabhängi-gen Technologie-anbietern zunehmend schwer. Die DSgvo befördert (indirekt) tendenziell eher das Erstarken oligopol-ähnlicher US-geprägter Marktstrukturen;

· 3D-Druck wird erwachsen: massenhafte Individua-lisierung auch im Endprodukt (Mass Customization) wird durch den 3D-Druck möglich und schrittweise salonfähig;

· Revolution im Pricing: Daten und algorithmen er-lauben eine massenhafte Differenzierung auch in der Preissetzung, bis hin zum massenhaften aus-spielen individualisierter Preise. Dies betrifft vor al-lem auch das Pricing von Innovationen;

· Marke versus Abverkauf: lag in den letzten Jahren in den meisten Marketing-abteilungen der Fokus eher auf abverkauf (Performance Marketing, Lower Funnel) und wurden in diesem zuge der bereich brand Management reduziert bzw. abgeschafft, setzt sich nunmehr schrittweise die Erkenntnis durch, dass Marken als orientierungspunkte für Konsumenten wichtig sind und in Folge die Mar-kenkommunikation (brand Marketing, Upper Fun-nel) gestärkt wird;

· Direct-to-Consumer: getrieben durch die Not-wendigkeit, eigene Daten und damit verbundene Insights über Konsumenten sammeln zu müssen, starten mehr und mehr Unternehmen Direct-to-Consumer oder auch omnichannel-Projekte – par-allel zu den etablierten Handelsstrukturen als Inter-mediären;

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· Insourcing: immer mehr Marketing-Funktionen wer-den nach einer Welle des outsourcings wieder ins eigene Haus verlagert. Die begründung: höhere geschwindigkeit in der Umsetzung, tiefe Produkt- und Marktkenntnis und der ohnehin bestehende zwang zum aufbau notwendiger Technologie-Kom-petenzen Inhouse;

· MarketingTech: die Umsetzung digitaler Wunsch-träume erfordert den aufbau eigener anwendungs-landschaften und die Schaffung intelligenter Inte-grationsszenarien. Erforderlich werden neuartige Kompetenzen in Form von Marketing Technology Experts.

Die 5 S-Bausteine für ein erfolgreiches Marketing der zukunft bleiben vor diesem Hintergrund auch in 2020 weiter bestehen1:

· Science: die Nutzung wissenschaftlicher (multivari-ater) verfahren für die analyse der Customer Jour-ney, der Kundenpräferenzen auf der grundlage unterschiedlicher Datenquellen (big Data) im Sinne eines Real-Time Marketing oder auch der optimie-rung der Marketing-ausgaben etwa im Rahmen kausalanalytischer Modellierungen. Dies erfordert nicht nur erhebliches Methodenwissen, sondern auch erweiterte Kenntnisse im bereich von Marke-ting-Technologien;

· Substance: das Management der Kundenerfah-rungen (Customer Experience Management), kon-sistent über alle Touchpoints hinweg, inkl. der Ent-wicklung neuer Produkte und Dienstleistungen;

· Story: transmediales Storytelling als Instrument eines Content Marketings – also statt Push / Inside-out eher Pull / outside-In, quasi als brückenschlag zwi-schen Marke und Nutzer im jeweils relevanten Kon-text;2

· Speed: an die Stelle des vormaligen „batch-Pro-zesses“ wandelt sich die Rolle des Marketings zum permanenten Katalysator und Evangelisten des Kunden, was wiederum eine neue Form organisa-torischer anpassungsfähigkeit – agilität – erfordert. Nestlé hat etwa sog. „Digital acceleration Teams“ etabliert, welche die bestehenden funktionalen Ein-heiten in Feldern wie Social Communication und

Performance Marketing trainieren und unterstützen sollen. Das stellt im Kern nichts anderes dar als die Herausbildung cross-funktionaler Teams im (aus der IT bekannten) sog. overlay-verfahren;

· Simplicity: die Reduktion von Hierarchien, Silos und Redundanzen innerhalb der organisation. Ähnlich auch die vereinfachung der zusammenarbeit mit externen Partnern wie agenturen. ausgehend von dem Primat der Customer Experience wird die ge-samte Customer Journey abgebildet und nachver-folgt (als Customer Journey Mapping);

Um die Herausforderungen und spezifischen Stra-tegien der Chief Marketing officers in Europa wei-tergehend zu analysieren und die Trends für 2020 herauszuarbeiten, wurde Ende 2019 im Kreis der European Marketing Confederation (EMC) abermals die Trendstudie Marketing Agenda 2020 durchge-führt. zentrale Fragestellungen dieser befragung sind die wichtigsten Themenstellungen, als auch He-rausforderungen für 2020 aus der Sicht von Marke-ting und vertrieb. Hierzu wurden insgesamt mehr als 1.000 Marketing-/ vertriebsleiter in Europa um ihre Einschätzungen gebeten, was zu insgesamt 767 voll-ständigen antworten geführt hat. zusätzlich wurden 32 persönliche Interviews durchgeführt.

Fragt man Marketing- und vertriebsverantwortliche in Europa nach den wichtigsten Themenstellungen für 2020+, kristallisieren sich – analog zu den vorjah-ren – deutlich einige Schwerpunktthemen wie Digita-les Marketing, Marken-Strategie oder auch Content Marketing & optimierung heraus (abbildung 1).

Während einzelne Tools im Umfeld des Digital Mar-keting bereits hinlänglich gut verstanden und zumin-dest in Teilen umgesetzt werden, zeigen die Inter-views und die Erfahrungen der letzten fast 30 Jahre und alle durchgeführten Projekterfahrungen, dass es nicht um Technologie oder einzelne Tools geht, son-dern die orchestrierung cross-funktionaler Teams, ebenso wie die massenhaft individualisierte anspra-che im Data-Driven Programmatic Advertising. Di-gital Data Plattformen wie DMPs und Data Lakes bilden die grundlage sowohl für analytics, als auch für die operative aussteuerung aller Kundenkontak-te (als Teile eines umfassenderen MarketingTech). Notwendig für ein effizientes Targeting und für „gra-

1 gordon, J.; Perrey, J.: The dawn of marketing’s new golden age, in: McKinsey Quarterly, February 2015.2 Smith, P.: Lead with a Story: a guide to Crafting business Narratives that Captivate, Convince, and Inspire, Cincinnati 2012.

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abbildung 1: Wichtigste Themenstellungen in Europa in 2020 (jeweils Top 3 Themenstellungen, in Prozent, n=767)

vitationale Inhalte“ ist der zugriff auf Nutzerdaten, insbesondere die analyse der Customer Journey. Die analyse verschiedenartigster Kontaktpunkte mit dem Produkt und mit dem Unternehmen (online wie offline) bis zur Kaufentscheidung bietet weiterge-hende anhaltspunkte für den effizienten Einsatz von Ressourcen. Entlang der Customer Journey durch-läuft der Kunde mehrere Phasen des Kaufentschei-dungsprozesses, die idealerweise mit passenden Marketingmaßnahmen begleitet werden sollten. aus Sicht Marketing ist es von besonderer bedeutung, die Kontaktpunkte des Kunden mit dem Produkt bzw. mit dem Unternehmen zu analysieren und zu optimieren, welche gewählten Kanäle, Werbemittel, Inhalte und angebote schließlich zur finalen Kaufent-scheidung führen (attribution). zu beginn stehen hier Fragestellungen wie etwa

· welche Touchpoints hatte ein Nutzer vom ersten Produktkontakt bis zum Kaufabschluss?;

· welche Kontakte in welchem Kanal haben welchen beitrag zum finalen Kaufabschluss geleistet?

Das Vertrauen in Marken ist vielfach erschüttert: Studien mit Konsumenten wie “Meaningful Brands“ (Havas group) zeigen, dass es verbrauchern egal ist, wenn 74% aller Marken einfach sang- und klanglos verschwinden würden.1 International werden mehr als ¾ der Marken von verbrauchern als „verzichtbar“ eingestuft. Markenloyalität spielt insbes. für Millenni-als so gut wie keine Rolle mehr – die bedeutung von „Kultmarken“ sinkt in dieser generation weiter ab. Die zeiten, in denen es auf Schulhöfen noch wahre grabenkämpfe zwischen der Nike- und der Adidas-Fraktion gab, sind weitgehend passé. Qualitätsmar-ken sind dieser generation zwar weiterhin wichtig – doch welche genau, ist eher sekundär. Für Millen-nials zählt Funktionalität, Convenience, Flexibilität und weit vor allem anderen der „best Deal“. Damit stehen für sie tendenziell eher funktionale Produkt-eigenschaften im Mittelpunkt, weniger die Marke an sich.

Unternehmen stellt sich in diesem Spannungsfeld die Frage, wofür sie stehen und welche Haltung sie mit ihrem Produkt und der dazugehörigen Kommu-nikation transportieren wollen. Studien zeigen: Mar-

1 Havas group: Meaningful brands, unter: https://www.meaningful-brands.com/en, abgerufen am 27.12.2019.

29%

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Digital Marketing (in total)

brand Strategy & Management

Content Marketing & optimization

Marketing automation

Customer-Journey analysis (attribution)

Digital Marketing Platforms (DSP, DMP)

building High Performance Teams

Digital Transformation (in total)

(big) Data analytics

Social Media Marketing

Innovation, Product Development

Storytelling

Marketing Spend optimization (Return on Marketing)

artificial Intelligenz & bots

Employer branding

Search Engine Marketing (SEo & SEa)

Marketing Planning – best Practices

Purpose Driven Marketing

Pricing Strategy

Predictive Marketing (analytics)

Product Management (incl. Mass Customization)

Digital Tools & gadgets

Market analytics

Influencer Marketing

Mobile Marketing

CSR Programs

blockchain

Retention Programs

Programmatic advertising

Neuromarketing

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Marketing Agenda 2020 Inhaltskonzept zum 47. Deutschen Marketing Tag

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ken, denen es hingegen gelingt, als „sinnstiftend“ wahrgenommen zu werden, sind auch wirtschaftlich erfolgreicher. Sie übertreffen die Entwicklung des aktienmarktes innerhalb von zehn Jahren um bis zu 206%. aspekte wie Nachhaltigkeit sowie gesell-schaftliche und ökologische verantwortung spielen damit aus Sicht der Markenverantwortlichen eine größere Rolle als noch in früheren Jahren. Marken-hersteller – vormals in ihrem eigenen Selbstverständ-nis die „Träger von bedeutung und Sinn im Leben ihrer Kunden“ – suchen unter dem Stichwort „Purpo-se Driven Marketing“ einen ausweg. Die Inszenie-rung der Marke erfordert einen Richtungsschwenk von tradierten Push- zu Pull-Mechanismen: der Ein-zelne wird quasi zum „gravitationszentrum eines in-dividuellen Universums“, in dem Inhalte kreisen, bei passender gelegenheit auf ihn zukommen und die Marke jeweils in einen aus Nutzersicht relevanten Dialog treten muss. gemeinsam mit selbstlernender Software werden Medienhäuser und Marketers als „Content-orchestratoren“ dafür zuständig sein, dass sich botschaften, Produkte und Dienstleistungen den persönlichen Universen und Kontext ihrer adressa-ten anpassen.1 Die Herausforderungen bei der Um-setzung eines effizienten Content Marketing bleiben entsprechend auch in 2020 erhalten. Die Umfrage im Rahmen des Content Marketing Monitors hat ge-zeigt, dass in Punkto Strategie, Umsetzung und Tra-cking noch erheblicher Nachholbedarf besteht.

an vorderster Stelle wird unisono die Notwendigkeit zur weiteren Marketing-Automatisierung hervorge-hoben, also der Einsatz moderner (Inbound) IT-Platt-formen zur Neukundengewinnung, Kundenbindung und um bestehende Kunden zu Wiederkäufern zu machen. Die meisten Diskussionen um Marketing-automatisierung setzen ihren Schwerpunkt im sog. Lead-Nurturing als systematische und automatisierte Weiterqualifizierung eines Leads (wie z.b. eine ein-gegangene anfrage, Datenpunkte via Cookies oder auch über den Erhalt einer Kontakt-Info, wie z.b. eine E-Mail-adresse) bis zum abschluss eines auftrags. automatisierung und Individualisierung führen in Konsequenz dazu, dass angebote nach individuel-len Situationen maßgeschneidert werden können. Im Fokus steht ein integrierter ansatz zur generierung, Pflege und Konversion von Leads, indem verschie-dene Marketing-Techniken und vertriebs-Prozesse von der Erstansprache bis zum verkaufsabschluss au-

tomatisiert werden. Das Dynamic (Realtime) Pricing als dynamische, massenhaft individualisierte Preis-setzung für einzelne Kunden wird entsprechend um Datenpunkte aus dem jeweiligen Kontext zum Situ-ative Dynamic Realtime Pricing bzw. offering erwei-tert. Die Notwendigkeit zur dauerhaften Innovation verlangt entsprechend auch das Überdenken von Pricing-Strategien für Innovationen.

Die Dynamik und der Trend zur Individualisierung verstärkt sich weitergehend durch die Digitalisie-rung: Die Industrialisierung brachte das einheitliche Massenprodukt – die Digitalisierung bringt bei vielen Produkten und Dienstleistungen die Individualität zu-rück. 3D-Drucker bspw. werden derzeit noch vor al-lem für die schnelle Erstellung von Prototypen, indi-viduelle Prothesen in der Medizintechnik oder selten benötigte Ersatzteile bspw. im Flugzeugbau genutzt. Für die Massenproduktion sind traditionelle Herstel-lungsverfahren immer noch deutlich günstiger. Doch der 3D-Druck ist auf dem Weg so günstig zu wer-den, dass maßgefertigte, individuelle Produkte mas-senhaft gefertigt werden. Im Rahmen der additiven Fertigung ist es zunehmend günstiger, insbes. bei geringen Stückzahlen bauteile im individuellen 3D-Druckverfahren herzustellen, als in klassischen ver-fahren wie dem Druckguss, der günstigsten Methode in der Massenproduktion. Hintergrund des Strebens nach Unikaten oder auf den Kunden zugeschnitte-ner Kleinstauflagen ist das gefühl des Individuums, von der Marke gesehen und als Individuum wertge-schätzt zu werden oder folgt schlichtweg technischen Notwendigkeiten, wie der besten Passung medizini-scher Prothesen. Wenn Kunden die gestaltung der Interaktion und von Produkten selbst beeinflussen können, erleben diese eine art Wirkmacht, welche das Selbstgefühl stabilisiert. Der Wunsch, mit etwas Eigenem aus der Masse herausstechen zu können, führt nach Reckwitz zu einer „Gesellschaft der Sin-gularitäten“.2 Demzufolge honorieren spätmoderne gesellschaften es, wenn Menschen einzigartig sind, originelle Interessen haben, sich aus den unzähligen optionen eine unverwechselbare biografie zusam-menstellen und in der Lage sind, ihr Leben zu kura-tieren. Durchschnittstypen sind dagegen eher nicht gefragt, anpassung ist verpönt, sowohl im Sozialen und Privaten, als auch im beruflichen Umfeld. Der psychologische grund: in den meisten Produktberei-chen fühlen sich Konsumenten ohnehin durch die ge-

1 Pulizzi, J.; barrett, N.: get Content, get Customers: Turn Prospects into buyers with Content Marketing, New York 2009.; bashford, S.: brands take the reins on content, in: Marketing Magazine UK, June 20, 2012, pp. 39 - 45.

2 Reckwitz, a.: Die gesellschaft der Singularitäten: zum Strukturwandel der Moderne, berlin 2017.

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Marketing Agenda 2020 Inhaltskonzept zum 47. Deutschen Marketing Tag

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stiegene variantenvielfalt bestens bedient. Sneakers etwa dienen zur Selbstinszenierung und -stilisierung. Personalisierung bietet sich vor allem bei Produkten an, die Konsumenten in ihrer Individualität unterstüt-zen und stärken, etwa bei „Persönlichkeitsmarkie-rern“ wie Mode und autos, Kaffee oder auch Nutella als brotaufstrich.

Der nächste Evolutionssprung im bereich (Big) Data Analytics und Predictive Analytics ist in der Sicht eu-ropäischer Marketingleiter:

· Die prozessuale und technische Konsolidierung al-ler Datenquellen, etwa durch Einsatz sog. Data Ste-wards;

· Die analyse und Schlussfolgerung unter Nutzung von Künstlicher Intelligenz im „Deep Learning“;

um so aus den so entstehenden „Data Lakes“ sinn-voll nutzbare Consumer Insights zu generieren und anschließend umzusetzen.1 viele Entscheider in den Unternehmen haben bereits erkannt, dass die Einbindung von Künstlicher Intelligenz in die Wert-schöpfungskette großes Potenzial birgt. So investie-ren bereits ca. 80% der Unternehmen in Künstliche Intelligenz und erhoffen sich daraus unter anderem Umsatzsteigerung und Wettbewerbsvorteile. Die He-rausforderung besteht meist in praktischen Use Ca-ses, die auch kurzfristig greifbare vorteile erbringen. anwendungsszenarien finden sich etwa in intelligen-ten Recommendation Engines zur Realisierung von Cross- und Up-Sell-Potenzialen, Prognosen zur Kun-denabwanderung (Churn-Management), Sentiment-analysen im Social Media Monitoring, automatisier-ten Service-Szenarien etwa über Chatbots oder auch Recruiting automation. Weitergehende Herausfor-derungen werden für die zukunft durch Blockchains als grundlagen-Technologie bzw. Transaktionsproto-koll zwischen Marktteilnehmern erwartet, wenngleich diese auch ähnlich wie künstliche Intelligenz noch eher auf der „Watchlist“ für die kommenden Jahre in bezug auf die praktische Implementierung stehen.

Die Digital-Euphorie, wie auch das abwandern von Mitarbeitern traditioneller Unternehmen zu „Start-Up-Kulturen“ bewirken, dass die organisatorische Leistungsfähigkeit nach wie vor hohe aufmerksam-keit auf sich zieht. Über adäquate organisatorische

Strukturen und leistungsstarke Teams ist die inner-betriebliche Kooperation und Koordination entlang der Web-gestützten Wertschöpfungsprozesse sowie die Innovationsbereitschaft abzusichern. Einige der Interviewpartner gaben hierzu an, dass “Getting/ enhancing talented people to do our job!” die höchste Priorität haben sollte. gefragt ist hierfür zunehmend ein Führungsstil, der durch Inspiration, Reputation und ein hohes Maß an zusammenarbeit bis zur Maximalausprägung einer “Leaderless orga-nisation“ geprägt ist (Holacracy). Damit wandeln sich auch die grundsätze der Führung in Richtung Digital Leadership: Mit der offenheit für den Einsatz neue-rer Instrumente demonstrieren Führungskräfte, dass sie selbst diese Instrumente nutzen, eher agil sein wollen, sich im Unternehmen vernetzen und Mitar-beiter an Prozessen stärker teilhaben lassen.2 „User Centricity“ bezieht sich damit nicht nur auf (externe) Kunden im Sinne eines Total Customer Experience Managements oder Experience Designs, sondern auch die (interne) Unternehmensorganisation. Dies impliziert: einen höheren anteil an Selbstorganisa-tion und „Fail Faster“, statt autokratie und einem strengen ausrichten an starren hierarchischen büro-kratie-Strukturen. Explizit gesucht wird die Übernah-me einer effizienten (real-time) Katalysator-Funktion zwischen Kunden und Konsumenten auf der einen Seite und den Unternehmen auf der anderen im Rah-men des Innovationsmanagements mit dem Fokus auf:

· Neuen Produkten und Dienstleistungen, um neue Märkte zu erobern;

· verbesserten Produkten und Dienstleistungen, zur Differenzierung von Wettbewerbern;

· verbesserung der internen abläufe;

· Entwicklung neuer geschäftsmodelle und Ertrags-quellen.

Dabei unterscheiden sich branchen deutlich: Im au-tomobilbereich steht in 2020 vor allem der aufbau von „High Performance Teams“ im brennpunkt, wäh-rend der „Aufbau Digitaler Marketing Plattformen (DSP, DMP)“ bei Energieversorgern, Tourismus- und Mediananbietern überdurchschnittliche (signifikante) bedeutung besitzt. Künstliche Intelligenz und der

1 Mayer-Schönberger, v.; Cukier, K.: big Data, London 2013.2 van Dick, R.; Helfritz, K. H.; Holz, F.; Stickling, E.: Digital Leadership – Die zukunft der Führung in Unternehmen, Frankfurt 2016

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prio. Österreich Deutschland litauen holland schweiz andere

1 Digital Marketing Marketing automation

brand Strategy & Management

brand Strategy & Management

Digital Marketing Digital Marketing

2 brand Strategy & Management

Digital Marketing Platforms (DSP, DMP)

Digital Marketing Digital Marketing brand Strategy & Management

Content Marketing & optimization

3 Innovation, Product Development

Customer Journey analysis (attribu-tion)

Innovation, Product Development

Content Marketing & optimization

Content Marketing & optimization

brand Strategy & Management

abbildung 2: Top 3 Themenstellungen in Europa in 2020 in den verschiedenen Ländern (jeweils Top 3 Themenstellungen, n=767)

Einsatz von bots bleibt derzeit noch den Technolo-gieanbietern vorbehalten, während sich Medienun-ternehmen deutlich stärker als andere auf „Change Management“ fokussieren.

auch zwischen den Ländern in Europa bestehen teil-weise erhebliche Unterschiede in den Prioritäten für 2020 (abbildung 2): in Litauen dominieren in 2020 Themenfelder wie „Brand Strategy & Management“ (32%), „Content Marketing“ (17%) oder auch „Inno-vation & Product Management“ und „Social Media Marketing“ (jeweils 20%). am wenigsten wird hier im vergleich zu allen anderen Ländern auf Themenfel-der wie „Big Data“ oder „Digitale Transformation“ fokussiert.

In Österreich liegt der Fokus auf Themenstellungen im bereich „Digital Marketing“ (38%), dicht gefolgt von „Brand Strategy & Management“ (36%) und be-reits deutlich weiter abgeschlagen „Innovation, Pro-duct Development“ (19%). vergleichsweise weniger als in anderen Ländern finden sich „Big Data“ und „Predictive Analytics“. gemeinsam mit Litauen steht das Themenfeld Innovationsmanagement in Kombi-nation mit der Entwicklung von Neuprodukten auf der Hitliste der Themenstellungen für 2020.

analog zu Österreich präsentiert sich die Schweiz: „Digital Marketing“ (34%) dominiert hier die Mar-keting agenda 2020, gefolgt von „Brand Strategy & Management“ (29%) und „Content Marketing & Optimization“ (23%). vergleichsweise weniger als in anderen Ländern wollen sich Marketing Executives Themenfeldern wie „Big Data“ und „Predictive Ana-lytics“ widmen. Im vordergrund der eidgenössischen Marketing agenda 2020 steht damit hauptsächlich die abkehr von einem „Push-Marketing“, hin zum „Pull-Marketing“ und die Stärkung der Marke.

ganz anders in den Niederlanden: hier dominieren neben „Brand Strategy“ (47%), „Content Marketing“ und „Digital Marketing“ (jeweils 28%). vernehmbar wenig Fokus liegt auf Themen wie „Marketing Au-tomatisierung“ (6%) oder auch „Marketing Spend Optimization“ (5%). Standen in 2019 noch „big Data analytics“-Projekte auf dem obersten Rangplatz der agenda, fallen diese im Königreich für 2020 deutlich ab (22%). voraussetzung hierfür: die Schaffung von „High Performing Teamstrukturen“ (15%).

abermals ganz unterschiedlich hierzu stellt sich Deutschland dar: hier dominieren „Marketing Au-tomatisierung“ (38%), „Digitale Marketing Plattfor-men“ (38%) und „Customer Journey Analyse/At-tribution“ (28%), gefolgt von „Digitalem Marketing insgesamt“ und „Brand Strategy und Management“. genährt wird das (wie in anderen Ländern) durch die Notwendigkeit zum aufbau von „High Performing Teams“ (17%). Das Marketing wird hier in 2020 aber-mals dominiert durch den aufbau adäquater Plattfor-men und Strukturen im Umfeld von MarketingTech – in diesem Punkt unterscheidet sich Deutschland er-heblich (und statistisch signifikant) von allen anderen Ländern in Europa.

aggregiert man die wichtigsten Themenfelder über Europa hinweg, dann steht das Thema „Data Ma-nagement“ an vorderster Stelle (63%), gefolgt von „Digital Technologies“ (59%), allen Fragen rund um die „Strategie“ (55%), „Organisation und Prozesse“ (52%) und schließlich „Channel Management“ (37%). größte Herausforderungen umfassen in Konsequenz Handlungsfelder im bereich „Daten“ und darauf auf-bauender Maßnahmen wie etwa (abbildung 3):

· Die Konsolidierung aller existierender und neu zu generierender Datenbestände;

Page 13: Marketing agenda 2020

Marketing Agenda 2020 Inhaltskonzept zum 47. Deutschen Marketing Tag

13

· Die Klarheit und ausrichtung der Marketing-Stra-tegie;

· die Etablierung einer konsistenten Customer Ex-perience entlang aller „Touchpoints“,

· Das Change Management zur veränderung der be-stehenden organisation in bezug auf arbeitswei-sen, die Nutzung von IT-anwendungen oder auch die cross-funktionale zusammenarbeit;

· Und damit verbunden die Schaffung eines gemein-samen verständnisses zur bedeutung von datenba-siertem Marketing.

Themenfelder wie

· die gewinnung erforderlicher Erfahrungen zur Digi-talisierung und damit verbundener verbindung von Fachbereichs- und IT-Know-how,

· die Rekrutierung von Mitarbeitern mit relevantem Know-how oder auch

· die Etablierung moderner arbeitsstrukturen un-ter dem begriff des New Work mit bausteinen wie Selbstbestimmung, demokratischen Führungs-strukturen, kreativen Workspaces, schnellen/agilen Entscheidungsprozessen und flexiblen arbeitsmo-dellen

fallen gegenüber 2019 eher in ihrer bedeutung zu-rück. offenbar werden diese eher als grundlage an-gesehen für die bewältigung der anstehenden ope-rativen Herausforderungen.

Wie zuvor bestehen auch hier erhebliche Unterschie-de über Europa hinweg (abbildung 4): In Litauen dominieren Herausforderungen wie ein „unzurei-chender Nachweis des ROI im Marketing“ (32%), die „Klarheit in der Marketing-Strategie“ (20%) oder auch „Change Management in der bestehenden Or-ganisation“ (20%). Damit stehen in Litauen der Um-setzung innovativer Konzeptionen in Marketing & vertrieb vornehmlich Herausforderungen im Umfeld von Strategie und organisation entgegen.

abbildung 3: Wichtigste Herausforderungen/barrieren in Europa in 2019 (jeweils Top 3 Themenstellungen, n=675)

29 %

22 %

19 %

19 %

19 %

18 %

16 %

14 %

14 %

13 %

12 %

12 %

11 %

11 %

10 %

10 %

9 %

8 %

7 %

6 %

4 %

4 %

3 %

2 %

Consolidation of distributed customer data for gaining a 360-degree view on the customer

Clearness in marketing strategy

Consistent customer experiences across all touchpoints

Change management within the existing organisation

Common understanding about the importance of data-based marketing

Establishment of marketing automation with the help of new marketing platforms

Lack of awareness of RoI of investments in marketing

Clearness in communication strategy

Lack of an adequate and efficiently usable CRM system

Cooperation with other functional departments such as sales or IT

omni-Channel Management

Recruitment of employees with relevant experiences / know-how

Know-how and experiences on bringing marketing IT & Digital applications/scenarios together

Selection and implementation of adequate processes and tools for data analytics (“big Data”)

Implementation and usage of new technologies

Legal barriers like data protection act and/or E-Privacy regulation

High efforts required for integration with existing IT infrastructure (“Legacy”)

Cost reduction in marketing

Expansive realignment of processes

Conflict with classical distribution / sales channels

Coordination and integration of decentral departments

Qualified training of existing marketing team

Personalization technologies (e.g. geotargeting

Contextually smart virtual assistants (i.e. Siri, google Now)

Page 14: Marketing agenda 2020

Marketing Agenda 2020 Inhaltskonzept zum 47. Deutschen Marketing Tag

14 15

ganz ähnlich antworten Senior Marketing Executives in den Niederlanden: neben der „Klarheit in der Mar-keting-Strategie“ (46%) finden sich „unzureichender Nachweis des ROI im Marketing“ (28%), oder auch „Change Management in der bestehenden Organi-sation“ (24%). Notwendige voraussetzung bleibt die Konsolidierung aller bestehender Kundendaten über verschiedene Systeme und organisationseinheiten hinweg (24%). Damit steht auch hier weniger der Funktionsumfang einzelner IT-Tools einer Umsetzung entgegen, als vielmehr die bestehende organisati-on, Prozesse und Systeme.

Deutschland wird wie zuvor von der „Konsolidierung aller bestehender Kundendaten über verschiedene Systeme und Organisationseinheiten hinweg“ (39%) dominiert, gefolgt von der „Schaffung eines ge-meinsamen Verständnisses über die Bedeutung von datenbasiertem Marketing“ (31%) oder die „Etablie-rung von Marketing-Automatisierung mit Hilfe neuer Marketing-Plattformen“ (29%). Know-how und Erfah-rungen zum zusammenspiel zwischen Marketing, IT und anderen bereichen für digitale anwendungssze-narien überschatten hier andere Herausforderungen, mit dem Fokus auf Marketingautomatisierung. Damit stehen hier MarketingTech-Plattformen und deren Implementierung (Integration) auf der Liste der Top-Prioritäten.

bewegt man sich etwas weiter nach Süden, präsen-tiert sich die Schweiz ähnlich hierzu: hier sehen sich die betroffenen mit Herausforderungen konfrontiert wie die „Konsolidierung aller bestehender Kunden-daten über verschiedene Systeme und Organisati-onseinheiten hinweg zur Schaffung einer 360-Grad-

Perspektive auf den Kunden“ (30%), „Klarheit in der Marketing-Strategie“ (26%) oder auch die „Schaf-fung konsistenter Kundenerfahrungen über alle Touchpoints“ hinweg (21%).

bewegt man sich weiter nach osten nach Österreich, stellt sich die Situation gänzlich anders dar: hier steht auf der Prio-Liste abstrakt das Themenfeld „Schaf-fung von Klarheit“ auf den vordersten Rangplätzen – dies betrifft sowohl die „Klarheit in der Marketing-Strategie“ (24%), „Klarheit in der Kommunikations-Strategie“ (23%) und „Change Management in der bestehenden Organisation“ (23%). offenbar domi-niert hier eher der Wunsch nach klaren zielen und Strategien zur zielerreichung, vor der Diskussion ein-zelner operativer Instrumente.

Über Europa hinweg kristallisiert sich Digitale Dis-ruption (immer noch) als eines der wichtigsten Management-Themenfelder heraus (abbildung 5). Hierunter fallen alle ansätze zur Etablierung neu-artiger geschäftsmodelle und der Disruption kom-pletter Industrie-Strukturen. Im vordergrund steht zumeist die absicherung profitablen Wachstums, die Etablierung neuartiger geschäftsmodelle bzw. die Diversifizierung. Top-of-Mind ist die Umwälzung bestehender Marktstrukturen, wie es etwa AirBnB, Uber oder auch Spotify gelungen ist. Hand in Hand mit „Future of Learning“ und „New Work“ ist die Herausforderung zu lösen, wie Digital Natives und weitgehend eigenständig arbeitende Senior Pro-fessionals gewonnen werden können, die den Stan-dard-Rekrutierungs-anforderungen und Prozessen nicht einmal nur ansatzweise entsprechen (können), da

prio. Österreich Deutschland litauen holland schweiz andere

1 Clearness in marketing strategy

Consolidation of distributed customer data for gaining a 360-degree view on the customer

Lack of awareness of RoI of invest-ments in marketing

Clearness in marke-ting strategy

Consolidation of distributed customer data for gaining a 360-degree view on the customer

Coordination and integration of de-central departments

2 Clearness in communication strategy

Common under-standing about the importance of data-based marketing

Change management within the existing organisation

Lack of awareness of RoI of invest-ments in marketing

Clearness in marke-ting strategy

Clearness in marke-ting strategy

3 Change ma-nagement within the existing organisation

Establishment of marketing automa-tion with the help of new marketing platforms

Clearness in marke-ting strategy

Change manage-ment within the existing organisa-tion

Consistent customer experiences across all touchpoints

Lack of awareness of RoI of invest-ments in marketing

abbildung 4: Top 3 Herausforderungen in Europa in 2020 in den verschiedenen Ländern (jeweils Top 3 Herausforderungen/barrieren, n=767)

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Marketing Agenda 2020 Inhaltskonzept zum 47. Deutschen Marketing Tag

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· diese formalen Prozesse eher die Tendenz dazu ha-ben, stets auf die gleichen (Stereo-) Typen „Klone“ mit ähnlicher ausbildung und Sozialisation zu fokus-sieren;

· sowohl großunternehmen, als auch mittelständi-sche Unternehmen im Sinne des Employer Bran-ding nach wie zuvor vor der Herausforderung ste-hen, junge Talente vom „Sex-appeal“ des eigenen Unternehmens zu überzeugen. Strebten frühere generationen vor allem nach Sicherheit und einem üppigen gehalt, stellen jüngere generationen an-dere ansprüche an ihren arbeitgeber, wie flexible arbeitszeiten, Lernmöglichkeiten, Entfaltungs-möglichkeiten oder auch die Umsetzung neuester Erkenntnisse der arbeitspsychologie im Unterneh-mensalltag.

Das übergreifende Motto und Leitbild des Deut-schen Marketing Tags 2020 wird vor diesem Hinter-grund sein:

„Me.Unlimited.“

Damit soll umschrieben werden, dass Marketing im Sinn einer marktorientierten Unternehmensführung die grundlagen schaffen muss, an denen sich die In-teraktion mit einem hyper-individualisierten Kunden konsequent ausrichtet. Es reicht also nicht mehr, sich abstrakt über „den Kunden im allgemeinen“ gedan-ken zu machen. Umsatz und nachhaltiger Markterfolg korrelieren unmittelbar mit der Fähigkeit, das Kun-denerlebnis in höchstem Maße, kontext-relevant und konsistent über alle Touchpoints zu individualisieren.

abbildung 5: Wichtigste Management-Trends im Marketing in Europa in 2020 (Mittelwert auf einer Skala von 1 (not important) bis 5 (very important))

3,8

3,7

3,7

3,3

2,8

2,6

Disruption of business Model

Future of Learning

New Work (agile teamwork and workplace structures)

artificial Intelligence

growth Hacking

blockchain Technology in Marketing Scenarios

Page 16: Marketing agenda 2020

Marketing Agenda 2020 Inhaltskonzept zum 47. Deutschen Marketing Tag

16 17

ziel der Deep Dive Sessions am 30. November 2020 ist es, mit Experten die hier vorgestellten inhaltlichen Themen tiefergehend und interaktiv zu diskutieren.

Der avisierte zeitrahmen kann bewusst gesprengt werden bzw. der Diskurs auf dem anschließenden Warm-Up weiter fortgesetzt werden (abbildung 6).

Deep Dive-session 1: Meet the Disruptors – lernen von innovativen geschäftsmodellenDisruption kann als Prozess beschrieben werden, bei dem ein bestehendes geschäftsmodell oder ein ge-samter Markt durch eine stark wachsende Innovation abgelöst beziehungsweise „zerschlagen“ wird. be-stehende, traditionelle geschäftsmodelle, Produkte, Technologien oder Dienstleistungen werden immer wieder von innovativen Erneuerungen abgelöst und teilweise vollständig verdrängt. Mit dem der begriff „Disruption“ soll das revolutionäre Denken und ge-schäftsmodell zum ausdruck gebracht werden. Der Unterschied zu „normalen“ Innovationen liegt in der art und Weise der veränderung. Damit repräsentiert Disruption das äußere Ende einer Digitalen Trans-formation, die entweder die a) Digitalisierung der bestehenden Wertschöpfungsprozesse, b) die Erwei-terung oder verlängerung der bestehenden Wert-schöpfung oder gar c) als Disruption die Entstehung neuer geschäftsmodelle umfasst (abbildung 7).1

Während es sich bei einer Innovation um eine Er-neuerung handelt, die den Markt nicht grundlegend verändert, sondern lediglich weiterentwickelt, be-zeichnet eine disruptive Innovation eine komplette Umstrukturierung beziehungsweise zerschlagung des bestehenden geschäftsmodells. So bedeutete bspw. die Erfindung der CD lediglich eine Weiterent-

wicklung des klassischen Plattenspielers. Presswerke, die für die Herstellung des Plattenspielers verant-wortlich waren, passten ihr verfahren an die neue Compact Disc ein, während Händler begannen, die CD in ihr Produktsortiment aufzunehmen. Das auf-kommen digitaler Musikvertriebe, wie dem iTunes-Music-Store, bedeuten hingegen die zerschlagung des lokalen Musikgeschäfts. Sie leiten einen disrupti-ven Prozess ein. Indem iTunes einerseits dem Kunden die Möglichkeit gibt, seine Lieblingssongs online zu erwerben und andererseits dem Künstler erlaubt, ohne Plattenlabel erfolgreich zu sein, werden Händ-ler und Presswerk gleichermaßen ihrer Existenzbe-rechtigung beraubt.

Nach der bereits vor mehr als 10 Jahren entwickel-ten Theorie der Disruption wird jedes noch so er-folgreiche und etablierte Unternehmen eines Tages von einer solchen existenzberaubenden Revolution bedroht. Christensen beschreibt diesen disruptiven Prozess dennoch als notwendig für eine funktio-nierende Weiterentwicklung eines Marktes.2 ver-lierer sind meist große Unternehmen, die ihrerseits ebenfalls einst zum zeitpunkt ihrer gründung (wie Siemens, Daimler) mit einer radikalen Innovation gestartet waren. gerade etablierte Unternehmen stoßen an ihre grenzen, ihr geschäftsmodell von grund auf zu verändern. Eine disruptive Umgestal-

MarketIng agenda 2020

„Me.UnlIMIted.“ – dIe OPeratIOnalISIerUng

deeP dIve-SeSSIOnS (tag 1, 30. nOveMber 2020)

Deep Dive-sessions(30.11.2020, ab 13 Uhr)

Meet the Disrup-tors – Lernen von innovativen ge-schäftsmodellen

Künstliche Intel-ligenz – anwen-dungs-beispiele im Marketing

Nachhaltigkeits-Marketing … Trend-Surfen auf der (inflationä-ren) Welle des „guten“?

Marketing auto-matisierung … Reloaded

Startup bootcamp (adTech & big Data/ analytics)

Direct-to-Consu-mer … ausschal-tung des Handels?

abbildung 6: Übersicht über die Deep Dive-Sessions am 30.11.2020, ab 13 Uhr

1 Strauß, R.: Digitale Transformation, Stuttgart 2019.2 Christensen, C.: The Innovator‘s Dilemma: When New Technologies Cause great Firms to Fail (Management of Innovation and Change), boston 2016.

Page 17: Marketing agenda 2020

Marketing Agenda 2020 Inhaltskonzept zum 47. Deutschen Marketing Tag

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tung musste in den letzten Jahren der Finanzsektor erleben: sog. FinTechs, sprich, jegliche Innovationen, die sich um geldgeschäfte und Finanzdienstleistun-gen drehen, machen einen der derzeitigen Trends in diesem Marktsegment aus. Potential zur Umgestal-tung steckt vor allem im Service-bereich. Hier setzen Startups an, gehen im Sinne einer Customer Centrici-ty stärker auf den Kunden ein, passen ihre Konzepte an seine bedürfnisse an und bieten dem Endkunden damit einen echten Mehrwert.

Fragestellungen für den Deutschen Marketing Tag 2020, u.a.

· Welchem Muster folgen Disruptionen?

· Ist es auch für bestehende, etablierte Unter nehmen möglich, disruptiv zu wirken?

· Welche Handlungsoptionen bestehen für etablier-te Unternehmen, wenn disruptive anbieter in ihr Marktumfeld eintreten?

Deep-Dive session 2: künstliche intelligenz – anwendungsbeispiele im MarketingIn der vergangenen Dekade hat ein bündel von Technologien der Künstlichen Intelligenz (KI) einen enormen Schub gegeben und diese im Rahmen der 2. Welle der Digitalisierung als globalen Trend

etabliert. Künstliche Intelligenz ist ganz allgemein der Überbegriff für alle anwendungen, bei denen Maschinen menschenähnliche Intelligenzleistungen erbringen. Darunter fallen das maschinelle Lernen oder Machine Learning, das verarbeiten natürlicher Sprache (NLP – Natural Language Processing) und Deep Learning. Die grundidee besteht darin, durch Maschinen eine annäherung an wichtige Funktionen des menschlichen gehirns zu schaffen – Lernen, Ur-teilen und Problemlösen.1

Das wirklich Neue ist weniger die Wahrnehmung/Eingabe von Daten, als vielmehr das Lernen und ver-stehen. Echten KI-Systemen ist gemein, dass sie in der verarbeitungskomponente trainiert werden und damit lernen können und so bessere Ergebnisse er-zielen als herkömmliche verfahren, die auf starren, klar definierten und fest programmierten Regelwer-ken basieren. Die eingängigsten beispiele hierfür sind Sprach-, Text- und bilderkennung. KI-Systeme erkennen nicht nur in einem bild buchstaben, sie wissen auch was das Wort „beschwerde“ in einem eingescannten brief bedeutet und können einen beschwerdebearbeitungsprozess einleiten. Diese Systeme sind in ihren bereichen leistungsfähiger als Menschen, für die es z. b. unmöglich wäre, Millionen Webseiten zu durchsuchen und gezielt die bilder oder Fotos bereitzustellen, auf denen ein bestimm-tes objekt wie ein Pferd zu sehen ist.

1 Kuhlmann, P.: Künstliche Intelligenz: Einführung in Machine Learning, Deep Learning, neuronale Netze, Robotik und Co., München 2018.

abbildung 7: Dimensionen Digitaler Transformationen im Unternehmen (Strauß, 2019)

Digitalisierung bestehender Prozesse & unterstützender IT-anwendungen

ausweitung/vertiefung bestehende Wertschöpfungskette & Nutzung Daten

Disruption des bestehenden & neuartige geschäftsmodelle

beschrei-bung

beispiele

ziel-setzung

·globale business Process Map·Data Consolidation·IT Master Construction Plan·Standardisierung, Integration, Konsolidierung

·Marketing automatisierung etwa bei Walbusch

·aufbau integrierter, digitaler End-to-End-Prozesse etwa bei beiersdorf

·REWE Digital als interne agentur

·operative Effizienz

·Neue Services in bestehender bzw. als Ergänzung bestehender Wertschöpfungskette

·Spotify& Emirates: „Zeig mir deine Playlist und ich sage dir, wohin du reisen solltest“

·Ritter Sport bunte Schokowelt berlin·Nivea-Flagship Store

·Profitables Wachstum·Diversifikation

·Neuartige geschäftsmodelle·Disruption bestehender Industrie- Strukturen

·Kiwi (virtual Interlining/airlines)·Kloeckner-Stahl·airbnb·Uber

·Profitables Wachstum·Neuartiges / Diversifikation

geschäftsmodell

1 2 3

Marketing Vertrieb SCM HR ITFinanzen &Controlling

Logistik Produktion Marketing Vertrieb SCM HR ITFinanzen &Controlling

Logistik Produktion

1

2 3

4

5

6

7 8

9 10

1

2 3

4

5

6

7 8

9 10

Rohstoffe Retail Marketing Vertrieb SCM HR ITFinanzen &Controlling

Logistik Produktion

Marketing Vertrieb SCM HR ITFinanzen &Controlling

Logistik Produktion

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Marketing Agenda 2020 Inhaltskonzept zum 47. Deutschen Marketing Tag

18 19

Rocket Fuel Inc. setzt in den USa KI-Technologie zur Marketingautomatisierung ein. Personalisiert wird Werbung über verschiedene Kanäle an Kunden aus-gespielt – über soziale Plattformen, Smartphone oder über Newsletter. zu diesem zweck analysiert Rocket Fuel im Internet verfügbare Informationen, um Hin-weise zu erhalten, welcher inhaltliche Kontext für Nutzer am interessantesten ist. Mit KI werden Muster in den Nutzerdaten identifiziert, um dann Werbung zum passenden zeitpunkt und mit relevantem Inhalt anzubieten.1

Die Muttergesellschaft von eDarling als Dating-Platt-form, Affinitas, optimiert zur effizienten ansprache von Kunden automatisiert und mit Hilfe von KI die betreffzeilen im E-Mail-Marketing. Das Ergebnis: zweistellige verbesserungen in CTR und Conversi-ons-Raten.

Die Warenhauskette real,- testet u.a. das System adpack, das die gesichter der Kunden im Kassen-bereich analysiert und automatisch alter und ge-schlecht erkennt. abhängig davon können dem Kunden zielgruppenspezifische Werbebotschaften gezeigt werden.

Otto konnte durch den Einsatz von selbstlernender KI das aufkommen von Retouren wirksam senken. Über die zeit verbesserten sich Prognosen je nach angebotsträger um 20-40% und die Restbestände sanken zum Saisonende drastisch. außerdem ließen sich mit Prognosen über Retouren andere Maßnah-men bei otto identifizieren, um das Sortiment und die Logistik zu optimieren. Über ein KI-basiertes Forderungsmanagement können von der E-Invoice über Mahnungen bis zum Inkasso alle Forderungs-prozesse automatisiert werden. Die selbstlernende Software findet den besten zeitpunkt und Kommu-nikationskanal, um die Wahrscheinlichkeit einer po-sitiven Reaktion des Rechnungsempfängers (konkret die begleichung der ausstehenden Rechnung), zu maximieren.

anwendungen wie autonomes Fahren, Service-Ro-boter, etc., aber auch intelligente, d. h. flexible auto-matisierung von nicht nur wiederkehrenden, sondern auch von komplexen Tätigkeiten, sind der „schwa-chen KI“ zuzuordnen. Diese unterstützen bspw. die

Erstellung juristischer gutachten oder medizinischer Diagnosen als singuläre anwendungsszenarien. „Starke KI“ umschreibt den zeitpunkt, an dem IT-Systeme in der Lage sind, menschenähnlich (oder überlegen) zu denken und zu handeln und zwar ver-netzt in vielen, unterschiedlichen bereichen. bspw. wäre ein solches System in der Lage, sowohl Men-schen industriell zu unterstützen und gleichzeitig mit Kindern kreativ zu spielen. Fängt ein solches „super-intelligentes System“ an, sich fortlaufend selbst zu verbessern, dann ist der zustand der Singularität er-reicht, wo maschinelle Intelligenz zukünftig gesamt-haft die menschliche Intelligenz überholt. So lernen bspw. explorativ-analysierende algorithmen im on-line-buchhandel, dass es bestimmte Klassen von bü-chern gibt, die von bestimmten Clustern von Kunden gekauft werden, ohne vorherige vor-Kategorisierun-gen. autonome Fahrzeuge können dadurch lernen, dass Menschen sie eine zeitlang steuern. Mit diesem verfahren wird auch das automatische beschreiben (Labeln) von bildern trainiert. Menschen ergänzen hierbei bilder etwa mit der Information, ob ein ge-sicht fröhlich oder traurig erscheint, und nach mehre-ren tausenden beispielen kann dann ein algorithmus lernen, neue bilder selbst zu klassifizieren.

Der Kassenhersteller NCR hat im oktober 2018 Stop-lift Checkout Vision Systems erworben. Wenn Kunden ihre Waren im Self-Checkout selbst scannen und gleich einpacken, stellt sich naturgemäß die Frage nach Dieb-stahl und betrug. Mittels KI wertet das System die vi-deobilder klassischer Überwachungskameras aus und soll so betrügerisches verhalten erkennen.2

Erst die Methoden des maschinellen Lernens be-schleunigten die Entwicklung des Natural Language Processing (NLP), zu deren wichtigsten aufgaben die optische zeichenerkennung (oCR), Übersetzungen zwischen unterschiedlichen Sprachen, die automati-sche beantwortung natürlichsprachlicher Fragen und die Spracherkennung selbst zählen. Expertensyste-me als Teilsegment der KI präsentieren sich als Com-puterprogramme, die Handlungsempfehlungen aus einer Wissensbasis ableiten. Über „Wenn-Dann“-be-ziehungen kann menschliches Wissen (zusammen-hänge) für Computer verständlich dargestellt werden (Wissensbasis). Ein Expertensystem enthält die Funk-tionalität, um die Wissensbasis zu erstellen und zu

2 bitkom e. v.; DFKI gmbH: Künstliche Intelligenz Wirtschaftliche bedeutung, gesellschaftliche Herausforderungen, menschliche verantwortung, Kaisers-lautern 2017.

2 alaimo, D.: NCR acquires StopLift to combat self-checkout theft, in: Retail Dive, November 7, 2018, unter: https://www.retaildive.com/news/ncr-acquires-stoplift-to-combat-self-checkout-theft/541609/, abgerufen am 22.12.2019.

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Marketing Agenda 2020 Inhaltskonzept zum 47. Deutschen Marketing Tag

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verbessern (Wissenserwerbskomponente), zu verar-beiten (Problemlösungskomponente) und dem Nut-zer verständlich zu machen (Erklärungskomponente).

oft wird Maschinelles Lernen mit KI gleichgesetzt, was strenggenommen jedoch ein Werkzeug unter vielen der KI ist (abbildung 8).

Fragestellungen für den Deutschen Marketing Tag 2020, u.a.

· Welche unterschiedlichen anwendungsszenarien der KI gibt es, die bereits live sind?

· Was sind die Erfahrungen in der Nutzung von KI? gibt es bereits so etwas wie Lessons Learned?

· Was sind die anforderungen für die Nutzung von KI?

Deep-Dive session 3: nachhaltigkeits-Marketing … trend-surfen auf der (inflationären) welle des „guten“?Nachhaltiges Marketing beruht auf konkret geplan-ten und durchgeführten sozialen oder ökologischen aktionen. Damit unterscheidet es sich vom sog. greenwashing, welches Nachhaltigkeit nur vorgibt.1

Seit der 2006 erfolgten Übernahme von Spar und Net-to ist Edeka der größte deutsche Lebensmitteleinzel-händler. 2009 begann Edeka eine erste Kooperation mit dem WWF. ziel dieser Kooperation war es, ein nachhaltiges Produktsortiment sukzessive aufzubau-en und sowohl diese Produktlinien als auch die WWF-Kooperation offensiv zu bewerben. Langfristiges ziel von Edeka ist es, das nachhaltige Handeln „auf allen Stufen des Unternehmens weiter auszubauen und zu

intensivieren.“ bei der Kooperation mit dem WWF ging es zunächst nur um nachhaltige Fischerei, die sich gegen die Überfischung der Weltmeere einsetzt. Die meisten Edeka-Fischprodukte tragen seitdem das weltweit eingesetzte Siegel „MSC“ (Marine Ste-wardship Council) für nachhaltigen Fischfang. In den Folgejahren wurde die zusammenarbeit auf weitere Sortimentssegmente ausgedehnt und die Partner-schaft immer mehr intensiviert. Der WWF soll dabei werbewirksam dazu beitragen sicherzustellen, dass Ökobilanzen und neue wissenschaftliche Erkennt-nisse bezüglich der Produktion von Rohstoffen und Lebensmitteln Einfluss auf die Sortimentsstrategie der Unternehmensfilialen haben. Eigenmarken von Edeka, die strengen, ökologischen anforderungen gerecht werden, tragen inzwischen das Panda-Logo des WWF. Sämtliche aus Holz oder Papier beste-henden Eigenmarken sind FSC-zertifiziert (Forest Stewardship Council) oder bestehen aus recyceltem Material. zudem setzt Edeka beim gesamten Fleisch-segment auf heimische, zertifizierte Futtermittel, die ohne die Hilfe von gentechnik erzeugt werden.

Im zuge dieser strategischen Neuausrichtung stieg der anteil nachhaltiger Lebensmittel im Edeka-Pro-duktsortiment kontinuierlich an. Flankiert wird diese Umorientierung im Sortiment durch gezielte Werbe-maßnahmen eher mit einer informativen und vom Umweltbewusstsein getragenen botschaft, anstatt dieser einen produktbezogenen abverkaufs-Charak-ter zu verleihen. Der Effekt für das jeweilige Produkt ist also eher ein indirekter, denn nicht die Qualität des Produkts selbst wird beworben, sondern die Philosophie, die hinter seiner Erzeugung steckt. Er-gänzt wird diese Strategie durch Werbekampagnen, die auf soziale Nachhaltigkeit setzen. So stellt etwa der Werbespot „Wir lieben Lebensmittel“ ebenfalls

1 Emrich, C.: Nachhaltigkeits – Marketing – Management, berlin 2015.

abbildung 8: Klassifizierung unterschiedlicher Formen Künstlicher Intelligenz im Machine Learning (JP Morgan, 2018; Strauß, 2019)

MachineLearning / artificial Intelligence

SupervisedLearning UnsupervisedLearning Deep Learningother

approaches

Regression Classification Clustering Factoranalysis Time Series UnstructuredReinforcement

Learning

Lasso, Ridge, Loess, KNN, Spline, Xgboost

Logistic, SvM, Random Forest, Hidden Markov

K-means, birch, Ward Spectral-Cluster

PCa, ICa, NMF MultilayerPerceptron (MLP) ConvolutionalNeuralNets (CNN) Long Short-Term Memory (LSTM) Restrictedboltzmann Machine (RbM)

Semi-Supervised

activeLearning

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Marketing Agenda 2020 Inhaltskonzept zum 47. Deutschen Marketing Tag

20 21

kein Produkt, sondern die zwischenmenschliche be-ziehung zwischen verbraucher und verkäufer in den Mittelpunkt.

Im Unterschied zum greenwashing basiert nachhalti-ges Marketing stets auf konkret durchgeführten oder zumindest geplanten, sozialen oder ökologischen aktionen, für die das Unternehmen verantwortlich zeichnet, oder an denen es zumindest beteiligt ist. Nur damit lässt sich letztlich erfolgreich werben, um so das Firmenimage zu verbessern und damit absatz-chancen zu verbessern. Unternehmen, die stattdes-sen den bequemen (und deutlich preisgünstigeren) Weg des greenwashing gehen, handeln kontrapro-duktiv, denn letztlich betreiben sie (zumindest mittel-fristig) meist Rufschädigung in eigener Sache.

Fragestellungen für den Deutschen Marketing Tag 2020, u.a.

· Was ist das ziel eines Nachhaltigkeits-Marketings – eher (kurzfristige) betriebswirtschaftliche Notwen-digkeit oder eher (längerfristige) Corporate Social Responsibility

· Wie ist ein Nachhaltigkeits-Marketing auszugestal-ten, um damit erfolgreich zu sein?

· Welche Erfolgs- und Misserfolgs-beispiele gibt es hierfür?

Deep-Dive session 4: Marketing-automatisierung … reloadedDie Möglichkeiten im Marketing sind extrem viel-fältig geworden. Neben den klassischen Marketing-Kanälen (E-Mail, PR und Werbung) spielen heute viele weitere Instrumente eine wichtige Rolle: Dazu gehören zum beispiel soziale Netzwerke, Content-Marketing, branchenspezifische online-Portale oder SEo und aSo (app Store optimization). Die Koor-dinierung vieler neuer Marketing-aufgaben stellt für Unternehmen eine signifikante Herausforderung dar. abhilfe versprechen moderne Marketing-Plattformen aus der Cloud. Das Stichwort lautet „Marketing-au-tomatisierung“ – eine Technologie, die Marketing-aufgaben und -Prozesse vereinheitlicht, kanalüber-greifend automatisiert, skaliert und effizient misst. Das ziel: Die Effizienz erhöhen und Kundenzahlen und Umsätze steigern.

1 Janning, R.: Marketing automation – Systeme & Tools zur Neukundengewinnung, in: http://www.onlinemarketing-praxis.de/lead-management/marketing-automation-systeme-tools-zur-neukundengewinnung.

abbildung 9: Marketing-automatisierung (Janning, 2015)

Während sich Marketing-automatisierungs-Tools zu-nächst vor allem auf Funktionalitäten im E-Mail-Mar-keting fokussiert haben, decken diese mittlerweile viele Funktionalbereiche ab, wie die Erstellung und das Management von Landing-Pages und Web-For-mulare, im Kampagnen-Management, Content-Mar-keting, der Lead-generierung, der CRM-Integration, im Social-Marketing oder auch analytics.1

Im bereich der Marketing automatisierung handelt es sich damit vordergründig um Software-Plattformen, die Web-Controlling und Kommunikationskanäle in frei definierbaren „Workflows“ integrieren und mit traditi-onellen CRM-Systemen von Unternehmen verbinden. Durch automatisierte Prozesse können sogar mehrstu-fige Marketingkampagnen geplant, gesteuert und aus-gewertet werden. Ähnlich können Funktionen wie Lead Scoring, Lead Nurturing oder auch die Übergabe und Weiterverfolgung im vertrieb ausgesteuert werden.

· Nutzen von Marketing automation Tools aus der Sicht Marketing, u.a.

- Strukturierte und flexible Planung und Durchfüh-rung von Kampagnen;

- Einfache adaption erfolgreicher Kampagnen; - zeitersparnis durch die automatisierung von

Kampagnen; - Koordinierte Marketingaktivitäten; - Feedback über den Erfolg der Kampagnen an

einer Stelle.

· Nutzen von Marketing automation Tools aus der Sicht Vertrieb, u.a.

- aktuelle Informationen über jeden besucher der Unternehmenswebsite / Landing Pages;

Page 21: Marketing agenda 2020

Marketing Agenda 2020 Inhaltskonzept zum 47. Deutschen Marketing Tag

21

Formate Start-up-Fokus beschreibung

Marketing-Start-up bootcamp · 4 unterschiedliche Start-ups präsentieren Ihre jeweiligen Konzepte Themen umfeld Marketing-automatisierung, ad-Technologies oder auch big Data/analytics

·Durch anwesende zuhörer als „Jury“ beurteilt·gewinner erhält als auszeichnung Media-Leistungen zur vermarktung

im gegenwert von € 20.000·Start-ups zeigen Lösungen auch auf der ausstellungsfläche.

Start-up area · angebot eines eigenen areals für Start-ups in der ausstellung. Hier haben die Start-ups die Chance, ihre geschäftsmodelle in einem vor-gegebenen Set-up mit individuellem Charakter zu präsentieren.

· zusätzlich gibt es für die Start-Ups in den Pausen kurze Slots für Stand Up-Präsentationen auf einer kleinen bühne innerhalb des areals in der ausstellung.

abbildung 10: Rahmenbedingungen Start-up bootcamp

- zeitersparnis durch Qualifizierung von Interessen-ten durch das Marketing;

- zielgruppenspezifische ansprache durch Interes-sentenqualifizierung.

Parallel hierzu steht aus Sicht der Unternehmens-IT nicht länger der aufbau sicherer, leicht skalierbarer Server-Infrastrukturen im brennpunkt, sondern viel-mehr die effiziente und kostengünstige Nutzung Cloud-basierter Dienste etwa von Amazon, Google oder einem der anderen Platform-as-a-Service-an-bieter. zusätzlich können gesamte Software-Funkti-onen und Funktionsklassen ausgelagert werden, in-dem moderne aPI-Dienste in anspruch genommen werden. Kunden können derartige Systeme in der Regel entweder on-Demand einsetzen oder aber auch in Eigenregie im eigenen Unternehmensnetz-werk betreiben. In Sachen Funktionalität sind diese über die letzten Jahre zu wahren „Feature-Monstern“ geworden und dürften kaum Wünsche zur effizienten begleitung der Unternehmensprozesse offenlassen. Die überschäumende Euphorie wird – wie die letzten 20 Jahre zuvor bei (zunächst) Einführung von CRM-Systemen – eher durch aufwändige Einführungs- und Integrations-Projekte sowie das Fehlen erfahrener Projektleiter gebremst.

Fragestellungen für den Deutschen Marketing Tag 2020, u.a.

· Welche best Practices gibt es bereits im bereich Marketing-automatisierung? Was waren die voraus-setzungen, die hier jeweils geschaffen worden sind?

· Wie verändern sich Prozesse und Rollen im Marke-ting bzw. zwischen Marketing, vertrieb und IT?

· Ist im laufenden Tagesgeschäft eine grundlegende stärkere Hinwendung in Richtung Prozesse & Syste-me machbar – Thema Kompetenzen, als auch Kapa-zitäten der bestehenden organisation?

Deep-Dive session 5: start-up bootcamp (adtech & big Data/analytics)Im Rahmen dieses Marketing-Start-up bootcamps werden auch in 2020 wieder 4-5 unterschiedliche Start-ups ihre jeweiligen Konzepte im Umfeld von Marketing-automatisierung, ad-Technologies oder auch big Data/analytics vorstellen und durch die an-wesenden zuhörer als „Jury“ auf der grundlage von Kriterien beurteilen lassen. Der gewinner erhält als auszeichnung Media-Leistungen zur vermarktung im gegenwert von € 20.000. Die auswahl der Star-tups erfolgt abermals in Partnerschaft mit Project-a ventures berlin (Dr. Florian Heinemann). alle ausge-wählten Startups zeigen ihre Lösungen auf der aus-stellungsfläche, so dass auch nach dem bootcamp weitergehende und vertiefende Informationen er-hältlich sind (abbildung 10).

Deep-Dive session 6: Direct-to-consumer … ausschaltung des handels?Etablierte vertriebskanalstrukturen allgemein und der Handel im besonderen sind weiterhin im Um-bruch. Die Richtung, in die er sich weiterentwickelt,

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bestimmt dabei mehr denn je der Kunde. Die zeiten einer Maxime getreu dem Motto „Warenmenge er-zeugt Umsatz“ sind vorbei, der Preiskampf tobt und online wird auch weiterhin stark wachsen.1 Wer als Händler mithalten will, muss sich somit konsequent einem zentralen Maßstab ausrichten: Den bedürfnis-sen des Kunden. Das erfordert in den meisten Fällen einen Perspektivenwechsel und den Mut, sein eige-nes Tun aus Kundensicht zu betrachten. Das Fehlen der Kundenorientierung und der nur unzureichende Mut in der veränderung hat in den USa bereits zum massenhaften Sterben von Händlern geführt („Retail Apokalypse“), vor allem in den vormals stark gehyp-ten und als sicher eingestuften Shopping Malls.2

Markenhersteller haben auch heute noch oftmals keinen direkten Kontakt zu ihren End-Kunden und daher keinen zugang zu wichtigen First-Party-Daten zur generierung lebenswichtiger Consumer Insights. aus diesem grund starten alle etablierten Marken-hersteller unter dem Stichwort „omnichannel“ oder auch „Direct-to-Consumer“ Projekte, um den Han-del als alleinigen zugang zum Endkunden und ver-triebskanal zumindest weitergehend einzuschränken. grundlage für den Erfolg der Direct-to-Consumer Marken sind First-Party-Daten und deren strategi-scher Einsatz.3

Ein beispiel bietet Harry’s im bereich Körperpflege: Ein Rasierer, günstige Klingen und gratis Lieferung direkt vor die Haustür. obendrein gibt es auch noch die Möglichkeit, ein abo abzuschließen. Ist der Kun-de mit dem kostenlosen Probe-Set zufrieden, be-kommt er vollautomatisch neue Klingen zugeschickt. Das abo kann natürlich jederzeit problemlos gekün-digt werden. Überraschenderweise ist dieser Service sogar wesentlich preisgünstiger als vergleichbare Produkte auf dem Markt. außerdem gibt es die Mög-lichkeit, den griff farblich anzupassen und zu perso-nalisieren. Mit einer jährlichen Wachstumsrate von 35% wächst die Marke im vergleich zur Konkurrenz auf diesem Sektor dreimal so stark.

Die brillenmarke Warby Parker verschickt ähnlich wie Mr. Spex brillen nicht nur ohne zusatzkosten direkt an ihre Kunden, sondern gleich fünf verschiedene Modelle zur anprobe. bezahlt wird nur die brille, die

nach dem anprobieren auch wirklich ausgewählt wird (die Rücksendung der anderen brillen ist ebenfalls kostenlos). aber nicht nur das: Die Marke hat auch eine neue Technologie entwickelt, die augenunter-suchungen geradezu überflüssig macht. Dioptrien-Werte können einfach über eine app ausgelesen werden. Damit soll uneingeschränkter Komfort für die Kunden sichergestellt werden.

In der beauty branche gründen Influencer und blogs bereits seit einiger zeit eigene Marken und verkaufen die Produkte direkt an die eigene Community. Glos-sier bspw. wurde aus einem blog heraus gegründet. Im zentrum des Erfolgs steht auch bei dieser Mar-ke eine kundenorientierte Perspektive und die Kun-denzufriedenheit mittels Personalisierung. Es ist bei-spielsweise möglich, anhand eines Tools Make-Up direkt auf individuelle Teints anzupassen. außerdem werden mit jeder aussendung Sticker mitgeschickt um Kunden zu animieren, ihre Produkte zu individu-alisieren und Fotos davon auf Social-Media-Kanälen zu posten. glossier hat 2,3 Mio. Follower auf Insta-gram und brachte es in 2018 auf einen Jahresumsatz von 100 Mio. US-Dollar.

Tails.com ist eine D2C-Hundefuttermarke, die zur besseren orientierung auf Curated Shopping setzt. auf der Webseite beantworten potenzielle Kunden erst einige Fragen zu ihren Hunden. Je nach angabe wird das Futter dann individuell auf das Tier ange-passt. auch dieses Unternehmen arbeitet mit gratis-Probepackungen und komfortablem abonnement-Modell, das jederzeit gekündigt oder angepasst werden kann. Innerhalb von nur 4 Jahren versorgte die Marke bereits mehr als 100.000 Hunde in UK, 2018 erbrachte das einen Jahresumsatz von 20 Mio. Pfund. Mittlerweile wurde eine aktienmehrheit der Marke von Nestlé erworben.

Die Vorteile eines D2C-Ansatzes:

· Im Verkauf (Lower Funnel) werden zwischenhänd-ler ausgeschaltet. Damit kann die Hersteller-Marke den Endkundenpreis selbst festlegen. Dies zieht eine größere gewinnmarge für die Marke und ei-nen niedrigeren Preis für die Endverbraucher nach sich. gleichzeitig sind Marken weniger abhängig

1 Treiß, F.: Expertenumfrage: Was sind 2017 die größten Herausforderungen des Handels?, in: Location Insider, unter: http://locationinsider.de/expertenumfrage-was-sind-2017-die-groessten-herausforderungen-des-handels/

2 Heller, L.: Don‘t Forget about The Retail apocalypse, in: Forbes, November 30, 2017, unter: https://www.forbes.com/sites/lauraheller/2017/11/30/dont-forget-about-the-retail-apocalypse/#6e7d1aa8557f

3 Ramershoven, S.: D2C – das steckt hinter dem buzzword, in: Computerwoche, 10.10.2019, unter: https://www.computerwoche.de/a/d2c-das-steckt-hinter-dem-buzzword,3336569.

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vom Einzelhandel, weder in bezug auf die Produkt-präsentation, noch den Kundenservice. Die gefahr, durch Eigenmarken der Händler aus den Regalen verdrängt zu werden, wird minimiert;

· Im Marketing (Upper Funnel) geht es darum, direkt mit den Endverbrauchern zu interagieren und First-Party-Daten zu sammeln. Dies erlaubt die direkte generierung von Consumer Insights, als auch die ausschaltung von Intermediären im Medien-Mix, wie Mediaagenturen.

Fragestellungen für den Deutschen Marketing Tag 2020, u.a.

· Welche Strategien und Konzepte gibt es für Direct-to-Consumer und omnichannel?

· Was sind best Practices für die Umsetzung eines Direct-to-Consumer-ansatzes?

· Wie kann ein Transformationsplan aussehen, an-hand dessen die Umsetzung schrittweise erfolgen kann, ohne ein überladenes und ausuferndes groß-projekt zu starten?

keynOteS & rOUndtableS

(tag 2, 1. dezeMber 2020)

·Wettbewerbsstrategien und neue geschäftsmodelle;

·Innovationen in der (digitalen) Kundeninteraktion.

abbildung 11: Übersicht über breakout-Sessions und Masterclasses am 1.12.2020

breakouts ivormittags

Purpose-Driven Marketing – Sinnhaftigkeit in einem Meer undifferenzierter angebote

3D-Druck – kommt jetzt die massenhafte Individualisierung von Produkten?

Customer Experience Management – vom Konzept in die Umsetzung

Customer Journey analyse & attributions-modellierung – blick hinter die Kulissen

blockchain im Marketing – Hype or Hope?

Marketing Science Slam

breakouts iiNachmittags

Content Marke-ting … Mythen und Wahrheiten

Innovate or Perish – wie organisiert man Innovation?

vom klassischen Handel zur Platt-formstrategie in einem IT-Han-dels-Ökosystem

MarketingTech … die Hochzeit von Marketing und IT

Marketing-orga-nisation 3.0 – auf dem Weg zum agilen organisti-onsmodell

bob 2019 – best of business-to-business-Com-municationbest of DMv – die besten Mar-ketingleistungen aus den Clubs des DMv

roundtable & Masterclasses

Customer Experience Management – das Problem sitzt vor dem Laptop?! (RT1)

CMo trifft CIo – Ende des Disconnects? (RT2)

Meet genera-tion z … oder: bedürfnisse und Wünsche jenseits des Hype (RT3)

building High-Performance Teams – Lucky Strike oder ge-zielte Führung? (RT4)

Preisbildung bei Innovationen – Monetarisierung vs. verlust? (MC1)

Change Manage-ment … jenseits von Powerpoint-Platitüden (MC2)

breakOUt-SeSSIOnS & MaSterClaSSeS

(tag 2, 1. dezeMber 2020)

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Um für die Teilnehmer ein Maximum an Mehrwert und Ideen zur praktischen Umsetzung zu eröffnen, bieten die vielschichtigen breakout-Sessions Plattformen für die Interaktion, Diskussion, den austausch und das Networking (abbildung 12).

abbildung 12: Übersicht über Formate auf dem Deutschen Marketing Tag 2020

Formate der breakout-sessions beschreibung

JuMP Session · Interaktive Session zu einem Thema mit hohem zielgruppen-Fit· zielgruppe: Junior Marketing Professionals (bis 34 Jahre)

Marketing Science Slam Practice · brückenschlag zwischen Wissenschaft und Praxis· Einbindung renommierter Wissenschaftler· Im Kontext eines relevanten Themas· als Wettbewerb unterschiedlicher Konzepte

World Café · angebot von ca. 2 Sessions als World Café-Methode mit hoch interaktivem Charakter und dem ziel des unmittelbaren Wissenstransfers sowie der Erörterung eines Themas aus unterschiedlichen blickwinkeln in kleineren gruppen.

· Die Teilnehmer stehen oder sitzen an 3-4 Caféhaus-Tischen in zwangloser atmosphäre. Nach 30 Minuten wechseln die Teilnehmer und finden sich in neuen Konstellationen zusammen. „gastgeber“ an den Tischen sorgen für die inhaltliche verknüpfung der Erkenntnisse aus den einzelnen Diskussionsrunden. Die arbeitsergebnisse der Tische werden im anschluss für alle Teilnehmer ausgestellt.

Speakers Corner · Im anschluss an das Plenum und an die Sessions haben die Teilnehmer erstmalig die Chance, den Rednern nach ihren vorträgen ihre Fragen außerhalb des Plenums zu stellen und im kurzen Dialog den Menschen hinter dem Referenten kennenzulernen.

· Das Setting ist angelehnt an die Speakers‘ Corner Idee in einer ruhigeren „Ecke“ im Umlauf.

· Möglichkeit zum Fotoshoot mit dem Redner.

Masterclass · 1-stündiges Format mit max. 2 Referenten zu einem Thema· begrenzte Teilnehmeranzahl

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breakOUtS I

(tag 2, vOrMIttag)

breakout 1: purpose-driven Marketing – sinnhaf-tigkeit in einem Meer undifferenzierter angebotegesellschaftliche verantwortung ist ein wichtiger aspekt von Markenführung, doch das vertrauen in Marken ist vielfach erschüttert. Nur wenige Marke-tingexperten bescheinigen Unternehmen Glaubwür-digkeit – viele vertrauen nicht einmal der eigenen Marke. Damit sinkt die glaubwürdigkeit von Marken: 2/3 der Marketingmanager bescheinigen ethischen Themen in der Markenführung zunehmende bedeu-tung. aspekte wie Nachhaltigkeit sowie gesellschaft-liche und ökologische verantwortung spielen für sie eine größere Rolle als noch in früheren Jahren. Da überrascht es fast, dass zugleich rund 70% glauben, Marken würden nicht halten, was sie versprechen. Fast jeder Fünfte vertraut nicht einmal der eigenen Marke. Ein ansatzpunkt, das Imageproblem zu lö-sen und verlorenes vertrauen aufzubauen, liegt laut Experten bei den Mitarbeitern, deren Handeln den größten Einfluss auf das ansehen der Marke hat.

geht es darum, das Image des Unternehmens zu verbessern, sprechen die Experten der Kundenbera-tung eine Schlüsselrolle zu. Die überragende Mehr-heit halten sie für extrem wichtig, gefolgt von den ei-gentlichen Produkten-Features. Noch scheint jedoch im gegensatz zu diesem allgemeinen verständnis das Wissen um den Einfluss des Personals auf das Markenimage überwiegend theoretischer Natur zu sein: die Mehrheit ist der Meinung, die Mitarbeiter würden nicht oder selten im Sinne der Marke han-deln. Ein grund für dieses Dilemma wird meist in der Führungskultur und der Umsetzung eines markenge-rechten verhaltens gesehen. gleichzeitig erreichen neue Marken wie der Dusch-Schaum namens „Bi-lou“ von der beauty-bloggerin bianca Heinicke alias Youtube-Star „Bibis Beauty Palace“ in kürzester zeit enorme abverkaufszahlen und werden u.a. via dm-Drogeriemarkt vertrieben. Den Dusch-Schaum (3,95 €) gibt‘s in Duftrichtungen wie „Tasty Donut“ oder auch „Creamy Mandarin“ und wird als „cremig“ an-gepriesen. Selbst massive Kritik in sozialen Medien u.a. aufgrund von Hautreizungen kann den Erfolg

kaum stoppen. Selbst wenn Marken wichtig bleiben, wird stärker hinterfragt, ob es so etwas wie Kultmar-ken in zukunft noch geben wird: Markenloyalität spielt für Millennials so gut wie keine Rolle mehr.

Ein möglicher ausweg, der von vielen Marketing-verantwortlichen diskutiert wird: Purpose-driven Marketing erlaubt es einem Unternehmen oder ei-ner Marke über gemeinsame Wertvorstellungen und bedürfnisse mit einer zielgruppe eine verbindung herzustellen.1 Die grundlage ist ein allgemein als „gute Sache“ anerkannter höherer Wert. Während viele organisationen die grundsätzliche bedeutung eines abstrakten „Etwas zurückgebens“ erkannt ha-ben, steht die Umsetzung mit aktivierenden Inhalten in der Realität noch deutlich hintenan. Fallbeispiele zeigen: Erfolge sind strategisch getrieben und bein-halten authentische, aktivierende Kreativ-Ideen („big Idea“), die in Konsequenz auch abverkäufe nach sich ziehen, etwa bei:

· Dove Real beauty of Women: “helping women reconsider and refine what beauty is”

· American Express: Spende zur Restaurierung der Freiheitsstatue von 1 Cent US-$ bei jeder Nutzung der Kreditkarte;

· Apple: “To empower creative exploration and self-expression”

· Nike: “to bring inspiration and innovation to every athlete in the world (everybody is an athlete)”

· Philips: “improve three billion lives a year by 2025”, etwa mit Hilfe sog. “new green healthcare” Produk-ten.

an Stelle eines vordergründigen „Saufen für den Re-genwald“ müssen sich Unternehmen mit aktuellen gesellschaftlichen oder ökologischen Fragestellun-gen auseinandersetzen und sich einbringen … also: ihre Rolle als Stützpfeiler einer funktionierenden gesellschaft erkennen und wahrnehmen. Haltung zeigen ist demnach – glücklicherweise – angesagt. Die Herausforderung aus Sicht der Werbetreiben-den: die grundsätzliche bedeutung eines abstrakten „Etwas zurückgebens“ an Stelle reiner abverkäufe zur Differenzierung der eigenen Marke funktioniert, muss jedoch immer wieder neu interpretiert und

1 Kotler, P.; Hessekiel, D.: good Works!: Marketing and Corporate Initiatives that build a better World...and the bottom Line, New York 2012.

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kommuniziert werden, um nicht in der allgemeinen geräuschkulisse unterzugehen und selbst wiederum Commodity zu werden. Haltung ist ein langfristiges Thema, welches vor allem auch nach innen vermittelt und gelebt werden muss. ohne Konsistenz nach in-nen und nach außen wird Haltung schnell als rein op-portunistisches Instrument zum abverkauf enttarnt. Haltung erfordert ein aktives (unbequemes) Ma-nagement: so hat Krombacher nach massiver Kritik an der Deutschen Umwelthilfe die Kooperation be-endet und das Engagement in eine separate Stiftung übergeben. Unternehmen stehen vor der in der – im praktischen Management eher weniger geliebten – binären Entscheidung, für sich eine bestimmte Hal-tung einnehmen zu wollen … und hieran dann auch nachfolgend längerfristig festzuhalten. auch wenn es zunächst schmerzen mag, wie die Unterstützung von Nike von Colin Kaepernick gegenüber dem US-Prä-sidenten zeigt. Haltung lohnt sich – langfristig. Die Folge: zunehmend höhere ansprüche an Marken-strategie und -management.

Fragestellungen für den Deutschen Marketing Tag 2020, u.a.

· Ist Purpose Driven Marketing ein sinnvolles und probates Mittel, um dem vertrauensverlust gegen-über etablierten Marken zu begegnen?

· Welche Formen und Erfahrungen in der Umsetzung eines Purpose Driven Marketing bestehen? Welche Ergebnisse wurden hierdurch erreicht?

breakout 2: 3D-Druck – kommt jetzt die massenhafte individualisierung von produkten?vielfältige Studien erwarten für die nähere zukunft einen ungebrochenen Trend zur Individualisierung in allen Lebensbereichen. gründe hierfür sind ein stei-gendes Qualitäts- und Funktionalitätsbewußtsein, welches Produkte fordert, die genau den spezifi-schen vorstellungen eines abnehmers entsprechen, oder verstärkt Konsumentenwünsche nach abwechs-lung bei der Produktwahl (Variety Seeking Behavi-our). In Konsequenz sind viele anbieter gezwungen, Konsumenten im Marketing individueller anzuspre-chen bzw. in der Leistungserstellung variantenreiche-re Produktsortimente bis zur Einzelfertigung zu reali-sieren. Entsprechend nimmt die Segmentierung der absatzmärkte stetig zu. In letzter Konsequenz stehen viele Unternehmen vor der Herausforderung einer massenhaften individuellen Kundenbearbeitung. Die

Preis-Leistungs-Relation verschiebt sich insofern, als dass die abnehmer auch bei einem günstigen ab-satzpreis relativ hohe ansprüche bezüglich Qualität, Service, varietät oder Funktionalität stellen oder um-gekehrt bei einer ausgeprägten Differenzierung des Produkts zusätzlich gewisse Mindestanforderungen an dessen Preisgestaltung haben. als „Lösung“ die-ses Spannungsfeldes tritt an die Stelle der Einzelin-dividualisierung unter Premiumpreisen die massen-hafte Individualisierung zu Kosten und Preisen, die ungefähr den bislang angebotenen Standardpro-dukten entsprechen.

Seit anfang der 90er Jahre wird vor diesem Hinter-grund in abkehr von der klassischen Massenpro-duktion und einem segmentorientierten Marketing mit zunehmender Intensität ein individualisierter ansatz vorgeschlagen. In letzter Konsequenz bedeu-tet dieser ansatz, jeden Kunden als eigenständiges Marktsegment zu begreifen und seinen bedürfnissen entsprechend sowohl im Marketing, als auch in der Leistungserstellung zu bedienen. Die Individualisie-rung bezieht sich damit sowohl auf den bereich des Marketing (One-to-One-Marketing), als auch auf den bereich der Leistungserstellung (Mass Custo-mization). ausgangspunkt der Individualisierung ist in beiden Fällen die Erhebung der Kundenwünsche und deren Überführung in konkrete Marketingmaß-nahmen bzw. Leistungsspezifikationen, was eine stär-kere Informationsintensität zwischen anbietern und Kunden erfordert.

Die Dynamik und der Trend zur Individualisierung verstärkt sich weitergehend durch die Digitalisie-rung: Die Industrialisierung brachte das einheitliche Massenprodukt – die Digitalisierung bringt bei vie-len Produkten und Dienstleistungen die Individua-lität zurück. 3D-Drucker bspw. werden derzeit noch vor allem für die schnelle Erstellung von Prototypen, individuelle Prothesen in der Medizintechnik oder selten benötigte Ersatzteile bspw. im Flugzeugbau genutzt. Für die Massenproduktion sind traditionelle Herstellungsverfahren immer noch deutlich günsti-ger. Hintergrund des Strebens nach Unikaten oder auf den Kunden zugeschnittener Kleinstauflagen ist das gefühl des Individuums, von der Marke gesehen und als Individuum wertgeschätzt zu werden. Der 3D-Druck ist bereits so günstig geworden, dass maßge-fertigte, individuelle Produkte massenhaft gefertigt werden können. Im Rahmen der additiven Fertigung ist es zunehmend günstiger, insbes. bei geringen Stückzahlen bauteile im individuellen 3D-Druckver-

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fahren herzustellen, als in klassischen verfahren wie dem Druckguss, der günstigsten Methode in der Massenproduktion.

Vorteile des 3D-Drucks finden sich in

· Individualisierung der Produkte („Losgröße 1“);

· Höhere Designfreiheit;

· Rapid Prototyping: Schnelles Erstellen von hoch-wertigen Prototypen (ohne Werkzeuge);

· Umweltfreundlichkeit (weniger Materialverbrauch als bei subtraktiven Technologien, Einsparung von Co2, da Transport bei vor-ort-Produktion wegfällt/sich verringert);

· verwendung von verschiedenen Materialen in einem Druckgang;

· Herstellung von mehreren gleichen objekten in einem Druckgang;

· Präzision, Schnelligkeit, Qualität und Preis: je nach Produkt und Druckverfahren bietet der 3D-Druck gegenüber klassischen verfahren deutliche vortei-le. Hier sind weitere verbesserungen der Parameter, insbesondere in der Materialvielfalt, in den nächs-ten Jahren zu erwarten.

In der Lebensmittelindustrie stehen die zeichen auf Individualisierung der Nahrung. Medizinisch notwen-dige Diäten und Ernährungspläne, insbesondere bei einer alternden bevölkerung, erfordern eine kontrol-lierte Nährstoffzufuhr, bei der der Lebensmittel-3D-Druck zukünftig unterstützen kann. aktuell befindet sich der Lebensmittel-3D-Druck noch in einer frühen Phase und kommt beim Showkochen oder im Kon-text von Konditoren im größeren Maßstab zur gel-tung, da es hier eine größere Designfreiheit (z.b. 3D-gedruckte, essbare Logos) gibt.

In der Medizintechnik kann der Herausforderung begegnet werden, dass jedes Individuum einzigartig ist. Der 3D-Druck bietet eine hohe Design-Freiheit, so dass Medizinprodukte und Hilfsmittel direkt indi-viduell und personalisiert produziert werden können. Dies gilt nicht nur für die eigentlichen prothetischen Produkte (z. b. das künstliche Kniegelenk), sondern zunehmend auch für gedruckte oberflächenstruk-turen, die dafür sorgen, dass bspw. ein künstliches

Kniegelenk besser einwächst und heilt. Perspekti-visch wird es weitergehende anwendungsbereiche, wie die Herstellung von organen oder organteilen geben. So könnten z. b. die Leber oder das Herz bzw. Herzklappen aus DNa-Stammzellen oder Kör-perteile im Rahmen der plastisch-rekonstruktiven Chirurgie nachgebildet werden (z. b. Wiederherstel-lung einer ohrmuschel). Darüber hinaus können bei komplexen chirurgischen Eingriffen individualisierte anatomische Modelle des operationsgebietes (z.b. komplette gefäßstrukturen am Herzen) gefertigt werden, die es dem operationsteam erlauben, sich realitätsnah vorzubereiten und somit das operati-onsrisiko für den Patienten deutlich reduzieren. Das Marktforschungs- und analyseunternehmen gartner prognostiziert, dass bis 2021 25% aller Chirurgen vor dem eigentlichen Eingriff an 3D-gedruckten Model-len des Patienten üben werden.

bei der Herstellung von Konsumgütern erfolgt die Produktion in der Regel in sehr großen Stückzahlen unter großem Kostendruck und in Kollektionen, die sich in kurzen abständen abwechseln. Produkte wie Sportartikel werden darum in den meisten Fällen per Spritzgussverfahren hergestellt, was die wirtschaftli-che Fertigung vieler Millionen Teile in kurzer zeit er-möglicht. allerdings sind individualisierte Produkte, die in Losgröße 1 gefertigt werden, mit werkzeug-gebundenen Fertigungsverfahren kaum umsetzbar. Mittlerweile arbeiten aber z.b. große Sportartikelher-steller daran, mit der additiven Fertigung Endteile zu produzieren. besonders im Sportschuhbereich gibt es bereits erste Konzepte, in denen alle Formen der Individualisierung vorkommen. Performanceindivi-dualisierung ermöglicht bei Sprintschuhen beispiels-weise die optimierte Platzierung von Spikes und die ergonomische Individualisierung passt eine Schuh-sohle an den Fußabdruck des Trägers an. zudem können signifikante gewichts- und Materialeinspa-rungen erzielt werden, indem man die massiven Soh-len durch gitternetzwerke ersetzt.

Fragestellungen für den Deutschen Marketing Tag 2020, u.a.

· Welche Erfahrungen im bereich der Individualisie-rung durch 3D-Druck gibt es heute bereits?

· Welche Formen bzw. welcher Umfang der Individu-alisierung per 3D-Druck haben sich als erfolgreich gezeigt, in welchem Industriesegment?

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· Kann Individualisierung über 3D-Druck skalierbar eingesetzt werden und sich zu einem Standard-In-strument im Marketing entwickeln?

breakout 3: customer experience Management – vom konzept in die umsetzungSynchron mit dem aufstieg von Social Media ist die Notwendigkeit gewachsen, sämtliche Kundeninter-aktionen konsistent über alle „Touchpoints“ hinweg zu orchestrieren, was unter dem begriff des „Total Customer Experience Management“ subsumiert wird: Total Customer Experience Management (auch Experience Design) fokussiert auf die Schaffung qua-litativ hochwertiger und konsistenter Interaktionen mit dem Kunden über alle Kontaktpunkte und über den gesamten Lebenszyklus eines Kunden bzw. des Produktes hinweg. Der Lebenszyklus einer Customer Experience umfasst damit sämtliche Kundenbezie-hungen auf allen Ebenen – vom Markenbewusst-sein vor dem Kauf bis zur Ersatzbeschaffung oder der Entsorgung von Produkten und Lösungen.1 Der Schlüssel zur Kundenbindung liegt darin, dem Kun-den zu jedem zeitpunkt bestmögliche Erfahrungen („Moments-of-Truth“) zu bereiten, online wie off-line. Dahinter steht die Erkenntnis, dass die bewer-tung der Leistungsfähigkeit im besonderen von „kri-tischen Momenten“ geprägt wird, in welchen eine exzellente Leistung bzw. Nicht-Leistung besonders deutlich wahrgenommen wird. Die Customer Expe-rience wird maßgeblich geprägt durch die wahrge-nommene Qualität als auch den „Experience Flow“ – das heißt, inwiefern Dienstleistungen und Produkte in wahrgenommenen attributen und der Darbietun-gen als qualitativ hochwertig, auf die bedürfnisse des Nutzers (relevant) zugeschnitten und in einer natür-lichen abfolge vorgestellt werden. Im Fokus steht der Wunsch nach vielfältigen – aber konsistenten – und qualitativ hochwertigen Dialogmöglichkeiten zwischen Kunden und Unternehmen – anders formu-liert: eine optimale Kundenzufriedenheit bei optima-ler Potenzialausschöpfung (dem „Share of Wallet“) des Kunden. Das CMo Council stellt dazu bereits vor einigen Jahren fest, dass unter dem Eindruck des mobilen Kunden “Mobile relationship marketing … is the new call to action for companies looking to ensure continuous customer touch and interaction, sustained support and service, closer and more de-pendent connectivity, as well as greater insight and intimacy across all channels.” (CMo Council, 2012).

Die überwältigende Mehrheit von Senior Executi-ves in Europa identifiziert Customer Experience Ma-nagement als herausragenden Schwerpunkt für ihre arbeit auch in 2020. Dabei belegen die Diskussionen im Rahmen der Interviews und Workshops eindeutig, dass Total Customer Experience im Wesentlichen als ein Katalysator für gestiegene Kundenanforde-rungen darstellt: die zunehmende Nutzung digitaler Kommunikations- und Interaktionsplattformen mit – und vor allem zwischen – Kunden erfordert zuneh-mend ein umfassendes, hoch standardisiertes aber gleichzeitig individualisiertes Kundenmanagement über sämtliche Kundenschnittstellen hinweg. Der „Social Media“-gestärkte Kunde „erzwingt“ quasi eine einheitliche und qualitativ hochwertige (mar-kenkonforme) Kommunikation und Interaktion über alle Kontaktpunkte, Produkte und Dienstleistungen.

Die Differenzierung gegenüber dem einzelnen Kun-den und gegenüber Wettbewerbern ist nicht mehr in einer einzelnen Funktion zu gewährleisten, son-dern erfordert zunehmend die optimierung über alle Disziplinen und Unternehmensbereiche. Ein-zelthemen müssen zwar in dedizierten Projekten operationalisiert und abgearbeitet werden, diese Einzelprojekte müssen aber auf ein übergeordnetes gesamtziel einzahlen. gleichzeitig ist ein Customer Experience Design über alle Kundeninteraktionen und die Marketingkommunikation durch ein nach-haltiges Loyalty-Programm zu verstärken. als vorbild dienen die eher „Loyalty-traditionellen“ branchen wie Transportunternehmen (insbesondere Flugver-kehrsgesellschaften). Dabei rückt Total Customer Experience Management umso stärker in den Mit-telpunkt der betrachtung, je höher der Dienstleis-tungsanteil am jeweiligen Produkt-/Lösungsangebot ist. Es zeigt sich, dass für die zukunft schrittweise eine Neuorientierung zu erwarten ist: wurde früher etwa die „Marketing-Excellence“ im Wesentlichen durch aufmerksamkeitsstarke Kampagnen und Kre-ativität bestimmt, kristallisiert sich zunehmend das Management aller verbundener Prozesse und Kun-deninteraktionen als Herzstück des Marketings her-aus – kurzum: die Kreativität in der Kundenansprache ist durch ein systematisches und effizientes Prozess-management unternehmensintern, als auch in bezug auf die Schnittstelle zum Kunden zu ergänzen bzw. zu erweitern.

1 Jaffe, J.: Flip the funnel. How to Use Existing Customers to gain New ones, Chichester 2010; Webb, N. J.: The Digital Innovation Playbook: Creating a Transformative Customer Experience, Chichester 2011.

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Die Herausforderungen für einen umfassenderen To-tal Customer Experience-ansatz sind sicherlich viel-schichtig, lassen sich jedoch in den meisten Fällen auf 5 Faktoren zurückführen:1

· andere involvierte Organisationseinheiten: Cus-tomer Experience Design erstreckt sich weit über die funktionalen grenzen einzelner Unternehmens-bereiche hinaus. Ein plastisches beispiel bieten Reise-Unternehmen: während das Marketing in den meisten Fällen auf die Marketing-Kommunikation fokussiert, wird die Kundenwahrnehmung durch sämtliche Kundeninteraktionen in der Nutzung al-ler Produkte und Dienstleistungen bestimmt – etwa der kompetenten beratung durch den Fahrkar-tenverkäufer oder auch dem sympathischen und zuvorkommenden auftreten des Schaffners bzw. Flugpersonals. Diese bereiche gehören jedoch meistens organisatorisch zu anderen Unterneh-mensbereichen außerhalb des Marketings – etwa dem Personenverkehr oder angegliederten Dienst-leistungsbereichen. Ähnlich in der automobilbran-che: während das Marketing meist die Lufthoheit über die Marketingkommunikation proklamiert, liegt die verantwortung für das eigentliche Produkt meistens im Produktmanagement oder der (techni-schen) Entwicklung;

· Change Management: Projekterfahrungen zeigen, dass neben unzureichenden Prozessen und Syste-men die größten Hürden für die Umsetzung eines systematischen Total Customer Experience Ma-nagement in der veränderung des verhaltens der Mitarbeiter zu finden ist. Das Ergebnis: ein derarti-ger veränderungsprozess zur Neuausrichtung aller Kundenschnittstellen erfordert nicht nur erhebliche anstrengungen, sondern erstreckt sich in aller Re-gel über einen längeren zeithorizont;

· unzureichende Messbarkeit: der Erfolg einer quali-tativ hochwertigen und markenkonformen orches-trierung aller Kundeninteraktionen lässt sich nur in den wenigsten Fällen unmittelbar in Messgrößen nachverfolgen, geschweige denn in ihrer mittelba-ren Umsatzwirksamkeit direkt belegen;

· unzureichend integrierte Prozesse und Systeme: wenig integrierte, übergreifende Prozesse und unterstützende IT-Systeme lassen den anspruch einer durchgängig qualitativ hochwertigen Kun-

deninteraktion Makulatur werden. So weiß etwa der Call-Center-agent in den meisten Fällen nicht, dass der Kunde bereits durch einen Partner in der vertriebsorganisation (z. b. einem eigenständigen Händler im automobilhandel oder auch im Mobil-funk) kontaktiert worden ist. Selbst nach mehr als 10 Jahren Internet-Erfahrung werden Kundenanfragen möglicherweise durch den Hersteller über das Web angenommen, jedoch nur mit Hilfe manueller ar-beitsschritte zur Überbrückung bestehender Medi-enbrüche an einen lokalen vertriebspartner weiter-gegeben. Was sich bei niedrigen Kundenvolumina noch als ein unangenehmes – aber noch akzepta-bles vorgehen – erweist, scheitert regelmäßig im hochvolumigen b2C-Umfeld;

· unzureichende Datenqualität: im gegensatz zu den vielfältigen Diskussionen über Kundenorientierung, ist die systematische Sammlung und Nutzung von Kundendaten als grundlage für ein übergreifen-des Customer Experience Design in den meisten Unternehmen nur in einem rudimentären ausmaß vorhanden. Sowohl die passive Datenerhebung durch die Erfassung aller vertriebsinteraktionen, als auch die aktive Erhebung von Kundendaten (durch direkte befragung) werden kaum systematisch und integriert genutzt. Der aufschrei nach einer exzel-lenten Datenqualität verhallt in den meisten Fällen ungehört.

Fragestellungen für den Deutschen Marketing Tag 2020, u.a.:

· Was sind die Erfahrungen bei der Umsetzung eines Customer Experience Managements?

· Wie wurden interne und externe Hürden in der Um-setzung überwunden?

· Wie ist die verteilung im aufwand zwischen Prozes-sen und Systemen auf der einen Seite und Change-Management auf der anderen Seite?

breakout 4: customer Journey analyse und attributionsmodellierung – blick hinter die kulissenCustomer Journey bezeichnet die „Reise“ eines Nutzers bzw. potenziellen Kunden über verschiede-ne Kontaktpunkte mit einem Produkt, einer Marke oder einem Unternehmen vom initialen bedürfnis

1 Schüller, a. M.: Touchpoints. auf Tuchfühlung mit dem Kunden von Heute, 3. aktualisierte auflage, offenbach 2013.

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bis zur Problemlösung bzw. bis er eine gewünschte zielhandlung durchführt.1 Relevante Kontaktpunkte erstrecken sich von klassischer Werbung (anzeigen, Tv- oder Radio-Spot, etc.) über online-Marketing-Maßnahmen bis hin zu Informationen auf bewer-tungsportalen. Mit Hilfe von Cookies können die Sta-tionen des Nutzers auf seinem Weg zum online-Kauf nachvollzogen werden. Die Customer Journey ist da-mit ein ansatzpunkt für ein umfassenderes Customer Experience Management. Die analyse der Kunden-kontaktpunkte und Werbemittel erfolgt mittels ma-thematisch-statistischer verfahren und unter zuhilfe-nahme von attributionsanalysen und -modellen. Im Ergebnis soll der Nutzer bei seiner digitalen Shop-pingtour an jedem Touchpoint auf der grundlage von attributionsmodellen zur richtigen zeit mit den richtigen Inhalten adressiert und damit Streuverluste gesenkt sowie die Effizienz gesteigert werden. In den meisten Fällen beginnt die Customer Journey mit ei-ner initialen Suchanfrage und endet mit der Conver-sion durch Kaufabschluss. Der Suchprozess startet in der Regel mit einer Intention, also einer zielvorgabe oder -vorstellung. Die Customer Journey ist derzeit noch vorrangig im online-Marketing bzw. digitalen Kanälen von Interesse, da hier das verhalten der Kon-sumenten mithilfe von Tracking-Technologien (Coo-kies) exakt abgebildet werden kann. bisher galt hier-für das Prinzip „Last Cookie Wins“: wem es gelang, das letzte Cookie zu setzen, der durfte den Kampag-nenerfolg für sich beanspruchen – im affiliate Marke-ting etwa wurde diesem vermittler sodann die Provi-sion des Werbetreibenden (Händlers) zugesprochen. Es kristallisiert sich jedoch zunehmend heraus, dass ein Kauf bereits viel früher angestoßen wurde und das letzte Cookie nur von der Werbewirkung voraus-gegangener Kontaktpunkte profitiert hat. Damit ist in einer dynamischen Attribuierung zu klären, ob der letzte Kontaktpunkt alleinig für einen Kauf eines Pro-duktes ausschlaggebend war oder dieser durch ein zusammenspiel bzw. eine bestimmte abfolge meh-rerer Kontakte, Kanäle und Inhalte bzw. spezifischer angebote entstanden ist.

Notwendige voraussetzung ist die durchgehende aufzeichnung verschiedener Phasen einer Customer Journey, um so Werbekanäle sinnvoll bewerten und attributionsmodelle generieren zu können. Dabei

macht eine Customer Journey-analyse vor allem bei erklärungsbedürftigen oder hochpreisigen Produk-ten Sinn: online-Kunden kaufen bei niedrigpreisigen Produkten gern spontan, wodurch die „Reise des Kunden“ bis zum Kaufabschluss in ihrer bedeutung eher zurücktritt.2 Für die Ermittlung der attributions-modelle werden nicht nur Klicks, sondern ebenfalls reine blickkontakte (views) erkannt und gespeichert. anschließend können diese Daten ausgewertet und die aus Unternehmenssicht optimale Customer Jour-ney mit den meisten Conversions identifiziert sowie budgets entsprechend allokiert werden.

Das Touristik-Unternehmen Aldiana hat im Rahmen einer Customer Journey-analyse die Wirkung unter-schiedlicher „Kunden-Touchpoints“ auf die Kaufent-scheidung untersucht. Es zeigt sich, dass einzelne Kundeninteraktionen eine unterschiedliche bedeu-tung im Rahmen des Kaufentscheidungsprozesses haben. So wurden etwa im SEa Keywords wie „Clu-burlaub“ zuerst aufgrund vergleichsweise hoher Kos-ten und niedriger Conversion-Raten herausgenom-men. Die Kettenanalyse zeigte jedoch, dass genau dieses Keyword unmittelbar am Entscheidungspro-zess beteiligt ist und somit doch maßgeblich zur spä-teren Conversion beigetragen hat. Über die analyse und bewertung jeder einzelnen Maßnahme konnte bei Aldiana insgesamt eine Umsatzsteigerung von 7% erzielt werden, bei einer Steigerung des Traffic auf den Websites um 17%.

bei statischen attributionsmodellen wie „Last Click“ oder „U-Modell“ steht der Einfachheit in der Ermitt-lung der Nachteil gegenüber, dass eine objektive bewertung der Werbeleistung unterbleibt. Damit sind statische attributionsmodelle eher als Inter-pretationsmodelle zum verständnis einer Customer Journey geeignet, weniger für eine exakte Quanti-fizierung. Fallbeispiele zeigen, dass für die Ermitt-lung von Werbewirkungen zweistufig vorgegangen werden sollte: in der Regel wird mit einem statischen Modell gestartet, das dann auf der grundlage von Erfahrungswerten und (dynamischen) Data-Mining-Methoden kundenindividuell angepasst wird und schrittweise die beiträge aller online-Kanäle berech-net werden können.

1 broschart, S.: Suchmaschinenoptimierung und Usability, Poing 2011; Cooper, W.: Mapping value across the customer journey, in: Marketingweek UK, January 2011, pp. 40 – 41.

2 bockhorni, M.: Customer Journey optimieren – Touchpoint-analyse im Multichannel-Marketing, in: onlineMarketingPraxis, unter: http://www.onlinemar-keting-praxis.de/web-controlling/customer-journey-optimieren-touchpoint-analyse-im-multichannel-marketing, abgerufen am 24.12.2018.

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bestandteil jeder attributionsformel sind Faktoren wie Engagement, Impuls, aktivierung oder auch Position:

· Engagement: Messung anhand der ad Impressi-ons, also wieviele Klicks auf Unterseiten von einem einzelnen Werbekontaktpunkt ausgingen;

· Impuls: die Impulswirkung sollte umso größer sein, je geringer der zeitliche abstand zum nächsten Kontaktpunkt ist. Je kürzer dieser zeitliche abstand, desto wertvoller ist demzufolge der Kontaktpunkt;

· Aktivierung: wird ein Nutzer über einen Kontakt-punkt aktiviert, der lange zeit inaktiv war, so ge-winnt dieser Kanal an Wert;

· Position: Stelle des Kontaktpunkts innerhalb der Customer Journey.

Otto weist durch den Einsatz von Künstlicher Intelli-genz jedem Werbekanal einen individuellen Erfolgs-anteil am Kaufprozess jedes Kunden zu und ermög-licht entsprechend effiziente budget-allokationen. Das attributionsmodell wird ständig erweitert um Display-views, Cross-Device-User-Recognition und weitergehend auch statistische Modelle getestet, etwa in bezug auf die Unterschiede zwischen statis-tischen Survival-Methoden und spieltheoretischen Erweiterungen der logistischen Regression.

Fallbeispiele und auch die durchgeführten Interviews zeigen, dass digitale Multikanal-Strategien in bezug auf die Conversions und Kaufabschlüsse erfolgrei-cher sind als eine Monokanal-Strategie: Nutzer, die sich durch mehrere online-Kanäle klicken, weisen eine höhere Conversion-Wahrscheinlichkeit auf als diejenigen, die nur einen Kanal benutzen, um auf eine ziel- (Kauf-) Website zu gelangen. Informations-kanäle wie affiliate Marketing, Display advertising oder direkte verlinkungen dienen eher zum Stöbern (Upper Funnel), während Navigationskanäle wie SEo, SEa oder Newsletter eher dazu genutzt wer-den, um gezielter vorzugehen (Lower Funnel). Dabei ist die Kaufwahrscheinlichkeit in einem Navigations-kanal (wie SEo) deutlich höher. Unternehmen mit systematischen Customer Journey-analysen berich-ten von absatzsteigerungen von mehr als 25%, bei gleichzeitiger Reduzierung eingesetzter Marketing-budgets um bis zu 40%.

größte Hürde einer Customer Journey-analyse ist die kanalübergreifende Betrachtung – insbesonde-

re, wenn verschiedene online- oder offline-Kanäle einbezogen werden sollen. Kreative Lösungen pilo-tieren die Integration von Telefonanrufen in die Cus-tomer Journey: wenn ein Nutzer auf eine adwords-anzeige klickt, wird ihm ein Cookie zugewiesen und auf der Shop-Seite anschließend dynamisch eine in-dividuelle Telefonnummer vorgeschlagen. Wählt der Nutzer diese Nummer, kann der anruf der Customer Journey exakt zugeordnet werden. Um Tv-Werbung im Rahmen der Customer Journey zu berücksichti-gen, kann zumindest ein Näherungsverfahren ein-geschlagen werden: nach einem Tv-Spot steigt der Traffic auf der beworbenen Kunden-Website in der Regel sprunghaft an. Nachdem das grundrauschen herausgerechnet worden ist, wird den zusätzlichen besuchern bis 5 Min. nach Spot-ausstrahlung ein Tv-Cookie gesetzt und zusätzliche online-Nutzer der Tv-Kampagne zugeschrieben. Hochentwickelte attributionsmodelle sind hierfür etwa in der Lage, bis zu 800.000 Datenpunkte von einer fünfstelligen Nutzerzahl auszuwerten und in 30-50-ms anhand von einigen Parametern, die dem Nutzer entsprechen, zusammenzustellen und das entsprechende online-Werbemittel auszuliefern.

Fragestellungen für den Deutschen Marketing Tag 2020, u.a.

· Welche attributionsmodelle haben sich etabliert für die analyse der Customer Journey?

· Wie wird die analyse der Customer Journey in Un-ternehmen umgesetzt – und welche Effekte hat die-se analyse bereits gezeigt?

· Welche ansätze gibt es für eine Multi-Channel-ana-lyse, also online und offline?

breakout 5: blockchain im Marketing – hype or hope?Die blockchain ist als Distributed-Ledger-Technolo-gie im grunde nichts weiter als ein dezentrales Pro-tokoll für Transaktionen zwischen Parteien, das jede veränderung auf der Seite aller beteiligter transpa-rent erfasst. Dezentral bedeutet hierbei, dass das Protokoll – bildlich gesprochen eine riesige Daten-bank – nicht auf einem Server oder bei einem Un-ternehmen liegt (wie bei Facebook), sondern über viele Computer verteilt ist. War es bislang ein Haupt-buch, das für die verwaltung aller Einzelheiten einer Transaktion zuständig war, tritt nun die beschriebene

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transparente Datenbank an seine Stelle. Jede Infor-mation, die von dem System erfasst wird, ist verifi-zierbar. Die Notwendigkeit einer zentralen autorität, die für die Echtheit der Daten bürgt, entfällt also. Die blockchain ist damit ein neutrales System der Infor-mationsverarbeitung, welches niemandem gehört und aufgrund der Redundanz der verteilten Daten-haltung nur extrem schwer zu manipulieren oder zu hacken ist. In einem dezentralen System, wie es die blockchain ist, gibt es keinen zentralen verwalter mehr, der sagt, was richtig und was falsch ist.

Transaktionen können dabei jede art von Informati-on sein. Die Parteien sind die Teilnehmer, die an einer auf blockchain basierenden Lösung teilnehmen und den jeweiligen Regeln der blockchain folgen. Sie er-möglicht Transaktionen direkt zwischen den Teilneh-mern ohne Einbezug eines kostenpflichtigen Inter-mediär. Dadurch werden auch potentielle Friktionen wie marktbeherrschende Stellungen verhindert. Die Transparenz der blockchain, also dem Journal oder Datenbank, entsteht dadurch, dass das Journal stän-dig durch ein Netzwerk sog. Miner kontrolliert wird. Diese Miner verifizieren block für block die hinterleg-ten Informationen und teilen sie im Netzwerk, in dem jeder Teilnehmer zugriff auf dieselbe blockchain hat.

Im einfachsten anwendungsbeispiel bei bitcoins besteht eine blockchain aus einer Reihe von Daten-blöcken, in denen jeweils eine oder mehrere Trans-aktionen zusammengefasst und mit einer Prüfsumme versehen sind, d. h., sie werden jeweils paarweise zu

einem Hash-baum zusammengefasst (abbildung 13). Die Wurzel des baumes wird dann im zugehörigen Header gespeichert. Der gesamte Header wird dann ebenfalls gehasht; dieser Wert wird im nachfolgen-den Header abgespeichert.1

So wird sichergestellt, dass keine Transaktion verän-dert werden kann, ohne den zugehörigen Header und alle nachfolgenden blöcke ebenfalls zu ändern. Durch die aufeinander aufbauende Speicherung von Daten in einer blockchain können diese nicht nach-träglich geändert werden, ohne die Integrität des gesamtsystems zu beschädigen. Hierdurch wird die Manipulation von Daten erheblich erschwert. Der dezentrale Konsensmechanismus ersetzt die Not-wendigkeit einer vertrauenswürdigen dritten Instanz zur Integritätsbestätigung von Transaktionen. Neue blöcke werden über ein Konsensverfahren geschaf-fen und anschließend an die blockchain angehängt.

vielfältige anwendungsgebiete sind für blockchain denkbar. bspw. in der Musikindustrie, wenn es um das verwalten von Rechten geht. Ein auf blockchain basierender Musikdienst ist ein öffentlicher dezent-raler Musikladen, in dem keine Plattenverträge mehr nötig sind, Künstler die Rechte an der eigenen Musik verwalten und ebenso die bedingungen für die Nut-zung der Musik festlegen. Das verhältnis zwischen Fan und dem Künstler verändert sich in einem Sys-tem dramatisch. Fans könnten für die Unterstützung der Künstler und das verbreiten von Musik partizipie-ren und damit Teil des Erfolges sein.

1 ali, M. S.; vecchio, M.; Pincheira, M.; Dolui, K.; antonelli, F.; Rehmani, M. H.: applications of blockchain in the Internet of Things: a Comprehensive Study, in: IEEE Communications Surveys & Tutorials, vol. XX, No. X, 2018.

abbildung 13: beispiel einer vereinfachten blockchain

Block 1Header

Hash von vorhergehendem block 0 Header

Hash-baum vonTransaktionen 1

Block 1Transaktionen 1

Block 2Header

Hash von vorhergehendem block 1 Header

Hash-baum vonTransaktionen 2

Block 2Transaktionen 2

Block 3Header

Hash von vorhergehendem block 2 Header

Hash-baum vonTransaktionen 3

Block 3Transaktionen 3

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Die meisten Lieferketten, also der Weg des frischen Produkts vom Erzeuger in den Laden, hängen noch in manuellen Prozessen fest. Deshalb ist es schwer bis unmöglich, auslöser für Probleme (wie bspw. eine verunreinigung mit E.Coli) zu lokalisieren und auszu-merzen. Walmart nutzt nun die für diesen anwen-dungsfall entwickelte Food Trust Solution ein – und fordert dies auch von seinen zulieferern: Statt alles in Exceltabellen auf Papier einzutragen, müssen ab spätestens September 2019 alle Walmart-Lieferanten von obst und gemüse ihre Prozesse in die block-chain verlegen. Davon verspricht sich Walmart mehr geschwindigkeit und Transparenz (Chargen-Rückver-folgbarkeit) innerhalb der Lieferkette. Das Ergebnis klingt verlockend: bevor der Prozess zur blockchain verschoben wurde, dauerte es durchschnittlich 7 Tage, um die Nahrungsquelle zu verfolgen. Dank blockchain wurde dieser zeitraum auf 2,2 Sekunden reduziert. Dies verringert die Wahrscheinlichkeit, dass infizierte Lebensmittel den Endverbraucher er-reichen, erheblich.

aus Sicht Marketing und vertrieb hat die blockchain damit das Potential, die bestehenden Strukturen nachhaltig zu revolutionieren, wie etwa:1

· Produktentstehung und -haftung: die blockchain kann dafür sorgen, dass der Weg einzelner Rohstof-fe durch die zuliefererkette bis zum fertigen End-produkt nachvollziehbar bleibt. gerade im Fall von Luxusgütern scheint dies besonders attraktiv, denn hier sind die Erwartungen der Kundschaft an Her-kunft der Materialien sowie ort und art der Herstel-lung besonders hoch. Um diese Informationen zu erhalten, müssen Kunden lediglich einen QR-Code mit ihrem Smartphone einscannen;

· Verhinderung von Fake News: Nutzern wird ein ökonomischer anreiz (ggf. indem sie mit Kryp-towährung bezahlt werden) geboten, Inhalte präzi-ser zu ranken, also als eine art „Prüfpfad“ für In-halte auf basis der blockchain-Technologie. Somit können Nutzer besser nachvollziehen, wie und wo Nachrichten entstanden sind und über „vertrauens-würdige“ andere Nutzer bewerten lassen, die hier-für wiederum entlohnt werden;

· Mobile Payment: über apps bitcoins oder andere Währungen überall auszugeben, wo Nutzer wollen;

· Sichere Werbedaten: Die adChain Registry ist ein blockchain-basiertes Protokoll, das bots darin hin-dern soll, Werbedaten zu manipulieren. Dahinter steckt die Idee, dass der Tausendkontaktpreis als basis für das auszahlen von gewinnen falsche an-reize setzt. Stattdessen wird ein Register als große Datenbasis an geprüften, zugelassenen und bot-freien Domains fungieren, für die Nutzer Webseiten vorschlagen können, indem sie eine gewisse Sum-me in Form von adTokens bezahlen. Sollte die Seite den Standards nicht entsprechen, verliert der Nut-zer seine hinterlegten adTokens. Die Idee: Werber bezahlen für registrierte Webseiten auf adChain (als art zertifizierungsinstanz), weil diese von Menschen und nicht von bots geprüft wurden und sie sich da-mit der Qualität sicher sein können;

· Anonymisierte Kundendaten: Die blockchain-Tech-nologie bietet die Möglichkeit, Transaktionsdaten dezentral – und damit sicher – aufzubewahren und gleichzeitig effizient einzusetzen. In zukunft könn-ten Unternehmen die blockchain darüber hinaus auch nutzen, um sich das Einverständnis für die Nutzung von personenbezogenen Daten geben zu lassen;

· Monetarisierung originärer Inhalte: autoren und Content-Produzenten erlaubt die blockchain (wie etwa bei DECENT), ihre Inhalte über die blockchain zu verbreiten und sofort dafür bezahlt zu werden. Das System bietet Kreativen damit im Direktvertrieb tendenziell bessere Konditionen;

· Disintermediation von Kreativagenturen: Einen ganz ähnlichen ansatz verfolgt das DECENT Net-work, das es Künstlern ermöglicht, jede art von In-halten effizient zu verbreiten – egal ob Text, Musik, video, ebook oder bilder. Der Distributionsprozess kommt dabei komplett ohne externe Dritte aus, Künstler können Urheberrechte und Preise ganz einfach selbst kontrollieren und verwalten. Damit würde das Konzept der Crowdcreativity weiterge-hend dezentralisiert werden. Hier hat die berliner Kreativ-Plattform Jovoto bereits bewiesen, dass ein nachhaltiger Markt unter Nutzung einer zentralen Datenbank mit über 50.000 registrierten Kreativen und unter ausschluss von agenturen als (organisa-torischen) Intermediären möglich ist;

1 Wöhrle, M.: 7 Wege wie blockchain das Marketing revolutionieren wird, in: The Restless CMo, 13.9.2017; Wagner, a.: Wie die blockchain das geschäfts-modell der agenturen gefährdet, in: W&v, 29.12.2017; Jacobi, R.: Wie die blockchain die Werbung verändern wird, in: InternetWorld, 3.8.2017; Newman, D.: 4 Ways blockchain Will Transform Digital Marketing and advertising, Forbes, 14.11.2017; Scherf, J.: blockchain im Marketing, berlin 2019.

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· Direktgeschäft zwischen Advertisern und Publis-hern: Trading Desks als Mittler im Medienmanage-ment werden überflüssig und die lange Wertschöp-fungskette, an der viele Dienstleister partizipieren, reduziert sich im Kern auf einen ad Server. Smart Contracts werden geschlossen, die ihre Wirkung genau dann entfalten, wenn ein vordefiniertes Er-eignis auftritt (z.b. aufruf einer Website durch be-stimmte User);

· Steigerung der Effizienz von Online-Werbung: Werbemittel werden nur dann gebucht, ausgelie-fert und abgerechnet, wenn ein identifizierter Nut-zer eine Seite aufruft und dies in der blockchain so hinterlegt ist. Werbemittel erscheinen in Folge nur noch dort, wo sie erwünscht sind. advertiser können in der Werbe-blockchain gleichzeitig hinterlegen, welche Umfelder und Seiten erwünscht sind und welche nicht. Themenstellungen wie ad oder brand Safety gehören damit der vergangenheit an. Wie auf dem Deutschen Marketing Tag 2018 bereits durch Brendan Eich (Brave) aufgezeigt, besteht blockchain-basiert im browser die Möglichkeit, die Präferenzen des Nutzers zu hinterlegen und diesen via bitcoin für den Konsum von Werbung zu incentivieren;

· Auditing-Prozesse werden überflüssig: Werbetrei-bende, die im Detail nachvollziehen wollen, wie die jeweiligen budgets eingesetzt worden sind, erhal-ten diese Informationen direkt aus der blockchain. Das geht übrigens nicht nur online, sondern auch für klassische Werbung … vorausgesetzt, sie wird auf blockchain-basis gebucht und bezahlt, zum bei-spiel mit bitcoins;

· Vermeidung von Werbereaktanz: In der blockchain ist hinterlegt, welche art von Werbung jemand in-dividuell für nützlich und akzeptabel hält. also ein opt-in-System, das „harte“ opt-outs wie mit ad-blockern unnötig macht.

zwar stecken blockchain-basierte anwendungssze-narien momentan vergleichsweise noch in den Kin-derschuhen, doch Experten sprechen schon davon, dass sie bereits in fünf Jahren selbstverständlicher Teil des alltags sein könnten.1

Fragestellungen für den Deutschen Marketing Tag 2020, u.a.

· Welche Erfahrungen bestehen bereits im Einsatz von blockchain in Marketing & vertrieb?

· Welche innovativen anwendungsszenarien beste-hen, ggf. getrieben durch Start-ups?

· Wie sieht absehbar die weitere Entwicklung im Ein-satz von blockchains aus (Erwartungen)?

breakout 6: Marketing science slamIn einem Marketing Science Slam haben die Slammer/-innen jeweils 10 Min. zeit, um ihr For-schungsgebiet und -projekte dem Publikum praxis-orientiert näherzubringen. zehn Minuten, in denen sie komplexe Themen anschaulich und unterhaltsam erklären. Im anschluss darf das Publikum darüber ab-stimmen, welcher auch tiefergreifende wissenschaft-liche beitrag für sie a) den meisten Mehrwert gene-riert hat und b) am verständlichsten gewesen ist.

breakout 7: content-Marketing … Mythen und wahrheitenContent-Marketing kann als eine Marketingtechnik beschrieben werden, die mit informierenden, be-ratenden und unterhaltenden Inhalten profilbasiert und individualisiert Interessenten und Kunden an-spricht, um sie vom eigenen Unternehmen und sei-nem Leistungsangebot zu überzeugen und sie als Kunden zu gewinnen oder zu halten. Die Marke wird als „Corporate brand Story“ inszeniert, eingebettet in ein inhaltlich relevantes Umfeld und ersetzt damit quasi klassische Displaywerbung. Während bei klas-sischen Medien und Display-Werbung Inhalte dem Interessenten vornehmlich im „Push“-verfahren an-getragen werden (outbound Marketing), steht im Content-Marketing die „Pull“-Wirkung im Fokus, d.h. die aktivierung durch ein höheres medien- und inhaltsspezifisches Involvement (Inbound Marke-ting).

Globetrotter publiziert ein Magazin mit aufwändigen Fotoreportagen, Reiseberichten und berichten aus fernen Ländern. Natürlich dreht sich alles um aben-teuer, bei denen eine ausrüstung von globetrotter gute Dienste leisten kann – aber es ist keine Werbung im klassischen Sinn. verweise auf bestimmte Marken, Kleidungsstücke oder ausrüstungsgegenstände sind

1 Scherf, J.: blockchain im Marketing, berlin 2019.

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hier nicht zu finden – vielmehr geschichten, die von eigenen abenteuern träumen lassen. Das eigene Le-ben und Reisen werden auch ein wenig abenteuer, wodurch der eine oder andere Nutzer dazu angeregt wird, bei Globetrotter seine ausrüstung zu erwerben.

Henseler stellt zum Thema Content im Rahmen von online-branding fest; „wenn Dinge ihre situative Re-levanz verlieren, wenden sich Menschen anderen Din-gen zu“.1 Für die Ermittlung der situativen Relevanz ist es notwendig, das momentane Interesse und den Nutzungskontext von Nutzern zu kennen, um darauf adäquat reagieren zu können. Hierzu müssen Mar-ken interessant, facettenreich und beweglich sein.2 Nur über eine lebendige Markenpersönlichkeit kön-nen Marken spannend sein, facettenreich und dabei doch ganz sie selbst bleiben. ausgangsbasis für ein Content-Marketing ist damit neben einem differen-zierten verständnis der bedürfnisse unterschiedlicher zielgruppen und deren Kanalpräferenzen auch eine nachhaltige Strategie zur Differenzierung und Pflege der Markenpersönlichkeit. Entsprechend erachten fast ¾ der Senior Executives in Europa Content Mar-keting als sehr relevant.

Best Buy hat – neben der in 2005 akquirierten Geek Squad – das best-Magazin gelauncht, welches Top-Kunden Informationen ohne jeglichen vertrieblichen Inhalt zur verfügung stellt. Nach Barry Judge, dem vormaligen CMo von Best Buy, unterstützt das En-gagement in Content Marketing für best buy ähnlich wie bei boeing mittelbar die Kundenbindung und nachfolgende abverkäufe: “When we invest in our customers, they will invest more heavily in us“.

Im gegensatz zum abverkaufsorientierten Perfor-mance Marketing orientiert sich Content Marketing in der ansprache und der Thematik eher an Fach-presse-, beratungs- und Unterhaltungspublikatio-nen. Im Fokus steht die Positionierung und Profilie-rung des Inhaltsproduzenten als Experten, berater und Entertainer, der Kompetenzen, Know-how und Wertversprechen durch den Inhalt demonstriert, an-statt diese nur zu behaupten. Social Media dient hier-bei sowohl als Content-Quelle, als auch als Kommuni-kationskanal. Hierfür ist es essentiell, medienneutrale Content-Ideen und kreative Leitideen zu entwickeln, die medienspezifisch über alle Kanäle adaptiert wer-

den können. Ein „transmediales Erzählen“ rückt damit in den Mittelpunkt. Eine befragung von Marketinglei-tern und -vorständen Ende 2018 im Rahmen des Con-tent Marketing Monitors zeigte hierzu:

· In nur 16% der befragten Unternehmen gibt es ein zentral gesteuertes Content-Marketing-Team mit erfahrenen Spezialisten, die übergreifend für das gesamte Unternehmen arbeiten. Fast die Hälfte al-ler Unternehmen organisiert Content Marketing de-zentral, dabei ist kaum oder gar keine vernetzung gegeben: Dadurch gehen Synergieeffekte verloren, die Effektivität von Content Marketing sinkt und Si-lodenken steigt;

· Content Marketing ist momentan eher beiwerk im Marketing-Mix: 60% der Unternehmen geben weni-ger als 10% ihres gesamtbudgets für Content Mar-keting aus;

· Content Marketing professionalisiert sich, aber nur langsam: Fast 80% der befragten Unternehmen ar-beiten mit einem Redaktionsplan, 43% halten re-gelmäßig Redaktionskonferenzen ab. aber jedes zweite Unternehmen arbeitet ohne Content Mar-keting-Strategie oder -Konzept. Tools sind eher die ausnahme;

· Paid Content statt SEo: Nur 13% der Unternehmen setzen zur verbreitung ihres Contents auf Such-maschinen. Das strategisch wichtige zusammen-spiel zwischen Content Marketing und Suchma-schinenoptimierung bleibt unbeachtet. Hingegen setzen 90% der Unternehmen auf kostenpflichtige Distribution. Spitzenreiter sind Content Seeding in blogs und Promoted Posts in Social Media;

· Content Marketing ist erfolgreich: Fast 60% bewer-ten ihre Maßnahmen als erfolgreich mit Potenzial für „Mehr“. Weitere 7% halten ihr Content Marke-ting für sehr erfolgreich;

· Timing is King: 64% der befragten Unternehmen nennen bestimmte Frequenzen bei der veröffent-lichung als Erfolgsfaktor. auch die aktualität des Contents wird von 64% als besonders wichtig erach-tet;

1 Henseler, W.: Social Media branding, Markenbildung im zeitalter von Web 2.0 und app-Computing, in: Theobald, E.; Haisch, P. T. (Hrsg.): brand Evolution, Wiesbaden 2011, S. 111 – 126.

2 Prox, C.: Wie Marken zu Magneten werden, in: Horizont Nr. 10 / 2013, 7.3.2013, S. 19.

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· Ressourcenmangel ist das größte Problem: 74% der Marketingverantwortlichen klagen über zu we-nige Ressourcen. Weitere 49% verfügen nicht über ausreichend Expertise für Content Marketing. Die fehlende Strategie wird von 37% ebenfalls als hin-derlich erachtet;

· Content Marketing wird weiterwachsen: 78% der befragten Unternehmen geben vor, Content Mar-keting in den kommenden drei Jahren weiter zu in-tensivieren.

Fragestellungen für den Deutschen Marketing Tag 2020, u.a.:

· Welche best Practices gibt es im bereich Content Marketing? Wie kann über Inhalte „in relevanten Momenten“ die brücke zwischen Marke und Nutzer aufgespannt werden?

· Welche Instrumente, Prozesse, vorgehensweisen und Systeme stehen hierfür zur verfügung?

· Welche Kompetenzen und Rollen müssen hierfür entwickelt werden – kann das in der bestehenden Marketingorganisation abgedeckt werden oder sind hierfür neue Rollenmodelle und Kompetenz-raster notwendig?

· Ist das nur etwas für großunternehmen oder gilt das auch für den Mittelstand? Kann ich das auch mit weniger budget und großartigen agenturen entwi-ckeln?

· gibt es beispiele, wo sich Content Marketing direkt auch in messbaren Erfolgen niederschlägt?

breakout 8: innovate or perish – oder: wie organisiert man innovation?Eine der größten Herausforderungen für Innovati-onsprogramme ist die Schaffung eines messbaren, transparent nachvollziehbaren Mehrwertes für das Unternehmen. Dabei hat ein Innovationsprozess stets zwei Teile: Der erste Teil wird oft als das „Fuzzy Front End“ bezeichnet. Hier wird die Problemstellung defi-niert und eine Pipeline an Ideen generiert. Der zwei-te Teil des Innovationsprozesses ist das „back-End“. Hier erfolgen Evaluation, Prüfung und Umsetzung der vielzahl an Ideen. obwohl Unternehmen oft Er-fahrung mit diesem abschnitt des Prozesses haben, werden „Front-End“-aktivitäten häufig ohne ausrei-chend Rücksicht auf den „back-End“-Prozess unter-nommen (abbildung 14).1 Dies kann ernsthafte Kon-sequenzen für das Innovationsmanagement haben mit Symptomen wie2

1 völker, R.; Friesenhahn, a.: Innovationsmanagement 4.0: grundlagen – Einsatzfelder – Entwicklungstrends, Stuttgart 2018; vahs, D.; brem, a.: Innovations-management: von der Idee zur erfolgreichen vermarktung, Stuttgart 2015.

2 Kahn, E.: Innovate or Perish: Managing the Enduring Technology Company in the global Market, Hoboken 2007.3 vahs, D.; brem, a.: Innovationsmanagement: von der Idee zur erfolgreichen vermarktung, Stuttgart 2015; völker, R.; Friesenhahn, a.: Innovationsmanage-

ment 4.0: grundlagen – Einsatzfelder – Entwicklungstrends, Stuttgart 2018.

abbildung 14: Innovationsprozess (schematisch)3

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· Eine vielzahl von Ideen mit langen Durchlaufzeiten, was bei den Teilnehmern entlang des Innovations-prozesses, deren Ideen nicht weiterbearbeitet wer-den, zu Frustration führt;

· viel beteiligung und begeisterung im ersten Jahr nach Programmstart, danach aber starke abnahme, was zu Desinteresse und ablehnung führt;

· Mangelnde Transparenz hinsichtlich des Umgangs mit den Ideen führt zum zusammenbruch der Kom-munikation;

· Schwierigkeiten bei der Entwicklung von Kennzah-len, die den Wert des Innovationsmanagementpro-zesses adäquat abbilden;

· Mitarbeiter kehren zu alten Methoden zurück – sie geben Ideen direkt an ihre vorgesetzten weiter oder aber behalten nützliches Wissen und Erkennt-nisse innerhalb der eigenen abteilung.

Erfolgreiche Innovationsprozesse sind dem gegen-über durch die Unterscheidung unterschiedlicher Ideen und Konzepte gekennzeichnet: eine neue Pro-dukt- oder Dienstleistungsidee wird bspw. anders behandelt als eine Idee zur Prozessoptimierung oder Kosteneinsparung. Front- und back-End werden op-timal aufeinander abgestimmt, damit neue Ideen ungehindert weiterverarbeitet werden. Die Struktu-rierung des „Front-End“ mit strategischen Suchfel-dern und klaren Problemstellungen hilft, bereits zu beginn Ideen von höherer Qualität und Relevanz zu generieren. Das ausarbeiten und Evaluieren von Ide-en ist ein zentraler Schritt im „back-End“. bevor eine Idee umsetzungsreif wird, sollte daher eine Konzept-phase eingeplant werden, in der vielversprechende Ideen gegebenenfalls kombiniert, weiterentwickelt, als MvP getestet und erneut bewertet werden. Die-se Phase kann ebenfalls transparent und offen ge-staltet werden, so dass der Ideengeber und andere Teilnehmer sich weiter einbringen können. Die aus-gearbeiteten Konzepte bilden zusammen das Inno-vationsportfolio und sind voraussetzung für eine er-folgreiche Umsetzung in der Projektphase.

Weitere Schlüsselfaktoren für einen optimalen Inno-vationsprozess sind:

· Wichtige Stakeholder frühzeitig in den Prozess ein-binden, um beteiligung und Ressourcenverfügbar-keit abzusichern;

· Einen Kommunikationsplan, der auf den „back-End“-Prozess abgestimmt ist, um Transparenz für die Teilnehmer zu schaffen;

· aussagekräftige Kennzahlen für den gesamten In-novationsprozess, von der beteiligungsrate, über das volumen ihres Innovationsportfolios, bis zum RoI aus umgesetzten Innovationen;

· Strategische Innovationsfelder, die an Innovati-onsziele des Unternehmens gekoppelt sind und eine Kampagnenplanung, die jeden bereich unter-stützt;

· gesamtübersicht und Management des Innovati-onsportfolios mit allen Konzepten und Projekten, um einfacher strategische Entscheidungen treffen zu können.

Fragestellungen für den Deutschen Marketing Tag 2020, u.a.:

· Welche best Practices gibt es im bereich Innova-tionsmanagement?

· Welche Instrumente, Prozesse, vorgehensweisen und Systeme werden hierfür genutzt?

· Erfolgt dieser Prozess eher Inhouse oder eher als Innovations-Center außerhalb des Tagesgeschäfts bzw. Unternehmens?

· gibt es beispiele für ein erfolgreiches, systemati-sches Innovationsmanagement?

breakout 9: Vom klassischen handel zur plattformstrategie in einem it-handels-ÖkosystemUnter Plattformen werden geschäftsmodelle ver-standen, die viele Konsumenten oder mehrere Un-ternehmen oder beides miteinander verknüpfen und damit monatarisieren.1 Es geht um digitale Plattfor-men, die sich rasend schnell ausbreiten und neue, bisher unbekannte globale Netzwerke erschaffen.

1 Choudary, S. P.; alstyne, M. W.; Parker, g.: Die Plattform-Revolution im E-Commerce: von airbnb, Uber, PayPal und Co. lernen: Wie neue Plattform-ge-schäftsmodelle die Wirtschaft verändern, Frechen 2017.

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Die beispiele sind allseits bekannt: Uber, Facebook, Google, auch Apple und viele weitere wie AirBnB haben sich in kürzester zeit global entwickelt. Damit öffnen sich in einer Plattformstrategie Unternehmen auch für andere Marktteilnehmer und Wettbewerber in einem Marktsegment.1 Die wichtigste Eigenschaft einer Plattform: Sie steigert den Nutzen für den ein-zelnen Kunden, je mehr Menschen sich ihr anschlie-ßen (positiver Netzeffekt).2 Das bedeutet, jeder ein-zelne Nutzer der Plattform wird in dieser gleichzeitig zum Mehrwertobjekt für die anderen Nutzer. Je grö-ßer so ein Netz, desto wertvoller und desto schwerer ist es für andere, in diesen Markt einzutreten:

· bei Facebook ist jeder Nutzer gleichzeitig ein po-tenzieller „Friend“ für die anderen und – viel wichti-ger – ein adressat für die zahlende Kundschaft. zu-sätzlich stellt jeder Nutzer kostenlos den Inhalt ein, den andere konsumieren. Facebook ist damit der archetyp der Plattform, in der jeder beteiligte aktiv den Mehrwert erhöht.

· bei Apple wird bei der Plattform AppStore schon schärfer in zwei gruppen getrennt: die Kunden des appStores und die Ersteller der apps. beide schau-keln sich durch ihre zahl gegenseitig auf. Doch auch Apple-Dienste wie bspw. verkehrsinformationen basieren auf dem Plattformkonzept: Jedes einzelne Endgerät liefert die Daten, die alle nutzen.

· Google bspw. nutzt die Suchanfragen, um den Suchalgorithmus ständig zu verbessern. Das Unter-nehmen hat die meisten Daten, um damit am bes-ten zu sein. andere Suchmaschinen kommen kaum dagegen an, da sie für den anwender unmittelbar schlechtere Ergebnisse liefern.

Daraus leitet sich bereits das zentrale Prinzip der Plattformanbieter ab: größe ist der wichtigste Wett-bewerbsvorteil. Uber führt mit enormen geldsum-men einen aggressiven Kampf um die vorherrschaft im individuellen Personentransport und Mobilitäts-konzepte der zukunft. Der Hintergrund: sobald das geschäft, z.b. mit Hilfe autonomer Fahrzeuge, zum Normalfall wird, wird der größte Marktteilnehmer gewinnen. Er kann über die damit einhergehenden Economies-of-Scale billiger und flexibler anbieten, er wird daher schneller weiterwachsen.

Kern des Plattformgeschäftes ist, dass die angebote-nen Leistungen nicht vom Plattformbetreiber selbst erbracht werden. Das erlaubt dem betreiber eine nahezu grenzenlose Skalierung, ohne große eigene Investitionen. Das geschäftsmodell einer Plattform speist sich in der Regel aus zwei Quellen: vermitt-lungsgebühr und Werbung. Die Schnittstelle zum Endkunden verleiht den in der Kette beteiligten die größte Marktmacht und zieht die größten gewinne nach sich. Konventionelle automobilhersteller etwa fürchten, dass diese bei neuen arten der Mobilität zum Teil einer Lieferkette degradiert und damit be-liebig austauschbar werden. Die vorherrschende Macht einer Marke wäre dahin, wenn der Kunde etwa nicht mehr mit einem BMW zur arbeit fährt, sondern mit einem Mobilitätsservice wie Uber. Ein physisches Produkt (-Erlebnis) wird durch eine (nicht-physische) Dienstleistung und einhergehende Service-Marke ersetzt. Im vergangenen Jahrzehnt hat es mit Hil-fe dieses Marktmechanismus bereits viele verlierer gegeben: Reisebüros, Telefonbuchverlage, lokale anzeigenblätter, Kinos. Derzeit sind klassische ana-loge Fernsehsender dabei, hilflos Youtube und glo-balen Streaming-Plattformen dabei zuzusehen, wie diese zunehmend Marktanteile für sich sichern kön-nen. Es ist zu erwarten, dass solchen ansätzen die zukunft gehört. Denn wenn voneinander getrennte Unternehmen und individualisierte Kunden zu einer (virtuellen) Netzwerkorganisation mit vielfältigsten beziehungen untereinander verschmelzen, müssen sich in Folge geschäftsmodelle von etablierten Silos verabschieden und einem ökosystemzentrierten an-satz folgen.3 Plattformen als Netzwerkorganisationen werden damit zur blaupause für geschäfts- und or-ganisationsmodelle der zukunft.

Die Otto-Gruppe richtet sich komplett auf eine Platt-formstrategie aus und wird zusätzlich ihr kontinuier-lich wachsendes Ökosystem an Plattformen, Res-sourcen und Dienstleistungen nach außen öffnen. Es geht um mehr als „nur“ Umsatzwachstum durch mehr onlinehandel. Der Konzern wandelt sich vom Handelskonzern zu einem IT-Handels-Ökosystem, wie es bisher nur von Amazon bekannt war.

Fragestellungen für den Deutschen Marketing Tag 2020, u.a.

1 Fuchs, J. g.: otto-gruppe baut radikal um: Die neue Plattformstrategie im Überblick, in: tn3, 15.05.2017, unter: https://t3n.de/news/otto-marktplatz-plattform-strategie-bilanz-2017-823962/

2 Schoder, D.: Erfolg und Misserfolg telematischer Innovationen, Wiesbaden 1995.3 von den Eichen, S. a. F.; Hinterhuber, H. H.; Mirow, M.; Stahl, H. K.: Das Netz knüpfen, in: Harvard business Manager, Nr. 1, 2005, S. 41 - 49.

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Marketing Agenda 2020 Inhaltskonzept zum 47. Deutschen Marketing Tag

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· Unter welchen bedingungen ist eine Plattformstra-tegie erfolgreich?

· Welche veränderungen sind für eine Plattformstra-tegie notwendig?

· Welche beispiele gibt es neben amazon für erfolg-reiche Plattformstrategien?

breakout 10: Marketingtech … die hochzeit von Marketing und it?!Unisono beklagen Marketingverantwortliche in Euro-pa das Fehlen integrierter IT- und Digitalplattformen. Das ziel: Die Effizienz erhöhen und Kundenzahlen und Umsätze steigern. Während sich Marketing-automatisierungs-Tools zunächst vor allem auf Funk-tionalitäten im E-Mail-Marketing fokussiert haben, decken diese mittlerweile viele Funktionalbereiche ab, wie die Erstellung und das Management von Lan-ding-Pages, im Kampagnen-Management, Content-Marketing, der Lead-generierung, der CRM-Integ-ration, im Social-Marketing oder auch analytics. Die IT-anwendungen und Digital-Marketing-Plattformen umfassen im Idealfall eine vielzahl an Funktionsblö-cken (abbildung 15), wie etwa1

· Data & Analytics: Import & Export von Daten aus CRM/CMS/analytics über offene aPI-Schnittstellen, das Exportieren von Rohdaten für eine verarbeitung und analyse in externen Programmen (CRM, bI, usw.),

Reports für Kennzahlen im Digital Marketing oder auch die anbindung an alle gängigen Media-Plattfor-men (wie DoubleClick, Adnexus, Google Adwords);

· Segmentierung: Einfaches Erstellen von zielgruppen auf basis aller bestandsdaten als operative grund-lage für das Digitalmarketing, Custom audiences auf basis verschiedenster Datenpunkte inkl. granu-larstem Websiteverhalten und anonymer besucher, Look-a-Like audiences wie etwa „statistische zwillin-ge“ für die schnelle optimierung der Werbeperfor-mance oder auch 3rd Party-audiences als Nutzung von audiences externer Werbeplattformen;

· Programmatic Marketing: zielgruppengenaue ansprache von bestandskunden in Echtzeit durch Kundendaten aus CRM, kombiniert mit behavioral Targeting und Facebook Audience via Daten aus dem online-Nutzungsverhalten und schließlich die optimierung der Mediakäufe durch Kennziffern und Consumer Insights;

· Multi-Channel-Kampagnen: u.a. über Display-Werbung & Google Adwords, Mobile advertising, video advertising, app Marketing etwa über Push-Notification, In-app Messaging oder auch Soci-al Media operation wie Listen/Engage/analyse/PlanPaid Social Media durch Custom audiences für Facebook und Twitter, Dynamic Website Content durch die anbindung zu Dynamic Creative oder auch Systemen für Programmatic advertising.

abbildung 15: MarketingTech-Struktur/-Komponenten (Quelle: MarketingTechMonitor 2019)

1 Strauß, R.; Clessienne, K.: MarketingTechMonitor 2019, Hamburg 2019.

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Ein großer Unterschied zwischen einer Customer Data Platform (CDP) und einer Data Management Platform (DMP) ist der zweck: CDPs wurden ur-sprünglich als verwaltungssystem für Kundendaten entwickelt. DMPs hingegen wurden entwickelt, um Daten aus mehreren unterschiedlichen Quellen zu sammeln, um diese anschließend in ad-Netzwer-ken nutzen zu können.1 Einer der Hauptunterschie-de zwischen CDPs und DMPs ist damit die art der Datenerhebung und welcher Datentyp gesammelt wird. CDPs arbeiten mit First Party Data, die direkt vom Nutzer erhoben werden, nutzen verschiedens-te Identifier und können neben anonymen IDs auch persönliche Identifier wie E-Mail- oder Post-adres-sen zur Datensynchronisation heranziehen. DMPs arbeiten Cookie-basiert hauptsächlich mit Third Par-ty Data, also Daten, die über viele unterschiedliche Kanäle gesammelt werden und anschließend von dritten Parteien gekauft werden können. In neuerer zeit werden Data Lakes als Methode zur Speiche-rung von Daten eingesetzt, die Daten aus den unter-schiedlichsten Quellen in ihrem Rohformat aufneh-men. Diese können sowohl unstrukturierte, als auch strukturierte Daten enthalten und lassen sich bspw. für big-Data-analysen einsetzen. Durch die art, wie die Daten gespeichert werden, ist die Speicherung der Daten (im vergleich zu einem Data Warehouse), kostengünstiger.

Fragestellungen für den Deutschen Marketing Tag 2020, u.a.

· Was ist der Status Quo der MarketingTech-Land-schaft?

· Wie sollte ein sequentielles vorgehen aussehen, um schrittweise eine MarketingTech-Landschaft aufzubauen?

· gibt es Erfahrungen und best Practices für den auf-bau eines MarketingTech-Stack?

breakout 11: Marketingorganisation 3.0 – auf dem weg zum agilen organistionsmodellModerne organisationen wurden im zusammen-hang mit Kriegsführung und Industrialisierung entwi-ckelt und verfeinert. Ihre aufgaben: den Einfluss des Menschen mit all seiner Sprunghaftigkeit, Emotiona-lität, Subjektivität und Unzuverlässigkeit zu mindern

und der organisation Stabilität, Rationalität, verant-wortlichkeiten und Effizienz zu geben. Kopf (Denken, Planen, Entscheiden) und Hand (arbeit, Umsetzung, ausführung) wurden voneinander getrennt. Diese organisationsstrukturen stammen aus einer zeit sta-biler Märkte. Sie basieren auf der annahme, dass sich die verhältnisse grundlegend regeln lassen und man menschliches verhalten steuern kann und optimieren muss. Es ist jedoch fraglich, inwieweit dies für eine hochdynamische, komplexe, vernetzte, individuelle Welt noch zutrifft. Daraus ergeben sich zwei funda-mental unterschiedliche Denkmodelle für zukünftige organisationsstrukturen. auf der einen Seite steht ein immer komplexeres System an vorschriften und Über-wachungen, um die „Maschine am Laufen“ zu halten. Mittels großer Umstrukturierungen sollen organisa-tionen schrittweise an veränderte Umfeldbedingun-gen angepasst werden. auf der anderen Seite stehen vor- und postindustrielle organisationsformen, die auf Eigenverantwortlichkeit und Eigenmotivation der Mit-arbeiter setzen. Sie verstehen sich als agile gebilde, die sich schnell anpassen können und keine großen, kostspieligen Restrukturierungen benötigen.2

Marketingabteilungen repräsentieren funktionale Aufteilungen. Dahinter steht die Idee, durch eine fachliche bündelung von Experten Spezialwissen aufzubauen. Der Preis funktionaler Fachabteilungen ist die Silobildung. Marketingabteilungen haben ei-gene zielvorgaben und budgetverantwortlichkeiten, entwickeln ihre eigene Sicht auf das Unternehmen und entkoppeln sich von anderen abteilungen. Je-doch geht es eher um die Weiterentwicklung von geschäftsmodellen, die möglichst schnelle Reali-sierung neuer geschäftsmöglichkeiten oder die op-timale gestaltung von Kundenerlebnissen über alle Kanäle und Touchpoints hinweg, erweist sich dies als eher hinderlich. Cross-funktionale Herausforderun-gen und Fragen lassen sich im Marketingsilo kaum beantworten und brauchen andere zuschnitte. So halten Unternehmen es für (sehr) wahrscheinlich, dass die Marketingabteilung im Jahr 2020 noch näher an den vertrieb rückt. Marketing operiert dann auf einer konkret beobachtbaren und messbaren Ebene des Mikroverhaltens und nicht auf abstrakt-emotionalen (makroskopischen) Markenebenen.

als Reaktion auf die digitale Kanalexplosion der letz-ten Jahre haben sich viele Marketingabteilungen nach Kanälen aufgestellt. Es gibt verantwortliche

1 Cristal, g.: ad Serving Technology, London 2014. 2 bathen, D.; Jelden, J.: Marketingorganisation der zukunft, DMv-Studie 2014.

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für online, Social, Mobile oder brand Kommunika-tion. alle haben eigene budgets und individuelle zielvorgaben zu erfüllen. Diese verantwortlichen können Fachexpertise entwickeln, sind nah an den Entwicklungen in ihren jeweiligen bereichen und ha-ben begrenzte Entscheidungsbefugnisse. Der Trade-off: Die zusammenarbeit und der zusammenhalt im Marketing und die Koordination der jeweiligen Maß-nahmen werden schwierig. Und es wird schwerer, ge-staltungsideen zu realisieren, die über den eigenen verantwortungsbereich hinausgehen oder sogar die Mitarbeit anderer abteilungen benötigen (z.b. im Sinne einer Customer Experience). Was zu beginn gedacht war, um neue Kompetenzen und Expertise aufzubauen, wird so mit der zeit zum Korsett und er-zeugt Stillstand. Marketingabteilungen zersplittern zu immer kleineren Silos. Fast jeder dritte Marketing-verantwortliche hält es für (sehr) wahrscheinlich, dass das Silodenken bis 2020 weiter zunehmen wird.

So wie andere abteilungen Marketing-Know-how aufbauen, baut auch das Marketing Parallelstruktu-ren auf. Das IT-beratungsunternehmen gartner pro-gnostiziert, dass CMos spätestens 2020 im Rahmen des auf- und ausbaus von MarketingTech über ein größeres Technologiebudget verfügen als die IT-Lei-ter. Im Unternehmen werden damit doppelte Struk-turen aufgebaut, damit einzelne abteilungen unab-hängiger entscheiden und schneller agieren können. Dass Unternehmen aber auch nach ganz anderen zuschnitten suchen, zeigt die aktuelle Entwicklung der Chief Digital Officer. als generalbevollmächtig-te berichten diese direkt an den vorstand und haben große gestaltungsspielräume mit blick auf budget oder Mitarbeiter. Ihre digitalen Themen liegen häufig quer zu bisherigen zuständigkeiten und Funktionen oder sind sogar ganz außerhalb der organisation an-gesiedelt. Diese neuen abteilungen passen nicht in die alten funktionalen Denkraster von vertrieb, Mar-keting, IT oder HR und sorgen regelmäßig eher für (offen oder verdeckt ausgetragenes) Kompetenzge-rangel.

Während klassische Strukturen jeweils auf einen Sta-tus Quo ausgerichtet und optimiert werden, versu-chen neue Organisationsformen, veränderung und anpassungsfähigkeit zum strukturellen Herzstück zu machen und die maximale Innovationskraft zu entfal-ten. Solche Unternehmen sind in der Regel dezentral organisiert, damit diejenigen mit der größten Sach-kompetenz schnell und fachgerecht Entscheidungen treffen können. Sie setzen stark auf intrinsische Mo-

tivation der Mitarbeiter, Selbstorganisation, hohe Ei-genverantwortung, Werteorientierung, kleine Schrit-te und schnelles Handeln. Unternehmen, die auf solche Strukturen setzen, haben entweder visionäre oder stark Werte-getriebene Inhaber oder kommen aus hochspezialisierten und wissensintensiven be-reichen wie Professional Services, Technologie oder auch der gaming-Industrie. Sie operieren in disrup-tiven Märkten mit großen Unsicherheiten, hohen In-vestitionen, kurzen zeiträumen für die gewinnerwirt-schaftung und intensivem Wettbewerb um Talente.

In einer unsicheren, komplexen und dynamischen Welt ändern sich die Realitäten schnell und machen Pläne und Planungen obsolet. Agiles Arbeiten be-deutet, sich auf diese Unsicherheiten und Umfeld-veränderungen einzulassen und anpassungsfähig zu bleiben. Dieses Denken in kleinen Schritten – konti-nuierliches ausprobieren, anpassen und das arbei-ten in kleinen interdisziplinären Teams –, gehört im bereich der Software-Entwicklung heute zum Main-stream. aber „agil“ lässt sich auch größer denken. Unternehmen wie Spotify bauen ihre ganze Unter-nehmensstruktur auf basis agiler Scrum-Teams auf. zudem gibt es mit „Path to agility“, „Large Scale Scrum“ und „Scaled agile Framework“ erste ansät-ze, agile arbeitsweisen auf großprojekte und zent-rale Unternehmensprozesse zu übertragen, ohne die Wendigkeit und Produktivität kleiner Teams an-zutasten. Damit wird auch großflächig an der Steu-erungsfunktion des mittleren Managements gerüt-telt. agile Mitarbeiter sollen schneller, erfolgreicher, sachbe zogener und selbstbestimmter handeln und sich weniger mit Planen, Steuern und Überwachen beschäftigen.

Über die zusammenarbeit mit Partnern und externen Dienstleistern hat man die Möglichkeit, schnell und flexibel auf breitere und tiefere Kompetenzen zurück-zugreifen. Outsourcing ist vor allem dann ein Thema, wenn man sicher ist, dass andere die arbeit schneller und besser erledigen können. als organisation bleibt man schlank und kann die Fixkosten reduzieren. an-gesichts schnell veraltenden Wissens und permanen-ter Medienumbrüche bietet die zusammenarbeit mit spezialisierten Dienstleistern zudem den vorteil, Neu-es ausprobieren zu können, ohne dafür eigene Kapa-zitäten aufbauen zu müssen. gerade wenn die anfor-derungen steigen und vielfältiger werden, lassen sich nicht alle benötigten Kompetenzen integrieren. aber selbst wenn Tätigkeiten ausgelagert werden, so hat man doch den internen aufwand, um diese Experten

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zu steuern und deren Tätigkeiten in die eigene arbeit zu integrieren. Seit ca. 2 Jahren ist der Trend eines In-sourcing zu beobachten, wo bestimmte Spezialkom-petenzen in eigenen abteilungen aufgebaut werden. Das erfordert zwar ein kontinuierliches Wissens-Up-date, allerdings reduziert man auch die abhängigkeit von einzelnen Dienstleistern. Die begründung: viele der Themenfelder wie Data analytics oder Marketing-Tech werden schrittweise zu einer zwingend erforder-lichen Kernkompetenz, die umgehend Inhouse auf-zubauen ist.

Fragestellungen für den Deutschen Marketing Tag 2020, u.a.

· Welche Trends gibt es in der organisation des Marketing?

· Welche Funktionen werden hier jeweils angesie-delt und wie wird die zusammenarbeit mit anderen bereichen organisiert?

· gibt es Erfahrungen und best Practices für den aufbau einer „idealen Marketing-organisation der zukunft?“

breakout 12: award: best of DMVbeim best of DMv stellen die Preisträger der re-gionalen Marketingpreise aus den 5 Regionen in Deutschland ihre jeweiligen Fallbeispiele vor. Das Publikum entscheidet über die Preisvergabe an das Unternehmen mit dem werthaltigsten Fallbeispiel, welches alle Dimensionen des Marketings abdeckt und messbare Ergebnisse gezeigt hat.

roundtable 1: customer experience Management – das problem sitzt vor dem laptop?!beim Customer Experience Design geht es in der einhelligen Meinung weniger darum, das Thema konzeptionell weiter zu durchdringen, als vielmehr effizient umzusetzen. So berichten selbst Unterneh-men (wie etwa versicherungen), die sich bereits seit längerer zeit mit diesem Thema intensiv beschäfti-gen, dass sie sich dennoch selbst als „noch weit ent-fernt vom ziel“ einstufen würden. Die vorstehend skizzierten Herausforderungen bewirken, dass sich die Umsetzung meist über Jahre erstreckt, meistens nur mit kleineren, zwischenzeitlichen Erfolgen.

Fragestellungen für den Roundtable auf dem Deut-schen Marketing Tag 2020, u.a.

· Wie muss man Customer Experience Management umsetzen? Welche bausteine werden benötigt?

· Wo liegen die größten Herausforderungen in ei-nem Total Customer Experience Management? Liegen die größten Herausforderungen eher im bereich Change Management oder eher im bereich Prozesse & Systeme?

· Wie können diese Herausforderungen überwunden werden?

· Welche best Practices gibt es bereits für ein durch-gängiges Customer Experience Management?

roundtable 2: cMo trifft cio – ende des Disconnects?Studien und Projekte zeigen, dass Unternehmen, welche die Digitale Transformation erfolgreich be-wältigen, u.a. dadurch gekennzeichnet sind, dass es ihnen gelingt, funktionale grenzen zu überschreiten und vor allem eine enge Kooperation zwischen IT und Fachbereichen zu initialisieren.

Für die Rolle des CMo stellen sich vielfältige Heraus-forderungen, wie etwa:

· Stärkere Marketing-automatisierung mit übergrei-fendem Reporting;

· Programmatic advertising im online – und zukünf-tig auch im offline-bereich mit direkter Media-Schaltung angesteuert aus Planungssystem;

· Integrierte Prozesse – vom Web-Frontend bis zur Nachverfolgung vorqualifizierter Leads und abver-käufe auf einer offline/online-(Handels-)Ebene;

Was bedeutet, dass er verschiedene Positionierungs-optionen wählen kann und wird (abbildung 16):

Für den CIo bedeutet das auf der anderen Seite, dass er sich dem Wandel weiter öffnen und neu posi-tionieren muss – als architekt des Wandels und nicht mehr als reiner Infrastrukturentwickler. Der Wechsel von klassischen Wasserfallmodellen in der Software-Entwicklung hin zu agilen Scrum-Modellen in cross-funktionalen Teams ist einer der zentralen bausteine eines derartigen Wandels (abbildung 17).

Dies hat vielschichtige auswirkungen auf unter-schiedlichen Ebenen, sei es auf der Ebene der Prozes-

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se, IT-anwendungen, Daten oder der erforderlichen Kompetenzen. auf dieser grundlage sind wiederum verschiedenartigste Modelle der cross-funktionalen zusammenarbeit denkbar, wie etwa (abbildung 18):

Fragestellungen für den Roundtable auf dem Deut-schen Marketing Tag 2020, u.a.

· Wie funktioniert am praktischen beispiel die zu-sammenarbeit zwischen Marketing und IT?

1 SaP ag: Die brücke zwischen CMo und CIo – Rollenverteilung und zusammenarbeit in zeiten des digitalen Wandels, Walldorf 2015.

abbildung 18: Prinzipien der zusammenarbeit von CMo und CIo1

abbildung 16: Wege, dem always-on-Kunden zu begegnen1 abbildung 17: zwischen Infrastrukturentwickler und architekten des Wandels

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· Wo liegen die größten Herausforderungen in einer solchen zusammenarbeit?

· Welche Lessons Learned gibt es bereits auch für an-dere Unternehmen, was eine effiziente zusammen-arbeit zwischen Marketing und IT betrifft?

roundtable 3: Meet generation z … oder: bedürfnisse und wünsche jenseits des hypeSie sind mehr als nur Digital Natives: Es geht um die generation z, die „Jugend von heute“. Selbstbe-wusst, trotzdem unsicher, bestens ausgebildet, aber nicht sehr ambitioniert: Wer sich mit der generation der Millennials (generation Y) befasst, sieht sich mit einer Reihe an Widersprüchlichkeiten konfrontiert. Das macht den Umgang mit ihr nicht gerade leicht. Notwendig ist er trotzdem. Denn die Millennials sind die generation, die aktuell noch den Ton angibt. vie-le Marketingmanager definieren die nunmehr nach-rückende generation z über ihr alter – es sind die nach 1993 geborenen. allerdings ist diese Definition für die auch gerne als „Digital Natives“ bezeichneten Personen viel zu kurz gegriffen. genauso wenig hilft es, die zielgruppe vor allem als „Heavy User von So-cial Media“ zu sehen. Prognosen gehen davon aus, dass die gen z schon im Jahr 2020 rund 40% der wer-berelevanten zielgruppe stellt und weltweit ausga-ben in Höhe von 4 Mrd. US-Dollar verantwortet. Und das in einer neuen art.1

gen-z-Käufer mögen jung sein, aber sie sind alles andere als naiv und in ihrer Erwartung an Marken anspruchsvoll. Sie legen Wert auf authentizität und Qualität. Preis und Convenience sind zwar wichtig, allerdings eher nachgeordnet. Während bei anderen zielgruppen der Preis für die Markenbindung ent-scheidend ist, geht es bei der gen z um „sinnvollen Konsum“. Faktoren wie Nachhaltigkeit und Herstel-lungsprozess haben einen signifikanten Einfluss auf ihr Konsumverhalten. Die gen z ist stets bestens in-formiert. Die zielgruppe ist technisch versiert, besitzt ein gespür für Informationen und weiß genau, wo man diese erhält. Sie kann Qualitätsmerkmale und Preise in Sekundenschnelle überprüfen. Wer also mit ihr ins geschäft kommen will, muss umfassend Infor-mationen und vor allem unterschiedlichste optionen in Kommunikation, Service und Produkt anbieten.2 Faktoren wie Produktqualität, kostenloser versand,

Image und die Möglichkeit, mit der Marke über die unterschiedlichsten Touch-Points in Kontakt treten zu können, können entscheidend sein. Wenn Marken eine unverwechselbare User-Experience bieten und on- und offline das vertrauen der Kunden rechtferti-gen können, ist die generation z bereit, dafür auch den entsprechenden Preis zu bezahlen. ansonsten gewinnt der „best Deal“.

Digitale Markenerlebnisse bieten per se keinen vor-teil, wenn sie nicht individuell auf die Konsumenten zugeschnitten sind. Die Personalisierung muss so ausgereift sein, dass sie dem Kunden einen indivi-duellen zugang zur Marke und ein persönliches Ein-kaufserlebnis bietet. Dazu zählen abgepeicherte ver-sandadressen, personalisierte Empfehlungen oder eine unkomplizierte abwicklung, etwa via one-Click-buying. Der Wunsch nach einem personalisierten Einkaufserlebnis erstreckt sich dabei nicht nur auf di-gitale Kanäle. Für jeden fünften gen-z-Kunden sind auch In-Store-Erlebnisse für die Markentreue und ein übergreifendes Cross-Channel-Erlebnis elementar. Klassische Kanäle erreichen diese zielgruppe kaum: sie fühlt sich auf den verschiedensten Social-Media-Kanälen zu Hause. Sie tritt auf Plattformen wie Ins-tagram und Snapchat mit ihren favorisierten Marken in Kontakt und erwartet von ihnen einzigartige, be-eindruckende begegnungen und angebote. Es gibt eine Reihe von beispielen, wo es Marken gut gelingt und sie den Dialog mit den Konsumenten kontinu-ierlich ausbauen. Meist gelingt dies mit Inhalten, die über bloße Produktdarstellungen hinausgehen. Das können Sponsored Posts oder Lifestyle-videos sein. Wichtiger als das jeweilige Format ist die inhaltliche Relevanz in Form eines unterhaltsamen, authenti-schen Storytelling, kombiniert mit attraktiven ange-boten.

Fragestellungen für den Roundtable auf dem Deut-schen Marketing Tag 2020, u.a.:

· Wie kann man am besten mit der gen z interagieren?

· Welche Erfolgs- und Misserfolgsbeispiele gibt es für die Interaktion mit der gen z?

· Was sind die Eckpunkte für eine erfolgreiche Inter-aktion über alle Dimensionen des Marketings hin-weg?

1 Cheal, J.: generation z: Wer sie wirklich ist. Und wie sie tickt, in: tn3, 13.6.2019, unter: https://t3n.de/news/generation-z-wirklich-ist-1170248/2 Maas. R.: generation z für Personaler und Führungskräfte: Ergebnisse der generation-Thinking-Studie, München, 2019.

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roundtable 4: building high-performance teams – lucky strike oder gezielte Führung?re:Work, eine google-Initiative für Learning & Deve-lopment, hat nach dem geheimnis effektiver Teams gesucht. zwei Jahre wurden 180 Teams und über 200 Personen in ein internes Forschungsprojekt einbe-zogen. Die 2016 veröffentlichten Ergebnisse zeigen deutlich, dass die Qualität der zusammenarbeit von größter bedeutung ist, bedeutsamer als die Frage danach, wer dabei ist.1 Die fünf Erfolgsfaktoren in der Reihenfolge ihrer Wirkung:

· Psychologische Sicherheit (Psychological Safety): zentraler Erfolgsfaktor ist die wahrgenommene psychologische Sicherheit des Einzelnen innerhalb des Teams. Die Teammitglieder fühlen sich sicher, Risiken zu wagen: anderer Meinung zu sein, Feed-back zu geben und Kritik zu äußern. Sie zeigen sich und bringen sich frei ein. Sie handeln dabei in dem glauben, dass ihnen kein Nachteil hieraus entsteht – weder von Führungskräften noch von anderen Teammitgliedern. Erst die psychologische Sicher-heit ermöglicht es, dass Ideen mutig eingebracht, Fragen frei formuliert und Fehler frühzeitig benannt werden – eben eine offene und vertrauensvolle Kommunikation entsteht;

· Zuverlässigkeit (Dependability): Teammitglieder handeln nach gemeinsam geteilten Werten und Prinzipien. Es besteht eine Kultur, die auf auf ver-bindlichkeit und geteiltem Commitment basiert und in der sich alle aufeinander verlassen können. So gelingt es dem Team, ziele ‚in time‘ zu errei-chen. Jeder Einzelne fühlt sich verantwortlich für das ganze.

· Struktur und Erwartungsklarheit (Structure & Clarity): Für jeden ist klar, welche Erwartungen und ziele an die Performance bestehen und wie diese erbracht werden können. Die Teammitglieder über-nehmen die verantwortung für die Umsetzung und Erreichung der ziele. Über oKRs sind die Teamziele und Herausforderungen zu jeder zeit transparent und das Team verfügt über einen agilen Prozess, der alle involviert. Das stärkt Engagement, Perfor-mance und Ergebnisse.

· Bedeutung (Meaning): Jeder Einzelne ist emotio-nal mit den Teamzielen verbunden. Die aufgaben und Herausforderungen des Teams sind für die

Teammitglieder von persönlicher bedeutung und die eigentliche arbeit entspricht den persönlichen Interessen und bedürfnissen. Dies ist der Kern der intrinsischen Motivation.

· Wirksamkeit (Impact): Erfolg ist das was folgt – quasi als „abfallprodukt“. Die Teammitglieder er-kennen, welchen beitrag sie zum großen ganzen leisten. Der übergeordnete Rahmen: zweck, Mis-sion und ziele sind transparent und klar. Der Sinn steht im Fokus und wirkt auf Motivation und Hand-lung gleichermaßen.

Fragestellungen für den Roundtable auf dem Deut-schen Marketing Tag 2020, u.a.

· Wie kann man als Führungskraft das bedürfnis nach „psychologischer Sicherheit“ ernstnehmen und die „Kultur des Miteinanders“ in die Team-Retrospekti-ve explizit mit einbeziehen?

· Was bedeutet eine spannende und zugleich stim-mige zusammensetzung eines Teams?

· Wo sind die grenzen der Selbstorganisation, wenn ein klarer, möglichst weiter, Rahmen gesetzt worden ist und Entscheidungs- und Ergebnisverantwortung auf das Team übertragen worden sind?

· Ein hehres ziel, am Kontext zu arbeiten, nicht an den Menschen. Wie kann das umgesetzt werden?

Masterclass 1: preisbildung bei innovationen – Monetarisierung vs. Verlust?aus Unternehmenssicht führt die Informationstrans-parenz im Internet dazu, dass

· Kunden zunehmend mit Hilfe entsprechender Dienste Produkte lediglich über den Preis verglei-chen;

· vor allem physische Produkte (mit einem geringe-ren anteil an Dienstleistungen) internetbasierten Preisvergleichen unterworfen sind: die verschie-denartigkeit von Dienstleistungen sowie eine nur unter größerem aufwand realisierbare vergleich-barkeit gestattet es Dienstleistern eher, dem wach-senden digitalen Preisvergleichsdruck ausweichen zu können;

1 https://rework.withgoogle.com/guides/understanding-team-effectiveness/steps/introduction/

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· Unternehmen zunehmend weniger Preisdifferen-zierungsstrategien zwischen unterschiedlichen Kundensegmenten bzw. international zwischen ver-schiedenen Ländern durchsetzen können.

Die Nutzung des Internet erlaubt die in der offline-Welt bereits bekannten Preisbildungsmechanismen wie etwa eine mengenbezogene Preisdifferenzierung oder auktionen für eine dynamische Preissetzung mit Echtzeit-Pricing sowie die automatische Weiter-gabe gesetzter Preise an Faktura-Systeme. Für eine flexible Preisgestaltung erweisen sich Produkte mit folgenden Charakteristika als besonders geeignet:1

· einem hohen Fixkostenanteil: die zunehmende Di-gitalisierung von Produkten wie auch von Prozes-sen führt dazu, dass für die Produktion des ersten Exemplars noch hohe Fixkosten anfallen, während für die Produktion weitergehender Exemplare nur noch vergleichsweise geringere (variable) Kosten entstehen, z.b. bei der Herstellung von Software;

· einer hohen verderblichkeit: Der Konsum eines Pro-duktes muss bis zu einem spezifizierten verfallsdatum erfolgen, wie etwa Übertragungsbandbreite, Trans-portkapazitäten in Flugzeugen oder die vermarktung von Werbefläche (etwa bei adScale.de für die Echt-zeit-vermarktung von online-Werbeplätzen);

· konfigurierbaren Eigenschaften: unterschiedliche zahlungsbereitschaften von Konsumenten können durch unterschiedliche Preise für Kombinationen unterschiedlicher Produktattribute (aktualität, Qua-lität, verfügbarkeit) abgeschöpft werden.

Studien zeigen jedoch, dass Konsumenten nicht im-mer rein rationale Kaufentscheidungen treffen. Ariely spricht hier von der „vorhersagbaren Irrationalität“.2 analysen von Forrester Research gehen entspre-chend davon aus, dass Dynamic Realtime Pricing ei-ner der wichtigsten Trends im online Marketing und E-Commerce – und nachfolgend mit zeitverzögerung aber auch ggf. für den stationären Handel – der kom-menden Jahre sein wird.

Wie Preise mittels Targeting auf den Nutzer zuge-schnitten werden können, veranschaulicht Staples. Der büroausstatter wurde dafür gerügt, dass er die Preise im Web-Shop davon abhängig mache, wie

weit in den USa der nächste Markt seiner Konkur-renten Office Max und Office Depot vom aktuellen Wohnort des online-Nutzers entfernt ist. bei einer Distanz von unter 20 Meilen bekamen die Kunden in der Regel rabattierte Preise angeboten. analysten berichten, dass Amazon zur optimierung der Mar-gen bis zu 11 Mal am Tag an den Preisen für einzelne Produkte feilt. In ähnlicher Form können als Folge des Targeting nutzerabhängige Preise in abhängig-keit vom bisherigen Surf-verhalten und hierdurch artikulierten Interessen im Rahmen eines behavioral Pricing gesetzt werden.

Fragestellungen für den Deutschen Marketing Tag 2020, u.a.:

· Welche Erfahrungen gibt es mit Preisstrategien, ins-besondere für Innovationen? gibt es hier bereits so etwas wie best Practices?

· Wie kann man es verhindern, aufgrund der vielzahl an Datenpunkten in einer „Paralyse durch analyse“ zu enden?

· Wieviel aufwand bedeutet die Umsetzung einer fle-xiblen Preisstrategie – abhängig vom Nutzer oder auch Kontextfaktoren?

· Was sind die voraussetzungen hierfür – Prozesse, Systeme, Kompetenzen?

· Ändert sich die Preissetzung für Innovationen durch die zusammenarbeit etwa im Rahmen von open-Innovation-Plattformen?

· gibt es hier Lessons Learned, etwa in der Kommu-nikation mit dem Kunden aufgrund der sich immer wieder ändernden Preispunkte? Was sind die Erfah-rungen in der Reaktion von Kunden?

Masterclass 2: change Management … jenseits von powerpoint-platitüdenDie Mehrheit der europäischen Marketingleiter und -vorstände beklagt die Notwendigkeit zum um-fassenden Change Management als eine der Haupt-herausforderungen für 2020. Die im Rahmen einer organisatorischen Neuausrichtung auftretenden Wider stände haben meist vielschichtige gründe. auf

1 Frohmann, F.: Digitales Pricing. Strategische Preisbildung in der digitalen Wirtschaft mit dem 3-Level-Modell, Wiesbaden 2018.2 ariely, D.: Predictably Irrational, Revised and Expanded Edition: The Hidden Forces That Shape our Decisions, New York 2010.

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der Ebene einzelner Mitarbeiter finden sich Phäno-mene wie2

· (bequeme) eingefahrene gewohnheiten;

· eine selektive Wahrnehmung von Informationen, die nicht in den gewohnten bezugsrahmen passen;

· eine hohe abhängigkeit von den Wertvorstellun-gen, Einstellungen und Überzeugungen der wich-tigsten bezugspersonen;

· Unsicherheit und Regression, etwa angst vor ver-lust des eigenen arbeitsplatzes oder der gefahr der Dequalifizierung;

· eine sozial-psychologische angst vor einem noch unspezifizierten „Neuen“.

vor diesem Hintergrund ist ein derartiger verände-rungsprozess in den meisten organisationen erheb-lichen Schwankungen und Phasen unterworfen: nach einer Phase der ersten Information über anstehende veränderungen und dem darauf folgenden Schock, steigt nach der Phase der verneinung langsam die Einsicht und Erkenntnis, bis schließlich neue Struktu-

ren und Prozesse akzeptiert werden (abbildung 19). Passend zu jeder Phase sollten die veränderungen durch unterschiedliche Instrumente in einem umfas-senden veränderungsmanagement begleitet werden. Studien belegen, dass ein unzureichendes oder feh-lendes Change Management eine der Hauptursachen für das Scheitern von Transformations-Projekten sind.3

besonders starke Widerstände treten meist bei Per-sonen auf, die sich primär auf die eigene Erfahrung berufen, an einen einzigen Weg glauben oder eine ausgeprägt niedrige Risikoneigung aufweisen. Wi-derstände in gruppen treten hingegen verstärkt dann auf, wenn die gruppenmitglieder über ein ho-hes zusammengehörigkeits- und Überlegenheitsge-fühl verfügen.4

auf der Ebene der gesamten Organisation treten Widerstände etwa aufgrund

· der Nicht-Konformität mit bestehenden organisato-rischen Normen und Traditionen;

· von Interdependenzen mit Subsystemen, die kaum überschaubar bzw. eingrenzbar sind;

abbildung 19: „Change Management-zyklus“ zur Umsetzung von veränderungen1

1 Strauß, R.: Digitale Transformation, Stuttgart 2019.2 Doppler, K.; Lauterburg, C.: Change Management, Frankfurt 2000.3 Hofert, S.; Thonet, C.: Der agile Kulturwandel: 33 Lösungen für veränderungen in organisationen, Wiesbaden 2019.3 Cameron, E.; green, M.: Making sense of change management, 3rd edition, London 2012.

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Marketing Agenda 2020 Inhaltskonzept zum 47. Deutschen Marketing Tag

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· von Privilegien, Tabus oder Widerständen gegen externe Ideen (“not invented here“)

auf.

Friendscout24 hat bereits vor einigen Jahren ge-zeigt, dass die digitale arbeitskultur mit flachen Hi-erarchien, lockerer Kleidung und einem hohen grad an individuelle Selbstverwirklichung mit zunehmen-der größe und Wettbewerbsintensität eine Straffung erfahren muss. zuerst als Pionier und Marktführer im Segment online-Datings gestartet, konnte weiteres Wachstum aufgrund zunehmender Wettbewerbsin-tensität nur noch über Marktanteilsgewinne realisiert werden. gleichzeitig hatte die organisation aus Un-ternehmenssicht mit über 100 Mitarbeitern eine grö-ße erreicht, die neue Führungsstrukturen erforderlich machte. Das verlassen einer „Post-Start-up-Roman-tik“ und die Einführung einer neuen Hierarchie und moderne agile arbeitsweisen wurden durch Prozesse im bereich Entscheidung, Umsetzung und Kommuni-kation getragen.

Für die (1.) Entscheidungsprozesse war der aufbau eines mittleren Managements mit klaren Entschei-dungs- und berichtsstrukturen notwendig. aus Un-ternehmenssicht hat die kreative Unruhe nicht nur neue Ideen wachsen lassen, sondern auch Persön-lichkeiten. In bezug auf die Führungskräfte war es es-sentiell, dass diese langsam aufgebaut und geschult wurden. aufgabe des Top-Managements war es, das eigene Führungsteam zu „Evangelisten des Wan-dels“ zu machen.

In bezug auf die (2.) Umsetzungsprozesse stand die geschwindigkeit beim Wandel im brennpunkt. zentrales ziel des Change-Managements war es für Friendscout24, die Produktionsprozesse zu beschleu-nigen und die Effizienz unternehmensübergreifend

zu steigern, um damit zeitnah auf unerwartete Her-ausforderungen reagieren zu können. Im Produkti-onsprozess erweist sich das hierarchische Wasserfall-modell als unflexibel und zu zeitaufwändig, weshalb in den meisten Fällen agile Scrum-Methoden aus der Software-Entwicklung zum Einsatz kommen, mit ei-nem hohen grad an Selbstkoordination in cross-funk-tionalen arbeitsteams. an Stelle größerer Releases und Launches treten kontinuierliche optimierungen am Produkt. Dies fördert einen früheren Cash Flow, als auch eine höhere Umsetzungsgeschwindigkeit im „Continuous Live Delivery“.

Transparenz stand im Mittelpunkt aller (3.) Kommu-nikationsprozesse. ziel war es für Friendscout24, Mitarbeiter zu „Mit-Unternehmern“ zu machen, um deren aktive Unterstützung in allen veränderungen zu gewinnen. Transparente Kommunikation erlaubt es jedem einzelnen Mitarbeiter, seinen beitrag im Unternehmen einschätzen zu können. Ein festes Wer-tefundament bietet orientierung für das Selbstver-ständnis im Handeln und in der Kommunikation und somit das Führungsverständnis auf unterschiedlichen Ebenen und aufgaben. Change Management stellt sich dabei aus Sicht von Friendscout24 als ein perma-nenter Prozess dar.

Fragestellungen für den Deutschen Marketing Tag 2020, u.a.:

· Welche Erfahrungen gibt es mit Change Manage-ment im bereich der Marketingtransformation?

· gibt es hier bereits so etwas wie generalisierbare Lessons Learned?

· Wie schafft man es, Change-Programme aus einer Powerpoint-Ebene in die praktische Umsetzung zu überführen?

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Marketing Agenda 2020 Inhaltskonzept zum 47. Deutschen Marketing Tag

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dankSagUng

allen Kollegen im Kuratorium des Deutschen Marketing verbands, der Jury zum Deutschen Marketing Preis, den Leitern der Competence Circle des Deutschen Marketing verbands, der CMo Community und der digital CMo Community gebührt ein herzliches Dankeschön für die vielzahl an anregungen, Mühen, Engagement und alle dahinter liegende „brain-Power“.

Impressum:

Autor: Dr. Ralf E. StraußPräsident Deutscher Marketing verband/board Member European Marketing [email protected]

Herausgeber/Geschäftsstelle:Deutscher Marketing verband e.v.Sternstraße 58 · 40479 Düsseldorf · Fon + 49 (0) 211.864 [email protected] · www.marketingverband.de

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Marketing Agenda 2020 Inhaltskonzept zum 47. Deutschen Marketing Tag

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Kuratorium des Deutschen Marketing Verbands:

Petra Ahlert Director Marketing, germany and EME-aR EnterpriseCisco

Tim Alexander Chief Marketing officer Private & Commercial bank Deutsche Bank AG PCB Marketing

Jürgen Alker Managing DirectorAccenture Interactive, SinnerSchrader

Peter Beuke ehem. vice President Marketing, Communications & Citizenship IBM Deutschland GmbH

Christiane Boventer ehem. Former Marketing Director DaCHP&G Health

Cathrin Duppel Marketing Direktor Rotkäppchen-Mumm Sektkellereien GmbH

Claus Fesel Leiter Marketing und Kommunikation | bM Datev eG

Erik Friemuth group Chief Marketing officer TUI Travel

Andreas Friesch CEo LR Global Holding GmbH

Jürgen Griebsch Executive vP Corporate Strategic Marketing BSH Hausgeräte

Elke Guhl Director ownership Solutions Electrolux Schweiz

Jens Leveringhaus vorstandsvorsitzen-der P.E.g. eg Fresenius Medical Care Deutschland GmbH

Adriana Nuneva Corporate Digitali-zation PMo CWS-boco Inter-national GmbH – a company of the CWS Group

Jesko Perrey global Knowledge Leader MarketingMcKinsey & Company

Christian Rätsch CEo Saatchi & Saatchi

Godo Röben geschäftslei-ter Marketing, Forschung-Rügenwalder Mühle

Hartmut Scheffler geschäftsführer Kantar TNS Infratest Holding GmbH & Co. KG

Victoria Sutch Chief Transfor-mation officer Schleich GmbH

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Marketing Agenda 2020 Inhaltskonzept zum 47. Deutschen Marketing Tag

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Jury zum Deutschen Marketing Preis:

Dr. Philip BeckmannGeschäftsführer Produkt & DigitalE.ON Energie Deutschland GmbH

Stefanie Brandes Geschäftsführerin Aldiana GmbH

Dr. Mirko CasparGeschäftsführerMister Spex

Jessica ClaarVice President, Marketing Communications Germany & SwitzerlandMastercard SA

Alexander EwigSenior Vice President Marketing & Direct Sales/ E-CommerceAida Cruises

Florian GmeinerSenior Marketing Director Europe CentralLEGO A/S

Thomas GromVice President Global Marketing and Digital BusinessMedela AG

Dr. Kjell GrunerGlobal Vice President Marketing / CMODr. Ing. h.c. F. Porsche AG

Marcus HausBereichsleiter Media Rewe Group, Bereichsleiter Marketing PennyPenny-Markt GmbH/REWE Group

Vera HermesChefradaktion absatzwirtschaftplanet c GmbH

Marcus KarstSenior Vice Pre-sident Corporate MarketingCLAAS

Ulrich KlenkeCMO / MarkenchefDeutsche Telekom

Dr. Adalbert LechnerGeschäftsführer Lindt & Sprüngli Deutschland und Mitglied der Konzern leitungChocoladefabriken Lindt & Sprüngli GmbH

Philip MisslerCountry Manager DACH & NordicsPinterest

Konrad NowakHead of Brand Management and LicensingDeichmann

Dr. Regina PfeifferHead of Marketing Influenza & Travel VaccinesSanofi-Aventis Deutschland GmbH

Andreas PohleChief Marketing and Transformation Officer, Insights DivisionKantar TNS Infratest Holding GmbH & Co. KG

Ursula Schelle-MüllerCMOMotel One Group

Prof. Dr. Marcus SchögelDirektor des Instituts für MarketingUniversität St. Gallen

Arjan SissingHead of Brand MarketingDeutsche Post DHL Group

Anja StolzBereichsleiterin R+V Versicherung/CMOR+V Allgemeine Versicherung AG

Dr. Uwe StuhldreierVorstand Marketing & VertriebHUK24 – Die Online- Versicherung

Victoria SutchChief Transformation OfficerSchleich

Ulrike VollmoellerVice President Strategic Marketing InternationalEdding

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Eine gemeinsame Veranstaltung von: