ETH Library Management von umstrittenen Technologien Doctoral Thesis Author(s): Biedermann, Andreas Publication date: 2007 Permanent link: https://doi.org/10.3929/ethz-a-005426420 Rights / license: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted This page was generated automatically upon download from the ETH Zurich Research Collection . For more information, please consult the Terms of use .
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Umstrittene Technologien sind Lösungsprinzipien, welche bereits Anwendung finden und
die möglicherweise in Zukunft abgelehnt werden. Immer wieder geraten Technologien unter
Druck der Öffentlichkeit und werden verboten. Zweifel an eingesetzten Technologien wer¬
den Unternehmen auch in Zukunft beschäftigen. Die Gründe für die Ablehnung rühren oft
von gesundheitlichen oder ökologischen Bedenken her. Daneben können aber auch Gründe
wie nachhaltiger Einsatz von Ressourcen, Interferenzen mit anderen Technologien oder auch
ungewollte, gesellschaftliehe Veränderungen den Einsat/ einer Technologie verunmögli¬chen.
Oft existieren bereits früh Anzeichen zur Besorgnis. So können beispielsweise wissenschaft¬
liche Erkenntnisse vorliegen, welche aber kontrovers diskutiert werden. Auf der anderen
Seite zeigen viele Beispiele, dass Ablehnung auch durch die sinkende gesellschaftliche Ak¬
zeptanz bereits bekannter Auswirkungen entsteht. Die in diesem Zusammenhang wichtige
Verstärkung im gesellschaftlichen Umfeld geschieht durch staatliche und private Regulato¬ren, die Öffentlichkeit und insbesondere die Medien. Abhängigkeiten innerhalb der Wert¬
schöpfungskette führen ihrerseits zu einer Verstärkung des Druckes zum Phase-Out.
Zweifel kommen oft auf, erst nachdem die Technologie bereits eine kritische Verbreitungerreicht hat. Die intensivere Anwendung von Technologien und immer genauere Analyseme¬thoden jeglicher Art zum Nachweis kleinster Veränderungen werden auch in Zukunft immer
wieder Technologie unter Bcschuss kommen lassen.
Die vorliegende Forschungsarbeit zeigt Zusammenhänge im gesellschaftlichen Umfeld und
der Wertschöpfungskette aus Sicht der Unternehmen im Umgang mit umstrittenen Techno¬
logien auf. Durch 49 untersuchte Unternehmensfälle in Zusammenhang mit umstrittenen
Technologien konnten unterschiedliche Erkenntnisse gewonnen werden:
In den betroffenen Unternehmen durchlaufen umstrittene Technologien unterschiedliche
Phasen: Phasc-In als unbescholtene Technologie, Identifikation als umstrittene Technologie,
Handling, Phase-Out und Clean-Up. Wobei zu Beginn die Technologie gemeinhin als Prob¬
lemlösung verstanden wird, entwickelt sich ihre Wahrnehmung im Laufe der Zeit zuneh¬
mend zu einem Problem, dass es in den Augen der Finnen so rasch wie möglich loszuwer¬
den gilt.
Das Management muss demzufolge sicherstellen, dass drei Hauptaufgaben erfüllt werden:
Identifikation der Technologie als umstritten, den bewussten Umgang mit der umstrittenen
Technologie garantieren und notfalls einen geordneten Phasc-Out bcschliessen und durch¬
führen,
Identifikation: Einige Technologien werden durch das eigene Unternehmen direkt eingesetzt,der Grossteil wird aber durch die Lieferanten implizit in zugekauften Komponenten oder
Rohstoffen geliefert. Zum Aufspüren von umstrittenen Technologien empfiehlt sich der Out¬
side-Fn-Ansatz: Manager sollen ausgehend von Trends im Umfeld die möglichen Auswir¬
kungen auf das eigene Unternehmen abschätzen und nicht primär jede einzelne Technologieüberwachen. Durch dieses Vorgehen soll verhindert werden, dass die vielen Technologienohne Relevanz betrachtet werden. Eine umstrittene Technologie kann in vielen Produkten
und auch Prozessen zur Anwendung kommen.
Zusammenfassung v
Es ist unmöglich, alle potentiellen Nebcncffcktc des Technologieeinsatzes frühzeitig zu ent¬
decken. Mit Überraschungen ist daher zu rechnen, was ein kontinuierliches Monitoring von
Produkten und Prozessen unabdingbar macht. Eine enge Kommunikation mit beispielsweise
Gesetzgebern, Kunden und Wissenschaftlern hilft, aufkommende Probleme frühzeitig zu
identifizieren und zu adressieren.
Handling: Die Unternehmen bewegen sich im Spannungsfeld zwischen dem Druck zum
Phasc-Out einer Technologie und der Verfügbarkeit von Alternativtechnologien. In Abhän¬
gigkeit dieser zwei Dimensionen befinden sie sich in einer von vier Situationen: Dominant
Design, Lock-ln, Zugzwang und Trade-Off. Je nach Situation bieten sich unterschiedliche
zeptanz erhöhen, Marktausstieg oder Technologie-Substitution. Die meisten Unternehmen
machen Technologien erst unter äusserem Druck verfügbar. Nach erfolgtem Phasc-Out einer
Technologie ist sogar das bewusste Erhöhen des Druckes teilweise sinnvoll.
Der Druck zum Phasc-Out entsteht durch das Zusammenspiel von drei Teilmechanismen im
Umfeld: Anstoss zur Besorgnis, Verstärkung im sozialen Umfeld und Ablehnung in der
Wertschöpfungskette. Der daraus resultierende Druck manifestiert sich aus Untemehmcns-
sicht auf vier Arten: Eigene Zweifel, gesellschaftlicher Druck, Nachfragccinbruch und Be-
schaffüngsproblemc. Um die Ablehnung einer Technologie und die Relevanz für das Unter¬
nehmen einordnen zu können lohnt es sich, diese vier Ausprägungen gemeinsam zu betrach¬
ten und zu einem Gesamtbild zu verdichten. Eine einseitige Betrachtung birgt die Gefahr in
sich, relevante Zusammenhänge zu übersehen und die Relevanz des Themas falsch einzu¬
schätzen.
Phase-Out: Zum Phase-Out einer Technologie stehen Substitution und Marktausstieg zur
Verfügung. Wenn möglich verfolgen die Unternehmen die Substitution, wobei aber die
Funktionalität von umstrittenen Technologien nicht rasch substituierbar ist. Der gesamte
Prozess vom Verfügbarmachen von Alternativen bis zum letzten Einsatz der Technologiedauert oft mehrere Jahrzehnte und die sich zeitlich verändernden Rahmenbedingungen sind
ungewiss. Auch wenn die Technologie nicht mehr eingesetzt wird, beschäftigt sie Unter¬
nehmen auch nach dem Phasc-Out noch weiter, da beispielsweise noch Ersatzteilgarantienerfüllt werden müssen oder Schadeusersatz-Forderangen auf die Unternehmen zukommen.
Abstiact vi
Abstract
Controversial technologies are solution principles that arc being used and that might become
subject of rejection m future. Again and again, technologies get under pressure of the publicand are forbidden. In future, as it was in the past, doubts about technologies will affect en¬
terprises. The reasons for rejecting a technology are often of a health or ecology-related na¬
ture. Tn addition, sustainable use of resources, interferences with other technologies, or undc-
sired, social changes may trigger a technological rejection.
Often, early warnings of potential adverse effects exist already at market introduction of a
technology. For example, there might already be scientific results around that point to such
effects. But usually, the findings of these early studies are discussed controversially and a
consensus can not easily be reached. On the other side, many examples show that rejectioncan also be triggered by decreasing acceptance of already well-known adverse effects. The
social amplification of the rejection happens through governmental or private regulators, the
public and especially through the media. Dependencies within the value chain increase the
pressure to phase out. Usually, well-founded doubts occur only after the technology has
reached a critical level of diffusion, because with increasing diffusion of a technology, the
number of application cases and the strength of any effects of a technology arc increasing. Tn
special, the generally intensified use of technologies and increasingly apparent methods for
analysis to detect smallest changes will let many other technologies to get under fire.
This research aims to illustrate from the enterprises' perspective the relevant relationships in
the social environment of a company as well as in the value chain, to help to understand the
relevant mechanisms. By interviewing representatives of 49 companies that are or were af¬
fected of controversial technologies, the relevant insights have been collected.
Controversial technologies go through different characteristic phases: Phase-Tn as an uncon-
troversial technology, Identification of the technology as controversial, Handling, Phase-Out
and Clean-Up. Whereas at the beginning, a technology is usually perceived as a solution to a
problem, a controversial technology develops into a problem itself, of which managementwants to get rid of as quickly as possible. Tn consequence, the management has to ensure that
the three main tasks arc being fulfilled: Identification of a technology as controversial, han¬
dling the controversial technology systematically and - if appropriate -- deciding the phase-out of a technology and ensuring its proper realization.
Identification: A controversial technology can occur in many different products and proc¬
esses. Some of these technologies are used by an enterprise itself, but the big part is suppliedhowever by the suppliers implicitly in purchased components or raw materials. To detect
disputed technologies, an outsidc-in approach is most suitable: Starting with external trends
and worries about a technology, managers are to measure the possible effects on the own
company. It is not recommended to monitor every single technology since due to the hugeamount of technologies that a company is applying. Choosing the outsidc-m approach also
allows for integrating the external perspective on a technology. When a technology is subjectto become controversial, the external view on a technology is typically more relevant than
the company's own view.
It is impossible to reveal all potential negative side effects of a technology. Surprises there¬
fore always have to be expected, what turns a continuous monitoring of products and proc-
Abstract vu
esses indispensable. Close communication with for example legislators, customers and scien¬
tists helps to identify and address arising problems promptly.
Handling: Companies find themselves in the area of conflict between the pressure to phaseout a technology and the simple availability of alternative technologies. In dependence of
these two dimensions, four different strategic situations can be distinguished; Dominant De¬
sign, Lock-Tn, Zugzwang, and Trade-Off Depending upon the situation, the management
can dispose of different variants of action: Make available alternatives, make alternatives
unfeasible, increase acceptance, market exit, or technology substitution. By most enterprises,alternatives arc made available under outside pressure only. After the phase-out of a technol¬
ogy, even the intended increase of the pressure might be meaningful.
Pressure to phase out results out of the interaction of three partial mechanisms in the envi¬
ronment: Trigger for concern, social amplification thereof, and rejection in the value chain.
From a company's perspective, the resulting pressure manifests in four different kinds: Own
doubts, social pressure, drop in demand, and procurement difficulties. In order to assess the
pressure, a combined assessment of these four kinds is worthwhile. A one-sided observation
holds the danger of a fragmentary analysis of the situation. The relevance of the topic mightbe assessed wrongly.
Phase Out; To phase out a technology, management can dispose of two alternatives: Substi¬
tution and market exit. If possible the enterprises choose the substitution to avoid losses in
revenue. Typically, the functionality of disputed technologies can not be replaced rapidly.The entire process from starting to malcc available the alternatives to the last employment of
a technology lakes several decades and the behavior of the constraints during this period is
highly uncertain. Even if the technology is not actively used any longer, companies have to
deal with the topic for years: Warranty of spare parts, possible claims for compensation, and
others must be dealt with.
Vorwort il
Vorwort
Die vorliegende Dissertationsschrift ist das Resultat einer mehrjährigen Forschungsarbeit amLehrstuhl für Technologie- und Innovationsmanagement, des Departements Management,Technologie und Ökonomie der ETH Zürich. Die Beleuchtung des gewählten Forschungs¬gebietes - dem Management von umstrittenen Technologien - war für mich eine grosse
Freude und eine spannende Herausforderung, da dieses einen Bereich des Technologiema¬nagements abdeckt, welcher in der Literatur oft nur am Rande behandelt wird.
Ein ganz besonderer Dank geht an meinen Doktorvater, Prof. Dr. Roman Boutellier, für sei¬
ne fachliche Unterstützung und das Vertrauen, welches er mir bei der Forschungsarbeit ent¬
gegengebracht hat. Ein herzliches Dankeschön auch an Prof. Dr. Volker Hoffmann, den Kor¬
referenten dieser Arbeit.
Einer ganzen Reihe an Personen aus Forschung und Industrie möchte ich meinen Dank aus¬
sprechen, da ohne ihre Unterstützung die Erstellung dieser Arbeit nicht möglich gewesen
wäre. Insbesondere den Mitarbeitern des Lehrstuhles für Technologie- und Innovationsma¬
nagement möchte ich für die tägliche Zusammenarbeit und die bereichernden Diskussionen
danken, welche ich geschätzt habe. Meinen Dank richte ich auch an verschiedene Studieren¬
de und Junior-Assistenten des Lehrstuhls, welche durch ihren Einsatz wertvolle Beiträge zu
der Arbeit geleistet haben.
Die vorliegenden Forschungsergebnisse wurden erst durch die Zusammenarbeit mit Vertre¬
tern von Unternehmen ermöglicht. Die Bereitschaft dieser Personen, Auskunft über ihre Ar¬
beit und ihr Unternehmen zu geben ist für unsere Forschung die wichtigste Grundlage, wes¬
halb ich hiermit der grossen Zahl Personen aus der Industrie meinen Dank aussprechenmöchte. Ich hoffe, dass auch andere Management-Forscher das Glück haben, mit solch offe¬
nen und angenehmen Gesprächspartnern zusammenzuarbeiten, wie ich es hatte.
Mein grösster Dank geht an Priska Jäggi, für die wertvolle und wohlwollende Unterstützung,welche sie mir bei der Realisierung dieser Arbeit entgegengebracht hat.
Andreas Biedermann
Zürich, im April 2007
Inhaltsverzeichnis in
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ii
Inhaltsverzeichnis Mi
Zusammenfassung iv
Abstract vi
1 Einführung 1
11 Problemstellung .2
1.2 Ansätze der Theorie.
6
2 Forschungsmethodik 9
2.1 Begriff der umstrittenen Technologie 9
2 2 Forschungsfrage 9
2 3 Fallstudie und Fallstudienforschung .10
24 Bezugsrahmen .11
2.5 Auswahl der Fälle 12
2 6 Datenerhebung 15
2.7 Analyse der Fallstudien mittels Kodierung 17
3 Umstrittene Technologien - Eine Lösung wird zum Problem 19
3.1 Phase-In 19
3 2 Identifikation 21
3.3 Handling 22
3 4 Phase-Out und Clean-Up 24
4 Publikationen 26
4 1 Qualitätsgerechte Produktplanung 28
4.2 Identification of issues with controversial technologies 30
4 3 Wie Technologien unter Beschuss geraten 32
4 4 Die Abhängigkeit von umstrittenen Technologien verringern 34
4 5 Qualitätsmanagement bei umstrittenen Technologien 36
4.6 Umgang der Unternehmen mit umstrittenen Technologien 38
4 7 Management umstrittener Technologien 40
4.8 Systementwickler und Modullieferanten 42
4 9 Disruptions in global industries (I) ,44
4 10 Disruptions in global industries (II).. 46
5 Literaturverzeichnis 48
6 Kopien der Publikationen I
6 1 Qualitätsgerechte Produktplanung II
6.2 Identification of issues with controversial technologies Ill
6 3 Wie Technologien unter Beschuss geraten IV
6.4 Die Abhängigkeit von umstrittenen Technologien verringern V
6 5 Qualitätsmanagement bei umstrittenen Technologien VI
6 6 Umgang der Unternehmen mit umstrittenen Technologien VII
6.7 Management umstrittener Technologien VIII
6.8 Systementwickler und Modullieferanten IX
6.9 Disruptions in global industries (I) X
6 10 Disruptions in global industries (II) „XI
7 Geführte Interviews XII
8 Leitfaden zur Gesprachsführung XVIII
Lebenslauf XX
1 Einführung 1
1 Einführung
Das Wissen um die gezielte Anwendung von Wirkprinzipien lässt Unternehmen neue Pro¬
dukte entwickeln und am Markt einzuführen. Die Lebensqualität wird gesteigert oder
Krankheiten können besiegt werden. Entwicklung und die erfolgreiche Anwendung von
neuen Technologien entscheiden über das weitere Bestehen unserer Wirtschaft im internati¬
onalen Wettbewerb. Daneben basieren aber Produkte nebst einigen neuen Technologien auf
einer viel grösseren Zahl an alten, bereits seit längerer Zeit angewendeten Technologien.
Der Technologie-Einsatz hat aber unbestritten auch seine Schattenseiten, in dem gewisseTechnologien unerwünschte Nebenwirkungen zeigen, so dass Zweifel aufkommen. Wäh¬
renddem in der Vergangenheit technologische Unfallrisiken wie Seveso (1976), Tschernobyl(1986) oder Toulouse (2001) seltener geworden sind geraten vermehrt Technologien unter
Beschuss, welche ihre negativen Nebcncffcktc schleichend entfalten. Die daraus resultieren¬
de Veränderung in der technologischen Risikolandschaft ist eine Herausforderung für Unter¬
nehmen und Gesellschaft (Tabelle 1).
Technologie Negative Nebeneffekte Konsequenzenfür die Unternehmen
Insektizid DDT Unfruchtbarkeit Verbote ab 1972; WHO empfiehlt ab
2006 erneut Einsatz von DDT zur Be¬
kämpfung von Malaria (WHO 2006)
Asbest Schleichender Tod stark
exponierter Menschen
Erste Verbote ab 1970er Jahre, EU-
weites Verbot ab 2005, wenige Aus¬
nahmen. (SUVA 2005)
Fluorchlorkohlenwasserstoff
(FCKWs)Schädigung der Ozonschicht Verwendung stark eingeschränkt, Ver¬
bote ab 1989 (Powell 2002)
Bleihaltige Lote in der
Elektronik
Freisetzung von Blei aus
MülldeponienWeitgehendes EU-Verbot ab 2006.
(Klee 2005)
Quecksilber-Zelle zur
ChlorherstellungQuecksilber-Kontaminationvon Umwelt und Chlor
Röntgenstrahlung Gesundheitliche Auswirkun- Einsatz stark eingeschränkt. (Lambert
gen 2001)
Tabelle 1: Beispiele von umstrittenen Technologien (Boutellier und Biedermann 200X-a)
Die vorliegende Forschungsarbeit hat zum Ziel, die Situation der Unternehmen zu beleuch¬
ten, welche sich mit Zweifeln an einer von ihnen eingesetzten Technologie konfrontiert se¬
hen. Der Phasc-Out der bis vor wenigen Jahren weit verbreiteten bleihaltigen Lote in der
Elektronikindustrie zum Beispiel hat bei den betroffenen Unternehmen teilweise massive
Massnahmen erfordert und die technologische Unsicherheit erhöht.
Kinfùhrung
1.1 Problemstellung
Technologien breiten sich oft unbemerkt aus und werden in vielen Produkten und Prozessen
eingesetzt. Daher sind auch viele Unternehmen von einer allfälligcn Ablehnung einer Tech¬
nologie betroffen, wenn auch die meisten nur indirekt: Viele Unternehmen setzen in ihren
Prozessen und auch Produkten drahtlose Kommunikationstechnologien ein. Obwohl deren
Anwendung in einigen Bereichen offensichtlich ist, liegt der Grossteil des Einsatzes von
drahtloser Kommunikation nicht auf der Hand und läuft Gefahr, unterschätzt zu werden.
Die Nebenwirkungen von Technologien können unterschiedlicher Natur sein. In den Medien
sind ökologische und gesundheitliche Auswirkungen die am meisten diskutierten Nebenef¬
fekte. Daneben können Technologien aber auch Sicherheitslücken schaffen1, andere Techno-
logien gefährden oder auch zu sozialen Problemen führen'. Tabelle 2 zeigt vier Beispiele.Aus Managementsicht ist die Art der Nebenwirkungen aber von geringer Bedeutung. Es
steht vielmehr allein die durch diese Nebeneffekte hervorgerufene Ablehnung der Technolo¬
gie im Vordergrund.
Technologie Negative Effekte
Videofone Verbreitung von Gewaltvideos
Computer- Schleichende Schädigung des NervensystemsTastaturen durch Tippen
Toner in Laser- Toxische Substanzen,druckern Nanopartikel in der Raumluft
Bayrische Regierung erlässt Handy¬verbot an Schulen
Diskussion in der Fachwelt4
Auswirkungen unsicher
Diskussion in der Presse
Aufbau von Interessenverbänden
Bestrebungen für einen EU-weiten
Grenzwert
Tabelle 2: Technologien mit dem Potential umstritten zu werden (Bauteilier und Biedermann 200X-a)
Es existiert eine Reihe an Anzeichen, welche darauf hindeuten, dass Unternehmen sich in
Zukunft vermehrt mit diesem Thema befassen müssen. Diese Indikatoren lassen sich in vier
Kategorien zusammenfassen (Bild 3).
Viele heutige Wireless-Access-Points unterstützen das lückenhafte Sicherheitsprotokoll „Wired
Equivalence Privacy". Da dieses Protokoll aber in der Hardware implementiert ist, könnte diese
Lücke nur durch Auswechseln der Access Points geschlossen werden (Housley und Arbaugh2003).
In viele elektrisch betriebene Anlagen muss heute ein Filter eingebaut werden. Die Anlagenkönnten ansonsten das Stromnetz durch Impulse stören. Geräte, welche am Stromnetz ange¬
schlossen sind oder auch Steuerungsgeräte für das Stromnetz selber könnten beschädigt werden.
Das Mobiltelefonieren an bayrischen Schulen ist ab Herbst 2006 verboten. Der Landtag will so
die Verbreitung von Gewaltvideos verhindern (Burtscheidt 2006).
Siehe beispielsweise (Mazzotti und Castro 2004)
Siehe beispielsweise www.krank-durch-toner.de [Zugriffsdatum 26. Oktober 2006].
1 Kinfùhning 3
111 Globalisierung und Ausnützen der Skaleneffekte
11-2 Verbesserte Messmethoden und gezielte Analysen
11-3 Unbewusster Einsatz von Basistechnologien und Technologisierung :•
1 1.4 Steigender Technologieeinsatz
Bild 3: Vier Trends
1.1.1 Globalisierung und Ausnützen der Skaleneffekte
Im Jahre 2003 hat die OECD (2003) technologische Risiken als eine der grössten Herausfor¬
derungen der Menschheit in den kommenden Jahrzehnten identifiziert. Heutige Systeme sind
enger verkoppelt und komplexer, was deren Beherrschung massiv erschwert oder sogar ver-
unmöglicht (Perrow 1992, 26-28). Die heutigen Wertschöpfungsnetzwerke sind solche Sys¬teme: Sie sind durch die Globalisierung enger miteinander verknüpft und stärker voneinan¬
der abhängig als je zuvor.
Daneben treibt der Imperativ der Skaleneffcktc Unternehmen dazu, sich auf einige wenigeKerntechnologien zu konzentrieren um ihre Entwicklungskosten auf mehr Anwendungenabzuwälzen. Ein immer grösserer Anteil der Technologien muss von externen Partnerfinnen
zugekauft werden, weshalb das technologische Wissen im eigenen Unternehmen abnimmt.
Diese Spezialisierung erzeugt „technologische Monokulturen" in denen ganze Wertschöp¬fungsnetzwerke unbewusst von einigen kritischen Technologien abhängen. Aus der Agrar-und Forstwissenschaft wissen wir aber, dass Monokulturen besonders anfällig gegenüberSchädlingen sind, da sich diese zum einen rasch verbreiten können und zum anderen auf¬
grund der Abhängigkeiten von bestimmten Nutzpflanzen ein grosser Schaden entsteht
(Gadgil und Bain 1999). Auf technologische Monokulturen übertragen bedeutet dies, dass
Zweifel an einer dominanten Technologie sich rasch auch auf ähnliche Technologien aus¬
breiten können und Unternehmen in eine Krise zu stürzen vermögen, da sie von dieser Tech¬
nologie abhängig sind.
Globale Auswirkungen des Technologieeinsatzes wurden bereits 500 Jahre vor Christus ver¬
ursacht: Die erhöhte Kupferproduktion während den Hochkulturen lässt sich anhand der
Kupfer-Ablagerungen im grönländischen Eis verfolgen (Bild 4).
Bild 5: Technologieeinsatz zeigt Auswirkungen: Oben: Prognostizierte Todesfälle als Folge des Asbesteinsat-
zes: Verzögerung von 40 Jahren (Gee und Greenberg 2001, 52). Unten: Rückgang des Bleigehaltes im mensch¬
lichen Blut seit bleifreiem Benzin (Sexton et al. 2004, 44) illustriert den Zusammenhang zwischen verbleitem
Benzin und Bleigehalt im Blut.
1.1.2 Verbesserte Messmethoden und gezielte Analysen erhöhen Bewusstsein
Erst neue wissenschaftliche Messmethoden machten die oben geschilderten Zusammenhängesichtbar. Analysemethoden zum Nachweis von Veränderungen in Organismen werden stän¬
dig verbessert (siehe beispielsweise Laukenmann 2001) und die Kosten für Analysen sinken,was die Methoden breiter verfügbar macht. Daneben haben verbesserte Möglichkeiten zur
Datenaufzeichnung und zur automatisierten Versuchsführung die Anzahl Analysen erhöht.
Die Verbesserung der analytischen Fähigkeiten ist ein langsamer und unscheinbarer Prozess.
Er hat aber dazu geführt, dass heute Effekte nachgewiesen werden können, welche vor eini¬
gen Jahren noch nicht detektierbar waren. Graduelle Prozesse erhalten so vermehrt Auf¬
merksamkeit und werden so „real und katastrophal" wie plötzliche Ereignisse (Tenner 1997,
42). Langfristige Aufzeichnungen machen Veränderungen erst sichtbar.
Einführung 6
Weingart (1998) beschreibt, dass Wissenschaftler aufgrund des erhöhten Druckes zur Be¬
schaffung von Forschungsgeldern sich vermehrt den Gesetzen der Medien unterwerfen. Sie
wählen ihre Forschungsschwerpunkte unter publizistischen Gesichtspunkten, da in der Öf¬
fentlichkeit präsente Themen eine erhöhte Aussicht auf Forschungsgelder versprechen. Ein¬
zelne, exponierte Technologien laufen somit verstärkt Gefahr, unter Beschuss zu geraten. Je
mehr Analysen durchgeführt werden und je sensibler diese Tests sind, desto mehr potentielleNebeneffekte werden aufgedeckt. Daneben besteht auch die Gefahr, dass Wissenschaftler
mit provisorischen Forschungsrcsultaten an die Öffentlichkeit gelangen um wissenschaftli¬
che Qualitätsprüfungsprozesse zu umgehen. Voreilige Schlüsse werden wahrscheinlicher.
1.1.3 Unbewusster Einsatz von Basistechnologien und Technologisierung
Zu Beginn der Elektrifizierung verfugte jedes grössere Unternehmen über eine Funktion
welche heute wohl als „Vice-President for Electricity" bezeichnet würde. Die elektrische
Grundvcrsorgung war keineswegs gesichert und auch die Standardisierung der elektrischen
Energie war noch nicht erreicht (Economist 2004, 6-7). Heute wird Elektrizität von den
meisten Verbrauchern als Black-Box-Technologie eingesetzt über deren Entstehung nur
noch wenige Verbraucher im Detail informiert sind. Die Komplexität der Stromnetze läuft
Gefahr unterschätzt zu werden und die Elektrizität wird als selbstverständlich wahrgenom¬men.
Andere Technologien teilen ein ähnliches Schicksal: Die vielen Technologien, welche in
einem elektronischen Produkt enthalten sind oder auch die vielen Prozessschritte zur Her¬
stellung eines unseren Ansprüchen genügenden Nahrungsmittels sind nur noch wenigen Ex¬
perten bekannt. Die Segmentierung der Wertschöpfungskette hat dazu beigetragen, dass
Technologien so weit weg vom Endverbraucher zum Einsatz kommen, dass der durch sie
geschaffene Nutzen nur noch fragmentiert wahrnehmbar ist. Basistechnologien werden als
„Bestandteil des natürlichen Umfeldes" wahrgenommen und werden zu einer Selbstver¬
ständlichkeit. Standardisierung und Segmentierung führen dazu, dass der wahrgenommeneNutzen solcher Technologien sinkt und die Nebenwirkungen in der öffentlichen Wahrneh¬
mung verhältnismässig wichtiger werden (Kcpplingcr 1989, 153-154).
1.1.4 Steigender Technologieeinsatz
Schädlichkeit ist eine Frage der Menge, wie bereits Paracelsus erkannte. Technologien wel¬
che vermehrt eingesetzt werden verursachen auch eine grössere Anzahl an möglichen Ne¬
beneffekten und laufen daher eher Gefahr, abgelehnt zu werden. So wurde beispielsweisedas bleihaltige Lot in der Elektronikproduktion verboten, da aufgrund des wachsenden Elekt¬
ronikschrottes eine steigende Verschmutzung der Umwelt mit dem Schwermetall befürchtet
werden musste (European Union 2003). Darüber hinaus sind breit eingesetzte Technologienauch stärker unter Beobachtung von Behörden. Auch diese zusätzliche Beobachtung erhöht
die Wahrscheinlichkeit, dass Nebeneffektc vermutet werden.
1.2 Ansätze der Theorie
Diese Forschungsarbeit baut auf einer breiten wissenschaftlichen Vorarbeit verschiedener
Disziplinen auf. Tabelle 6 fasst die wichtigsten zusammen.
Einführung 7
Die Forschung im Umfeld von technologischen Risiken bietet verschiedene Ansätze zum
Verständnis des unternehmerischen Umfeldes mit technologischen Risiken: Naturwissen¬
schaftliche und sozialwissenschaftliche Risikoforschung, sowie Umgang der Regulatorenmit technologischen Risiken. Die Erkenntnis, dass nicht nur rein naturwissenschaftliche Fak¬
toren den Ausschlag zur Akzeptanz und Ablehnung eines technologischen Risikos geben,liegt im Zentrum dieser Betrachtungen. Die naturwissenschaftliche und die sozialwissen¬
schaftliche Risikoforschung befassen sich beide mit den offensichtlichen Grenzen des Risi-
kokonstruktes als Produkt von Eintrittswahrschcinlichkcit und Schadensauwirkungen. Wäh¬
renddem die naturwissenschaftliche Methode häufig an den nicht vorhandenen Daten oder
dem mangelnden Verständnis für die Eintrittsmechanismen scheitert, fokussiert die sozial¬
wissenschaftliche Risikoforschung auf die Wahrnehmung und die Akzeptanz von Risiken.
Die Beurteilung ob Risiken relevant sind oder nicht wird den Individuen oder der Gesell¬
schaft überlassen. Eine Vielzahl an Autoren kommentiert den Umgang der Regulatoren mit
technologischen Risiken. In den letzten Jahrzehnten sind die Regulatoren vermehrt zur An¬
wendung des - nicht unumstrittenen - Vorsichtsprinzips übergegangen, welches das Ergrei¬fen von Gegenmassnahmen erlaubt, auch wenn noch keine wissenschaftlich erhärteten Be¬
weise über einen tatsächlichen Zusammenhang vorliegen.
Drei Disziplinen der Managementforschung geben Hinweise auf das unternehmerische Ver¬
halten in solchen Situationen: Issues- & Stakeholder-Management, Management technologi¬scher Risiken, Technologie- und Produktassessment. Issues- und Stakeholder-Managementsind eng miteinander verknüpft, da Issues erst durch Stakeholder an Relevanz gewinnen.Beide Ansätze heben die Wichtigkeit des unternehmerischen Umfeldes hervor. Hervorgeru¬fen von den grosschemischen Katastrophen und der Diskussion um Nebeneffekte von che¬
mischen Substanzen in den vergangenen Jahrzehnten hat sich eine grosse Literatursammlungzum Management technologischer Risiken entwickelt. Dem Vorbeugen von Risiken und der
Risikokommunikation wird ein grosser Stellenwert beigemessen. Technologie- und Produk¬
tassessment für Unternehmen wird von verschiedenen Autoren als wichtig hervorgehoben.Das Fehlen von klaren methodischen Vorgehensweisen erschwert die Umsetzung in der Pra¬
xis.
1 Einführung 8
Disziplin Referenzen
Verständnis des Umfeldes
Naturwissenschaftliche Risikoforschung. Das Produkt aus Risi¬
ko und Eintretenswahrscheinlichkeit ist das am weitesten ver¬
breitete Risikokonstrukt. Für die Berechnung solcher Risiken
fehlen aber häufig die statistischen Angaben. Dieser Ansatz
(1999); Winter et al. (1999); Latour (2000);Gee et al. (2001); Swanson und Mason
(2002); Wiener (2003); Aemi (2004);Heckman (2005); Menezes und Antuntes
(2005)
Handlungsempfehlungen für das Management
Issues- & Stakeholder Management. Management von Themen
aus dem Umfeld, welche Einfluss auf das Unternehmen haben
könnten. Der Einbezug von Stakeholdern erhöht die Wahr¬
scheinlichkeit, aufkommende Issues zu identifizieren und er¬
folgreich zu beeinflussen.
Management technologischer Risiken. Risiken gehören zum
unternehmerischen Alltag. Den technologischen Risiken kommt
aber eine besondere Bedeutung zu, da es sich hierbei nicht pri¬mär um Risiken des Unternehmenserfolgs handelt sondern um
Risiken, welche Dritte betreffen.
Technologie- und Produkt-Assessment von Unternehmen. Tech¬
nologien müssen zwar bei Markteinführung intensiv getestet
werden, dies schützt aber nicht vor nachträglich entdeckten
Nebeneffekten. Daher müssen Unternehmen kontinuierlich ihre
Produkte am Markt beobachten.
Ansoff (1975); Freeman (1984); Achleimer
(1985); Liebl (1991); Porter et al. (1991);
Dyllick-Brenzinger (1992); Mahon und
Waddock (1992); Heath (1997); Bridgesund Nelson (2000); Liebl (2000); Müller-
Stewens und Lechner (2001); Röttger
(2001); Bridges (2004)
Hribal (1999); Wiedemann (2000); Hribal
(2001 ); Ries und Wiedemann (2003);
Minx und Meyer (1999); Eversheim et al.
(2003); DTN (2005); Grienitz (2005); Holli-
ger-Hagmann (2003)
Tabelle 6: Wichtige Forschungsdisziplinen zum Verständnis von umstrittenen Technologien
Jede dieser Disziplinen beleuchtet einen Teilaspekt von umstrittenen Technologien aus Un-
ternehmenssicht. Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel, diese verschiedenen Aspekte zu ver¬
einen.
2 Forschungsmethodik 9
2 Forschungsmethodik
Ausgehend von der Problemstellung lässt sich der Lösungsansatz herausarbeiten. Die jewei¬ligen Situationen der Unternehmen sind sehr spezifisch und es erscheint daher sinnvoll, Gcs-
taltungsempfehlungcn abzugeben, welche jeweils auf die entsprechende Situation angepasstwerden müssen. Ein mechanisch anzuwendendes Vorgehensmodell wäre nicht realistisch.
2.1 Begriff der umstrittenen Technologie
Wir bedienen uns des von Grunwald (1999) beschriebenen Tcchnikbildcs:
„Unter Technik werden sowohl die Beherrschung von Handlungsschemata [...]als auch relikthafte Resultate poietischer Handlungen, also Artefakte oder techni¬
sche Sachsysteme [...] verstanden. [Dieses Handeln hinter!ässt] „beständige"Resultate, d.h. Resultate, die in der einmal hergestellten Form auch ausserhalb
des betreffenden poietischen Handlungskontextes Bestand haben und die eben
darum der Zweckumwidmung oder -entfremdung offen stehen und ein Über-
schiessen der Mittel [...] ermöglichen."
(Grunwald 1999, 185-186)
Solche Resultate können durchaus auch in Form von negativen Effekten bestehen. Weiter
erwähnt Grunwald, dass speziell
„z.B. auch gezüchtete Tiere und gestaltete Gärten technische Artefakte [sind].
Technikphilosophisch besteht zunächst kein Unterschied zwischen einem Maschi¬
nenbauingenieur und einem Hundezüchter oder einem Gärtner: alle dreifertigenzweckorientiert im Hinblick auf den antizipierten VerwendungszusammenhangArtefakte an.
"
(Grunwald 1999, 186)
Tn Anlehnung an diese Ausfuhrungen definiert sich der Begriff der Technologie für die For¬
schungsarbeit als ein Lösungsprinzip, für dessen Beherrschung ein Unternehmen Aufwand zu
tätigen hat. Dieser Aufwand kann in Form von eigener Entwicklung geleistet werden oder
auch durch den Zukauf von Technologien oder Komponenten erbracht werden. Wir fokus-
sieren auf Lösungsprinzipien, welche aufgrund von unerwünschten Nebeneffekten unter Bc-
schuss geraten. Solche Lösungsprinzipien sind umstrittene Technologien.
2.2 Forschungsfrage
Aus der oben beschriebenen Problemsituation und des Technologiebegriffs leitet sich die
zentrale Fragestellung ab:
- Wie sollen Unternehmen beherrschte und am Markt eingeführte Technologien managen,
deren zukünftige Akzeptanz ungewiss ist?
Die Forschungsfrage gliedert sich in Unterfragen, die sich einerseits auf das Verständnis
solcher Situationen konzentrieren und andrerseits auf die Vorgehensweisen von Unterneh¬
men:
- Wie können solche Situationen beschrieben und kategorisiert werden?- Welches sind strategische Optionen in solchen Situationen?
- Wie können strategische Optionen angemessen ausgewählt werden?
2 ForschungsmeLhodi k 10
- Wie sieht ein Managementkonzept für solche Situationen aus?
2.3 Fallstudie und Fallstudienforschung
Zur Beantwortung der vorliegenden Forschungsfrage wurde ein Forschungsansatz unter Ver¬
wendung von Fallstudicn gewählt. Ausgehend von der oben genannten Forschungsfragc ori¬
entiert sich die Arbeit an der von Yin (1994) präsentierten Forschungsmethodik (Bild 7).Nachdem das Praxis-Problem und die Theorie-Lücke identifiziert sind, gilt es, die For¬
schungsfragc zu definieren. Als nächster Schritt in der gewählten Vorgehensweise ist eine
Theorie über den Forschungsgegenstand zu entwickeln. In der vorliegenden Forschungsar¬beit bildet der Bezugsrahmen dieses gedankliche Fundament, welches das gezielte Erarbei¬
ten der Forschungsresultate erlaubt. Anschliessend erfolgen die Auswahl der Fälle und die
Definition der Art und Weise, wie die Daten gesammelt werden. Die Durchführung von
Fallstudien erfolgt in der Regel parallel, wobei jeweils ein einzelner Fallstudicnbcricht er¬
stellt wird. Nach Abschluss der Datensammlung erfolgt ein Quervergleich der unterschiedli¬
chen Fälle zum Analysieren der Resultate. Die gewonnen Resultate geben Hinweise auf
Implikationen für das Management und zur Anpassung des eingangs entwickelten Bezugs¬rahmens. Als Abschluss der Fallstudienforschung werden die Ergebnisse publiziert und ein
Schlussbericht erstellt. Den Schlussbcricht bilden zum einen die Publikationen und zum an¬
deren die vorliegende, zusammenfassende Schlussfolgerung.
Forschungsmethodik
Praxis-Problem identifizieren
1.1 Problemstellung
Theorie-Lücke identifizieren
1 2 Ansätze der Theorie
Forschungsfrage definieren
2.2 Forschungsfrage
Forschungsfokusdefinieren
Iteration Bezugsrahmen entwickeln
2.4 Bezugsrahmen
Fälle auswählen
2.5 Auswahl der Fälle
Protokoll entwickeln
2.6 Datenerhebung
Erste Fallstudie
erforschen
Zweite Fallstudie
erforschen
Nte Fallstudie
erforschen
Bericht erstellen Bericht erstellen
I
Bericht erstellen
Fälle vergleichen2.7 Analyse der Fallstudien mittels Kodierung
Forschungsdesignentwerfen
Daten sammeln
} Daten analysieren
Erkenntnisse publizieren4.1-4.10 Publikationen
ÏSchlussfolgerung
3 Umstrittene Technologien - Eine Lösung wird zum Problem
Forschung verwerten
Bild 7: Forschungsvorgehen (Fallstudienforschung in Anlehnung an Yin 1994, 49)
Natürlich erfolgte dieser Prozess nicht streng linear und das resultierende Vorgehen ist ein
Mix zwischen deduktiver und induktiver Vorgehensweise. Es waren einige Iterationsschritte
notwendig wie beispielsweise zur Erstellung des definitiven Bezugsrahmens oder zur Ent¬
wicklung des Protokolls zur Datenerhebung. Die folgenden Kapitel erläutern die Umsetzungdieses Vorgehensschemas in der eigenen Forschungsarbeit.
2.4 Bezugsrahmen
Ein Bezugsrahmen erlaubt die Klassierung von Beobachtungen und das gezielte Sammeln
von Informationen. Er ist eine Vereinfachung der Realität (vgl. Luhmann 1993, 302), spieltbei der Erforschung eines Themengebietes eine wesentliche Rolle (Avlonitis et al. 2000, 52),zeigt Zusammenhänge auf und beinhaltet Aussagen, die ein erfahrener Experte implizit be¬
reits kennt (Kay 1993, 359). Das Grundgerüst des Bezugsrahmens dieser Forschung entstand
zu Beginn und basiert im Wesentlichen auf den Erkenntnissen aus der Analyse von gut do¬
kumentierten Beispielen von umstrittenen Technologien, insbesondere Asbest, DDT und
FCKW. Daneben trugen Interviews mit Experten für einzelne Technologien zur Verfesti¬
gung dieses Bezugsrahmens bei.
Forschungsmethodik 12
Der Bezugsrahmen (Abbildung 8) unterteilt sich in zwei Hauptbereiche: GesellschaftlichesUmfeld und Wertschöpfungskette. Die beiden Bereiche des Bezugsrahmen stehen durch zwei
Beziehungen im gegenseitigen Austausch: Nebeneffekte und Druck zum Phase-Out. Zum
einen verursacht die umstrittene Technologie Nebeneffekte welche auf das gesellschaftlicheUmfeld wirken und zum anderen reagiert dieses Umfeld mit Druck zum Phase-Out auf diese
Ncbcncffckte. Zum gesellschaftlichen Umfeld zählen die (vermutlich) Betroffenen, die Öf¬
fentlichkeit, die Regulatoren, die Wissenschaft und auch indirekte Profiteure. Diese Gruppenbeeinflussen sich gegenseitig und verfolgen eigene Interessen.
Die Wertschöpfungskette besteht aus den Unternehmen, welche direkt oder indirekt mit der
umstrittenen Technologie in Verbindung stehen. Die umstrittene Technologie und möglicheAlternativen sind ebenfalls in diesem Teil des Bezugsrahmens angesiedelt.
-Gesellschaftliches Umfeld
Indirekte Profiteure
Wissenschaft
(Vermutlich)Betroffene
T
Öffentlichkeit
T
Regulatoren
Druck zum Phase-Out[-- Wertschöpfungskette ffekt i r
— Produkte —^
'/
)
\
LieferantenVsN_Unternehmen j
( Umstrittene
1 Technologie
( Alternative
l Technologien
Kunden,
Endanwender
Anlagen-heferanten
, i
Bild 8: Bezugsrahmen als Raster zur Analyse der Fälle
2.5 Auswahl der Fälle
Jedes Unternchmensinterview stellte die Grundlage für einen Fall dar. Die Suche nach Fällen
erfolgte unter Anwendung einer weit verbreiteten Forscbungsmethode aus den Sozialwissen-
schaften (siehe 2.5.1) und die identifizierten Fälle wurden anhand von drei Kriterien ausge¬wählt (siehe 2.5.2). Schliesslich konnten 49 Fälle in die Analyse einflicsscn (siehe Tabelle
11).
2.5.1 Suche nach Fällen
Unternehmen, welche im Hinblick auf den Phasc-Out von bleihaltiger Elektronik befragtwurden, wurden durch die von Bijker (1995, 46-38) beschriebene Methode, einen „Schnee¬ball zu rollen", identifiziert: Ausgehend von Unternehmen, welche sich im Hinblick auf den
Umgang mit der Technologie profiliert hatten fragten wir die Interviewpartner im Anschluss
2 Forsohungsmethodik n
an das Gespräch nach weiteren Unternehmen, welche zum weiteren Verständnis der Situati¬
on beitragen könnten. Wie Klein und Klcinman (2002, 32) erwähnen, garantiert eine solche
Vorgehensweise keine vollständige Abdeckung der Situation, da einzelne, bedeutende Ak¬
teure von anderen Akteuren nicht als relevant erachtet werden. Aus diesem Grund haben wir
anhand von Litcraturrecherchc und Expertengesprächen weitere, relevante Firmen identifi¬
ziert. Aus dieser Vorgehensweise am Ende des Interviews resultierten die in Abbildung 9
dargestellten Gruppen der Unternehmen, aus welchen jeweils Unternehmen interviewt wur¬
den.
Wertschöpfungskette
Rohmaterial-
Lieferanten
Lötmaterial
Elektronische
Komponenten
Leiterplatten
i
11 \< 1 [
V"i1 -^
4 1-i /—-J
a
Technologie-Anwender
Hersteller von
Subassemblies
Technologie-Lieferanten
Anlagen- Händler von
Hersteller Anlagen
Umstrittene
Technologie
Bleihaltiges Loten
Unternehmen Technologien
Konsumenten /
Endanwender
Hersteller von
Endprodukten
Endanwender
Leistungsfluss
Abbildung 9. Betrachtete Unternehmemgruppen bei bleihaltiger Elektronik (in Anlehnung an Boutellier und
Biedermann 2006b)
In Ergänzung zu den untersuchten Fällen im Bereich der bleihaltigen Elektronik validierten
wir die Erkenntnisse anhand von 9 Unternehmen aus anderen Branchen, welche jeweils in
der als Technologie-Anwender von einer Kontroverse um eine umstrittene Technologie be¬
troffen waren.
2.5.2 Kriterien zur Selektion der Fälle
Um Daten zu erheben, welche das theoretische Konzept des Bezugsrahmens untermauern
oder falsifizieren haben wir die Auswahl der Fälle eingeschränkt und drei Hauptkritcricnangewandt: Erstens musste die betrachtete Technologie aufgrund von negativen Nebeneffek¬
ten unter Beschuss geraten sein, zweitens muss das untersuchte Unternehmen die Technolo¬
gie bereits seit einigen Jahren einsetzten und drittens durfte die letzte Anwendung der Tech¬
nologie nicht mehr als fünf Jahre zurückliegen (Tabelle 10).
2 Forschungsmethodik 14
Kriterien
(Vermutete) Nebeneffekte müssen die
Technologie umstritten erscheinen las¬
sen.
Die Technologie muss bereits am Markt
eingeführt sein.
Die letzte Anwendung der Technologieim Unternehmen darf noch nicht mehr
als fünf Jahre vergangen sein.
Erläuterung
Die Art der Nebeneffekte ist vielfältig. Die meisten Zweifel am
Einsatz einer Technologie rühren von gesundheitlichen oder ökolo¬
gischen Bedenken her. Daneben können aber auch Gründe wie
nachhaltiger Einsatz von Ressourcen, Interferenzen mit anderen
Technologien oder auch finanzielle Risiken den Einsatz einer Tech¬
nologie verunmöglichen.
Die Forderung, dass eine Technologie durch das Unternehmen
bereits seit mehreren Jahren am Markt eingeführt sein muss er¬
gründet sich darin, dass die bestehenden Verpflichtungen und Ab¬
hängigkeiten im Hinblick auf die umstrittene Technologie die Be¬
sonderheit der Managementsituation wesentlich ausmachen. Die
entstehenden Abhängigkeiten und Verpflichtungen sind dabei viel¬
fältig und reichen von Ersatzteilgarantien bis hin zu Abnahmever¬
pflichtungen.
Dieses dritte Kriterium garantiert die Aktualität der Fälle: Die letzte
Verwendung der Technologie durch die Unternehmen durfte nicht
länger als fünf Jahre zurückliegen, so dass die Interviewpartner die
Situation noch in Erinnerung haben. (Vergleiche dazu auch "Les¬
sons Learned" beschrieben bei Probst et al. 1999, 211.)
Tabelle 10: Drei Kriterien zur Auswahl der Fälle
2.5.3 Untersuchte Fälle
Unter Berücksichtigung dieser Auswahlkriterien wurden die Fallstudien und die Interview¬
partner identifiziert. Insgesamt konnten Interviews aus 49 Unternehmen in die Analyse auf¬
genommen werden. Wir konzentrierten einen Grossteil der Fälle um den Phase-Out von bis¬
lang dominanten bleihaltigen Lotmaterialien in der Elektronikindustrie, von dem viele Un¬
ternehmen unterschiedlich betroffen sind. Dadurch konnte zum einen Synergien zwischen
den Interviews genutzt werden und zum anderen war dieses Thema für einen Grossteil der
Unternehmen aufgrund des aktuell in Kraft tretenden EU-Verbotes bleihaltiger Elektronik in
vielen Unternehmen aktuell. Zwar existiert wie einleitend geschildert ein grosse Anzahl an¬
derer Technologien, welcher unter Beschuss geraten sind, aus Geheimhaltungsgründen äus¬
sern sich aber Unternehmen in der Regel nur ungern zu diesen Themen. Da der Ausstieg aus
bleihaltiger Elektronik aber die gesamte Elektronikindustrie betraf, entfielen bei den meisten
Firmen diese Bedenken. Durch ergänzende Interviews in weiteren Branchen erhärteten wir
die aus der Elektronikindustrie gewonnenen Erkenntnisse. Die Interviews behandelten total
neun verschiedene Technologien, welche unter Beschuss geraten sind (Tabelle 11).
2 Forschutigsmelhodik 15
Technologie und Anwendungsbereich
Einsatz bleihaltiger Lotmaterialien in der Elektronikproduktion
Quecksilber-Zellen zur Chlorherstellung
Bleistabilisatoren in der PVC-Herstellung
Erdnussbestandteilc als Zusatzstoffe in der Schokoladeherstellung
Funktechnologie zur Mobiltelefonie
Mikrowellen zur Pasteurisierung von Nahrungsmitteln
Verwendung einer speziellen Kartoffelsorte in der Nahrungsmittelherstellung
Verwendung fossiler Brennstoffe zur Heizung von Glas-Schmelzwannen
Verwendung von PVC für sanitäre Anlagen
9 Technologien, welche unter Beschuss geraten sind 49 Unternehmen
Tabelle 11: Durch Interviews untersuchte und in die Analyse aufgenommene Fälle
Die untersuchten Unternehmen sind alle aus der Schweiz oder Deutschland, so dass die Un¬
ternehmen unter vergleichbaren Rahmenbedingungen operierten.6 Dies erleichterte den Ver¬
gleich der Fälle untereinander. Die Unternehmensgrösse variierte stark, was insbesondere die
heterogene Branchenstruktur der Elektronikindustrie widerspiegelt.
2.6 Datenerhebung
Die Datenerhebung erfolgte mit semistandardisierten Leitfadeninterviews (Bortz und Döring2003, 315) in der Zeit von Januar 2005 bis Oktober 20067 (siehe auch Intervicwliste in Kapi¬tel 7). Sie dienten zur hauptsächlichen Datensammlung innerhalb der Fallstudie und wurden
mit Litcraturrecherche ergänzt. Die Interviewpartner innerhalb der Firma waren Mitarbeiter,welche sich mit der umstrittenen Technologie intensiv beschäftigten. Sie stammten aus un¬
terschiedlichen Abteilungen, da die Unternehmen den Umgang mit der Technologie je nach
Situation als Aufgabe mit Fokus auf Umweltmanagement, Produktion oder beispielsweiseauch Verkauf verstanden. Auch waren die Hierarchiestufen der Interviewpartner unter¬
schiedlich, da auch hier die Technologie von Fall zu Fall als Top-Management-lssue oder als
niedrig-prioritäres Thema verstanden wurde. Je Firma wurden ein bis zwei Mitarbeiter inter¬
viewt.
Die Interviews dauerten in Abhängigkeit der Komplexität des Falles zwischen 45 Minuten
und 4 Stunden. Die meisten Interviews fanden bei den Firmen vor Ort statt, einige Interviews
konnten als Tclcfonkonferenzen durchgeführt werden. Der Leitfaden deckte alle relevanten
Themenbereiche ab (Tabelle 12 und Kapitel 8). Der zuvor erarbeitete Bezugsrahmen bildet
eine wichtige Orientierungshilfe bei seiner Erstellung. Der Leitfaden ist in drei Module un¬
terteilt, welche in jedem Gespräch in dieser Reihenfolge abgefragt wurden. Im ersten Modul
standen allgemein Fragen zur Person, zur Unternehmung und zum aktuellen Bezug zur
Technologie im Vordergrund. Das zweite und am längsten diskutierte Modul bildete den
'
Bei der bleihaltigen Elektronik ist in der Schweiz ein der EU-Regulation ähnliches Regime in Kraft getreten.
Die Rahmenbedingungen bei bleihaltiger Elektronik haben sich in diesem Zeitraum für die Untersuchung nur
unwesentlich geändert.
Anzahl Unternehmen
40
2
2 Forschungsmethodik lfi
eigentlichen Kern des Interviews. Tn ihm wurden die Dimensionen des Bezugsrahmens be¬
trachtet. Das Modul war wiederum in Analogie zum Bezugsrahmen in zwei Teilbereiche
unterteilt: Dem Umfeld und der Wertschöpfungskettc. Das dritte und letzte Modul öffnete
die Betrachtungsweise, indem Fragen wie „Lessons Learned" aus Sicht der Interviewten
gestellt wurden. Daneben wurde auch in diesem Modul die Frage nach weiteren Interview¬
partnern gestellt, um weitere Unternehmen zu identifizieren. Der Leitfaden wurde mehrmals
aufgrund der gewonnen Erkenntnisse angepasst.
Durch die Anwendung des Gesprächsleitfadcns konnten die Themen in einer systematischenund konsistenten Form abgearbeitet werden. Je nach Gesprächsverlauf konnte von dieser
vorgegeben Reihenfolge abgewichen und die Fragen den Umständen angepasst werden. Die¬
ses Vorgehen erweist sich besonders sinnvoll, wenn der Interviewpartner beispielsweise eine
Frage bereits im Rahmen einer vorhergehenden Frage beantwortet hat oder auch wenn der
Interviewpartner eine andere Ausdrucksweise für das gleiche Phänomen verwendet (sieheauch Ingenhoff 2004, 147-148). Auf diese Weise konnte erreicht werden, dass sich das Ge¬
spräch dem Untersuchungsgegenstand aus der Perspektive des Befragten näherte. Daneben
konnte berücksichtigt werden, dass die befragten Personen den Sachverhalt unterschiedlich
verstehen und insbesondere unterschiedlich artikulieren. Aufgrund des im Vergleich zu stan¬
dardisierten Interviews oder Fragebögen erhöhten Forschungsaufwandes resultiert eine klei¬
nere Anzahl an Interviews.
2 Forschlingsmethodik 17
Themenhereiche
1 Unternehmen allgemein
Bezug der Firma zur Technologie
2 Umfeld der Firma
Phasen im Umgang mit der Technologie
Wertschöpfungskette
3 Reflexion
Abschlussfragen
Stichworte für Gesprächsjührung
Produkte, Branche, Kennzahlen
Kundenbeziehungen, etc.
Technologie bestimmen
Fragen zur Person
Phase-In der TechnologieEinsatz der TechnologieAktueller Umgang mit der Technologie
Negativer Effekt der Technologie
(Vermutlich) Betroffene
Verhalten und Beeinflussung der Wissenschaft
Verhalten und Beeinflussung der Öffentlichkeit
Verhalten und Beeinflussung der RegulatorenIndirekte Profiteure
Weitere Interviewpartner zu derselben TechnologieWeitere Unternehmen & umstrittene Technologien
Tabelle 12: Inhalt des Gesprächsleitfaden (siehe auch Kapitel 8)
Die Gespräche wurden zusammenfassend protokolliert und die Niederschrift den Gesprächs¬partnern vorgelegt. Je Gespräch entstand somit ein Dokument, welches die zentralen Aussa¬
gen des Interviewten zusammenfasst. Auf die wörtliche Transkription wurde verzichtet. Die
meisten Untemehmcnsvcrtrctcr wünschten, dass ihre Aussagen anonym weiter verwendet
werden.
2.7 Analyse der Fallstudien mittels Kodierung
Die durchgeführten Untersuchungen resultierten in einer grossen Anzahl qualitativer Daten.
Zum einen waren dies Gesprächsprotokollc, zum anderen auch Zusammenstellungen von
analysierter Literatur. Diese Dokumente wurden in einzelne Aussagen zerlegt und zur Ana¬
lyse in einer relationalen Datenbank (Abbildung 14) abgelegt. Sie konnten so einer oder
mehreren Unterkategorien zugeordnet werden (Tabelle 13). Neben den Kategorien wurden
die Aussagen wenn möglich auf der Zeitachse angeordnet.
Korschungsmcthodik 18
Kategorie
Bezugnahmen
Gesellschaftliches Umfeld
Wertschöpfungskette
Unterkategorim: Aussagen zu...
Negativer Effekt, Wissenschaft, indirekte Profiteure, (vermutlich) Betroffene,Öffentlichkeit und Regulatoren
Technologie, Alternativtechnologien, eigenes Unternehmen, direkte Konkurren¬
ten, Rohmaterial-Lieferanten, Technologie-Lieferanten, Kunden und Abnehmer
Phasen einer umstrittenen Technologie
Phase-ln Phasc-In durch den eigenen Einsatz, durch die Kunden oder durch die Lieferanten
Identifikation Identifikation der Kontroverse
Identifikation des eigenen Technologieeinsatzes
Adressierung des Themas durch das Management
Handling
Phase-Out
Clean-Up
Aktivitäten zur Erhöhung der Akzeptanz resp. zur Erhöhung des Druckes
Aktivitäten um Alternativen verfügbar zu machen resp. zu verunmöglichenÜberwachung des Druckes zum Phase-Out und der verfugbaren Alternativen
Aussagen zum Dominant Design, Lock-In, Zugzwang und Trade-Off
Phase-Out durch MarktausstiegPhase-Out durch Substitution der Technologie
Längerfristige Verpflichtungen oder Auswirkungen
Tabelle 13: Unterkategorien zur Kodierung der Aussagen aus den Interviews
Diese Aufarbeitung der Interviews erlaubte eine bessere Erkennung von Mustern aus den
Interviews, da die Aussagen nach Kategorien und Fällen gefiltert und zeitlich sortiert be¬
trachtet werden konnten. Die Datenbank bestand im Abschluss aus rund 4'500 Einträgen zu
über 150 verschiedenen Fällen von Technologien und Unternehmen, von denen aber nur 49
ausgewertet werden konnten.
Fälle
Titel des FallesAussagen
BeschreibungZeitraum
Kategorisierung
Quellen
Titel der Quelle
Abbildung 14: Entity Relationship Model der Datenhank zur qualitativen Auswertung der Interviews
3 Umstrittene Technologien - Eine Lösung wird zum Problem 19
3 Umstrittene Technologien - Eine Lösung wird zum Prob¬
lem
In Unternehmen durchlaufen umstrittene Technologien fünf Phasen: Phase-In als unbeschol¬
tene Technologie, Identifikation als umstrittene Technologic, Handling, Phase-Out und Cle-
an-Up. Wobei im Phase-In die Technologie in der Regel als Lösungsprinzip verstanden wird,stellt sie spätestens ab der Phase-Out-Phase in den Augen der Firmen ein Problem dar, wel¬
ches es so rasch wie möglich loszuwerden gilt (Bild 15).
Durch Lieferanten ; Kontroverse identifizieren Druck zum Phase-Out Marktausstieg ! Reparation
Durch eigene Firma ; Technologie identifizieren Verfügbare Alternativen Technologie-Substitution Ersatzteillieferung
Durch Kunden ! Issue systematisch f Schadensersatz
Bewusst / unbewusst | adressieren
Itlipgjllt "1 1?""
'•-*«.. -Ä-i:,-;!. I |, ',-Ml'iïïèh'''" Ï dï'MMffijmÊbtttttâÊnlilt itt#
I BflllflLfili ^^*^*?&
Bild 15: Umstrittene Technologien: Von der Lösung zum Problemfür ein Unternehmen
3.1 Phase-In
Der Phase-In von Technologien kann auf unterschiedliche Weise erfolgen: Durch die Liefe¬
ranten, das eigene Unternehmen oder die Kunden. Technologien diffundieren so oft während
Jahrzehnten in immer mehr Produkte und Prozesse eines Unternehmens.
Der Einsatz einer Technologie findet in der Regel durch einen bewussten Entscheid statt. Bei
Basistechnologien liegt dieser Entscheid aber nicht selten mehrere Jahrzehnte zurück.
Daneben ist es aber auch möglich, dass Technologien ohne Wissen des Managements ange¬wendet werden, wie beispielsweise Hilfsstoffe in der Produktion. Die ständig verbesserten
Qualitätssystcmc in den Unternehmen verunmöglichen dies aber zunehmend.
Neben dem eigenen, bewusstcn Einsatz kann der Phase-In einer Technologie ebenfalls durch
die Lieferanten erfolgen. Die Fokussierung der Unternehmen auf wenige Abschnitte in der
Wertschöpfungskette und die damit verbundene steigende Anzahl an Lieferanten vermehrt
die ausserhalb des eigenen Unternehmens eingesetzten Technologien, welche in den eigenenProdukten beinhaltet sind.
Die Überprüfung der Lieferanten nimmt in diesem Zusammenhang einen grossen Stellen¬
wert ein.
Als Drittes kann ein Produkt auch durch den unvorhergesehenen Einsatz beim Kunden Be¬
standteil eines technologischen Systems werden. Sei dies nun durch den Endkunden oder
auch durch den Einsatz in einem weiteren Produkt. Sind solche Anwendungsszenarien be¬
Umstrittene Technologien - Eine Lösung wird zum Problem 20
antizipiert werden können, weshalb der ständigen Beobachtung der eigenen Produkte am
Markt eine grosse Bedeutung zukommt.
Unternehmen adressieren diese möglichen Phase-In-Pfadc unterschiedlich um den eigenenEinsatz von Technologien möglichst systematisch zu überwachen (Bild 16). Technologien,welche der Firma bewusst sind können durch Liefervereinbarungen, eigene Tcchnologicpla-nung oder auch entwicklerische Vorkehrungen (z.B. Schutzschicht, Gehäuse) abgedecktwerden, so dass ihr Einsatz innerhalb der zulässigen Bedingungen erfolgt. Die unbewussten
Anwendungen einer Technologie können nur durch Überwachung von Lieferanten, internen
Prozessen und auch den Produkten am Markt aufgespürt und verhindert werden. Die
verbleibende Restunsicherheit ist nicht zu vermeiden.
Bewusster
Einsatz
Unbewusster
Einsatz
Einsatz durch
Lieferant
Einsatz durch
Firma
Einsatz durch
Kunden
Lieferverein¬
barungenTechnologie¬
planung
Technologie-
Beobachtung
Überwachungvon Lieferanten
Internes
Qualitätswesen
Produkt-
Beobachtung
Bild 16: Verschiedene Möglichkeiten zum Phase-In einer Technologie und Gegenmassnahmen (in Anlehnungan Boutellier und Biedermann 2007)
3 Umstrittene Technologien Eine Losung wird zum Problem 21
3.2 Identifikation
Die Identifikation einer umstrittenen Technologie stellt Unternehmen vor eine grosse Her¬
ausforderung, da das Management aus einer Vielzahl an Umwcltvcränderungen und einem
nur teilweise bekannten Portfolio an eingesetzten Technologien diejenigen Kombinationen
identifizieren muss, welche das Unternehmen betreffen könnten. Der Identifikationsprozcssfür umstrittene Technologien besteht daher aus drei Schritten (Boutellier und Biedermann
2006c):
- Identifikation der Kontroverse,- Identifikation der Technologie und
- Start von systematischen Aktivitäten in Bezug auf die identifizierte Technologie.
Um die Kontroverse zu identifizieren bietet sich die Outsidc-In-Perspektive an (Liebl 2000,94), d.h. ausgehend von Veränderungen im Umfeld versucht das Unternehmen, möglicheAuswirkungen auf die eigene Firma zu identifizieren (Boutellier und Biedermann 2006c).Oft sind Regulatoren und Branchenverbändc die ersten Quellen solcher Hinweise. Kunden,Rohstoff- und Technologie-Lieferanten machen erst später auf solche Probleme aufmerksam,da die Kommunikation über umstrittene Technologien in der Wertschöpfungskette nicht ge¬
pflegt wird oder sogar bewusst vermieden wird, um die Geschäftsbeziehungen kurzfristignicht zu belasten (Bild 17).
Um den eigenen Bezug zur Technologie zu analysieren verfügen Unternehmen in der Regelüber genügend Expertenwissen, d.h. der eigene Einsatz einer Technologie kann abgeschätztwerden. Dies setzt jedoch voraus, dass Unternehmen bereits eine klare Vorstellung von der
Technologie haben, welche es zu untersuchen gilt. Die Herausforderung für das Manage¬ment besteht darin, dass die Personen mit dem notwendigen technologischen Fachwissen
nicht immer die Personen sind, welche die ersten Informationen über die Kontroverse auf¬
nehmen. Diese spezifische Kommunikation der unterschiedlichen Abteilungen zu fördern
und die Ownership über umstrittene Technologien zu übernehmen ist Aufgabe des Manage¬ments (Boutellier und Biedermann 2006a).
Umstrittene Technologien - Eine Losung wird zum Problem 22
Alternative
TechnologienWissenschaft Regulatoren
(Vermutlich)Betroffene
\ \
Patente, Porschungsprojekte,Publikationen v Untersuchungen
X
1
Absichtserklärungen, Anzeichen,
Regulationen/
Beschwerden
Forschung &
Entwicklung
Qualitäts-
Management
Environment 1
& Health 1
N. 1 S
Einkauf —Geschäfts¬
leitung«-
Public '
Relations '
Produktion
^ tProdukt-
Management
VVerkauf &
After Sales '
Marketing, ' Verbesserungen,Information Push Information Push
/ I
Anfragen, ^Presseberichte,
iforderungen Anfragen\ N
LieferantenAnlagen-
Lieferanten
Kunden &
EndanwenderÖffentlichkeit
Bild 17. Informationen aus dem gesamten Umfeld müssen von der Geschäftsleitung zu einem Gesamtbild ver¬
dichtet werden. (Boutellier undBiedermann 2006a)
Der dritte Schritt - der Start von systematischen Aktivitäten - stellt den Abschluss der Identi¬
fikationsphase dar. Innerhalb von Organisationen werden solche Themen als Probleme wahr¬
genommen und der Promoter des Issues ist oft gleichzeitig auch derjenige, welcher sich um
die Erledigung zu kümmern hat. Aufgabe des Managements ist es zu garantieren, dass solche
Themen offen angesprochen werden können.
3.3 Handling
Hat sich ein Unternehmen zu systematischen Aktivitäten in Bezug auf die umstrittene Tech¬
nologie entschlossen geht es darum, die Balance zwischen dem Druck zum Phase-Out der
Technologie und der Verfügbarkeit von Alternativen zu finden.
Der Druck zum Phase entsteht dabei nicht nur aufgrund von Veränderungen im gesellschaft¬lichen Umfeld, vielmehr können auch eigene Zweifel und die Phase-Out-Absichtcn von Un¬
ternehmen im eigenen Wertschöpfüngsnetzwerk die Notwendigkeit zum Phase-Out erzeugen
(Bild 18). Die verschiedenen Motivationen zum Phasc-Out betreffen unterschiedliche Unter-
nchmensbereiche: Eigene Zweifel an Technologien sind typischerweise ein Gcschäftslci-
tungsthema, der gesellschaftliche Druck wird eher durch die Regulationen- und Nonnenab¬
teilung oder das Public Rclations-Team bearbeitet, der Nachfrageeinbuch ist ein Fall für
Marketing & Sales und der Einkauf kommt die Beschaffungsprobleme zu spüren. Daher ist
es auch in dieser Phase wiederum Aufgabe des Managements, die unterschiedlichen Motiva¬
tionen welche den Druck zum Phase-Out der Technologie ausmachen zu einem Bild zu ver¬
einheitlichen.
Umstrittene Technologien - Eine Lösung wird zum Problem 23
Anstoss zur Besorgnis
Naturwissenschaftliche Erkenntnisse - Wcrtcwandel
T
||üw
Verstärkung im gesellschaftlichen Umfeld
Offontlichksit - Regulatoren - Medien - Pressure Groups
Ablehnung in der Wertschöpfungskette
Kunden - Lieferanten - Händler
Beschaffungs¬
probleme
f
»(p^Wliw'TBchriologl
Direkte Motivation Wertschöpfungsorientierte Motivation
Bild 18: Druck zum Phase-Out einer Technologie (Boulellier und Biedermann 200X-b)
Als zweite wichtige Dimension ist die Verfügbarkeit von Alternativen zu nennen, da diese
den Handlungsspiclraum von Unternehmen massiv einschränken oder erweitern kann. Um
Alternativen verfügbar zu machen genügt die rein technische Machbarkeit nicht, sondern die
Kundenakzeptanz, der Scalc-Up der Technologie, die Beschaffungsmöglichkcitcn und auch
die ökonomische Machbarkeit bestimmen, ob eine alternative Technologie als verfügbarangesehen werden kann oder nicht.
Unternehmen in der Handlingphase sind sich bewusst, dass die von ihnen eingesetzte Tech¬
nologie möglicherweise unter Druck geraten könnte. Sie befinden sich in einer von vier gc-
nerischen Situationen: Dominant Design, Lock-In, Zugzwang oder Trade-Off (Bild 19).Während im Dominant Design die positiven Eigenschaften einer Technologie im Vorder¬
grund stehen und sich die Technologie ausbreitet geraten Firmen zunehmend in Abhängig¬keit dieser Technologie. Der Lock-In wird deutlich, wenn der Druck zum Phase-Out der
Technologie sich erhöht und der Ausstieg aus der Technologie nicht ohne weiteres möglichist. Unternehmen geraten in Zugzwang, wenn Alternativen verfügbar sind und der Druck
gegen die Technologie hoch ist. Der Phasc-Out ist nur noch eine Frage der Zeit. Unterneh¬
men, welche Alternativen zu Technologien entwickeln, ohne dass ein relevanter Druck zum
Phase-Out der alten Technologie besteht befinden sich in einer Traüfe-O/f-Situation in der
rein leistungsmässige Faktoren den Ausschlag für die Technologiewahl geben.
Umstrittene Technologien Eine Lösung wird zum Problem 24
Lock-In Zugzwang
a
5 Kooperationen Substitution wo zu gefährlich
os Alternativen suchen Handlungsfreiheit bewahren
!3
w Zeit gewinnen
t
Ol
Dominant Design Trade-off
3N
Jeu
2Q
Investieren
Alternativen beobachten
Substitution wenn überlegen
Pilotversuche
Nicht verfügbar Verfügbar
Verfügbarkeit technologischer Alternativen
Bild 19: Vier generische Situationen (in Anlehnung an Boutellier und Biedermann 2007)
3.4 Phase-Out und Clean-Up
Auf den Entschluss, eine Technologie in Zukunft nicht mehr einzusetzen folgt der Phase-
Out. Den Unternehmen stehen zwei grundsätzliche Möglichkeiten zur Verfügung: Technolo¬
gie-Substitution und Marktausstieg. Wenn Alternativen verfügbar sind, wählen Unternehmen
die Subsumtion einer Technologie. Der Marktausstieg wird nur selten beschlossen
(Boutellier und Biedermann 200X-a).
Die Substitution einer Technologie benötigt Zeit. Die Erfahrung mit der alten Technologie,welche während Jahrzehnten gewonnen wurde lässt sich nur bedingt auf die neue Technolo¬
gie übertragen und kann nicht in wenigen Monaten aufgebaut werden. Insbesondere die
Langzeiterfahrungen fehlen bei neuen Technologien, doch sind gerade diese Anforderungenbei älteren Technologien oft besonders hoch. Der Phase-Out einer Technologie kann auch
intern auf Widerstand stossen, da das Wissen und die Fähigkeiten der Mitarbeiter in Bezugauf die umstrittene Technologie obsolet werden. Auch können alternative Technologien oft
das Leistungsniveau der alten Technologie nicht sofort erreichen. Die Unsicherheit ist gross
(Bild 20).
3 Umstrittene Technologien - Eine Lösung wird zum Problem 25
"to3
ij|"T T^"—-—N ' ''ill' fljljai'fctausitiesg
£o>
5oC i* is
Lock-In Zugzwang
u'
w0)
öfe. 33
o <?»
i1» *o<D
C _
Q- £ ftfläij
Dominant 11/(ZU frre/f Design
Trade-off
u
3l.
Q
N/cM verfügbar Verfügbar Angewendet
Verfügbarkeit technologischer Alternativen
Bild 20: Zwei Phase-Oul-Oplionen: Marklausstieg und Technologie-Substitution (Boutellier und Biedermann
200X-a)
Die Auswirkungen des Phase-Out auf Unternehmen sind unterschiedlich und oft ist eine
grössere Anzahl an Unternehmen von der Umstellung betroffen. Im Falle des Ausstiegs aus
bleihaltiger Elektronik in der EU waren von den Herstellern der Lötmaterialien bis hin zu
den Distributoren der Endprodukte sehr viele Unternehmen an der Umstellung beteiligt(Boutellier und Biedermann 2006b).
Auch nachdem die umstrittene Technologie von einem Unternehmen zum letzten Mal einge¬setzt worden ist, beschäftigt sie Unternehmen noch längere Zeit weiter. Oft müssen Firmen
noch mehrere Jahre Ersatzteile für Produkte anbieten oder sind verpflichtet, für die fachge¬rechte Entsorgung dieser Produkte zu sorgen. Daneben haben populäre Fälle wie die ge¬sundheitlichen Auswirkungen von Asbest aufgezeigt, dass Unternehmen sich mit massiven
Schadensersatzforderungen konfrontiert sehen können.
4 Publikationen 26
4 Publikationen
Die Aufbereitung und Kommunikation der Resultate ist Teil der wissenschaftlichen For¬
schung. Daher entstanden im Rahmen dieser Dissertation mehrere Publikationen, welche
verschiedene Aspekte der drei fokussierten Phasen Identifikation, Handling und Phase-Out
beleuchten (siehe Abbildung 21). Währenddem die ersten Veröffentlichungen sich den Prob¬
lemen im Phase-Out annehmen, behandeln die späteren Texte die ersten Phasen. Diese Ab¬
folge spiegelt die Reihenfolge wider, in der die Forschungsresultate sich konkretisierten.
Forschungsfokus
Phase^ÜT> IdentifikationHandling
Druck zum Phase-Out AlternativenPhase-Out
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4.9
4.10
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Publikationen:
4.1 Qualitätsgerechte Produktplanung
4.2 Identification of issues with controversial technologies
4.3 Wie Technologien unter Beschuss geraten
4 4 Die Abhängigkeit von umstrittenen Technologien verringern
4 5 Qualitätsmanagement bei umstrittenen Technologien
4.6 Umgang der Unternehmen mit umstrittenen Technologien
4.7 Management umstrittener Technologien
4.8 Systementwickler und Modullieferanten
4.9 Disruptions in global industries (I)
4.10Disruptions in global industries (II)
Abbildung 21: Fokus der Publikationen
Fünf der Publikationen unterlagen einem doppelblinden Reviewprozess, vier Publikationen
konnten in einem Herausgeberwerk platziert werden und ein Text erschien im Fachorgan des
ETH-Zentrums für Unternehmenswissenschaften (Tabelle 22). Die Artikel wurden jeweilsvon Prof. Dr. Roman Boutcllicr und dipl. Ing. ETH Andreas Biedermann gemeinsam ver-
fasst.
4 Publikationen 27
Titel Puhlikatiomgefäss (Jahr) Begulachlungsprozess
4.1 Qualitätsgerechte Produkt¬
planungMasmg Handbuch Qualitäts¬
management
Herausgeberwerk:Prof. Dr. Tilo Pfeifer
Prof. Dr. Robert Schmitt
4.2 Identification of issues
with controversial technologies
International Journal of Tech¬
nology Intelligence and Plan¬
ning (2006)
Doppelblindes Review
4.3 Wie Technologien unter
Beschuss geraten*
Die Unternehmung Doppelblindes Review
4.4 Die Abhängigkeit von
umstrittenen Technologienverringern
io new management (2006) Fachorgan des ETH-Zentrums für Unter-
nehmenswissenschaften
4.5 Qualitätsmanagement bei
umstrittenen Technologien
Masing Handbuch Qualitäts¬
management
Herausgeberwerk:Prof. Dr. Tilo Pfeifer
Prof. Dr. Robert Schmitt
4.6 Umgang der Unternehmen
mit umstrittenen Technologien
Symposium für Vorausschau
und Technologieplanung(2005)
Doppelblindes Review
4.7 Management umstrittener
Technologien
Zeitschrift
Führung + OrganisationDoppelblindes Review
4.8 Systementwickler und
Modullieferanten
Handbuch Technologie- und
1nnovationsmanagement(2005)
1 lerausgeberwerk:Prof. Dr. Sönke Albers
Prof. Dr. Oliver Gassmann
4.9 Disruptions in global in¬
dustries (I)
IFSAM World Congress
(2006)
Doppelblindes Review
4.10 Disruptions in globalindustries (11)
Information TechnologyEntrepreneurship and Innova¬
tion (2007)
Herausgeberwerk
Fang Zhao
In enger Anlehnung an 4.9
Tabelle 22: Liste der Publikationen. *: noch nicht definitiv akzeptiert
Auf den folgenden Seiten sind die Publikationen zusammenfassend beschrieben und die Ein¬
ordnung des Textes in die Dissertation erläutert. Die vollständigen Artikel befinden sich in
Kapitel 6.
4 Publikationen 28
4.1 Qualitätsgerechte Produktplanung
Boutellier, R. und Biedermann, A. (2007): Qualitätsgerechte Pro¬
duktplanung, in Pfeifer, T. und Schmitt, R. (Hrsg.) Masing Handbuch
Qualitätsmanagemcnt, München, Carl Hanser Verlag.
Der Abdruck der gesamten Publikation befindet sich in Kapitel 6.1.
4.1.1 Zusammenfassung der Publikation
Unternehmen wenden ausgewählte Methoden an, um die Qualität der Innovation sicherzu¬
stellen: Quality Function Deployment, Simultaneous Engineering, Prototyping, Reviews,Zusammenarbeit mit Lieferanten und die Aufteilung in drei Prozessphasen. Quality Function
Deployment dient als Tool um die Erfüllung der wichtigen Kundenanforderungen sicherzu¬
stellen. Simultaneous Engineering im Innovationsprozcss erlaubt Zeitersparnis und somit
eine frühere Markteinführung. Obwohl die Simulation von Produkten am Computer in den
letzten Jahren massive Fortschritte erzielt hat sind Prototypen noch immer unverzichtbar um
Funktionsweisen oder Kundenakzeptanz in einem frühen Entwicklungsstadium zu testen.
Regelmässige Reviews im Tnnovationsprozess erlauben es, den Projektfortschritt zu beurtei¬
len und Abhängigkeiten der kommenden Aktivitäten zu identifizieren.
Der Innovationsprozcss kann in drei Phasen unterteilt werden: Vorprojekt-, Entwicklungs¬und Markteinführungsphase. Die Vorprojektphase zeichnet sich durch eine hohe Unsicher¬
heit in Bezug auf Anforderungen und Realisierbarkeit aus. Die strukturierte Entwicklungs¬phase setzt demgegenüber beherrschte Technologien und klare Kundenanforderung voraus.
Bei der Markteinführung können zwei Ansätze unterschieden werden: Big Bang und Lead
Concept. Bei erhöhtem Zeitdruck ist Big Bang vorzuziehen.
4.1.2 Einordnung des Artikels in die Dissertation
Der Entwicklungsprozcss ist ein wichtiger Kanal für den Phase-In von neuen Technologien.Der Qualitätssicherung kommt in dieser Phase daher nicht nur die Verantwortung zur Si¬
cherstellung der Leistungsfähigkeit der Produkte zu, sondern es muss auch garantiert wer¬
den, dass keine problematischen Technologien zur Anwendung kommen. Eine transparente
Qualitätsplanung wie beispielsweise mittels Quality Function Deployment (QFD) trägt dazu
bei, solche umstrittene Technologien zu erkennen. Insbesondere QFD fördert die systemati¬sche Kommunikation zwischen unterschiedlichen Abteilungen.
4 Publikationen 29
4.1.3 Schlussfolgerungen des Artikels
Der Artikel zieht die folgenden Implikationen für das Management:
- Die Kommunikation im Innovationsprozess unter den beteiligten Unternehmensbereichen
und auch gegenüber den Kunden muss systematisch gefördert werden. Das House of Qua¬lity im Quality Function Deployment ist ein geeignetes Übersetzungstool zwischen den
verschiedenen Fachsprachen.- Massnahmen zur Verkürzung der Tnnovationszeiten versprechen grosse Beschleunigun¬
gen. Die Einführung von parallelen Entwicklungsarbeiten ist aber mit Vorsicht anzuwen¬
den, da insbesondere der Management-Aufwand steigt.- Reviews und Prototypen dienen dazu, mit der Komplexität im Entwicklungsprozess um¬
zugehen. Reviews sorgen für Übersicht im Innovationsprozess und anhand von Prototy¬
pen lassen sich Konflikte frühzeitig identifizieren.
- Die Markteinführung von Produkten kann nach zwei unterschiedlichen Grundsätzen er¬
folgen: Big Bang oder Lead Concept. Das phasenweise Vorgehen im Lead Concept er¬
laubt einen Lcrnprozess und die Produkte können so kontinuierlich den Bedürfhissen der
Zielmärkte angepasst werden. Der Big Bang-Ansatz setzt eine einwandfreie Planung der
Markteinführung voraus und bietet sich insbesondere bei zeitkritischen Innovationen an.
- Die Zusammenarbeit mit Lieferanten im Innovationsprozess wird zunehmend wichtiger.Die Beschaffungsabteilung nimmt daher in zukünftigen Innovationsprojekten eine zentra¬
lere Rolle ein. Sie dient als Informationsdrehscheibc hin zu den Lieferanten resp. Ent-
wicklungspartnem.
4.1.4 Gewählter Publikationsort
Das Masing Handbuch Qualitätsmanagement ist ein über l'OOO Seiten umfassendes Stan¬
dardwerk im Bereich Quaütätsmanagement und ist im deutschsprachigen Raum unter Stu¬
dierenden wie auch Praktikern des Qualitätsmanagements weit verbreitet.
4 Publikationen 10
4.2 Identification of issues with controversial technologies
Boutellier, R. und Biedermann, A. (2006): Identification of issues
with controversial technologies, in International Journal of Techno¬
logy Intelligence and Planning, 2, 3, 225-247.
Der Abdruck der gesamten Publikation befindet sich in Kapitel 6.2.
4.2.1 Zusammenfassung der Publikation
Die Literatur bietet sechs unterschiedliche Ansätze, wie umstrittene Technologien durch
Unternehmen identifiziert werden können: Tcchnologicfolgenabschätzung, Produktfolgenab¬schätzung, Produktüberwachung, Regulations-Monitoring, Stakeholder-Einbezug und all¬
gemeines Aufspüren von schwachen Signalen. In den untersuchten Fällen war das Aufspürenvon schwachen Signalen der vorherrschende Modus, wie diese frühen Informationen in das
Unternehmen hineingelangten. Vereinzelt fanden erste Hinweise über das Regulations-Monitoring und die Tcchnologiefolgenabschätzung den Weg in die Unternehmen. Der Ein¬
satz der Technologie war in allen untersuchten Fällen in der Unternehmung bekannt, obwohl
häufig nur Experten über deren Einsatz genaue Kenntnis hatten.
Der weitaus grösste Teil der Unternehmen bekam die ersten Informationen über die umstrit¬
tene Technologie durch die Regulatoren resp. durch die Vorbereitung des Verbotes einer
Technologie. Daneben sind Branchenorganisationen ebenfalls häufig eine frühe Informati¬
onsquelle. Die täglichen Geschäftsbezichungcn mit Kunden, Lieferanten und Technologie-Partnern waren nur von untergeordneter Bedeutung. Es stiessen auch nur wenige Unterneh¬
men aufgrund von wissenschaftlichen Veröffentlichungen auf sich abzeichnende Zweifel an
einer Technologie.
In vielen Fällen spürten die Qualitäts- und Uraweltverantwortlichen diese Themen auf und
sammelten die ersten Anzeichen in den Unternehmen. Häufig waren auch der Geschäftsfüh¬
rer oder das Marketing und Sales Department empfänglich für frühe Signale. Der ManagingDirector war in der Regel zuständig, falls das Thema nicht eindeutig einer Stelle zugeordnetwerden konnte. Der Auslöser für systematische Aktivitäten in Bezug auf die umstrittene
Technologie kam oft erst einige Zeit später, nachdem die umstrittene Technologie als mögli¬ches Problemfcld erkannt wurde. Der wichtigste Trigger waren antizipierte Regulationen.
4.2.2 Einordnung des Artikels in die Dissertation
Der Artikel fokussiert auf den ersten Schritt im Umgang mit umstrittenen Technologien: Die
Identifikation solcher Themen. Die untersuchten Fälle werden in Bezug auf die Identifikati¬
on der Kontroverse und des eigenen Technologieeinsatzcs sowie durch die Adressierung des
Themas durch das Management untersucht. Die gewonnen Erkenntnisse deuten darauf hin,dass eine Outside-In-Betrachtung mehr Erfolg verspricht als eine Inside-Out-Pcrspcktivc.
4 Publikationen 31
4.2.3 Schlussfolgerungen des Artikels
Der Artikel zieht verschiedene Implikationen fur das Management:
- Zum Aufspüren von umstrittenen Technologien verspricht die Outsidc-In-Pcrspcktive ei¬
nen grösseren Erfolg als der Inside-Out-Ansatz: Manager sollen ausgehend von Trends im
Umfeld die möglichen Auswirkungen auf das eigene Unternehmen abschätzen und nicht
primär jede einzelne Technologie überwachen.
- Die meisten solcher Themen wurden durch das Detekticren und Analysieren von schwa¬
chen Signalen aufgegriffen. Dazu ist es notwendig, dass diese Signale an einem zentralen
Ort im Unternehmen oder auch extern gesammelt werden. Nur so kann garantiert werden,dass sich abzeichnende Muster auch frühzeitig erkannt werden. Die zentrale Technologie-
, Qualitäts- und Umwcltmanagemcnt-Abtcilungcn sind prädestiniert, diese Sammelfunk-
tion zu übernehmen.
- Unternehmen entscheiden ihre Strategie in Bezug auf die umstrittene Technologie oft,bevor die eigentlichen Auswirkungen und die eigene Abhängigkeit von der Technologie
genau bekannt sind. Um die Qualität dieser Entscheidungen zu verbessern und auch den
Handlungsspielraum zu erweitern empfiehlt es sich, diese Themen möglichst frühzeitig zuadressieren.
4.2.4 Gewählter Publikationsort
Das englischsprachigc International Journal of Technology Intelligence and Planning dient
als Plattform für die Kommunikation zwischen politischen Entscheidungsträgem, Praktikern
und Forschem im Bereich Technologiemanagement. Die Identifikation von umstrittenen
Technologien ist Teil der Aufgabe der Technology Intelligence oder Technologiefrühaufklä¬rung.
4 Publikationen 32
4.3 Wie Technologien unter Beschuss geraten
Boutellier, R. und Biedermann, A. (200X): Wie Technologien unter
Beschuss geraten, in Die Unternehmung.
Der Abdruck der gesamten Publikation befindet sich in Kapitel 6.3.
4.3.1 Zusammenfassung der Publikation
Der Druck, welcher aus dem Umfeld auf eine Firma wirkt, sobald eine Technologie unter
Beschuss kommt bestimmt massgeblich die verbleibenden Handlungsoptionen von Unter¬
nehmen. Der Artikel beleuchtet die Komponenten dieses Druckes und präsentiert hierzu ei¬
nen Analyserahmen. Drei Mechanismen im unternehmerischen Umfeld erzeugen den Druck
zum Phase-Out: Anstoss zur Besorgnis, Verstärkung im gesellschaftlichen Umfeld und Ab¬
lehnung innerhalb der Wertschöpfungskette. Basierend auf 42 Interviews in Unternehmen
und Literaturrecherchen haben wir vier Motivationen für den Phase-Out solcher Technolo¬
gien identifiziert: Firmcncigcne Zweifel an der Technologie, gesellschaftlicher Druck, Nach¬
frageeinbruch und Beschaffungsprobleme.
Firmeneigene Zweifel liegen vor, wenn ein Unternehmen ohne äusseren Druck sich ent¬
scheidet, aus einer Technologie auszusteigen. Diese Zweifel können beispielsweise durch
neue Forschungsrcsultate geweckt werden oder auch durch einen Strategiewechsel des Un¬
ternehmens. Der gesellschaftliche Druck setzt sich zum einen aus dem Druck der Öffentlich¬keit durch die Medien und zum anderen aus den Massnahmen der Regulatoren zusammen.
Regulatoren können dabei staatliche oder auch privatwirtschaftliche Organisationen (wiebeispielsweise Labels) sein. Der Nachfragccinbruch ist häufig zu beobachten, da Kunden
eine bestimmte Technologie nicht mehr akzeptieren. Daneben sehen sich Unternehmen oft
auch auf der Beschaffungsseite mit Problemen konfrontiert, da Komponenten für umstrittene
Technologien nicht mehr verfügbar sind.
4.3.2 Einordnung des Artikels in die Dissertation
Der Druck schränkt den Handlungsspielraum eines Unternehmens stark ein. Aus diesem
Grund beleuchtet dieser Artikel die einzelnen Komponenten des Druckes zum Phase-Out
einer Technologie: Eigene Zweifel, gesellschaftlicher Druck, Nachfrageeinbruch und Be¬
schaffungsprobleme. Das systematische Abschätzen des Druckes zum Phase-Out einer
Technologie erlaubt dem Management ein gezieltes Vorgehen.
4 Publikationen 33
4.3.3 Schlussfolgerungen des Artikels
Der Artikel zieht zwei hauptsächliche Implikationen für das Management:
- Ganzheitliche Betrachtung notwendig. Um die Betroffenheit der eigenen Unternehmungvon einer Kontroverse um eine umstrittene Technologie korrekt einschätzen zu können,müssen Manager die drei Teilsystcmc Anstoss zur Besorgnis, Verstärkung im gesell¬schaftlichen Umfeld und die Ablehnung in der Werlschöpfungskette betrachten.
- Es existieren vier Motivationstypen für den Phasc-Out: Eigene Zweifel, gesellschaftlicherDruck, Nachfragccinbruch und Beschaffungsproblcmc. In allen untersuchten Fällen war
mindestens einer dieser Motivationstypen Grund für den Phasc-Out-Entschcid. Unter¬
nehmen, welche diese vier Bereiche betrachten, können Kontroversen um eine umstritte¬
ne Technologie systematisch erkennen und ihre Relevanz einschätzen.
4.3.4 Gewählter Publikationsort
Die Unternehmung als Organ der Schweizerischen Gesellschaftfür Betriebswirtschaft (SGB)verbreitet neue Erkenntnisse der betriebswirtschaftlichen Forschung. Die Zeitschrift richtet
sich an Studierende, Dozierende wie auch Praktiker der Betriebswirtschaft. Technologic-und Innovationsmanagement bildet einen Themenschwerpunkt der Zeitschrift.
4 Publikationen 34
4.4 Die Abhängigkeit von umstrittenen Technologien verringern
Boutellier, R, und Biedermann, A. (2006): Die Abhängigkeit von um¬
strittenen Technologien verringern, in io new management, 9, 16-19.
Der Abdruck der gesamten Publikation befindet sich in Kapitel 6.4.
4.4.1 Zusammenfassung der Publikation
Seit jeher verwendete die Industrie bleihaltige Legierungen, um elektronische Geräte zu lö¬
ten. Nun dürfen seit Mitte 2006 in weiten Teilen des europäischen Marktes keine neuen, e-
lcktronischen Geräte mehr verkauft werden, die Blei und andere als problematisch eingestuf¬te Substanzen enthalten. Für die betroffenen Firmen bedeutet dies einen grossen Aufwand
und verursacht viele Unsicherheiten. Unternehmen aus anderen Branchen sind mit ähnlichen
Herausforderungen konfrontiert. Jahrelange technologische Erfahrungen lassen sich nicht
innerhalb weniger Monate substituieren. Zudem benötigt auch die Anpassung anderer Ge¬
schäftsprozesse Zeit. Das systematische, frühe Erkennen von Kontroversen um Technolo¬
gien ist deshalb eine unverzichtbare Aufgabe eines jeden Managements, um solche Entwick¬
lungen sicher und erfolgreich zu meistern.
4.4.2 Einordnung des Artikels in die Dissertation
Dieser Artikel fokussiert auf die Identifikation von Kontroversen um eine Technologie. An¬
hand des Phase-Outs der bleihaltigen Elektronik in der EU zeigt er die Relevanz des Themas
für unterschiedliche Unternehmen auf. Da die Mitarbeiter oft über die Ablehnung einer
Technologie erstaunt sind hebt der Artikel die Relevanz von gesellschaftlichen Prozessen
hervor um die stattfindende Entkopplung von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und
gesellschaftlicher Reaktion zu veranschaulichen. Daneben zeigt der Text auf, welche unter¬
schiedlichen Abteilungen in den Unternehmen als Horchposten für aufkommende Kontro¬
versen dienen können.
4 Publikationen 35
4.4.3 Schlussfolgerungen des Artikels
Der Artikel zieht verschiedene Implikationen für das Management:
- Die Früherkennung ist Aufgabe der Gcschäftsleitung. Da Warnhinweise im gesamtenUmfeld auftreten und daher auch durch unterschiedliche Untcrnchmcnsbereiche wahrge¬nommen werden liegt die Verantwortung über das zentrale Sammeln und Aufbereiten
dieser Informationen im Bereich der Geschäftsleitung.- Bewusststcin in den Abteilungen schaffen. Die vielen unterschiedlichen Technologien,
welche eine Unternehmung einsetzt sind nur schwer überschaubar. Die einzelnen Abtei¬
lungen können daher nicht auf alle diese Technologien sensibilisiert sein und haben von
den jeweiligen Technologien auch ein unterschiedliches Bild. Eine Liste der eingesetztenTechnologien ist ein erster Schritt zur Identifikation und raschen Einordnung von auf¬
kommenden Kontroversen.
4.4.4 Gewählter Publikationsort
Integraler Teil der angewandten Forschung ist die Verbreitung der erarbeiteten Erkenntnisse
in der Praxis. Die deutschsprachige Zeitschrift io new management erfüllt diese wichtigeScharnierfunktion zwischen betriebswissenschaftlichcr Forschung und Management-Praxis.
4 Publikationen 36
4.5 Qualitätsmanagement bei umstrittenen Technologien
Boutellier, R. und Biedermann, A. (2007): Qualitätsmanagemcnt bei
umstrittenen Technologien, in Pfeifer, T. und Schmitt, R. (Hrsg.) Ma-
sing Handbuch Qualitätsmanagement, München, Carl Hanser Verlag.
Der Abdruck der gesamten Publikation befindet sich in Kapitel 6.5.
4.5.1 Zusammenfassung der Publikation
Kundenansprüche definieren die Qualitätsanfordcrungcn an ein Produkt und der Kunde ent¬
scheidet massgeblich über die Akzeptanz einer Technologie. Umstrittene Technologien sind
daher für qualitätsbewusstc Unternehmen speziell relevant: Wenn eine Technologie in der
Öffentlichkeit unter Beschuss gerät kann ihre Vermeidung zum Qualitätskriterium werden.
Die Anforderungen an die alternativen Technologien sind in der Regel höher als bei klassi¬
schen Markteinführungen von neuen Technologien, da diese neuen Technologien mit bereits
seit längeren gewachsenen Anforderungen der Kunden Schritt halten müssen. Die Alterna¬
tivtechnologien müssen daher bereits zu Beginn ihrer Anwendung ein hohes Leistungsniveauerreichen. Bewährte Methoden aus dem klassischen Produktentwicklungsprozess reichen
nicht aus.
Technologien finden in vielen Produkten Anwendung. Einige Technologien werden durch
das eigene Unternehmen direkt eingesetzt, der Grossteil wird aber durch die Lieferanten im¬
plizit in den zugekauften Komponenten oder Rohstoffen geliefert. Die Beschaffungsabtei¬lung spielt daher eine wichtige Rolle beim bewussten Umgang mit umstrittenen Technolo¬
gien. Da sich Lieferanten gegenüber ihren Kunden nicht gerne zum Thema umstrittene
Technologien äussern, muss die Beschaffungsabteilung aktiv auf die Lieferanten zugehenund den systematischen Umgang mit diesen Technologien initiieren.
4.5.2 Einordnung des Artikels in die Dissertation
Dieser Artikel beleuchtet die drei Hauptphasen im Umgang mit einer umstrittenen Techno¬
logie: Identifikation, Handling und Phase-Out. Der Umgang mit umstrittenen Technologienist oft Aufgabe der Qualitätsabtcilungen. Aus diesem Grund ist ein vertieftes Verständnis der
wichtigen Mechanismen im Umfeld und der unternehmerischen Herausforderungen notwen¬
dig. Dieser Beitrag vermittelt zum einen das Verständnis für diese Abläufe, zum anderen
gibt er Hinweise für das Management mit Schwergewicht auf qualitätsrelcvante Themen.
4 Publikationen 37
4.5.3 Schlussfolgerungen des Artikels
Der Artikel zieht die folgenden Implikationen für das Management:
- Umstrittene Technologien - Ein typisches Qualitätsthema. Oft ist die Qualitätsabteilungdie erste Anlaufstelle für solche Issues. Es ist daher sinnvoll, dass die frühen Informatio¬
nen zu aufkommenden Kontroversen auch von dieser Stelle gesammelt und ausgewertetwerden. Den unterschiedlichen Sichtweisen der Technologien durch die anderen Abtei¬
lungen ist Rechnung zu tragen.- FünfHandlungsvarianten. Dem Management stehen fünf Handlungsvarianten zur Verfü¬
gung: Akzeptanz erhöhen, Alternativen verfügbar machen, Alternativen verunmöglichen,Technologie-Substitution und Marktausstieg. Je nach Situation sind unterschiedliche Va¬
rianten anwendbar und empfehlenswert.- Langzeitzuverlässigkeit von Technologien frühzeitig adressieren. Über das Langzeitver-
haltcn herrscht bei einer Technologiesubstitution in der Regel grössere Unsicherheit.
Wenn Unternehmen sich nicht selber frühzeitig um Tests bemühen, stehen in der Regelnur allgemeine Studien zur Verfügung, welche für das eigene Unternehmen nur bedingtanwendbar ist.
4.5.4 Gewählter Publikationsort
Das Masing Handbuch Qualitätsmanagement ist ein über l'OOO Seiten umfassendes Stan¬
dardwerk im Bereich Qualitätsmanagement und ist im deutschsprachigen Raum unter Stu¬
dierenden wie auch Praktikern des Qualitätsmanagemcnts weit verbreitet. Das Thema um¬
strittene Technologien unter Qualitätsaspekten ist im Teil Beschaffungsmanagement einge¬gliedert.
4 Publikationen 38
4.6 Umgang der Unternehmen mit umstrittenen Technologien
Boutellier, R. und Biedermann, A. (2005): Umgang der Unternehmen
mit umstrittenen Technologien, in Gausemeier, J. (Hrsg.) Voraus¬
schau und Technologieplanung, Paderborn, Heinz Nixdorf Institut,27-48.
Der Abdruck der gesamten Publikation befindet sich in Kapitel 6.6.
4.6.1 Zusammenfassung der Publikation
Es ist unmöglich, vor der Markteinführung einer Technologie alle auftretenden Nebenwir¬
kungen zu erkennen. Für Unternehmen ist das Beobachten der Produkte übcrlcbcnswichtig,da eingesetzte Technologien umstritten werden können. Zwar kann eine Firma den Umgangmit umstrittenen Technologien sorgfältig planen, aber die Reaktionen der Öffentlichkeit kön¬
nen so emotional und politisch ausfallen, dass immer wieder mit Überraschungen gerechnetwerden muss. Ein rascher Ausstieg aus einer umstrittenen Technologie ist in der Regel kaum
möglich.
Chlor ist ein wichtiger Grundstoff für die Industrie. Seine Herstellung mit Quecksilber wird
in Westeuropa voraussichtlich ab 2020 verboten. Das Phase-Out ist ein langer Prozess mit
unsicherem Ausgang. Anhand der Quecksilber-Technologie und anderer Beispiele entwi¬
ckelt der Artikel Konzepte zum Umgang mit umstrittenen Technologien.
Die große Unsicherheit über das Schicksal einer Technologie bedingt, dass sich Unterneh¬
men mehrere Optionen offen halten und die Entwicklungen im Umfeld systematisch analy¬sieren. Dabei geht es in erster Linie um die Prognose des Verhaltens der beteiligten Akteure
sowie um die Frage, wie lange und in welcher Form die Technologie noch eingesetzt werdensoll.
4.6.2 Einordnung des Artikels in die Dissertation
Dieser Artikel beschreibt anhand des Beispieles der Chlorherstellung mittels Quccksilbcr-zell-Technologie die Phase-Out-Situation einer umstrittenen Technologie. Andere umstritte¬
ne Technologien werden zur Illustration hinzugezogen. Der Phase-Out-Prozess kann mehre¬
re Jahrzehnte dauern und sein Ausgang ist ungewiss, da die gesetzten Zieltermine häufigverändert werden können und die Wissenschaft neue Forschungsrcsultate hervorbringt. Die
gesundheitlichen und ökologischen Auswirkungen von Quecksilber sind schon länger be¬
kannt und die Chlor-Alkali-Tndustrie befindet sich mitten im Phase-Out von Quecksilber-Zellen.
4 Publikationen 39
4.6.3 Schlussfolgerungen des Artikels
Der Artikel zieht verschiedene Implikationen:
- Die Funktionalität von umstrittenen Technologien ist nicht rasch substituierbar. Der Pro-
zess dauert oft mehrere Jahrzehnte und die Rahmenbedingungen sind ungewiss.- Bei umstrittenen Technologien bestimmen gesellschaftliche Prozesse und die technologi¬
sche Machbarkeit in hohem Masse die Randbedingungen. Es ist daher mit Überraschun¬
gen zu rechnen.
- Unternehmen sollen sich ihrer Abhängigkeit von einzelnen Technologien bewusst sein.
Ist diese Abhängigkeit zu gross, laufen sie Gefahr, den Technologiewechsel nicht innert
nützlicher Frist zu vollziehen. Sic sollen sich technologische Optionen offen halten.
- Eine enge Kommunikation mit Gesetzgebern, Kunden und Wissenschaftlern hilft, auf¬
kommende Probleme frühzeitig zu identifizieren und zu adressieren.
- Es ist unmöglich, alle potentiellen Nebeneffekte des Technologieeinsatzes zu beginn zu
entdecken. Ein kontinuierliches Monitoring von Produkten und Prozessen ist daher unab¬
dingbar.
4.6.4 Gewählter Publikationsort
Das jährlich stattfindende Symposium für Vorausschau und Technologieplanung bietet eine
Plattform zum gegenseitigen Austausch über internationale Forschung im Bereich Techno¬
logiemanagement. Die Symposiumsbeiträge sind in der Schriftenreihe des Heinz-Nixtorf-
Instituts erschienen.
4 Publikationen 40
4.7 Management umstrittener Technologien
Boutellier, R. und Biedermann, A. (200X): Management umstrittener
Technologien, in Zeitschrift Führung und Organisation.
Der Abdruck der gesamten Publikation befindet sich in Kapitel 6.7.
4.7.1 Zusammenfassung der Publikation
Seit der Industrialisierung kommen immer wieder Technologien unter Druck der Öffentlich¬
keit und werden verboten. In Abhängigkeit der Stärke des Druckes und der Verfügbarkeitvon Alternativtechnologien haben wir durch Interviews in über vierzig Unternehmen vier
gencrische Situationen identifiziert, in welche betroffene Firmen geraten können: Dominant
Design, Lock-In, Zugzwang und Trade-Off. Daneben konnten wir fünf Szenarientypen un¬
terscheiden, wie sich umstrittene Technologien aus Untemehmenssicht entwickeln.
Zum systematischen Umgang mit solchen Technologien stehen den Unternehmen verschie¬
dene Varianten zur Verfügung. Neben der Substitution einer Technologie und der Entwick¬
lung von Alternativtechnologien sind dies der Marktausstieg und der Versuch, die gesunkeneAkzeptanz der Technologie wieder zu erhöhen. Auffallend ist, dass viele Unternehmen erst
unter Druck Alternativen verfügbar machen.
4.7.2 Einordnung des Artikels in die Dissertation
Unternehmen, welche in Berührung mit umstrittenen Technologien kommen, stehen vor vier
ITauptaufgaben: Identifikation der Kontroverse, bewusster Umgang, Phase-Out und Clean¬
up. Der Artikel fokussiert auf das Handling als zweiten Schritt, den bewussten Umgang mit
solchen Technologien.
Das Handling dauert bei Unternehmen oft mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte und ist stark
durch den Druck zum Phasc-Out der Technologie und der Verfügbarkeit von Alternativen
geprägt. Die von den Unternehmen gewählte Variante für den Phase-Out der Technologiehängt vom Verlauf während des Handlings ab: Sind Alternativen verfügbar, wählen Unter¬
nehmen in der Regel die Substitution der Technologie. Ist hingegen der Druck gegen den
Einsatz der Technologie zu gross und keine Alternativen in Sicht, empfiehlt sich der Markt¬
ausstieg.
4 Publikationen 4]
4.7.3 Schlussfolgerungen des Artikels
Der Artikel zieht drei hauptsächliche Implikationen für das Management:
- Vier generische Situationen. Unternehmen, welche sich mit umstrittenen Technologienkonfrontiert sehen, befinden sich in einer der vier Situationen Dominant Design, Lock-ln,
Zugzwang und Tradc-off. Diese vier Situationen sind abhängig vom Druck zum Phase-
Out und den verfügbaren Alternativen.
- FünfHandlungsalternativen. Dem Management stehen in Abhängigkeit der gencrischenSituation unterschiedliche Handlungsvariantcn zur Verfügung: Alternativen verfügbarmachen, Alternativen verunmöglichen, Akzeptanz erhöhen, Marktausstieg oder Techno¬
logie-Substitution. Die meisten Unternehmen machen Technologien erst unter äusserem
Druck verfügbar. Erhöhen des Druckes ist erst nach dem eigenen Phase-Out der Techno¬
logie sinnvoll.
- FünfEntwicklungsszenarien: Die untersuchten Unternehmensfällc lassen sich in fünf Ent¬
wicklungsszenarien gruppieren, wobei drei der Szenarien in der Substitution der Techno¬
logie enden, eines den Marktausstieg zur Folge hat und das fünfte der Vertagung der Dis¬
kussion um die Technologie entspricht.
4.7.4 Gewählter Publikationsort
Die Zeitschrift Führung und Organisation (zfo) fördert den Wissenstransfer aus den Berei¬
chen Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung auf dem Gebiet der Führung und Organisati¬on. Die Zeitschrift stellt den Anwendungsbezug in den Mittelpunkt der Beiträge und belegteinen Spitzenplatz unter den deutschsprachigen Fachzeitschriften.
4 PubliktiLionen 42
4.8 Systementwickler und Modullieferanten
Boutellier, R. und Biedermann, A. (2005): Systementwickler und
Modullieferantcn, in Albers, S. und Gassmann, O. (Hrsg.) Handbuch
Technologie- und Innovationsmanagement. Strategie - Umsetzung -
Controlling, Wiesbaden, Gabler-Verlag, 641-658.
Der Abdruck der gesamten Publikation befindet sich in Kapitel 6.8.
4.8.1 Zusammenfassung der Publikation
Die Modularisierung ist ein wichtiger Treiber in der Weiterentwicklung von technologischenSystemen, da sie die Fokussicrung einzelner Unternehmen auf Technologien erlaubt. Sys¬tementwickler und Modullieferantcn können heute in vielen Branchen angetroffen werden:
Der Systcmentwickler konzentriert sich auf die Erfüllung einer Funktion und bietet diese für
möglichst viele Produkte an. Der Modullicfcrant beherrscht eine Baugruppe produktions¬technisch und sucht Skaleneffekte, indem sein Modul in mehreren Systemen verwendet
wird. Am bekanntesten ist diese Systematik in der Automobilbranchc und der PC-Tndustrie.
Modularisierung findet aber nicht mehr nur in diesen typischen Branchen statt, sondern auch
in Industrien, in welchen lange Zeit keine entsprechende Tendenz spürbar war.
Wie das Beispiel der Diffusionsbarriere bei PET-Falschcn aufzeigt kann durch die Auftei¬
lung der Entwicklungsschritte auf einzelne Unternehmen die Entwicklung von Systemenstark beschleunigt werden: Die Barriercncigenschaften werden bestimmt durch die Form der
Flasche, den Verschluss, die Etikette und das Material. Jedes dieser vier Module erfordert
Spczialwissen und spezielle, investitionsintensive Produktionstechniken. Dies hat zur modu-
larcn Produktentwicklung mit einem Systementwickler an der Spitze geführt. Der System¬entwickler übernimmt die Integration des Wissens und die Koordination der Leistungen der
Modulcntwickler. Produktion und Entwicklung der Module erfolgen bei den einzelnen Mo-
dulspezialistcn.
4.8.2 Einordnung des Artikels in die Dissertation
Die beschriebene Segmentierung der Wertschöpfungskette durch Spezialisierung ist ein
Treiber zum Entstehen von dominanten Designs, welche letztlich die Substitution einer
Technologie erschweren. Die Wahl der Systemarchitektur hat weit reichende Konsequenzenauf die Ausgestaltung der internen Organisation und auch auf die Positionierung von Zulie-
ferfirmen im Wertschöpfungsnetzwerk, da spezialisierte Unternehmen entstehen. Diese Un¬
ternehmen können auf der einen Seite Skaleneffektc nutzen und erzielen beachtliche Fort¬
schritte, auf der anderen Seite bedeutet diese Spezialisierung aber auch, dass sich das techno¬
logische Wissen auf spezialisierte Unternehmen konzentriert und die Systemintegratoren nur
noch die Koordination oder Orchestrierung der Aktivitäten der Modullieferanten übernch-
4 Publikationen 43
men. Sie werden abhängig von diesen und sind sich immer weniger der eingesetzten Techno¬
logien bewusst.
Diese Abhängigkeiten spielen im Verfiigbar-Machcn von Alternativen zu umstrittenen Tech¬
nologien eine wichtige Rolle, da diese oft nur im Verbund entwickelt werden können. Auf
der anderen Seite können diese Technologien nicht von Beginn weg die Leistung erbringen,welche die seit längerem entstandenen Geflechte aus Systemintegratoren und Modullieferan¬
ten erreichen.
4.8.3 Schlussfolgerungen des Artikels
Der Artikel zieht verschiedene Implikationen für das Management:
- Die Modularisierung von Produkten nimmt zu. Sie hat Auswirkungen auf unterschiedli¬
che Bereiche von Unternehmen und auf die Wertschöpfungskette.- Die Gestaltung der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und ihren Lieferanten wird
wegen der Modularisicrung wichtiger. In Zukunft ist vermehrt auf diese Schnittstellen zu
achten.
- Modularisierung ist ein Mittel um Konstanz und Veränderung in Unternehmen nebenein¬
ander zu fördern. Sie ist in allen Lebensphasen eines Produktes zu berücksichtigen.- Modularisierung und damit die Produktarchitektur ist ein wesentlicher Einflussfaktor für
die Ausgestaltung der Unternchmcnsorganisation.
4.8.4 Gewählter Publikationsort
Das Handbuch Technologie- und Innovationsmanagement dokumentiert den aktuellen Er¬
kenntnisstand aus der Sicht unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen. Der Beitrag ist im
Teil Trends im Technologie- und Innovationsmanagement eingeordnet.
4 Publikationen 44
4.9 Disruptions in global industries (I)
Boutellier, R. und Biedermann, A. (2006): Disruptions in global in¬
dustries caused by controversial technologies. The case of lead-free
soldering in electronics, IFSAM VITIth World Congress 2006, hosted
by VHB. Berlin.
Der Abdruck der gesamten Publikation befindet sich in Kapitel 6.9.
4.9.1 Zusammenfassung der Publikation
Dieser Artikel zeigt zum einen Trends auf, welche umstrittene Technologien in Zukunft re¬
levanter für Unternehmen werden lassen und illustriert zum anderen den Bezugrahmen mit
dem Beispiel des Phasc-Outs von bleihaltiger Elektronik, welche seit Mitte 2006 in der EU
weitgehend verboten ist. Das gesellschaftliche Umfeld der Unternehmen wird vertieft erläu¬
tert.
Die Auswirkungen des Phase-Out von bleihaltigen Elektronikkomponenten auf die Unter¬
nehmen sind vielfältig. Neben den Herstellern dieser Komponenten sind die Bestücker von
Elektronikbautcilcn, die Hersteller von Produktionsanlagcn und Lötmaterialien und auch die
Hersteller der Endprodukte in unterschiedlicher Weise betroffen. Die Händler von Elcktro-
nikbauteilen und Endprodukten spielen als Informationsdrehscheibe eine wichtige Rolle. Das
Beispiel des Ausstiegs aus bleihaltiger Elektronik zeigt die Vcrnctzthcit von erzwungenen
Technologyewechseln anschaulich auf.
4.9.2 Einordnung des Artikels in die Dissertation
Die Analyse dieses Falles festigt den Bezugsrahmen anhand des Ausstiegs der Industrie aus
bleihaltiger Elektronik. Im beschriebenen Fall ist die Unsicherheit im ganzen Phase-Out-
Prozess besonders gut sichtbar, da die technologische Machbarkeit, die sich neu durchset¬
zende dominante Lotlegierung und auch die Umstellung in der logistischen Kette lange Zeit
unklar waren. Auch die regulatorischen Rahmenbedingungen waren dynamisch. So kursier¬
ten fünf Jahre vor dem effektiven Phase-Out-Stichtag unterschiedliche Fristen in den Fach¬
zeitschriften und einige Monate vor dem definitiven Phase-Out wurden die gesetzlich erlaub¬
ten Ausnahmen noch geändert.
4 Publikationen 45
4.9.3 Schlussfolgerungen des Artikels
Der Artikel zieht verschiedene Implikationen für das Management:
- Es existieren verschiedene Lebensphasen von umstrittenen Technologien, insbesondere in
Bezug auf die technologische Abhängigkeit und den externen Druck.
- Das Phasc-In einer Technologie kann unterschiedlich erfolgen: Zum einen bewusst oder
unbewusst und zum anderen durch Lieferanten, die eigene Firma oder den Kunden.
- Zweifel an einer Technologie auch ausserhalb der eigenen Branche sind zu beobachten
und ernst zu nehmen. Sie dürfen nicht im Tagesgeschäft untergehen.- Die Auswahl und das Testen von Alternativtechnologien benötigt eine lange Vorlaufzcit.
- Über solche Technologien kommunizieren Unternehmen nur ungern mit externen Part¬
nern. Diese Kommunikation gilt es neu zu kultivieren.
- Da es sich bei umstrittenen Technologien oft um Basistechnologien handelt, wird die
Komplexität der Fragestellung unterschätzt.
4.9.4 Gewählter Publikationsort
Der alle zwei Jahre stattfindende World Congress der International Federation ofScholarlyAssociations ofManagement (IFSAM) bietet Managementforschem aus der ganzen Welt die
Gelegenheit zum gegenseitigen Austausch. Die angesprochenen Themen am Kongrcss rei¬
chen von Corporate Social Responsibility über Technology and Innovation bis hin zu Globa¬
lization in the Value Chain. Die globalen Zusammenhänge im Phase-Out der bleihaltigenElektronik als umstrittene Technologie prädestinierten den Artikel als Beitrag zu diesem
Kongress.
Zudem wird dieser Beitrag in leicht abgeänderter Form als Buchbeitrag im HerausgeberwerkInformation Technology Entrepreneurship and Innovation erscheinen.
4 Publikationen 46
4.10 Disruptions in global industries (II)
Boutellier, R. und Biedermann, A. (2007): Disruptions in global in¬
dustries caused by controversial technologies: the case of lead-free
soldering in electronics, in Zhao, F. (Hrsg.) Information TechnologyEntrepreneurship and Innovation.
Diese Publikation erfolgt in enger Anlehnung an den gleichnamigenKonferenzbeitrages zur IFSAM-Konferenz 2006. Der Abdruck der
gesamten Publikation befindet sich in Kapitel 6.10.
4.10.1 Zusammenfassung der Publikation
Dieser Buchbeitrag zeigt zum einen Trends auf, welche umstrittene Technologien in Zukunft
relevanter für Unternehmen werden lassen und illustriert zum anderen den Bezugrahmen mit
dem Beispiel des Phase-Outs von bleihaltiger Elektronik, welche seit Mitte 2006 in der EU
weitgehend verboten ist. Das gesellschaftliche Umfeld der Unternehmen wird vertieft erläu¬
tert.
Die Auswirkungen des Phase-Out von bleihaltigen Elcktronikkomponenten auf die Unter¬
nehmen sind vielfältig. Neben den Herstellern dieser Komponenten sind die Bestücker von
Elektronikbautcilen, die Hersteller von Produktionsanlagcn und Lötmaterialien und auch die
Hersteller der Endprodukte in unterschiedlicher Weise betroffen. Die Händler von Elektro¬
nikbauteilen und Endprodukten spielen als Informationsdrehscheibe eine wichtige Rolle. Das
Beispiel des Ausstiegs aus bleihaltiger Elektronik zeigt die Vcrnctzthcit von erzwungenen
Technologiewechseln anschaulich auf.
4.10.2 Einordnung des Artikels in die Dissertation
Die Analyse dieses Falles festigt den Bezugsrahmen anhand des Ausstiegs der Industrie aus
bleihaltiger Elektronik. Im beschriebenen Fall ist die Unsicherheit im ganzen Phasc-Out-
Prozess besonders gut sichtbar, da die technologische Machbarkeit, die sich neu durchset¬
zende dominante Lotlcgierung und auch die Umstellung in der logistischen Kette lange Zeit
unklar waren. Auch die regulatorischen Rahmenbedingungen waren dynamisch. So kursier¬
ten fünf Jahre vor dem effektiven Phase-Out-Stichtag unterschiedliche Fristen in den Fach¬
zeitschriften und einige Monate vor dem definitiven Phasc-Out wurden die gesetzlich erlaub¬
ten Ausnahmen noch geändert.
4 Publikationen 47
4.10.3 Schlussfolgerungen des Artikels
Der Artikel zieht verschiedene Implikationen für das Management:
- Das Phase-In einer Technologie kann unterschiedlich erfolgen: Zum einen bewusst oder
unbewusst und zum anderen durch Lieferanten, die eigene Firma oder den Kunden.
- Zweifel an einer Technologie auch ausserhalb der eigenen Branche sind zu beobachten
und ernst zu nehmen. Sic dürfen nicht im Tagesgeschäft untergehen.- Die Auswahl und das Testen von Altcrnativtcchnologicn benötigt eine lange Vorlaufzeit.
- Über solche Technologien kommunizieren Unternehmen nur ungern mit externen Part¬
nern. Diese Kommunikation gilt es neu zu kultivieren.
4.10.4 Gewählter Publikationsort
Das Hcrausgeberwerk Information Technology Entrepreneurship and Innovation" von Dr.
Fang Zhao von der School of Management der RMIT University in Melbourne arbeitet aktu¬
elle Trends in der Management-Forschung im Bereich der Information- und Kommunikati-
onstechnologic auf.
5 Literaturverzeichnis 48
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C) Kopien der Publikalionen I
6 Kopien der Publikationen
6 Kopien der Publikationen \]
6.1 Qualitätsgerechte Produktplanung
BouteUier, R. und Biedermann, A. (2007): Qualitätsgerechte Pro¬
duktplanung, in Pfeifer, T. und Schmitt, R. (Hrsg.) Masing Handbuch
Quahtätsmanagement, München, Carl Hanser Verlag.
fiiS* V'
Prof. Dr. Roman BoutcUler und Dipl. Ing. ETII Andreas Biedermann
27-1 Definition und Bedeutung
22.2 QFD: Kundenanforderungenkonsistent umsetzen
22.3 Simultaneous Engineering:
Zeitgewinn und bessere Lösungen
22.4 Prototypen: Komplexe
Zusammenhänge rechtzeitigerkennen
22.5 Reviews: Abstand gewinnen und
Abhängigkeiten identifizieren 11
22.6 Zusammenarbeit mit Lieferanten:
Notwendige Komplexilatsreduklion 12
22.7 Drei Hauptphasen der
Produktentwicklung 14
22.7.1 Vorprojektphase 15
22.7.2 tntwicklungsphasc 20
22.7.3 Markteinführungsphase 22
22.8 Ausblick 76
22.9 Literatur 26
1
ie Qualität eines Produktes wird wehrend seiner Entwicklung maßgeblichmitbestimmt. Stimmt die Entwurfsqualität nicht, hat das Unternehmen
während der ganzen Produktlebenszeit Mühe, die notwendige Ausführungs¬
qualität zu erreichen. Daherverfügen viele Unternehmen neben dem Strategie-und dem Auftragsabwicklungsprozess auch über einen definierten Innovationsprozess, in
welchem sie die Bereitstellung neuer Produkte und Services systematisch bearbeiten.
Wir betrachten den Innovationsprozess unter dem Aspekt der qualitätsgerechten
Produktplanung und beleuchten die wichtigsten Managementaufgaben in Innovations¬
vorhaben.
Unternehmen wenden ausgewählte Methoden an, um die Qualität der Innovation
sicherzustellen: Quality Function Deployment, Simultaneous Engineering, Prototyping,Reviews, Zusammenarbeit mit Lieferanten und die Aufteilung in drei Prozessphasen.
Quality Function Deployment dient als Tool, um die Erfüllung der wichtigen Kunden¬
anforderungen sicherzustellen. Simultaneous Engineering im Innovationsprozess erlaubt
Zeitersparnis und somit eine frühere Markteinführung. Unternehmen können so den
Innovationsvorsprung besser ausnutzen. Obwohl die Simulation von Produkten am
Computer in den letzten Jahren massive Fortschritte erzielt, sind Prototypen noch immer
unverzichtbar, um Funktionsweisen oder Kundenakzeptanz in einem frühen Entwick¬
lungsstadium zu testen. Regelmäßige Reviews im Innovationsprozess erlauben es, den
Projektfortschritt zu beurteilen und Abhängigkeiten der kommenden Aktivitäten zu
identifizieren. Der Innovationsprozess soll in drei Phasen unterteilt werden: Vorprojekt-,
Entwicklungs- und Markteinführungsphase. Die Vorprojektphase zeichnet sich durch eine
hohe Unsicherheit in Bezug auf Anforderungen und Realisierbarkeit aus. Die strukturierte
Entwicklungsphase setzt demgegenüber beherrschte Technologien und klare Kunden¬
anforderung voraus. Bei der Markteinführung können zwei Ansätze unterschieden wer¬
den: Big Bang und Lead Concept. Bei erhöhtem Zeitdruck ist Big Bang vorzuziehen.
Innovation steht heute im Zentrum unternehmerischer Überlegungen. Viele sehen darin
den besten Weg, um schwindende Margen, hohe Lohnkosten und Arbeitslosigkeit zu
überwinden. Um dies zu erreichen, muss die Qualität neuer Produkte und Services schon
während des gesamten Innovationsprozesses berücksichtigt werden.
2
22.1 Definition und Bedeutung
22.1 Definition und Bedeutung
Jedes Unternehmen verfügt über drei Hauptprozcsse: Den
Strategieprozess, den Innovationsprozess und die Aul
tragsabwicklungsprozes.se (Abb. 22.1). Der Strategiepro-
zess setzt die Ziele für erfolgreiche Innovationen, mit
der Innovation „kommt das Neue in die Welt" (von Pierer
1997) und mit der Auftragsabwicklung finden die Pro
dukte ihren Weg auf den Markt. Während der Auftrags-
abwicklungsprozess vor allem die Effizienz von Routine¬
arbeiten sicherstellt und der Strategieprozess das Unter¬
nehmen gegenüber seinen Konkurrenten positioniert,
steht und fällt der Innovationsprozess mit der Entwurfs¬
qualität.
Die entwickelten Produkte umfassen Güter und Dienst¬
leistungen für externe Kunden, aber auch Zeichnungen,
Arheitsanweisungen, Schulungsunterlagen etc. für interne
Kunden. Die Auftragsabwicklungsprezesse stellen primär
Produktion, Distribution und Kundenbetreuung sicher,
enthalten aber auch unterstützende Verfahren wie Model¬
lierung, Computer Aided Design oder Schulung der Ver¬
käufer zur I'rodukteinführung. Trendmäßig gehen viele
Bereiche der Dienstleistungen in die gleiche Richtung
wie die Industrie: Auch Banken, Versicherungen und Ge-
sundheitsilienstleister sind immer stärker aufTechnologie
angewiesen. Qnalitätsplanung erfüllt deshalb auch in die¬
sen Branchen die wichtige Rolle der Systematisierung des
ganzen Innovationsprozesses- Serviceleistungen werden
immer stärker „individualisiert" und bewährte Methoden
aus der Industrie werden vermehrt im Dienstleistungs¬
sektor angewandt.
Die Produktqualität ist zum grollen Teil Ergebnis der Ent¬
wicklung. In einem schlechten Entwurf sind die Qualitäts-
problcme bei nachfolgenden Wertschöplungsprozessen
vorprogrammiert. Viele Probleme heutiger Firmen hallen
daher ihren Ursprung in einer ungenügenden Systematik
der Innovationsaktivjtälen (Juran 1988), also einer unge¬
nügenden Qualität des Entwurfes (siehe Tab. 22.1). Diese
Qualitätsdefizite lassen sich in den wenigsten Fällen auf
menschliches Versagen zurückführen und sind leider
häufig systembedingt. Sie wurden unbewusst so „geplant"
(Perrow 1984).
Die letzten lahre haben tünf große Herausforderungen
mit sich gebracht:
1. Kunden haben höhere und stärker differenzierte An¬
sprüche.
2. Einige Technologien veralten rasch.
3. Der Wettbewerb findet global statt.
4. Simulation mit mathematisch-physikalischen Modellen
erlaubt eine bessere theoretische Absicherung.
5. Lieferanten bieten Teilsysteme an und nicht mehr nur
Einzelteile.
Unternehmen müssen ihre Entwicklungsgeschwindig¬
keit erhohen, was zu höheren technischen Risiken führt,
sodass die Anforderungen an die Qualitätsplanung
Tab. 22.1: Problemfelder mit Ursprung in den Innovatiansaktivitäten
zwischen Kundenbedürfnis und Funktionserfüllung sind
einerseits ein großes Potenzial für Produktverbesserungen
und Kosteneinsparungen, andererseits machen sie das
Produkt aber auch verwundbar gegenüber Konkurrenz-
produkten, welche die Kundenbedürfnisse zielgerichteter
erfüllen.
QFD hilft, zwischen den Unternehmenshereichen zu ver¬
mitteln und so die verschiedenen Aktivitäten im Ent-
wicklungsprnze.ss konsistent auf den Markt auszurichten.
Die Marktanforderungen sollen ohne Pinbuße an Präzision
auf allen Stufen der Wertschöpfungskette gelten. Hoch¬
stehende Qualilätsplanung zeichnet sich aber gerade da¬
durch aus, dass sie diese prinzipiellen Limite kennt und
ihre Auswirkungen immer wieder kritisch hinterfragt,
beispielsweise mit periodischen Fehlermöglichkeit- und
Finfluss-Analysen (FMF.A).
Der ÜFD-Prozess
Der vollständige QFD-Prozoss besteht in der Regel aus
einem vorbereitenden Schritt und drei „Über¬
setzungsschritten", während derer die Kundehanforderun-
gen zunehmend auf einzelne Teile des Produktes und des¬
sen Herstellung übersetzt werden.
In jedem Schritt werden die Anforderungen der vorherge¬
benden Schritte weiter konkretisiert. Je nach Situation
müssen zusätzliche Schritte eingeplant (z.B. bei einem
komplexen Produkt) oder auch weggelassen werden. In
der Praxis beobachten wir häufig, dass bei einfacheren In¬
novationsvorhaben nur der zweite Schritt vollzogen wird,
die anderen Schritte werden implizit durchgeführt. Der
Aufwand für Routinetätigkeiten kann so minimiert wer¬
den.
House of Quality: Das Übersetzungstool im QFD
Der konzeptionelle Kern des QFD ist das „House of
Quality", welches in jeder „Oherset/.ungsphase" zum Ein¬
satz kommt, nachdem die Kundenbedürfnisse identifiziert
sind. Das House of duality dient als „Verständigungs¬
mittel" zwischen den verschiedenen Abteilungen. In jeder
Obersetzung werden die Anforderungen in Funktionen
überführt, welche die Ziele für die weiteren Aktivitäten
bilden. Das House of Quality erlaubt zudem die Gewich¬
tung der Anforderungen und den Vergleich mit der Kon¬
kurrenz.
Die Korrelationsmatrix ist ein wesentlicher Bestandteil des
House of Quality. Sie zeigt die Verbindung zwischen den
Anforderungen und den Funktionen aui. In jedem Schnitt¬
punkt wird ein Zahlenwert von 0 bis 3 eingetragen, wel¬
cher aussagt, wie stark die einzelne Funktion zur Erfüllung
der jeweiligen Anforderung beiträgt. Überflüssige Funktio¬
nen können so identifiziert werden und Over F.ngineering
wird vermieden. Auf der anderen Seite erlaubt es die Ma¬
trix auch, untererfüllte Anforderungen zu identifizieren.
Das Grundgerüst des House of Quality wird am einfachsten
in den folgenden vier Arbeitsschritten gefüllt. Die Numme-
rierung bezieht sich auf Abb. 22.4:
Das House of Quality kann nach diesen vier grundlegenden
Schritten erweitert werden. So kann man die Anforderun¬
gen gewichten, um die nachfolgende Priorisierung derFunktionenzuerleichtern.BeidenKundenanforderungenTab.Z2.3:VierPhasendesQf'D-ProzessesKundenanforderungenidentifizierenOffeneundnochnichtartikulierteKundenbedürfnissewerdendurchWorkshops,InterviewsoderMarktanalysenidentifiziert.ProduktplanenKundenanforderungenwerdenintechnischeFunktionsmerkmaleumgesetzt(vomLasten¬heftzumPflichtenheft).BaugruppenundTeileplanenAusdenFunktionsmerkmalenentstehendieMerkmaleaufderEbeneBaugruppeoderTeil(PflichtenheftfürBaugruppen).DieseentwickelnheutevielfachSystemlieferanten.ProzessplanenDietechnischenMerkmalevonProdukt,BaugruppenundTeilensindBasisfürdieGestaltungderbetrieblichenAbläufe.DieentscheidendenProzessparameterundPrüfpunktesindhierfestzulegen(PflichtenheftfürProzesse).5
ziell früher als bei sequentieller Entwicklung. Je früher
ein Fehler korrigiert werden kann, desto geringer sinddieFolgekosten.DieEntwurfsqualitätsteigt.22.4Prototypen:KomplexeZusammenhängerechtzeitigerkennenEinPrototypistdiephysischeRealisierungvonProduktoderProduktkomponentenindenverschiedenenPhasenderProduktentwicklung.EinguterPrototypmussfürdaszulösendeProblemrepräsentativundeinfachzutes¬tensein.DieTestresullatesolltensicheinfachanalysierenlassen.DiehoheKomplexitätderProduklenlwicklungerforderthandfesteIntegrafionswerkzeuge:NichtallePartnerimInnovationsprozesskönnenCAD-Zeichnungenlesen.DerPrototypenhauumfasstnichtnurdieHerstellungansich,sondernauchdievorhergehendenundnachfolgendenTätigkeitendesPrototypentwurfessowiedesPrototypen-tests.BisvorwenigenJahrenwurdenPrototypeneinge¬setzt,umoffenetechnischeFragenzubeantworten,diesichdurchBerechnungenundSimulationnichtdefinitivabklärenließen.HeutewirddemPrototypeinewesentlichbreitereFunktionzugestanden(Tab.22.6).IndenletztenlahrenhatmanvermehrtPrototypenerfahrungenausderSoftware-EntwicklungaufdieEntwicklungvonGerä¬tenundAnlagenübertragen.Tab.22.6:FunktionendesPrototypsjSä^S^^^^^^^^H^^^^^^^^^^^^^^^H^B^II^^HFunktionprüfenBeantwortenoffener,technischerFragenRisikenverminderninsbesondereSkaleneffektebeiSerienstartLernenausExperimentenRisikenbündeln,SimulationenundBerechnungenprüfenErmittlungvonKundenbedürfnissenKundekannetwasindieHandnehmenKommunikationüberSchnittstellenhinwegVerständigungamObjekt,AufzeigenvonKnackpunkten9
Marktforschung Akzeptanzstudien, Kundenbeobachtung, Klärung der Kundenanforderungen
i"1
Einsatz von PrototypenDer Prozess des Prototyponbaus ist ein wesentliches In¬
strument zur Steuerung von Entwicklungsprojekten. Die
Steuerung umfasst die zeitliche Überwachung, die Fort-
schrittskontrolle und die Konzentration der Ressourcen
auf die wichtigsten Probleme. Dabei besteht ein enger Zu
sammenhang zwischen den Prototypen und dem standar¬
disierten Produktentwicklungsprozess, vor allem bei Pro¬
dukten mit kurzer Lebensdauer (z. B. Workstations). Die
Verantwortung für die Prototypen geht mit dem Fortschritt
des Entwicklungsprozesses von der Entwicklungsabtei¬
lung auf die Produktion über.
Im Verlauf einer Produkienlwicklung kommen verschie¬
dene Prototypenarten zum Einsatz (Tab. 22.7). Einige
Firmen machen deshalb immer noch den Unterschied zwi¬
schen Funktionsmuster, Prototyp und Erstmuster. Funkti¬
onsmuster dienen der Abklärung, ob eine gewisse Funktion
physikalisch überhaupt machbar ist. Demgegenüber baut
man Produktionsprototypen bereits mit den später verwen¬
deten Komponenten und Materialien. Erstmuster schlie߬
lich werden mit den definitiven Produktionsprozessen an¬
gefertigt und dienen zur Erprobung der Produktionsmittel.
In der Software-Entwicklung dient der Prototyp häufig zur
Abklärung der definitiven Kundenanforderungen.
V i
r~~
Y
Aktuelles Wissen Teams
Offene FragenAlle
4
Prototyp [fl Intensiver EDV-Einsatz
JJ Spezialisten
f
Test Auswertungsspezialister
fr
Analyse Projektleiter
~f
Maßnahmen Projektleiter
c
3
ja
oi_
0.
A
Abb. 22.9: Prototypen un¬
terstützen das Lernen,
10
22.5 Reviews: Abstand gewinnen und Abhängigkeiten identifizieren
Der Prototypelleinsatz zeigt große Unterschiede in den Ent-
wicklungsabläufon von Unternehmen auf. Die japanische
Autoindustrie baute Anfang der 9fler lahre Prototypen dop¬
pelt so schnell wie ihre Konkurrenten in Europa und USA.
Bei vielen europäischen Finnen folgen die langen Durch-
laufzeiten aus dem alten Auslastungsdenken in Versuchs¬
werkstätten und Labors. Man ist nicht bereit, die ver¬
längerte „Time-to-Market" gegen die höheren Personal¬
kosten aufzurechnen. Der Prototypenbau entwickelt sich
zum Engpass in der Entwicklungsarbeit.
Prototypen als LernobjekteDas Management hat die Aufgabe, den Prototypenbau auf
die Bedürfnisse eines Entwicklungsprojektes abzustim¬
men. Die Entwicklung einer neuen Technologie stellt ande¬
re Anlorderungen an den Prototypenbau als die Entwick¬
lung eines neuen Produktes oder einer Variante. Der Pro¬
totypenbau wird durch die Anwendung unterschiedlicher
Modelle effektiver, der gesamte Entwicklungsverlauf wird
verbessert. Während bei der Entwicklung von neuen Tech¬
nologien das rasche Feedback an die Konstruktionsabtei¬
lung im Vordergrund steht, werden in der Variantenent¬
wicklung oder in tier Produktpflege häufig Fertigungspro¬
totypen erstellt. Bei integrierten Systemlosungen im Rah¬
men der Neuproduktentwicklung wird der Prototypenbau
oft nach einem festgelegten Zeitplan durchgeführt. Der
Plan ist verbindlich, egal ob die bis dahin zur Erfüllung
vorgesehenen Aufgaben abgeschlossen sind oder nicht.
Größere Softwarefinnen bauen täglich einen Prototyp,
um die Integration auf Produktstufe sicherzustellen.
Jeder Prototyp entspricht einem Problemlösungszyklus
und leistet einen wesentlichen Beitrag zum Lernprozess
in der Entwicklung (Abb. 22.9). Aus dem aktuellen Wissen
formulieren Entwickler neue Fragen, die sie so weit wie
möglich mit Berechnung und Simulation beantworten.
Die bleibenden Entscheidungsalternativen werden durch
den Prototypenbau getestet. Die Festlegung der Anforde¬
rungen an einen Prototyp ist daher von ausschlaggebender
Bedeutung und die Anforderungen sind sorgfältig zu pla¬
nen (Design of Experiments).
Prototypen als Kommunikationsmedien im
Unternehmen und mit Partnern
Die Konzentration der Unternehmen auf Know-how-
Schwerpunkte und Schlüsseltechnologien hilft ihnen
einerseits, die Anzahl Prototypen zu senken, macht ande¬
rerseits aber eine intensive Zusammenarbeit mit den Zu-
lieferanlen unabdingbar. Der Prototyp dient je länger je
mehr als Kommunikationsmittel über Bereichs- und Unter¬
nehmensgrenzen hinweg. Der Hersteller der Prototypen
erhält in diesem Prozess eine höhere Bedeutung und
muss deshalb vor allem nach den Gesichtspunkten
Knnw-hnw-Auflmu (infern oder exfern), Schnittsteüeniiber
Windung (infern oder extern) und Planirngsmaxime (mini¬
male Durchlaufzeit oder maximale Auslastung) bestimmt
werden
Prototypen im Einsatz beim Kunden
Um die langwierige Erstellung eines umfangreichen und
detaillierten 1'flichLenhefles zu umgehen, stellt das Unter¬
nehmen dein Kunden möglichst früh einen funktionsfähi¬
gen Prototyp ins Haus. Bei ganz neuen Produkten ist dies
häufig der einzige Weg, um überhaupt die Bedürfnisse des
Kunden herauszufinden und dessen Akzeptanz abzuschät¬
zen. Man führt gemeinsam laufend Verbesserungendurch,umschließlichbeieinemdefinitivenProduktzulanden(RapidPrototyping),DasVerfahrenbewährtsichvorallembeiInnovationenaufSystemebene,wennStandardkompo¬nentenzurVerfügungstehen.DerKundewirdfrüherundintensiverindenEntwicklungsprozesseingebunden.ErmussdabeinichtkomplizierteZeichnungeninterpretieren,sondernkanndieGeräteindieHändenehmenundauchDesignfrageneinfachabklären.DieMöglichkeit,einenräumlichenPrototypinnerhalbwenigerStundenmittelsStereolithografieoderandererVerfahrenherzustellen,er¬möglichtneueAnwendungsgebietefürdieAbschätzungderKundenakzeptanz.22.5Reviews:AbstandgewinnenundAbhängigkeitenidentifizierenWährendderganzenInnovationsphaseisteszweckmäßig,vonZeitzuZeitetwasAbstandzunehmenunddenerreich¬tenStandzubewerten(Abb.22.11).SolcheReviewsbe¬treffeninersterLiniediehauptsächlichenProjektzieleQualität,KostenundZeit(Ahh.22.10).DieReviewssindZeitProjektzielQualitätKostenAbb.22.10:DreieckderProjektzieie:Qualität,KostenundZeit11
22 Qualitätsgerechte ProduktpldminK
sorgfältig zu dokumentieren, damit im Halle von Produkt-
haftungsfragen der Nachweis erbracht werden kann, dass
kein Konstruktionsfehler vorliegt und die Entwickhing
dem damaligen Stand der Technik entsprach. Das Unter¬
nehmen trifft dann formal keine Schuld.
Reviews, um Abhängigkeiten zu identifizieren
Die nachgelagerten Stellen erhalten Gelegenheit, auf
Folgen in ihren Bereichen aufmerksam zu machen, wie
etwa sich atizeichnende Probleme und Chancen in der Be
Schaffung, der Produktion oder dem Service. Damit er¬
kennen die Entwickler spätere Probleme frühzeitig und
wissen auch, mit wem sie Lösungsansätze diskutieren
können. Die Bewertung des Entwicklungsprojekts erfolgt
immer im Vergleich mit dem Pflichtenheft; parallel zu
der Bewertung soll es auch immer wieder hinterfragt
und allenfalls angepasst werden. Ein hartnäckiges Festhal¬
ten an den einmal gewählten Zielvorgaben führt meist zu
Zeitüberschreilungen. Auf der anderen Seite löst eine
laufende Anpassung interne Unsicherheiten aus. Es
braucht viel Erfolg und Branchenkenntnis, um das goldene
Mittelmaß zu finden.
Reviews zur EntscheidungsfindungBei jedem Review entsteht ein Dialog über die neuesten
Marktinformationen, technologischen Trends und Projekt¬
fortschritte. Kompromisse in Bezug auf Kosten, Termine
und Qualität resp. Funktionalität kann das Unternehmen
in den meisten Fällen nicht umgehen und sie werden
am besten im Rahmen dieser Reviews verabschiedet, im
Zieldreieck Qualität - Kosten - Preis sollte deshalb Klar¬
heit bestehen, bei welchem der drei Faktoren das Unter¬
nehmen am ehesten zu Einbußen bereit ist, um die beiden
andern Faktoren am Markt voll auszuschöpfen: Im High¬
techbereich lassen Qualität und Zeit meist keine Kompro¬
misse zu, der Kunde ist aber bereit, einen etwas höheren
Preis zu bezahlen.
Das Entwicklungsprojekt durchläuft mit jedem Review
einen Meilenstein (oder Gate) und erreicht nach erfolgrei¬
chem Review eine neue Phase (Stage). In einem solchen
Slage-Gate-Prozess sind die Stufen, in denen die Projekt'
fortschriue erzielt werden („Stages") durch diverse Tore
(„Gales") unierbrochen,, bei deren Durchlaufen das ge¬
samte Entwicklungsprojekt mit einem Review ganzheitlich
hinterfragl wird. Diese Tore sind unumgehbare Entschei¬
dungspunkte, die aber im Gegensalz zu Meilensleinen zeit¬
lich und inhaltlich flexibel sind. Im Mittelpunkt stehen
„Go/NoGo/KüT-Entscheidungen. Beim Simultaneous Engi¬
neering, wo die Phasen parallel ablaufen, soll mindestens
jeweils zu Beginn und bei Abschluss einer Phase ein Re¬
view stattfinden, da zu Beginn der Phase Ressourcen be-
sich auf ein Minimum beschränken, damit genügend Fle¬
xibilität erhalten bleibt, auf spezifische Situationen zu rea¬
gieren. Nicht jede einfache Produktverbesserung braucht
zwanzig Meilensteine, aber sie braucht initiative Mitar¬
beiter und damit angepasste Projektpläne.
Organisation von Entwicklungsprojekten
Viele Firmen haben ihre Spezialisten nach wie vor in funk¬
tionalen Einheilen zusammengefasst. Eine solche Organi¬
sation ist allerdings gerade zur Durchführung schneller
Entwicklungsprojekte nicht optimal. Rewährt haben sich
funktionsübergreifende Teams mit hoher fachlicher und
führungstechnischer Kompetenz. Hie für alle Zwecke idea¬
le Organisationsform existiert jedoch nicht (Abb. 22.19).
Das Management muss stets einen Ausgleich zwischen
funktionaler Spezialisierung und Produktorientierung
suchen. So lassen sich etwa Kostenoptimierungen oder
einfache Varianten eines bestehenden ProduktsineinerfunktionalenOrganisationsinnvolldurchführen.MussdasUnternehmenhingegeninkürzesterZeiteinvölligneuesProduktaufdenMarktbringen,empfiehltsichtierTask-Force-Ansatz.KaumbewährthatsichdiereineKoordination:DieStellungdesPrnjektleitersgegenüberderLinieistzuschwach.ErläuftGefahr,wedervonderLinienochvonseinemTeamakzeptiertzuwerden.DieTeamorganisationmiteinemstarkenProjektleiterhatsichinvielenInnovationsprojektenunterZeitdruckhewährt.AllerdingsmüssenfünfVoraussetzungenerfülltsein(sieheTab.22.17).DerlokaleZusammenhaltvonEntwicklungsteamserleich¬tertdieArbeitdesProjektleiters.ImAllgemeinenwirddeshalbinkleinenTeams,dieimgleichenRaumarbeiten,
fl auch ohne spezielle Anordnungen parallel gearbeitet.
J Spätestens wenn die Produktionsprozesse in den Mittel-
"
punkt der Entwicklungsarbeit rücken, werden die Teams
allerdings so groß und auch so inhomogen, dass sie nicht
mehr unter einem Dach zusammenarbeiten können. Damit
steigt die Problematik der Parallelisierung.
22.7.3 Markteinführungsphase
Die Markteinführung ist die letzte Ilauptphase des Inno¬
vationsprozesses und bietet für die meisten Unternehmen
drei große Herausforderungen (Tab. 22.18). Der Schlüssel
zum Erfolg liegt hier in einem professionellen Projekl-
management. Neben dem eigentlichen Produkt müssen
auch die produktbegleitenden Dienstleistungen ihren
Wog auf den Markt finden. Obwohl die Bedeutung indus¬
trieller Dienstleistungen für den Kauf zunehmend wächst,
werden sie in der Praxis nur wenig systematisch ein¬
geführt.
Straffe Planung der Markteinführung notwendigUm eine Markteinführung getrennt von täglichen Routine¬
aufgaben als Projekt durchzuführen, ist auch hier die
Einsetzung eines Projektleiters entscheidend. Dieser
wird ähnlich wie in der Produktentwicklung mit umfassen¬
den Kompetenzen ausgestattet (Boutellier et al. 1997). Er
trägt die Verantwortung für die gesamte Kintührung von
der Konzeption bis zur Kontrolle. Der Produktmanager
ist in dieser Rolle oft überfordert, da er nicht über die
notwendigen Kompetenzen verfügt.
Die Projektführung koordiniert die Aufgaben von F&E,
Marketing, Produktion, Verkauf und Service. Marktdaten
des Verkaufs fließen häufig unvollständig in den Entwick-
lungsprozess ein; auch bleibt die Distribution bei der Ent¬
wicklung oft unberücksichtigt. Das Tagesgeschäft absor¬
biert zudem die beteiligten Mitarbeiter in vielen Fällen
stark und es besteht damit die Gefahr, dass sie sich nur
wenig mit dem Projekt identifizieren.
Konflikte treten oft mit den autonomen Tochtergesell¬
schaften und unabhängigen Vortriebs- oder Servicepart¬
nern auf. Verkäufer ignorieren die zentralen Vorgaben,
da sie glauben, ihren Markt am besten zu kennen, und
führen eigenwillige Anpassungen an die lokalen Marktan¬
forderungen durch. Der Projektierter muss daher direkten
Zugang zum Top-Management haben, um solche Konflikte
zu beseitigen. Er stimmt die lokale Anpassung der Pro¬
dukteinführung ab, koordiniert die dezentralen Aktivitäten
und führt auch die abschließende Oberführung des Pro¬
jektes in den routineorientierten Auftragsabwicklungs-prozessdurch.Markteinführung:BigBangvs.LeadConceptBeimProzessderMarkteinführunggehtesumdenZeit¬punktunddaszeitlicheVorgehenzurEinführungeinesneuenProduktesindenMarkt.Untersuchungenbestäti¬gen,dassdurcheinenfrühenMarkteintrittdieWettbe-
22
22 7 Diei Ilauptphasen der Produktcntwicklung
Tab. 22.17: Voraussetzung für die Teamnrganisation in Entwicklungsprojekten
111
Eindeutige
Aufgabenstellung und
Voraussetzungen
Das Top-Management muss die Aufgabenstellung für das Team eindeutig definieren. Dazu
gehören insbesondere abgesicherte Technologien und möglichst aktuelle Marktdaten
(Pflichtenheft, Resultate der Vorprojektphase).
Klare Kompetenzen und
Ziele
Das Projektteam sollte einen „Vertrag" mit der Geschäftsleitung abschließen. Die Leitung legt
Zeitvorgaben, Kosten, Ressourcen und die Messkriterien zur Beurteilung des Projekterfolgs fest.
Akzeptierter Projektleiter Entscheidend ist die Auswahl des Projektleiters. Der Projektleiter realisiert die Produktvision
und moderiert sein Team. Er sollte über eine hohe Akzeptanz bei Mitarbeitern und Management
verfügen und auch die Übersetzung von den marktseitigen Anforderungen in die technische
Spezifikation mitgestalten.
Vereinbarung Projekt-
und Tagesgeschäft
Die Teammitglieder müssen fähig sein, „zwei Hüte zu tragen", d. h. neben ihrer Projekttätigkeit
auch noch ihre tägliche Arbeit zu verrichten.
Die Praxis zeigt, dass es sinnvoll ist, Teammitglieder zu 50-80% ihrer Arbeitszeit im Team zu
haben. Bei zu geringer Beteiligung können sie ihr Wissen nicht voll einbringen und verzetteln sich
in zu vielen Projekten.
Bei einer 100%igen Integration verlieren Teammitglieder den Anschluss an ihre Spezialisten,
was zu großen Problemen führen kann, da neue Produkte das Wissen aller Spezialisten des
Unternehmens benötigen und nicht nur einzelner Projektmitarbeiter.
Intensive
Teamkommunikation
Teams funktionieren nur, wenn die Teammitglieder intensiv miteinander kommunizieren. Die
geografische Distanz zwischen den Beteiligten spielt hier eine herausragende Rolle. Eine
räumliche Zusammenführung erleichtert die informelle Kommunikation,
Dies ist jedoch schwierig zu bewerkstelligen, da das Fachwissen der beteiligten Experten auch
an deren angestammten Arbeitsorten weiterhin gebraucht wird und sich Top-Spezialisten
ohnehin nicht gerne versetzen lassen.
Koordination Virtuelle Teams, über den ganzen Globus verteilt, nutzen moderne Kommunikationssysteme
intensiv und arbeiten zum Teil rund um die Uhr. Die Übergabe einzelner Arbeitspakete an die
nächste Zeitzone stellt dabei ganz spezifische Qualitätsanforderungen. Positive Resultate zeigt
der Einsatz von Groupware. Allerdings ersetzt Software die wichtigen persönlichen Kontakte
nicht. Moderne Telekommunikation kann aber die Abstände zwischen den teuren Meetings
verlängern.
Moderne Gebäude bieten bewusst Gelegenheit für informelle Kontakte (kurze Wege, größere
Büros). Die Praxis zeigt, dass der Arbeitsort von Mitarbeitern wichtiger ist als organisatorische
Umstrukturierungen.
Tab. 22.18: Herausforderungen in der Markteinführungsphase
WM
Tragweite Markteinführung ist häufig ein globales Projekt.
Die Markteinführung verläuft oft über große Distanzen.
Viele Beteiligte Die wenigsten Beteiligten waren zuvor im Projektteam integriert.
Nicht alle Beteiligten sind im eigenen Unternehmen.
Verschiedene Kulturen treffen aufeinander.
Viel Überzeugungsarbeit ist zu leisten.
Hohe Kosten Die Kosten sind oft höher als in allen vorangehenden Phasen zusammen.
23
11 Qualitätsgerechte Produktpldnung
Tab. 22.19: Markteinführung- Big Bang vs Lead Concept
ÉÉÉWÈÈIÈÈIÊÈmiH^^^^^^^^^^^I^Ä ff^Wf*'^W^'l^^^w"^ilZeitlicher Verlauf Alle Märkte simultan Gestaffeltes Vorgehen
Lernmodel Fehlerfrei gleich zu Beginn Erfahrungen aus den ersten Märkten
Marktreife Hoch Goring
Zeitdruck Hoch Gering
werbsposition positiv beeinflusst werden kann. Gegen¬
beispiele wie der IRM PC oder Glaxos Zantac zeigen Jedoch,
dass auch ein späterer Eintrittszeitpunkt sinnvoll sein
kann, wenn das Unternehmen aus den Fehlern der Pio¬
niere lernen kann. Auch das Beispiel des Gillette Sensor
belegt, dass eine lange Innovationszeit bei einem ausgereif¬
ten und innovativen Produkt kein Nachteil sein muss. Die
Mehrzahl der heutigen Marktführer sind zehn bis zwölf
Jahre nach den Pionieren in den Markt eingestiegen! Pio¬
niere hatten harte Zeiten, da die Unsicherheiten noch zu
groß waren.
Das zeitliche Vorgehen der Produkteinführung spielt je¬
doch eine entscheidende Rolle (Tab. 22.19): Die Ein¬
führung kann simultan in allen Märkten („Big Bang")
oder nacheinander, nach Marktsegment gestaffelt erfolgen
(„Lead Concept"). Beim Big Bang wird das Produkt in allen
Zielmärkten gleichzeitig eingeführt. Dieses Vorgehen setzt
ein straffes Projektmanagement voraus. Ein Big-Bang-An-
satz ist sinnvoll, wenn die Einführung aufgrund eines in¬
tensiven Wettbewerbs unter starkem Zeitdruck erfolgt und
die Produktqualität sehr hohen Ansprüchen genügen
muss. Bekanntes Beispiel hierfür ist die Vorstellung von
Windows 95 mit der weltweiten Live-Übertragung einer
Hollywoodshow vor 2.500 Gästen. Vorab hatte Microsoft
400.000 Beta-Versionen an ausgewählte Testkunden ver¬
schickt und 1.500 Spezialisten zur Beantwortung von
Fragen ausgebildet. Allein die Werbekampagne kostete
US$ 150 bis 200 Mio. Da der Markt eine neue Standard¬
software erwartete und die Einführung unter hohem Zeit¬
druck stand, war Geschwindigkeit das oberste Ziel. Da¬
neben durfte das Produkt keine größeren Fehler aufwei¬
sen, um eine rasche weltweite Marktdurchdringung zu er¬
reichen.
Beim Lead Concept wird das Produkt vorab bei führenden
Kunden, in führenden Märkten oder führenden Ländern
(Lead Customers, Markets oder Countries) eingeführt.
Märkte und Kunden sind meist in unterschiedlichem
Maße für die Aufnahme von neuen Produkten bereit
und akzeptieren Kinderkrankheiten neuer Produkte
mehr oder weniger stark. Die Lead Customers bzw. Lead
Countries übernehmen dabei die Rolle von Meinungsma¬
chern und teilweise auch von Pilotanwendern. Im Gegen¬
satz zu europäischen oder amerikanischen Märkten sintl
beispielsweise japanische Märkte eher bereit, innovative
Unterhaltungselektronik zu akzeptieren. Daher wurden
die CD-Player von Sony und Philips, aber auch PC-Kopierer
von Canon zuerst in Japan eingeführt. Da die Märkte noch
nicht reif waren für die neuen Produkte, stand Lernen im
Vordergrund. Der geringe Zeitdruck erlaubte es, mit den
Erfahrungen der Einführung in den Führungsländern
das neue Produkt laufend zu verbessern, und die Kunden
wurden nicht überfordert. Wenn die Produkte durch Ent¬
wicklung individueller Dienstleistungen an unterschiedli¬
ehe Märkte und Kunden angepasst werden müssen (Loca¬
lization und Customization) und das Unternehmen selbst
über wenig Ressourcen verfügt, ist das Lead Concept sinn¬
voll. Nationale oder regionale Vorschriften und Normen
können oft eine Hinführung in vielen Märkten gleichzeitig
verhindern und eine sukzessive Einführung nach dem
Lead Concept erfordern.
Controlling der Markteinführung: Budget vs,
Time-to-MoneyDie Voraussetzungen für das Projektcontrolling bei der
Markteinführung sind quantifizierbare Ziele, ein realisti¬
scher Zeitplan mit Aktivitäten und Meilensteinen sowie
definierte Arbeitspakete. Vereinfacht lassen sich bei der
Kontrolle der allgemeine Budgetansatz und der Time-to-
Money-Ansatz unterscheiden.
Bei der Kontrolle mit dem Budgetansatz definiert das Top-
Management für die Produkteinführung einen allgemei¬
nen Kostenrahmen. Dieses Vorgehen ist geeignet, wenn
knappe Ressourcen und damit die Kosten im Mittelpunkt
stehen. Im Gegensatz zur Produktentwicklung wird aber
24
22.7 Drei Ilauptphascn der Produktentwicklung
moist kein Budget „top-down" vorgegeben. Vielmehr stel¬
len die lokalen Verantwortlichen aufgrund ihrer Einschät¬
zung der spezifischen Marktsituation autonome Budgets
auf, die der Lonkungsausschuss „hottom-up" zu einer Prog¬
nose über dun Hrfolg der Produkteinführung zusam¬
menführt. Die lokalen Maßnahmen müssen dabei im Ein¬
klang mit der allgemeinen Strategie stehen.
Bei Projekten unter intensivem Zeitdruck empfiehlt sich
der Time-to-Money-Ansatz: Effizienz und Minimierung des
Ressourceneinsatzes stehen kombiniert im Mittelpunkt.
Diese werden mit kombinierten Zeit-, Kosten- und Erlös¬
zielen gemessen; so z. B. „Time-to-Money" oder die von
Hewlett-Packard angewandte „Money-Back-Perind",
Die Ausgestaltung der Ziele ist für jedes Unternehmen spe¬
zifisch. Um zu einer Operationalisierung der Zeitziele zu
gelangen, müssen sowohl Anfangs- als auch Endzeitpunkte
festlegt sein. „Time-to-Money" kann beispielsweise die Zeit
von der Produktidee bis zur Zahlung durch den ersten
Kunden bezeichnen, obwohl mit dem Zahlungseingang
der Erlolg der Einführuog noch oicht erwiesen ist.
„Time-to-Market" kann bei segmentierten Märkten mit
der sukzessiven Einführung an verschiedenen Endzeit¬
punkten festgemacht werden. Mit zunehmender Anzahl
Kunden kann die Akzeptanz des Produktes und somit
ein wichtiger Teil des lnnovationserfolges nur durch
eine professionell durchgeführte Marktforschung ermittelt
werden.
Kostencontrolling in der MarkteinführungIn den meisten Unternehmen sind die wahren Kosten
der Produkteinführung kaum bekannt. Ein Grund dafür
ist die allgemein geringe Professionalität im Marketing¬
controlling: Zumeist erfasst das Controlling nur die Kosten
für Werbung und Verkaufsförderung als Einzelkosten der
Produkteinführung; die Kosten für Produktion und Logis¬
tik, aber auch für die Koordination werden als Gemein¬
kosten über alle Produkte verteilt. Während beispielsweise
in der F&F mittlerweile die meisten Unternehmen die Ar¬
beitsstunden einzelnen Projekten zurechnen, ist dies bei
Marketing und Verkauf unüblich. Solange aber die Kosten
der Produkteinführung unbekannt sind, sind auch zeit¬
bezogene Investitionsrechnungen zum Kelurn-on-Invest-
mcnl (ROI) oder zur „Time-lo-ßreak-Even" mil großen
systematischen Fehlern behaftet.
Handlungsempfehltingen für die Markteinführung
Aus den Herausforderungen und Lösungsansätzen für
die Markteinführung ergeben sich fünf Handlungsempfeh¬
lungen: Projektansatz mit Zielvorgaben, Fokus auf die
Übergabe, Verkauf frühzeitig einbinden, klare Ziele und
Messgrößen sowie eine sorgfältige Auswahl des Ansatzes
(Tab. 22.20).
Tab. 22.20: Handlungsempfehlungen fur die Markteinführung
I^^HÜHS^^H^^^^Bfe'SÉî
Projekt mit Zielen und
Verantwortlichkeiten
Die Produkteinführung als Projekt gestalten.
Notwendig sind quantifizierbare Ziele, detaillierte Zeitpläne, definierte Arbeitspakete und klare
Verantwortungen in F&E, Produktmanagement, Verkauf und Tochtergesellschaften.
Fokus auf Übergabe Die Übergabe vom Entwicklungs- zum Einführungsprojekt erfordert präzise Kleinarbeit-
Bewährt haben sich geführte, überlappende Phasen und die zeitweise Arbeit im gemeinsamen
Team, damit das Wissen nicht verloren geht.
Verkauf frühzeitig
einbinden
Bindet man Verkauf, Kundendienst und Tochtergesellschaften frühzeitig ein, erhöht sich die
Akzeptanz durch die Außenstellen (Reviews in der Entwicklungsphase).
Klare Ziele und
Messgrößen
Das Controlling der Produkteinführung setzt klare Ziele sowie definierte Messgrößen voraus.
Um Kostentransparenz zu erreichen, müssen möglichst alle Kosten der Einführung — auch in
den Tochtergesellschaften - erfasst werden.
Auswahl dos Ansatzes Big Bang und Lead Concept sind nicht immer gleich gut geeignet.
Wenn sich das Unternehmen sicher fühlt und Zeitdruck im Vordergrund steht, ist eine
Kombination aus Projektmanager, Paralleleinführung und Time-to-Money sinnvoll.
Hingegen ist eine Mischung aus Kernteam, Lead Concept und Budget empfehlenswert, wenn
noch Unsicherheiten bestehen und knappe Ressourcen dominieren!
25
71 Qualitätsgerechte Produktplanung
22.8 Ausblick
Innovation steht heute im Zentrum unternehmerischer
Überlegungen. Viele sehen darin den besten Weg, um
schwindende Margen, hohe Lohnkosten und Arbeitslosig¬
keit zu überwinden. Innovation lohnt sich aber nur, wenn
sie temporär zu einer gewissen Monopolstellung führt:
Einzigartigkeit erlaubt es den Unternehmen, ihre Inno¬
vation zu schützen. Um dies zu gewährleisten, entsteht
Produktinnovation immer parallel mit Prozessinnovation
und immer stärker synchron zur Service-Innovation. Der
Kunde will nicht nur Güter, er will Problemlösungen: Er
will „nicht Waschpulver, sondern weiße Wäsche". Damit
erhält die umfassende Leistungsgestaltung in Zukunft
einen hohen Stellenwert.
Unsere Gesellschaft hinterfragt wieder stärker den Sinn
technischer Innovationen. So fordert etwa von Weizsäcker
in seinem Buch „Erdpolitik" (von Weizsäcker 1992)
sieben Kriterien für Technologie-Innovationen der Zukunft
(Tab. 22.21). Die Geister spalten sich: „Retour à la nature"
oder moderne Technologie? Einig ist man sich, dass nur
mit grundlegenden Innovationen neue Wege gefunden
werden können, um eine nachhaltige Verbesserung der
heutigen Situation zu erreichen.
Das Unternehmen selbst muss sich mit Sicherheit in der
Zukunft nicht nur mit der Systematik der Qualitätsplanung
stärker auseinandersetzen, sondern auch in vielen Berei¬
chen die soziale Akzeptanz seiner Produkte stärker infolge
stellen. Qualitätsplanung, Umweltfragen und Qualität des
Unternehmens in den Augen der Gesellschaft rücken
näher zusammen.
Tab. 22.21: Kriterien für Technologie-Innovationen der Zukunft
(Weizsäcker 1992)
- Sauberkeit
- Energieproduktivität
- Rohstoffproduktivität
- Ökologische Flächennutzung
- Hohe Informationsintensität und Miniaturisierung
- Fehlerfreundlichkeit
- Eignung zur Heimarbeit
22.9 Literatur
Houtellier, fi./Corstm, D./l/ich, C.: Neue Atisät7e im Projekt¬
management der Produktentwicklung. Thexis, 3, 1997
Houtellier, K./Gossmann, 0.: Wie P&b-Frojekte flexihel ge¬
managt werden. Harvard Business Manager, 4, 1997
Boutellier, R/Völker, R.: Erfolg mit innovativen Produkten.CarlHanserVerlag,München,Wien1997F.versheim,W./Hochtler,W./IJiufenberg,L:SimultaneousEngi¬neering.Springer,Berlin1995Hauschiklt,I.:Innovationsmanagenient.FranzVahlenVerlag,München1997Juran,J.M.:JuranonPlanningforQuality.TheTreePress,NewYork19R8Patterson,M.L.:AcceleratingInnovation.VanNostrandRein-hold,NewYork1993Perrow,C:NormalAccidents:Livingwithhigh-risktechno¬logies.BasicBooks1984vonPierer,IL:WiekommtdasNeueindieWeltCarlIlanserVerlag,
München,Wien 1997
Reinertsen, D. G.: Managing the Design Factory. The Free
Press, New York 1997
Seghezzi, HD.: Integriertes Qualitätsmanagcmcnt. Carl Ilan¬
ser Verlag, München, Wien 199o
Stalk, G./limit, T.: Competing Against Time, the Free Press,
New York 1990
lebaul, L: La Dynamique Qualité. Les Editions d'Organisati¬
ons, Paris 1990
von Weizsäcker, E. £/..- Erdpolitik. Wissenschaftliche Buchge¬
sellschaft, Darmstadt 1992
Wheelwright, S. C./Clark, K. B.: Revolution der Produktent
Wicklung. Campus Verlag, Frankfurt 1994
26
6 Kopien der Publikationen III
6.2 Identification of issues with controversial technologies
Boutellier, R. und Biedermann, A. (2006): Identification of issues
with controversial technologies, in International Journal of Techno¬
Abstract: Long-term and cumulative side-effects of technologies (e.g., health
effects) arc likely to become more relevant management issues in the future.
Social processes play an important role and companies are forced to deal with
such issues more intensively. Identification of such topics is the first and
most important step to managing issues. We have conducted interviews with
company representatives to understand the companies' perspective during these
early phases. The 42 cases are arranged around the European phase-out of
the use of lead-bearing solders in electronics manufacturing in 2006. We found
that the outside-in perspective is the main source of information about
upcoming issues. Sensing weak signals is the prevailing mechanism to become
aware of these topics. Even though hints about the necessity to phase out a
technology are known long before, customer push and strict regulatoryrequirements have been found to be the most important triggers for systematicactions by companies.
Reference to this paper should be made as follows: Boutellier, R. and
Biedermann, A. (2006) 'Identification of issues with controversial
technologies', Int. J. Technology Intelligence and Planning, Vol. 2, No. 3,
pp.225-247.
Biographical notes: Professor Dr. sc. math. Roman Boutellier is an OrdinaryProfessor for Technology and Innovation Management at the Department for
Management, Technology, and Economics (D-MTEC) at the Swiss Federal
Institute of Technology (ETH) in Zurich and Titular Professor at the Universityol St. Gallen (HSG). Professor Boutellier is a member of the board of directors
of several large-scale Swiss enterprises.
Andreas Biedermann is a Scientific Assistant at the Chair of Technologyand Innovation Management at ETH Zurich. His research focuses on the
OECD (2003) has identified five critical issues in tomorrow's global risk management.
Two of them are directly related to technological developments: (a) heightened mobilityand complexity and (b) increasing scale and concentration. These findings correspondwith the perception of Coates et al. (2001) that "our society is now completely reliant
on technology".All technologies that are incorporated in products or any other artefacts form part
of socio-technical systems. Path-dependence and lock-in effects cause socio-technical
systems to become very stable (Geels, 2004) or even more rigid (Leonard-Barton, 1992).In the invention phase, the performance-oriented discourse of a technology usually
prevails. After a certain period, indications of side-effects of a technology lead to
uncertainty and overall confusion about the acceptance of a technology. For example,
Maguire (2004) showed in the case of DDT, that the shift from the perception of a
technology as a 'solution' to the perception as a 'problem' can last for several decades
and is highly influenced by social mechanisms. Using the case of chlorine manufacturingwith mercury cell technology, Boutellier and Biedermann (2005) highlight the long-termcharacter of the substitution of a technology triggered by side-effects. The substitution of
elaborated, broadly introduced technologies becomes very costly and single companiesare often not able to initiate a change.
It is not only because of the pervasiveness of many technological systems that their
adverse effects have become more relevant: sensitivity and availability of analyticalinstruments and recording tools have increased slowly but steadily in the last decades.
Nowadays, they allow the detection of changes that were not recognisable before. For
example, Farrell (2005) shows that measurement instruments for ozone concentration
became broadly available after the 1970s. Tenner (1997) summarises this development in
terms of an 'amnesia' that has been vanquished allowing gradual processes to get more
attention within the past years, because they have become as 'real' and catastrophic as
sudden events (see also Ames and Gold, 1993). Further improvements of analytical tools
can be expected in the future.
The reaction of society to adverse effects can manifest in different ways, as for
example in regulations or boycotts; and the importance of social mechanisms and
psychological aspects that amplify or diminish rejection have been recognised and
investigated for decades (see for example, Slovic, 1987; MacGregor and Fleming,1996; Kuran and Sunstein, 1999; Adams, 2001; Kepplinger, 2001). Owing to societal
mechanisms of perception of adverse effects, scientifically undoubted and acceptedfacts are not a necessary precondition for a technology to become controversial, as
the examples of Alar, Acrylamid and Amalgam dental fillings show (Lieberman and
Kwon, 2004).
1.1 Big accidents and side-effects oftechnologies
Tn analogy to acute and chronic illnesses, there are two fundamental types of
technological issues that can be distinguished:
1 Discrete events, as for example, big chemical accidents, such as Seveso or Bhopal,that might happen with a certain probability and that can be prevented.
Identification of issuer with controversial technologies 227
2 Side-effects that might already have happened but which are not proven yet, as for
example, carcinogenicity of rubber tyres.
In the second-half of the 20th century, big accidents like nuclear power plant catastrophesor accidents at chemical production sites (e.g., Three Mile Tsland, Chernobyl, Seveso)demonstrated the risks that are associated with the application of technologies and the
supra-regional or even global consequences of such disasters. Improvements in the safetyof operations and thousands of small improvements in the design of plants have made
these big accidents nearly disappear at the brink of the new millennium (see Figure 1).
Figure 1 Number of people affected by technical disasters 1940-2005
500 -,
in
row
o 400 -
s
u "O 300
Bk>, »
a 5T! ^ ?00-0) «-
o .=
"(0 100-Ûï
GLO
s. 0-
1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000
Year
Source: Data from WHO (2006)
In contrast to technological catastrophes, unspectacular side-effects that cumulate
over time can be detected and understood only after a considerable time lag. Theyhave not lost any of their relevance today. As D'Agostino and Wilson (1993) and
Dyllick-Brenzinger (1992) illustrate in the case of health effects of asbestos, the
side-effects of technologies have already been known in the late 19th century. Other
examples are X-rays (Lambert, 2001) or the chemical Bisphenol A (Cook et ai, 1933).
Starting in the chemical industry, risk management practices to cope with these threats
have evolved significantly since the 1960s. Good manufacturing practices were
substantially improved since the Contergan case.
Despite all the mentioned highly sophisticated tools, recent examples like debates
about mobile communication or plasticisers for synthetics demonstrate the impossibilityto prevent or mitigate all fears and side-effects. While the risk of big accidents seem to be
more under control now than some decades ago, society still has not mastered
technological side-effects after more than one century of awareness about them. New
side-effects are likely to be discovered in the future.
7.2 Our understanding of controversial technologies
Controversial technologies are the main focus of the analysis. Our understanding of
technology for this research purpose follows the concept described by Grunwald (1999),which comprises the mastering of a goal-oriented activity and the resulting artefacts.
i
228 R. Bouiellier and A. Biedermann
Grunwald stresses the fact that from the perspective of the philosophy of technology, a
classical technological artefact (e.g., a drilling machine) and a raised cattle are identical,
since they are both artefacts of goal-oriented human activities. There is no fundamental
distinction between a mechanical engineer and a breeder (Janich, 1996). From the
perspective of companies, a technology is an applicable solution-principle that requiressome investments in order to be mastered, be it a chemical substance, a sourced cultivar
of potato or a microchip.We call a technology 'controversial', as soon as assumptions about potential
adverse effects are being stated. Besides the classical scenarios of impacts on
human health (e.g., asbestos) and eco-systems (e.g., mercury as an environment
toxic), other mechanisms of impacts are of importance as well; for example,
technology-technology interaction (e.g., electromagnetic incompatibility or contact
corrosion), information-related effects (e.g., information abuse through a technology)or national security issues (e.g., non-proliferation of technology). The locations of impactcan be of different natures, such as humans, animals or other technological systems
(see Figure 2).
Figure 2 Relationship between controversial technology, adverse effects and affected groups
Controversial technology
Examples
(not conclusive)Lead-bearing solders,
PVC, asbestos
Adverse effect
Chemical, biological,
physical, mechanical,
physiological, social,
psychological
Affected groups
Workers,
users, customers,
bystanders, companies,eco systems, animals,
technical systems
1.3 Consequences for companies
The public will continue to abandon unwanted practices of companies (see Diamond,
2005). Controversial technologies can hurt a company in different ways:
• The confusion that results from controversies about a technology can have a
paralysing effect on the whole company, especially if the uncertainty is about
liability claims. Management resources are necessary to deal with the issue and
headlines about adverse effects can result in a substantial drop of stock prices
(Holliger-Hagmann, 2003).
• The resulting uncertainty hinders investments. On the one hand, customers may
distrust the controversial technology, since its future is uncertain. On the other hand,
the same customers hesitate to invest in new technologies, since they fear teethingtroubles and prefer learning from their competitors' mistakes.
• A technology is not easily phased out. Since a company is embedded in the
socio-technical system, long-term service liabilities or supplier contracts have
to be fulfilled. The technical substitution causes additional effort in R&D and
manufacturing downtime, as well as a drop in process yield, that has to be dealt with.
Identification of issues with controversial technologies 229
1.4 Structure of the paper
Though case studies, we describe different practices on how issues about technologicalside-effects were identified by companies and why they approached the issues
systematically. First, we present mechanisms found in literature that allow companies to
identify adverse technological issues. Second, the adopted research methodology is
described. Third, we present findings of the case studies. The paper concludes with
theoretical and managerial implications.
2 Approaches in literature to identify technological issues
The existing vast literature about the adverse effects of technologies focuses mainly on
the macroeconomic development of technologies. The perspective of a single company
has not been dealt with in-depth by literature. Students have been analysing the co-
evolution mechanisms between technological development and other characteristics in
the environment such as users, industry structure, policy institutions or science (Geels,
2004). On the level of a single organisation, Diamond (2005) states three awareness-
related reasons why issues are not solved by organisations:
1 failing to anticipate an emerging issue
2 failing to identify an emerged issue
3 failing to see the relevance of an issue.
We therefore advocate the view that identification and awareness of issues is of specialrelevance when dealing with controversial technologies. Adapted from Porter (1980), we
have found a first framework for analysis (see Figure 3).
Figure 3 Literature provides a first framework
(oSâtion) — Weak signals —
Regulators
(observation)
Weak signals
1
Companyand
Technology
<— Weak signals •
Customers
(observation)
Weak signals
New technologies(assessment and observation)
Source: Adapted from Porter (1980)
230 R. Boutellier and A. Biedermann
2.1 Issue identification research
Scholars and practitioners see early detection of issues as a key success factor for issue
handling (Roper and Toledano, 2005; Rutsch, 2003). Organisations face different
challenges when trying to identify issues: Companies do not know how the issues look
like, how they manifest themselves and whether they exist at all (Liebl, 2000; Day and
Schoemaker, 2005). In addition, many potential issues exist, but only a few of them
become relevant to a company (Liebl, 2000).
Hoffmeister and Kuhn (2005) showed that multinational companies, such as
DaimlerChrysler or Bertelsmann, involve a large number of experts to scan the
environment for emerging issues. Röttger (2001a) showed that less than 10% of Swiss
companies have implemented issues management in their organisation. The survival
of the other 92% of the companies indicates that other mechanisms exist that
allow companies to successfully cope with technological issues. Owing to its orientation
towards public stakeholders, scholars propose issues management to be practised by
public relations departments (Regester and Larkin, 2003; Heath and Cousino, 1990;
Chase, 1984).Scholars in issues management distinguish between two basic perspectives for
issue identification (Schulz, 2001): The inside-out perspective concentrates on specificactivities of a company that might trigger an issue. Investigation of possible health threats
of a new product is an example of this approach. The outside-in perspective starts by
scanning the environment for changes in the environment that might affect the company.
Their relevance to the company has to be assessed (Figure 4). An example is the
emerging general ban of a technology, whereas the company is not sure about the
consequences to its own business.
Figure 4 Inside-oul and outside-in perspective
Inside-out perspective
Environment I Company
I f->
Possible Issue 1
Possible Issue 2
Possible Issue 3 | .--- Existing products
What issues might be triggeredby our activities?
Outside-in perspective
Appliedtechnologies
; New products
Company
Appliedtechnologies
New products
Existing products
What issues might be triggered
by trends in the environment?
Source: Adapted from Liebl (2000)
We have identified six main approaches that each contribute to the identification of
technological issues by companies. We have classified them according to the two
perspectives (see Table 1) and will describe them in the following paragraphs:
Identification of issues with controversial technologies 231
Table 1 Approaches to identifying issues of controversial technologies
Approach References
Insidc-out perspective
Technology assessment in Grienitz,, 2005; Bröchler, 1999; Pelermann, 1999; Collingridge,
technology development 1980; Braun and Wield, 1994
Product assessment in new Heckman, 2005; Aemi, 2004; Quint, 1998; Minx and Meyer,
2.2 Technology assessment in technology development
Technology assessment includes the appraisal of broader impacts of technologies and is
mainly driven by governmental institutions (Bröchler, 1999). It focuses typically on
adverse effects (Grienitz, 2005). While technology assessment originated in the late
1960s, when social aspects of technologies found their way into the political agenda
(Petermann, 1999), the relationship between social and technological dimensions of
technology development is nowadays addressed more intensively (Hartmann, 1999).
Inability to anticipate all the side-effects of a technology in the early development stagesand the big effort to mitigate the side-effects in later stages (Braun and Wield, 1994;
Collingridge, 1980) lead to today's approaches of influencing the evolution of
technologies in their early stages (see for example, Sundermann, 1999).The connection between forecasting and assessment of technologies has only
been dealt with in a marginal way by literature (Lang, 1998). In contrast to the
recommendations of Eversheim et al. (2003), technology assessment is not widely used
by companies. Grienitz (2005) calls its application as practically irrelevant for the
corporate technology planning, since companies want to avoid mental barriers that result
from dealing with potential adverse effects. Owing to the complexity of technologyassessment, no standard methodology exists (Specht et al., 2002) and private companiesface difficulties in implementing it. The results are controversial at best.
2.3 Product assessment in new product development
Most markets are regulated in terms of mandatory approvals for the market introduction
of products or services (see for example, Heckman, 2005; Aerni, 2004). Similarly, new
plants or processes usually require an operating approval by authorities. Therefore, most
companies are obliged to focus on the conformity with certain regulations nowadays and
product assessment with regard to regulatory compliance is usually well-integrated in the
new product development processes.
232 R. Boutellier and A. Biedermann
Historically, most product assessment focused on the health effects of chemicals and
therefore, the chemical industry has developed sophisticated assessment methods
(Quint, 1998; Pittinger el ai. 1998). Additional types of effects are of relevance
(e.g., radiation, mechanical impacts), which force other industries to conduct standard
product assessment, as well.
According to Minx and Meyer (1999), a standard procedure for an overall productassessment that takes into account all potential impacts is not available. With special
regard to environmental and health-related effects of products, Life Cycle Assessment
(LCA) methodology of products has been elaborated (see ISO 14040: DIN, 2005a).
LCA mainly focuses on flow of materials and energy. As Beitz et al. (2003) found duringa survey, understandings of LCAs diverge widely and the need for quantified inputsresults in methodological difficulties. As Becker (1999) illustrates, enhancement of the
LCA by additional social and economical dimensions results in even more complex and
demanding tasks.
2.4 Product monitoring during product use
The inability to predict all side-effects together with the enormous financial
consequences that might result pose major risks to companies. For example, product
liability is perceived as major risk by pharmaceutical companies (Shimpi, 1999).
Nowadays, global application of most products has to be expected, even if they are
sold only locally. Therefore, many different modes of application and regimes of
liability-law have to be taken into account. Potential side-effects might occur in specific
application areas, the product was not primarily intended for (Holligcr-Hagmann, 2003).
Product monitoring for signals of adverse effects is mandatory and in some cases is a
legal duty even. Since the products are often integrated in different final products that
are sold by multiple distributors, monitoring one's own products becomes demanding.Dealers, as well as manufacturers of the final products, have to be involved actively
(Holliger-Hagmann, 2003).
Users' expectation of safety is central to product liability, since missing the expectedlevel of safety typically triggers product liability issues. Safety expectations can changeover time, and have to be monitored as well. Nuclear power stations stalled in the
USA not because of technical difficulties, but because safety became a moving target
(Pool, 1997).
2.5 Regulation monitoring
Regulation monitoring comprises the activities that allow companies to keep up-to-datewith the legislative process. Literature distinguishes different reasons why technological
development has to be constricted (see for example, Braun and Wield, 1994). In the
course of the agreement on Technical Barriers to Trade, the World Trade Organization(WTO, 2005) mentions seven main objectives of technological regulation (see Table 2).
As Menezes and Antuntes (2005) found by analysing data of international chemistry
regulation notifications, about 75% of all notifications focused on the prevention of
side-effects. Besides governmental regulations, other restrictions also exist, such as
consumer labels, self-restrictions of industries, industry standards or restrictions from the
parent company.
Identification of issues with controversial technologies 233
Table 2 Objectives to regulate technologies
Focus on adverse effects: Focus on positive effects:protection and prevention enabling and ensuring
Protection of human safety or health Quality securing
Protection of animal and plant life or health Technical harmonisation
Protection of the environment Trade facilitation
Prevention of deceptive practices
Source: Adapted from WTO (2005)
Regulation monitoring is being practised in most companies and it is usually integrated in
quality and environmental management systems. The certification criteria of management
systems usually only require compliance with current regulation but do not include any
forecasting of regulations (see for example, DIN, 2000; 2005a). As Segerson (1992)
states, the uncertainty that results from potential future regulations is considerable,
especially in the field of environmental regulation. Therefore, companies face two basic
challenges; firstly, the future regulations are not predictable in detail {e.g., scope, safetyfactors); and secondly, even the consequences of decided regulations are not foreseeable
Companies may move to different regulatory requirements, as well. The most
common example is the introduction of products into new markets with other
regulations. A more hidden mechanism can result in substantial changes in the
regulatory environment. Especially in the chemical industry, requirements for assessment
of substances depend on the volume of the yearly production (Koch and Ashford, 2006).
Therefore, an increase in the yearly production results in stricter regulatory requirements.
2.6 Stakeholder dialogue
The interdependence of companies and their environment is widely accepted. As
Dyllick-Brenzinger (1992) showed by analysing the developments at the German Eternit
AG, when confronted with adverse health effects of asbestos, the management of external
relations is crucial for companies. Bridges and Nelson (2000) emphasise the necessity of
a proactive involvement of stakeholders in the management of issues 'before theybecome issues-oriented publics', since today's issues are typically of a prevailing social
character. Stakeholder dialogue aims to integrate social groups with a stake in the firm to
enhance the acceptance of managerial decisions (Porter et al., 1991). Influenced by the
increasing pressure of social groups that demand what they call responsible corporate
practices, companies are establishing dialogues with a wide spectrum of stakeholders
(Garriga and Mele, 2004). To ease the analysis, stakeholders are usually arranged in
different groups, but the grouping varies in a wide range (see for example, Figure 5).
234 R. Boutellier and A. Biedermann
Figure 5 Possible grouping of stakeholders
Internal Stakeholders Management
Shareholders
~\~ V-Employees
Credit Capital \
Providers ;
External Stakeholders V^
'*«.. Suppliers
Company Society'
'\State
Customers
Source: Adapted Irom Achleitner (1985)
2.7 Sensing weak signals
Early identification is based on Ansoff s (1975) concept of weak signals, which is based
upon the assumption that issues evolve over time (Liebl, 1991). To illustrate these effects,
Figure 6 shows how the number of scientific articles about lead-free soldering in
electronics manufacturing has grown since the early 1990s.
Figure <î Number of articles about lead-free soldering in electronics manufacturing
European directive passed to
phase-out lead in electronics
US lead ban
proposed
Japanese companies declare
phase-out strategy
1992
Source: Own data
Weak signals have to be arranged in order to recognise patterns (Bea and Haas, 1995);heuristics are applied. Sticking too heavily on such schemes may result in overlooking
emerging issues because of blind spots (Röttger, 2001a). Literature provides many
different possibilities to segment the environment to ease scanning. They usually stay on
a very abstract level (Remmen, 1995; Röttger, 2001b).
3 Research methodology
3.1 Research goal and design
After having examined different approaches from literature on how companies might
identify issues with controversial technologies, we conducted an empirical research to
integrate the practitioners' view on the relevant mechanisms. We gained understandingof how issues with controversial technologies are identified by, and promoted in,
Identification of issues with controversial technologies 235
organisations. Given that the focus of our research is primarily on 'how' the identification
happens and that no concluding categorisation exists, semi-structured interviews with
company representatives were chosen. The interviewees were managers that are involved
in the company's handling of the specific technological issue. These interviews are the
primary source of information. External experts and other sources of information, such as
articles in the media and previous research, were considered to clarify some aspects.
3.2 Dimensions ofanalysis
We apply the concept of 'issues' as a legitimacy gap between an organisation's behaviour
and its expectations of its publics (Sethi, 1979; Post, 1982; Bridges, 2004). We consider
technological issues that are triggered because of adverse effects. The legitimacy gap is a
rejection of a specific technology that is being applied by the company. To identify such
a gap, companies need to identify the emerging external rejection and their own
application of a technology.For new issues, a common phrasing or understanding inside a company does not
exist. Therefore, issues have to be promoted and framed internally, which is often done
by middle management (Dutton, 1992). Whether the issue gets on the strategic agenda of
a company or not heavily depends on the influence of the issue promoter, the competingissues and the perceived relevance (Liebl, 2000). Other scholars note take-off pointswhen issues gain momentum (e.g., Gladwell, 2001; Molitor, 1977). We therefore
investigated how the technological issues were put on the management agendas as a third
management task. We translated the three management tasks into five dimensions of
analysis (see Table 3).
Table 3 Structure of the cases
Dimension of analysis
Sources of early information about the controversy
How early information diffused into the organisation
Awareness of own application of the technology
Triggers for systematic actions
Internal advocates ol the issue
3.3 Selection of cases
The selection criteria for our cases were twofold: The technology must have become
controversial because of the side-effects and we are interested in technologies that the
companies are dependent on. Therefore, the considered technology must already have
been introduced in the market. A total of 42 cases were selected. As our interviews
showed, companies willing to talk about their controversial technologies were hard to
find. Confidentiality reasons and unwillingness of companies to be associated with some
of these technologies do not allow us to disclose the participants.
Management tasks
Identify the issue
Recognise the relevance of the issue
Put the issue on the management
agendas
236 R. Boutellier and A. Biedermann
To ensure up-to-dateness of the cases, the main cluster of interviews is located around
the technology of lead-bearing solders: They have been used as the dominant soldering
technology in electronics manufacturing since the very beginning of the industry. Most
of the companies were affected in different ways by the European ban of these solders
in electronics, enforced in mid-2006. Fundamental changes in the supply chain, the
production process or in the logistics were the consequences. A special emphasis was put
on the manufacturers of electronic modules and end products.In order to achieve a first validation of our findings, we conducted eight interviews
with companies from other industries and focused on other technologies (see Table 4).The companies are located in Switzerland or Germany. The size of the interviewed
companies varies from a dozen to several thousand employees, which reflects the
heterogeneous industry structure.
Table 4 Distribution of the 42 case studies
Main case: lead-bearing solders in electronics manufacturing
Manufacturing Raw material and Electronic End Other
equipment components modules products Distribution cases
3 5 11 11 4 8
4 Findings from the case studies
Five dimensions have turned out to describe the situations (see also Table 3):
• early information about the controversy
• how early information diffuse into the organisation
• awareness of own application of the technology
• triggers for systematic actions
• internal issue promoters.
4.1 Early information about the controversy
We have found different sources of weak signals of emerging controversies. In the case
of the lead-bearing solders, the dominating sources were published intentions of the
regulators to ban the use of lead-bearing solders. Most interviewees indicated regulatorsas the main source of early information (see Figure 7).
Besides the direct information from regulators, industry organisations often acted
as early detection agencies for their member companies. The foundation of a new
subdivision in an industry organisation has been triggered by the controversy about
lead-bearing solders and several companies have newly joined industry organisations in
order to be better prepared in similar cases.
Identification of issues with controversial technologies
Figure 7 Origins of early information about the controversy
237
Others
Lead-bearing solders
Daily business relations
ir1
(f>C
£• O
ZJ
ca
O)
o
a> a
el
Besides these two main sources, the existing daily business relations were sources of
early signals for some companies: Customer enquiries about the use of a technology,
phase-out of products by suppliers or offers from technology suppliers.Scientific studies about potential adverse effects were not mentioned in the case of
lead-bearing solders. Two cases, for which this information was of relevance, were both
in the nutrition industry: In the first case, there were no specific research results, only
weakly related research activities by institutions that triggered the worries. In the other
case, new scientific results showed the possibility of contamination of products caused by
vestiges in the production equipment:
"The increased sensitivity of the measurement methods showed us that our
production equipment was likely to be contaminated with a substance we
used for a limited number of products. Before, we were convinced to have no
cross-contamination between our products."
We have found another case in the nutrition industry where there was no earlyinformation before research detected a known toxic substance in some productsthat nobody had thought about before. The substance had formed during the
production process.
4,2 How early information diffuse into the organisation
We have identified different channels through which the companies got their first
information about the controversy of a technology. Most early information was identified
by Quality, Safety, Environment and Health (QSEH) departments. Whereas roughlyhalf of our sample reported clear channels of diffusion, other interviewees described the
diffused entrance of information through several channels (see Figure 8).
238 R. BouleUier and A. Biedermann
Figure 8 Major channels through which information about the controversy first enters
the organisation
20 i
tu
2 10
D Others
Lead-bearing solders
to
njx:üi_
D
0-
to E£L O
O
Research projects with government agencies were mentioned as good sources for
early signals:
"Thanks to our global network and our participation in governmental research
projects, we already have learned about the trend to phase-out lead-bearingsolders in the 1990s."
Marketing, sales and purchasing departments were typically of relevance when customers
or suppliers tried to clarify the current application of a technology. Subsidiaries of
multinational companies often profit from their network and corporate technology
intelligence activities.
4.3 Awareness ofown application ofthe technology
The application of certain technologies is obvious for management, but many
technologies are hidden (Economist, 2004). Owing to the increased specialisation on very
narrow segments of the value chain, companies typically lack the knowledge about their
own application of some technologies (see for example, the case of Fujitsu described byOzaki and Yamagishi (2005)).
The interviews showed different reasons that lead to the awareness or ignorance about
the application of a technology before it becomes actually controversial (see Tabic 5).
Identification of issues with controversial technologies 239
Table 5 Mechanisms Lhal influence the awareness of a controversial technology
Company is aware of the technology if it is.
visible lo the customer.
part of the marketing and sales process.
consciously applied.
part of the financial and operational planning.
subject to existing regulation.
subject to purchasing agreements.
The technology gets hidden if it.
.is a standard technology.
.is applied unconsciously.
.is seen as a 'black box' system.
. just works.
Aware of likely application of the technology, most companies did not know their exact
connection to controversial technologies and how they were reliant on them. Clarification
needed dedicated resources. Therefore, companies usually had no detailed knowledgeabout their connection to lead-bearing soldering technology before they tackled the issue
systematically. In all cases, internal experts knew about the application of controversial
technology long before the controversy emerged. Most cases differed in the
dissemination of knowledge in terms of whether the application of the technologyhas been commonly known and accepted or whether it has mainly been viewed as a
technical detail.
Table 6 Knowledge about own application of the controversial technology
Well-known beforecontroversy
Lead-bearing solders
Others
14 cases
6 cases
Known to internal experts
before controversy
Not known beforethe controversy
21 cases
1 case
4,4 Triggers for systematic actions
Issues need promoters in order to be put on the management agendas. In accordance to
the findings of other scholars, information about an emerging controversy at first did not
trigger systematic activities in the companies. As two interviewees put it:
"Wc have known the issue since several years, but did not consider it as
relevant for our situation."
"Suppliers contacted us already in 2003 about the topic, but we started lo deal
with the issue systematically not until 2005."
Asking the interviewees for the reasons why the companies actually started systematicactions, most of them mentioned anticipated regulations for lead-bearing electronics. For
some companies, aspects such as customer inquiries or concerns about supply availabilitytriggered systematic actions:
"Years before, our corporate research department has informed us about the
issue again and again. We only started to tackle the issue after customer
enquiries for lcad-frcc products had arrived."
240 K. Boutellier and A. Biedermann
Concerns about public acceptance triggered actions only in a few cases. Competitivestrategy or anticipated, socially amplified fears were the reasons behind these decisions
(see Figure 9). Companies follow a pragmatic approach in substituting controversial lead
soldering technology. Proactive approach could not be found.
Figure 9 Triggers lor systematic actions about the controversy
Others
Lead-bearing solders
11Eo
0) >ï ^=
Q. CO
CT 3m
CO
to
1-_^^,
-"- „_>
Triggers from outside the Ongoing business relations
value chain inside value chain
4.5 Internal promoters
Since early information was often collected in quality, safety, environmental and
health departments, most internal issue promoters were members of these departments(see Figure 10). In nearly as many cases, the managing directors advocated the issue
internally. The Chief Executive Officer attended the issue if:
1 it was perceived as a company-wide crisis situation with high time pressure
2 it was part of an ordinary investment planning process
3 there was no dedicated department that could take responsibility.
Marketing and sales departments usually advocated substitution when the decision to
systematically approach new technology was triggered by early inquiries of keycustomers or a positive competitive effect was to be expected. Purchasing departments
typically became active when supply availability was in question.
30 -,
S 20 -
cflCDO
*o
i io -
z
1: ff
Anticipated regulation Anticipated public rejection
Identification of issues with controversial technologies 241
Figure 10 Internal promoters of systematic actions about the controversy
Ü Others
Lead-bearing solders
Note: *Quality, safety, environment and health
5 Conclusion and implications
Our research reveals three implications for the management of controversial
technologies:
1 Outside-in perspective is the main source of information: customer push has the
biggest impact.
2 Communication along value chain and early systematic approaches
speed up substitution.
3 Central collection of hints about controversies is useful to identify emerging patterns.
5.1 Outside-in perspective is the main source of information
Categorising the identification of the issues according to the approaches from literature
shows that only three of the proposed approaches actually lead to the identification of
the issues: Sensing the weak signals, regulation monitoring and technology assessment.
The outside-in perspective was prevailing (see Figure 11), which means that identified
trends in the environment (e.g., customer inquiries) triggered the companies' concerns
about a technology.
Sensing weak signals was the prevailing mechanism that led to sense-making in the
organisations. Often, interviewees were not able to recall exactly how the pattern was
recognised, but they agreed that there were many different signals that arose from
the environment and formed an overall picture of the issue after some time. These
signals were often collected by one employee who promoted the issue internally. Six
interviewees explicitly mentioned their activities to monitor the regulatory environment
242 R. Boutcllier and A. Biedermann
as a source for their awareness about the risks. In three companies where the issue
was identified during a technology assessment, production process technologies were
under pressure and therefore, top management had to make a technology choice,
investment sums were substantial and the planning horizon was ten years and longer. No
company identified lead-bearing solders as a controversial technology by applying an
inside-out perspective.
Figure 11 Mechanisms by which companies get aware of controversial technologies
40
30 -
20
10
D Others
Lead-bearing solders
Inside-out perspective Outside-in perspective
The inside-out perspective at the level of product assessment or monitoring was not
mentioned to be of relevance in these cases. We see two main reasons: Firstly, most
adverse effects were of creeping nature and could not be assigned to a single product and
secondly, the only three cases where the inside-out perspective was of any relevance
focused on process technologies, thus no single product was involved. Stakeholder
dialogue was not of relevance in any cases. Our assumption is that stakeholder dialoguewas not considered to be important either because companies did not want the issue
to gain additional impetus or because they did not consider stakeholders other than
regulators and customers powerful enough to cause damage.
5.2 Central collection ofhints about controversies is needed to identify patterns
Companies identify and assess controversial technologies in very different ways.
Information diffuses into the company through many different channels. We partiallyexplain the prevalence of the regulators as sources for weak signals owing to the
clustering of the case studies around regulation-related cases. Besides this, there seems to
be no preferred channel.
Identification of issues with controversial technologies 243
The prevalence of weak signals as a detection principle (see Figure 11) comparedwith the many channels through which the signals enter the company (see Figure 8),
shows the necessity of a central network that discusses weak signals about the adverse
effects of technologies in order to recognise patterns. In most companies, quality, safety,environment and health departments are sensitive sensors.
5.3 Foster early systematic approaches and communication along value chain
Companies usually do not know exactly how reliant Ihey are on one specific technologyand what it takes to substitute it, especially in cases of hidden technologies (see
Table 5). Judgement is a demanding task and needs dedicated resources. Clarification
was often the first step after companies had started to systematically approach the issue.
Therefore, detailed information about the importance of the issue was not available
during decision-making for a systematic approach. To improve decision-making,
management has to introduce systematic approaches on a continuous basis.
As the cases of lead-bearing solders show, rejection of technology is often done
after market introduction of end products. Monitoring adverse affects of a technology
means, therefore, monitoring the final application of the own products in all markets.
This comprises the discourse about the technology in these markets and therefore
can only be done in collaboration with the manufacturers of the end products.
Considering the importance of information from the value chain to trigger systematicactions (see Figure 9), together with the importance of weak signals, shows the necessityof communication about technological issues along the value chain. Since companies
rely on the availability of suitable supply, they should communicate technological issues
to their suppliers in order to create a bottom line relevance: Today's communication
about emerging technological issues along the value chain seems to be dominated byworries about business confidentiality and the fear of loss of customer faith. Companieshave to foster communication about such topics towards their customers as well as
their suppliers.
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Identification of issues with controversial technologies 245
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Immer wieder beanstandet die Öffentlichkeit umstrittene Technologien wie Mobilfunk fur
Handys, Weichmacher für Kunststoffe oder bleihaltige Elektronikgeräte und erreicht teilweise
Verbote. Technologisierung der Gesellschaft und präzisere Analysemethoden führen zu neuen
Zweifeln an Technologien. Wir betrachten den Druck, welcher aus dem Umfeld auf eine
Firma wirkt, sobald eine Technologie unter Beschuss kommt und präsentieren einen
Analyserahmen. Basierend auf Einzelinterviews in 42 Unternehmen und Literaturrecherchen
haben wir vier Motivationen für den Phase-Out solcher Technologien identifiziert:
Firmeneigene Zweifel an der Technologie, gesellschaftlicher Druck, Nachfrageeinbruch und
Beschaffungsprobleme.
The public will continue to complain about technologies such as radio communication for cell
phones, softeners for plastics or electronic devices containing lead due to feared side-effects.
Technologization of society and more precise methods for analysis result in new doubts about
technologies. We focus on the external pressure, which affects a company as soon as a
technology becomes controversial. Subsequently, we present a framework for analysis. Based
on single interviews in 42 enterprises and literature review we identified four motivations for
the phase-out of such technologies: Own doubts about the technology, social pressure, break-
in of demand and supply problems.
Prof. Dr. sc. math. Roman BouteUier ist Professor für Technologie- und
Innovationsmanagement am Departement an der Eidgenössischen Technischen Hochschule
(ETH) in Zürich und Titularprofessor an der Universität St. Gallen. Herr BouteUier verfügtüber langjährige Führungserfahrung in der Industrie und ist Mitglied der Verwaltungsrätemehrerer Schweizer Grossunternehmen.
Dipl. Ing. ETH Andreas Biedermann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für
Technologie- und Innovationsmanagement der Eidgenössischen Technischen Hochschule
(ETH) in Zürich. Sein Forschungsschwerpunkt ist der Umgang der Unternehmen mit
umstrittenen Technologien.
Kontakt: Andreas Biedermann; Departement Management, Technologie und Ökonomie; ETHZürich, CH-8092 Zürich, E-mail: [email protected]; Tel: +41 79 616 26
57.
Wie Technologien unter Beschuss geraten
Vier Motivationstypen zum Phase-Out einer Technologie
Immer wieder beanstandet die Öffentlichkeit umstrittene Technologien wie Mobilfunk für
Handys, Weichmacher für Kunststoffe oder bleihaltige Elektronikgeräte und erreicht teilweise
Verbote. Technologisiemng der Gesellschaft und präzisere Analysemethoden führen zu neuen
Zweifeln an Technologien. Wir betrachten den Druck, welcher aus dem Umfeld auf eine
Firma wirkt, sobald eine Technologie unter Beschuss kommt und präsentieren einen
Analyserahmen. Basierend auf Einzelinterviews in 42 Unternehmen und Literaturrecherchen
haben wir vier Motivationen für den Phase-Out solcher Technologien identifiziert:
Firmeneigene Zweifel an der Technologie, gesellschaftlicher Druck, Nachfrageeinbruch und
Beschaffungsprobleme.
The public will continue to complain about technologies such as radio communication for cell
phones, softeners for plastics or electronic devices containing lead due to feared side-effects.
Technologization of society and more precise methods for analysis result in new doubts about
technologies. We focus on the external pressure, which affects a company as soon as a
technology becomes controversial. Subsequently, we present a framework for analysis. Based
on single interviews in 42 enterprises and literature review we identified four motivations for
the phase-out of such technologies: Own doubts about the technology, social pressure, break-
in of demand and supply problems.
3
1 Einleitung und Problemstellung
Viele Lehrbücher vertreten die Meinung, dass ein Technologiewechscl durch eine neu
entwickelte Technologie mit besserer Leistungsfähigkeit ausgelöst wird {Smith 1996, 22.1).Neben der technologischen Leistungsfähigkeit sind aber weitere Faktoren relevant und seit
mehr als zwei Jahrzehnten befassen sich Tnnovationsforscher, Soziologen, Historiker und
Ökonomen intensiv mit systemischen Aspekten der Diffusion neuer und dem Lock-In alter
Technologien. Sie fanden, dass gesellschaftliche und strukturelle Faktoren einen
Technologiewechscl massgeblich beeinflussen und nicht zwingend eine neu entwickelte,
leistungsfähigere Substitutionstechnologie vorhanden sein muss {David 1985, Millstone 1994,
Christensen 1997, Unruh 2000, Perkins 2003, Geels 2004). Einer dieser Faktoren ist der
Umstand, dass eine Technologie aufgrund von Nebeneffekten unter Beschuss geraten kann.
Die Art, wie sich der Druck, eine solche Technologie nicht mehr einzusetzen auf
Unternehmen auswirkt, ist Gegenstand dieses Beitrages.
1.1 Kritischer Umgang mit Technologien seit Mitte des zwanzigstenJahrhunderts
Nebeneffekte einer Technologie können einen frühzeitigen Phase-Out erzwingen. In der
zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts haben durch Technologien hervorgerufeneUmwelt- und Gesundheitsprobleme mehrmals zu öffentlicher Empörung geführt
{Anastas/Warner 2000) und bereits Beck (1986) weist auf Modernisierungsrisiken hin, welche
heutzutage über nationale und soziale Grenzen hinweg relevant werden und nun nicht mehr
isoliert betrachtet werden können. Auch die OECD (2003) betrachtet die zunehmende
Technologisierung der Umwelt als Quelle neuer Risiken oder Samwel (1999) hebt
exemplarisch hervor, dass im menschlichen Körper sehr viele künstliche Stoffe nachgewiesenwerden können. Grunwald (1999, 189-190) weist darauf hin, dass anthropogene
Umweltveränderungen zur Entstehung globaler Schreckensszenarien geführt haben. Die von
Perrow (1992) angeführte Verstärkung von Komplexität und Kopplung moderner technischer
Systeme ist sicher ein Grund für diese Entwicklung. Viele Befürchtungen beziehen sich auf
gesundheitliche oder umweltbezogene Risiken; daneben können aber auch andere
Schadensfolgen wie Informationsunsicherheit oder finanzielle Risiken analoge Befürchtungenauslösen. Lang (1998) weist darauf hin, dass die Literatur die Verbindung zwischen
Technologievorausschau und Technikfolgenabschätzung nur sehr beschränkt behandelt und
auch Grienitz (2005) bezeichnet die Anwendung von Technikfolgenabschätzung in der
Industrie als verschwindend klein. Specht et al. (2002, 89-90) machen dafür das Fehlen einer
Aktuell Allergieauslösende Substanzen 1984 Chemieunfall in Bhopal
Aktuell Brennstoffe und Klimaerwätmung 1986 Reaktorunglück in Tschernobyl
Aktuell Mobilfunk für Handys 2001 Explosion in Toulouse
Tabelle 1: Beispiele von schleichenden und ereignisorientierten technologiebedingten Problemen
1.3 Auswirkungen auf die Unternehmen
Mertz et al. (1998) zeigen, dass Management, Experten und die Öffentlichkeit
Technologierisiken unterschiedlich wahrnehmen. Viele dieser Risiken manifestieren sich erst
nach Jahren und können Unternehmen überraschen. Die entstehende Verwirrung um solche
Risiken kann eine Firma lähmen, indem sie Managementkapazität bindet (Holliger-Hagmann2003, 8) und Investitionen hemmt. Spühler (2001, 7-8) erwähnt in diesem Zusammenhang,dass die Folgen des heutigen Handelns und die daraus resultierenden Verpflichtungen damit
schwieriger abschätzbar werden. So stoppte beispielsweise 3M die Herstellung einer
Produktlinie, da neue wissenschaftliche Analysemethoden einen Nebeneffekt vermuten
Messen. Die Kosten wurden auf rund 200 Mio. US$ beziffert, und dies, obwohl keine
Anzeichen für eine tatsächliche Schädigung vorlagen {Wood/Clarin 2000). Schon rein die
Kosten technologischer Anpassungen an Regulationen können erheblich sein, wie Gerard und
Lave (2005) am Beispiel der US-Emissionsgrenzwerte für Automobile aufzeigen.
1.4 Struktur des Artikels
Unternehmen müssen die Konsequenzen solcher Kontroversen systematisch einschätzen, um
sich angemessen vorzubereiten. Wir entwickeln und validieren einen Analyserahmen, der dies
unterstützt, wobei die Multidisziplinarität der Herleitung die Komplexität der Fragestellungwiderspiegelt. Im folgenden Abschnitt geben wir einen Überblick über die bestehenden
Ansätze aus der Literatur. Im Anschluss leiten wir den Analyserahmen zur weiteren
Untersuchung her und präsentieren die Ergebnisse aus der Befragung. Wir schliessen unseren
Artikel mit Implikationen für das Management ab.
2 Ansätze zur Analyse des Druckes zum Phase-Out einer
Technologie
Die Managementliteratur erwähnt die Auseinandersetzung mit negativen Auswirkungen von
Technologien meistens im Zusammenhang mit der Entwicklung neuer Technologien (Porteret al. 1991, 341, Eversheim et al 2003). Demgegenüber findet man die kontinuierliche
Überwachung bestehender Technologien unter dem Gesichtspunkt aufkommender Zweifel
vor allem in Regulationen und Normen. Wir haben drei Disziplinen identifiziert, welche dem
Management erlauben, die Vorgänge bei umstrittenen Technologien zu verstehen: Issue-
Analyse, Stakeholder-Ansatz, strategische Umfeldanalyse. Daneben lassen sich grob zwei
5
Ansätze zum Verständnis des Risikos an sich unterscheiden: natur- und
Verständnis der Vorgänge Iss>sue-Analyse Thema, Issue, Verlauf
Stakeholder-Analyse Personen und Gruppierungen
Strategische Umfeldanalysc Bereiche um Umfeld
Verständnis des Risikos Naturwissenschaftliches Risikoverständnis Wahrscheinlichkeil x Auswirkung
Sozialwisscnschaftlichcs Risikoverstandnis Soziale und kulturelle Aspekte,Risikowahrnehmung
Tabelle 2. Fünf Disziplinen zum Verständnis der Vorgänge und des Risikos
2.1 Issue-Analyse
Ansoff (1980, 133) definiert ein Issue als Entwicklung, welche Einfluss auf die
unternehmerische Zielerreichung haben könnte. Tm unternehmerischen Umfeld lauern viele
solcher latenter Themen, welche sich zu Issues entwickeln können: Wer hätte 1921 bei der
Entdeckung von Tetraethylblei als Antiklopfmittel vermutet, dass das bleihaltige Benzin in
den 80er Jahren verboten würde? Dem Konzept des „Issues" kommt daher bei der
Umfeldbeobachtung eine herausragende Bedeutung zu. Die Analyse von Issues mittels der
Detektion schwacher Signale (Ansoff 1975) und der Beitrag von Chase (1977) lieferten
wesentliche Impulse zur Operationalisiemng des Konzepts (Hainsworth 1990, 3, Röttger
2005, 140). Neuere Beiträge beschreiben einen Issue fokussierter als „Legitimationslücke",welche sich durch die Differenz des wahrgenommenen Verhaltens einer Organisation und der
Erwartungen von sozialen Gruppen ergibt (Sethi 1979, 65, Nasi et al. 1997).
Wartick und Mahon (1994, 305-306) nennen drei wichtige Bestandteile eines Issues:
Legitimationslücke, Kontroverse und potentielle Auswirkungen auf die Firma. Eichhorn
(1996, 8-9) erwähnt diesbezüglich ein auslösendes Ereignis, damit zusammenhängende
Vorgänge wie mediale Verstärkung, öffentliches Interesse sowie Anknüpfungspunkte zu
anderen Issues. Die Idee, Issues als Legitimationslücke aufzufassen, hebt die Wichtigkeithervor, die verschiedenen Erwartungen und Wahrnehmungen des unternehmerischen
Verhaltens in Einklang zu bringen. Die Lücke entsteht durch Konflikte um Tatsachen,
Wertvorstellungen oder politische Veränderungen (Wartick/Mahon 1994, Heath 1997).
Verschiedene Autoren unterstreichen die Notwendigkeit, Issues zu bewerten um einen
effizienten Umgang mit diesen zu gewährleisten (siehe beispielsweise Achleitner 1985, 91-93,
Hoffmeister/Kuhn 2005, 34). Häufig ist die Relevanz für das Unternehmen ein wichtigesKriterium für diese Einordnung. Einige Unternehmen setzen Issues-Management bereits seit
den 60er Jahren ein (Wernli 1998, 720); in der Schweiz dagegen betreiben es nur wenigeUnternehmen systematisch (Röttger 2001a, 12).
Issues durchlaufen einen Lebenszyklus (Downs 1972). Liebl (2000, 23-25) leitet
phasentypische Verhaltensempfehlungen ab und Bridges (2004, 62, 72-73) präsentiert eine
Übersicht über verschiedene Modelle und beklagt das Fehlen empirischer Grundlagen solcher
Ansätze. Röttger (2001b, 266-267) erwähnt die verbesserte Prognostizierbarkeit von Issues,
wenn diese an andere Prozesse wie beispielsweise die Gesetzgebung gekoppelt sind. Die
Issue-Analyse betont also die Lücke zwischen Erwartungen und Wahrnehmungen und
berücksichtigt, dass die Relevanz von Issues unternehmensabhängig ist. Ein auslösendes
Ereignis muss für ein Issue vorliegen, welches sich häufig durch schwache Signale im
Vorfeld ankündigt.
6
2.2 Stakeholder-Analyse
Stakeholder (resp. Anspruchsgruppen) sind Gruppen von Personen, welche durch die
Aktivitäten des Unternehmens betroffen sind, oder welche auf diese Einfluss nehmen können
{Freeman 1984, Garriga/Mele 2004, 59). Zur Operationalisierung des Stakeholder
Gedankens werden die Anspruchsgruppen in der Regel in verschiedene Cluster eingeteilt
(siehe beispielsweise Achleüner 1985, 75, Liebl 2000, 28, Müller-Stewens/Lechner 2001,
130). Nicht alle Stakeholder haben denselben Einfluss auf eine Firma und deren Management
{Bridges 2004, 56); so sind Single-Source-Lieferanten und Grosskunden wichtigeStakeholder. Der Einfluss dieser Stakeholder ist oft durch ein Abhängigkeitsverhältnis
begründet {Nasi et al. 1997) und ändert sich im Verlauf der Zeit {Mitchell et al. 1998, 879).Vercic (1997, 265) weist darauf hin, dass Stakeholder oft unterschiedliche oder sogar
widersprüchliche Interessen verfolgen. Viele Autoren betonen die Rolle der Öffentlichkeit
und vor allem auch die gestiegene Relevanz von „Pressure Groups" wie Nicht-Regierungs-
Organisationen, Medienexponenten oder Aktivisten {Zwick/Renn 1997, 102, Garriga/Mele2004, 59).
Im Gegensatz zur themenzentrierten Issue-Analyse stehen im Stakeholder-Ansatz Gruppenvon Personen im Vordergrund. Die beiden Modelle sind aber verknüpft: Lieb! (2000, 31)bezeichnet die Stakeholder als die wichtigen Treiber innerhalb der Entwicklung von Issues
und Bridges (2004, 55) nennt die Wahrnehmung des Issues durch die einflussreichen
Stakeholder einen guten Indikator für die Relevanz eines Issues für das Unternehmen. Die
Stakeholder-Analyse gruppiert die Akteure und hebt die Wichtigkeit der Öffentlichkeit, der
Regulatoren und von Pressure Groups hervor. So wirkten im Asbest-Fall in der Schweiz die
Gewerkschaften massgeblich beim Erlassen der Verbote mit.
2.3 Strategische Umfeldanalyse
Unternehmen stehen im Austausch mit ihrem Umfeld und versuchen dieses zu verstehen
{Wygoda 2005, 103-105), weshalb der Umfeldanalyse im strategischen Planungsprozess eine
wichtige Stellung zukommt (siehe beispielsweise Kay 1993, 342-343, Müller-
Stewens/Lechner 2001, 113-173). Luhmann (1993, 302) bemerkt, dass jede Organisation in
einer Welt operiert, „die sie nicht kennen kann. Diese Welt wird durch
Unsicherheitsabsorption in eine bekannte Welt überführt, durch eine bekannte Welt ersetzt".
Zur Abbildung dieser „bekannten" Welt existieren verschiedene Ansätze.
Aeberhard (1996, 45-46) präsentiert Unterteilungen der unternehmerischen Umwelt (sieheTabelle 3), wobei die wertschöpfungsorientierte Sicht oft durch die Berücksichtigung von
Kunden und Lieferanten vertreten ist und die meisten Unterteilungen das technologische und
das gesellschaftliche System erwähnen. In den letzten Jahrzehnten entstand die
Technologiefrühaufklärung als eigenständige Managementdisziplin zur strategischen Analysedes technologischen Umfelds {Ashton/Klavans 1997, Lang 1998, 21 und 68-69).
Pistorius/Utterhack (1995, 220) Technologie-, politik-, beschaffungs- und absatzorientierte Veränderungen
Grant (2005, 68) National/international economy, technology, government and politics,natural environment, demographic structure, social structure
Tabelle 3: Analysefelder der unternehmerischen Umwelt (Quelle: Aeberhard 1996, 45 und eigene). Fast alle
Autorenführen heule die Technik auf
Die gegenseitige Beeinflussung von technologischen und sozialen Systemen wie politischeInstitutionen, Wissenschaft oder Kultur wird in der Literatur intensiv behandelt. Maguire
(2004) weist darauf hin, dass Ablehnung in der politischen, marketing-orientierten,technischen oder öffentlichen Arena ausreichen kann, um eine Technologie aus dem Markt zu
stossen. Die strategische Umfeldanalyse zeigt, welche Akteure das Unternehmen gleichzeitig
berücksichtigen muss um erfolgreich zu sein. Für das Management von angezweifeltenTechnologien sind die anderen, ebenfalls betroffenen Unternehmen, die Repräsentanten der
Öffentlichkeit und Partnerunternehmen am wichtigsten.
2.4 Naturwissenschaftlicher Risikoverständnis
Das formale Risikokonzept als Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkungstammt aus der Finanzwirtschaft und ist in Technik und Ökonomie weit verbreitet. Die
systematische Erforschung des Risikos begann in der zweiten Hälfte des vergangenen
Jahrhunderts {Renn 1998, 49-50) und in einigen Industrien sind daher die Methoden zur
Risikobeurteilung sehr weit entwickelt (Pittinger et al. 1998, Anastas/Warner 2000).
Sind ähnliche Risikoereignisse bereits öfters eingetreten, kommen deduktive Methoden zur
Anwendung (Zwick/Renn 1997, 120). Diese setzen konstante Wirkzusammenhänge und
genügend statistische Daten voraus (Häfele et al. 1990). Sie versagen aber bei Risiken von
sehr tiefer Eintretenswahrscheinlichkeit: Die Erfahrungsdaten fehlen und statistische
Berechnungen nützen dem Management nur wenig. Bei seltenen Ereignissen kommen eher
induktive Methoden zur Anwendung, mit Hilfe derer Risiken als Verknüpfungen von
Einzelereignissen modelliert werden. Solche Risikoabschätzungen sind limitiert, da häufignicht ausreichend Informationen vorliegen (Wygoda 2005, 37) und damit gerechnet werden
muss, dass nicht alle Fälle betrachtet werden (am Beispiel der Nuklearenergie: Kollert 1993).
s
Die verbleibende Unsicherheit ist gross. Klinke und Renn (2002, 1073-1074) sind überzeugt,dass keine ausreichenden Methoden zu deren Berücksichtigung existieren. Sie teilen die
Risiken anhand der verbleibenden Unsicherheit sowie Schadenscintritt in verschiedene
Kategorien ein und bezeichnen beispielsweise Risiken, welche sich schleichend entwickeln
als Büchsen der Pandora und ereignisorientierte Gefahren als Damoklesschwerter. Aus der
Perspektive eines Rückversicherer schlägt Spühler (2003, 12-16) eine Unterteilung in
Traditionsrisiken und neu entstehende Risiken vor; Foster et al. (1993b) gehen den
Phantomrisiken nach, über welche noch grosse wissenschaftliche Unsicherheit herrscht.
Die wissenschaftliche Forschung kann lange Zeit zu keinem Konsens führen, wie die
Toxizität von Dioxin {Friedman 1999, 114) oder die möglichen Auswirkungen elektro¬
magnetischer Felder illustrieren. Solche Öffentlich ausgetragenen Expertenstreits bergen ein
grosses Konfliktpotential für die Eskalation eines Risikothemas in sich (Hribal 2001, 449).Zwick und Renn (1997, 89) fügen hinzu, dass Risikoberechnungen nicht immer objektiv sind
und auch unterschiedlich interpretiert werden können, wie die Frage um das „sicherste
Transportmittel" aufzeigt {The Economist 1997).
2.5 Sozialwissenschaftliche Risikoverständnis
Die rein naturwissenschaftliche Analyse von Risiko greift zu kurz {Hoos 1980, Freudenburg
1989, Renn 1998, 53), weshalb in den letzen Jahrzehnten das Risikokonzept um
psychologische, soziale und kulturelle Aspekte erweitert wurde {Zwick/Renn 1997, OECD
2003, 15). Es sind mittlerweile viele Merkmale bekannt, welche die subjektive
Risikowahrnehmung beeinflussen (siehe Tabelle 4). Foster et al. (1993a, 33) sehen in der
einfacheren Datenerhebung im Vergleich zur tatsächlichen Bedrohung einen Grund für die
zunehmende Betrachtung der subjektiven Risikowahrnehmung. Neben den
Risikoverursachern und den potentiell Geschädigten sind weitere Akteure zu berücksichtigen
{Zwick/Renn 1997,7).
Vertrautheit Persönliche Kontrolle
Freiwilligkeit der Risikoübernahme Auswirkungen auf Kinder
lCatastrophenpotential Auswirkungen auf zukünftige Generationen
Verständnis der Schadenswirkung Bestimmbarkeit der Betroffenen
Künstlicher oder natürlicher Ursprung Verknüpfter Nutzen
Verteilung von Nutzen und Risiko Vertrauen in involvierte Institutionen
Medienpräsenz Zeitliche Verzögerung des Schadens
Umkehrbarkeit des Schadens Schäden in der Vergangenheit
Wahmehmbarkeit Schrecklichkeit
Tabelle 4: Beispiele qualitativer Risikomerkmale (in Anlehnung an Zwick/Renn 1997, 92, sowie Kuran/Sunstein
1999, 709)
Interaktionen zwischen den Akteuren beeinflussen ebenfalls den Umgang mit Risiken. Der
Ansatz der „Social Amplification of Risk" trägt zum Verständnis dieser Phänomene bei
{Kasperson et al. 1988, Renn 1991). Kasperson et al. (2005) formulieren das Risiko als
Signal, welches durch gesellschaftliche „Stationen" verstärkt und verzerrt wird. Das Thema
erhält so Relevanz und kann in eigentlich unbeteiligte Bereiche hineingetragen werden. Auch
können sekundäre Effekte wie Panik entstehen, welche das ursprünglich befürchtete
Schadensausmass übersteigen {OECD 2003, 54). Kuran und Sunstein (1999) bemerken, dass
gesellschaftliche Prozesse die Plausibilität unsicherer Informationen erhöhen und so das
9
empfundene Risiko verschärfen. Einzelne Akteure können einen sehr grossen Einfluss auf
diese Prozesse haben (Kuran/Sunstein 1999, 687). Auch Kepplinger (2001, 16-17) hebt
gruppendynamische Effekte wie Übertreibung in Gruppen, Hochschaukeln und Beeinflussungdurch Aussenseiter hervor. Haller (1999, 79) erwähnt die gegenseitige Abhängigkeit sozialer
Gruppen und Hribal (2000, 12) weist auf den Einfluss der Risikokommunikation hin. Der
Risikodialog tritt an die Stelle von traditioneller Risikobeherrschung.
Die Wahrnehmung einer Technologie, d.h. ihre soziale Konstruktion, wird wichtiger als die
zugrunde liegenden wissenschaftlichen Fakten. Diese Tatsache können technokratisch
orientierte Ingenieure nur schwer akzeptieren. Latour (2000) versucht diesen harten
Gegensatz aufzuweichen und präsentiert vier Einflussfaktoren, die schlussendlich über die
Abbildung 5: Vier Einflussfaktoren auf die Akzeptanz wissenschaftlicher Tatsachen (in Anlehnung an Latour
2000, 121)
Das natur- und das sozialwissenschaftliche Risikoverständnis weisen auf die Grenzen der
Objektivierbarkeit von Risiken hin. Die sozialen Mechanismen im Umgang mit Risiken
müssen vermehrt betrachtet werden.
3 Forschungsmethodik
Aufbauend auf den Erkenntnissen der zuvor diskutierten Disziplinen entwickeln wir im
folgenden einen Analyserahmen aus Unternehmenssicht für den Druck zum Phase-Out einer
umstrittenen Technologie.
3.1 Forschungsmethodik und -design
Zur Konstruktion des Analyserahmens orientierten wir uns an der Fallstudienforschung {Stake1988, Eisenhardt 1992, Yin 1994). Mit leitenden Mitarbeitern von 42 Unternehmen in der
Schweiz und in Deutschland, welche mit dem Zwang zum Phase-Out einer Technologiekonfrontiert waren, haben wir eine leitfadengestützte Befragung (Bortz/Döring 2003, 315)
durchgeführt und so den Analyserahmen empirisch validiert. Die Niederschrift der Gesprächewurde den Interviewpartnern vorgelegt. Zur Auswahl der Unternehmen orientierten wir uns
an der von Klein und Kleinman (2002, 32) sowie Bijker (1995, 46-38) beschriebenen
Methode, die Interviewpartner nach Abschluss des Gespräches nach weiteren Firmen zu
befragen. So bauten wir ein Verständnis für einzelne Motivationstypen zum Phase-Out auf.
10
3.2 Analyserahmen
Der Analyserahmen ist eine Vereinfachung der Realität (vgl. Luhmann 1993, 302), welche
uns systematische Analysen und die Klassierung von Beobachtungen erlaubt. Er spielt bei der
Erforschung eines Themengebietes eine wesentliche Rolle {Avlonitis et al. 2000, 52), zeigt
Zusammenhänge auf und beinhaltet Aussagen, die ein erfahrener Experte implizit bereits
kennt (Kay 1993,359).
Die beschriebenen Forschungsdisziplinen liefern Beiträge zum Analyserahmen {Tabelle 6).Die identifizierten Ansätze sind aus Unternehmenssicht jedoch entweder zu allgemein oder
verfolgen einen makroskopischen Ansatz. Sie bieten keinen umfassenden Analyserahmen für
das Management: lssue-Analysen fokussieren auf die Analyse des Themas und dessen
Verlaufs, Stakeholder-Analysen versuchen durch Einbezug von Personen und Gruppierenderen Einfluss auf das Unternehmen zu verstehen und die strategischen Umfeldanalysenunterteilen das Umfeld in verschiedene Bereiche (z.B. Technologie, Gesellschaft). Das
naturwissenschaftliche Risikoverständnis kämpft mit Unsicherheiten und neue Ansätze zur
Risikobeurteilung entstehen. Das sozialwissenschaftliche Risikoverständnis hebt die
Interpretation und gesellschaftliche Verstärkung von Risiko hervor, was zu unterschiedlicher
Risikowahrnehmung führt.
Disziplin Meitretgmm Analyserahmen
Issue-Analyse Anstoss zur Kontroverse resultiert aus dem Umfeld
Legitimationslücken durch unterschiedliche Mechanismen
Mit Prozessen gekoppelte Issues sind prognostizierbarerIssue ist Betrachtungsgegenstand
Stakeholder-Analyse Clustering der Stakeholder
Unterschiedliche Auswirkungen der Gruppen auf Unternehmen
Öffentlichkeit und Pressure Groups als wichtige Stakeholder
Personen oder Gruppierungen sind Betrachtungsgegenstand
Strategische Umfeldanalyse Unterteilung des Umfeldes in unterschiedliche Bereiche
Kunden, Lieferanten als zentrale Bereiche
Interaktion von Technologie und Gesellschaft intensiv behandelt
Naturwissenschaftliches Konsens über Risikoeinschätzung nicht garantiertRisikoverständnis Risiken werden falsch eingeschätzt resp. nicht identifiziert
Risikoberechnungen lassen Interpretationsfreiraum
Sozialwissenschaftliches Rein naturwissenschaftliches Risikoverständnis greift zu kurz
Risikoverständnis Risiken werden unterschiedliche wahrgenommenGesellschaftliche Verstärkung der Risikowahrnehmung
Tabelle 6: Beitrag derfünfDisziplinen zum Erstellen des Analyserahmen
Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse aus der Literaturrecherche und in Anlehnung an
die „Stations of Social Amplification" (Kasperson et al. 1988) haben wir daher im Gesprächmit Experten drei Teilmechanismen identifiziert und vier Motivationstypen zum Phase-Out
unterschieden (siehe Abbildung 7). Der Anstoss zur Besorgnis als erster Teilmechanismus
kann sich aus neu erkannten oder erneut beachteten Nebeneffekten oder aus der sinkenden
Akzeptanz bereits bekannter Effekte ergeben {Sokalski et al. 1997). Neben
naturwissenschaftlichen Erkenntnissen gehört daher auch der gesellschaftliche oder
unternehmerische Wertewandel in diese Analysegruppe. Durch Verstärkung im sozialen
Umfeld können solche Anstösse zu einem Öffentlichen Thema werden, an dem sich
verschiedene Gruppen wie Öffentlichkeit, Medien oder Regulatoren beteiligen. Private Labels
wie BioSuisse nehmen eine ähnliche Rolle wie die staatlichen Regulatoren wahr. Die
Ablehnung innerhalb der Wertschöpfungskette bedeutet, dass Kunden eine Technologie
Il
ablehnen oder Lieferanten diese nicht mehr anbieten. Sie kann sich über mehrere Stufen der
Wertschöpfungskette ausbreiten.
Anstoss zur Besorgnis
Naturwissenschaftliche Erkenntnisse - Wertewandel
ÏVerstärkung im gesellschaftlichen Umfeld
Öffentlichkeit - Regulatoren - Medien - Pressure Groups
Ablehnung in der Wertschöpfungskette
Kunden - Lieferanten - Handler
EigeneZweifel
f«Ptilff
Gesellschaftlicher
Druck
Nachfrage¬einbruch
Beschaffungs¬
probleme
Drück aufÛntè^Hefomen zum Phass-«
•Il i III. «É
Direkte Motivation Wertschopfungsorientierte Motivation
Abbildung 7: Analyserahmen für den Druck zum Phase-Out einer Technologie
Wir unterscheiden aus Unternehmenssicht vier Motivationstypen für den Phase-Out: Eigene
Zweifel, gesellschaftlicher Druck, Nachfrageeinbruch und Beschaffungsprobleme. Eigene
Zweifel kennzeichnen sich dadurch, dass ein Unternehmen ohne äusseren Zwang aus einer
Technologie aussteigt. Edison stieg aus der Röntgentechnologie aus, nachdem einer seiner
Mitarbeiter an der Exposition starb (Kevles 1997, 46-49). Der gesellschaftliche Druck kann
sich in staatlichen Verboten, Besteuerungen, negativen Medienberichten oder auch
Öffentlichen Protesten manifestieren. Rauchen in öffentlichen Räumen oder die
Feinstaubproblematik durchlaufen zurzeit diese Phase. Der Nachfrageeinbruch kündet sich
oft durch Kundenanfragen nach alternativen Technologien an. Auf der anderen Seite treten
Beschaffungsprobleme dann auf, wenn Lieferanten ihr Sortiment straffen oder Preise
aufgrund der gesunkenen Losgrösse erhöhen. Die längerfristige Ersatzteilverfügbarkeitverschärft die Situation.
3.3 Analysierte Fälle und Auswertung
An der Befragung nahmen Unternehmen teil, welche Technologien einsetzen, die schon gut
am Markt eingeführt sind und aufgrund von Nebeneffekten in die Kritik geraten sind.
Unternehmen sind häufig nur unter Vorbehalt bereit, über solche Themen zu sprechen,weshalb unsere Auswertung anonym erfolgt. Um die Aktualität zu gewährleistenkonzentrierten wir einen Grossteil der Fälle um den Phase-Out von bislang dominanten
bleihaltigen Lotmaterialien in der Elektronikindustrie (34 Unternehmen), von dem viele
Unternehmen unterschiedlich betroffen sind (vgl. Boutellier/Biedermann 2006). Wir
erhärteten die Erkenntnisse durch Interviews in Nahrungsmittelindustrie (3 Unternehmen),Chemie (2 Unternehmen), Kunststoff- (1 Unternehmen) und Glasverarbeitung (1
Unternehmen). Die Fälle konnten wir den verschiedenen Motivationstypen zuordnen
(Bortz/Döring 2003, 330). Tabelle 8 zeigt die zur Auswertung verwendeten Indikatoren.
12
MQtivatiamiypm Indikatoren für die Zuordnung
Direkte Motivation Eigene Zweifel Wissenschaftliche Ergebnisse, Forschungsschwerpunkte,Wcrtcwandel
Druck Anfragen von Journalisten oder besorgten Endkunden,
Proteste
Wertschöpfungsorientierte Nachfrageeinhruch Absatzprobleme, Preiszerfall, Kundenanfragen nach
Motivation Alternativen, Kündigung von Abnahmeverträgen
Beschaffung- Produkt-Abkündigung der Lieferanten, Verlängerung der
problème Lieferfristen, Erhöhung der Beschaffungskosten
Tabelle 8; Indikatorenfür die Auswertung der Interviews
4 Erkenntnisse aus der Untersuchung
Bei 32 Unternehmen waren Absatzprobleme relevant, während Beschaffungsprobleme in
zwölf Firmen die Entscheidung beeinflussten. Daraus lässt sich folgern, dass die
Unternehmen vor allem auf Druck aus der eigenen Wertschöpfiingskette reagierten. Ein
anderes Bild ergibt sich, wenn man wertschöpfungsorientierte und direkte Motivationen aus
dem Umfeld konsolidiert betrachtet (Abbildung 9): Tn 26 Firmen war der
wertschöpfungsorientierte Druck der einzige Treiber für den Phase-Out. Die meisten dieser
Fälle, entstammen der Problematik der bleifreien Elektronik, da die europäische Regulationbei der Inverkchrsetzung greift und Kunden den Druck an die Lieferanten weitergeben. In vier
Fällen waren eigene Zweifel oder gesellschaftlicher Druck der alleinige Auslöser.
Demgegenüber beeinflusste in zwölf Fällen eine Kombination der beiden den Ausstieg. Das
Fehlen von Fällen, die von keinem der Motivationstypen getrieben sind, festigt unseren
Analyserahmen.
Direkte Motivation
aus dem Umfeld
Kombinierte
Motivation
Indirekte Motivation
aus der
Wertschöpfungskette
Eigene Zweifel
Gesellschaftlicher Druck
X X
X X
X
X X
Nachfrageembruch
Beschaffungsproblcme
X X
X
X X
X X
Anzahl Fälle 2 1 1 3 4 5 6 1 19v
_
*_ ,
>v__
^
Total 4 Firmen Total 12 Firmen Total 26 Firmen
Bild 9: Auswertung der Interviews nach Motivation zum Phase-Out (N=42, keine Mehrfachnennungen)
4.1 Eigene Zweifel
Nur sechs Interviewpartner nannten eigene Zweifel als wichtige Motivation. Die meisten
konnten nicht aus eigener Kraft den Phase-Out initiieren und externe Beweggründe wie
Regulationen kamen diesen Unternehmen entgegen. In einem Fall Hessen überraschende
Forschungsresultate Zweifel aufkommen. Diese frühen Informationen waren aber mehrdeutigund stark interpretationsbedürftig. Der Phase-Out-Entscheid fiel rasch und blieb auch nach
13
neuen, entwarnenden Untersuchungen bestehen. In dem Fall, in dem die Firma sich rein durch
eigene Zweifel zum Phase-Out entschloss, lösten verbesserte Analysemethoden Zweifel aus,
da Rückstände von problematischen Substanzen in Anlagen Produkte kontaminierten, welche
bislang als unbedenklich gegolten hatten. Daher stellte die Firma die Verarbeitung des
problematischen Stoffes ein und nahm den damit verbundenen Umsatzeinbruch in Kauf.
4.2 Gesellschaftlicher Druck
Der gesellschaftliche Druck unterteilt sich in die beiden Typen Regulationen und Druck der
Öffentlichkeit. Regulationen waren in den meisten untersuchten Fällen eine der Ursachen für
den Phase-Out, jedoch war nur ein Viertel direkt von Regulationen betroffen; der Grossteil
erfuhr den Druck indirekt über die Wertschöpfungskette. Interviewpartner beklagten, dass
Regulationen nicht immer auf die wirtschaftliche Realität abgestimmt seien, und forderten
einen intensiveren Einbezug der Industrie. Es wäre aber zu einfach, hier die Schuld den
Regulatoren zuzuweisen. Regulationen erfordern für jedes Unternehmen und Produkt
teilweise aufwendige Abklärungen und lassen oft einen beachtlichen Interpretationsspielraum.
Einige Firmen haben daher ihre Produkte aus dem Geltungsbereich von Regulationen
„hinausinterpretiert".
Regulationen sind nicht immer verlässliche Planungsgrundlagen. So wurde der europäische
Phase-Out-Stichtag für bleihaltige Lote im letzten Jahrzehnt mehrmals verschoben und
technische Feinheiten wurden erst Monate vor dem Stichtag geregelt. Auch in anderen
Industrien wurden ähnliche Tendenzen genannt, wie häufig wechselnde Grenzwerte oder
Nachweismethoden. Zudem greifen Regulationen regional unterschiedlich und sind oft auf
einige Industrien beschränkt. Die entstehende Unsicherheit ist ein Nährboden für Gerüchte.
Demgegenüber wirkt der öffentliche Druck über Industrie- und Staatsgrenzen hinweg.Substanzen mit ähnlichen Namen sind in der öffentlichen Wahrnehmung identisch und
wissenschaftliche Erkenntnisse werden grosszügig ausgelegt. Für verschiedene
Interviewpartner war es nicht nachvollziehbar, dass pauschale und wissenschaftlich nicht
fundierte Aussagen in der Öffentlichkeit Gehör finden. Verschiedene Finnen verzeichneten
einen Anstieg von Medienberichten oder Anfragen besorgter Endanwender. Oft traten diese
Indikatoren erst auf, als es für geeignete Gegenmassnahmen zu spät war. Viele Unternehmen
vermeiden es, solche Themen gegen die Konkurrenz einzusetzen und weichen dem
öffentlichen Druck aus, indem sie sich bewusst nicht öffentlich mit diesen Themen
auseinandersetzen.
4.3 Nachfrageeinbruch
Absatzprobleme waren in vielen Fällen dominant und eintreffende Kundenanfragen stiessen
den Phase-Out an, obwohl die Finnen von der bevorstehenden Notwendigkeit bereits vorher
Kenntnis hatten. Ein Mitarbeiter eines globalen Elektronikkonzerns drückte es treffend aus:
„Das zentrale Labor hat uns bereits vor vier Jahren darauf hingewiesen. Handlungsbedarfbestand für uns aber erst, als vor zwei Jahren erste Kundenanfragen eintrafen.
"
Die
Kundenanfragen waren teilweise unqualifiziert und stellten sich im Verlauf der Zeit als
ungerechtfertigt heraus. Auch erfolgten sie nicht synchron und die Kunden verfolgten ihre
individuellen Phase-Out-Ziele. Daneben unterschieden sich die Anforderungen je nach
Produktgruppe, Anwendungsgebiet und Absatzmarkt. Ein Abgleich dieser Ansprüche brachte
den Unternehmen eine Erleichterung, war aber nicht immer möglich. Einige Unternehmen
verzeichneten einen Rückgang der Verkäufe im Vorfeld des Technologieausstiegs, denn
Kunden warteten mit Investitionen in der Hoffnung, dass sich technologische und
14
regulatorische Unsicherheiten verringerten. Andere Unternehmen verzeichneten eine
Intensivierung der Verkäufe im Zuge der Last-Time-Buys, da Kunden ihren Allzeitbedarf der
alten Technologie an Lager legten. Die Nachfrage stieg dann aber sprunghaft an und als Folgeresultierten Lieferengpässe und Preiserhöhungen.
Diese indirekte Verstärkung über die Wertschöpfungskette erzeugt Unsicherheit.
Unternehmen können ihre effektive Betroffenheit nur schwer abschätzen und
Fehlinterpretationen sind die Folge. Vielen Unternehmen fehlt auch das notwendige,technische Grundlagenwissen und sie müssen auf die Kompetenz von Anlagen- oder
Betriebsmittellieferanten zurückgreifen.
4.4 Beschaffungsprobleme
„Die Lieferanten sind die Treiber im Umstellungsprozess. Sie wollen sowieso nur noch
bleifrei produzieren."
Wie dieses Zitat eines Technologieverantwortlichens veranschaulicht,
beeinflussen Lieferanten den Phase-Out-Prozess massgeblich. Sie versuchen so
Produkthaftpflichtfälle zu vermeiden. Die eng verflochtenen Wertschöpfungsketten in der
Elektronikindustrie haben dazu geführt, dass viele Komponenten nur noch in der bleifreien
Variante verfugbar sind. Da jede Substitution die Neuqualifikation gesamter Baugruppen
bedingt, entschlossen sich viele Unternehmen dazu, alle bleihaltigen Materialien auch ohne
regulatorischen Druck zu ersetzen. Für andere Unternehmen war die ungewisse längerfristige
Verfügbarkeit von Ersatzteilen der Hauptgrund für den Phase-Out. Solche Firmen waren
typischerweise nicht dem gesellschaftlichen Druck ausgesetzt, aber in die gleichen
Wertschöpfungsketten integriert wie die direkt betroffenen Unternehmen. Überdies besassen
sie häufig eine geringe Macht gegenüber den Lieferanten. Hersteller von Werkzeugmaschinenoder Medizinalgeräten sind Beispiele.
Allein die Abklärung der zukünftigen Verfügbarkeit von Komponenten band viele
Ressourcen und die fehlende Harmonisierung der Umstellungsplanung der Hersteller sowie
der Produkt-Bezeichnung Hess die Komplexität ansteigen. Aufgrund der grossen
Komponentenanzahl mussten einige Unternehmen Mitarbeiter speziell für
beschaffungsseitige Fragestellungen einstellen.
5 Zusammenfassende Thesen für das Management
Drei Teilmechanismen im Umfeld eines Unternehmens beeinflussen den Druck zum Phase-
Out einer Technologie massgeblich: Anstoss zur Besorgnis, Verstärkung im sozialen Umfeld
und Ablehnung in der Wertschöpfungskette. Um die Ablehnung einer Technologie und die
Relevanz für das Unternehmen einordnen zu können, lohnt es sich, diese gemeinsam zu
betrachten. Eine einseitige Betrachtung birgt die Gefahr in sich, relevante Zusammenhänge zu
übersehen und die Bedrohung falsch einzuschätzen. Wir haben einen Analyserahmen aus
Unternehmenssicht für den Druck zum Phasc-Out einer Technologie hergeleitet und
Einzelinterviews in 42 betroffenen Unternehmen anhand dieses Rahmens ausgewertet. Aus
den Ergebnissen unserer Untersuchungen lassen sich drei Thesen ableiten, welche durch
weitere empirische Untersuchungen zu verifizieren sind.
5.1 Vier Motivationstypen, welche den Druck zum Phase-Out einer
Technologie ausmachen
In allen analysierten Unternehmen existierten bereits früh Anstösse für die Besorgnis um eine
Technologie. Oft lagen wissenschaftliche Erkenntnisse vor, welche aber kontrovers diskutiert
15
wurden. Auf der anderen Seite zeigen viele Beispiele, dass Ablehnung auch durch die
sinkende gesellschaftliche Akzeptanz bereits bekannter Auswirkungen entsteht. Die
Verstärkung im gesellschaftlichen Umfeld geschieht durch staatliche und private Regulatoren,die Öffentlichkeit und insbesondere die Medien. Abhängigkeiten innerhalb der
Wertschöpfungskette führen ebenfalls zu einer Verstärkung des Druckes zum Phase-Out. Da
die Wertschöpfungsketten heute stärker segmentiert und verflochten sind, haben Technologie-
Ausstiege und Substitutionen unmittelbar Auswirkungen auf viele Unternehmen. So bedingte
beispielsweise die Forderung nach bleifreien Elektronik-Endprodukten Anpassungsarbeitenbis hin zu den Komponentenherstellern und den Herstellern von Lötanlagcn und Prüfgeräten.Ist ein Unternehmen mit einer umstrittenen Technologie konfrontiert, ist das Wissen über die
eigenen Wertschöpfungsketten in Richtung der Kunden wie auch der Lieferanten von
entscheidender Bedeutung. Unsere Untersuchungen erhärteten unsere Unterteilung des
Druckes zum Phase-Out in vier unterschiedliche Motiviationstypen: Eigene Zweifel,
gesellschaftlicher Druck, Nachfrageeinbrauch und Beschaffungsprobleme.
5.2 Mindestens eine der vier Motivationen liefert den Anstoss für den
Phase-Out einer Technologie
In allen Interviews wurde mindestens eine der vier Motivationstypen genannt, welche das
Unternehmen zum Phase-Out bewegten. Teilweise haben eigene Zweifel das Managementintrinsisch zum frühzeitigen Verlassen einer Technologie bewegt. Der gesellschaftliche Druck- wie Regulationen oder Boykotte - hat einige Male dazu geführt, dass eine Technologieverboten oder stark benachteiligt wurde und somit nicht mehr am Markt eingesetzt werden
konnte. Daneben können auch Medien und Öffentlichkeit Druck zum Phase-Out erzeugen.
Am häufigsten beobachteten wir Situationen, in denen Unternehmen mit einem
Nachfrageeinbruch konfrontiert waren. Kunden wollten oder durften eine Technologie nicht
mehr einsetzen. Unternehmen können von Beschaffungsproblemen betroffen sein, wenn
wichtige Partner im Wertschöpfungsnetzwerk eine Technologie nicht mehr anbieten.
Unternehmen, welche eigentlich die Technologie aus Kundensicht noch weiterhin einsetzen
dürften können daher ebenfalls von den Phase-Out-Bestrebungen betroffen sein. Auch
konnten wir für jeden dieser einzelnen Motivationstypen Unternehmen identifizieren, welche
alleine aufgrund eines einzelnen dieser Motivationstypen den Phase-Out einer Technologiebeschlossen hatten.
5.3 Druck aus der Wertschöpfungskette ist vorherrschender Auslöser
Der Druck zum Phasc-Out aus der Wertschöpfüngskette führte im untersuchten Sample öfters
zum Phase-Out von Technologien als direkter, gesellschaftlicher Druck oder auch eigeneZweifel. In 26 Fällen waren alleine Nachfragecinbruch oder Beschaffungsprobleme für den
Phasc-Out ausschlaggebend, in weiteren zwölf Fällen waren diese neben der direkten
Motivation entscheidend. Nur in vier Fällen entschloss sich das Management ohne Druck von
Lieferanten oder Kunden zum Phase-Out. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass in den
meisten Situationen, sich das Management aufgrund des Drucks aus der Wertschöpfungskettezum Phase-Out entschliesst. Dieses Untersuchungsergebnis könnte jedoch aufgrund des
Schwerpunktes des gewählten Samples auf den Phase-Out von bleihaltiger Elektronik
einseitig beeinflusst werden und bedarf - wie auch die beiden anderen Thesen - weiterer
empirischer Validierung.
16
6 Endnoten
': Es existieren starke Unterschiede zwischen den verschiedenen Behörden. So wurde der
Umgang der Schweizer Regulatoren mit solchen Thematiken mehrfach als vorbildlich
genannt.
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6 Kopien der Publikationen V
6.4 Die Abhängigkeit von umstrittenen Technologien verringern
Boutcllier, R. und Biedermann, A. (2006): Die Abhängigkeit von
umstrittenen Technologien verringern, in io new management, 9, 16-
19.
iG E^^HM^ Management umstrittener Technologien
Die Abhängigkeit von umstrittenen
Technologien verringernNimmt die Öffentlichkeit negative Effekte einer Technologie wahr, sind Alternativen gefragt.
Das braucht Zeit, weshalb das Management frühzeitig nach Anhaltspunkten beginnender
Kontroversen suchen muss, „„von roman bout f. llier und andreas Biedermann
BiHJHWJBH Seit jeher verwendete die
Industrie bleihaltige Legie¬
rungen, um elektronische Geräte zu löten.
Nun dürfen seit Mitte 2006 in weiten Tei¬
len des europäischen Marktes keine neu¬
en, elektronischen Geräte mehr verkauft
werden, die Blei und andere als proble¬
matisch eingestufte Substanzen enthalten.
Für die betroffenen Firmen bedeutet dies
einen grossen Aufwand und verursacht
viele Unsicherheiten. Unternehmen aus
anderen Branchen sind mit ähnlichen He¬
rausforderungen konfrontiert. Jahrelange
technologische Erfahrungen lassen sich
nicht innehralb weniger Monate substitu¬
ieren. Zudem benötigt auch die Anpas¬
sung anderer Geschäftsprozesse Zeit Das
systematische, frühe Erkennen von Kon-
troversen um Technologien ist deshalb
eine unverzichtbare Aufgabe eines jeden
Managements, um solche Entwicklungen
sicher und erfolgreich zu meistern.
PROF. DR, ROMAN
| BOUTELUER in Professorf für Technologie- und Innovations-
management am Departement
| Management, Technologie unaÖkonomie (D-MTF.C) lier ETH
men Distrelec sind in erster Linie logis¬tisch gefordert, denn sie müssen ihre
Lagerbeständc an bleihaltigen Materia¬
lien bis zum Stichtag geleert haben.
Hersteller der Endprodukte, die in
der Regel ihre Produkte durch externe
l'artnerlötenlassen,sind nun verpflich¬
tet, bleifreie Elektronik-Module zu be¬
zichen und ihre Produkte an diese neu
anzupassen. Auch müssen sie die eige¬
nen bleihaltigen Lagerbestande abbau¬
en, einen Vorrat an bleihaltigen Ersatz¬
teilen anlegen oder die Naehproduktion
sicherstellen. Um zusätzliche Kosten
10 new management Nr. 9 | 2006
Management umstrittener Technologien 17
Abb. v. Die Entstehung des Drucks zu einem Phase-Out
WtMSM**ui4Si&&t£UË^hM^fcA^4uF III 11 ,i H
Produkte
Akteure im unternehmarischen Umfeld wie die Öffentlichkeit können einen grossen Druck auf eine Firma ausüben.
wegen sinkender Losgrößen zu ver¬
meiden, haben dieseUnlernehmen häu¬
fig ihr gesamtes Produktsortiment auf
«bleifrei» umgestellt ungeachtet mög¬
licher Ausnahmeregclungcn für einzel¬
ne Produkte oder Markte.
Der ökologische Nutzen ist
nicht erwiesen
Die Elektronikdienstleister (^Electronic
Engineering and Manufacturing Ser¬
vices») liegen im Zentrum des Tech-
nologiewechsels: Sie müssen ihre Pro
duktionsproz.esse umstellen, neue Kom
ponenten beschaffen und ihre eigenen
Lagerbestände eliminieren. Sie können
im Unterschied zu den Herstellern der
Endprodukte nicht die Produktionsstra¬
tegien der Produkte festlegen. So sind bei
spielsweise die Industrie- und Medizin
elektronikfirma Iftest AG oder die Elek¬
tronikdienstleister CCS Holding und
Swisstronics gefordert, auch in Zukunft
den bleihaltigen Lötprozess auszufüh¬
ren. Häufig werden hierzu verschiedene
Produktionsstrassen parallel betrieben
und zusätzliche Lagerplätze geschaffen.Daneben müssen die Zulieferer fur den
Grossteil der Komponenten die Stamm
daten anpassen und die Verfügbarkeiteiner blcifrcien Variante abklären. Die
Komplexität hat sich spürbar erhöht.
Bei den Lötanlagcn selber handelt es
sich weit gehend um standardisierte
Produkte. Obwohl die Anlagenherstel¬
ler ihre Produkte frühzeitig anpassten
und Produktionskapazitäten ausbau¬
ten, verlängerten sich die Lieferzeiten
für neue Anlagen in den letzten Jahren
massiv, da viele Firmen innerhalb von
wenigen Monaten orderten. Die Umstel¬
lung in der Elektronikindustrie erfol gle
unter Zeitdruck und konnte daher nur
bedingt mit anderen Prozessen syn¬
chronisiert werden (wie zum Beispiel
die Produktentwicklung oder die Inves¬
titionsplanung). Erhöhtes Re-Enginee-
ring, ausserordentliche Investitionen
und frühzeitig vom Markt zu nehmen
de Produkte belasten die Branche. Auch
sind die nunmehr eingesetzten Alter¬
nativen teilweise wiederum problema¬
tisch und der ökologische Nutzen der
Umstellung ist nicht erwiesen.
Informationen zur Langzeitzuver¬
lässigkeit von bleifreien Loten sind nur
beschränkt vorhanden, da sich Alte
rungstests nicht beliebig beschleunigen
lassen und sich bisherige Anwendun¬
gen auf die kurzlebige Konsumelektro¬
nik konzentrierten. Viele europäische
Elektronikunternehmen produzieren
aber langlebige Produkte, die teils unter
extremen Bedingungen eingesetzt wer¬
den, wie zum Beispiel in Baumaschinen,
Motorstcucrungen oder Sicherheitsan-
Wendungen.
Sicherheit schaffen
durch frühes Erkennen
Fest steht: Die Umstellung einer Firma
auf eine alternative Technologie ist ein
langer Prozess. Jahrzehntelange tech¬
nologische Erfahrung lässt sich nicht
innerhalb von Monaten substituieren
und auch die Anpassung anderer
10 new management Nr. 9 | 2006
l8 ^^^WhB Management umstrittenor 1 eihnolopien
(Tesehatlspro/essc benotigt Zeit Will
ein llnttrnc hintn chest Veranderun
gen die\on umstrittenen [echnologien
ausgehen, ohne unnötige Hektik mcis
tern oder sogar /um eigenen Vorteil aus
nut/en, muss das Management aktiv
nach frühen Anhaltspunkten sieh an
bahnender Kontroversen sut ht n
Der Id( ntifikation von Zweifeln
kommt eine Schlüsselt ollp zu (Rottgcr
2001, S 255fr) I îuhes Wissen über mog
liehe Akzeptanzprobleme einer einge
sc t/ten I et hnolugic erlaubt es die Tech
nologie Abhängigkeit zu vemngern
und alternati\e Losungsprmzipien zu
entwickeln Zudem lasst sich die Sub
stitution mit anderen Prozessen syn
chronisieren und Langzeittests sind
möglich Die Kosten sinken und die
Sicherheil steigt
Gesellschaftliche Prozesse
sind ausschlaggebend
Der Druck /um Phase Out einer Tech
nologie entsteht durch das Zusammen
spiel der Betroffenen, der Öffentlichkeit,
den Reguldtoif n der Wissenschaft
(/um Beispiel der! mwcltmcdi/m) und
den indirekten Profileuien wie bn
spielsweise politise he Parteien Medien
Liauser oder Protekliomsten (siehe Ab
bildung r auf Seite 1/) AlleTeehnolo
gicn weisen nach dem nt ue>ten Wis
sensstand bei ihrer Zulassung keine
unzumutbaren Ncbeneflekte auf Alle
spater entdeckten Lffektcsinddetnnat h
nu ht offensichtlich und die Betroffenen
korinen sie häufig gar nicht eindeutig
zuordnen Fbenfalis sind lange Zeitver
/ogerungen die RegelGilt eine Technologie im Lauft der
Zeit als umstritten, kann dies verschie
dene Ursachen haben
Die Nebeneffekte der 7t e hnologie
haben sic h verstärkt oder smd neu
entstanden
Die Nebeneffekte werden nicht
mehr akzeptiert
Die Messmethoden zum Nachweis
der Nebentffckte haben sich ver
bessert
Die Betroffenen smdeuipfindhcher
geworden
DieBctroffcnt nsineleinfrussrcichcr
gewoidenDie Öffentlichkeit skandalisieit die
lechnologie
Indus kt Betroffene (Dritte) nutzen
das Thema fui cigcnt Interessen
Studien decken Mangel auf
Oft sind mehrere Ursachen Auflöset fur
eint kontroverse Am Anfang steht abe r
meist emf wisstnsthafthe he Studie die
auf mögliche Nedentftektc cmerTeth
nologie hinweist Die Massenmedien
greifen diese Resultate auf, und die
Gesellschaft projiziert die Laborbedm
gungen grosszugig auf die Realität Die
wissenschaftliche Logik von Ursache
und Wirkung wird durch das mediale
latei Opfer Denkschema ersetzt Ahnh
che Begriffe weiden v( 1 wechselt, die
Kontioverse schlappt auf mtht betraf
fenc Produkte ubei Der öffentliche Dis
kurs entfernt sich immer mehr von den
wissenschaftlichen Fikenntnissen und
wird teilweise durch unbetnl igte Dritte
verstärkt
Abb. 2: Warnhinweise im Umfeld eines Unternehmens
'Fr*«
Lieferanten
Verbesserung««Irtfermätf»! Pmh
AnlagijUefann
^esMbenchte,
Anfragen
il
Informationen aus dem gesamten Umfeld müssen von der Ceschaftsleitung zu einem Gesamtbild verdichtet werden
10 new marine ment Mr 9 | zoqG
Management umstrittener Technologien jjj^^f^fl 19
Viele Staaten betreiben zwar Iiisli
tutionen, die die Auswirkungen von
Technologien abschätzen, doch sind
diese Folgen nur beschränkt vorherseh¬
bar. In den letzten Jahrzehnten haben
die Regulatoren daher vermehrt Vor¬
sicht walten lassen und Beschränkun¬
gen erlassen, die über die wissenschaft¬
lich erhärteten Fakten hinausgehen
(vgl. Wiener 2005, $.111 ff). Sic wenden
auch zunehmend Kriterien der Risiko¬
wahrnehmimg an, da schon alleine die
öffentliche Reaktion aufdie vermuteten
Risiken beträchtliche Schäden anrieh
ten kann (Calow j «y8. S. 308ft)- Bei der
Analyse technologischer Kontroversen
muss das Management daher neben
den rein wissenschaftlichen Unlersu
chungsresultaten auch weitere Krite¬
rien hinzuziehen.
Die Früherkennung ist
Aufgabe der Geschäftsleitung
Warnhinweise treten im gesamten
unternehmerischen Umfeld als frühe,
schwache Signale auf (Kuhn et al. 2003,
S. isff). Unterschiedliche Abteilungen
können sie erkennen (siehe Abbildung
2 aufder rechten Seite ), wobei die ersten
Anzeichen oft in Unternehmensbcrei-
ehen auftreten, die sich nicht intensiv
mit der Technologie befassen. Es ist
daher Aufgabe der Geschäftsleitung,den Informationsfluss zu gewährleistenund die Mitarbeiter zu sensibilisieren.
Oft müssen diese aber solche Themen
dem Topmanagement geradezu '<ver
kaufen» (Licbl 2003, S. 106fr),
Neben internen Berek hen sind
bestehende Geschäftsbeziehungen eine
häufige Informationsquelle: Der Liefe¬
rant macht auf neue Komponenten auf¬
merksam, Kunden fragen nach der Ver¬
wendung eines bestimmten Stoffes oder
die Hersteller der Produktionsanlagen
informieren über Weiterentwicklun¬
gen, Hinweise aus diesen Quellen be¬
deuten keinen Informationsvorsprung,
da sie sich innert ku rze r Zei t in der Bran¬
che weiterverbreiten. Lin nachhaltiger
Wettbewerbsvorteil ist nicht möglich,
im Gegenteil. Denn die Informationen
sind häufig durch die Eigenintcrcssen
der Informanten gefärbt und wider
sprechen sich. Durch diese Informa¬
tionsflut kann grosse Verwirrung ent
stehen, wie derFall derbleihaltigen Lote
aufzeigtUm frühzeitig auf Zweifel aufmerk¬
sam zu werden und besser vorbereitet
zu Sein, müssen Unternehmen andere
Informationsquellen überwachen und
alle Abteilungen mit einbeziehen. Das
Erkennen und das interne Kommuni¬
zieren solcher Themen sind von ent¬
scheidender Bedeutung. Die Geschäfts¬
leitung muss schwache Signale aktiv
sammelnund zu einem Gesamtbild ver¬
dichten. Nur so kann sie ein systemati¬
sches Vorgehen erarbeiten. Ein Grund¬
verständnis über die Entstehung einer
technologischen Kontroverse ist dabei
sehr hilfreich.
Bewusstsein in den
Abteilungen schaffen
Unternehmen setzen eine grosse Zahl
an Technologien ein- dieGcschäftslei-
tung muss sich über deren Akzeptanz
im Klaren sein. Einige Technologien
sind offensichtlich, viele aber sind in
eingekauften Komponenten oder Anla¬
gen versteckt und nur wenigen Mitar
beitern bekannt, Danehen nehmen ver¬
schiedene Mitarbeiter einzelne Tech¬
nologien unterschiedlich wahr. So ist
beispielsweise das bleihaltige Lot in der
öffentlichen Wahrnehmung primär ein
«Schwermetall»,im Bereich Forschung
und Entwicklung eine «Zinn-Blei
(SnPb)-Legierung» und im Einkauf ein
nicht «RoHS»-konformcr Hilfsstoff.
Eine Liste der eingesetzten Techno¬
logien ist ein erster Schritt zur Identifi¬
kation relevanter Kontroversen, Diese
Liste umfasst die wichtigsten einge¬
setzten Produkt- und Prozesstechnolo-
gien und trägt den unterschiedlichen
Sichtweisen auf die Technologien Rech¬
nung. Aufkommende Zweifel lassen
sich anhand dieser Liste von den Mit¬
arbeitern rasch auf ihre Relevanz, hin
beurteilen und bei Bedarf an die für die¬
ses Technologiefeld verantwortliche
Person weiterleiten. Daneben ermög¬
licht die Liste die Kommunikation
anhand technologischer Kategorien:
Die zuständigen Personen bereiten die
potenziellen Issues auf und berichten
diese periodisch der Geschäftsleitung.
Der Ausstieg aus bleihaltigen Loten
in der Elektronikindustrie ist kein Ein¬
zelfall (vgl. Fnstei et al. 1993). Ein weit
verbreiteter Einsatz von Technologien,
analytische Fortschritte beim Nachweis
von Nebeneffekten und die gestiegene
öffentliche Wahrnehmung von negati
ven A uswirkungen schaffen Zweifel an
den eingesetzten Technologien. Auch
die Chemie- oder Nahrungsmittelin¬
dustrie sowie die Telekommunikation
befassen sich mit ähnlichen Fragestel¬
lungen. Klar ist, dass Firmen, die solche
Themen identifizieren und systema¬
tisch bearbeiten, mehr Zeit haben, um
technologische Alternativen zu ent-
w ickeln.
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lonew management Nr. 9 | 2006
6 Kopien der Publikationen VI
6.5 Qualitätsmanagement bei umstrittenen Technologien
Boutellier, R. und Biedermann, A. (2007): Qualitätsmanagement bei
umstrittenen Technologien, in Pfeifer, T. und Schmitt, R. (Hrsg.)
Masing Handbuch Qualitätsmanagement, München, Carl Hanser
Verlag.
ber ';rrn.ç,t'*:+x'r'". *
Tc-.-^."GiogienRoman Bautellicr una" Andreas Biedermann
26.1 Einfluss umstrittener Technologienauf die Qualität
26.1.1 Kritischer Umgang mit Technologien
26.1.2 Trends in der Wertschöpfungsketle
26.1.3 Qualitätstrends
26.1.4 Konsequenzen für Unternehmen
76.2 Mechanismen im Umfeld sind
ausschlaggebend
26.2.1 Auswirkungen und Betroffene
26.2.2 Wissenschaft
26.2.3 Öffentlichkeit
26.2.4 Regulatoren
26.?..5 Indirekte Profiteure
26.2.6 Drei Managemontaufgabon
26.3 Identifizierung einer
umstrittenen Technologie
26.3.1 Identifikation der Kontroverse
um eine Technologie
26.3.2 Bestimmen des eigenen Einsatzes
der 1 echnologie
3
26.3.3 Anstoß von systematischen
Abklärungen 14
4
4
76.4 Umgang mit einer umstrittenen
Technologie 14
676.4.1 Dominantes Design 15
726.4.2 Lock-In-Situation 16
26.4.3 Zugzwang 16
8 26.4.4 Trade-Off 17
9
9
26.5 Phase-Out einer umstrittenen
Technologie und Clean-Up 17
926.5.1 Substitution oder Marktausstieg 17
10
11
11
26.5.2 Aufräumarbeiten nach dem
Phase-Out 19
26.6 Implikationen für das
Qualitätsmanagement 19
1126.6.1 Umstrittene Technologien - Ein
typisches Qualitätsthema 19
11
13
76.6.2 Fünf Handlungsvarianten 20
26.6.3 Langzeitzuverlässigkeit von
Technologion frühzeitig adressieren 20
26.7 Literatur 21
1
f'mmerwieder kommen Technologien unter Druck der Öffentlichkeit und werden
verboten. Unternehmen, welche mit einer solchen Situation konfrontiert sind,
r bewegen sich im Spannungsfeld zwischen dem Druck aus dem Umfeld, diese
-À, Technologie nicht mehr einzusetzen, und der Verfügbarkeit von Alternativ¬
technologien. Kurze Entwicklungszeiten, globale Markte und kritische Kunden deuten
darauf hin, dass sich Unternehmen in Zukunft vermehrt mit umstrittenen Technologien
auseinandersetzen müssen.
Die Qualität von Produkten wird durch die Erfüllung von Kundenansprüchen definiert.
Der Kunde entscheidet maßgeblich auch über die Akzeptanz einer Technologie Wenn
eine Technologie in der Öffentlichkeit unter Beschuss gerät, kann die Vermeidungder Technologie zum Qualitätskriterium werden. Qualitätsanforderungen für etablierte
Technologien sind höher als Anforderungen, welche an neu am Markt eingeführte
Technologien gestellt werden. Alternativtechnologien müssen daher bereits zu Beginn
ihrer Anwendung ein hohes Leistungsniveau erreichen.
Eine spezifische Technologie kann in vielen Produkten zur Anwendung kommen. Einige
Technologien werden durch das eigene Unternehmen direkt eingesetzt, der Großteil
wird aber durch die Lieferanten implizit in zugekauften Komponenten oder Rohstoffen
geliefert. Die Beschaffung spielt daher eine wichtige Rolle beim bewussten Umgang mit
umstrittenen Technologien. Da sich Lieferanton gegenüber ihren Kunden nicht gerne zum
Thema umstrittene Technologien äußern, muss die Beschaffungsabteilung aktiv auf
die Lieferanten zugehen und den systematischen Umgang mit solchen Technologien
initiieren.
Unternehmen müssen drei Hauptaufgaben erfüllen: Identifikation der Technologie als
umstritten, bewusster Umgang mit der umstrittenen Technologie und notfalls geordneter
Phase-Out, Auch wenn die Technologie nicht mehr eingesetzt wird, beschäftigt sie
Unternehmen auch nach dem Phase-Out noch weiter, da z. B. noch Eratzteilgarantien
erfüllt werden müssen. Der Umgang mit umstrittenen Technologien ist oft Aufgabe der
Qualitätsabteilungen. Aus diesem Grund ist ein vertieftes Verständnis wichtiger
Mechanismen notwendig.
2
/it 1 1 iniliES um im Il oit (ii. ifJ II Wîl (iH (lLnIlldî
26.1 Einfiuss umstrittener
Technologien auf die Qualität
I in le(hnolugiewe<.hsel stellt gtofie Ilernusfoideninyii in
das Quulitatsm.m igement, da o(t FrlahiunKsdaten leiden
und das Uualit itsvetstaiidms lut die neue Teihnoloye
noch wem;, enmukelt ist Viele Lelllhuihet veitleteli
die Meinung das, ein lrchtiologiewecltsrl dutth neu etil
uk kellt Itthnologun nul iihohiot I t isrungsfanigkt P
ausgt iost wnd Ca seilst haftiu hi und nitbt zuktzt Öko¬
2.2 Drei wichtige Technologien zur Herstellung von Chlor
Chlor (CI2) wird heute zumeist elektrolytisch aus natürlichem Salz (NaCl) herge¬
stellt. Erstmals dokumentiert wurde das grün-gelbe Gas im achtzehnten Jahrhun¬
dert und seine erste industrielle Herstellung erfolgte aus Mangandioxid und Salz¬
säure. Die Chlorgewinnung mittels Elektrolyse war bereits seit Beginn des
neunzehnten Jahrhunderts bekannt, aber erst die Entwicklung geeigneter Genera¬
toren und Graphit-Anoden Ende des neunzehnten Jahrhunderts ermöglichte die e-
lektrolytischc Herstellung von Chlor in industriellem Maßstab, den so genannten
Chlor-Alkali-Prozess. Es entsteht an der Anode Chlor, an der Kathode Natronlau¬
ge und Wasserstoff. Ein wichtiger Prozessschritt ist dabei die Trennung des
Chlors von den restlichen Reaktionsprodukten. Zwei Trenntechnologien eigneten
sich dazu: die Diaphragma-Zelle und die Quecksilber-Zelle. Ende der 1970er Jah¬
re wurde rund 80% des gesamten Chlors in Westeuropa mittels Quecksilber-
Technologie produziert [Sch02: „1. Introduction" und EuC04b: 4]. Alle anderen
Technologien setzten sich nur in Nischen durch.
.Chlor (CI)
Sole
(NaCl)Verarmte" Sole
(H20)
Quecksilber-/' A
Pumpe '^^
Quecksilber
Horizontaler Zersetzer
Bild 2: Quecksilber-Zelle zur Chlurherslellung [in Anlehnung an MGH02: 102]
2.3 Die Kehrseite der Medaille
Ein möglicher Austritt von Quecksilber aus Chlorproduktionsstätten bedroht über
den Nahrungsmittelkreislauf eine große Zahl an Menschen und Tieren: Einerseits
durch den direkten Verzehr von Meerestieren und andererseits auch im Landesin-
nern durch die Verwendung von Fischmehl als Tierfutter [FAZ96: N3].
In der Umwelt tritt Quecksilber in verschiedenen Formen auf, in Fischen am häu¬
figsten als organisches Methylquecksilber (z.B. CHi-Hg-CH3). Dieses wird vor¬
wiegend durch Mikroben aus elementarem Quecksilber gebildet [Scl05: 25].
Umgang der Unternehmen mit umstrittenen Technologien Seite 31
Organisches Quecksilber wurde 1866 erstmals als gesundheitsschädigend erkannt,
als Labormitarbeiter nach Exposition durch Dimethylquecksilber erkrankten und
starben. Der therapeutische Einsatz von Dimethylquecksilber zur Bekämpfung
von Syphilis wurde Ende des neunzehnten Jahrhunderts in Deutschland aufgrund
der hohen Toxizität aufgegeben. 1940 traten Methylquecksilber-Vergiftungen bei
Arbeitern einer Fungizid-Verarbeitung auf, da sie aufgrund fehlender Abschir¬
mung exponiert waren. Da Methylquecksilber hauptsächlich zur Saatgutbehand¬
lung eingesetzt wurde, erkrankten vorwiegend Landwirte und am Herstellungs-
prozess beteiligte Fabrikarbeiter [WS96: 368].
Ende der 1950er Jahre erregte die Situation in der japanischen Minamata-Bucht
öffentliches Aufsehen: 111 Menschen erlitten durch die Einnahme von quecksil¬
berhaltigen Fischen dauerhafte Gehirn- und Nervenschädigungen oder starben.
Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich im japanischen Nigata [Fou94: 2]. Dies be-
wog 1972 die japanische Regierung zu einem Verbot der Chlorproduktion mit
Quecksilber. Ähnliche Regulierungsmaßnahmen in Nordamerika und Europa er¬
folgten erst später [SMS03: 432 und Jac99: 6-8]. Die Vergiftung der Minamata-
Bucht ist das Schlüsselereignis im Aufstieg des Quecksilbers zu einem wichtigen
Umwelt- und Gesundheitsproblem [Sel05: 26]. Damit hat der Lernprozess ganze
106 Jahre gedauert.
1955 bis 72 ereigneten sich im ländlichen Irak ähnliche Tragödien. Die Landbe¬
völkerung konsumierte Getreide, dessen Saatgut mit Alkylquecksilber behandelt
worden war. Im Irak, wie auch in der Minamata-Bucht, traten im Anschluss an die
Vergiftungen ebenfalls Schädigungen an Neugeborenen auf [WS96: 370]. Seit ei¬
niger Zeit wird Quecksilber ebenfalls mit Krankheiten wie Alzheimer und Parkin¬
son in Verbindung gebracht [ZRH+05: 4].
Auch die anderen Chlor-Herstellungstechnologien haben ihre Schattenseiten, so
verwendete die Diaphragma-Technologie Asbest, das als hochgradig krebserre¬
gend eingestuft wird. Die Verwendung solcher Diaphragmen zur Chlorherstellung
ist beispielsweise in Deutschland ab 2011 verboten [Jac99: 12]. Die Diaphragma-
Technologie wurde ab den 1890er Jahren industriell eingesetzt und seither laufend
verbessert. In Europa fehlte ihr aber der große Durchbruch.
2.4 Chlorproduzenten: Wechsel zur Membran-Technologie
Die Membran-Technologie zur Chlorherstellung wurde in der Mitte des 20. Jahr¬
hunderts entwickelt. Das 2001 im Rahmen der EU-Richtlinie über die integrierte
Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (LPPC) publizierte
Referenzdokument zur Herstellung von Chlor empfiehlt einen Technologiewech-scl von den Quecksilber-Zellen hin zu den Membran-Zellen [EIPPCD01: 11 Iff].
Seite 32 R. Boutellier, A. Biedermann
Es ist daher in den kommenden Jahren mit einem Anstieg der Membran-Zell-
Technologie zu rechnen. Einige Unternehmen sind bereits frühzeitig umgestiegen.
100%
50%
0%
Diaphragma-Technologie^f*m|^n-Tw»olÄ
s**a
M.' ji#. '•if<
Quecksilber-Technologie;»1»
•echnoiogie mx.
1985 1990 1995 2005 2010 2015 2020
Bild 3: Technologien zur Chlorherstellung in Europa [Daten von Euro Chlor]
2001 existierten in Westeuropa rund 50 Chlorproduktionsstätten, welche noch auf
der Quecksilber-Technologie basieren. Der Grossteil davon steht in Deutschland,
Italien, Spanien und Frankreich [ShoOl: 21ff]. 2003 wurde in Europa rund die
Hälfte des Chlors mittels Quecksilber-Technologie produziert und über 30%
durch Membran-Zeil-Technologie.
Technologie mit Nebenwirkungen
Chlorherstellung mit Quecksilber
Unfälle und SpätfolgenMinamata, Irak
Druck auf Ausstieg
Membran-Technologie
Grenzwerte sicher einhalten
suboptimale Technologie verwenden
reife Technologie verwenden
Grenzwerte problematisch
Bild 4: Entscheid zwischen frühem und spätem Wechsel
Für die Anwender der Quecksilber-Technologie stellt sich die Frage, ob und wann
sie den Technologiewechsel hin zur Membran-Zelle vollziehen sollen. Die ver¬
gleichsweise hohen Investitionen in die neue Technologie und die angespannte
Marktsituation schränken den Handlungsspiclraum der Finnen ein. Der Technolo¬
giewechsel wird daher mit Vorteil gleichzeitig mit anderen Investitionsvorhaben
(z.B. mit der Erhöhung der Sicherheit des Produktelagers) getätigt.1 Firmen, wel¬
che früher als notwendig in die Membran-Zell-Technologie investierten, tragen
Gespräch mit Beat Lorétan (ehemals Papier- und Zellulosefahrik Attishoh, Schweiz)
Umgang der Unternehmen mit umstrittenen Technologien Seite 33
heute höhere Kapitalkosten und betreiben suboptimale Technologien, da die
Membranzell-Technologie laufend weiter verbessert wurde [Sch02: "Introducti¬
on"]. Ein späterer Wechsel hätte aber dazu fuhren können, dass die Firmen die
neuen Grenzwerte nicht mehr hätten einhalten können.
2.5 Verbote und freiwillige Verpflichtungen zum Phase-Out
Bild 5: Quecksilber-Ausstoß durch Quecksilber-Technologie [EuC04a: 2]
In Anbetracht der Bedrohung der Umwelt durch Quecksilber unterzeichneten die
15 Staaten, deren Gewässer in den Nordatlantik und die Nordsee fließen, 1990 die
„Paris Convention". In dieser Übereinkunft wurde das Ziel eines Phase-Outs der
Quecksilber-Technologie bis zum Jahre 2010 angepeilt.2 Die europäische Chlor-
Alkali-Industrie vertritt heute jedoch die Auffassung, dass ein komplettes Phase-
Out erst bis zum Jahre 2020 sinnvoll und vertretbar ist. Dies aus vier Hauptgrün¬
den: Erstens wurden seit 1990 die Quecksilber-Emissionen aus dem Chlor-Alkali-
Prozess stark reduziert.3 Zweitens werden Werke, welche am Ende ihres Lebens¬
zyklus angekommen sind, kontinuierlich durch Membran-Zellen ersetzt. Drittens
würden die Investitionskosten die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Firmen
stark beeinträchtigen, während der Nutzen für die Umwelt marginal bliebe. Zu¬
sätzlich wäre der ökologische Schaden unnötig groß, welcher durch eine verfrühte
und eilige Sanierung der Quecksilber-Anlagen entstünde [Sco02: 15; ShoOl:
21ff]. Schließlich vermuten Experten, dass die verfügbare Engineering-Kapazität
zur Umrüstung aller verbleibenden Werke bis zum Jahre 2010 nicht ausreicht. Die
2
OSPARCOM(Oslo-Paris-Commission): ShoOl und EuC04b: 4
Bis zum Jahre 2007 hat sich die Industrie das Ziel gesetzt, den Grenzwert von einem Gramm
Quecksilber-Emission pro Tonne produzierten Chlors zu erreichen. Vgl Har04: 27
Seite 34 R. Boutcllicr, A. Biedermann
Quecksilber-Technologie könnte also noch länger als ursprünglich gedacht einge¬
setzt werden. Die Unsicherheit bleibt.
Parallel zu dieser Entwicklung unternimmt die EU Bestrebungen, Quecksilber bis
zum Jahre 2020 vollständig vom globalen Markt zu verbannen [Sta05: 7]. Welche
Meinung sich durchsetzt, ist offen: Die Unsicherheit in der Industrie ist groß.
Quecksilber ist nicht die einzige Substanz, welche der Chlor-Alkali-Industrie auf¬
grund von Umwelt- und Gesundheitsschutzüberlegungen zu schaffen macht. Eini¬
ge mit Chlor hergestellte Endprodukte sind höchst wirksam, aber ökologisch oder
toxikologisch bedenklich, so zum Beispiel polychlorierte Biphenyle (PCB), Dich-
lordiphenyltrichlorethan (DDT) oder Polyvinylchlorid (PVC) [Sch02: "14. Uses"].
Der Chlor-Bedarf für die Herstellung von Fluorchlorkohlenwasserstoffen
(FCKW) ist praktisch vollkommen zum Erliegen gekommen, als 1990 mit dem
Protokoll von Montreal diese Ozonschicht schädigenden Substanzen de facto ver¬
boten wurden. Ein zweiter großer Abnehmer, die Papier- und Faserstoffindustrie
ging wegen der Forderung nach „chlorfrei gebleichtem Papier" Ende der neunzi¬
ger Jahre ebenfalls verloren.4 Überdies ist der elektrolytische Chlor-Alkali-
Prozess einer der größten industriellen Konsumenten elektrischer Energie [Sch02:
"1. Uses"].
3 Schwierige Aktionsforschung
Die Chlor-Alkali-Industrie ist nicht die einzige Industrie, welche sich mit solchen
Problemen beschäftigt. Andere Industrien haben bereits ähnliche Erfahrungen
gemacht. Auch liegt eine große Zahl an Technologien vor, welche unter Umstän¬
den ebenfalls verboten werden. Dabei handelt es sich vielfach um Technologien,
die bei ihrer Einführung als Durchbruch gefeiert wurden und in vielen Bereichen
Anwendung fanden.
Die Firmen befinden sich in einer unsicheren Situation, da nicht klar ist, wie lange
und in welcher Form die Technologie in Zukunft angewendet werden soll.
Vgl. SMS03: 432 undPoo97. 288-290. Ein interessantes Detail ist, dass neu in den Papierfabri¬ken die bis anhin als Nebenprodukte der Chlorgewinnung angefallene Natronlauge zur Blei-
ehung verwendet wird. An deren Stelle wird neu das Chlor verkauft.
Umgang der Unternehmen mit umstrittenen Technologien Seite 35
Die Entwicklungen im Umfeld - von den Unternehmen nur bedingt steuerbar -
bestimmen den llandlungsspielraum der Firmen maßgeblich. Um möglichst opti¬
mal auf die Anforderungen aus dem Umfeld zu reagieren und diese wenn möglich
sogar zu antizipieren, müssen die Unternehmen die vorliegende Situation analy¬
sieren und Trends identifizieren können. Die Analyse des Umfeldes und der Risi¬
ken, welche eine Technologie unter Druck setzen könnten, ist zentral.
Technologien, bei welchen der Phase-Out klar ist: Technologien, welche unter Druck geraten konnten
Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKWs): Bisphenol A
Spraydosen, Kuhlschranke: Ozonabbauende Wirkung Kunststoff-Herstellung Verdacht auf Erbgutschadigung
Asbest: Computer-Tastaturen
Isolation, Bremsbeläge Asbestose, Krebserkrankung Verdacht auf Repetitive Strain Injury („Mausarm")
Polychlorierte Biphenyle (PCBs) Geräte mit elektromagnetischer Strahlung
Dichtungsmassen: Verdacht auf hormonelle Wirkung Telefone Verdacht auf Gesundheitsschadigung
Quecksilberzellen-Technologie: Phthalate
Chlorherstellung: Austritt von Quecksilber in Umwelt Bodenbeläge Verdacht auf Fortpflanzungsschadigung
Bleihaltige Elektronik Toner-Druckverfahren
PCs1 Einbringen von Blei in die Biosphäre Laserdrucker. Verdacht auf allergene Wirkung
Bild 6: Beispiele umstrittener Technologien
Vergleiche umstrittener Technologien haben gezeigt, dass sich Firmen aus ver¬
schiedenen Branchen ähnliche Fragen stellen, wenn sie sich in solchen Situationen
befinden. Typische Verhaltensmuster sind zu erwarten. Allerdings sprechen Fir¬
men nicht gerne über die Problematik. Sie befinden sich in einem Dilemma:
Nehmen sie die Zweifel ernst und beschäftigen sich intensiv damit, so müssen sie
nach dem heutigen Börsengesetz die erkannten Risiken publizieren und setzen
sich unter Druck, rasch zu reagieren. Es fehlt ihnen so die Zeit um Erfahrungen zu
sammeln. Wenn Firmen aber nicht intensiv den möglichen Risiken nachgehen, so
können sie sich dem Vorwurf des Nichtstuns aussetzen und handeln fahrlässig.
Somit gestaltet sich die Aktionsforschung schwierig. Zwei Fragen stehen dabei im
Vordergrund:
1. Wie können Firmen frühzeitig erkennen, dass eine Technologie angezweifeltwird und unter Druck gerät?
2. Wie können sie reagieren, wenn eine Technologie bereits umstritten ist?
Für das Management dieser Situationen und als Forschungsmethodik bietet sich
trotz aller Schwierigkeiten im offenen Umgang mit latenten Risiken das aus dem
Wissensmanagement bekannte Konzept von „Lessons Learned" an, bei welchem
Erfahrungen aus abgeschlossenen Projekten gesichert und für neue Vorhaben ge¬
nutzt werden können.
Drei wesentliche Erfolgsfaktoren für „Lessons Learned" sind (1) die Offenlegung
aller zur Beschreibung der Unternehmens- und Technologiesituation wichtigen In¬
formationen, (2) das unmittelbare Debriefing nach durchgeführtem Projekt und
Seite 36 R. Boutellier, A. Biedermann
(3) der Einbezug sämtlicher am Projekt beteiligten Personen [PRR99: 211]. Über¬
tragen auf den Umgang mit umstrittenen Technologien bedeutet dies:
1. Um die Offenlegung der in der Regel sensitiven Daten zu ermöglichen, ist ei¬
ne Anonymisierung der Informationen notwendig, so dass auch Experten kei¬
ne Rückschlüsse auf die Informationsquelle ziehen können.
2. Die Erfahrungen in den untersuchten Unternehmen sollten noch nicht lange
zurückliegen oder die Unternehmen befinden sich noch in der unsicheren Pha¬
se des Prozesses.
3. Neben den betroffenen Unternehmen ist es wichtig, dass beispielsweise auch
Kunden, Regulatoren und NGOs in die Untersuchungen miteinbezogen wer¬
den.
Klassifizierung unsicherer Situationen
Alternative TechnologienMembran-Zelle, Diaphragma-Zelle
Technologie-Lieferant
Anlagenbauer
Technologie-Anwender
Chlorhersteller
umstrittene
TechnologieQuecksilber-Zelle
z
o :3 tu
£ u cp
3 S >
Produkt-Anwender
PVC- & FCKW-Industrie,
Papierindustrie, Haushalte
i-?
Öffentlichkeit
Betroffene
Meeres-Anwohner, Bevölkerung
3= =
Bild 7: Wichtigste Akteure
Betroffene Unternehmen, welche die Technologie einsetzen, sind Technologie-
Lieferanten, Technologie-Anwender oder Produkt-Anwender. Eine große Rolle
spielen zudem Regulatoren und die Öffentlichkeit; dies in Anlehnung an die so¬
zialen Gruppen der Theorie der Social Construction of Technology (SCOT).5
Die Technologie-Anwender kaufen die Technologie von Technologie-Lieferanten
oder entwickeln sie zum Teil selber. Sie stellen damit Erzeugnisse her, die von
Produkt-Anwendern wiederum in ihre Fabrikate eingearbeitet werden. Diese Pro-
Bij95: 45/ Soziale Gruppen sind im SCOT massgeblich an der Gestaltung neuer Technologien
beteiligt
Umgang dei Unternehmen mit umstrittenen Technologien Seite 37
dukte haben häufig keine negativen Auswirkungen, die umstrittene Technologie
kommt nur noch versteckt vor. Chlor wird beispielsweise zu rund einem Drittel
zur Herstellung von „chlorfreien" Endprodukten eingesetzt [Sch02: "14. Uses"].
Eine Firma analysiert die Situation, um das Verhalten der Akteure zu verstehen
und wenn möglich zu prognostizieren. Es geht darum, die Ziele der Akteure und
deren grundsätzliche Entscheidungsalternativen zu kennen. Die Frage, ob wirklich
negative Auswirkungen von der Technologie ausgehen, ist für die betroffenen Un¬
ternehmen sekundär. Obwohl heute noch nicht Klarheit über mögliche schädigen¬
de Wirkungen des Medikamentes VIOXX herrscht, ist der Aktienkurs von Merck
um 30% gefallen.
4.1 Funktionalität nicht immer rasch substituierbar
Wie am Beispiel der Chlorherstellung illustriert, erfüllt die umstrittene Quecksil¬
ber-Technologie eine wichtige Funktion für die Wirtschaft. Auf der anderen Seite
werden Dritte durch negative Auswirkungen der Technologie betroffen. Die
Technologie-Anwender müssen nun abschätzen, ob und wie lange die positiven
Eigenschaften die negativen Extemalitäten der Technologie aufwiegen. Dieser
Trade-off und die schwierige Vorhersage des Verhaltens der Akteure sind wichti¬
ge Gründe für die vorherrschende Unsicherheit: Anfangs der 1990er Jahre brach
in Peru eine verheerende Cholera-Epidemie aus, welche mehrere tausend Todes¬
opfer forderte. Als wichtiger Grund für den Ausbruch wird der plötzliche Verzicht
auf die Desinfektion des Trinkwassers mit Chlor genannt [Jar97]. Das Dilemma
wurde in der Presse verschiedentlich aufgegriffen.
Bild 8: Cholera-Epidemie als Folge von Verzicht aufChlor [McL04]
Die durch die Technologie erfüllte Funktionalität wir weiterhin gefordert. Ein ü-
bcreilter Ausstieg kann stark negative Folgen haben. Aus Sicht von einzelnen Un-
Seite 38 R. Boutcllier, A. Biedermann
ternehmen kann er den Verlust eines ganzen Geschäftszweiges bedeuten, aus ge¬
sellschaftlicher Sicht einen massiven Einschnitt in die Lebensqualität. Ein einfa¬
cher Ausstieg ist häutig nicht möglich, da die Unternehmen und die Gesellschaft
von Technologien abhängig sind [Bul94: 69]. Vielmehr findet - wenn überhaupt
möglich - eine Substitution statt. So wurde Chlor in Schwimmbädern durch Ozon
ersetzt.
4.2 Auswirkungen und Betroffene
Das breite Bewusstsein über die Schädlichkeit von Quecksilber als Umweltgiftentstand erst im Laufe der Zeit [WS96]. Negative Konsequenzen einer Technolo¬
gie erkennt die Industrie erst im Verlauf der Anwendung der Produkte. Manchmal
sind erste Zweifel an einer Technologie teilweise bereits bei der Markteinführung
präsent, werden aber von den Entwicklern als nicht relevant eingestuft. Im Falle
der Nebenwirkungen von chemischen Substanzen ist es vergleichsmäßig einfach,
die unmittelbar akuten Nebenwirkungen von Substanzen abzuklären. Die mittel¬
baren, chronischen Schädigungen kann aber niemand mit Bestimmtheit vorhersa¬
gen. Die Komplexität der Systeme, insbesondere der Organismen, erlaubt es nicht,
alle möglichen Folgen abzuschätzen. Zwar ist es möglich, einzelne, isolierte Ef¬
fekte zu verstehen, aufgrund der vielen Kombinationsmöglichkeiten fehlt jedochdie notwendige Erfahrung [AdaOl : 45f].
Hat das Unternehmen bei der Markteinführung der neuen Technologien deren
Auswirkungen seriös abgeklärt, so beruhen neu entdeckte Nebenwirkungen in der
Regel auf Untersuchungen, deren Resultate auf verschiedene Weise interpretiert
werden können. Die Öffentlichkeit kann sehr emotional darauf reagieren. Die
Kommunikation der Ergebnisse ist sehr schwierig und eine differenzierte Betrach¬
tung der Gefahrenpotentiale findet nicht statt. Pauschalaussagen und Verbote nach
dem Gießkannenprinzip sind die Folge und müssen durch die Firmen mit Anträ¬
gen auf Ausnahmeregelungen zum Teil rückgängig gemacht werden. Das effekti¬
ve Gefahrenpotential steht dabei nicht mehr im Zentrum [Wan04]. Experten be¬
klagen eine unnötige Panikmache [KM01: 349ff], was das Lösen der tatsächlichen
Probleme erschwert. Die Akzeptanz von Risiken ist sehr unterschiedlich [AdaOl:
135ffJ.
Die Betroffenen haben grundsätzlich zwei Möglichkeiten, sich gegen die Auswir¬
kungen der Technologie zu wehren: Sie können via Regulatoren Verbote oder Be¬
schränkungen der fraglichen Technologie erwirken. Beispiele für solche Szenarien
sind das Verbot von Fluorchlorkohlenwasserstoffen, welches durch das Montreal-
Protokoll 1987 beschlossen wurde, oder das Verbot der Quecksilber-Technologiein Japan in den 1970er Jahren [SMS03: 432]. Der zweite Pfad führt über den frei¬
en Markt: Die Abnehmer können die Technologie boykottieren oder eine Aus¬
zeichnung verlangen. Im Fall von Chlor treffen wir auf die Bezeichnung „chlor-
Umgang der Unternehmen mit umstrittenen Technologien Seite 39
frei gebleichtes Papier", die allerdings nicht offen legt, ob der weitere Herstel-
lungsprozess Chlor verwendet.
4.3 Regulatoren
Die Regulatoren stehen in einem Dilemma und müssen zwischen Schutz der Be¬
völkerung und dem technischen Fortschritt abwägen.
Neben dem absoluten Verbot einer Technologie existieren auch Lenkungsabga¬
ben, globale Begrenzung der Belastung, Deklarationspflicht und Haftpflichtregc-
lungen [in Anlehnung an BP04: 245]. Die Regulationen können die Technologie
selber betreffen oder aber deren Auswirkungen. Sie können also entweder die
Quecksilber-Technologie direkt verbieten oder den Quecksilber-Ausstoß regulie¬
ren.
Regulationen gelten in den meisten Fällen national, d.h. lokal, so dass eine um¬
strittene, global eingesetzte Technologie in den Märkten unterschiedlich stark ein¬
geschränkt werden kann. Zudem treten die Vorschriften zeitlich versetzt in Kraft
und gelten nicht in allen Teilmärkten. Aufgrund dieser Unterschiede kann sich ei¬
ne Segmentierung eines bislang homogenen Marktes ergeben. So ist beispielswei¬
se die RoHS-Richtlinie,6 welche im Wesentlichen den Umstieg auf bleifreie Elekt¬
ronik erzwingt, nur im EU-Raum verbindlich. In Nordamerika und Asien wird
eine ähnliche Regelung erst angestrebt [End04]. Aufgrund der weltweit vernetzen
Märkte ist ein globaler Trend hin zu RolIS-konformen Produkten zu erwarten.
Aus ethischen Gründen können multinationale Unternehmen solche Gesetzesdif¬
ferenzen nur sehr beschränkt ausnützen.
in den letzten Jahren hat das Vorsichtsprinzip in der europäischen Rechtsspre¬
chung Einzug gehalten. Auch die EU-Kommission beruft sich auf dieses Prinzip
und empfiehlt es den EU-Mitgliedstaaten. Das Vorsichtsprinzip nach Hans Jonas
[Jon79] basiert auf der Annahme, dass neue Technologien möglicherweise
menschheitsbedrohliche Risiken bergen. Aufgrund der moralischen Verpflichtung
gegenüber den Nachkommen muss die heutige Generation alles unternehmen, um
das Überleben der Menschheit zu sichern [LH01]. Beispiele der Anwendung des
Vorsichtsprinzip sind die RoHS-Richtlinie, das vorübergehende Importverbot von
britischem Rindfleisch während der BSE-Krise 1998 oder das Verbot von
Weichmachern in Kinderspielzeugen [LH01 und EU03: 19].
In der Gesetzgebung können vier unterschiedliche Ausprägungen des Vorsichts¬
prinzips identifiziert werden: (1) wissenschaftliche Unsicherheit schließt nicht au¬
tomatisch Vorsichtsmassnahmen aus, (2) Regulationen sollen eine Sicherheitsre-
RoHS: EU-Richtlinie zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe
(Restriction ofHazardous Substances)
Seite 40 R. Boutellier, A Biedermann
serve beinhalten, (3) Aktivitäten mit unsicherem Gefahrenpotential sollen nach
bestmöglichem Stand der Technik ausgeführt werden und (4) falls möglich sollten
Unternehmen solche Aktivitäten ganz einstellen [Ste02: 75-76].
Ursprünglich war das Prinzip dazu gedacht, Gegenmaßnahmen zu ermöglichen,bevor große Gefahren auftreten und die Situation eventuell bereits außer Kontrolle
geraten ist. Heutzutage ist die Eingriffschwelle gesunken und wir kommen einer
Umkehr der ßeweislast nahe. Unter Umständen reicht sogar ein (noch) unbewie¬
senes Gerücht aus um ein Produkt zu verbieten [LH01].
Im Extremfall könnte das Vorsichtsprinzip sogar das Gegenteil des ursprünglichenZiels erreichen, wenn infolge der innovationshemmenden Wirkung immer weni¬
ger, neue, sicherere Technologien entwickelt werden. Auf identifizierte Gefahren
von bestehenden Technologien können Firmen so nicht mehr angemessen reagie¬
ren.
Technische Innovationen
Unsicherheit
Gesichertes Wissen über
ungewollte Wirkzusammenhange Erfahrung sammeln
Zeit
Bild 9: Geschwindigkeit der Technologie und des Wissens über Auswirkungen
Das Dilemma, in dem die Unternehmen und die Regulatoren stecken, ist groß:
Vertrauen die Anwender zu schnell auf den Fortschritt, passieren Unfälle oder es
treten unerwartete Nebenwirkungen auf. Zu langsames Vorangehen bewirkt aber,
dass Menschen nicht geholfen werden kann, obwohl es technisch möglich wäre.
Es gilt, eine angemessene Geschwindigkeit des technologischen Wandels zu er¬
reichen, wobei Vorsicht die Geschwindigkeit drosselt und das Verlangen nach
Verbesserungen der Technologie sie erhöht.
LeHOl unter Berufung aufdie Aussagen des britischen Umweltanalvsten Julian Morris
Umgang der Unternehmen mit umstrittenen Technologien Seite 41
4.4 Anwender und Lieferanten einer umstrittenen Technologie
Eine umstrittene Technologie kann sowohl eine Produkttechnologie sein, welche
im Produkt selber enthalten ist, als auch eine Prozesstechnologie, welche zur Her¬
stellung des Produktes angewandt wird. Meistens sind Produkt- und Prozesstech¬
nologien eng miteinander verknüpft.
Die Verfügbarkeit von leistungsfähigen Alternativtechnologien ist eine entschei¬
dende Voraussetzung für den Technologiewechsel. Solche Wechsel bedingen in
der Regel Investitionen. Handelt es sich bei den Substituten um neue, noch nicht
ausgereifte Technologien, muss mit einem erheblichen Änderungs- und Anpas¬
sungsaufwand gerechnet werden. Kommt das Verbot noch in der Angebotsphase,
können Milliardenverluste entstehen, wie im Fall der Atomenergie in den USA.
Die neuen Technologien sind keine l:l-Substitutc, so dass unter Umständen mit
der Aufgabe von Produkten oder Prozessen gerechnet werden muss. Es kann
durchaus sein, dass die neue Technologie nicht die Leistungsfähigkeit der alten
Technologie erreicht, und nicht mehr alle Funktionen erfüllt werden können, ins¬
besondere im Hinblick auf Langzeiteigenschaften, Im Unterschied zu einer Neu¬
entwicklung einer Technologie, bei welcher in mehreren Entwicklungsschritten
ein hohes Leistungsniveau erreicht wird, muss in einer solchen Situation die neue
Technologie sprunghaft auf ein hohes Qualitätsniveau gebracht werden. Zudem
dauert der Aufbau des Vertrauens in die neue Technologie ebenfalls eine gewisse
Zeit.
Folgenschwere Unfälle und Spätfolgen
Minamata, Irak
Viele
verschiedene
TechnologienDiaphragma,
Quecksilbor, HCI-
Oxidation
Technische
Unsicherheit
Dominantes
DesignQuecksilber,
Diaphragma
Sicherheit
Öffentlicher Druck, GegenmassnahmenVerbot m Japan EU
Substitution
Membran-Technologie
Verbleibende
Nischen
Gesetzliche
Unsicherheit
StrategischeUnsicherheit
Bild W: Typische Unsicherheil und Verbreitung einer umstrittenen Technologie
Neben technischen und finanziellen Problemen kann auch eine psychologische
Komponente ins Spiel kommen: Unternehmen, welche aufgrund ihrer Tätigkeit
zum technischen und gesellschaftlichen Fortschritt beigetragen haben, werden von
der Gesellschaft plötzlich für negative Auswirkungen verantwortlich gemacht.Insbesondere beim erstmaligen Auftreten können solche Vorwürfe zu einer Ab¬
wehrhaltung der Unternehmen fuhren.
Seite 42 R, Boutellier, A Biedermann
Das Phase-Out einer Technologie erfolgt nie vollständig. So steht FCKW in Ent¬
wicklungsländern noch bis zum Jahre 2010 im Einsatz [NZZaSo05: 79] und bei
DDT diskutiert man sogar eine Wiederaufnahme zur Malariabekämpfung [Haa04:
28]. Ein Phase-Out-Prozess dauert aufjeden Fall mehrere Jahrzehnte.
4.5 Anwender der Produkte
Eine starke Kundenorientierung kann dazu führen, dass Technologiewechsel nicht
rechtzeitig angegangen werden [Chr97: 101 ff]. Das Verhalten der Kunden gegen¬
über dem Einsatz von umstrittenen Technologien ist unterschiedlich und von meh¬
reren Einflussfaktoren bestimmt. Der Druck der Endverbraucher, der Umstel¬
lungsaufwand, das Vertrauen in die neue Technologie, sowie die
Machtverhältnisse zwischen Kunde und Lieferant spielen eine große Rolle. Wäh¬
rend bei minimalen Switching Costs die Kunden sich eher proaktiv verhalten, ist
bei aufwändigen Anpassungsarbeiten ein herauszögerndes Verhalten zu erwarten.
Allen Situationen gemeinsam ist, dass die eigenen Investitionskosten in der Regel
nicht auf die Kunden mittels Preiserhöhungen abgewälzt werden können.
Häufig kann der alte Markt nicht vollständig durch die neue Technologie abge¬
deckt werden. Beispielsweise erforderte der Ersatz von FCKW je nach Anwen¬
dungsbereich verschiedenste Chemikalien. Dies hat eine Neusegmentierung des
Marktes zur Folge.
Der Markt der Technologie-Abnehmer kann sich ebenfalls neu unterteilen, da un¬
ter Umständen einige der Kunden erst später aus einer Technologie aussteigen
wollen. Diese Kunden fordern sogar noch explizit die alte Technologie. Wollen
die Lieferanten nun nach wie vor alle ihre Kunden bedienen, müssen sie die bei¬
den Technologien parallel anbieten. Dies hat beispielsweise zur Folge, dass Zahn¬
ärzte noch immer mit Amalgam arbeiten.
5 Verhaltensvarianten für Technologie-Lieferanten
Firmen können im Umgang mit umstrittenen Technologien verschiedene Strate¬
gien zum Teil parallel verfolgen. Aufgrund der herrschenden Unsicherheit geht es
in erster Linie darum, sich Optionen offen zu halten. Eine eigens durchgeführte
Umfrage hat gezeigt, dass eine Bedrohung von Technologien durch Verbote oder
Akzeptanzprobleme auf Geschäftsleitungsebene nicht stark wahrgenommen wird.
Umgang der Unternehmen mit umstrittenen Technologien Seite 43
Ab es 2500 vor Christus Asbestfasern werden zur Verstärkung von Gefäßen eingesetztFinnland
1878 Beginn des industriellen Abbaus von Asbest
Kanada, Russland, Südafrika
Ab ca. 1895 Gesundheitliche Folgen von Asbest werden entdeckt
16 von 17 Arbeiter einer Fabrik sterben innerhalb von fünf Jahren
1900 Ludwig Hatschek erhält Patent fur „Eternit"
1939 Asbestose wird in der Schweiz als Berufskrankheit anerkannt
1953 Asbestose wird in die Schweizer Liste der Berufskrankheiten aufgenommen
1975 Totales Verbot von Asbest in Schweden
Schwedische Asbestverarbeiter gehen bankrott
1980 Erste asbestfreie Eternit-Produkte sind auf dem Schweizer Markt erhältlich
1989 Asbest wird in der Schweiz generell verboten
Einige Ausnahmen
1994 Produktion der letzten Schweizer Eternit-Röhre, welche Asbest enthält
Ab ca 1990 Vergangenheitsbewältigung
Haftungsfragen und SaniemngsarbeitenUngefähr 150 Millionen CHF Kosten für die Schweizer Firma Eternit
Bild 11: Meilensteine in der Schweizer Asbest-Geschichte
Die Unsicherheit zwingt die Unternehmen häufig, mehrere Varianten parallel zu
verfolgen. Das Spektrum an Möglichkeiten ist dabei sehr weit. Nachfolgend wer¬
den einige Beispiele anhand der Quecksilber-Technologie aufgezeigt:
Die Substitution einer Technologie bedeutet, dass dieselbe Funktion mit einer
neuen Technologie erfüllt wird. Da auch bei neuen Technologien mit negativen
Auswirkungen gerechnet werden muss, entscheiden sich Firmen möglichst spät
für eine Substitution. Quecksilber-Zellen wurden erst in den letzten Jahren durch
Membran-Zell-Technologie ersetzt.
Reine End-of-pipe-Lösunge.n bedeuten, dass das eigentliche Problem der Techno¬
logie nicht behoben wird, vielmehr werden die Auswirkungen eingedämmt. Bei¬
spiel: Quecksilber-Entfernung aus Industrieabwässern.
Reparation kann bei reversiblen Schäden angewendet werden. Dies bedeutet, dass
Maßnahmen ergriffen werden, damit der Zustand vor dem Eingriff wieder herge¬stellt wird. Reparation ist beispielsweise bei lokalen Quecksilber-
Verunreinigungen des Bodens möglich.8
Firmen können auch das Problem hinterfragen. Dies bedeutet, dass die Kausalket¬
te zwischen den eigenen Aktivitäten und den Effekten angezweifelt wird. Ebenso
kann auch der eigene Beitrag zum Problem relativiert werden.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, das Problem auf einer höheren Wert¬
schöpfungsebene zu lösen. Dies bedeutet, dass die Funktion, welche die umstritte-
Gespräch mit Beat Lorétan (ehemals Papier- und Zellulosefabnk Atüsholz, Schweiz)
Seite 44 R. Boutellier, A. Biedermann
ne Technologie erfüllt, nicht mehr benötigt wird. Für eine Firma, welche bis zu
diesem Zeitpunkt Chlor für den Eigenbedarf in einem Fertigungsprozess produ¬
ziert hat, kann dies sinnvoll sein. Sie kann beispielsweise den Prozess so modifi¬
zieren, dass kein Chlor mehr verwendet wird.
Eine 2005 durchgeführte Umfrage unter Geschäftsleitungsmitgliedern von Deut¬
schen und Schweizer Großfirmen hat bezüglich des Bewusstseins der Unterneh¬
men von umstrittenen Technologien ein interessantes Resultat ergeben: Rund die
Hälfte wusste von Technologien, welche im eigenen Unternehmen verboten wur¬
den. Demgegenüber gab weniger als ein Drittel der Befragten an, dass im eigenen
Unternehmen Technologien durch Verbote oder Akzeptanzproblcme bedroht sind.
Die zunehmende Anzahl an umstrittenen Technologien steht im Widerspruch zu
dieser Aussage. Offenbar beachten Manager auf Geschäftsleitungsstufe ihre be¬
drohten Technologien nicht, und nehmen Überraschungen in Kauf.
100% -,
80%
60%
40%
20%
0%
Ja
Weiss Nicht / k.A.
Eingesetzte Technologien waren bereits
betroffen (Vergangenheit)
Einzelne eingesetzte Technologien sind
bedroht (Zukunft)
Bild 12; Umfrageergebnis zu umstrittenen Technologien (2005); n=42
6 Implikationen für das Management
Umstrittene Technologien finden sich in allen Industriebereichen. Neben der To¬
xizität von chemischen Substanzen rücken auch andere Effekte ins Blickfeld. So
zum Beispiel der „Mausarm" bei intensiver Computerarbeit oder der Elektrosmog.
Der Umgang mit umstrittenen Technologien ist von hoher Unsicherheit geprägt.
Das Management muss die positiven Eigenschaften einer Technologie gegen die
negativen Auswirkungen abwägen und das Verhalten der Akteure abschätzen.
Dazu gehören die Anlagenbauer, die Anwender und die Firmen mit involvierten
Produkten, aber auch die Öffentlichkeit. Da die Endverbraucher häufig emotional
überreagieren, empfiehlt es sich, intensiv mit ihnen zusammenzuarbeiten.
Zusammenfassend einige Implikationen für den Umgang mit umstrittenen Tech¬
nologien:
Umgang der Unternehmen mit umstrittenen Technologien Seite 45
Den Ausstieg aus einer Technologie kann man zwar mit sorgfältiger Pla¬
nung unterstützen, die Reaktion der Öffentlichkeit kann aber derart emoti¬
onal und politisch ausfallen, dass immer wieder mit Überraschungen ge¬
rechnet werden muss. Wie das Beispiel der Quecksilberzell-Technologic
zeigt, ist der Zeitplan des Phase-Out-Prozesses in der Regel unsicher.
Durch einseitige Investitionen und kontinuierliche Weiterentwicklung von
Technologien begeben sich Firmen in eine gefährliche Abhängigkeit von
einzelnen Technologien. Da die Einstellung von Öffentlichkeit und Regu¬
latoren sich dermaßen rasch ändern kann, hilft eine intensive Beobachtung.
In solchen Situationen ist es für Unternehmen wichtig, sich mehrere Opti¬
onen offen zu halten. Je später ein grundsätzlicher Entscheid zum Techno¬
logieausstieg getroffen wird, desto reifer ist die Ersatztechnologie.
- Das Phasc-Out von eingeführten Technologien ist ein Prozess, der mehre¬
re Jahrzehnte dauert und dessen Ausgang ungewiss ist. Die Technologien
spielen wie im Fall von Chlor eine wichtige Rolle in der Wirtschaft und
sollen aufgrund ihrer Vernetztheit sehr behutsam ersetzt werden. Ein ra¬
scher Ausstieg empfiehlt sich selten.
Umstrittene Technologien werden häufig in der öffentlichen und der poli¬
tischen Arena unter Berufung auf wissenschaftliche Quellen thematisiert.
Eine enge Kommunikation mit Gesetzgebern, Kunden und Wissenschaft¬
lern hilft somit, auftauchende Probleme frühzeitig zu erkennen und richtig
einzuordnen.
Es ist unmöglich, vor der Markteinführung alle potentiellen Probleme zu
erkennen. Technologien werden in allen nur denkbaren Anwendungen
eingesetzt und mit anderen Technologien kombiniert. Nicht nur Software
und Hardware braucht ein „Debugging": In der Markteinführungsphase
hilft ein möglichst breites Anwendungsspektrum, mögliche Gefahren früh¬
zeitig zu erkennen.
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(i Kopien der Publikationen V11I
6.7 Management umstrittener Technologien
Boutellier, R. und Biedermann, A. (200X): Management umstrittener
Technologien, in Zeitschrift Führung und Organisation.
Management von umstrittenen Technologien
Systematischer Umgang mit Technologien,
welche unter Beschuss geraten
Vorwort / Lead
1 Einleitung1.1 Thema für Unternehmen aktueller denn je
1.2 Massive Konsequenzen für Unternehmen
1.3 Interviews in betroffenen Unternehmen zur Datenerhebung2 Vier generische Situationen
2.1 Dominant Design2.2 Lock-In
2 3 Zugzwang2.4 Trade-off
3 Folgerungen für das Management3 1 Fünf Szenarien für umstrittene Technologien3.2 Palette an Management-Mitteln
ZusammenfassungSummary
Anmerkungen
Vorwort / Lead 2
Vorwort / Lead
Seit der Industrialisierung kommen immer wieder Technologien unter Druck der
Öffentlichkeit und werden verboten. Unternehmen, welche in Berührung mit solchen
Technologien kommen, stehen vor vier Hauptaufgaben: Identifikation der Kontroverse,
bewusster Umgang, Phase-Out und Clean-Up. Der Artikel fokussiert den zweiten Schritt,
den bewussten Umgang mit solchen Technologien.
In Abhängigkeit der Stärke des Druckes und der Verfügbarkeit von Alteraativtechnologicn
haben wir durch Interviews in über vierzig Unternehmen vier generische Situationen
identifiziert, in welche betroffene Unternehmen geraten können: Dominant Design, Lock-
In, Zugzwang und Tradc-Off. Daneben konnten wir fünf Szenarientypen identifizieren, wie
sich umstrittene Technologien aus Unternehmenssicht entwickeln.
Zum systematischen Umgang mit solchen Technologien stehen den Unternehmen
verschiedene Varianten zur Verfügung. Neben der Substitution einer Technologie und der
Entwicklung von Alternativtechnologien sind dies der Marktausstieg und der Versuch, die
Akzeptanz der Technologie zu erhöhen. Auffallend ist, dass viele Unternehmen erst unter
Druck sich nach Alternativen umschauen.
Hinleitung 3
1 Einleitung
Wie Paracelsus bereits erkannte, macht die Dosis den Unterschied zwischen Medikament
und Gift.' Für Technologien bedeutet dies, dass der zunehmende Einsatz dazu führt, dass
Effekte, welche lange als akzeptierbar gegolten haben oder gar nicht bekannt waren, in
Zukunft als unerträgliche Last empfunden werden können: So führte der Anstieg des
Elektronikschrottes dazu, dass die ökologischen Konsequenzen von schwcrmctallhaltigcn
Elektronikproduktcn vermehrt Beachtung fanden, die Anwendung von Allergenen führt zu
einer Sensibilisierung einer grösseren Bcvölkcrungsschicht und die weite Verbreitung von
Mobilkommunikationsantcnnen weckt ernst zu nehmende Ängste in der Bevölkerung. Den
möglichen Ausgang solcher Diskussionen zeigen historische Beispiele auf: Das breit
eingesetzte Tnsektizid DDT, das Wundermaterial Asbest (vgl. Abb. 1) oder die
Fluorchlorkohlenwasscrstoffc (FCKWs) in unseren Kühlschränken wurden erst Jahrzehnte
nach ihrer bahnbrechenden Entwicklung als Problem erkannt. Ihre weite Verbreitung
erzeugte Abhängigkeiten und machte die Umstellung zu einem Kraftakt für die betroffenen
Abb. 1: Asbest-Import nach Grossbritannien und Sterberate der Opfer"
Währenddem technologische Unfallrisikcn wie Seveso (1976), Tschernobyl (1986) oder
Toulouse (2001) seltener werden sind schleichende Probleme des Technologie-Einsatzes
und die daraus resultierenden Ängste eine steigende Herausforderung für Unternehmen und
Gesellschaft. Diese Zweifel entstehen nicht zuletzt aufgrund von technologischenFortschritten im Bereich der Analysemethoden, welche kleinste Spuren von Substanzen
detektieren können.3
Im Gegensatz zu den intensiven Abklärungen von neu entwickelten Technologien (z.B.
Anwendungen im Nanobereich, Genmanipulation), verschwinden Basistechnologien aus
dem Bewusstsein der Öffentlichkeit und auch Firmen sind sich ihres - noch immer
Einleitung 4
verbreiteten Einsatzes - nicht bewusst. Im Gegenteil bedeuten Veränderungen an
Basistechnologien oder gar ein Technologiewechsel oft einen grossen technischen,
logistischen Aufwand und sind oft mit Qualitätsproblemen verbunden. Auch lässt sich ein
Phasc-Out einer Basistechnologie nicht rasch durchführen: Der Phase-Out der Quccksilber-
Zelle-Technologie zur Chlorherstellung in Europa dauert mindestens 40 Jahre.
Währenddem zu Beginn sich hauptsächlich die chemische Industrie mit solchen Fragen
auseinandersetzen musste, sind heute Unternehmen aus allen Branchen betroffen. So
befassen sich Telekommunikationsfirmen intensiv mit gesundheitlichen Risiken der
elektromagnetischen Strahlung der Mobilkommunikation, Computer-Tastaturen sollen
Langzeitschäden des menschlichen Nervensystems auslösen und Toner von Laserdruckern
erzeugen möglicherweise toxische Gase.4 Auch durch Management-Literatur wird der
Umgang mit umstrittenen Technologien aus Unternehmenssicht nur marginal beleuchtet.
Wie gehen Unternehmen mit solchen Technologien um und welche Varianten stehen ihnen
hierbei zur Verfügung? Anhand von Interviews in Unternehmen, welche sich heute mit
einer solchen Technologie konfrontiert sehen sowie historischen Beispielen charakterisiert
dieser Artikel vier typische Management-Situationen und fünf unterschiedliche Strategien
zum Umgang mit einer umstrittenen Technologie.
1.1 Thema für Unternehmen aktueller denn je
Trotz - oder teilweise gerade wegen - der stets weiter entwickelten Messmethoden und
Überwachungssystemen, hat das Thema auch in den letzten Jahren nicht an Aktualität
eingebüsst. Im Gegenteil steht eine Vielzahl an Technologien unter dem Verdacht,
unerwünschte Nebenwirkungen zu entfalten (Beispiele siehe Tabelle 1). Die Liste der
Technologien, lässt sich beliebig ergänzen und täglich erscheinen neue, zum Teil
widersprüchliche, wissenschaftliche Untersuchungsresultate zu vermuteten Nebeneffekten\
Hinleitung 5
Technologie mil beschlossenem
Phase-Out
Negative Effekte Konsequenzen
Insektizid DDT Unfruchtbarkeit Verbote ab 1972; WHO empfiehlt ab
2006 erneut Einsatz von DDT zur
Bekämpfung von Malaria''
Asbest Schleichender Tod stark
exponierter Menschen
Erste Verbote ab 1980, EU-weites
Verbot ab 2005, wenig Ausnahmen
Fluorchlorkohlenwasserstoffe
(FCKWs)
Schädigung der Ozonschicht Verwendung stark eingeschränkt,Verbot ab 2010
Bleihaltige Lote in der
Elektronik
Freisetzung von Blei aus
Mülldeponien
Weitgehendes EU-Verbot ab 2006
Technologien mit Potential,
umstritten zu werden
Negative Effekt Anzeichenfür Kontroverse
Computer-Tastaturen Schädigung des
Nervensystems durch Tippen
Diskussion in der Fachwelt
Auswirkungen unsicher
Toner in Laserdruckern Toxische Substanzen,
Nanopartikel in der Raumluft
Diskussion in der Presse
Aufbau von Interessenverbänden
Mobilkommunikation Ängste vor gesundheitlichen
Auswirkungen auf Menschen
Starke Vorschriften zum Bau von
Antennen
Medienpräsenz des Themas
Autoreifen Möglicherweisekrebserregende Substanzen,Gefahr durch Abrieb auf
Strassen.
Bestrebungen für einen EU-weiten
Grenzwert der Inhaltsstoffe
Verbrennungsmotoren für fossile C02-Ausstoss Emissionsgrenzen, Besteuerungen,Brennstoffe Proteste
Tab. 1: Beispiele von (potentiell) umstrittenen Technologien.
Technologien sind aber aus Sicht der Unternehmen in erster Linie Lösungsprinzipien, für
deren Beherrschung Aufwand notwendig ist. Sie bestehen zum einen aus der
Anwendungskompetenz der Unternehmen und zum anderen aus Artefakten wie Maschinen,
Produkten oder durch ihren Einsatz verursachte Veränderungen.9 Eine Technologie wird
umstritten, wenn ihr Einsatz kontroverse Meinungen hervorruft. In den Unternehmen findet
ein Umdenken, statt, d.h. die Technologie wird auch intern zunehmend als Problem
betrachtet.
Da Technologien in vielen Produkten häufig unbemerkt enthalten sind und breit
angewendet werden, sind viele Unternehmen von ihrer Ablehnung betroffen: Mobilfunk,
Toner für Drucker, Elektronik oder Abriebe von Autoreifen haben Auswirkungen auf fast
jedes Unternehmen. Ob ein Unternehmen die Technologie selber einsetzt, diese von
Einleitung 6
Lieferanten zukauft (z.B. in Form von Produkttechnologien) oder ob ein Produkt erst beim
Kunden in ein technologisches System eingebaut wird ist von untergeordneter Relevanz:
Diese Unterschiede beeinflussen lediglich die Motivation der Unternehmen sich mit diesem
Thema zu befassen. Das Bewusststcin im Management ist bescheiden, wie eine
Industrieumfrage unter Geschäftsleitungsmitgliedern von Schweizer Grossunternehmen
aufzeigt: Über die Hälfte der 42 befragten Manager gab an, keine Technologien mit
potentiellen Nebenwirkungen einzusetzen.
1.2 Massive Konsequenzen für Unternehmen
Im Gegensatz zu diesem Verdrängen der Problematik sind die Konsequenzen aber zum Teil
enorm: Beispielsweise dürfen seit 2006 in vielen Bereichen des europäischen Marktes keine
Elektronik-Geräte mehr verkauft werden, welche Blei enthalten. Die globale Vernetzung
der Industrie auch zwischen unterschiedlichen Anwendungsbereichen hat aber dazu
geführt, dass in weiten Teilen der globalen Elektronikindustrie kein Blei mehr eingesetzt
wird. Da Blei seit Beginn der Elektronik als Lcgicrungsbcstandteil im Lötzinn verwendet
wird, bedeutet die Umstellung für die Firmen einen grossen Aufwand und verursacht
Unsicherheiten sowie Probleme der Qualität und der Beschaffung. Jahrzehntelange
technologische Erfahrungen und etablierte Wertschöpfungsnetzwerke kann man nicht in
wenigen Monaten substituieren oder umstellen. Auch die Anpassung von
Geschäftsprozessen benötigt Zeit. Die Abhängigkeit von solchen Basistechnologien wird
den Unternehmen oft erst bei der Notwendigkeit des Phasc-Outs bewusst.
Die Auswirkungen auf die Unternehmen sind nur selten finanziell erfasst. Indikatoren
deuten aber auf einen beachtlichen Aufwand hin. So haben in der Schweiz alleine die durch
Asbest bedingten Berufskrankheiten bis 2003 383 Millionen Franken Gesundheitskosten
verursacht.10 Schadensersatzforderungen überschreiten diese Summe um ein Vielfaches.
Unternehmen, welche sich mit umstrittenen Technologien konfrontiert sehen," verspüren in
einer ersten Phase eine grosse Verunsicherung: Zum einen ist die zukünftige Akzeptanz der
Technologie plötzlich in Frage gestellt, zum anderen ist der eigene Bezug zu der
Technologie nicht ohne weiteres klar. Der Zeitraum, in welchem die Technologie trotz
externen Druckes noch weiter eingesetzt werden muss, kann lange andauern und
Managementkapazitäten binden. Zudem können neue Investitionen gehemmt werden und
bestehende Anlagen werden rasch obsolet. Aber auch nach dem Phasc-Out einer
Technologie beschäftigt sie Unternehmen weiter. Wie Asbest aufzeigt, können
Wiedergutmachungs- oder Strafzahlungen ein Unternehmen noch Jahrzehnte nach der
letzten Anwendung einer Technologie beschäftigen.12
Vier generische Situationen 7
1.3 Interviews in betroffenen Unternehmen zur Datenerhebung
Unsere Untersuchung fokussiert den Zeitraum von den ersten Zweifeln bis zum Verlassen
der Technologie. Anhand aktueller Beispiele von Technologien unter Beschuss führten wir
Gespräche in 49 Unternehmen, welche sich in den letzten fünf Jahren intensiv mit einer
umstrittenen Technologie auseinandergesetzt haben (Abbildung 2). Die Intcrviewpartner
waren Geschäftsführer und leitende Mitarbeiter der Unternehmen, welche in den Umgang
mit der umstrittenen Technologie involviert sind. 40 der Interviews waren motiviert von
dem erzwungenen Ausstieg aus bleihaltiger Elektronik. Um die Perspektiven von
unterschiedlich betroffenen Unternehmen zu beleuchten wählten wir Firmen aus allen
betroffenen Stufen der Wcrtschöpfüngskcttc aus: Hersteller von Endprodukten,
Komponenten, Modulen, Hersteller von Lötmatcrialicn und Lötanlagcn, sowie Händler.
Die weiteren acht Technologien dienten zur Validierung der Erkenntnisse aus den
Interviews in der Elektronikindustrie. Einige der Firmen haben die jeweils diskutierte
Technologie bereits verlassen, andere Unternehmen setzen die Technologie noch immer
ein. Historische, gut dokumentierte Beispiele wie der Einsatz von Asbest oder der Phase-
Out der FCKWs trugen zur Erkenntnisfmdung bei.
Technologie und Anwendungsbereich Anzahl Firmen
Einsatz bleihaltiger Lotmaterialien in der Elektronikproduktion 40
Quecksilber-Zellen zur Chlorherstellung 2
Bleistabilisatoren in der PVC-Herstellung 1
Erdnussbestandteile als Zusatzstoffe in der Schokoladeherstellung 1
Funktechnologie zur Mobiltelefonie 1
Mikrowellen zur Pasteurisierung von Nahrungsmitteln 1
Verwendung einer speziellen Kartoffelsorte in der Nahrungsmittelherstellung 1
Verwendung fossiler Brennstoffe zur Heizung von Glas-Schmelzwannen 1
Verwendung von PVC für sanitäre Anlagen 1
Abb. 2: 9 Uniersuchte Technologien m 49 Unternehmen
2 Vier generische Situationen
1st sich das Management einer umstrittenen Technologie bewusst, können vier Situationen
abgegrenzt werden, welche sich in den Dimensionen Ablehnung der Technologie und
Verfügbarkeit von technologischen Alternativen unterscheiden (vgl. Abb. 3). Erste Zweifel
an einer Technologie existieren oft bereits bei der Markteinführung, werden dann aber
häufig als irrelevant betrachtet.13 Mit zunehmender Anwendung der Technologie können
sich diese Zweifel verstärken und so zur Ablehnung der Technologie führen, was auf das
Unternehmen als Druck zum Phase-Out wirkt und seinen Handlungsspielraum stark
einschränkt. Daneben bestimmt die Verfügbarkeit von Alternativen die Situation
massgeblich: Die Realisierbarkeit der Technologie im Labor ist dabei nur ein erster Schritt,
bis eine Technologie effektiv verfügbar ist. Die Kundenakzeptanz, der Scale-Up, die
-i Konzept-
Entwicklung
Validierung der
Ergebnisse
Vier genensche Situationen
Beschaffungssituation und auch die ökonomische Machbarkeil sind Hürden, welche eine
alternative Technologie nehmen muss. Diese Erfahrung musste ein Hersteller von
Elektronikkomponentcn machen, welcher sich als einer der ersten der Branche zum
Ausstieg aus bleihaltigen Lötmaterialien entschieden hat: „Die Kunden waren die Bremse
im Substitutionsprozess. Sie verhielten sich skeptisch gegenüber der neuen Komponenten,
obwohl wir sie in den Prozess einbezogen hatten. "(Entwicklungsleiter)
Den Unternehmen stehen zwei Phase-Out-Optionen zur Verfügung: Solange keine
Alternativen verfügbar sind, ist nur der Marktausstieg möglich. Sobald aber Alternativen
existieren, befinden sich Unternehmen in Zugzwang, die Technologie zu substituieren. '"
N Marktausstieg
Lock-In Zugzwang
& Kooperationen mit Substitution wo
0 F Konkurrenz Reputationsveriust zu
% CO Alternativen suchengefährlich c
o
Zeit gewinnenHandlungsfreiheit bewahren JD
s
3 CO
<d
8Dominant Design Trade-off
a. Investieren Substitution weil technisch
S3
g Alternativen beobachtenüberlegen
o
1-
Je pPilotversuche
1 Substitution planbar
Nicht verfügbar Verfügbar Angewendet
Verfügbarkeit technologischer Alternativen
Abb 3: Vier generische Situationen und zwei technologische Phase-Out-Optionen
2.1 Dominant Design
Viele Technologien befinden sich im Dominant Design, d.h. sie werden überwiegend
positiv wahrgenommen und in vielen Anwendungen eingesetzt. Sic stellen über mehrere
Generationen von Entwicklern das vorherrschende Lösungsprinzip dar, d.h. viele Produkte
und Prozesse basieren auf ihnen.15 Zweifel an der Technologie sind in den frühen Phasen
von spekulativer Natur. Ein typisches Beispiel war Ende der 1990er Jahre die Verwendung
von Erdnussbestandtcilcn als Zusatzstoffe in Nahrungsmitteln. Zur Erreichung des
Erdnussgcschmackes sind keine Alternativen verfugbar. Die Rückstände konnten aber nie
vollständig aus den Produktionsanlagen entfernt werden konnten, was dazu führte, dass
vermeintlich erdnussfreie Lebensmittel Spuren aufwiesen, welche allergische Reaktionen
auslösen können. Ebenfalls waren bleihaltige Lote in der Elektronikproduktion mehr als ein
Jahrhundert lang die Lotlcgierung erster Wahl, und auch die mittlerweile nur noch selten
Vier gcnerischc Situationen 9
verwendeten Bleistabilisatoren für Polyvinylchlorid (PVC) haben sich jahrzehntelang
bewährt.16 Parallel zur Entwicklung der technologischen Monokulturen im Dominant
Design etablieren sich Wertschöpfungsnetze im Umfeld dieser Technologie. Ausserdem
entstehen Industriestandards und Produktstrukturen werden durch die Technologie
bestimmt. Unternehmen binden sich vermehrt an die Technologie in Form von
längerfristigen Abnahmeverträgen oder der garantierten Ersatzteilverfügbarkcit: In der
Industrieelektronik kann die Ersatzteilgarantie mehrere Jahrzehnte betragen.
Unternehmen laufen in dieser Situation Gefahr, die eigene Abhängigkeit von einer
Technologie zu unterschätzen. Dominant Designs entwickeln sich zu Basistechnologien
und werden von Anwendern als „Black-Box" eingesetzt. Die Weiterentwicklung findet
häufig statt, ohne dass der Anwender viel davon wahrnimmt, da die Eigenschaften konstant
gehalten werden. Das technologische Wissen konzentriert sich auf wenige verbliebene
Unternehmen. Als Konsequenz verschwinden diese Technologien aus dem Bewusstsein
von Anwendern und Öffentlichkeit und ihr Nutzen wird nicht mehr wahrgenommen.17 Neu
entdeckte, negative Auswirkungen erhalten so ein übcrproportionales Gewicht.1* Risiken
und Opportunitäten werden emotional beurteilt, was sich am Beispiel DDT sehr deutlich
zeigt.
Alternativen zu entwickeln ist im Dominant Design ein schwieriges Unterfangen: Einerseits
erreichen diese das gewohnte Leistungsniveau nicht sofort, andrerseits akzeptiert auch die
Wcrtschöpfungsnctzwcrke alternative Technologien nicht ohne weiteres: Die Switching
Costs sind zu hoch und das Vertrauen in die neue Technologie fehlt. Alternative
Technologien entwickeln sich daher häufig in fremden Anwendungsgebieten.19 Aber auch
innerhalb der Organisation sind spezifische Hürden zu meistern, wie der Geschäftsführer
eines Nahrungsmittelverarbeiters schilderte: „Der Phase-Out-Entscheid musste durch das
Top-Management gefällt werden. Die Technologieverantwortlichen sahen nicht ein, warum
man eine derart gute und beherrschte Technologie plötzlich nicht mehr brauchen solle."
Einige Unternehmen bewahren ihre Flexibilität, in dem sie sich gezielt alternative
Technologien verfügbar halten, selbst wenn keine konkreten Anhaltspunkte für die
Notwendigkeit zum Phase-Out bestehen. So untersucht der Snack-Hersteller Zweifel
beispielsweise neben den vorherrschenden auch ständig die Eignung von alternativen
Kartoffelsorten. Zweifel konnte so die Sorte während der globalen Acrylamid-Panik im
Jahre 2002 schnell wechseln. Auch die Firma A lean Airex erforscht kontinuierlich
alternative Stabilisatoren für die eigenen Kunststoffprodukte. Sie konnte so rasch auf die
unbedenklichen Calcium-Zink-Stabilisator wechseln, als die damals vorherrschenden Blei-
Stabilisatoren unter Beschuss gerieten.
Vier gcnensühc Situationen 10
Drei Viertel der untersuchten Unternehmen identifizierten umstrittene Technologien als
potentiell problematisch, noch bevor die Notwendigkeit eines Phasc-Out gegeben war, d.h.
sie erkannten mögliche negative Auswirkungen häufig früher als die breite Öffentlichkeit.
Demgegenüber hat der grösste Teil der untersuchten Unternehmen in diesen frühen Phasen
noch keine Alternativen entwickelt.
2.2 Lock-In
Steigt der Druck gegen eine Technologie im Dominant Design an, so geraten die
Unternehmen in eine Lock-In-Situation, da Substitution nicht möglich ist. Die Phase kann
ebenfalls längere Zeit andauern. So ist für den Werkstoff PVC in einigen Bereichen keine
Alternative vorhanden, obwohl einige Unternehmen den Einsatz schon seit längerem zu
vermeiden suchen: „1990 definierte unsere Firma eine Umweltstrategie. Der angestrebte
Ausstieg aus PVC wurde als Ziel genannt, wobei alternative Stoffe gegenüber PVC
bevorzugt werden sollen"(Umweltmanager des Konzerns). Auch zur Nutzung
elektromagnetischer Wellen für die mobile Datenkommunikation sind keine Alternativen
verfügbar. Andere Beispiele von Technologien im Lock-Tn sind fossile Brennstoffe,
Nuklcarenergie oder der Einsatz gewisser Pestizide20 Wenngleich nebst den genannten
Beispielen auch für weitere Technologien keine Alternativen zur Verfügung stehen, werden
sie nicht zur Lock-In-Situation gezählt, da keine Bestrebungen zum Phasc-Out bestehen.
Solche Technologien befinden sich im Dominant Design: Zurzeit gibt es keinen Ersatz für
Zement als Baustoff; obwohl pro Tonne Zement ca. 0.9 Tonnen CO2 anfallen,21 wird
Zement nicht kontrovers diskutiert.
Die Bedingungen zum Lock-In entwickeln sich schleichend, wobei zwei wesentliche
Mechanismen diese Entwicklung unterstützen: Netzwerkeffekte und technologische
Paradigmen'}2 Netzwerkeffekte entstehen, wenn eine Technologie aufgrund ihrer
Verbreitung favorisiert wird. Sie treten auch auf, wenn grosse Unternehmen eine
Technologie wählen und so den Technologieentscheid kleinerer Firmen vorwegnehmen.Diese ausgewählten Technologien werden breit verfügbar, wie beispielsweise die
bleihaltigen Lotmaterialien und die damit kompatiblen Komponenten, welche rasant mehr
Verbreitung fanden. Technologische Paradigmen entstehen aus einem zu starken
cntwicklerischen Fokus auf eine Technologie und verstärken den Lock-In-Effekt.
Der Lock-In tritt schliesslich zu Tage, wenn die Ablehnung der Technologie für das
Unternehmen relevant wird. Will ein Unternehmen die Technologie nicht mehr einsetzen,
so bleibt ihm in dieser Situation nur noch die Abkündigung von Produkten oder aber die
Verringerung der Ablehnung durch PR-Massnahmen und Optimierung des Technologie-
Einsatzes. Dabei ist zu beachten, dass die erste Option mit hohen Abschreibungen
Vier genensche Situationen 11
verbunden und die zweite eine unsichere Aussicht auf Erfolg besitzt. Während dieser Phase
kooperieren Unternehmen oft innerhalb der Branche.
In den meisten Fällen steigt der Druck zum Phasc-Out einer Technologie an, ohne dass
Alternativen vorhanden sind. Da der Marktausstieg für die Unternehmen keine akzeptable
Option darstellt, investieren sie beachtlichen Aufwand in die Entwicklung von Substituten.
In unseren Untersuchungen konnten wir keinen Fall identifizieren, in dem es einer Firma
gelungen ist, langfristig alle relevanten Zweifel am Einsatz einer Technologie zu beseitigen.
Es gelang den Unternehmen aber, den Phase-Out hinauszuschieben und Zeit zu gewinnen.
Unternehmen im Lock-In versuchen häufig, die Akzeptanz einer Technologie zu erhöhen.
Dazu stehen verschiedene Mittel zur Verfügung, welche oft kombiniert angewandt werden:
- Viele Unternehmen setzen so genannte End-Of-Pipe-Lösungen ein: Diese verringern den
negativen Effekt, lassen die Technologie aber praktisch unverändert. Die wohl
bekanntesten Beispiele sind der Automobil-Katalysator und Metall-Abschirmungen der
alten Computermonitore zum Eindämmen des elektromagnetischen Feldes. In der
Prozessindustrie setzt man häufig Abluftfilter ein.
- Einige Unternehmen verringern den Druck auch, indem sie die umstrittene Technologie
optimieren und so den Schaden verringern. Beispiele sind, das 3-Liter-Auto, verbesserte
Isolation von Brennöfen zur Senkung des Energieverbrauchs oder effizientere
Übertragungsprotokolle in der Mobilkommunikation, damit weniger Strahlung pro
übermittelte Dateneinheit erzeugt wird.
- Daneben kann ein Unternehmen auch die Wahrnehmung der Technologie positiv
beeinflussen. Dazu zählen Informationskampagnen, welche einerseits den Nutzen der
Technologie ins Bcwusstscin rücken und andrerseits den vermuteten negativen Effekt
objektivieren. Der Mobilkommunikationsanbieter Swisscom unterstützt die Erforschung
der Auswirkungen elektromagnetischer Felder.23
- Einige Unternehmen machen aufdie Nachteile der Alternativen aufmerksam. So führten
die Gegner des Phase-Outs von bleihaltigen Lotlegierungen auf, dass die erhöhten
Löttcmpcraturcn den Energieverbrauch steigern und die Gewinnung der alternativen
Legierungsbestandteile ökologisch bedenklich sei.
Vici gcricnsche Situationen 12
2.3 Zugzwang
Sind Alternativen verfügbar, erhöht sich der Druck zum Phase-Out.24 Unternehmen
befinden sich in Zugzwang und können die umstrittene Technologie nicht mehr einsetzen.
Sie wählen in der Regel die Substitution der umstrittenen Technologie, da der
Marktausstieg eine wenig attraktive Option ist und die Verringerung des Druckes zum
Phasc-Out nur ungewissen Erfolg verspricht. Es besteht im Gegenteil die Gefahr, dass
Konkurrenten, welche bereits eine alternative Technologie einsetzen den Druck auf die
Technologie erhöhen. Hier sind typische Marketing-Massnahmcn wie die Hervorhebung
von Argumenten wie „bleifrei" beim Autobenzin oder „chlorfrei gebleicht" bei Papieren
beliebt.
Im Zugzwang dominiert der Zeitdruck. Entwicklungen, Sortimentsbereinigungen und auch
Tests müssen beschleunigt werden. Nicht immer ist dies aber möglich, wie der Laborleitcr
einer Prüfungsabteilung ausführt„Es ist schwierig, von den beschleunigten Tests auf die
wirklichen Langzeiteigenschaften von bleifreien Lötstellen zu schliessen. Wir sind daher
gezwungen, Langsam-Tests durchzuführen, damit die Übertragbarkeit von beschleunigten
Tests auf die realen Gegebenheiten abgeschätzt werden kann."
Um den Aufwand zu minimieren versuchen Unternehmen einen Technologiewechsel
immer mit anderen Vorgängen zu synchronisieren, was aber aufgrund des Zeitdruckes nicht
immer möglich ist. So wechselt die Prozessindustrie Produktionstechnologien oft im
Rahmen der Gesamterneuerung einer Anlage: In der europäischen Chlorgewinnung dürfen
bestehende Quecksilber-Zell-Anlagen noch verwendet werden, für Neuprojektierung sind
sie jedoch nicht mehr zugelassen.25 Durch die Synchronisicrung von Anlagenlcbensdauer
und Einsatzbewilligung der Technologie können erhebliche Kosten eingespart werden, wie
der technische Leiter eines Unternehmens in der Prozessindustrie ausführt:„Unsere Anlage
stammt aus den früher 197Gern. Die Investitionen in eine neue Anlage sind viel zu hoch, um
diese früher zu ersetzen. Wir werden den Technologiewechsel im Rahmen der
Gesamterneuerung der Anlage durchführen und konzentrieren und derzeit auf die
Optimierung der bestehenden Technologie und End-Of-Pipe-Lösungen."
Viele Intcrviewparlner nannten das Vermeiden des Zugzwangs als wichtigen Erfolgsfaktor.
Der überwiegende Teil geriet aber in diese Situation und beklagte deshalb hohe
Zusatzaufwendungen. Die abrupte Substitution einer Technologie verursacht hohe Kosten
und erhöht die Unsicherheit, Zudem kann ein zu rascher Technologicwcchscl ebenfalls
Probleme hervorrufen, da unausgereifte Technologien eingesetzt werden müssen.
Folgerungen fur das Management 13
2.4 Trade-Off
Firmen im Trade-Off befinden sich auf dem Pfad der klassischen Technologie-Substitution:
Der Druck zum Phase-Out der Technologie spielt noch keine relevante Rolle, und die
verfugbaren Alternativen werden in Nischen eingesetzt. So waren in der Elektronikindustrie
bleifreie Lote bereits seit mehreren Jahren für Spezialanwendungen mit höheren
Betriebstemperaturen wie zur Steuerung von Verbrennungsmotoren im Einsatz. Obwohl
erste Anzeichen für eine Kontroverse vorliegen besteht kein Anlass zum sofortigen
Technologiewcchsel. Unternehmen, welche sich in dieser Situation befinden, können den
Technologicwcchscl mit anderen Aktivitäten synchronisieren und so die Substitution mit
wesentlich kleinerem Aufwand und höherer Sicherheit bewerkstelligen: „Für uns bedeutet
der Ausstieg aus bleihaltiger Elektronik keinen grossen Aufwand. Wir müssen einfach
andere Oberflächen bei unseren Leiterplatten einsetzen, welche wir aber bereits seit
längerem in einigen Bereichen routinemässig verwenden"
(Leiter Sales eines Herstellers
von Leiterplatten). Aber auch der Trade-Off birgt Gefahren in sich: Verweilt ein
Unternehmen zu lange in dieser Situation, kann es sich nachträglich mit Vorwürfen der
wissenden Untätigkeit konfrontiert sehen.
3 Folgerungen für das Management
3.1 Fünf Szenarien für umstrittene Technologien
Die untersuchten Unternehmen durchliefen mehr als nur eine der gencrischen Situationen.
Der Grossteil der Unternehmen geriet unter Zugzwang, da sie zu einem Phase-Out der
Technologie aufgrund von externem Druck gezwungen waren. Zusammenfassend konnten
wir fünf Szenarien für umstrittene Technologien identifizieren (vgl. Pfeile in Abb. 4):
Erzwungener Marktausstieg und Substitution, vertagte Krise, verpasste und klassische
Substitution.
Folgerungen ftir das Management 14
1 Erzwungener MarktausstiegKeine Alternativen in Sicht
Druck zu stark
2 Erzwungene Substitution
Alternativen unter Druck geschaffen,übereilte Substitution
3 Vertagte Krise
Druck zum Phase-Oul kann
temporar verringert werden
4 Verpasste Substitution
Alternativen schon länger verfugbarzu lange mit Substitution gewartet
5 Klassische Substitution
Frühzeitige Substitution mit
geringem Zusalzaufwand
Nicht verfugbar Verfugbar Angewendet
Verfügbarkeit technologischer Alternativen
Abb 4: FünfSzenarienfür umstrittene Technologien
(1) Der erzwungene Marktausstieg ist die am wenigsten erwünschte Entwicklung, welche
eine umstrittene Technologie nehmen kann. Das Unternehmen, welches sich mit der
Verwendung von Erdnussbestandteilen in den eigenen Produkten befassen musste, sah sich
mit einer solchen Entwicklung konfrontiert: Als neue wissenschaftliche Erkenntnisse auf
Verunreinigungen in den eigenen Produktionsanlagen hindeuteten schien das Abkündigen
von eigenen Produkten mit Erdnussgeschmack die einzig sinnvolle Option: Wie bereits
erwähnt waren keine alternativen Geschmacksstoffe verfügbar und auch war es nicht
möglich, den Druck gegen die Technologie zu verringern: Eine intensivere Reinigung der
Produktionsanlagen nach jedem Produktionslos war technisch nicht machbar. Die mit
dieser erzwungenen Produktabkündigung einhergegangenen Umsatzeinbussen waren aber
gering.
(2) Für viele Unternehmen folgte die Entwicklung dem Pfad der erzwungenen Substitution:
Alternative Technologien wurden entwickelt oder verfügbar gemacht, nachdem der Druck
gegen die ursprüngliche Technologie hoch war. Teilweise wurden auch frühe Anzeichen
nicht beachtet, wie der Leiter Assembly Technology eines Halbleiterherstellers schildert:
„Bereits 2001 wurden wir von der zentralen Forschungsabteilung auf das Thema der
Kompatibilität mit bleifreien Lötprozessen hingewiesen. Für uns entstand aber erst
Handlungsdruck, als konkrete Kundenanfragen für konforme Produkte vorlagen."
Die
erzwungene Substitution findet im Zugzwang statt, d.h. der Zeitdruck für den Phasc-Out ist
besonders hoch.
Folgerungen fui das Management 15
(3) Vertagte Krisen konnten wir in unseren Interviews keine identifizieren. Jedoch
existieren viele Technologien, welche regelmässig wieder ins Blickfeld der Kritik geraten:
UV-Filter in Sonnencremes, Parabene oder auch die Nuklcarenergie. Das bewusste
Verunmöglichen von Alternativen konnten wir ansatzweisc beobachten: Einzelne
Unternehmen haben auf die Nachteile der Alternativen aufmerksam gemacht und so
versucht, auf die Probleme einer Substitution hinzuweisen.
(4) Einige der Unternehmen haben die Substitution verpasst: Obwohl sie bereits in
Alternativen zur Verfügung gehabt haben, gerieten sie unter Zugzwang, da sie mit der
Substitution nicht früh genug begonnen hatten oder ihre Kunden nicht auf die Alternativen
vorbereitet hatten:„Wir haben bereits seit 1995 Anlagen für bleifreies Löten an
Nischenkunden geliefert und haben nicht erkannt, dass nun auch weitere Kunden einen
Technologiewechsel vollziehen müssen. Wir haben hier eine grosse Chance verpasst."
Wie
hier der Geschäftsführer eines Herstellers von Lötanlagen ausfuhrt, können solche
erzwungenen Technologiewechsel für Nischenanbieter eine grosse Marktchance darstellen.
Die Gefahr, solche Entwicklungen zu verpassen ist aber gross.
(5) Klassische Substitutionen finden ohne nennenswerten Druck zum Phase-Out der alten
Technologie statt: Eine neu entwickelte Technologie übertrifft die Leistungen der alten
Technologie. Für die Substitution stehen dem Management unterschiedliche Mittel zur
Verfügung (vgl. Tab. 2), wobei Unternehmen oft eine Kombination dieser
Vorgehensweisen wählen: Sie künden einzelne Produkte ab und stellen Produkte mit
grösserem Potential auf die neue Technologie um. Viele Firmen können die Technologie
nicht vollständig verlassen, da wichtige Kunden diese noch immer explizit fordern. Auch
findet sich in der Regel keine l:l-Substition, d.h. es müssen in Zukunft mehrer neue
Technologien eingesetzt werden. Die Folge eines unvollständigen Technologiewechsels ist
der Verlust von Skalcncffcktcn und organisatorische Anstrengungen. So mussten viele
Unternehmen in der Elektronikindustrie nun unterschiedliche Produktionslinien betreiben,
für bleifreie und bleihaltige Lote. Überdies ist es unsicher, welche der Lotlegierungen sich
in Zukunft durchsetzen wird.
Folgerungen für das Management 16
Substitution der Technologie
1:1 -Substitution
(„Drop-In-Lösung")
Elektroheizung anstelle fossiler Brennstoffen zur
Gasherstellung
Membran-Zelle anstelle von Quecksilber-Zelle zur
Chlorherstellung
Einsatz alternativer Stabilisatoren bei PVC-Herstellung
1 :N-Substitution FCKWs mussten durch 25 Substanzen ersetzt werden.
(Verschiedene Substitutionen) Bieihaltjge Lote durch mehrere Legierungen ersetzen
ÜbergeordneterTechnologiewechscl
Elektrische Kontakte pressen anstatt löten
Tab. 2: Ausprägungen der Technologie-Substitution
3.2 Palette an Management-Mitteln
Das Management muss aus einer Vielzahl an Möglichkeiten auswählen: Um die Akzeptanz
einer Technologie zu erhöhen oder zu erhalten, stehen End-Of-Pipe-Lösungen,
Technologie-Optimierung oder auch die Widerlegung des negativen Effektes zur Auswahl
(vgl. Tab. 3). Um Alternativen verfügbar zu machen müssen Unternehmen neben der rein
technologischen Entwicklung auch den Beschaffungs- und den Absatzmarkt vorbereiten.
Häufig existiert keine l:l-Substitution, welche alle Anforderungen an die alte Technologieerfüllt. Mehrere Substitutionsschrittc sind erforderlich. Eine Technologie kann auch durch
einen übergeordneten Tcchnologiewechsel ersetzt werden.
33 °
S -S
Ü ni
1) J3
CZî O
Druck verringern /
Akzeptanz erhöhen
End-Of-Pipe-Lösungen
Technologie optimieren
Negativen Effekt widerlegen
Informationskampagnen
Wiedergutmachung,
Milderung
Druck erhöhen*
Phase-Out als Marketing-Argument
Effekt untermauern
*: erst nach Phase-Out
sinnvoll
Alternativen verfügbarmachen
Technologie-Entwicklung
Technologie-Integration
Flexibilität erhöhen
Beschaffungsmarktvorbereiten
Kundenakzeptanz schaffen
Alternativen
verunmöglichen
Nachteile der Alternativen
aufzeigen
Technologie^Suhstitution
1:1-Substitution
(„Drop-In-Lösung")
1 :n-Substitution
(VerschiedeneSubstitutionen)
ÜbergeordneterTechnologiewechsel
Marktausstieg
Produktabkündigungen
Unternehmensteil schliessen
Untemehmensteil veräussern
Tab. 3. Management-Mittel beim Einsatz einer umstrittenen Technologie
Zusammenfassung 17
Alternativen verfügbar zu machen war die am häufigsten verfolgte Variante: Die
Unternehmen standen einer zunehmenden Ablehnung der eingesetzten Technologie
gegenüber, ohne dass Alternativen verfügbar gewesen wären. Die meisten Unternehmen
mussten daher Alternativen unter externem Druck verfugbar machen. Sic gerieten in
Zugzwang, als die Alternativen verfügbar wurden und hatten wenig Zeit, die Substitution
zu realisieren. Auch konnten sie den Substitutionsprozess nicht mit anderen Aktivitäten im
Unternehmen synchronisieren und hatten so erheblichen Zusatzaufwand. Sobald aber
Alternativen zur Verfügung stehen, ist der Marktausstieg für Unternehmen keine Option
mehr. Vereinzelt konnten wir Sortimentsbereinigungen beobachten, welche aufgrund des
erzwungenen Technologiewechsels vorgezogen wurde.
Zusammenfassung
Seit der Industrialisierung kommen immer wieder Technologien unter Druck der
Öffentlichkeit und werden verboten. Unternehmen in einer solchen Situation sollen sich
systematisch mit der Technologie auseinandersetzen, wozu dieser Artikel einen Beitrag
leistet: In Abhängigkeit der Stärke des Druckes und der Verfügbarkeit von
Alternativtechnologien haben wir vier gencrische Situationen identifiziert, in welche
betroffene Unternehmen geraten können: Dominant Design, Lock-In, Zugzwang und Trade¬
off. Netzwerk- und Skalcneffekte führen dazu, dass sich eine Technologie ausbreitet, zum
Dominant Design wird. Wenn solche dominanten Technologien plötzlich von der
Gesellschaft abgelehnt werden, manifestieren sich die Schwierigkeiten eines sofortigen
Phase-Outs: Der Lock-In wird deutlich und die Unsicherheit steigt. Sobald Alternativen
verfugbar sind, geraten Unternehmen in Zugzwang und die Substitution der Technologie ist
eine Frage der Zeit. Entwickeln Unternehmen Alternativen, ohne dass ein nennenswerter
Druck gegen eine Technologie besteht, sind rein leistungs- und kostenorientierte Faktoren
für den Substitutionsentscheid relevant (Trade-Off).
Unternehmen, welche in Berührung mit umstrittenen Technologien kommen, stehen vor
vier Hauptaufgaben: Identifikation der Kontroverse, bewusster Umgang, Phase-Out und
Clean-Up. Als erstes gilt es, dass ein Unternehmen sich einerseits der Kontroverse um eine
Technologie bewusst wird und andrerseits auch den eigenen Bezug zur Technologie kennt.
Der Artikel fokussiert auf den zweiten Schritt, den bewussten Umgang mit solchen
Technologien. Unternehmen müssen sich ihrer Situation anhand der präsentierten Matrix
bcwusst sein und ihre Ilandlungsvariantcn systematisch auswählen. Der Phase-Out der
Technologie lässt sich in der Regel nicht einfach durchfuhren und oft müssen Unternehmen
ihre längerfristigen Verpflichtungen erfüllen {Clean-Up), sei dies im Rahmen der
Ersatzteilgarantie oder auch von Schadensersatzforderungen.
Summary 18
Den Unternehmen stehen verschiedene Vcrhaltensvarianten zur Verfügung sich in dieser
Situation zu bewegen. Neben der Substitution einer Technologie und der Entwicklung von
Ahernativtechnologien sind dies das Verunmöglichen von Alternativen, der Marktausstieg
und der Versuch, die Akzeptanz der Technologie zu erhöhen.
Umstrittene Technologien werden auch in Zukunft das Management beschäftigen. Für
einige Unternehmen ist eine umstrittene Technologie nur Hintergrundsrauschen in der
strategischen Umfeld-Analyse, andere Unternehmen sehen sich existcnzicllcn Bedrohungen
gegenübergestellt. Um die Herausforderung sicher zu meistern, müssen sie die beiden
Dimensionen Druck zum Phase-Out der Technologie und Verfügbarkeit von
technologischen Alternativen systematisch überwachen und gegebenenfalls beeinflussen.
Summary
Since industrialization, technologies come under pressure of the public and become
forbidden. Companies in such a situation have to deal systematically with the technology.
Therefore, this article contributes to these systematic considerations by identifying four
different generic management situations of companies affected by such controversial
technologies: Dominant Design, Lock-In, Zugzwang and Trade-Off. Network effects and
economies of scale give rise to the wide diffusion of a technology that finally becomes the
Dominant Design. In case such a dominant technology is suddenly refused by society, the
difficulties to phase out the technology rapidly are unveiled: The Lock-In becomes clear
and uncertainty rises. As soon as alternatives are available, enterprises are put in Zugzwang
and the substitution of the technology is just a question of time. Enterprises developing
alternatives without a considerable pressure against the old technology follow the path of a
classical substitution. In these situations, performance and cost-oriented factors arc relevant
for the decision for substitution (Trade-Ofjf).
Companies that are concerned about controversial technologies, face four major challenges:
Identification of the controversy, conscious handling, phase-out and clean-up. First, the
management has to become aware of the ongoing controversy about the technology and
about the own relationship with the technology. The article focuses on the second step, the
conscious handling of such technologies: Enterprises knowing their situation according to
the presented matrix can systematically select their variants of action. Usually, the phase-
out cannot be accomplished easily and often, enterprises have to fulfill long-term
obligations like spare part warranty or compensation payments {clean-up).
Different variants of behavior are at the management's disposal: Besides the substitution of
a technology and the development of alternatives, companies can try to make impossible
alternatives, to exit the market and to increase the technology acceptance.
Anmerkungen 19
Anmerkungen
„Dosis facit venenum.", Paracelsus.
Daten von Gee and Greenberg: Asbestos: from 'magic' to malevolent mineral. In Harremoes (Hrsg.):Late lessons from early warnings: the precautionary principle 1896-2000. Copenhagen 2001, 52-63.
Laukenmann: Nachweis von kleinsten Konzentrationen. In: Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2001.
Mobilkommunikation: Koch: Unter Hochspannung: Neue Hinweise auf ein erhöhtes Leukämie-Risiko
heizen die Debatte um elektromagnetische Felder an. In: Süddeutsche Zeitung, 2005.
Computer-Tastaturen: Mazzotti and Castro: RSl-Repctitive Strain Injury - eine Berufskrankheit? In:
Versicherungsmedizin, 3,2004, 14Iff.
Laserdrucker: Macke: Feinstaub im Büro: Nicht nur Autos, auch Laserdrucker und Kopierer stoßen
gesundheitsschädliche Partikel aus. In; Berliner Zeitung, Berlin 2005.
Siehe die kontroverse Informationslage bei Bisphenol A: vom Saal and Hughes: An extensive new
literature concerning low-dose effects of Bisphenol A shows the need for a new risk assessment. In:
Environmental Health Perspectives, 2005.
WHO: WHO gives indoor use of DDT a clean bill of health for controlling malaria. In: WHO Media
Centre, 2006.
Siehe beispielsweise Mazzotti and Castro: RSI-Repetitive Strain Injury - eine Berufskrankheit? In:
Versicherungsmedizin, 3, 2004.
Siehe beispielsweise www.krank-durch-toner.de [Zugriffsdatum 26. Oktober 2006].
Vergleich dazu auch Grunwald: Technikphilosophie. In Bröchler, Simonis and Sundermann (Hrsg.):Handbuch Technikfolgenabschätzung. Berlin 1999, 183-191.
suva: Daten und Fakten zu Asbest, Luzern 2005, 9.
Die Identifikation von Kontroversen ist dieser Phase noch vorgelagert und kann auf unterschiedliche
Weise stattfinden. Siehe dazu auch Boutellier, R. und Biedermann, A.: Identification of issues with
controversial technologies, in International Journal of Technology In-telligence and Planning, 2006, 2,
3, 225-247.
Siehe das Beispiel der Asbestverwendung durch die Firma Eternit: NZZ: Eternit gründet Stiftung für
Asbest-Opfer. In: Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2006. und NZZ: Asbest-Opfer verklagen die Gebrüder
Schmidhciny. In: Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2005.
Siehe das Beispiel der Röntgenstrahlung: Lambert; Radiation; early warnings; late effects. In
Harremoës (Hrsg.): Late lessons from early warnings: the precautionary principle 1896-2000.
Copenhagen 2001, 31-37.
llarrigan and Porter: End-Game Strategies for declining industries. In: Harvard Business Review, 61,
2001, 4. nennen Marktaustrittsbarrieren wie Anlagen, Ausstiegskosten oder die Abhängigkeit anderer
Geschäfte.
Siehe auch Utterback; Mastering the dynamics of innovation how companies can seize opportunities in
the face of technological change, Boston, Massachusetts 1994.
Anmerkungen 20
Bleistabilisatoren sind wegen Nebeneffekten ab 2015 in der EU verboten: Baunemann, (îrass, Lindner,
Saffcrt and Spindler: PVC. Daten, Fakten, Perspektiven, Köln 2003.
Siehe das Beispiel der Elektrizität beschrieben in Economist: Now you see it, now you don't. In: The
Economist, 2004-11-30, 2004.
Kepplinger spricht in diesem Zusammenhang vom abnehmenden Grenznutzen einer Technologie:
Kepplinger: Künstliche Horizonte: Folgen, Darstellung und Akzeptanz von Technik in der
Bundesrepublik, Frankfurt etc. 1989, 153-154.
Christenscn weißt daraufhin, dass disruptive Technologien sich in Nischenmärkten entwickeln, bis sie
den Hauptmarkt erschüttern: Christensen: The innovator's dilemma: when new technologies cause
great firms to fail, Boston, Massachusetts 1997.
Wilson and Tisdell: Why farmers continue to use pesticides despite environmental, health and
Anand, Vrat and Dahiya: Application of a system dynamics approach for assessment and mitigation of
C02 emissions from the cement industry. In: Journal of Environmental Management, 79, 2006, 4, 384.
Perkins: Technological "lock-in". In Neumayer (Hrsg.): Online Encyclopaedia of EcologicalEconomics. 2003.
Siehe auch als Beispiel Baunemann, Grass, Lindner, Saffert and Spindler: PVC. Daten, Fakten,
Perspektiven, Köln 2003.
Die Regulatoren wenden vennehrt das Vorsichtsprinzips an, welches auch besagt, dass Alternativen zu
einer umstrittenen Technologie einzusetzen sind, wenn sie verfügbar sind. Diese Form des
Vorsorgeprinzips wird durch die Regulatoren beispielsweise in Form von Formulierung der der „BestAvailable Technology" operationalisiert (Stewart: Environmental regulatory decision making under
uncertainty. In; An Introduction to the Law and Economics of Environmental Policy: Issues in
Institutional Design, 20,2002.). Siehe beispielsweise European Commission: Integrated Pollution
Prevention and Control (IPPC): Reference Document on Best Available Techniques in the Chlor-
Alkali Manufacturing industry, City 2001.
25Siehe www.eurochlor.org.
6 Kopien der Publikationen___,
IX
6.8 Systementwickler und Modullieferanten
Boutellier, R. und Biedermann, A. (2005): Systcmcntwickler und
Modullieferanten, in Albers, S. und Gassmann, O. (Hrsg.) Handbuch
Technologie- und Innovationsmanagement. Strategie - Umsetzung -
Controlling, Wiesbaden, Gabler-Verlag, 641-658.
Roman Boutellier, Andreas Biedermann
J Systementwickler und
I Modullieferanten
1 Einleitung 643
2 Steigende Anzahl Systemanbieter 643
3 Modularisierung als Balance zwischen Veränderung und Konstanz 645
4 Entscheidung zwischen integralem und modularem Design 646
5 Beziehung zwischen modularer Produktarchitektur und Organisation 649
6 Modularisierungskriterien in den Phasen des Produktlebenszyklus 651
7 Gestaltung der Zusammenarbeit mit Modullieferanten 653
8 Fazit 657
Literaturverzeichnis 658
Prof. Dr. Roman Boutellier ist Leiter des Departments Management, Technology, and
Economics (D-MTEC) an der ETH Zürich.
Dipl. Ing. ETH Andreas Biedermann ist wissenschaftlicher Assistent beim Department
Management, Technology, and Economics (D-MTEC) an der ETH Zürich.
641
Systementwickler und Modullieferanten
1 Einleitung
Systemcntwiekler und Modullieferanten können heute in vielen Branchen angetroffen
werden: Der Systementwickler konzentriert sich auf die Erfüllung einer Funktion und
bietet diese für möglichst viele Produkte an. Der Modullieferant beherrscht eine Bau¬
gruppe produktionstechnisch und sucht Skaleneffekte, indem sein Modul in mehreren
Systemen verwendet wird. Am bekanntesten ist die Systematik in der Automobilbran¬
che und der PC-Industrie. Modularisierung findet aber nicht mehr nur in den typi¬
schen Modularisierungsbranchen statt, sondern auch in Industrien, in welchen lange
Zeit keine entsprechende Tendenz spürbar war:
Seit einigen Jahren wird immer mehr Bier aus PET-Flaschen getrunken. Einige Liefe¬
ranten schätzen, dass ein beachtlicher Anteil des Marktes auf die neue Technologie
wechselt. Ein ansprechendes Wachstumspotential bei einem weltweiten Markt von
jährlich über 400 Milliarden Flaschen. Verglichen mit Glas hat Kunststoff große Vortei¬
le: Die PET-Flasche ist leichter, weniger aufwendig zu entsorgen und zersplittert nicht,
wenn sie fallengelassen wird. Der gewichtigste Nachteil hegt auf der Hand: PET hat
eine viel größere Durchlässigkeit von Licht und auch Gase diffundieren leichter durch
die Flaschenwand. Sauerstoff und Licht machen das Bier rasch schal und ungenießbar.
Eine lange Lagerung in PET-Flaschen ist daher nicht möglich. Aus diesem Grund sind
die „Diffusions- und UV-Barrieren" für den Erfolg der PET-Flaschen von entscheiden¬
der Bedeutung. Diese Barrieren sind aber zurzeit noch nicht genügend ausgereift, um
es der PET-Flasche zu erlauben, die Glasflasche zu substituieren.
Die Barriereneigenschaften werden bestimmt durch die Form der Flasche, den Ver¬
schluss, die Etikette und das Material. Jedes dieser vier Module erfordert Spezialwis-
sen und spezielle, investitionsintensive Produktionstechniken. Dies hat zur modularen
Produktentwicklung mit einem Systementwickler an der Spitze geführt. Der System¬
entwickler übernimmt die Integration des Wissens und die Koordination der Leistun¬
gen der Modulentwickler. Produktion und Entwicklung der Module erfolgen bei den
einzelnen Modulspezialisten. In der Regel ist der Systementuucklcr des Systems „PET-
Flasche" auch gleichzeitig der Systemhersteller, d.h. der Flaschenhersteller.
2 Steigende Anzahl Systemanbieter
Dass immer mehr Systemanbieter und Modullieferanten anzutreffen sind, beruht auf
fünf Entwicklungen, die laufend an Bedeutung gewinnen und laufend neue Branchen
in ihren Bann ziehen.
643
Roman Boutellier, Andreas Biedermann
-". Moderne Produkte beinhalten eine so große Technologievielfalt, dass es kaum
mehr möglich ist, diese in einem Unternehmen vollständig zu beherrschen. Out¬
sourcing von F&E lässt sich nicht mehr vermeiden.
*f Outsourcing wird aber auch einfacher, da mit WTO, EU und NAFTA die Märkte
gewachsen sind. Je größer der Markt, umso größer die Spezialisierung, wie Adam
Smith bereits vor mehr als 200 Jahren bemerkt hat: Global fokussieren Firmen auf
weniger Geschäfte. Die US-amerikanischen Firmen sind heute durchschnittlich nur
noch in zwei Branchen tätig. 1975 waren es noch jeweils vier (vgl. Tapscott 1996).
£> Neue Produkte sind im Allgemeinen komplizierter als früher. Nicht nur wegen
der Technologievielfalt, sondern weil sie mehr Funktionen ausführen. Ein Auto ist
heute nicht nur Transportmittel, sondern auch Unterhaltungsraum mit Kino, TV,
Radio und in den USA auch Büro und Verpflegungsstätte. Dies sind alles Funktio¬
nen, die neben den vielen Sicherheitsmaßnahmen in den letzten Jahren hinzuge¬
fügt wurden.
« Die Miniaturisierung ermöglicht das Erfüllen von vielen Funktionen auf kleinstem
Raum. Der Miniaturisierung im Maschinenbau entspricht die schnelle Entwicklungdes Speicherplatzes, der Rechenkapazität und der Ubertragungsraten in der In¬
formations- und Kommunikationstechnologie. Dadurch nutzen die Systeme die
ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht mehr vollständig. Räumliche Re¬
serven oder überflüssige Übertragungsraten erlauben es, konstante Schnittstellen
zu definieren und so die Subsysteme isoliert voneinander zu entwickeln.
5- All die technischen Entwicklungen würden zu keiner Verbesserung führen, wenn
nicht parallel dazu Controllingsysteme entstanden wären, die die verursacherge¬rechte Zuweisung von Kosten in internationalen Netzwerken erlauben und das
Verfolgen von Projekten im Detail ermöglichen. Damit können Unternehmen ohne
Verlust an wichtigen Informationen Entwicklungsaufträge nach außen vergeben.
Diese Trends treffen auf fast alle Branchen zu: In der Versicherungsbranche und bei
den Banken spricht man heute von der Modularisierung der Produkte und kauft ver¬
schiedenste Module ein. In der Softwareindustrie tritt die massiv erhöhte Leistungsfä¬
higkeit moderner Rechner an die Stelle der Miniaturisierung. Die Standardisierung der
Schnittstellen wird von den so genannten Web Services übernommen. Diese ermögli¬chen die einfache Verbindung von verschiedensten Softwarepaketen zu einem Ge¬
samtsystem. Hinter der Reduktion von F&E- und Produktionstiefe steckt die Einsicht,
dass eine Firma nur noch auf wenigen Gebieten eine wettbewerbsfähige Entwick¬
lungsgeschwindigkeit erreichen kann.
644
Systementwick/er und ModuUieferanten
3 Modularisierung als Balance zwischen
Veränderung und Konstanz
Wenn die Stückliste des Produktes der Aufbauorganisation von F&E und Produktion
entspricht und die verschiedenen Marktsegmente alleine durch den Austausch eines
einzelnen Moduls erschlossen werden können, so besteht ein durchgängiger Baukas¬
ten. Dieser Baukasten weist gleichzeitig eine hohe Economy of Scale auf und lässt eine
große Variantenvielfalt zu. Durch die geschickte Wahl der Produktarchitektur lassen
sich nicht nur die Änderungen darin minimieren, sondern auch viele aufwendige
Veränderungen in der Organisation vermeiden.
Eine Abbildung der Produktarchitektur in der Organisationsstruktur von Firmen führt
aber dazu, dass eine Änderung der Architektur des Produktes gleichzeitig eine Verän¬
derung der Organisationsstruktur bedingt. Organisatorische Veränderungen sind
aufwendig und dauern lange. Eine Konsistenz von Produktarchitektur und Unter¬
nehmensarchitektur bringt deshalb nur Vorteile, wenn die Produktarchitektur längere
Zeit konstant bleibt. Damit wird das fundamentale Kundenbedürfnis, welches eben¬
falls über längere Zeit konstant bleibt (vgl. Ohmae 1982), zum Ausgangspunkt aller
Strukturüberlegungen: Von der Produktstruktur über die Organisation von F&E, Pro¬
duktion und Service und sogar des gesamten Unternehmens.
Die Austauschbarkeit der Module führt dazu, dass die Lieferanten von Modulen in
unterschiedlichen Märkten tätig sein können. Der Hersteller von integrierten Schalt¬
kreisen kann sovvohl in der Cebäudeautomation, der Medizinaltechnik, der Automo¬
bil- und der Flugzeugindustrie tätig sein. Diese Branchen sind alle unterschiedlichen
Entwicklungszyklen unterworfen und stellen verschiedene Anforderungen an die
einzelnen Module. Ein Beispiel ist das Verbot von schwermetallhaltigen Elektronik¬
bauteilen, welches für die einzelnen Branchen nicht zur selben Zeit in Kraft tritt. Aus
Sicht des Lieferanten von Elektronikbauteilen hat sich sein bis dahin homogener Kun¬
denstamm in heterogene Gruppen unterteilt. Er sieht sich nun gezwungen, verschie¬
dene Anforderungen (schwermetallfreie Produkte bzw. altbewährte, schwermetallhal¬
tige Technologie) parallel zu erfüllen. Als Folge daraus sinken seine Losgrößen, da er
verschiedene Klassen von Produkten herzustellen hat. Es entstehen weniger Econo¬
mies of Scale, die operative Effizienz sinkt und die Margen schrumpfen.
Für Modullieferanten, deren Produkte in verschiedenen Märkten und Branchen einge¬
setzt werden, ist es daher sehr wichtig, bei der Gestaltung der Architektur ihrer Pro¬
dukte die Entwicklungen in möglichst vielen Zielmärkten zu berücksichtigen. Damit
wird eine über längere Zeit konstante Architektur der Produkte erreicht. Beispielswei¬
se könnte eine geschickte Produktarchitckrur von elektronischen Bauteilen die
schwcrmetallhaltigen Komponenten in einem Modul zusammenfassen. Dies führt
dazu, dass für die neuen Kundensegmente nur ein einzelnes Modul ausgetauscht
werden muss - unter Umständen sogar zugekauft wird - und die anderen Module
645
Roman Boutel lier, Andreas Biedermann
konstant bleiben und damit auf diesen die Skaleneffekte weiter genutzt werden kön¬
nen.
Die Firma Leica produziert seit mehr als 100 Jahren Vermessungsgeräte. Früher waren
dies optisch- mechanische Produkte. In den achtziger Jahren ermöglichte die Elektro¬
nik eine völlig neue Art der Distanzmessung. Sie wurde von den Ingenieuren sofort
aufgegriffen und die Kunden waren begeistert. Nur schrumpfte die gesamte Elektro¬
nik der Produkte Jahr für Jahr um die Hälfte; in Bezug auf den Platzbedarf und auch
und auch preislich. Leica entwickelte daher komplett neue Produkte in immer kürze¬
ren Abstanden und die F&E-Kosten stiegen ins Unermessliche, bis einem findigenMitarbeiter auffiel, dass die Mechanik immer die gleiche blieb. Aufgrund dieser Er¬
kenntnis wurde die sich rasch weiterentwickelnde Elektronik von den relativ konstant
bleibenden mechanischen Komponenten getrennt, indem elektronische und mechani¬
sche Komponenten in unterschiedliche Module integriert wurden. Die Produkte von
Leica sind heute modular aufgebaut, und die einzelnen Module werden heute nur
noch verändert, wenn ein eindeutiger Kundennutzen erzeugt wird. Den Rest lässt man
konstant. Im Weiteren konzentriert sich Leica heute auf einige wenige mechanische
Kern-Baugruppen: die Softwareentwicklung, Endmontage und die Integration der bei
den Lieferanten stattfindenden Entwicklung.
Gelingt es einem Unternehmen, die Schnittstellen innerhalb eines Produktes konstant
zu halten, so können die Modullieferanten in die F&E ihrer Module investieren. Kon¬
stante Schnittstellen sind eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Modul-
arisierung und ein bewährtes Mittel, um die F&E-Tiefe zu senken, die Entwicklungs¬geschwindigkeit zu erhöhen, die Qualität zu steigern und gleichzeitig die Kosten zu
senken.
Eine große Produktvielfalt zieht kleine Losgrößen nach sich, was wiederum hohe
Produktkosten bewirkt. Diese hohen Kosten führen zu einer tiefen operativen Effi¬
zienz. Mit der Balance zwischen „Konstanz der Schnittstellen" und „Wandel der Mo¬
dule" kann das Unternehmen das Dilemma zwischen Produktvielfalt und operativerEffizienz überwinden.
4 Entscheidung zwischen integralemund modularem Design
Wir leben in einem Zeitalter der Vernetzung und der ständigen Verfügbarkeit. Mobil¬
telefone und die Allgegenwärtigkeit der Massenmedien vermitteln das Gefühl, alles
hänge mit allem zusammen. Eine ganz andere Meinung vertritt H. A. Simon: Die Welt
646
Systementwickter und Modullieferanten
sei leer und bestehe aus lauter Einzelobjekten, die wenig bis gar nichts miteinander zu
tun hätten (vgl. Simon 1996,197f). Falls dies zutrifft, wird tatsächlich vieles einfacher.
Ulrich unterscheidet zwischen zwei Typen von Produktarchitekturen: Das modulare
Design ist gekennzeichnet durch eine 1.1-Zuordnung von Produktfunktionen yu Mo¬
dulen. Das integrale Design andererseits kennt mehrdeutige Verknüpfungen zwischen
Funktionen und Modulen, und die Schnittstellen zwischen den Komponenten sind
nicht klar definierbar (Ulrich 2003,117ff).
Abbildung 4-1: Modular^ und integrales Design (in Anlehnung an Ulrich 2003, 120)
Modulares Design
Produktfunktion
Fracht schützen
Mit Zuggeratverbinden
Luftwiderstand
minimieren
Fracht tragen
en^>-
>
>
>
>
PhysischeKomponente
Box
Deichsel
Verkleidung
Ladefläche
Integrales Design
Produktfunktion
Fracht schützen
Mit Zuggeratverbinden
Luftwiderstand
minimieren
Fracht tragen
Physische
Komponente
Obere Haltte
Untere Haltte
Nasenstuck
Lastau f-
hangung
Die Natur kennt nur integrale Designs, d.h. eine Funktion eines Organismus kann
nicht einem einzelnen Teil eines Organismus zugeordnet werden und umgekehrtschon gar nicht. Diese integral gebauten Lebewesen haben sich in einer bestimmten
Nische ideal an die Natur angepasst, haben jedoch Mühe mit großen Veränderungenm ihrem Umfeld, insbesondere wenn diese Veränderungen schneller ablaufen, als sich
die Lebewesen anpassen können.
647
Roman Boutellier, Andreas Biedermann
Integrale Designs sind auf höchste Leistungsfähigkeit getrimmt. Stehen nicht die
höchste Leistungsfähigkeit des Produktes im Vordergrund, sondern eher tiefe Kosten,
hohe Flexibilität gegenüber Kundenwünschen oder rasche Entwicklungszeiten, so
gestallet man Produkte modular. Die Abhängigkeit der einzelnen Module untereinan¬
der wird dabei bewusst reduziert. Damit wird erreicht, dass die einzelnen Teile verän¬
dert und ausgewechselt werden können, ohne das Gesamtsystem allzu stark zu stören.
Nicht immer gelingt es den Ingenieuren, die Interaktion der einzelnen Module unter¬
einander zu beherrschen. Beispiele von unerwünschten Interaktionen sind resonanz-
bedingte Vibrationen im Auto, elektromagnetische Unverträglichkeit oder Software-
Konflikte bei einem Betriebssystem.
Bei der Wahl zwischen integralem und modularem Design können drei verschiedene
Das integrale Design kommt bei technischen Produkten wie in der Natur bei höchster
Leistungsfähigkeit zum Tragen: Ein Formel-I-Rennwagen erlaubt keine Kompromis¬
se, alles ist auf ein Ziel ausgerichtet: Höchste Leistungsfähigkeit in einer eng definier¬
ten Situation. Wenn sich die Pneus ändern, ändert man zwar nicht den Motor, aber
immerhin das Tuning. Im integralen Design verzichtet man in den Schnittstellen zwi¬
schen den „Organen" auf alle Reserven und nimmt damit in Kauf, dass alles angepasst
werden muss, wenn sich ein Detail ändert.
Da die Unternehmen nicht soviel Zeit aufwenden wollen wie die Evolution und auch
nicht derartig viele Prototypen zu konstruieren bereit sind, gehen sie in ihren Entwick¬
lungen wenn möglich nicht nach dem Prinzip „trial and error" vor, sondern bauen
Flexibilität und kurze Entwicklungszeiten bereits im Produktkonzept ein und wäh¬
len daher das modulare Design. Ein Produkt hat nur dann Erfolg, wenn es ein be¬
stimmtes Marktsegment trifft bzw. ein Organismus überlebt nur dann, wenn er in
einem oder mehreren Lebensräumen lebensfähig ist. Wie in der Natur folgen aus den
Anforderungen dieses spezifischen Umfeldes (des Marktes) die zu erfüllenden Funk¬
tionen, Im Gegensatz zur Natur wird versucht, diese Funktionen möglichst eindeutig
einzelnen Modulen zuzuordnen, um vereinfachter auf Veränderungen der Anforde¬
rungen reagieren zu können.
Der dritte und letzte Designansatz - tiefste Produktkosten - ist der schwierigste.
Ähnlich wie bei der höchsten Leistung kann man sich in der Regel keine Reserven in
den Schnittstellen leisten. Tiefste Kosten zu erreichen, stellt deshalb die höchsten An¬
sprüche und wird nur von wenigen Firmen beherrscht. Tiefste Stückkosten sind eine
Kernkompetenz, die in einer Firma eingebettet ist und stellen deshalb eine strategische
Erfolgsposition dar. Zurzeit scheinen viele chinesische Betriebe aus ihrer Not eine
Tugend zu machen und entwickeln zum Teil kapitalintensive Anlagen, die aufgrundder tiefen Betriebskosten bis zu 50 % billiger produzieren als europäische.
648
Systementwickler und Modullieferanten
5 Beziehung zwischen modularer
Produktarchitektur und Organisation
In der Biologie unterscheidet man schon lange zwischen Organen und Funktionen.
Der Magen ist ein Organ und das Verdauen eine Funktion. Bereits im 19. Jahrhundert
stellte man fest, dass alle Teile eines Tieres einander entsprechen und im Wesentlichen
dieselben Funktionen erfüllen. Sie beeinflussen sich gegenseitig, so dass kein Teil ge¬
ändert werden kann, ohne dabei die anderen Teile in Mitleidenschaft zu ziehen (vgl.
Jacob 2002,117).
Auch in der Produktentwicklung werden Systeme in Module und Funktionen geglie¬dert. Diese Zuordnung bestimmt die Produktarchitekrur (vgl. Boutellicr und Wagner
2003, 227).
Der Gesamtmarkt für über sechs Tonnen schwere LKWs liegt in Europa bei rund
300.000 Einheiten pro Jahr und wird heute noch von sechs großen Herstellern domi¬
niert. Führend ist Mercedes-Benz mit einem Absatz von rund 70.000 LKWs in Europa.Hinter diesen - im Vergleich zum PKW-Geschäft - geringen Stückzahlen verbergensich bei Mercedes-Benz vier Baureihen mit drei verschiedenen Führerkabinen, Ge¬
wichtsklassen von 7,5 t Gesamtgewicht bis über 40 t, unterschiedlichsten Radstandsva¬
rianten, drei verschiedenen Motorenfamilien und eine Vielzahl an Getriebe-, Achs¬
und Ausstattungsalternativen. Bei dieser Variantenvielfalt überrascht es nicht, dass die
Wiederholrale baugleicher Fahrzeuge deutlich unter zwei liegt. Würden die Farbvari¬
anten ebenfalls mitgezählt, läge diese Zahl noch tiefer. Gleichzeitig ist der TKW-Markt
geprägt von einem hoch kompetitiven Umfeld mit erheblichem Erlösdruck.
Das LKW-Geschäft stellt besondere Anforderungen an die Entwicklung. Erstens muss
das Konzept einer LKW-Familie größtmögliche VariantenVielfalt zulassen, Erweite¬
rungen der Typenpalette und des Angebots an Sonderausstattungen müssen ohne
großen Aufwand möglich sein und eine Baureihe sollte mehr als zehn Jahre existieren,
da die Produktlebenszyklen sehr lang sind.
Zweitens sind bei der Entwicklung von LKWs erstaunlich niedrige Produktkosten zu
erreichen. So hegt der Verkaufserlös einer Standard-Sattelzugmaschine sehr nahe bei
den Werten eines PKWs der Oberklasse. Diese Situation verbietet üppige Entwick¬
lungsabteilungen und großzügige F&E-Budgets. Im Verhältnis zum PKW prägenkleine Entwicklungsmannschaften das Bild und die für F&E verfügbaren Umsatzantei¬
le - wieder im Verhältnis zum PKW-Geschäft - sind deutlich tiefer (vgl. Böhm 2003,
471 ff). Um diesem Effizienzdruck nachzukommen, wurde in der LKW-Entwicklungdie Entwicklungstiefe schon früh reduziert.
Drittens sind LKWs technisch sehr anspruchsvolle Produkte, da die technologischen
Möglichkeiten zur Erreichung der tiefen Produktionskosten und einer sehr hohen
Qualität ausgeschöpft werden müssen. Als Investitionsgüter sollen sie dem Besitzer
649
Roman Bouteltier, Andreas Biedermann
möglichst hohe Gewinne erwirtschaften helfen. Emotionen spielen im Vergleich zum
PKW-Geschäft eine untergeordnete Rolle. Ausschlaggebend sind Zuverlässigkeit und
niedrige Betriebskosten.
Der LKW-Markt zeigt, wie Unternehmen eine große Variantenvielfalt durch Modulari¬
sierung erreichen können. Dahinter stecken langjährige Erfahrung mit dem Produkt
und eine Vision, wohin sich Markt und Technologie in den nächsten Jahren entwi¬
ckeln.
Die Geschwindigkeit, mit der sich die angewandten Technologien verändern, hat sich
zu einem der wichtigsten Strukturierungsparameter entwickelt. Beim SMART hat
MCC früh erkannt, dass sich der Motor in Zukunft aufgrund technologischer Fort¬
schritte ändern wird. Ändert sich der Motor, so müssen auch Getriebe und Hinterach¬
se angepasst werden. Deshalb wurden Motor, Getriebe und Hinterachse zu einem
Modul zusammengefasst und einem Lieferanten übertragen, der nicht nur entwickelt
und produziert, sondern auch gleich den Einbau des Moduls in der Endmontage ü-
bernimmt. Die Schnittstellen wurden möglichst konstant gehalten. Dies ermöglicht das
parallele Arbeiten von System- und Modulentwicklern. Zusätzlich sind diese nicht
mehr gezwungen, ständig die Konstruktionen aufeinander abzugleichen.
Neben dem technologischen Wandel sind aber auch Entwicklungen im Markt für
Veränderungen des Produktes verantwortlich. Die Geschwindigkeit des Marktes ist
daher auch ein geeignetes Kriterium zur Produktstrukturierung. Die einfachste Situa¬
tion liegt vor, wenn zwischen Montagesrückliste, Marktsegmentierung, Aufbauorgani¬
sation der Firma, Lieferantenstruktur und Servicemodul wenige Differenzen bestehen.
Werden unterschiedliche Markt- oder Technologiegeschwindigkeiten in die gleiche
Organisationseinheit, in das gleiche Modul oder m das gleiche Projekt gepackt, so
passen sich die Organisation, die Modulentwicklung und die Projektdauer der höchs¬
ten dieser Geschwindigkeiten an. Dies, weil die höchste Geschwindigkeit die Frequenz
der Neuentwicklung und der Markteinführung neuer Produkte vorgibt. Damit steigen
die Kosten, denn Geschwindigkeit erhält man trotz vieler Behauptungen nicht um¬
sonst: Eine höhere Frequenz der Produktentwicklung bedeutet in der Regel kleinere
Losgrößen, wobei in fast allen Fällen die Kosten mit sinkender Losgröße steigen; es sei
denn man produziert am Markt vorbei und kann die Produkte nicht absetzen. Dies ist
aber wiederum eine Frage der Abstimmung der Marktgeschwindigkeit, der Technolo¬
giegeschwindigkeit und der internen Durchlaufzeitcn in Entwicklung und Produkti¬
on.
Die bereits erwähnte Firma Leica produzierte früher ihre mechanisch-optischen Win¬
kelmessgeräte vollständig inhouse, war also sehr stark vertikal integriert. Die Produk¬
te hatten Lebenszyklen von 30 und mehr Jahren. Mit der Umstellung auf Elektronik
hatte das Unternehmen plötzlich zwei Geschwindigkeiten: Die Elektroniker dachten
im Monaten, die Mechaniker in Jahrzehnten. Nachdem die Mechanik- und Elektronik-
Module sowie die Entwicklungsteams getrennt wurden, entkoppelten sich auch die
Geschwindigkeiten der Neuentwicklungen der Module. Neuerungen in der Elektronik
650
Systementwickler und Modutlieferanten
konnten von nun an innerhalb weniger Monate umgesetzt werden, die Lebenszyklen
von Mechanik-Komponenten konnte man auf eine sinnvolle Dauer verlängern: Die
Entwicklungskosten sanken und die Innovationsrate der Produkte stieg.
Die Technologiegeschwindigkeit gibt auch einen Hinweis für die Organisation der
F&E (Allen 2004). Verändert sich die Technologie sehr rasch, lohnt es sich, das Fach¬
wissen in einer eigenen Abteilung zusammenzufassen. Spezialisten können sich dann
besser austauschen und die Verbindung zur externen Fach-Community lässt sich effi¬
zienter gestalten.
1st dagegen die Technologiegeschwindigkeit klein und die gegenseitige Abhängigkeitder Module hoch, so lohnt sich eine klassische Projektorganisation. Schwierig sind die
Mittelpositionen. Hier entscheidet die Geschwindigkeit des Markteintritts. Projektor¬
ganisationen sind schneller in der Projektentwicklung als fachabteilungsbasierte Or-
ganisattonsformen.
6 Modularisierungskriterien in den
Phasen des Produktlebenszyklus
LKWs setzt der Kunde für ganz unterschiedliche Zwecke ein, und die Kundenanfor¬
derungen sind daher auch sehr heterogen. Die Kunden sind bereit, etwas mehr Ge¬
wicht, etwas größere Dimensionen und etwas weniger Leistung zu akzeptieren, wenn
sie dafür den Wagen innerhalb Wochen erhalten statt erst in 2 - 3 Jahren. Der Designer
versucht, diese Flexibilität über eine geschickte Wahl der Module zu erreichen. Dabei
muss er vier ganz verschiedene Modularisierungskriterien berücksichtigen:
9 Im Produktkonzept versucht er, die Marktsegmentierung abzubilden und die
Technologiegeschwindigkeiten zu berücksichtigen: Gleiche Führerkabine, aber
verschiedene Motoren. In zweiter Priorität wird er die einzelnen Funktionen auf
möglichst wenig Module verteilen, insbesondere die optionalen Funktionen, wel¬
che zusätzliche Marktsegmente erschließen.
'S In der Entwicklung steht die Problemlösung im Vordergrund: Was beeinflusst
was? Worauf ist Rücksicht zu nehmen? Das erlaubt die Definition von Arbeitspake¬
ten, so dass sie unabhängig voneinander und wenn möglich sogar parallel abgear¬beitet werden können. Auch in dieser Phase wird man die Funktionalität möglichsteinfach aufgliedern.
SS Die Produktion kann das Produkt nicht beliebig aufteilen. Sie muss Rücksicht
nehmen auf die eigenen Strukturen und Fähigkeiten bzw. auch auf die Fähigkeiten
der Lieferanten. Diese Fähigkeiten können im Laufe der Zeit angepasst werden:
651
Roman Boutetlier, Andreas Biedermann
Noch bis vor wenigen Jahren gab es keinen Lieferanten, der eine komplette Auto¬
tür hätte liefern können. (Boutellier und Wagner 2003, 236)
Nach der Auslieferung spielen der Service und die Nachrüstbarkeit eine wichtige
Rolle. Die serviceintensiven Baugruppen müssen gut zugänglich sein. Außerdem
wird der Kunde es schätzen, dass er bei einer Nachrüstung nicht gleich ein neues
Produkt kaufen muss, sondern einzelne Baugruppen austauschen kann.
Abbildung 6-Î: Modularity muss verschiedene Kriterien berücksichtigen
Produktlebenszyklus
Produktkonzept
Entwicklung
Produktion
Service
Kriterien
1. Marktsegmentierung und
Technologiegeschwindigkeiten
2. Funktionalität
1. Problemlösung
2. Funktionalität
1. Fähigkeiten der Lieferanten
2. Produktionskapazität
1. Service
2. Upgradeability
Modularisierungfindet In allen
Phasen statt
Wie man sieht, haben die Entscheidungen zwischen modularer und integraler Bau¬
weise weit reichende Ausvvirkungen und müssen trotzdem spätestens am Ende der
Konzeptphase festliegen. Einmal entschieden, ergeben sich daraus viele Konsequen¬
zen für Projektmanagement, Produktion, Service und Einkauf.
Der Aufwand für die Produktstrukturierung darf nicht unterschätzt werden. In kom¬
plexen Projekten erreicht er rasch 5 % der gesamten Entwicklungskosten. Allerdingslohnt sich dieser Aufwand in der frühen Phase der Produktentwicklung. Viele struktu¬
relle Fehlentscheidungen können später nur noch mit immensen Kosten wieder korri-
652
Systementwickler und Modullieferanten
giert werden. Steht nicht nur ein einzelnes Produkt zur Entwicklung an, sondern eine
ganze Produktfamilie und haben die Produkte eine Lebensdauer von zehn und mehr
Jahren, so kann eine Entscheidung, die spätere Upgrades verhindert oder den Service
verteuert, fatale Folgen haben. Das Unternehmen kann ge/.wungen sein, eine Modell¬
reihe Jahre früher als geplant aus dem Markt zu nehmen.
7 Gestaltung der Zusammenarbeit mit
Modullieferanten
Das externe Sourcen von gesamten Subsystemen führt zur engeren Zusammenarbeit
unter den Geschäftspartnern (vgl. Gadde und Jellbo 2001, 389). Eine Swatch hat etwa
30 Teile, eine Luxusuhr mehrere hundert, ein Auto mehrere tausend und ein Jumbo Jet
mehrere Millionen. Um Logistik, Produktion und Montage zu vereinfachen, drängtsich eine Hierarchie auf: OEMs beauftragen Systemlieferanten mit der Vormontage
von Systemen, die meist eine funktionale Grundausrichtung haben. Die Systemhefe-ranten ihrerseits haben Modullieferanten. Damit ergibt sich ein mehrstufiger Herstell-
prozess, der sich im Verlaufe eines Projektes entwickelt, später etabliert und ganze
Industrien verändert.
Er führt zum Aufbrechen der bekannten, vertikal integrierten Supply Chains hin zu
einer Industriestruktur, in welcher sich einzelne Marktteilnehmer auf wenige Stufen
der Wertschöpfung und auf einige wenige Module spezialisieren. Diese Fokussierungerlaubt es, Services und Produkte zu einem günstigeren Preis anzubieten (vgl. Dow¬
ney, Greenberg und Kapur 2003). Der eben erwähnte Trend von der vertikalen zur
horizontalen Konkurrenz findet zurzeit bei der Autoindustrie sowie bei den Mobiltele¬
fonen statt.
Damit ergeben sich zwei fundamentale Anforderungen an die Beschaffung von Modu¬
len (vgl. Boutellier und Wagner 2001):
* Vernetzung: Der Einkauf eines Unternehmens arbeitet weltweit mit den besten
Lieferanten zusammen und ist fähig, diese untereinander und auch mit der eige¬
nen F&E-Abteilung zu vernetzen.
H Standardisierung: Der Einkauf bringt die eigene F&E-Abteilung dazu, die sich
abzeichnenden Standards der Modullieferanten zu akzeptieren und selbst die ei¬
genen Schnittstellen möglichst konstant zu halten.
Damit sind neue Formen der Zusammenarbeit gefragt, intern und auch extern.
653
Roman Boutellier, Andreas Biedermann
Bei der internen Zusammenarbeit geht es zunächst um die Verbesserung des Zusam¬
menspiels der dezentralen Einkaufseinheiten. Nur so lassen sich Pooling-Effekte reali¬
sieren und die überbordende Vielfalt von Teilen reduzieren. Bereits in der F&E ist es
wichtig, dass Einkaufsaspekte frühzeitig in die Produktkonzepte einfließen. Dies hat
noch nichts mit Preisverhandlungen zu tun, sondern mit der Schaffung von optimalen
Voraussetzungen für die spätere Produktion. Der Trend geht in Richtung hybrider
Einkaufsorganisationen: Der strategische Einkauf erarbeitet möglichst zentral zusam¬
men mit der F&E die grundlegenden Konzepte und hilft auch mit, die externen F&E
Leistungen vernünftig einzukaufen. Später übernehmen Produktion und Beschaffung
die Führung, überarbeiten die Make-or-Buy-Konzepte nochmals im Detail und führen
die Preisverhandlungen mit den Lieferanten. Zwei Aspekte sind von herausragender
Bedeutung: Verträge für F&E und das Verhältnis zwischen OEM, Systemlieferanten
und Modullieferanten.
Da zu Beginn eines F&E Projektes naturgemäß noch vieles offen ist, scheuen einerseits
die meisten Entwicklungsabteilungen den Abschluss eines Vertrages, da sie in Ruhe
die technischen Probleme lösen möchten. Die Rechtsabteilungen andererseits drängen
zur vertraglichen Regelung. Ein Kompromiss in Form eines einfachen, grundsätzli¬chen Vertrages in der F&E-Phasc hat sich bewährt. Juristen sollen die Vertragsver¬
handlungen zumindest begleiten, denn F&E-Leistungen lassen sich qualitativ nicht
einfach beurteilen, Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten lassen sich nicht
vermeiden. Dieser Vertrag soll die folgenden vier Punkte abdecken (vgl. Boutellier
und Wagner, 2003, 239):
Ziel der gemeinsamen Entwicklung: Ohne Klärung des Zieles können Ingenieure
nicht zusammenarbeiten. Die Unternehmen sollen intern mindestens soviel Vorar¬
beit leisten, um diesen Punkt zu klären.
h, Projekte stehen und fallen mit ihren Leitern. Deshalb sollen alle beteiligten Parteien
ihre Projektleiter namentlich nennen und im Vertrag aufführen.
.'' Je präziser Milestones und Deliverables formuliert sind, desto besser lässt sich
der Fortschritt messen und damit die Leistung aller Parteien beurteilen. Zumindest
ein grober Phasenplan ist Bestandteil des Vertrages.
A Eine Exit-Strategje ist notwendig, damit keine Streitereien entstehen und die an¬
dern Parteien weiterfahren können, wenn eine Partei während des Projektes auf¬
gibt und keinen Sinn mehr in der Zielerreichung sieht.
Liegt ein entsprechender Vertrag vor, können die internen F&E-Mitarbeiter ihrer Ar¬
beit nachgehen, ohne ständig mit Einkäufern und Juristen Rücksprache zu nehmen. Es
darf nicht vergessen werden, dass gute technische Produkte nur entstehen, wenn die
Ingenieure des Abnehmers und der Lieferanten absolut offen miteinander arbeiten
können, denn: Geheimhaltung ist der beste Garant für Mittelmäßigkeit! Neben der
juristischen Definition der Zusammenarbeit spielt aber auch das Vertrauen der Ge-
654
Systementwickler und Modulheferanten
schaftspartner ineinander eine wichtige Rolle Vertrauen ist eine wichtige Vorausset¬
zung fur langfristig erfolgreiche Geschaftsbeziehungen (vgl Morgan und Hunt 1994)
Abbildung 7-1: Der Technologie-Wmnei entscheidet über Fuhnmg im Projekt(in Anlehnung an Bratzier 1999, 712)
hoch
TechnologischeUnsicherheit und
Spezifität
tief
Abnehmer Strategisch
dominieren
ProjektbezogeneZusammenarbeit
Klassische Lieferanten
Beschaffung dominieren
gering hoch
Technologische Abhängigkeit vom Lieferanten
Wer in der Zusammenarbeit zwischen Abnehmer und Lieferant die technische Leitung
übernimmt, kann am besten nach dem Wissensstand der beteiligten Parteien entschie
den werden, wie Abbildung 7-1 zeigt Sind technologische Unsicherheit und Spezifitätsowie die technische Abhängigkeit vom Lieferanten klein, so kann problemlos „klas¬
sisch" beschafft werden In der anderen Extremsituation bietet sich eine strategischeZusammenarbeit an Dazwischen dominieren projektbezogene Zusammenarbeitsfor¬
men Die Leitung übertragt man in diesen Fallen am besten der Partei mit dem größtentechnischen Wissen (vgl Bratzier 1999, 112ff)
655
Roman BoutelUer, Andreas Biedermann
Abbildung 7-2: Enge Zusammenarbeit im Dreieck
Marktspezialist
Gesamtdesign
Integration
Entwicklungsführer
Beispiel:Automobilhersteller
Funktions-Spezialist
Integration
Entwicklungsführer und
Entwicklungszulieferant
Beispiel:Sitzlieferant
Technologie-Spezialist
Economy of Scale
Globale Präsenz
Beispiel:Textilhersteller
Kauft der OEM Systeme ein, die aus mehreren Modulen bestehen, ergibt sich eine
weitere Problematik, die sorgfältige Führung erfordert (vgl. Abbildung 7-2). In der
Kon^eptphase arbeitet der OEM häufig direkt mit den Modullieferanten zusammen
und überspringt die Ebene des Systemlieferanten. Er möchte, dass die beste Technolo¬
gie in seine Produkte eingebaut wird und ist es traditionell gewohnt, Informationen
direkt aus der ganzen Supply Chain einzuholen. Der Systemanbieter ist in der Kon-
/eptphase häufig nur mit seiner Spezialität vertreten und muss sich deshalb seine
notwendige Führerschaft gegenüber den Modullicferanten später mühsam erkämpfen.Er sitzt zwischen Hammer und Amboss: Erstens nimmt ihm der OEM seine Optimie¬
rungsmöglichkeiten, indem dieser direkt mit den Modullieferanten arbeitel und diese
/u Pflichtlieferanten macht. Zweitens muss er häufig damit rechnen, dass der Modul¬
lieferant ebenfalls zum Systemlieferanten aufsteigt, da dieser durch die bestehende
Zusammenarbeit mit dem OEM einige der wesentlichen Schlüsselvoraussetzungen
dazu erfüllt (vgl. Girschik 2002). Auch hier empfiehlt sich in der Konzeptphase die
656
OEM
Kommunikation
und
Organisation
Systemspezialist
Modullieferant
Systementwickler und Modullieferanten
gemeinsame Erarbeitung eines Vertrages, der die Zusammenarbeit klärt und langfris¬
tig regelt. Wichtig ist, dass sich die Parteien als Partner mit einem gemeinsamen Ziel
verstehen. Insbesondere OEM und Systemlieferant müssen ihre Rollen klären:
18 Variante 1: Der OEM und die Systemlieferanten treten als Blackbox-Einkäufer auf,
welche die Schnittstellen und die Funktionen definieren und sich weiter nicht um
die Entwicklung des Inhaltes kümmern. (Reduktion von Entwicklungs- und Pro¬
duktionstiefe)
8 Variante 2: Der OEM und die Systemlieferanten treten als Entwickler auf, die alles
entwickeln, später aber modular einkaufen (Reduktion der Produktionstiefe).
Nur wenn es gelingt, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten zu klären, können die
beteiligten Parteien ohne allzu große Konflikte zusammenarbeiten.
8 Fazit
Systementwickler und Modullieferanten sind heute in vielen Branchen anzutreffen.
Die Modularisierung bietet eine gute Lösung des Dilemmas zwischen Produktvielfalt
und operativer Effizienz: Einerseits können einzelne Module in einem System ausge¬
tauscht werden, was die Produktvielfalt erhöht. Andererseits werden Module in meh¬
reren Systemen eingesetzt und somit Skaleneffekte genutzt. Neben der großen Techno¬
logievielfalt und dem Trend zu komplexeren Produkten tragen auch die Miniaturisie¬
rung und die Entwicklung von Controllingsystemen zu einer Modularisierung der
Produkte und von Branchen bei. Die Unterteilung von Systemen in Module bietet eine
große Chance, die Komplexität eines Produktes zu reduzieren und kundengerechterzu gestalten.
Gelingt es dem Unternehmen, Marktstruktur, F&E-Organisation und Produktarchitek¬
tur konsistent zu gestalten und auf die Industriestruktur auszurichten, so lassen sich
große Skaleneffekte realisieren. Die Berücksichtigung von Markt- und Technologiege-
schwindigkeiten, die Berücksichtigung der Modularisierung in allen Phasen des Pro¬
duktlebenszyklus sowie die Zusammenarbeit der Geschäftspartner sind dabei von
zentraler Bedeutung. Durch geschickte Modularisierung der Produkte und der Orga¬nisation werden Produkte zwar nicht einfacher, aber überschaubarer, vielfältiger und
insbesondere kostengünstiger.
657
Roman Boutellier, Andreas Biedermann
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6 Kopien der Publikationen XI
6.10 Disruptions in global industries (II)
Boutellier, R. und Biedermann, A. (2007): Disruptions in global in¬
dustries caused by controversial technologies: the case of lead-free
soldering in electronics, in Zhao, F. (Hrsg.) Information Technology
Entrcpreneurship and Innovation.
Disruptions in global industries caused by controversial
technologies. The case of lead-free soldering in
electronics
In this chapter, the raise of a business phenomenon is introduced and illustrated
with the case of the ban of lead-bearing solders in electronics manufacturing: The
disruptions caused by controversial technologies. Technologies arc praised initiallyas problem solvers and frequently evolve into problem causers themselves. Affected
companies arc facing the threat of technological obsolescence and fundamental
change processes. A framework of the social environment and the value chain helpsthe management to better understand the relevant mechanisms. Using the case of
lead-bearing solders, the chapter illustrates the far-reaching consequences of the
forced phase-out of these alloys, which have been used since the beginning of
industrial electronics production. Lead bearing solders arc one example of many
technologies, which are candidates to become controversial. Increased awareness of
side-effects, globalization and intensified use of single technologies indicate that this
management task will gain momentum in the electronics industry and others.
Keywords: (according to http://www.idea-group.com/assets/keywords.asp?parenUD=3)
Manufacturing Industry; Electronics Industry; Strategic Planning; Production; Research
and Development; Strategy and Policy
INTRODUCTION
Already, one year after the discovery of x-rays in 1885, reports about people losing their
hair after having been exposed to a high dose of x-rays occurred; other early researchers
reported skin injuries (Gee et al., 2001, p. 31; Radiologie.de, 2006). Despite these adverse
effects, x-rays have been successfully applied in various fields such as medicine or
material analysis. Also for other technologies, early warnings about side-effects of their
application were known since their market introduction, but they where not taken serious
or the merits of the application surmounted the possible drawbacks. Such technologiesarc the use of asbestos as an insulation material (D'Agostino & Wilson, 1993, p. 186) or
the application of Bisphenol A as a plasticizer (Cook, Dodds, & Hewett, 1933; Hentges,2003). But not all of these early warnings prove to be of relevance: The most prominentexamples of exaggerated precaution towards a new technology are the fears of adverse
health effects on the travelers caused by the unnatural high traveling speed at the
introduction of railways during industrialization.
The application of technologies will always be accompanied by assumptions of possibleside-cffccts. If these side-effects are not accepted anymore, the technology is endangeredof being banned, A recent example of such a process is the European restriction of the use
of lead in electronics manufacturing, which caused big efforts to the affected companies
and generated technological and regulatory uncertainty. Other materials were affected
and future regulations arc expected. Due to the global interweavement of the electronics
industry, the European ban has led to a global phase-out of lead bearing electronics.
To master such controversial technologies successfully, companies need to understand
the relevant social mechanisms and the interweavement of the value chain. Therefore,this chapter starts with the introduction of a framework that helps the management to
understand these relationships. Afterwards, the framework is applied to the case of lead-
bearing electronics.
FRAMEWORK FOR THE DESCRIPTION OF CONTROVERSIAL
TECHNOLOGIES
Many decision processes in the environment of a controversial technology are less
technologically driven, they arc ill defined problems and thus driven by power and
politics. According to Haller (1999, p. 79), the activities and decisions of one social
group do affect other social groups. To create an understanding of the overall
mechanisms, a basic understanding of the involved actors is needed.
The framework
Pistorius and Uttcrback distinguish four different areas that influence the technologicalenvironment of a company: Technology-related, raw material, market and politicaldevelopments (Pistorius & Uttcrback, 1995, p. 220). Having the technology user in the
middle, the framework takes these four possible influences into account. It consists of
two main areas: Society and the value creation chain (see figure 1 ).
Society
External Actors
Science
/
\
/
\
Value Creation
Chain \
(Potenlially)Affected Actors
Raw Material
Suppliers
TechnologySuppliers
TechnologyUsers
Controversial__. _ .
,
- ,. ,-* Products
Technology .
./Alternative
Technologies
Technologies| ] Roles I
tigure 1 Research Framework
Changes in public acceptance and new regulations do not happen over night. There are
long evolutionary processes going on that can be identified and monitored (Liebl, 1991,
p. 34). As Maguire has identified in the case of the insecticide DDT, social discourses
about a controversial technology can significantly influence their future (Maguire, 2004,
p. 129). Especially in the public discourse, different pictures of realities are constructed
that are accepted by actors. Research in the field of scientific uncertainty stresses the
importance of such considerations as well (Shradcr-FrccheUe, 1996, p. 12). As Barnett
and Brcakwell show in the case of the 1995 oral contraceptive pill scare, the approach of
the social amplification of risk emphasizes the importance of social mechanisms in the
public risk discourse (Barnett & Breakwell, 2003, p. 302) and in particular the role of
"stations of amplification" (Pidgcon & Bcattie, 1998, p. 306). Since adverse effects are
typically considered as risks, these amplification mechanisms are important to understand
the social behavior towards potential adverse effects.
In the following paragraph, the social environment of controversial technologies is brieflyoutlined.
Science
For many decades, the prevailing understanding was that the science had the "monopolyon truth in society" (Wcingart, 1998, p. 869). Therefore, society addresses questionsabout adverse effects typically by scientific studies, but the results of such
epidemiological studies or laboratory experiments are far from being certain (Foster,Bernstein, & Huber, 1993, p. 3; Mills, 1993, p. 92). In contrast, outputs of scientific
studies arc always uncertain and conditional (Zehr, 1999, p. 3) and therefore, scientific
consensus often cannot be reached for many years. Examples are the cases of dioxin or
Bisphenol A (Friedman, 1999; vom Saal & Hughes, 2005) (sec figure 2). Recent events
indicate that rules of media attention are adapted by some scientists in order to bypasspeer review mechanisms (Wcingart, 1998, p. 872). In the public, scientific uncertainty is
often neglected (Stocking, 1999, p. 24), which leads to misinterpretation of the research
outputs. Scientifically unfounded reactions can result. The misinterpretation of the
research results of a study concerning the toxicity of Acrylamid is a recent examplethereof (Rogener, 2004).
100 iYes
%
Number
of 50 -
studies
ÀNo
Yes
No
0 -
10% 100%
Public financed Industrial financed
Figure 2L Results oj scientific studies about the question whether low-dose effects ofBisphenolA are dangerous (vow Saal S. Hughes,2005, p 11)
Public
Intensive research has been undertaken in the last decades to gain an understanding of the
social perception of risks and the resulting reactions. Pidgeon and Beattie provide and
overview thereof (Pidgeon & Beattie, 1998). The importance of the public is at least
known since the public outcry concerning the application of certain chemicals in the
1960s (Anastas & Warner, 2000, p. 2; Carson, 1962). Public and scientific risk
assessments apply different logics. As Slovic shows, ranking of risk varies greatly bylaypcople and experts (Slovic, 1987, p. 281). In order to analyze public behavior towards
a controversial technology, technocratic and populist dimensions have to be considered
(Pidgeon & Beattie, 1998, p. 308).
Regulators
Governments dispose of a variety of different means to influence the development and
application of a technology, as figure 3 shows. Since the 1960s, massive improvements in
the regulatory assessment of technologies have been realized (Simonis, Bröchler, &
Sundcrmann, 1999, p. 13). While at the beginning, technology assessment has been
applied as a corrective mean after adverse effects have already manifested, regulators
have recently started to influence potentially controversial technologies already in the
early development phases (Rophol, 1999, p. 83; Sundermann, 1999, p. 119).
$> $ etS Vi _to &>
/ # / / # /V /^ /> 0<? $ i / <? i
//////////////////
Information- Removal of Incentive- Directive-
based policy and based based
strategies distortions instruments regulation
Figure 3: Continuum ofdegrees and types oj government intervention (Allenby: 1999. p. 210)
To cope with the increasing speed of the technological change, regulators apply a strategyknown as the precautionary principle which legitimates regulations even before a
presumed adverse effect has been empirically proven. Early roots of the precautionaryapproach can be identified as soon as 1854. Nowadays, it is widely applied in
international treaties as well as in national law (Gee et al., 2001, p. 11). Its application is
not without controversy: Industry and politicians claim hidden intentions of precautionaryregulations mainly in terms of protectionism (Kogan, 2003, p. 3). The increasing numberof regulatory constraints that are motivated by adverse effects of technologies will
aggravate the need to follow and influence developments in this area (Bernauer & Ruloff,
1999, p. 113).
External actors
Amongst others, environmental activists, attorneys or insurance companies play an
important role in the social environment of controversial technologies (Braun & Wield,
1994, p. 265). Even though these external actors are typically not directly affected byadverse effects they are interested in influencing the behavior of other actors. Dangerousalliances like the one between environmentalist and protectionists can have a stronginfluence on the future of a controversial technology (Bernauer & Ruloff, 1999, p. 113).
(Potentially) affected actors
The perspective of someone who has fallen victim to an adverse effect is completelydifferent to the one of policy makers, researchers or the public (Foster et al., 1993, p. 14).Persons can be affected in various ways such as health or material damages. Often, these
people do not notice by themselves that they are affected, as the case of long-termexposure to chemicals shows (Kuran & Sunstein, 1999, p. 717). They have to rely onscientific analysis and other information sources. Psychological factors play a crucial role
(MacGregor & Fleming, 1996).
RESEARCH METHODOLOGY
The research focuses on the mechanisms triggered when a technology becomescontroversial until it is phased out. In addition, the question of how a company can
operate in such an uncertain situation is approached. Since such processes usually last for
several decades, no longitudinal studies are available and the research therefore focuses
on current examples that industry is dealing with. An industry survey indicated a lack of
management awareness about controversial technologies (see figure 4).
Is your company applying
technologies that might become
controversial?
No
57%
higure 4 Lack oj management awareness about controversial technologies (N-42)
The case study methodology which is referred to as "rolling a snowball" is most suitable:
Asking the interviewed person at the end of the talk which companies else should be
interviewed to get a complete picture (Bijker, 1995, p. 46). The case study itself was
realized by a scries of 40 open interviews with specialists of Swiss and German based
companies. Companies with different positions in the value chain were chosen to providea holistic picture of the mechanisms within the industry. In addition to these interviews of
directly involved people, literature research and 12 expert interviews have been
conducted to develop explanations for some of the findings on a more comprehensive and
as well technical basis. Due to business confidentiality and uncertain legislative situation
concerning the use of lead-bearing solders in electronic components, companies arc not
named. Since companies are in an uncertain legal situation, only little can be found in
literature about managerial action. Research was difficult to carry out for the same
reason. Technical aspects are well covered in literature.
Don't know
15%
MECHANISMS IN THE SOCIAL ENVIRONMENT OF LEAD-BEARING
ELECTRONICS
,Amount of lead-bearingsolders in electronics Public Pressure
Late effects detected f
Dominant ^rDesign jr Substitution
Introduction ^^^ ;
__^^- ***».,,¥
Niches
\ \ \ Time
\ \ 2006 Lead ban in EU
1 V- 1925 First studies
I about health effectsV
1999 Japanese Companies
announce phase out
1900 Industrial soldering in electronics 1990s Increase in electronics waste
Figui e 5 t ive phasei m the life ( ycle of a i ontroven ml tec hnology
As many other controversial technologies, lead-bearing solders follow a life-cycle that
constitutes of six phases (figure 5): At the beginning, many different technologies arc
available until one dominant design elaborates. After intense use of the dominant
technology, late effects arc detected due to accumulated knowledge and residues. Public
pressure evolves causing regulators and industry to phase-out the technology. Due to a
lack of suitable substitutions and a dependency of the technology, the phase-out processis realized gradually. At the end, very few highly specialized applications arc still allowed
for the controversial technology. As the history of lead-bearing solders shows, such a life-
cycle can last more than one century.
In the following paragraphs, we describe the elements of the social environment of the
lead-bearing soldering technology (sec figure 6).
^r^
B^c
Extern
Other
al actors
industries
\ i
Science
eg Environmental toxicology
(Potentially) Affected Actors
Mankind WOfkörS children etc
\
/
\
Adverse effects
Toxic to humane
Regulators
EU China US Japan
/\
ÛûntrOVerfrla!
Technology
Lead'bearifis soldftrs
Public
Individual media
D O Technologies
Figure 6 Social environment in theframework
Adverse effects - Effects of lead-bearing soldering in electronic equipment
Lead was used as a kind of solder for joining copper as early as 3000 B.C. (Smith, 1967,
p. 165) Romans and Egyptians have developed lead-tin solders because they were lower
in cost and had a lower melting temperature (Gibson, Choi, Bieler, & Subramanian, 1997,
p. 246). Lead has been used as a white pigment in paints for more than 2000 years and in
more recent history, lead has been used as a rust protection coating and in special types of
glassware. Furthermore, lead compounds arc added as antiknock agent in gasoline(NZZaSo, 2004). The rapid increase of electronic waste at the end of the last century has
given rise to concerns about late effects of lead-bearing solders in electronics when
deposed in solid waste landfills (Turbini, Munie, Bernier, Gamalski, & Bergman, 2001, p.
4)-
Science - Understanding of lead-bearing solders as a threat to health
Hippocrates described lead colic already in 370 B. C. The effects of heavy metals on the
environment have been systematically studied since the 1920s (Smrchck & Zceman,
1998, p. 26). Shortly after the start of the manufacturing of leaded gasoline some plantworkers became psychotic and died. Motivated by these incidents researchers started to
investigate the causes (Needleman, 2000, p. 20).
3000 B.C. Lead bearing solders applied to join materials
app. 370 B.C. Hippocrates describes adverse effect of lead (lead colic)
1900 Advent of radio communication gives rise to electronics soldering
1920s First studies about health effects of lead
Until 1990s Lead bearing solders arc the prevailing solder alloys
1990s US legislation initiative to ban lead (not realized)
1996 European Union formulates strategy to reduce hazardous waste
1999 Japanese Companies roadmap the phase-out of lead soldering
2006 European Union broadly bans the use of lead-bearing solders in electronics
Figure 7 Milestones tn the development oflead-bearing solders as a controversial technology
In 1933, studies brought to light that lead can be found very widely in the environment
and in human bodies (Bolt, 2005). Measurements of lead-levels in blood during the
phase-out of leaded gasoline have suggested that the lead in gasoline was a main source
for lead in human organisms (see figure 8).
110'OOO t/y
S 11
Ë
Mean bloud levels
in micrograms pQr deciliter
Lead ii'ied in gasoline i
in tons per year I
1Û0'0OOt/y
90 000 t/y
^ \ ^v 1
BO 000 t/y
70'000 l/y
BO'000 t/y
, 50 000 t/y
40 000 t/y
Figure 8 Use oflead in gasoline and mean blood levels oj lead (Sexton, Needham & Prikle 2004 p 44)
Nowadays, there arc a high number of studies that describe a variety of different adverse
health effects of lead. Amongst others, lead poisoning may result in neurological and
reproduction-toxic effects. Furthermore, lead is considered as a possible carcinogenic to
humans (Bolt, 2005). As figure 9 shows, the threshold of lead poisoning diagnosis has
been decreased over time. While the health effect of lead are well known scientific
evidence about the late effects of lead-bearing electronic components in landfills is not
yet available (Abtew & Selvaduray, 2000, p. 101).
Blood levels defining load poisoning \
in microgram per deciliter
Figure 9 Blood level defining leadpoisoning (Sexton el al, 2004, p 44)
Public - Perception of the adverse effects of lead-bearing solders
The toxicity of lead is well-known in public. Topics like lead-free gasoline or lead-
poisoning of famous art painters or children are of some interest in public. In contrast,
very few news articles about contamination resulting from lead-bearing solders in
electronic equipment were published. The public is even unaware of the ongoing bigtransition to lead-free solders in the electronics manufacturing industry. None of the
interviewed companies got into contact with journalists because of lead-bearing solders.
Regulators - European ban of lead triggers global transition
Since electronic waste has grown with the advent of consumer electronics dramatically,the European Union has emphasized to remove toxic substances out of electric and
electronic equipment. In 1996, the European Commission has communicated its
intentions to do so (European Union, 2003). In 2003, the directive 2002/95/EG "on the
restriction of the use of certain hazardous substances in electrical and electronic
equipment" has been published and had to be transposed into national law of the
member states by 2004 (European Union, 2003). In Switzerland, a similar regulationexists. Broadly speaking, one consequence of these regulatory measures is that the
marketing of new electronic equipment for many applications is banned from the
European Market after mid 2006. Due to the global intcrweavement of the electronics
value chains, the European phase-out forces a big part of the global manufacturers to
convert their products to meet lead-free requirements. Up to now, different temporary
exemptions (European Union, 2003, 2005a) have been included in the directive (e.g.brass, medical devices) and several application areas arc not covered at all (e.g.automotive). Reviews of these exemptions are planned to be carried out every four years
(European Union, 2003). Only in August 2005, the tolerable contamination of lead in
electronics has been defined (European Union, 2005b). In addition, there has been
confusion about the exact date of the phase-out of lead-bearing solders in the Europeanmarkets:
Year of statement Predicted phase-out date
1997 I"1 January 2002 (Vianco, 1997, p. 47)
2000 Is' January 2004 (Abtcw & Sclvaduray, 2000, p. 101)
2000 1st January 2008 (Laeutenschuetz, 2000)
2002 1st July 2006 (NZZ, 2002)
Figure 10 Uncertainty uboul the deadlinefor the phase-out oflead-bearing solders Final phase-out date 1" lui) 2006
People's Republic of China will enforce a similar law as the European directive, which
bans the use of lead in electronics, as well (World Trade Organization, 2005). In 2006,the intended implementation of this law was not defined and firm information was rare
(DCA, 2006). In the United States, no national environmental regulation banning the use
of lead in electronics is in force, single states are preparing corresponding environmental
laws (Abtew & Sclvaduray, 2000, p. 101 ; Arrow, 2005) and federal laws to reduce the
use of lead are in preparation since 1991 (Abtew & Selvaduray, 2000, p. 101; ZVEI,
1999, p. 8). In Japan, no ban of lead-bearing solders in electronics is enforced or plannedup to date (Klee, 2005, p. 2). Due to other reasons, Japanese multinational electronics
manufacturers have started to phase-out lead-bearing solders already at the end of the
1990s (Fukuda, Pccht, Fukuda, & Fukuda, 2003, p. 616).
External Actors - Charges of protectionism offending WTO agreement
Industries outside Europe claim that banning lead-bearing solders from electronics would
build-up technical barriers to trade which might be a breach of the corresponding
agreement within the World Trade Organization (Kogan, 2003, p. 13; ZVET, 1999, p. 8).This conflict has not yet been solved.
CONSEQUENCES IN THE ELECTRONICS VALUE CREATION CHAIN
The developments in the last years have given rise to the substitution of lead-bearingsolders in the electronics industry. Though different regulations apply, many exemptionsexist and due to the high uncertainty within the industry the phase-out activities are not
synchronized which results in many challenges for the companies. Within this chapter,we outline the major groups of the market participants and give a brief overview of their
particular phase-out situation in the value chain. Figure 11 shows a simplified value
creation chain of the electronics industry.
Raw Material
Suppliers
Mechanical
Components
SolderingMaterial
Electronic
Components
Printed Circuit
Boards
SolderingChemicals
iSl ^y> w
Technology Users
subassemblyManufacturers
Technology Supplier*
Production Line Production Lino,
Manufacturers Vendors
Controversial
Technology
Lead-bearingsoldenng
Alternative
Technologies
Pure tin solders
/Electronic
subassemblies
Consumera /
Users
Final Product
Manufacturera
End Customers
Roles I J Technologie1: Interfaces
figwe 11 Value creation chaw m the framework Simplified value c nation chain in the via Ironic * industry
The change-over to lead-free soldering processes has triggered a cascade of changes in
the electronics value chain. To give an impression of the complexity of this change
processes, some of the consequences for the different market participants are illustrated in
the following paragraphs.
Controversial technology - Diffusion of lead as a soldering compound into the
industry
The electronics revolution has been ushered by the advent of wireless radio
communication at the end of the nineteenth century. At that time, soldering has been
recognized as an ideal joining for assuring electrical conductivity (Vianco, 1997, p. 46).In modern electronics, solder joints fulfill different basic functionalities beyond electronic
conductance between electronic elements and printed circuit boards, as for example the
mechanical mounting of components (especially smaller ones). Increasing powerconsumption per volume has resulted in the use of the solder joints as heat conductors for
the cooling of some elements (Rahn, Diehm, & Bcskc, 1995, p. 19). Figure 12 illustrates
a typical application of solder joints in electronics.
Final products Electronic subassembly
e.g. personal computer Printed circuit board
MB-f"" Aw
Figure 12. Solderjoints can be found in all electronic products Example Surface Mounted Device (SMD)
Tn the modern electronics industry, lead-tin solders allow a reliable and well-known jointof elements (NZZaSo, 2004). Until the mid 1990s, this metallic system was the prevailingtechnology for soldering. Modern prevalence of lead-tin solders (especially the eutectic
63Sn-37Pb solder) is due to the resource related factors such as availability and cost of
lead and tin as well as to path-dependent factors such as the large established
manufacturing base and the extensive experience with tin and lead (Gibson et al., 1997, p.
246).
Alternative technologies - Intensive research since the 1990s
Electronics are applied in a range of different ambiances: Aircraft electronics being
exposed to low temperatures as low as -40°C in flight (Vianco, 1997, p. 47) and as highas +140°C when sitting next to the engine. Besides the concerns about adverse
environmental and health effects, increased technical requirements such as specificmechanical strength (Gibson et al., 1997, p. 246), sensitivity of electronic componentstowards low-doses of alpha radiation of contaminated lead (Mastipuram & Wee, 2004, p.
70) and higher operating temperatures (Rahn, 2004, p. 109) have necessitated the questfor alternative lead-free solders by industry already before public pressure started to
mount. Therefore, lead-free solders have been researched on for several years.
In the US, the first joint industrial research started in 1992 to search systematically for
lead-free solder alloys (ZVE1, 1999, p. 9). European companies have started research in
lead-free soldering processes in the second half of the 1990s (Vincent et al., 1999). The
main focus of these activities was on the technological feasibility, quality and reliability.In 1999, the Japan Electronics and Information Technology Industries Association
(JEITA) published a roadmap according to which Japanese companies will graduallyphase-out the use of lead-bearing solders. This voluntary self-commitment of the
Japanese companies has mainly been motivated by the market potential that Japanesecompanies have predicted for "green products" (Fukuda et al., 2003, p. 616). These
activities have resulted in a remarkable number of patents generated by Japanese
companies. For example, Matsushita lead the global lead-free intellectual property
activity by holding 43 lead-free patents or patents pending (Fukuda et al., 2003, p. 617).
The number of scientific publications related to the topic of lead-free soldering has
significantly grown since the end of the 1990s.
European directive to phase out
lead in electronics passed
US lead ban
propsed
Japanese companies declare
phase-out strategy
Figure 13 Increase of the number ofscientific articles related to the lead-free soldering since the late 1990s (Data. Web of Science,
2006)
Technology users - Manufacturers of subassemblies
Economics of scale, globalization and standardization have changed the electronics
manufacturing industry. Many companies have outsourced their electronics
manufacturing lines to subcontractors that mount the electronic components on the
printed circuit boards and do the quality testing of these subassemblies. This trend has
given rise to a number of highly specialized global manufacturing companies that do
not market their own products but produce a variety of electronic subassemblies for a
number of different final product manufacturers. A manufacturer of electronic assemblies
typically manages several ten thousands of different product masters in his enterprise
planning system.
^1 Soldering line
i^ eg. wave soldering
Wave solderingThrough-hole-technology
Printed circuit board with
components
Hot wave of molten solder material
Figure 14 Manufacturing line for electronic subassemblies: Wave soldering
The manufacturers of the electronic subassemblies are heavily affected by the
technological substitution. Not only do they have to guarantee the quality and reliabilityof their products that are newly manufactured in lead-free processes but they often are
forced to provide lead-bearing and lead-free solder processes in parallel. This is due to
the fact that some of their customers still demand the old, mastered and trusted solder
technology (e.g. aviation, military, medical technologies). For many such subassemblymanufacturers, this means a new segmentation of their customers which leads to a drop of
the economies of scale because they have to run additional manufacturing lines. Though
manufacturing line suppliers offer special machines to rapidly switch from lead-free to
lead-bearing, additional costs are generated due to additional changeover times.
Lead-free solders demand higher soldering temperatures. (See figure 15 for some
examples of melting temperatures.) Changes on the installed manufacturing base
comprise mainly the purchasing of new equipment cither for higher temperature (reflow
soldering) or soldering equipment that resists to the more aggressive solder alloys (wave
soldering).
220°C
200°C
E 180°C
160°C
140'C
Sn-AgSn-Cu
Sn-Ag-Cu
Sn
+3-20% Bi SnZn
Sn-Pta _'_J Sn48ln52
Sn42Bi58
118°C
139°C
Sn63Pb37 183°C
Sn77.2Ag2 8ln20
Sn91Zn9
187°C
198 5°C
Sn91 8Ag3.4Bi4.8Sn96.1Ag2.6Cu0 8Sb0.5
Sn93.5Ag3.5Bl3Sn95 5Ag3 5CuO 7
Sn95Ag3Bi2Sn96.5Ag3.5Sn99 3CuO 7
210°C
21 rc
213°C
217°C
220°C
221°C
227°C
Sn+>50%Bi
Sn+>30%ln
ting temperatw es ofsolders (Grossmann, 2004, p 9) Actual soldering temperatw e\ arc kigkc
Apart from the higher soldering temperature, other important changes in the solderingprocesses are necessary: Due to more aggressive chemical characteristics of the lead-free
solders, small amounts of metals or other materials of the circuit board or the components
might be elutriated and contaminate the tank of molten solder of wave solderingmachines. This leads to a loss in quality and reliability (Grossmann, 2005, p. 43). In
addition, due to the lower wetting performance of the solders the soldering process has to
be protected by a shielding gas, typically nitrogen.
Initial fears of some manufacturers of the impossibility to mount lcad-frcc together with
lead-bearing devices have not been proven to be true. Therefore, many logisticalnightmares were avoided. Subassembly manufacturers might have several ten thousands
of different components to manage. It would have been a very demanding task to
synchronize the change-over of all the - several hundred - components of a printedcircuit board. In addition, the timing of the use of the components in stock would have
been nearly impossible.
In production, the mixture of lead-bearing and lead-free components has to be controlled.
Though often a mixture would be technically feasible thanks to mixed-mounting of lead-
free and lead-bearing components, regulations in some countries do not allow the use of
lead-bearing components anymore.
Lead-free components sometimes do not show identical performance or other
characteristics (e.g. shape) as their lead-bearing components. In addition, not all of the
used components will be available as a lead-frcc-soldcring version forcing manufacturers
to use new components.
All components have to be analyzed for their future availability as lead-free or lead-
bearing versions which causes an immense workload for the corresponding departments.Substitution of these components leads to a temporary doubling of stock that can result in
a substantial increase in fixed capital.
Most electronics industries have very demanding quality standards, including a
recertification of the products after any changes in the manufacturing process. In practice,this means a recertification of the bigger part of all the products. This work is usuallydone periodically, depending on the introduction of new products or processes. Due to the
phase-out of lead-bearing solders, many recertifications have to be done within a short
period of time.
Consumers and users - Product manufacturers and end customers
Electronic subassemblies are used in a plurality of products such as cars, pocketcalculators, greeting cards, light bulbs, manufacturing systems and medical devices.
Correspondingly, the product manufacturers arc situated in different industries and the
product requirements vary widely. Typically, the subassemblies arc integrated into final
products by mechanical joining processes. Due to the different work sharing models with
the subassembly manufacturers, the final product manufacturers arc affected in different
ways. Normally, they try to outsource the problem on their subcontractors by justordering their products "lead-free" to have no problems in sales.
Depending on the specific situation, product manufacturers have to deal with a lot of
queries from their customers for a confirmation of their phase-out dates. Sometimes the
requested information cannot be given because the request is too specific and would
require unreasonable clarification activities. Despite the administrative efforts to deal
with these queries, strategic questions may arise due to business confidentialityconsiderations.
Lead-bearing soldered parts arc usually still needed even after the phase-out because new
spare products might not be compatible or because of special customer requirements.Manufacturers of final products have to ensure the availability of such spare parts byplacing an all-time need into stock or by ensuring the ability to re-manufacture these
subassemblies. Manufacturers sometimes encounter high depreciation of obsolete leaded
inventory in stock.
Despite the rougher environments and increased requirements caused by the changes in
the manufacturing process, the established design rules for the layout of printed circuit
boards do not have to be changed substantially. In the "lead era", a breach with these
design rules did only seldom result in quality problems of the whole subassembly. Now,this has changed due to the more narrow tolerances in the production process. Therefore,
poor board design can cause quality problems (Grossmann, 2005, p. 49). Since changes in
the design of printed circuit boards, required new templates for production, such
redesigns can cause high costs of adoption.
On the one hand, some product manufacturers of final products still do their subassemblymanufacturing in-house. This gives them the freedom to synchronize the change of their
soldering processes which preservers the economics of scale. On the other hand, some
manufacturers of final products are influenced by their customers, again because theyhave strict requirements for the quality of their products. This is typically true in
industries that are not affected by any regulatory need to phase-out lead-bearing solders at
this moment.
Usually, final product users do not notice any change of the product at all. Even tliough in
Japan, companies claim that lead-free electronics are a competitive advantage in
consumer electronics, at least in Switzerland's cell phone or computer market, lead-free
is not considered to be a purchase criterion at all. The situation seems to be similar or
even more striking in industrial electronics, where customers sometimes even try to
postpone the shift to lead-free soldered products due to missing trust in the new
technology: "Never change a running system" seems to be the maxim.
Raw material suppliers - Manufacturers of components, printed circuit boards and
others
Like boards, electronic components are exposed to a higher temperature during the
soldering process, as well. Since the previous temperatures had already stressed the
components to the limit, old components were not usable within the new process.
Basically, the old plastic compounds do not withstand the higher process temperature.
Melting or deformation of the components or even explosion of the components due to
absorbed humidity can be observed. New compounds have to be found that endure the
lead-free soldering. The connections of the leads of the components that are soldered
need to be adopted in order to be compatible with the new soldering alloys.
Sales figures of lead-bearing solders have already decreased. In the lead-era, there has
only been one prevailing family of solder alloys, namely the tin-lead system. No
alternative solder can fulfill all the requirements that lead-bearing solders fulfill (e.g.price, operation temperature or mechanical strength). Today, different families of solders
are applied for specific applications which automatically lead to a segmentation of the
market for soldering alloys (Rahn, 2004, p. 65).
Fluxers are chemicals that are deposed on boards prior to soldering to increase the joiningof the surfaces. During usage of the product, ingredients of the fluxers react with new
lead-free solder alloys resulting in a higher tendency of the solders to substrate moisture
from the air leading to an increased danger of corrosion and therefore lowering the
expected lifetime of the electronic part.
The printed circuit boards themselves have to be changed, as well. This is mainly due to
the higher temperatures during the soldering process, changed chemical properties of the
applied agents and other requirement on the surface to guarantee appropriate solder
joints. The prevailing finishing technique (hot air solder leveling, HASL) has to be
replaced by alternative surfaces. Different alternatives exist and have already been
applied due to other technical reasons years before the advent of the lead-free
requirement. Their handling and their long-term behavior is known (Rahn, 2004, p. 39).Other effects like delaminating caused by the higher temperatures during soldering have
not yet been proven to be ofbig concern.
Technology suppliers - Vendors and manufacturers of soldering equipment
Adoption in the soldering equipment has been driven by different changes in the
production process that were triggered by the shift to lead-free soldering. The most
striking ones were higher soldering temperatures, more aggressive soldering materials
and gas-shicldcd soldering processes (Rahn, 2004, p. 51). Tn general, these adoptions of
the soldering equipment triggered the development of new products by the vendors of the
soldering equipment and increased the sales. Since the new equipment can in general be
used for lead-free as well as lead-bearing soldering, no new segmentation of the market
can be observed. Some manufacturers have developed production lines that can rapidlyswitch between lead-bearing and lcad-frcc alloys.
Dealers of electronic components
Standardization and globalization has given rise to business-to-business dealers of
electronic components. On the one hand, these dealers distribute the physical goods; on
the other hand, they serve as an information platform between manufacturer of
components and manufacturers of subassemblies or products. Since many manufacturers
source their components through a dealer, the role of these dealers in the technological
change to lead-free solders has become critical. Not only do they have to double their
number of stock places but also have an immense workload in updating their data
management systems. In addition, brokering occurs where dealers buy the rare lead-free
products and sell them at higher prices. The same happens with dealers stocking old,
lead-bearing materials in order to sell them at a rather high price within some years when
the installed manufacturing base for leaded components has been converted to a lead-free
basis.
CONCLUSION - MANAGERIAL CHALLENGES WITH CONTROVERSIAL
TECHNOLOGIES
From our research in the electronics industry, we can identify a set of basic principles for
a good management of controversial technologies.
Be aware of the different possibilities to phase in a technology outside your company
Controversial technologies usually need several decades to diffuse into the products and
processes of companies. The whole value chain has to be considered. The term phase-intherefore does not only mean the planned introduction of a new technology by the
company itself but includes changes by customers and suppliers, as well.
Phase-in on the customer side means the emergence of a new and unforeseen applicationmode of the own products. Customer monitoring is crucial because technologies usuallybecome regulated or controversial in relation to their application. Due to the high number
of changes in the whole value chain a company cannot be aware of all these
developments. Unknown phase-in happens.
known to the
company
Phase-In
unknown to
the company
Approved
Change
Classical
Phase-In
AnticipatedUse of the
Product
ImplicitIntroduction
Unconscious
Application
Unconscious
Use
supplier manufacturer
Technology User
Figure 16 Different possibilities to phase m ci technology
Phase-in of new technologies through suppliers is usually handled by product changenotifications or prequalification where any changes in the products have to be approvedby the customer. Due to complexity not all changes can be covered. Therefore, implicitintroduction of technologies has to be taken into account. A residual uncertainty is
unavoidable.
Analyze long-term reliability of alternatives in long-term studies
Some companies have identified the looming demand for lcad-frcc products very early.Typically, these companies started with a rough assessment of the own situation and also
with first research projects in the technical feasibility of certain alternatives. At the end of
the 1990s, the German „Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie" has
called industry's attention to the potential issue of long-term reliability and the necessityof starting tests to ensure the future functionality of the products (ZVE1, 1999, p. 41).
The most common long-term reliability issues of lcad-frcc solders include spontaneous
growth of shortage-causing dendrites from the solder joints (whiskers) and spontaneous
decomposition of solder joints at very deep temperatures (tin pest). Lead has been added
to the solder alloys to prevent these long-term effects.
Different views on the relevance of several long-term reliability issues exist. Long-termeffects can only be truly understood by real empirical long-term studies, not throughmodels and artificial aging. Artificial aging of components may give some hints about the
relevance of certain long-term effects but they often cannot provide the necessary
certainty concerning the behavior of the components in real use.
Companies are urged to conduct long-term studies about long-term reliability of new
technologies that have to be applied, emphasizing their specific modes of applications.The earlier they start the less uncertainty they will have to manage.
Realize the claims even outside your main business and cultivate external
communication
Knowledge about the toxicity of lead that has been gained during the debate of leaded
gasoline is also applicable in the case of lead-bearing solders. As this case shows, even
claims against a technology outside of the main business of a company have to be taken
seriously, because these claims may spill over to the own business due to discovered
application of the technology.
In the electronics industry, there yet does not exist any common labeling of lead-free
material. A huge diversity of stickers, labels and texts exist that produce a lot of
administrative work in the goods receiving departments. Some manufacturers do not label
their products at all. Not only the labeling itself varies from manufacturer to manufacture
but also the term "lead-free" is interpreted differently. Sometimes, "lead-free" is used as a
synonym for "conform to regulations".
As practitioners of the industry know, whenever people who are unfamiliar with the
business tell one what to do, a suboptimal solution will result (Bigclow, 2005, p. 14).Since important decisions about the future of a controversial technology are made by
non-experts, communicating the relevant aspects of the business situation to laymenbecomes an important capability.
Accept the complexity
A big part of knowledge, norms and quality standards in industrial soldering of electronic
components that have evolved in the last decades is still valid but the details need
adoption. New quality standards have to be developed (TPC, 2005). A well introduced
and historically developed technology cannot be changed easily; too many unknown
interdependences exist. The phase-out of a technology, therefore, has always to be seen
as an evolving project where new challenges are identified during the change-over itself.
Especially in electronics manufacturing companies are currently facing different tasks to
phase out many different technologies. Current examples are volatile organic compounds(VOCs) or halogens that are used in electronics manufacturing.
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Main: Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V.
Gefühlte Interviews XII
7 Geführte Interviews
Datum Funktion in der Organisation Inhalt des Gespräches
20.01.2005 Technologieexperte Umgang mit unerwünschten Technologien in der Industrie¬
automation, Besprechung mehrerer Technologien.
20.01.2005 Technischer Leiter Umgang mit unerwünschten Technologien elektronischen
Zahlungsverkehr und bei sicherheitsrelevanten Anwendun¬
gen. Besprechung mehrerer Technologien.
21.01.2005 Geschäftsführer Lock-In bei Tcilnchmcrvcrmittlungsanlagcn in der Tele¬
kommunikation. Schwierigkeiten des Technologiewechsels.
25.01.2005 Wissenschaftlicher Mitarbeiter Umgang mit unerwünschten Kommunikationstechnologien.
Spezieller Fokus auf sicherheitsrelevante Technologien.
31.01.2005 Manager Operations and Services Erzwungener Technologiewechsel in sicherheitsrelevanten
Bereichen des elektronischen Datenverkehrs
09.02.2005 Technologieverantwortlicher
"Archivierung"
Probleme der langfristigen Verfügbarkeit archivierter, c-
lektronischer Daten. Fokus auf langfristige Herausforde¬
rungen.
22.02.2005 Professor für Atmosphärenphysik Phase-Out von FCKW aus umweltnaturwissenschaftlicher
Sicht
04.03.2005 Geschäftsführer Umstieg auf bleifreie Elektronik aus Sicht eines Herstellers
von Produktionsanlagen fur die Elektronikfertigung. Das
Unternehmen war schon längere Zeit für bleifreie Elektro¬
nik bereit, hatte dies aber nicht aktiv am Markt vertrieben.
11.05.2005 Geschäftsführer Umstrittene Technologien in der Elektronik. Viele unter¬
schiedliche Technologien besprochen und den aktuellen
Stellenwert dieser Themen bei Unternehmen erörtert.
12.05.2005 Leiter Technik Umstrittene Technologien in der Elektronik. SpeziellerFokus auf Schwermetalle, polybromierte Biphenyle (PBB),
polybromierte Biphenyl-Ether (PBDE) und Chrom IV-
Verbindungen.
13.05.2005 Bereichsleiter, Analytik Aktuelle Problemfelder im Technologieeinsatz aus Sicht
eines staatlichen Analyselabors
17.05.2005 Bereichsverantwortlicher
"Cleaner Production"
Umstrittene Technologien als internationales Problem.
Spezieller Fokus auf Unterschiede zwischen Dritterund
Zweiter Welt. Quecksilber-Zell-Technologie zur Chlorher¬
stellung.
18.05.2005 Geschäftsführer Umgang des Unternehmens mit umstrittenen Technologien.
23.05.2005 Geschäftsführer & Technischer Umstrittene Technologien in der Branche. Umgang der
Berater Unternehmen und Stellenwert des Themas bei einzelnen
Unternehmen.
7 Geführte Interviews Xlll
Datum Funktion in der Organisation Inhalt des Gespräches
23.05.2005 Leiter Forschung und Entwicklung Umstellung auf bleifreie Elektronik aus Sicht eines Herstel¬
lers von elektronischen Komponenten. Herausforderungeiner zu frühen Umstellung.
24.05.2005 Abteilungsleiter Umstrittene Technologien aus Sicht der Regulatoren. Zu¬
sammenarbeit mit den Unternehmen und Herausforderun¬
gen des Nachweises von negativen Effekten.
24.05.2005 Geschäftsführer Umstrittene Technologien in der Branche. Umgang der
Unternehmen und Stellenwert des Themas bei einzelnen
Unternehmen.
25.05.2005 Ressortleiter Umwelt & Energie Umstrittene Technologien in der Branche. Umgang der
Unternehmen und Stellenwert des Themas bei einzelnen
Unternehmen. Spezieller Fokus auf RoIIS- und EUP-
Richtlinien.
26.05.2005 Geschäftsführer Umstrittene Technologien in der Branche. Umgang der
Unternehmen und Stellenwert des Themas bei einzelnen
Unternehmen. Spezieller Fokus auf PVC und die damit
verbundenen Technologien sowie PET.
27.05.2005 Geschäftsführer und Leiter Ent¬
wicklung
Umstrittene Technologien in der Firma. Aktueller Umgangund Stellenwert der Problematik anhand von einzelnen
Beispielen aus der Farbherstellung.
01.06.2005 Geschäftsfuhrende Partnerin und
wissenschaftliche Mitarbeiterin
Umstrittene Technologien aus Sicht der wissenschaftlichen
Forschung. Spezieller Fokus auf hormonaktive Substanzen.
01.06.2005 Verantwortlicher Normen und
Ordnungen
Umstrittene Technologien in der Branche. Umgang der
Unternehmen und Stellenwert des Themas bei einzelnen
Unternehmen.
02.06.2005 ehemaliger Geschäftsführer Einsatz einer umstrittenen Technologie in der eigenen Fir¬
ma. Erfahrungen im Rückblick.
02.06.2005 Technologieexperte Einsatz einer umstrittenen Technologie in der chemischen
Industrie. Operative Probleme der alternativen Technolo¬
gien und Herausforderungen der Substitution.
06.07.2005 Geschäftsführer Umstrittene Technologien in Alt- und Neubauten. Aktuelle
Themen und Stellenwert dieses Themas bei den betroffenen
Unternehmen.
06.07.2005 Produktionsverantwortlicher Einsatz einer umstrittenen Technologie in der eigenen Un¬
ternehmung. Entscheide gegen den Technologiewechsel.
08.07.2005 Umweltschutzbeauftragter Umstieg auf blcifreie Elektronik aus Sicht eines Herstellers
von Industrie-Elektronik. Nutzen einer verlängerten Um¬
stellungsfrist.
15.08.2005 Geschäflsführer des Branchenver- Umstrittene Technologien in der Branche. Umgang der
bandes, Produktionsleiter von Unternehmen und Stellenwert des Themas bei einzelnen
Unternehmen Unternehmen.
7 Geführte Interviews XIV
Datum Funktion in der Organisation Inhalt des Gespräches
01.09.2005 Director Corporate Research &
Analytic
Umstrittene Technologien in der eigenen Unternehmung.
Beispiele und Probleme. Diskussion möglicher Forschungs¬
strategien.
29.09.2005 Geschäftsführer Umstrittene Technologien aus Sicht eines NGOs im Bereich
Ökologie.
03.10.2005 Strategischer Einkauf Umstieg auf bleifreie Elektronik aus Sicht eines Elcktronik-
Dienstleisters.
03.10.2005 Qualitäts- und Umweltmanage¬ment
Umstieg auf bleifreie Elektronik aus Sicht eines Herstellers
von Elektronik-Endprodukten.
05.10.2005 Produktmanagement Umstieg auf bleifreie Elektronik aus Sicht eines Herstellers
von Elektronikprodukten für den Haushalt.
05.10.2005 Geschäftsführer Umstrittene Technologien in der Branche. Umgang der
Unternehmen und Stellenwert des Themas bei einzelnen
Unternehmen. Spezieller Fokus auf PVC und die damit
verbundenen Technologien.
11.10.2005 Technologieverantwortlicher Umstieg auf bleifreie Elektronik aus Sicht eines Herstellers
"Assembly" von integrierten Schaltelementcn. Technologie ist ein Rand¬
problem, der logistische Aufwand ist gross.
11.10.2005 Verantwortlicher Technologie Bleifreie Elektronik aus der Sicht eines Prüf- und Qualitäts¬sicherungs-Unternehmens in der Elektronikbranche.
12.10.2005 Leiter Global Supply Umstieg auf bleifreie Elektronik aus Sicht eines Herstellers
von Elektronik-Endprodukten im Medizinalbereich. Be¬
schaffungsprobleme und Konkurrenzdruck war ausschlag¬gebend für den Phase-Out.
19.10.2005 Umwcltmanagement Umstieg auf bleifreie Elektronik aus Sicht eines globalenElektronik-Dienstleisters.
24.10.2005 Abteilungsleiter Technik Umstieg auf bleifreie Elektronik aus Sicht eines Herstellers
von Industrie-Elektronik. Unsicherheit, da nur ein Teil des
Marktes betroffen ist.
24.10.2005 Bereichsleiter Stahl Umstrittene Technologien in der Metallverarbeitung. Stel¬
lenwert des Themas bei den Unternehmen.
25.10.2005 Leiter Qualitätsmanagement Umstieg auf bleifreie Elektronik aus Sicht eines Herstellers
von Industrie-Elektronik.
27.10.2005 Leiter Marketing Umstieg auf blcifreie Elektronik aus Sicht eines Herstellers
von Elektronik-Endprodukten.
01.11.2005 Entwicklung Umstieg auf bleifreie Elektronik aus Sicht eines Herstellers
von Werkzeugmaschinen.
02.11.2005 Leiter Produktion Umstieg auf bleifreie Elektronik aus Sicht eines Herstellers
von Elektronik-Komponenten.
7 Geführte Interviews XV
Datum Funktion m der Organisation Inhalt des Gespräches
02.11.2005 Projektleiter Umstieg auf bleifreie Elektronik aus Sicht einer Umweltbe-
ratungs-Hrma. Die verursachte Verunsicherung hat den
Beratungsbedarf von kleineren und mittleren Unternehmen
erhöht.
07.11.2005 Leiter Qualitätsmanagement Umstieg auf blcifrcie Elektronik aus Sicht eines Elektronik-
Dicnstlcistcrs.
08.11.2005 Leiter Elektronikfertigung Umstieg auf blcifrcie Elektronik aus Sicht eines Herstellers
von Elektronik-Komponenten.
09.11.2005 Director Technology Umstieg auf bleifreie Elektronik aus Sicht eines Herstellers
von Elektronik-Endprodukten fur Industrieanwendungen.
10.11.2005 Laborleiter Technologische Probleme des Umstiegs auf blcifrcie Elekt¬
ronik in der Industrie. Verhalten der Unternehmen und
längerfristige Herausforderungen.
10.11.2005 Production Technology Manager Umstieg auf bleifreie Elektronik aus Sicht eines Herstellers
von Elektronik-Endprodukten für den alltäglichenGebrauch.
11.11.2005 Produktmanagement Umstieg auf bleifreie Elektronik aus Sicht eines Herstellers
von Elektronik-Endprodukten für Industrieanwendungen.
16.11.2005 Qualitätsmanagement Umstieg auf bleifreie Elektronik aus Sicht eines Herstellers
von Industrie-Elektronik. Nutzen einer verlängerten Um¬
stellungsfrist.
25.11.2005 Leiter Forschung und Entwicklung Umstieg auf bleifreie Elektronik aus Sicht eines Herstellers
von Elektronik-Komponenten für die Investitionsgüter-Industrie.
17.01.2006 Projektleiter RoHS Umstieg auf bleifreie Elektronik aus Sicht eines Elektronik-
Grosshändlers. Information entlang der Wertschöpfungsket¬te und logistische Umstellungen waren die grossen Heraus¬
forderungen.
17.01.2006 Verkaufsleiter Umstieg auf bleifreie Elektronik aus Sicht eines Herstellers
von Leiterplatten. Seit Jahren waren bleifreie Leiterplattenbereit, aber der Markt verlangte sie noch nicht.
23.01.2006 Bereichsleiter Umstieg auf bleifreie Elektronik aus Sicht eines Grosshänd¬
lers für Elektronik-Bauteile und Produktionsanlagen für
Elektronik.
23.01.2006 Anwendungstechnik Umstieg aufbleifreie Elektronik aus Sicht eines Herstellers
von Lötmaterialien.
24.01.2006 Head of Engineering & QSEH Umstieg auf bleifreie Elektronik aus Sicht eines Elektronik-
Dienstleisters.
25.01.2006 Chief Operations Officer Umstieg auf bleifreie Elektronik aus Sicht eines Elektronik-
Dienstleisters.
7 Geführte Interviews XVI
Datum Funktion in der Organisation Inhalt des Gespräches
27.01.2006 Qual itätsmanagement Umstieg auf bleifreie Elektronik aus Sicht eines Herstellers
von Elektronik-Endprodukten für die Investitionsgüter-Industrie.
27.01.2006 Geschäftsführer Umstieg aufbleifreie Elektronik aus Sicht eines Händlers
für Elektronik-Bauteile und Produktionsanlagen für Elekt¬
ronik.
30.01.2006 Bereichsleiter Produktionstechnik Umstieg auf bleifreie Elektronik aus Sicht eines Händlers
für Elektronik-Bauteile und Produktionsanlagen für Elekt¬
ronik.
30.01.2006 Fachreferentin Umstieg aufbleifreie Elektronik in der Elektronikindustrie.
Umgang der Unternehmen und Stellenwert des Themas.
31.01.2006 Technologieexperte Umstieg auf bleifreie Elektronik aus Sicht eines Herstellers
von Elektronik-Endprodukten für die Investitionsgüter-Industrie.
01.02.2006 Technischer Koordinator As¬
semblyUmstieg auf bleifreie Elektronik aus Sicht eines Herstellers
von integrierten Schaltelementen.
02.02.2006 Geschäftsführer Umstieg auf bleifreie Elektronik aus Sicht eines Herstellers
von Produktionsanlagen für die Elektronikfertigung.
07.02.2006 Geschäftsführer Umstieg aufbleifreie Elektronik aus Sicht eines Herstellers
von Produktionsanlagen für die Elektronikfertigung.
07.02.2006 Geschäftsführer Umstieg auf bleifreie Elektronik aus Sicht eines Herstellers
von Lötmaterialien.
14.03.2006 Verantwortlicher Umwelt, Sicher¬
heit, Gesundheit
Umstrittene Technologien in der Branche. Umgang der
Unternehmen und Stellenwert des Themas bei einzelnen
Unternehmen.
24.03.2006 Leiter angewandte Wissenschaft Ausstieg auf einer umstrittenen Technologie in der Nah¬
rungsmittelindustrie. Das Unternehmen hat aufgrund von
neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen den eigenen Aus¬
stieg beschlossen.
23.03.2006 Geschäftsführer Ausstieg aus einer umstrittenen Technologie in der Nah¬
rungsmittelindustrie. Das Unternehmen hat den Ausstiegaus dieser Technologie zu einem Zeitpunkt entschieden, zu
dem noch kein Druck zum Phase-Out der Technologiebestand.
28.03.2006 Leiter Entwicklung Substitution von Bestandteilen in den eigenen Produkten
aufgrund von Regulationen und öffentlichem Druck. All¬
gemeiner Umgang des Unternehmens mit umstrittenen
Technologien.
7 Geführte Interviews XVII
Datum Funktion in dey Organisation Inhalt des Gespräches
04.04.2006 Umweltmanagement Jahrzehntelanger Phase-Out des Einsatzes eines Kunststof¬
fes in den eigenen Produkten. Teilweise wird der Kunststoff
noch in grossen Mengen eingesetzt, da entweder die Akzep¬tanz in diesen Märkten hoch ist oder aber keine Alternati¬
ven existieren.
20.04.2006 Präsidentin Der Einsatz von umstrittenen Technologien aus Sicht von
Betroffenenorganisationen am Beispiel einer Nahrungsmit-
telallergie.
25.04.2006 Geschäftsführer & Direktor Pro¬
duktion und LogistikAusstieg aus einer umstrittenen Technologie in der Nah¬
rungsmittelindustrie. Der Ausstieg musste rasch erfolgen,da das Thema in der Öffentlichkeit skandalisiert wurde.
11.05.2006 Geschäftsführer Ausstieg aus einer umstrittenen Technologie in der Gasher¬
stellung.
17.05.2006 Geschäftsführer Umstrittene Technologien in der Branche. Umgang der
Unternehmen und Stellenwert des Themas bei einzelnen
Unternehmen.
24.05.2006 Verantwortliche für Labelvergabc Umstrittene Technologien in der Nahrungsmittelherstellungaus Sicht eines Konsumentenlabels für biologisch produ¬zierte Lebensmittel.
18.09.2006 Umwcltmanagement und
-VerträglichkeitUmgang mit umstrittenen Technologien am Beispiel einer
breit angewandten Technologie, für welche keine Alternati¬
ven verfügbar sind.
30.09.2006 Leiter Entwicklung Bleifreie Elektronik aus Sicht eines unbetroffenen Unter¬
nehmens in der Branche.
06.10.2006 Technical Product Manager Umstrittene Technologien in der Nahrungsmittelindustrie.
Leitfaden zur Gesprächsführung XVUI
8 Leitfaden zur Gesprächsführung
Der Leitfaden wurde mehrere Male überarbeitet und diente als Orientierung in den Gesprä¬chen mit den Unternehmensvertretern. Die Strukturierung blieb im Wesentlichen identisch.
Nachfolgend ist der letzte Stand des Leitfadens abgebildet.
Interviewleitfaden: Umstrittene Technologien
Allgemeine
Fragen
Interview und
Person
Unternehmen
allgemein
Technologiebestimmen
TechnologischeSituation
Relevante
Produkte aligemein
Negative Effekte
der Technologie
Phase-In
Prozesse
Produkttechnologie
EingekaufteKomponenten
Anwendung beim
Kunden
Issu«
Identification
Regulatoren,Public, Betroffene
Wissenschaft,Profiteure
Kunden,Endanwender
Rohstoff- &
Technologie-Lieferanten
Alternative
Technologie
Anstoss
Handling
Unternehmungund Konkurrenten
Regulatoren
Alternative
Technologie
Öffentlichkeit
Betroffene
Wissenschaft
Indirekte
Profiteure
Kunden
Funktion in Firms; Zeit in Firms und Branche
Welche Produkte; Zielmarkt (global, lokal), Endkundennähe;Konkurrenzsituation
Welche Technologie?
Aktueller; Input/ Eigenleistung / Output; Players in der
Wertschöpfungskette?; Unterschiedzu Konkurrenz
Lebensdauer der Produkte; Garantieverpflichtungen; Dauer bis zur
Neuentwicklung, Welche Produkte
Allgemeine Vorwürfe an die Technologie; Anteil des Unternehmens am
Effekt
Seit wann und wo setzen Sie die Technologie ein?
Produktionsprozess, unterstützende Prozesse
Eingekaufte Komponenten
Technologie entsteht erst bei derAnwendung durch Kunden
Ab wann befassen Sie sich mit dem Thema? Zeitliche Entwicklung?Auslöser? '•
Kunden / Lieferanten noch nicht bereit; Langzeitversuche;Ausnahmeregelungen; Kundenkontakt
Routine- oderAusnahme; Hektik; Vereinbarung mit dem
Tagesgeschäft
Welt besser geworden? Folgen für die Industrie genügendberücksichtigt?
welche Technologien? Wie vorbereiten?
Unternehmens-Scanning; Technologieliste; Rote undgelbe Liste
Umfeld-Scanning; Gespräche mit Lieferanten
Zentrales Sammeln & Auswerten von Hinweisen; Unterscheidungzwischen Issues und Strohfeuern?
Optionen offen halten
Welche Themen?
Gleiche Technologie, andere Technologie, Regulatoren, Kunden,Lieferanten
Zusenden des Protokolls -> Feedback
Zusenden des Abschlussberichtes
Bild 24: Gesprächsleitfaden (Seite 2)
0 Lebenslauf XX
Lebenslauf
Name: Biedermann, Andreas
Geburtsdatum: 26. Oktober 1978
Bürgerort: Obergösgen, SO
Nationalität: Schweizer
Ausbildung:
2004 bis 2007 Management, Technology, and Economics der ETII Zürich
Doktorat in Technologie- und InnovationsmanagementForschungsgebiet: Management von umstrittenen Technologien
2000 bis 2004 Betriebs- und Produktionswissenschaften an der ETH Zürich
Abschluss als, Dipl. Betr.- und Prod.-Ing. ETH
Vertiefung: Technologie-Management und Informationssysteme
1998 bis 2000 Maschinenbau und Verfahrenstechnik an der ETH Zürich
Grundstudium
1993 bis 1998 Kantonsschule Ölten, Matura Typus C
Berufliche Tätigkeit und praktische Erfahrung:
Seit 2007 Ammann BauAusrüstungLeiter Technologie und Innovation
2007 Georg Fischer AG
Technology Development
2006 bis 2007 B'Rcsults - The Innovation Management CompanyProj ektmitarbeiter
2004 bis 2007 ETH Departement Management, Technology, and Economics
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
2004 ETH Zentrum für Untcrnehmenswissenschaften (BWI)Professur für Technologie- und InnovationsmanagementWissenschaftlicher Mitarbeiter
1999 bis 2004 Praktika und Arbeiten bei folgenden Unternehmen:
Unaxis Displays AG: Disruptive Technologien im Bildschirm-
Markt
Schweizerhall Chemie AG: Internal Transportation SystemUBS AG: Entwicklung eines Accounting SystemsScnsirion AG: Business Process ManagementITT Flygt AB (Schweden): Produktionsplanung und Logistik