Magnetkraftmikroskopie an lateral strukturierten magnetischen Dipolgittern: Ummagnetisierungsprozesse, Ordnung und Frustration in Honigwabenstrukturen Dissertation zur Erlangung des Grades “Doktor der Naturwissenschaften” an der Fakultät für Physik und Astronomie der Ruhr-Universität Bochum vorgelegt von Alexandra Brennscheidt aus Castrop-Rauxel Bochum 2011
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Magnetkraftmikroskopie an lateral
strukturierten magnetischen Dipolgittern:
Ummagnetisierungsprozesse, Ordnung und
Frustration in Honigwabenstrukturen
Dissertation
zur Erlangung des Grades “Doktor der Naturwissenschaften” an der Fakultät für
Physik und Astronomie der Ruhr-Universität Bochum
vorgelegt von
Alexandra Brennscheidt
aus
Castrop-Rauxel
Bochum 2011
Mit Genehmigung des Dekanats vom 11.04.2011 wurden Teile dieser Arbeit vorab veröffentlicht.
Eine Zusammenstellung befindet sich am Ende der Dissertation.
1. Gutachter: Prof. Dr. Dr. hc Zabel
2. Gutachter: Prof. Dr. Westerholt
Datum der Disputation: 11.07.2011
Ergebnisse? Mein Guter, ich habe viele Ergebnisse produziert. Ich kenne tausende von Dingen,
Startet man ohne angelegte Spannung, erhöht sie langsam bis zu einem bestimmten Wert und fährt
sie dann wieder zurück auf Null, so folgt die Ausdehnung des Scanners nicht notwendigerweise
dem gleichen Weg. Ähnlich wie bei der intrinsischen Nichtlinearität ergibt sich die Hysterese auch
hier aus dem Verhältnis der maximalen Abweichung zwischen den beiden Kurven. Dieser Effekt
macht sich dann bemerkbar, wenn eine Probenstelle zweimal untersucht wird, jeweils mit unter-
schiedlichen
Scanrichtungen. In diesem Fall würde sich eine Verschiebung des Bildes bemerkbar machen. In
senkrechter Richtung macht sich die Hysterese durch verfälschte Höhenabstufungen bemerkbar.
Angenommen, zum Untersuchen einer Stufenstruktur muss an den Scanner eine bestimmte Span-
nung angelegt werden, um ein angemessenes Zusammenziehen des Scanners, entsprechend der
Höhe der Stufe, zu bewirken. Die Hysterese macht sich nun beim Verlassen der Stufe bemerkbar:
Obwohl zum Verlassen der Stufe der Scanner wieder exakt die selbe Auslenkung wie vor dem
Zusammenziehen hat, kann es sein, dass eine andere Spannung dafür angelegt werden muss und
die Bilddarstellung, soweit sie auf der Spannungsmessung beruht, verfälscht wird.
Wird die Spannung am Scanner abrupt verändert, so verändert sich das piezoelektrische Material
nicht automatisch gleichmäßig entsprechend der Spannung. Dieser Effekt wird als Creep bezeich-
net (siehe Abbildung 4.8c). Quantitativ entspricht der Creep dem Wert ∆xc∆x , also dem Verhältnis
der zweiten, langsameren Reaktion auf die Spannungsänderung zu der ersten, schnelleren. Dar-
aus resultierend kann es passieren, dass zwei Scans, die bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten
aufgenommen worden sind, leicht unterschiedliche Größenskalen zeigen. Außerdem kann es bei
plötzlichem Hereinzoomen, beispielsweise wenn man aus einem großen Scan ein kleines Detail
hochaufgelöst darstellen möchte, passieren, dass die Stelle von Interesse zunächst verfehlt wird.
Trifft die Spitze während eines Scans auf eine abrupte Stufe, so wird sich der Scanner plötzlich
zusammenziehen, als Folge einer plötzlichen Spannungsänderung. Der Scan geht zunächst mit
dieser Spannung weiter. Als Folge des Creeps wird sich der Scanner nun aber langsam weiter
zusammenziehen. Um die Spitze dann weiter in Kontakt mit der Probe zu halten, muss also eine
entgegengesetzte Spannung angelegt werden, was zu einer verfälschten Darstellung der Struktur-
kanten führt.
Eine weitere Nichtlinearität des Scanners ist durch seinen Alterungsprozess gegeben. Hierbei
kommt es darauf an, ob der Scanner regelmäßig benutzt wird, oder nicht. Wird er nicht benutzt,
so nimmt die Auslenkung bei gegebener Spannung mit der Zeit ab, bei regelmäßiger Benutzung
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4.3. Messmodi
Abb. 4.9. – Darstellung einer gleichmäßigen Stufenstruktur (graue Fläche) und die resultierende Scanlinie (ge-
punktet) unter Berücksichtigung aller Scanner-Nichtlinearitäten.
leicht mit der Zeit zu. Dies hängt mit den im piezoeltrischen Material befindlichen Dipolen zusam-
men. Wird der Scanner häufig benutzt, so werden mehr und mehr Dipole mit der Zeit durch die
angelegte Spannung ausgerichtet, folglich reagiert der Scanner bei gegebener Spannung stärker.
Andersherum werden sich die Dipole bei seltener Benutzung mehr und mehr zufällig ausrich-
ten, was zu einem langsamen Ansprechen des Scanners bei gegebener Spannung führt. Als letzte
Nichtlinearität des Scanners ist das Cross-Coupling zu nennen, das dazu führt, dass eine glatte
Oberfläche gekrümmt dargestellt wird. Dieser sehr komplexe Effekt rührt von Unregelmäßigkei-
ten im elektrischen Feld des Scanners her und sorgt dafür, dass zum Beispiel bei einer eigentlich
reinen x-y-Auslenkung auch noch eine z-Komponente dazu kommt, so dass der Scanner statt einer
Geraden einen Bogen scannt. Abbildung 4.9 zeigt exemplarisch, wie eine gleichmäßige Stufen-
struktur (grauer Bereich) unter Berücksichtung aller genannter Effekte aussehen würde [79].
4.3. Messmodi
Ein Rasterkraftmikroskop kann in verschiedenen Modi betrieben werden. Hier sollen nur die wich-
tigsten Modi in Bezug auf diese Arbeit beschrieben werden. Zunächst wird der Contact-Mode
vorgestellt, in dem die Spitze in direktem Kontakt mit der Oberfläche steht, um dann auf den
Noncontact-Mode einzugehen, bei dem der Cantilever in Schwingung versetzt wird und die Än-
derung der Resonanzfreuquenz zur Messung ausgenutzt wird. Danach wird auf den Semicontact-
Mode eingegangen, bei dem die Spitze periodisch kurz auf die Oberfläche schlägt.
4.3.1. Contact-Mode
Im Contact-Mode steht die Spitze im direkten Kontakt mit der Oberfläche. Die Kraft zwischen den
Atomen der Oberfläche und der Spitze wird dabei durch die Auslenkung des Cantilevers ausge-
glichen. Cantilever, die im Contact-Mode betrieben werden, haben überlicherweise eine geringe
Festigkeit, um bei der Messung eine hohe Sensitivität zu erhalten und um möglichen Beschädi-
gungen der Spitze oder der Probe vorzubeugen.
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Rasterkraftmikroskopie
Abb. 4.10. – Arbeitsbereiche des AFM
Betrieben werden kann der Contact-Mode bei konstanter Kraft oder konstanter Höhe. Bei kon-
stanter Kraft wird die Auslenkung des Cantilevers und damit die Kraft zwischen Spitze und Probe
durch die Höhenänderung des Cantilever-Spitzen-Systems mittels des Piezomotors konstant ge-
halten (wie in Kapitel 4.2.3 beschrieben). Bei Proben mit geringer Rauigkeit (einige Ångström)
können auch Messungen mit konstanter Höhe durchgeführt werden. Der Cantilever mit Spitze wird
in einer immer gleich bleibenden Höhe über die Probenoberfläche bewegt und in jedem Punkt das
Maß seiner Auslenkung bestimmt. Diese Auslenkung ist proportional zur Kraft zwischen Spitze
und Probe.
Während der Annäherung der Spitze an die Probe gerät die Spitze in den Bereich der anziehenden
Wechselwirkung. Das führt dazu, dass der Cantilever zur Probe hin gebogen wird. Nähert man
weiter an, so erfährt die Spitze eine abstoßende Kraft und der Cantilever wird in die entgegen-
gesetzte Richtung verbogen. Betrachtet man Abbildung 4.10, auf der anhand des Lennard-Jones
Potentials (siehe Gleichung 4.6) die möglichen Arbeitsbereiche des Rasterkraftmikroskops darge-
stellt werden, so erkennt man, dass man sich im Kontaktmodus befindet, sobald die Gesamtkraft
positiv wird. Da der Kontakt am untersten Punkt des Kontaktbereichs nicht stabil ist, sollte die
Spitze noch etwas weiter an die Oberfläche angenähert werden, auch auf die Gefahr hin, dass sich
Probe und Spitze gegenseitig beschädigen. Man hat als Experimentator zwar keinen Einfluss auf
die Scanhöhe, wohl aber, durch die Wahl eines geeigneten Setpoint (siehe Kapitel 4.2.3), auf die
Kraft, die zwischen Spitze und Probe herrschen soll. Die Gesamtkraft liegt in der Größenordnung
von 10 −8N bis 10 −6N.
Der Nachteil des Contact-Mode liegt in der direkten mechanischen Wechselwirkung zwischen
Spitze und Probe, die oft in der Zerstörung der Spitze oder in der Beschädigung der Probe en-
det. Für weiche Materialien, z.B. organische Proben, ist diese Messmethode praktisch gar nicht
geeignet [75, 83]
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4.3. Messmodi
4.3.2. Noncontact- und Semicontact-Mode
Um auch weiche und elastische Materialien untersuchen zu können, wurden mit dem Noncontact-
und dem Semicontact-Mode dynamische Messmethoden entwickelt. Außerdem sind die dyna-
mischen Messmodi die einzigen, mit denen man echte atomare Auflösung erhalten kann. Diese
Verfahren heißen deshalb dynamisch, weil sie auf einem oszillierenden Cantilever beruhen, der in
seiner Resonanzfrequenz schwingt. Durch Variation der Cantileverlänge, -breite und -dicke kön-
nen unterschiedliche Resonanzfrequenzen realisiert werden. Im Noncontact-Mode stehen Spitze
und Probe in keinerlei direktem Kontakt, im Semicontact-Mode trifft die Spitze periodisch auf der
Probenoberfläche auf. Für eine sehr detaillierte Auseinandersetzung mit verschiedenen dynami-
schen Messmodi sei auf die Arbeit von R. Garcia und R. Perez [91] verwiesen.
Noncontact-Mode
Für den Noncontact-Mode kommt das Signal, das zur Bilddarstellung benutzt wird, von der direk-
ten Messung der Resonanzfrequenz des Cantilevers. Diese Frequenz ändert sich durch die Wech-
selwirkung zwischen Spitze und Probe. Der Cantilever wird über ein spezielles Piezoelement,
auf dem er aufgebracht ist, in Schwingung versetzt. Ebenso wie im Contact-Mode kann auch im
Noncontact-Mode über den Parameter Setpoint Einfluss auf die Kraft zwischen Probe und Spitze
genommen werden. Schwingt der Cantilever, so wird sich auch das Lasersignal am Photodetek-
tor periodisch auf- und abbewegen. Es verursacht ein sinusförmiges Signal, dessen quadratischer
Mittelwert gebildet wird. Wird die Spitze nun an die Probe angenähert, so wirkt auf sie lediglich
die van der Waals Kraft, die anziehend wirkt und in der Größenordnung von 10−22N liegt. Die
Kraft und der Gradient dieser Kraft ändern sich, je nachdem, wie weit die Spitze von der Probe
entfernt ist. Durch diese Änderung wird auch die Resonanzfrequenz des Cantilevers beeinflusst.
Die Resonanzfrequenz ohne jegliche Wechselwirkung mit der Probe ist gegeben durch
ω0 =√
k/m (4.13)
mit ω0 als Resonanzfrequenz, k als Federkonstante und m als Masse des Cantilevers. Wirkt nun
eine Kraft auf den Cantilever, so beeinflusst das sein Schwingungsverhalten und dadurch auch
seine Federkonstante. Man kann die Abhängigkeit der Federkonstante von der Kraftänderung fol-
gendermaßen beschreiben:
k′ = k −∂F∂z
(4.14)
k’ stellt dabei die geänderte Federkonstante dar, F die Kraft und z den Abstand zwischen Probe
und Spitze. ∂F∂z ist somit der Kraftgradient. Gleichung 4.14 zeigt, dass mit steigendem Kraftgradi-
enten die Federkonstante kleiner wird. Da die Resonanzfrequenz mit der Federkonstante zusam-
menhängt, wird auch sie kleiner, je näher man mit der Spitze an die Probe gelangt. Das Rück-
kopplungssystem hält die Schwingungsamplitude die ganze Zeit konstant, indem es den Spitzen-
Proben Abstand neu einstellt. Dies funktioniert durch eine Feedbackschleife, bei der das Signal,
das von dem schwingenden Cantilever kommt, verstärkt und wieder als Anregungssignal verwen-
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Rasterkraftmikroskopie
det wird. Aus der Änderung der Frequenz wird dann das Signal für die Bilddarstellung gewonnen
[75, 83, 88, 91].
Semicontact-Mode
Im Semicontact-Mode wird der Cantilever mit einer Frequenz angeregt, die nah an seiner Reso-
nanzfrequenz liegt bzw. dieser entspricht. Anders als im Noncontact-Mode wird diese Frequenz
nun nicht moduliert, sondern die ganze Messung über konstant gehalten. Als Messsignal dient in
diesem Modus die Oszillationsamplitude. Neben der Oberflächenabbildung durch die Amplitu-
denmodulation können weitere Probeneigenschaften (z.B. magnetische Eigenschaften) durch die
Phasenverschiebung zwischen Anregungsfrequenz und Cantileveroszillation gemessen werden.
Unter der Annahme, dass sich der Cantilever entsprechend einer erzwungenen harmonischen
Schwingung in seiner Resonanzfrequenz bewegt, kann man für die Amplitude der Schwingung
A folgende Abhängigkeit annehmen [91]:
A(ω) =F0m
[(ω20 −ω
2)2 + (ωω0Q )2)]
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(4.15)
mit Q als Qualitätsfaktor, F0 als antreibende Kraft undω0 undω als Resonanz- bzw. Anregungs-
frequenz. Durch Annähern der Spitze an die Probe wird die Resonanzfrequenz des Cantilevers
geändert und damit nach Gleichung 4.15 auch die Amplitude der Cantileverschwingung. Die Pha-
senverschiebungφ, also der Winkel zwischen der Anregungs- und der resultierenden Schwingung,
ist gegeben durch
tan(φ) =ωω0
Q
ω20 −ω
2. (4.16)
Diese Gleichung zeigt außerdem, dass im Resonanzfall die Phasenverschiebung gerade 90 be-
trägt. Anregungsfrequenzen weit unterhalb der Resonanzfrequenz des Cantilevers produzieren
keine Phasenverschiebung, Anregungsfrequenzen weit oberhalb dagegen resultieren in Phasen-
verschiebungen von 180. Sowohl die Amplitudenänderung für die Topographiedarstellung als
auch die Verschiebung der Phase zwischen Anregungs- und resultierender Cantileverfrequenz für
z. B. magnetische Charakterisierungen stellen die Messsignale dar [91].
4.4. Spitzenartefakte
Neben den bereits weiter oben in Kapitel 4.2.3 besprochenen Bildbeeinflussungen durch nichtli-
neares Scannerverhalten oder falsche Wahl des Feedback Gain, können noch weitere Aspekte zu
einer verfälschten Bilddarstellung führen. Die allermeisten Artefakte stammen von der Spitze. Das
resultierende Bild ist dabei eine Überlagerung von der Form der Spitze und der Form des abzubil-
denden Details. Solange die Spitze sehr viel schärfer als die abzubildende Oberflächenstruktur ist,
kann das echte Profil der Struktur wiedergegeben werden. Ist allerdings die Spitze stumpf, so wird
das resultierende Bild von der Form der Spitze dominiert [79]. Ist dann auch noch der Abstand
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4.4. Spitzenartefakte
Abb. 4.11. – Diese Schemazeichnung zeigt den Fall, für den der Spitzenradius R sehr viel größer als der Radius
RS der Oberflächenstruktur ist (R RS ). Die gepunktete Linie deutet das gemessene Oberflächen-
profil an, dass sich deutlich von dem realen Oberflächenprofil unterscheidet.
Abb. 4.12. – Schemadarstellung von periodisch angeordneten Löchern der Breite w. Der Spitzenradius R liegt im
gleichen Größenbereich wie die Oberflächenstruktur. Die Spitze kann den Grund der Löcher nicht
erreichen, was zu einer Reduzierung der beobachteten Höhe der Strukturen führt. Außerdem wer-
den die Struktur nicht in ihrer realen Ausprägung abgebildet. Stattdessen erscheinen die deutlichen
Spitzen in der Struktur als Hügel im Scanprofil. Das invertierte Scanprofil ähnelt dem eigentlichen
Oberflächenprofil mehr und führt sogar zu einer korrekten Lochbreite.
zwischen zwei Oberflächenfeatures klein im Vergleich zur Spitze, wird das Bild verfälscht wie-
dergegeben (siehe Abbildung 4.11). Für den Fall, dass der Radius der Spitze ungefähr im gleichen
Größenbereich wie der Abstand der Oberflächenstrukturen liegt, wird der Fall ein wenig kom-
plexer. Natürlich wird auch hier wieder das Bild durch die Form der Spitze dominiert, allerdings
erscheinen die Strukturzwischenräume nicht als Löcher, sondern als kleine, von leichten Hügeln
umgebene Einbuchtungen. In diesem Fall ist das invertierte Bild näher an der realen Oberflächen-
struktur als das gemessene Bild (siehe Abbildung 4.12). Diese Methode der Bildinvertierung findet
in Spezialfällen sogar Anwendung, lässt sich aber nicht auf alle Fälle generalisieren [76]. Deswei-
teren gibt es noch den Effekt der sogenannten Doppelspitze, der durch eine defekte Spitze aber
auch durch wieder entfernbare Verunreinigungen am Spitzenende zustande kommt. Hierbei er-
scheinen auf dem Bild Schatten bzw. sich wiederholende Muster. Verunreinigungen können durch
kurze Scans im Contact-Mode meistens wieder beseitigt werden. Resultiert die Doppelspitze aber
aus einer Beschädigung der Spitze, so muss diese ausgewechselt werden.
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Rasterkraftmikroskopie
Abb. 4.13. – Dieses Bild zeigt die prinzipielle Wirkungsweise der Magnetic Force Microscopy. Je nach Richtung
des durch die Probe hervorgerufenen Streufeldes wird die magnetische Spitze angezogen oder ab-
gestoßen. Dabei entstehen die Kontraste nur in den Bereichen, in denen das Streufeld der Probe
senkrecht auf der Oberfläche, also parallel oder antiparallel zur Magnetisierung der Spitze steht.
4.5. Magnetic Force Microscopy
Eine wichtige Variation der Rasterkraftmikroskopie stellt die Magnetic Force Microscopy (MFM),
oder auch magnetische Kraftmikroskopie, dar. Sie dient der Untersuchung lokaler magnetischer
Eigenschaften. Hierbei wird das Verfahren der Rasterkraftmikroskopie auf magnetische Proben
angewendet. Die Spitze selbst muss dafür auch magnetisch sein und ist zu diesem Zweck z. B. mit
einer Cobalt-Chrom-Schicht überzogen [82].
Die allgemeine Beschreibung der Wechselwirkung zwischen der magnetischen Spitze und dem
lokalen magnetischen Feld der Probe ist ein komplexes Problem. Es ist beispielsweise in der Re-
gel unbekannt, wie die Domänenstruktur der Spitze beschaffen ist. Sie zeigt eine komplizierte
Domänenstruktur, die hauptsächlich durch die Formanisotropie verursacht wird [83]. Die Spitze
interagiert mit dem Streufeld der Probe und wird je nach Richtung dieses Feldes entweder an-
gezogen oder abgestoßen (siehe Abbildung 4.13). Es ist zu erwähnen, dass diese Messmethode
ausschließlich auf die senkrecht aus der Probenoberfläche austretenden Streufelder sensitiv ist.
4.5.1. Abstandskontrolle zwischen Probe und Spitze
Prinzipiell kann jedes Rasterkraftmikroskop zur Messung magnetischer Effekte benutzt werden,
wenn eine magnetische Spitze verwendet wird. Allerdings wirken noch immer auch die topogra-
phischen Effekte auf die Spitze ein, so dass eine Messmethode gefunden werden muss, mit der
beide Effekte voneinander getrennt gemessen werden können. Eine weitere Herausforderung liegt
in der Größe der magnetischen Kraft, die üblicherweise zwei bis drei Größenordnungen unter den
Kräften liegt, die während der Topographiemessung zwischen Spitze und Probe herrschen. Aus
diesem Grund ist es sehr schwierig, magnetische Signale zu erhalten, wenn die Spitze in direktem
Kontakt mit der Probe steht. Magnetische Messungen werden also üblicherweise ohne direkten
Kontakt zwischen Spitze und Probe durchgeführt, weswegen vorwiegend die dynamischen Modi
zur Messung magnetischer Effekte verwendet werden. Der Abstand muss dabei groß genug sein,
um starke nicht-magnetische Wechselwirkungen zwischen Spitze und Probe zu vermeiden und nur
die langreichweitige magnetische Wechselwirkung zu messen. Um dieses Problem zu umgehen
51
4.5. Magnetic Force Microscopy
und magnetische von topographischen Effekten unterscheiden zu können wird in vielen kommer-
ziell erhältlichen Geräten die sogenannte Lift-Off Technik zur Abstandskontrolle zwischen Probe
und Spitze verwendet. Dabei wird zunächst die Topographie der Oberfläche vermessen. Nun kön-
nen diese Daten dafür genutzt werden, den Abstand zwischen Probenoberfläche und Spitze für die
Dauer der Messung konstant zu halten, also das Oberflächenprofil in einigem Abstand über der
Probe nachzufahren. Um Drifteffekte zu minimieren geschieht dies immer zeilenweise, es wird
also zunächst ein Oberflächenlinienprofil erstellt um direkt im Anschluss dieselbe Stelle ein wei-
teres mal mit konstantem Spitze-Oberfläche-Abstand zur Messung des magnetischen Signals zu
scannen.
Eine weitere Möglichkeit, um den Proben-Spitzen Abstand zu kontrollieren, liefert die Ausnut-
zung eines konstanten Tunnelstroms zwischen Probe und Cantilever. In diesem Fall gibt die Aus-
lenkung des Cantilevers das magnetische Signal wieder. Wird ein sinusförmig variiertes Potential
an die Probe angelegt, kann die entsprechende Auslenkung des Cantilevers oder seine Resonanz-
frequenz zur Abstandskontrolle benutzt werden [76].
4.5.2. Magnetostatische Wechselwirkung
Um die Kontrastentstehung zu verstehen, muss man sich die Wechselwirkung der magnetischen
Spitze mit dem Streufeld der Probe genauer ansehen. Einen alternativen Ansatz stellt die Arbeit
von C.D. Wright und E.W. Hill [92] dar, die die Wechselwirkung der Magnetisierungsverteilung
der Probe mit dem Streufeld der Probe untersucht haben. Sie gingen dabei davon aus, dass die
Kraft, die die Probe auf die Spitze ausübt, vom Betrag her identisch sein muss zu der Kraft, die
die Spitze auf die Probe ausübt. Auf diese Weise wird die Darstellung des Einflusses der Spitze
auf den Bildgebungsprozess stark vereinfacht. Dieser Ansatz wird hier aber nicht weiter verfolgt.
Es ist davon auszugehen, dass die Spitzenmagnetisierung lokal Einfluss auf die Magnetisierungs-
struktur der Probe haben kann und umgekehrt. Wie groß diese Einflüsse sind, hängt dabei von den
Randbedingungen bei der Bildaufnahme, von der Proben- und Spitzengeometrie und natürlich
von den Materialien von Probe und Spitze ab. Eine sehr hartmagnetische Probe mag dabei einen
großen Einfluss auf die Magnetisierung der Spitze haben, während die Spitze die Probe magne-
tisch kaum verändern wird. Andersherum kann eine hartmagnetische Spitze die Magnetisierung
einer weichmagnetischen Probe während des Messvorgangs stark beeinflussen. All diese Effekte
schlagen sich in der resultierenden bildlichen Darstellung nieder, so dass es wichtig ist, sie richtig
zu beurteilen und einzuschätzen. Die Magnetisierungsverteilungen von Probe und Spitze stellen
also eine Funktion von Spitze-Probe-Position und Zeit dar. A. Hubert und R. Schäfer [62] haben
die Kontrastentstehungsprozesse abhängig von der Stärke des Einflusses von Spitzenmagnetisie-
rung und Probenstreufeld in drei Kategorien eingeteilt: a) vernachlässigbare Wechselwirkungen,
b) reversible Wechselwirkungen und c) irreversible Wechselwirkungen.
52
Rasterkraftmikroskopie
Abb. 4.14. – Vereinfachung der Spitzenmagnetisierung durch ein Eindomänen-Modell
Vernachlässigbare Wechselwirkungen
Die Magnetisierung der Spitze und das Streufeld der Probe ändern sich in diesem Fall während
einer Änderung der Spitze-Probe-Position nicht. Es konnte experimentell bereits gezeigt werden,
dass sich auch weichmagnetische Materialien durch magnetische Kraftmikroskopie reproduzier-
bar untersuchen lassen, wenn man starke Wechselwirkungen zwischen Spitze und Probe durch ge-
eignet große Spitzen-Proben-Abstände vermeidet und entsprechend magnetisch schwache Spitzen
verwendet. So ist eine gegenseitige Beeinflussung also vernachlässigbar, wenn das Koerzitivfeld
der Probe weit über dem der Spitze an der entsprechenden Probenstelle liegt. In vielen Fällen
kann die Beeinflussung aber sogar dann vernachlässigt werden, wenn das Koerzitivfeld der Spitze
höher ist, da die Wirkung der Spitze auf der Probenoberfläche stark lokalisiert ist [76]. Um eine
Veränderung der Probenmagnetisierung durch die Spitze auszuschließen, können experimentel-
le Tests durchgeführt werden. So haben Foss et al. [93] zwei MFM-Bilder aufsummiert, die an
der gleichen Probenstelle aber mit entgegengesetzt magnetisierten Spitzen aufgenommen worden
sind. Verschwindet die Summe der Bilder, so ist die Beeinflussung vernachlässigbar. Diese Metho-
de berücksichtigt natürlich nicht die Kräfte, die aufgrund von Topographieeffekten auf die Spitze
wirken, so dass sich die beiden aufsummierten Bilder nie komplett auslöschen. Alternativ kann
auch die selbe Probenstelle in zwei verschiedenen Abständen gescannt und dabei die Signalstär-
ke detektiert werden. Fällt das Streufeld der Probe exponentiell ab, so sollte dies auch mit dem
gemessenen Signal geschehen, wenn sich Probe und Spitze gegenseitig nicht beeinflussen [76].
Für die Kontrastentstehung, unter der Annahme, dass sich Spitzen- und Probenmagnetisierung ge-
genseitig nicht beeinflussen, kann auf folgende Annahmen zurückgegriffen werden:
Durch ein Modell, in dem das unbekannte Magnetisierungsvektorfeld nahe des Spitzenendes mit
allen Oberflächen- und Volumenladungen durch einen homogen magnetisierten, lang gestreckten
Ellipsoid passender Größe beschrieben wird (siehe Abbildung 4.14), kann das im Prinzip mikro-
magnetische Problem der Spitzen-Proben Wechselwirkung auf ein magnetostatisches reduziert
werden [87].
Noch einmal Bezug nehmend auf Abbildung 4.13 kann man nun erklären, wann die Spitze vom
53
4.5. Magnetic Force Microscopy
Streufeld angezogen bzw. abgestoßen wird. Tritt das Streufeld aus der Probe aus, so steht es senk-
recht auf der Probenoberfläche. In diesem Bereich hat die Spitze also eine zum Streufeld parallel
oder antiparallel stehende Magnetisierung. Im parallelen Fall wird die Spitze angezogen, im an-
tiparallelen abgestoßen. In der hinterher erhaltenen Abbildung werden diese beiden Fälle durch
schwarze bzw. weiße Bereiche unterschieden.
Der Kontrast bei der Magnetic Force Microscopy entsteht also aus einer magnetostatischen Wech-
selwirkung zwischen Spitze und Probe. Es ist nochmal zu betonen, dass in diesem betrachteten
Fall beide magnetisch starr sind, sich also gegenseitig in ihrer Magnetisierung nicht beeinflussen
[94]. Das magnetostatische Potential der Probe an einem Ort ~r ist durch Gleichung 4.17 gegeben.
ΦP(~r) =1
4π· [
∫d2~s′ ·MP(~r′)|~r −~r′|
−
∫d3~r′∇ ·MP(~r′)|~r −~r′|
] (4.17)
Hierbei ist MP(~r′) das Magnetisierungsvektorfeld der Probe und ~s′ der nach außen zeigende Nor-
malenvektor der Probenoberfläche. Der erste Term bezieht sich auf die magnetischen Oberflä-
chenladungen, die durch senkrecht zur Probenoberfläche stehende Magnetisierungskomponenten
hervorgerufen werden, der zweite beinhaltet den Beitrag von Divergenzen des Magnetisierungs-
vektorfeldes im Probeninnern. Das resultierende Streufeld der Probe ist dann gegeben durch
~Hs(~r) = −∇ΦP(~r). (4.18)
Die magnetostatische Energie der Spitze unter dem Einfluss des Streufeldes der Probe kann man
ausdrücken als
ψ(~r) = µ0(
∫d2~s′ ·Ms(~r′)ΦP(~r′) +
∫d3∇~r′ · [ΦP(~r′)Ms(~r′)]) (4.19)
mit ΦP(~r′) als Potential aus Gleichung 4.17 und Ms(~r′) als Spitzenmagnetisierung. Das Oberflä-
chenintegral beschreibt die Wechselwirkung der Oberflächenladungen der Spitze mit dem Proben-
streufeld, während das Volumenintegral den Beitrag von Divergenzen der Spitzenmagnetisierung
sowie Dipolwechselwirkungen enthält. Somit ergibt sich als resultierende Kraft
~F(~r) = −∇ψ(~r). (4.20)
Das zuvor eingeführte Modell einer ellipsoidalen Spitzendomäne führt nun dazu, dass die Spit-
zenmagnetisierung divergenzfrei ist und somit das Volumenintegral in Gleichung 4.19 auf die
Dipolwechselwirkung reduziert wird [87].
Auch weitere Vereinfachungen führen noch zu befriedigenden Resultaten. So besteht eine drasti-
sche Vereinfachung in der “Punktsonden-Approximation”, in der die Spitze als punktförmig an-
genommen wird. Dabei werden die unbekannten magnetischen Momente und der Proben-Spitzen
Abstand als freie Parameter durch Anpassen an experimentelle Daten ermittelt. Als resultierende
Kraft aus der magnetostatischen Wechselwirkung erhält man dann
~F(~r) = µ0(q + ~m · ∇) ~H (4.21)
54
Rasterkraftmikroskopie
mit q und ~m als effektive Monopol- und Dipolmomente der Sonde und ~H als das von der Probe
erzeugte Streufeld. Detektiert wird die Vertikalkomponente des Kraftvektors, die die gemessene
Auslenkung des Cantilevers verursacht. Daher erhält man als detektierte Kraftkomponente
Fd = ~n · ~F (4.22)
mit ~n als Normalenvektor des Cantileverrückens [87].
In Komponentenform lautet Gleichung 4.21
Fd(~r) = µ0
3∑j=1
n j(qH j +3∑
k=1
mk∂Hk
∂x j) (4.23)
Diese Gleichung würde im Falle eines statischen MFM-Modus als Basis für die Kontrastinter-
pretation dienen. Nun werden magnetische Messungen allerdings üblicherweise im dynamischen
Modus durchgeführt. Die in diesem Fall detektierte Größe entspricht dann
F′
d = (~n · ∇)(~n · ~F) (4.24)
mit der entsprechenden Kraft ~F aus Gleichung 4.21. Daraus ergibt sich dann folgende Komponen-
tenform:
F′
d(~r) = µ0
3∑i=1
3∑j=1
nin j[(∂q∂xi
+ q∂
∂xi)H j(~r) +
3∑k=1
(∂mk
∂xi
∂
∂x j+ mk
∂2
∂xi∂x j)Hk(~r)] (4.25)
In dieser Gleichung finden sich sogenannte “Pseudopotentiale” (φpj =
∂q∂x j
) und “Pseudoladungen”
(qpki =
∂mk∂x j
). Diese Beiträge resultieren aus der realen Spitzengeometrie. Die effektiven magne-
tischen Momente einer realen Spitze sind von der momentanen Spitzenposition während einer
Oszillationsperiode abhängig. Es wird deutlich, dass bei der dynamischen MFM-Methode nicht
einfach nur die zweite Ableitungen der Streufeldkomponenten, sondern auch Beiträge der ersten
Ableitung und Beiträge des Streufeldes selbst detektiert werden [87, 95]. Durch den Gradienten
der magnetischen Wechselwirkung wird also die Resonanzfrequenz geändert, was den Kontrast
für die dynamische MFM-Messung liefert.
Nun ist es entscheidend, ob man sich im Fern- oder im Nahfeldbereich der Probe befindet. Wo der
eine Bereich beginnt und der andere aufhört, ist dabei von der Wahl der Probe und nicht zuletzt
auch von der Spitze abhängig.
Im Fernfeldbereich (einige 100 nm Abstand zwischen Probe und Spitze) überwiegt die langreich-
weitige magnetostatische Wechselwirkung. Der Gradient der magnetischen Kraft ist hier um eini-
ges größer als der der van der Waals Kraft. In diesem Bereich ist es daher möglich, reine magne-
tische Informationen von der Probe zu erhalten und die topographischen Effekte auszuschalten.
Auch umgeht man bei diesen größeren Abständen ein mögliches Umschalten der Magnetisierung
der Probe durch das Streufeld der Spitze. Allerdings ist die geringe laterale Auflösung von Nach-
teil.
Im Gegensatz dazu steht der geringe Proben-Spitzen Abstand im Nahfeldbereich. Hier beträgt der
55
4.5. Magnetic Force Microscopy
(a) (b)
Abb. 4.15. – Diese beiden MFM-Aufnahmen einer Gitterstruktur mit Abständen von 0,84 µm verdeutlichen eine
Kontrollmöglichkeit bei MFM-Messungen: Um Auszuschließen, dass die Spitzenmagnetisierung die
Probenmagnetisierung beeinflusst, wird die Scanrichtung um 90 gedreht. Das Bild erscheint um 90
gedreht und die magnetischen Kontraste ändern sich in Bezug auf das Gitter nicht(rote Kreise)
Abstand einige 10 nm und der absolute Wert der magnetischen Kraft ist höher als der der van der
Waals Kraft. Das Entscheidende ist jedoch der Kraftgradient. Dieser liefert die Messwerte und da
in diesem nahen Bereich der Kraftgradient der van der Waals Kraft größer als der der magneti-
schen Kraft ist, erhält man zusammen mit den magnetischen Informationen auch topographische
Signale. Dies kann wünschenswert sein, da man durch das zusätzliche Abbilden von beispiels-
weise Strukturgrenzen den Magnetismus der Oberfläche bzw. der untersuchten Strukturen besser
verstehen kann [62]. Allerdings läuft man bei diesen geringen Entfernungen Gefahr, die Magne-
tisierung der Probe durch die Spitze zu verändern. Um dies zu kontrollieren empfiehlt es sich,
einen bereits durchgeführten Scan um 90 gedreht zu wiederholen, um sicherzugehen, dass sich
die magnetischen Kontraste nicht ändern. Erst dann kann man sicher sein, wirklich die Proben-
magnetisierung gemessen zu haben (siehe Abbildung 4.15a und 4.15b). Die Auflösungsgrenze für
MFM-Messungen liegt unter Idealbedingungen etwa bei 20 nm.
reversible und irreversible Wechselwirkungen
In der Realität kann weder die Magnetisierung der Probe noch die der Spitze als starr angese-
hen werden. Wird ein weichmagnetisches Material mit einer Spitze untersucht, die ein großes
magnetisches Moment besitzt, so kann man eine Verlagerung von Domänenwänden in der Probe
beobachten. Effekte wie diese müssen aber nicht irreversibel sein. So ist es zum Beispiel möglich,
dass die Wechselwirkung zwischen Spitze und Probe eine Funktion der Spitzenposition im Bezug
zur Probe ist, aber nicht von der Vorgeschichte der Spitzenposition abhängt.
In den allermeisten MFM-Experimenten ist eine irreversible Wechselwirkung nicht gewünscht.
Die Probe magnetisch zu modifizieren stellt normalerweise nicht das Ziel dar, sondern stattdessen,
56
Rasterkraftmikroskopie
ihre Magnetisierung zu untersuchen, ohne sie zu verändern. Allerdings gibt es auch Experimente,
in denen die Probe bewusst durch die Spitze modifiziert wurde. So gibt es z.B. Untersuchungen,
in denen das Streufeld der Spitze dazu benutzt wurde, um einzelne Vortices von ihrem ursprüngli-
chen Entstehungsort wegzubewegen [96]. Solche Experimente können also dazu verwendet wer-
den, um die Entstehung und das Pinning von Vortices zu untersuchen bzw. das Verhalten und die
Entstehung von Domänenwänden bei ferromagnetischen Proben. Des Weiteren können irreversi-
ble Wechselwirkungen bei Nanopartikeln auftauchen, da sich das Streufeld der Spitze bei diesen
Strukturen über die gesamte Größe des Nanopartikels ausdehnt. Dieses Umschalten der Partikel
geschieht vor allem bei dem Topographiescan im Noncontact- bzw. Semicontact-Mode. Hier ist
die Spitze sehr nah an der Struktur. Dem entgegenwirken kann man durch das Betreiben des Mi-
kroskops im Constant-Height-Mode [76].
Um das Streufeld der Spitze zu bestimmen, wurden bereits einige Experimente durchgeführt. Die
direkteste Bestimmung ist McVitie et al. [97] gelungen. Sie haben an einer Standard MFM-Spitze,
wie sie auch in dieser Arbeit benutzt wurde, die Ablenkung von hoch energetischen Elektronen,
deren Weg nah an der Spitze vorbei führte, in einem STEM (Scanning Transmission Elektron
Microscope) untersucht. Das Ergebnis der Untersuchung war eine maximale axiale magnetische
Induktion von 40 mT in 50 nm Entfernung vom Scheitelpunkt der Spitze. Ähnliche Werte wurden
von Thiaville et al. [98] gemessen, die in einer Entfernung von 100 nm Felder bis zu 100 Gauss
gemessen haben. Sie haben dabei Mikro-Hall-Sonden zur Messung der Felder genutzt. Dieser
Werte erscheinen zunächst sehr hoch, vor allem in Bezug auf weichmagnetische Proben. Jedoch
ist das Feld der Spitze stark lokalisiert und ihr Einfluss kann nicht mit dem eines gleich starken,
homogenen Magnetfeldes verglichen werden [99].
4.6. Experimenteller Aufbau
Bei dem für diese Arbeit verwendeten Gerät handelt es sich um das Solver HV der Firma NT-
MDT. Prinzipiell ist dieses Gerät in der Lage, verschiedenste Modi durchzuführen. Neben AFM-
Messungen im Contact-Mode und Noncontact-Mode, sind MFM-Messungen genauso möglich
wie, unter anderem, EFM-Messungen (Electric Force Microscopy) oder LFM-Messungen (Lateral
Force Microscopy). Es sind AFM- und MFM Messungen im Temperaturbereich von 110 K bis
420 K im Vakuum (bis zu 10−8 mbar) möglich. Außerdem lässt sich durch einen in die Kammer
eingebauten Elektromagneten inplane ein Feld von bis zu 1000 Gauss anlegen. Die Probenober-
fläche sollte nicht größer als 1 cm2 sein, damit die Probe zwischen die Polschuhe des Magneten
passt ohne vor die Hallsonde zu stoßen. Außerdem kann bei Bedarf zusätzlich ein Rotationstisch
der Firma attocube (Modell ANR-30) in die Messkammer eingebaut werden. Dieser Rotations-
tisch ermöglicht das genaue Positionieren der Probe, z. B. entlang des anlegbaren Magnetfeldes.
Eine detaillierte Auflistung aller möglichen Messmodi des Instrumentes sowie der technischen
Spezifikationen finden sich im Anhang A.
Die Messkammer kann durch eine Scroll- und eine Turbopumpe abgepumpt werden. Das Evaku-
ieren läuft dabei über ein sogenanntes Bypass-Schlauch-System. Zunächst wird die Kammer und
57
4.6. Experimenteller Aufbau
(a) Messkammer (b) Ansteuerungselektronik
Abb. 4.16. – Solver HV. Abb. 4.16a zeigt die Messkammer, Abb. 4.16b die Ansteuerungselektronik:1: Ansteuerung
des Elektromagneten, 2: Thermokontrolle, 3: XY-Stage Controller, zuständig für den motorisierten
Probentisch, 4x4 mm verfahrbar, 4: Controller für Druckanzeige, Turbopumpe und Stromleiste oben,
5: Stromleiste unten, 6: SPM-Controller, 7: Controller für den Acitve-Table (Schwingunsdämpfung).
das Schlauchsystem, das beide Pumpen und die Kammer verbindet, durch die Scrollpumpe vor-
gepumpt. Hier ist ein Druck von etwa 10−2 mbar erreichbar. Ist das Vorpumpen beendet, so wird
die Scrollpumpe durch das Schließen eines Ventils von der Kammer getrennt, pumpt aber das
Schlauchsystem weiter ab, und das Ventil zur Turbopumpe wird geöffnet. Die Turbopumpe pumpt
nun die Kammer weiter ab, bis ein Druck von etwa 10−7 mbar erreicht ist. Um den Druck bis auf
10−8 mbar zu reduzieren, muss zusätzlich zum Abpumpen eine sogennante Cold Trap verwen-
det werden. Dabei handelt es sich um einen an die hohle Messkammerwand angebrachten Dewar,
der mit flüssigem Stickstoff befüllt werden kann. Der flüssige Stickstoff kühlt auf diese Weise die
Wände der Messkammer aus, wodurch in der Kammer befindliche Moleküle an der Innenwand
“festgesetzt” werden. Etwa eine halbe Stunde nach Befüllen sollte der Druck in der Kammer auf
einige 10−8 mbar gefallen sein. Die Cold Trap muss ca. alle 10 Stunden neu befüllt werden.
Die Probe wird auf einem thermisch sehr gut leitfähigen Kupferzylinder befestigt und dann in die
Kammer eingeschraubt. Über diesen Kupferzylinder wird die Probe im Falle einer temperaturab-
hängigen Messung gekühlt bzw. geheizt. In der Kammer befinden sich neben dem Probenhalter
zusätzlich die Polschuhe des Elektromagneten mit der daran befestigten Hallsonde, ein Spiegel zur
Justage des optischen Mikroskops, vorgefertige Mulden als Standpunkte für den Scanhead sowie
diverse Anschlüsse (siehe Abbildung 4.18a). Die Scheibe, auf der der Scanhead steht, kann moto-
risiert um einen Bereich von 4 x 4 mm verfahren werden, um so definierte Probenbereiche anvi-
sieren zu können. Direkt über der motorisierten Scheibe liegt das sogenannte Cryopanel, das über
einen außen an der Kammer angebrachten Dewar auf Stickstofftemperatur heruntergekühlt werden
kann und so im Falle von Tieftemperaturmessungen immer unterhalb der Probentemperatur liegen
sollte. Damit können Kristallisationsprozesse auf der Probenoberfläche verhindert werden, die die
58
Rasterkraftmikroskopie
(a) (b) (c)
Abb. 4.17. – Abb. 4.17a: Ventil zwischen Messkammer und Turbopumpe, Abb. 4.17b: Ventil zwischen Messkam-
mer und Bypass-System, Abb. 4.17c: Ventil zwischen Turbopumpe und Bypass-System
(a) (b)
Abb. 4.18. – Einblick in die Messkammer.
Qualität der Messung erheblich vermindern würden.
Am herausnehmbaren Scanhead (siehe Abbildung 4.19a), mit dem prinzipiell auch “auf-dem-
Tisch”-Messungen durchführbar sind, ist der Cantilever mit der Spitze befestigt. Zum Spitzen-
wechsel wird der in Abbildung 4.19b gekennzeichnete Hebel bewegt um die goldene Klammer,
die den Cantilver festhält, zu lösen bzw. zu schließen. Direkt am Scanhead wird auch die Laser-
justage, sowie die Justage der Photodiode durchgeführt. Durch das Drehen der entsprechenden
Schrauben ändert man nicht die Ausrichtung des Lasers selber, sondern die Lage von mehreren
Spiegeln innerhalb des Scanheads, an denen der Laserstrahl reflektiert und so zum Cantilever ge-
lenkt wird.
Bei Tieftemperaturmessungen wird die Probe mit kaltem Stickstoffgas gekühlt, das über ein Rohr-
system in die Kammer und unter den thermisch leitfähigen Probenhalter geleitet wird. Um das
Stickstoffgas in die Kammer zu bekommen, wird ein mit flüssigem Stickstoff gefüllter Dewar
durch einen elektrisch beheizbaren Heber mit der Kammer verbunden. Durch Beheizen des He-
bers wird Druck in dem Stickstoffdewar aufgebaut, was dazu führt, dass sich das Stickstoffgas
durch das Rohrsystem bewegt und den Probenhalter und damit auch die Probe kühlt.
59
4.6. Experimenteller Aufbau
(a) (b)
Abb. 4.19. – Abb. 4.19a: Herausnehmbarer Scanhead, Abb. 4.19b: An der Unterseite des Scanheads befindet
sich der Cantilever mit der Spitze.
Abb. 4.20. – Diese Folge von Bildern zeigt den Temperaturverlauf während der Stabilisierung auf -140 C.
Temperaturstabilität wird durch Gegenheizen der Probe erreicht. Es ist möglich, die Temperatur
bis auf 0,5 K genau stabil zu halten (siehe Abb. 4.20).
Alle in dieser Arbeit angefertigten AFM-Messungen wurden im Semicontact-Mode durchgeführt
und das magnetische Signal für die MFM-Messungen durch die Phasendifferenz zwischen Anre-
gungsfrequenz und Cantileverschwingung bei konstant bleibendem Proben-Spitzen-Abstand (zwi-
schen 80 - 250 nm) bestimmt, wie eingehend in Kapitel 4.5 beschrieben wurde. Bei dem hier ver-
wendeten MFM-Modus wird jede Zeile der Probenoberfläche zweimal gescannt. Zunächst wird
die Topographie aufgenommen und im zweiten Schritt dann der Kraftgradient der magnetostati-
schen Wechselwirkung. Für diese Arbeit wurden herkömmliche Cantilever der Firmen “Veeco”
und “NanoWorld” verwendet. In ihren Spezifikationen unterscheiden sich diese Cantilver nicht.
Die Länge beträgt zwischen 200 µm und 250 µm, die Breite zwischen 23 µm und 33 µm und die
Dicke zwischen 2,5 µm und 3,5 µm. Ihre Resonanzfrequenz bewegt sich laut Herstellerangaben
zwischen 60 kHz und 100 kHz. Die Federkonstante liegt zwischen 1 Nm und 5 N
m [82]. Die für die
MFM-Messungen benutzten Spitzen haben eine Höhe von 10 µm bis 15 µm und einen Radius
von etwa 25 nm. Sie bestehen aus mit Antimon dotiertem Silizium. Zusätzlich sind sie mit einer
Cobalt-Chrom Schicht beschichtet, damit MFM-Messungen möglich sind [82].
60
5. Rasterelektronenmikroskopie
Wie das Rasterkraftmikroskop gehört das Rasterelektronenmikroskop (REM, engl. Scanning
Electron Microscope, SEM) zur Familie der Rastersondenmikroskope. Als Sonde dient hierbei
ein fein fokussierter Elektronenstrahl, der zeilenweise über die Probe geführt wird. Die Bilderzeu-
gung erfolgt über die Detektion der Strahl-Probe Wechselwirkungsprodukte, im Wesentlichen Se-
kundärelektronen, Rückstreuelektronen und charakteristische Röntgenstrahlung. Das REM wurde
1932 von M. Knoll und E. Ruska [100] in Berlin entwickelt. Kommerziell auf den Markt gebracht
wurde es 1964. Es hat sich schnell als ein extrem nützliches wissenschaftliches Gerät erwiesen,
das von der Nanotechnologie über die Halbleiterphysik bis hin zur Biologie seine Anwendung
findet [65].
Das Rasterelektronenmikroskop ist dem Lichtmikroskop in mehrfacher Hinsicht überlegen. Wäh-
rend das Auflösungsvermögen eines optischen Mikroskops durch die Wellenlänge des Lichts be-
grenzt ist (die maximale Auflösung liegt unter idealen Bedingungen bei etwa 0,3 µm), sind bei
einem Rasterelektronenmikroskop Auflösungen von wenigen Nanometern möglich. Durch die
geringe Informationstiefe der Sekundärelektronen (etwa 2 nm), die das hauptsächlich benutzte
Wechselwirkungsprodukt der Rasterelektronenmikroskopie darstellen, ist die Oberflächensensiti-
vität deutlich höher als bei einem Lichtmikroskop, bei dem die Lichteindringtiefe bei metallischen
Proben je nach Wellenlänge des verwendeten Lichts 50 bis 100 nm beträgt [101]. Zusätzlich ist
bedingt durch den kleinen Strahlquerschnitt und die hohe Kollimation die Tiefenschärfe deutlich
höher.
Weiterführende Informationen finden sich unter anderem in den Referenzen [102] und [103], so-
wie in [104]. Diese Quellen wurden auch zur Erstellung dieses Kapitels zu Rate gezogen. Dieses
Kapitel dient lediglich als kurzer Überblick über die Funktionsweise des REM und ist nicht als
komplette Beschreibung zu verstehen.
5.1. Funktionsweise
Das Rasterelektronenmikroskop besteht im Wesentlichen aus vier Komponenten: dem Strahler-
zeuger, dem Linsensystem, den Detektoren und dem Bildgebungssystem. Abbildung 5.1 zeigt den
schematischen Aufbau und Strahlenverlauf eines REM. Die Elektronenkanone emittiert die Elek-
tronen, die den Strahl bilden. Er wird durch mehrere Kondensorlinsen mehrstufig verkleinert und
durch die Objektivlinse auf die Probe fokussiert. Eine Ablenkeinheit führt den Elektronenstrahl
zeilenweise über die Probe. Die Wechselwirkungsprodukte von Elektronenstrahl und Probe wer-
den im Detektor detektiert und in elektrische Signale weiter verarbeitet, die zum Computer geleitet
5.1. Funktionsweise
und in ein Bild der abgerasterten Oberfläche umgewandelt werden.
5.1.1. Strahlerzeugung
Es existieren zwei gebräuchliche Möglichkeiten, den Elektronenstrahl zu erzeugen. Zunächst gibt
es den so genannten thermischen Emitter. In dieser Anordnung wird ein Wolframdraht durch
einen Stromfluss erhitzt, so dass Glühemission stattfindet. Der Wolframdraht, der hier die Kathode
bildet, emittiert also Elektronen, die aufgrund eines Wehneltzylinders, der die Kathode umgibt und
ebenfalls auf negativem Potential liegt, in einer Elektronenwolke gesammelt werden. Die emittier-
ten Elektronen werden zur Anode hin beschleunigt, die in Bezug zum Wolframdraht auf positivem
Potential liegt. Der Wehneltzylinder hält dabei den Emissionsstrom stabil. Da er konstant auf ei-
nem negativen Potential gehalten wird, wirkt er auf die emittierten Elektronen abstoßend und seine
Potentialverteilung sorgt für eine Bündelung der Elektronen im Crossover genau vor der Anode.
Der Wolframdraht als Elektronenquelle ist deshalb von Vorteil, weil er kostengünstig ersetzt wer-
den kann und kein Ultrahochvakuum benötigt. Nach einer Nutzungsdauer von 50 bis 150 Stunden
brennt der Faden durch, da im Betrieb das Wolfram langsam aus dem Faden ausdampft und der
Draht dadurch immer dünner wird. Zum Einsetzen eines neuen Drahtes ist es dann nötig, die ge-
samte Elektronenkanone auszubauen und den neuen Draht sorgfältig zu justieren.
Die zweite Möglichkeit zur Elektronenstrahlerzeugung bildet der Feldemitter (siehe Abbildung
5.1). Die Funktionsweise dieser Kathode beruht auf dem Prinzip der Feldemission. Hierbei wer-
den die Elektronen im Ultrahochvakuum durch ein elektrisches Feld aus einem angespitzten Wolf-
ramkristall “herausgezogen”. Hier wird der Tunneleffekt ausgenutzt, bei dem aus der sehr feinen
Spitze des Wolframkristalls Elektronen zur ersten Anode durchtunneln. Zum Aufbau des Emis-
sionsfeldes wird die erste Anode verwendet. Diese Spannung kann bis zu 2000 V betragen und
kontrolliert die Stärke der Elektronenemission. Die eigentliche Beschleunigungsspannung ist die
Spannung, die zwischen der Wolframspitze und der zweiten Anode anliegt. Ein großer Vorteil,
den der Feldemitter gegenüber den Glühkathoden hat, ist die Tatsache, dass die Elektronen aus
einem viel kleineren Gebiet emittiert werden und somit zwischen Elektronenkanone und Anode
ein Crossover mit viel kleinerem Durchmesser erzeugt wird. Das, und die größere Helligkeit, die
mit einem Feldemitter erreicht werden kann, führt zu einem höheren Auflösungsvermögen. Außer-
dem besitzt ein Feldemitter eine sehr lange Lebensdauer. Allerdings ist der technische Aufwand,
der betrieben werden muss, um eine Feldemissionskathode zu verwenden, nicht vernachlässigbar.
Zum einen kann sie nicht nachträglich in ein Mikroskop eingebaut werden und zum anderen muss
sie im Ultrahochvakuum betrieben werden, was den Wechsel sehr aufwendig gestaltet.
Bei dem hier verwendeten REM handelt es sich um ein Gerät der Firma FEI vom Typ Quanta200 FEG. Es enthält einen Feldemitter und kann die Beschleunigungsspannung zwischen 5 und
30 kV variieren. Es erreicht eine Auflösung von 2 nm. Das Quanta 200 FEG realisiert zudem im
so genannten Low-Vacuum-Mode das Arbeiten in einem Druckbereich von bis zu 20 mbar. Dies
ermöglicht die Untersuchung isolierender Proben, da das im Primärelektronenstrahl ionisierte Gas
die entstehende Oberflächenladungen neutralisiert. Außerdem ist es prinzipiell möglich, tempe-
62
Rasterelektronenmikroskopie
Abb. 5.1. – Schematischer Aufbau eines REM
63
5.1. Funktionsweise
raturabhängige Messungen durchzuführen. Ein Lithographiezusatz der Firma RAITH erlaubt es,
das REM auch zur Elektronenstrahllithographie zu nutzen. Auf diesen Aspekt wird in Kapitel 6.2
ausführlicher eingegangen.
5.1.2. Linsensystem und Linsenfehler
Nach der Erzeugung des Elektronenstrahls in der Elektronenkanone und dem Beschleunigen der
Elektronen durch die Anode treten die meisten der Elektronen durch die Anodenöffnung hin-
durch. Sie gelangen ins Linsensystem, in dem der Strahl mehrstufig verkleinert wird, bevor er auf
die Probe trifft. Diese Verkleinerung wird durch magnetische Linsen hervorgerufen, die durch die
von ihnen ausgehenden magnetischen Feldern die Elektronen des Elektronenstrahls beeinflussen.
Solch eine magnetische Linse besteht aus einer stromdurchflossenen Spule, die von einem Ei-
senjoch umgeben ist. Durch dieses Eisenjoch wird der magnetische Fluss in einem ringförmigen
Spalt konzentriert. Der Elektronenstrahl verläuft nun durch die Spule, entlang ihrer Längsachse
und durch Variieren des Stromflusses kann die Brennweite der Linse verändert werden. Höhere
Ströme führen dabei zu einer kürzeren Brennweite.
Nach der anfänglichen Fokussierung des Elektronenstrahls wird er durch zusätzliche Objektivlin-
sen auf die Probenoberfläche fokussiert und durch spezielle Spulen abgelenkt, was so die Raste-
rung ermöglicht.
Wie auch bei optischen Linsen treten bei magnetischen Linsen Abbildungsfehler auf. Diese wer-
den im Folgenden aufgezählt und ihr Einfluss auf die Bilddarstellung abgeschätzt.
Sphärische Aberration Strahlen, die einen großen Abstand zur optischen Achse aufweisen,
werden stärker abgelenkt als die achsennahen Strahlen und haben damit eine kürzere Brennweite.
Dieser Fehler ist vernachlässigbar klein, da die Strahldivergenz des Elektronenstrahls sehr gering
ist.
Chromatische Aberration Ähnlich wie beim Lichtmikroskop, bei dem verschiedenfarbiges
Licht, also Licht unterschiedlicher Wellenlänge, unterschiedlich stark abgelenkt wird, tritt dieser
Effekt auch beim REM für Elektronen verschiedener Energien auf. Allerdings ist die Energieab-
weichung 4EE sehr gering, so dass die chromatische Aberration, wie auch zuvor schon die sphäri-
sche Aberration, vernachlässigt werden kann.
Beugungsfehler Aufgrund der Tatsache, dass die De-Broglie Wellenlänge der Elektronen λ =hp , mit h als dem Planck’schem Wirkungsquantum und p dem Impuls, klein gegenüber der Strahl-
größe ist (sie liegt bei einer kinetischen Energie der Elektronen von 30 keV im Bereich von 7
pm, während der Strahldurchmesser im Nanometerbereich liegt), können auch die Beugungsfeh-
ler vernachlässigt werden.
Astigmatismus Die Ursache für Astigmatismus liegt in nicht-rotationssymmetrischen Linsen.
Durch Inhomogenitäten im magnetischen Feld, mechanische Ungenauigkeiten in der Linsenboh-
64
Rasterelektronenmikroskopie
(a) Defokussiert (b) Fokussiert (c) Defokussiert
(d) Defokussiert (e) Fokussiert (f) Defokussiert
Abb. 5.2. – Die oberen drei Bilder zeigen den Verlauf einer Astigmatismuskorrektur. Bild b) zeigt das fokussierte
Bild. Links und rechts daneben, in Bild a) und c), sind die defokussierten Bilder zu erkennen, einmal
überfokussiert und einmal unterfokussiert. Man erkennt deutlich, dass die Strukturen des Schachbrett-
musters in Bild a) und c) in unterschiedliche Richtungen verzerrt werden. Im Gegensatz zu Abbildung
5.2a bis Abbildung 5.2c sieht man auf den unteren drei Bildern deutlich, dass nach der Astigmatis-
muskorrektur die Bilder bei Defokussierung lediglich unscharf, aber nicht verzerrt werden. Außerdem
erscheint das fokussierte Bild schärfer als in Abbildung 5.2b.
rung oder Aufladungseffekte in der Linsenbohrung kann es passieren, dass zwei senkrecht aufein-
ander stehende ebene Elektronenbündel verschiedene Brennweiten besitzen. Dieser Fehler kann
durch einen so genannten Stigmator korrigiert werden. Dieser Stigmator erzeugt ein elektrostati-
sches Quadrupolfeld, das den verzerrten Elektronenstrahl wieder zurück in seinen runden Quer-
schnitt zwingt. Diese Korrektur muss vor jeder Verwendung des REM durchgeführt werden. Die
Abbildungen 5.2a bis 5.2f zeigen bildlich den Verlauf einer solchen Korrektur.
5.1.3. Dektektor
Als Detektor wird ein Everhart-Thornley-Detektor verwendet. Es handelt sich dabei um ein rausch-
armes Detektorsystem bestehend aus der Kombination eines Szintillators mit einem Photomulti-
plier. Mit ihm ist der Nachweis von Sekundär- und Rückstreuelektronen möglich. Der vordere
Teil des Detektors, der Szintillatorkopf, ist von einem Kollektor mit einem Gitter umgeben. Die
Spannung, die man an dieses Gitter anlegen kann, ist variabel. Befindet sich das Gitter auf posi-
tivem Potential, so werden die Sekundärelektronen davon angezogen und sammeln sich an. Wird
65
5.2. Wechselwirkung zwischen Elektronenstrahl und Probe
an das Gitter ein im Vergleich zur Rückstreuelektronenenergie gering negatives Potential ange-
legt, so können keine Sekundärelektronen das Gitter passieren und nur die höherenergetischen
Rückstreuelektronen gelangen dann zum Szintillator. Die Szintillatoroberfläche selbst fungiert als
Kollektor. Sie ist metallbeschichtet und liegt auf positivem Potential, so dass die Elektronen von
ihr angezogen werden und in den Szintillator gelangen. Dort erzeugen sie Elektron-Loch-Paare,
indem Elektronen aus dem Valenzband in das Leitungsband angehoben werden. Bei der Rekombi-
nation der Paare in Luminiszenszentren werden dann Photonen emittiert. Allerdings rekombiniert
ein großer Teil der Paare strahlungslos. Nur etwa 1-3 Prozent werden in Photonen umgesetzt. Ein
Teil dieser Lichtquanten werden durch Totalreflexion entlang des Lichtleiters in Richtung des Pho-
tomultipliers gelenkt und gelangen dort zu seiner Photokathode. An dieser Photokathode werden
durch die Photonen Photoelektronen ausgelöst. Es ist anzumerken, dass pro auf den Szintillator
treffendes Elektron nur etwa 1-10 Photoelektronen im Photomultiplier erzeugt werden. Die Pho-
toelektronen werden auf die erste Dynode beschleunigt, an der sie Sekundärelektronen auslösen.
Diese gelangen auf weitere Dynoden und werden so kaskadenartig verstärkt. Gelangt der Elektro-
nenpuls dann an den Ausgangswiderstand, so entsteht dort ein Spannungspuls, der elektronisch
weiter verstärkt und zur Bilderzeugung verwendet wird.
5.1.4. Bilderzeugung
Durch eine Rastereinheit, bestehend aus einem Doppelablenksystem pro Richtung, das dafür sorgt,
dass der Strahl immer durch das Zentrum der Aperturblende verläuft, wird der Elektronenstrahl
zeilenweise über die Probe geführt. Die dadurch ausgelösten Sekundär- und Rückstreuelektronen
werden erfasst und zur Bilderzeugung benutzt, indem sie, wie bereits oben erwähnt, von einem
Detektor gesammelt und vervielfacht werden. Der Spannungspuls, der dadurch entsteht, dient der
Bilderzeugung. Das REM-Bild wird auf einem Computermonitor dargestellt und ist mit der Ras-
terung des Primärelektronenstrahls über die Probe synchronisiert.
5.2. Wechselwirkung zwischen Elektronenstrahl und Probe
Trifft der Elektronenstrahl beim Abrastern der Probe auf ihre Oberfläche, so entstehen unterschied-
liche Wechselwirkungsprodukte. Diese werden zur Bilderzeugung oder zur Sammlung von weite-
ren Informationen über die Probe genutzt.
Die Primärelektronen des Elektronenstrahls dringen ein Stück weit in die Probe ein und führen
inelastische sowie elastische Streuprozesse durch. Dabei ist das Ausmaß der Streuung nicht scharf
begrenzt (siehe Abbildung 5.3a). Allerdings wird zur Veranschaulichung als Wechselwirkungsvo-
lumen der Bereich betrachtet, in dem die Wechselwirkung am wahrscheinlichsten auftritt. Dieses
Wechselwirkungsvolumen ist dann scharf begrenzt und birnenförmig, so dass der Bereich der
Wechselwirkung auch “Streubirne” genannt wird (siehe Abbildung 5.3b).
Die Tiefe und Breite dieser Streubirne hängen direkt mit der Beschleunigungsspannung und dem
umgekehrten Verhältnis zur mittleren Ordnungszahl der Probenatome zusammen. Bei höherer Be-
66
Rasterelektronenmikroskopie
(a) Realer Wechselwirkungsbereich (b) Veranschaulichung durch Streubirne
Abb. 5.3. – Diese beiden Bilder zeigen den Wechselwirkungsbereich der eindringenden Elektronen mit der Probe.
Bild 5.3a zeigt dabei den realen Wechselwirkungsbereich, während Bild 5.3b die Veranschaulichung
durch eine scharf begrenzte Streubirne darstellt [105].
schleunigungsspannung dringen die Primärelektronen tiefer in die Probe ein, da sie durch die
höhere Spannung auch eine höhere Energie besitzen (siehe Abbildung 5.4). Im Allgemeinen wird
mit höherer Ordnungszahl der Probenatome eine Wechselwirkung wahrscheinlicher, da die An-
zahl der möglichen Streuquellen zunimmt. Daher nimmt die Eindringtiefe der Primärelektronen
mit höherer Ordnungszahl ab. Als Wechselwirkungsprodukte entstehen prinzipiell Sekundärelek-
tronen, Rückstreuelektronen und charakteristische Röntgenstrahlung. Diese Wechselwirkungspro-
dukte werden im Folgenden näher vorgestellt.
5.2.1. Sekundärelektronen
Das Standardbild bei der Rasterelektronenmikroskopie wird auf der Basis von Sekundärelektronen
erstellt. Sie entstehen durch inelastische Wechselwirkung der Primärelektronen des Elektronen-
strahls mit den schwach gebundenen Leitungsbandelektronen in den Probenatomen. Die Primär-
elektronen ionisieren also die Atome des Probenmaterials. Die Energien der Sekundärelektronen
liegen zwischen 2 eV und 5 eV. Sie werden aufgrund dieser geringen Energien leicht vom Kollek-
tor des Dektektors angezogen. Auch Sekundärelektronen, deren Bewegungsrichtung ursprünglich
vom Detektor wegzeigte, werden vom Detektor angezogen, so dass ein hoher Anteil der emittierten
Sekundärelektronen nachgewiesen werden kann. Allerdings verlassen nicht alle erzeugten Sekun-
därelektronen die Probe. Ihre geringe Energie, und somit auch geringe Reichweite, sorgt dafür,
dass ein Großteil von der Probe absorbiert wird und nur die oberflächennahen Sekundärelektronen
die Probe verlassen können. So stammen die detektierten Sekundärelektronen aus einer dünnen
Oberflächenschicht der Dicke 0,2 - 2 nm (siehe Abbildung 5.5).
Aufgrund der Tatsache, dass die Sekundärelektronen nur aus einem kleinen Volumen des gesam-
ten Wechselwirkungsbereichs von Strahl und Probe stammen, liefern sie ein Bild mit höchster
Auflösung. Neben den Sekundärelektronen, die durch direkte Wechselwirkung der Primärelektro-
nen mit der Probe entstehen, werden vom Detektor weitere Sekundärelektronen eingefangen, die
67
5.2. Wechselwirkung zwischen Elektronenstrahl und Probe
Abb. 5.4. – Die Abbildung zeigt den Zusammenhang zwischen der Größe des Wechselwirkungsvolumen mit der
Beschleunigungsspannung und der Ordnungszahl des Probenmaterials.
Abb. 5.5. – Nicht alle Sekundärelektronen schaffen es, die Probe zu verlassen. Lediglich die oberflächennahen
Sekundärelektronen (rot schraffierter Bereich) können emittiert werden.
68
Rasterelektronenmikroskopie
keine Information über die Probe enthalten und nur zum Hintergrundrauschen beitragen.
Die Sekundärelektronen werden in vier Gruppen aufgeteilt. Die Sekundärelektronen vom Typ
I sind dabei die Elektronen, die direkt aus dem Wechselwirkungsbereich von Strahl und Probe
stammen. Bei den Sekundärelektronen vom Typ II handelt es sich um die Elektronen, die von den
Rückstreuelektronen beim Verlassen der Probe erzeugt werden. Diese Sekundärelektronen sind
ebenfalls niederenergetisch, haben aber, da sie von den Rückstreuelektronen erzeugt werden, eine
geringere Auflösung, die etwa der der Rückstreuelektronen entspricht. Einige der Rückstreuelek-
tronen verlassen die Probe, wechselwirken dann mit den Kammerwänden und erzeugen dort Se-
kundärelektronen vom Typ III. Einige Primärelektronen im Strahl erzeugen darüber hinaus Sekun-
därelektronen, noch bevor sie mit der Probe wechselwirken. Sie passieren die letzte Aperturblende
und schlagen dabei Sekundärelektronen vom Typ IV heraus, die natürlich keinerlei Informationen
über die Probe liefern und zum allgemeinen Hintergrundrauschen beitragen.
Durch das Zusammenwirken dieser vier verschiedenen Sekundärelektronenarten wird das Auf-
lösungsvermögen begrenzt, da der Detektor nicht zwischen ihnen unterscheiden kann. So stellt
das Sekundärelektronenbild, dass vom Detektor erzeugt wird, eine Mischung von Elektronen ver-
schiedenen Ursprungs dar.
Die Ausbeute der Sekundärelektronen, also die Anzahl an ausgelösten Sekundärelektronen pro
einfallendem Primärelektron, steigt mit steigender Ordnungszahl des Probenmaterials und mit zu-
nehmendem Einfallswinkel der Primärelektronen gegenüber der Flächennormalen an. Letzteres
erklärt sich durch den vergrößerten Wechselwirkungsbereich bei schrägem Einfall.
5.2.2. Rückstreuelektronen
Unter Rückstreuelektronen versteht man die Elektronen aus dem Elektronenstrahl, die elastisch
von der Probe zurückgestreut werden. Sie besitzen ein breites Energiespektrum von 50 eV bis-
hin zur Energie der Primärelektronen. Dieses breite Spektrum kommt dadurch zustande, dass die
Primärelektronen beim Eindringen in die Probenoberfläche unterschiedlich viel Energie verlieren,
da sie unterschiedlich oft gestreut werden. Ihre Austrittsfläche aus der Probe ist groß und befindet
sich im µm-Bereich. Damit ist die Auflösung viel niedriger als die der Sekundärelektronen
Die Ausbeute der Rückstreuelektronen steigt stark mit der Ordnungszahl der Probenatome an, da
eine höhere Ordnungszahl eine höhere Ladungsträgeranzahl in der Probe bedeutet und somit die
Streuung wahrscheinlicher wird.
5.2.3. Charakteristische Röntgenstrahlung
Wird ein Elektron aus einer inneren Atomschale von einem Primärelektron herausgeschlagen und
nimmt ein weiter außen gelegenes Elektron den Platz des ersten Elektrons ein, so wird Ener-
gie in Form von Röntgenstrahlung frei. Die Energien dieser Strahlung sind elementspezifisch
und erlauben daher einen Rückschluss auf die Elementzusammensetzung der untersuchten Stel-
le. Außerdem erlaubt die Intensitätsverteilung der gemessenen Energien eine Quantisierung der
vorhandenen Elemente. Diese Analyse wird “energiedispersive Röntgenanalytik” (engl.: energy
69
5.2. Wechselwirkung zwischen Elektronenstrahl und Probe
dispersive X-ray analysis) genannt und EDX abgekürzt. Diese Methode zur Elementbestimmung
wird bei der Probenpräparation genutzt, um den Ätzerfolg zu kontrollieren (siehe Kapitel 6.3).
Der energiedispersive Röntgen-Detektor besteht im Wesentlichen aus einem Siliziumkristall, der
mit Lithium dotiert ist. Es handelt sich also um einen Halbleiter, in dem durch die auftreffenden
Röntgenquanten Elektron-Loch-Paare erzeugt werden. Durch eine angelegte Spannung wird ein
Elektron-Loch-Verarmungsbereich erzwungen, der die erzeugten Elektronen und Löcher anzieht.
Aus den einfallenden Röntgenquanten resultiert Ladung, die in Form eines kurzen Impulses zur
angelegten Spannung hinzuaddiert wird. Die Amplitude der Spannungsimpulse ist dabei propor-
tional zur Energie der einfallenden Strahlung. Der Halbleiterdetektor bedarf ständiger Kühlung
durch flüssigen Stickstoff um eine Neuverteilung des Lithiums zu verhindern und das elektroni-
sche Rauschen vom Kristall zu reduzieren.
Als Konkurrenzprozess zur charakteristischen Röntgenstrahlung sind die Auger-Elektronen zu
verstehen. Sie entstehen, wie auch die charakteristische Röntgenstrahlung, aufgrund von Ionisati-
on und Anregung einer inneren Schale. Die frei werdende Energie beim Übergang eines Elektrons
von einer äußeren auf eine innere Schale muss nun nicht in Form von Röntgenstrahlung emit-
tiert werden, sondern kann auch auf ein anderes Hüllenelektron übertragen werden. Durch diese
Energie angeregt, verlässt das Elektron das Atom mit einer elementspezifischen Energie und kann
damit auch zur Elementanalyse verwendet werden.
Weitere Wechselwirkungsprodukte
Neben den bereits beschriebenen Wechselwirkungsprodukten existieren noch weitere, die aller-
dings in Bezug auf die Bilderzeugung oder Elementanalyse eine untergeordnete Rolle spielen.
Daher werden sie hier nur kurz der Vollständigkeit halber erwähnt.
Nahezu elastisch gestreute Rückstreuelektronen werden auch Low-Loss-Elektronen genannt und
können dafür genutzt werden, auch mit Rückstreuelektronen eine hohe Auflösung zu erlangen. Sie
stammen, wie auch die Sekundärelektronen, aus einem oberflächennahen Bereich. Bei der Katho-dolumineszenz werden bei der Anregung und Relaxation von Probenatomen statt Röntgenquan-
ten Photonen im sichtbaren Bereich emittiert. Elektronen, die das Elektronenplasma zu Dichte-
schwingungen anregen, erleiden einen charakteristischen Energieverlust und werden Plasmon-Loss-Elektronen genannt. Der größte Teil der Primärelektronenenergie wird allerdings bei der
inelastischen Wechselwirkung in Form von Wärme bzw. Phononen freigesetzt.
5.2.4. Kontrastarten und Artefakte
Das REM liefert einen räumlichen Eindruck der Oberflächentopographie. Dieser entsteht durch
verschiedene Kontrastarten.
Es ist anschaulich klar, dass die Wechselwirkungsfläche zwischen Elektronenstrahl und Probeno-
berfläche am größten ist, wenn der Strahl unter einem möglichst kleinen Winkel auf die Probe fällt.
In diesem Fall werden auch mehr Sekundär- und Rückstreuelektronen emittiert, was wiederum zu
einem helleren Bild führt. Dieser Effekt wird der Flächenneigungskontrast genannt. Da Elektro-
70
Rasterelektronenmikroskopie
nen, die aus Oberflächen der vom Detektor abgewandten Seite der Probe emittiert werden, wesent-
lich schwerer vom Kollektor erfasst werden, erscheinen diese Bereich dunkler als die Bereiche,
die dem Detektor zugewandt sind. Dieser Effekt ist der so genannte Abschattungskontrast. Beim
Kanteneffekt erscheinen herausspringende Kanten deutlich heller, da dort von den sich treffenden
Flächen vermehrt Elektronen austreten. Auf Abbildung 5.6b kann man deutlich den Grund dafür
erkennen: Sekundärelektronen werden im gesamten Wechselwirkungsbereich zwischen Strahl und
Probe erzeugt. Wie allerdings bereits in Kapitel 5.2.1 erklärt, schaffen es aufgrund ihrer niedrigen
Energien nur die oberflächennahen Sekundärelektronen die Probe zu verlassen. Bei kleinen Er-
hebungen oder Kanten ist der oberflächennahe Bereich größer, als bei einer ebenen Fläche. So
gelangen also mehr Sekundärelektronen an die Oberfläche und werden detektiert. Als nächster
Effekt ist der Rauigkeitskontrast zu nennen, der auf den Kanteneffekt zurückgeht. Er führt dazu,
dass raue Oberflächen wesentlich heller erscheinen, als glatte.
Die bisher aufgezählten Kontraste waren auf die Topographie der Probe zurückzuführen. Es gibt
aber auch Kontraste, die mit den Materialeigenschaften der Probe zusammenhängen. Da wäre
zunächst der Materialkontrast, der auf die unterschiedliche Ordnungszahlen der verschiedenen
Materialien zurückgeht. Materialien mit höherer Ordnungszahl erscheinen heller, als solche mit
niedrigerer Ordnungszahl. Hier spielen besonders die Rückstreuelektronen eine Rolle, da ihre Ord-
nungszahlabhängigkeit größer ist als die der Sekundärelektronen. Des Weiteren gibt es noch den
Kristallorientierungskontrast. Die Emission von Rückstreuelektronen ist abhängig von der Nei-
gung einer Netzebenenschar zum einfallenden Elektronenstrahl. Daher erscheinen unterschiedlich
geneigte Kristallite auf einer glatten Oberfläche unterschiedlich hell. Der Potentialkontrast er-
scheint dann, wenn unterschiedliche elektrische Potentiale auf der Oberfläche anliegen. Der Kol-
lektor erfasst Elektronen aus negativ geladen Bereichen wesentlich leichter als solche aus positiv
geladenen Bereichen. Zum Schluss wäre noch der Magnetfeldkontrast zu nennen. Die Bahnen
der Sekundär- und Rückstreuelektronen werden dabei von Magnetfeldern beeinflusst und somit
auch ihr Nachweis durch den Kollektor.
Nicht nur die verschiedenen Kontrastarten formen ein REM-Bild. Es ist auch möglich, dass Ar-
tefakte auftreten, die die Interpretation eines Bildes erschweren können. Es können z.B. bei nicht
leitenden Materialien Aufladungseffekte auftreten. Die Probe wird mit Elektronen beschossen,
die nicht abgeleitet werden können. So lädt sich die Probe immer weiter auf und erscheint sehr
hell auf dem Bild. Außerdem können durch langes Betrachten eines Bildausschnitts Kontaminati-onseffekte auftreten. Es lagert sich Kohlenstoff auf der Probe ab, der von Verunreinigungen auf der
Probe stammen kann, und verringert so die Elektronenausbeute an dieser Stelle. Der entsprechen-
de Bereich erscheint dunkler. Auf Abbildung 5.7 erkennt man deutlich ein dunkler erscheinendes
Rechteck. Genau dieser Bereich wurde kurz vor Aufnahme des Bildes längere Zeit betrachtet. Bei
genauerem Hinschauen erkennt man zusätzlich in dem großen dunklen Rechteck ein kleineres,
noch dunkleres Rechteck, das aus einer vorhergegangenen Betrachtung stammt.
71
5.2. Wechselwirkung zwischen Elektronenstrahl und Probe
(a) Die REM-Aufnahme von Pyrit demonstriert den
Kanteneffekt.
(b) Herkunft des Kanteneffekts.
Abb. 5.6. – Auf Abbildung 5.6a, die einen Pyrit zeigt, kann man sehr schön den Kanteneffekt erkennen. Abbildung
5.6b lässt den Grund dafür erkennen. An unebenen Stellen ist die Streubirne mit einem größeren
Teil ihres Volumens nahe an der Oberfläche. Daher ist es dort mehr Sekundärelektronen möglich die
Probe zu verlassen und das Bild erscheint heller. Eine Kante stellt nun genau so eine unebene Stelle
dar, so dass Kanten auf REM-Aufnahmen wesentlich heller erscheinen. Ein Teilstrich der auf den
Bildern sichtbaren Skala entspricht 10 µm.
Abb. 5.7. – Dieses Bild zeigt den Kontaminationseffekt, hervorgerufen durch Kohlenstoffablagerungen bei länge-
rer Betrachtung eines Bildausschnittes. Ein Teilstrich der auf dem Bild sichtbaren Skala entspricht 10
µm.
72
6. Probenpräparation
In diesem Kapitel wird erläutert, mit welchen Verfahren die in dieser Arbeit untersuchten Proben
hergestellt worden sind. Zunächst wird auf die Schichtherstellung eingegangen (siehe Kapitel 6.1),
um dann den Prozess der Strukturierung näher zu erläutern (siehe Kapitel 6.2).
6.1. Schichtherstellung
Die Herstellung von dünnen Schichten ist ein wichtiger Schritt in vielen Bereichen der aktuellen
Technik (z.B. bei Hochtemperatur-Supraleitern und in der Mikro- und Nanoelektronik) und muss
vielen verschiedenen Anforderungen genügen. Es erscheint nur logisch, dass es nicht eine einzige,
für alle Bereiche geeignete Methode der Dünnschichtherstellung geben kann. Tatsächlich gibt es
ein großes Spektrum an hochentwickelten Methoden, was es manchmal schwierig macht, die für
die eigene Anwendung geeignete herauszusuchen.
Man kann zunächst zwischen physikalischen und chemischen Methoden unterscheiden. Physikali-
sche Methoden sind durch eine lokale Teilchenquelle charakterisiert. Die Partikel haben hier einen
nahezu wechselwirkungsfreien Weg durch Vakuum auf das Substrat. Bei chemischen Methoden
wird ein sogenanntes Precursor-Gas verwendet, dessen Moleküle an der heißen Substratoberflä-
che dissoziieren und die Atome von Interesse herauslösen [65]. Auf die chemischen Methoden soll
hier nicht weiter eingegangen werden, da diese für die vorliegende Arbeit nicht verwendet worden
sind. Stattdessen wird auf eine spezielle physikalische Methode zur Dünnschichtherstellung ein-
gegangen, die hier Verwendung gefunden hat: Das Ionenstrahlsputtern, das in Kapitel 6.1.1 näher
erläutert wird.
Einer der wichtigsten Parameter, der während der Schichtherstellung kontrolliert werden muss,
ist der Druck des Restgases in der Kammer. Diese Restgasatome können mit den aus den Targets
ausgelösten Atomen wechselwirken oder sogar in die zu wachsende Schicht mitaufgenommen
werden. Als Maß für die Interaktion der Atome miteinander dient die mittlere freie Weglänge λ.
Unter der einfachen Annahme, dass die Gasatome als nicht wechselwirkende Massen betrachtet
werden, die eine Maxwell-Geschwindigkeitsverteilung aufweisen, erhalten wir für die mittlere
freie Weglänge
λ =1
√2πNd2
(6.1)
mit d als Moleküldurchmesser und N als Gaskonzentration. Mit der idealen Gasgleichung N =p
kBT , wobei kB die Boltzmann Konstante ist, erhält man dann
6.1. Schichtherstellung
Abb. 6.1. – Querschnitt der verwendeten Ionensputteranlage.
λ =kBT√
2πpd2(6.2)
Wichtiger als die Wechselwirkung zwischen Strahl und Luftmolekülen ist aber die Anzahl der
Restgasatome, die die zu wachsende Oberfläche treffen und damit die Reinheit des Films gefähr-
den. Diese Anzahl kann ausgedrückt werden als
Ni = pi
√1
2πkBmiT(6.3)
mit mi als Atom- bzw. Molekülmasse. Betrachtet man die Aufnahme der Restgasatome in die
Schicht als Schichtwachstum und weist ihnen eine Wachstumsrate zu, so gelangt man schnell zu
dem Schluss, dass für das Wachsen von sauberen Schichten ein Druck besser als 10 −9mbar, also
Ultrahochvakuum, notwendig ist [65].
6.1.1. Ionenstrahlsputtern
Das Sputtern von Oberflächenatomen ist bereits seit 1852 bekannt, als W. R. Grove diesen Ef-
fekt während seiner Untersuchungen von Plasma Entladungen beobachtete und erkannte, dass es
zum Wachsen von dünnen Filmen geeignet ist. Die Anwendung in großen Anlagen wurde jedoch
erst in den letzten paar Jahrzehnten enwickelt. Der Sputterprozess wird schematisch in Fig. 6.2a
dargestellt. Das beschleunigte Ion trifft auf die Oberflächenatome des Targets. Die nun folgen-
de Kollisionskaskade bewirkt eine Erwärmung des Targets und führt letztendlich auch zu einigen
zurückgestreuten Atomen, die die Oberfläche verlassen. Die Details dieser Kollisionskaskaden
können zuverlässig durch “molecular dynamics” Methoden simuliert werden und sind prinzipi-
ell nur abhängig von der relativen Masse der Projektile und Targetatome. Die Schwellenergie für
den Sputterprozess liegt um einiges höher als die Oberflächenbindungsenergie der Targetatome,
74
Probenpräparation
(a) (b)
Abb. 6.2. – 6.2a: Prinzip des Sputterns von Oberflächenatomen durch ein auf die Targetoberfläche treffendes Ion.
Durch die Kollision mit der Oberfläche wird eine Sequenz von Stößen ausgelöst, durch die Oberfläche-
natome aus dem Target ausgelöst werden. 6.2b: Schematische Darstellung eines DC-Sputtersystems.
Die schwarze, gepunktete Linie deutet den Potentialverlauf zwischen Anode und Kathode an.
da viele Kollisionen nötig sind, um ein Atom in Rückrichtung zu erhalten. Die einfachste Her-
angehensweise bildet das so genannte DC-Sputtern (siehe Fig. 6.2b). Das Targetmaterial befindet
sich innerhalb einer Vakuumkammer und liegt auf negativem Potential, während das Substrat für
den Film auf positivem Potential und dem Target gegenüber liegt. Die Potentialdifferenz zwischen
Anode und Kathode beträgt mehrere 100 V, so dass es zu einer Plasma Entladung kommt, bei der
die positiv geladenen Ionen zum Target hin beschleunigt werden. Diese beschleunigten Partikel
sputtern nun die Ablagerungen ab, die als neutrale Atome das Substrat erreichen. Die Entladung
bleibt dabei erhalten, da die beschleunigten Elektronen kontinuierlich weitere Atome durch Stöße
im Sputtergas ionisieren. In Abb. 6.2b wird durch die gepunktete schwarze Linie der Potentialver-
lauf zwischen Anode und Kathode dargestellt: Da das Plasma eine gute elektrische Leitfähigkeit
besitzt, gibt es keinen großen Potentialabfall in der Plasmaregion. Aufgrund der unterschiedli-
chen Beweglichkeiten der Elektronen und Ionen wird der Hauptspannungsabfall in der Kathode
beobachtet. Dies ist für den gesamten Prozess von Vorteil, da so die Beschleunigung der Sput-
tergasionen direkt vor dem Target stattfindet und nicht irgendwo weiter weg, wo die Ionen noch
zusätzlichen Stößen auf ihrem Weg zum Target ausgesetzt wären [65].
6.2. Lithographie
Ursprünglich beschreibt der Begriff Lithographie (von altgriech.: λιθoσ, lithos, “Stein”, und
γραϕειν, graphein, “schreiben”) das sogenannte Flachdruckverfahren, bei dem das zu verviel-
fältigende Bild auf einen Stein aufgebracht und mit diesem dann durch Druck auf geeignetes
Papier vervielfältigt wird. Hier wird der Begriff jedoch im Zusammenhang mit Mikro- bzw. Na-
nofabrikationstechnik benutzt. Zu dieser Technik gibt es bereits viele Veröffentlichungen (z. B.
75
6.2. Lithographie
(a) (b) (c)
Abb. 6.3. – Abbildungen von elektronenlithographisch hergestellten Strukturen. Abb. 6.3a: REM-Abbildung von
Bochums kleinstem Fussballfeld [109], hergestellt und abgebildet von A. Westphalen [110], Abb. 6.3b
und Abb. 6.3c: Das Logo des SFB 491 (REM-Abbildung) und das ehemalige Logo der Ruhr-Universität
(AFM-Abbildung), beide hergestellt und abgebildet von F. Brüssing.
[106, 107, 108]), dennoch soll hier nun ein kurzer Überblick speziell über die Technik der Elek-
tronenstrahllithographie gegeben werden.
Die Herstellung der Strukturen erfolgte mit Elektronenstrahllithographie (engl. Electron-Beam-
Lithography, EBL). Bei diesem Verfahren wird ein mit einem speziellen Photolack beschichte-
tes Substrat im Rasterelektronenmikroskop durch definierten Beschuss mit dem Elektronenstrahl
strukturiert. Da das Ablenkungssystem des Mikroskopes selbst den Strahl nur um einige hundert
µm auslenken kann, muss der Probentisch mechanisch verfahrbar sein um von einem belichteten
Feld zum nächsten zu gelangen [65]. Möglich gemacht wird dies durch eine das normale Raste-
relektronenmikroskop ergänzende Lithographieeinheit, in diesem Fall der Firma RAITH. Dieses
Zusatzmodul erweitert das Rasterelektronenmikroskop zu einem Elektronenstrahllithographiesys-
tem, indem es extern den Elektronenstrahl des REM sowie die Bewegungen des Probentisches
steuert und es somit möglich macht, auf einige Nanometer genau den Strahl über die gewünschten
Stellen zu führen und den Lack entsprechend zu belichten. Mittels der bereitgestellten Software
lässt sich am Rechner das gewünschte Design erstellen sowie verschiedene Belichtungsparame-
ter einstellen. Einige Beispiele für verschiedene Designs und die vielfältigen Möglichkeiten der
Elektronenstrahllithographie finden sich in Abbildung 6.3. Die herzustellende Struktur wird in Be-
wegungen des Elektronenstrahls bzw. Probentisches umgesetzt. Dabei gibt es zwei verschiedene
Belichtungsmethoden. Bei der ersten wird jeder Punkt der Probe angefahren und der Elektronen-
strahl je nach Struktur an- bzw. ausgeschaltet. Diese Methode wird auch Rastermethode genannt.
Bei der zweiten Methode, der sogenannten Vektormethode, werden nur die Punkte angefahren,
die auch wirklich belichtet werden sollen. Diese Methode ist wesentlich schneller als die Raster-
methode, dauert aber dennoch, abhängig von den Strukturausmaßen, zu lange für die industrielle
Massenproduktion. Für die Forschung ist die Elektronenstrahllithographie dennoch unverzicht-
bar, da die prinzipiell erreichbare Auflösung bei einigen nm liegt. Die Auflösung ist dabei durch
die Elektronenstrahlspotsize, den ausgewählten Photolack und die Rückstreuelektronen gegeben
76
Probenpräparation
Abb. 6.4. – Schematische Darstellung bei Verwendung von positivem Photolack: Das Siliziumsubstrat wird mit
Positiv-Lack beschichtet und mit dem Elektronenstrahl strukturiert. Die belichteten Lackstellen werden
beim Entwickeln ausgelöst. Nach dem Bedampfen mit dem gewünschten Material wird die Probe
dem Lift-Off Prozess unterzogen, bei dem der restliche Lack mit dem direkt darüber liegenden Metall
entfernt wird. Die Struktur ist fertig.
(siehe auch 5.2). Die Elektronen verlieren nur langsam ihre Energie und ein signifikanter Anteil
von ihnen wird zur Oberfläche zurückgestreut. Dort können sie nun den Lack sogar einige µm
entfernt von ihrem Eintrittsort belichten. Dieser sogenannte Proximity Effekt führt zu einer ef-
fektiven Belichtungsdosis, ist abhängig von der Form der Struktur und muss bei der Entwicklung
berüchsichtigt werden [65].
Prinzipiell unterscheidet man zwei unterschiedliche Herstellungsverfahren, abhängig davon, wel-
che Art Photolack verwendet wird. Bei der Verwendung von positivem Photolack wird zunächst
der Lack auf ein Trägersubstrat aufgeschleudert, belichtet, entwickelt und dann das gewünsch-
te Material aufgebracht. Nach einem Lift-Off Prozess, bei dem der Lack und das überschüssige
Material abgelöst wird, erhält man die gewünschte Struktur auf dem Substrat (siehe Fig. 6.4). Auf-
grund technischer Voraussetzungen wurde im Rahmen dieser Arbeit jedoch negativer Photolack
verwendet. Hierbei wird zunächst die Schicht des gewünschten Materials auf die Probe gebracht
und dann erst der Lack durch einen Spin-Coating Prozess aufgeschleudert, auf einer Heizplatte
ausgehärtet, im REM belichtet und danach in einer speziellen Flüssigkeit entwickelt. Während der
Belichtung wird der Lack chemisch so verändert, dass die Entwicklerflüssigkeit ihn nicht weiter
angreift und der belichtete Teil des Lacks somit auf der Probe stehen bleibt. Da der Lack eine
hohe Ätzresistenz aufweist, lassen sich nun die Bereiche, die nicht durch den verbliebenen Lack
geschützt werden, leicht wegätzen (siehe Kapitel 6.3). Nach einem Removingprozess, bei dem der
Lackdeckel in Aceton entfernt wird, erhält man die gewünschte Struktur (siehe Fig. 6.5).
Um das Ergebnis des Lithographieprozesses zu optimieren, müssen die Parameter Schritt für
Schritt für jede neue Struktur angepasst werden. Das bezieht sich vor allem auf die gewählte Dosis
D0, die durch andere Parameter wie die StepSize dstep, den Probenstrom IS oder die sogenannte
Dwell Time tdwell beeinflusst wird. Die Beziehung zwischen den Größen lautet
D0 =IS · tdwell
d2step
(6.4)
[111]. Bei zu hoher Dosis stellt man starke Überbelichtungen fest, die sich in der Wölbung von
eigentlich geraden Strukturen zeigen. Abbildung 6.6 veranschaulicht einen Dosistest an einer ein-
fachen Streifenstruktur. Man kann deutlich erkennen, dass die Strukturen mit steigender Dosis di-
77
6.3. Ionenstrahlätzen und Removing
Abb. 6.5. – Schematische Darstellung bei Verwendung von negativem Photolack: Zunächst wird die bedampfte
und belackte Probe mit dem Elektronenstrahl an definierten Stellen belichtet, diese Bereiche wer-
den dadurch dem Entwickler gegenüber unempfindlich gemacht und bleiben beim Entwickeln zurück.
Beim Ionenstrahlätzen wird das aufgedampfte Metall an den nicht durch den Lack geschützten Stellen
entfernt. Der Remover entfernt schließlich die schützenden Lackdeckel und die Probe ist fertig.
Abb. 9.4. – MFM-Aufnahmen an Tripel-Dipolstrukturen. Die parallel zum Feld ausgerichteten Dipole schalten in
der Tripel-Dipolstruktur zwischen 300 und 400 Gauss.
94
10. Schaltverhalten von Gittern
Zum Untersuchen des Ummagnetisierungsverhaltens des gesamten Gitters wurden mittels magne-
tischer Kraftmikroskopie für alle Periodizitäten (siehe dazu Abbildung 10.1) für unterschiedli-
che Ausrichtungen des Gitters in Bezug zum externen Magnetfeld sogenannte Digitale Hystere-sen aufgenommen. Dazu wurde für jeden angefahrenen Feldwert ein MFM-Bild aufgenommen
um die aktuellen Knotenpunktkonfigurationen im Gitter abzubilden. Beispielhaft zeigt Abbildung
10.2 eine Auswahl aus den so gewonnen MFM-Bildern für einen Gitterabstand von 0,8 µm in
[11]-Richtung.
(a) a = 0,4µm (b) a = 0,8µm (c) a = 1,7µm
Abb. 10.1. – REM-Aufnahmen: Ausschnitte aus den großflächig hergestellten Honeycombstrukturen mit unter-
schiedlichen Periodizitäten.
Durch die Bilder konnte für jeden Knotenpunkt die vorgefundene Konfiguration ermittelt und ei-
nem normalisierten Magnetisierungswert zugeordnet werden. Dabei wurden Dipolen, die parallel
zum angelegten Feld ausgerichtet sind, der Wert ±1 zugeordnet, während allen anderen jeweils
ein Wert von cos(±30,±60), je nach Ausrichtung in Bezug zum angelegten Magnetfeld, zuge-
ordnet wurde. Die beiden gewählten Ausrichtungen des Gitters in Bezug zum externen Magnet-
feld entsprechen den Richtungen [11], der leichten Richtung, bzw. [10], der schweren Richtung,
entsprechend des in Abbildung 7.2a definierten Koordinatensystems. Die den jeweiligen Knoten-
punktkonfigurationen zugeordneten Werte können Abbildung 10.3 entnommen werden, in der alle
möglichen Knotenpunktkonfigurationen und die dazugehörigen normalisierten Magnetisierungs-
werte dargestellt sind.
7.1. Probendetails
Abb. 10.2. – Diese MFM-Aufnahmen stellen einen Auszug aus einer kompletten MFM-Hystereseschleife dar. Sie
zeigen das Honigwabengitter mit einem Gitterabstand von 0,8 µm in [11] - Richtung. Für jede Hyste-
rese wurden weit mehr Aufnahmen gemacht als hier gezeigt. Dies soll lediglich beispielhaft demons-
trieren, wie bei der MFM-Messung vorgegangen worden ist: Für jeden angefahrenen Feldwert wurde
ein MFM-Bild aufgenommen.
96
Schaltverhalten von Gittern
(a) Zuordnung der normalisierten
Magnetisierungswerte für die
[11]-Richtung.
(b) Zuordnung der normalisierten
Magnetisierungswerte für die
[10]-Richtung.
Abb. 10.3. – Schematische Darstellung der normalisierten Magnetisierungswerte für alle möglichen Knotenpunkt-
konfigurationen, unterschieden nach Ausrichtung des gesamten Gitters bezogen auf das externe
Magnetfeld während der Hysterese.
Die Anzahl der Knotenpunkte pro aufgenommenen Bild variiert je nach Periodizität und Scanbe-
reich etwa zwischen 100 bis 400. Die ausgewählten Scanbereiche befinden sich ausschließlich im
mittleren Gitterbereich, um den Einfluss von Randeffekten möglichst gering zu halten. Begonnen
wurde die Hysterese bei einem entmagnetisierten Zustand (näheres dazu siehe Kapitel 10.1). Dann
wurde das Feld schrittweise bis 1000 Gauss erhöht. Die Schrittweite variierte dabei je nach Peri-
odizität des Gitters und Grad der Konfigurationsänderung pro Schritt zwischen 50 und 200 Gauss.
So wurde die Schrittweite im Bereich der Koerzitivität der Gitter kleiner gewählt als bei nahezu
gesättigter Gesamtstruktur. Von den maximalen 1000 Gauss wurde das externe Magnetfeld wie-
der schrittweise auf 0 reduziert um es dann mit entgegengesetzter Polariät schrittweise auf -1000
Gauss und wieder zurück auf 1000 Gauss zu bringen. Jeder Schritt entspricht dabei einem MFM-
Bild, so dass jeder Feldwert für die Dauer der Aufnahme etwa 20 Minuten lang beibehalten wurde,
bevor der nächste angefahren worden ist. So konnte also für jedes Gitter eine Hysterese inklusive
Neukurve erstellt werden. Die Ausrichtung der Struktur in Bezug zur Magnetfeldrichtung konnte
durch einen Rotationstisch in der Probenkammer sehr genau realisiert werden (siehe Kapitel 4.6).
97
10.1. Entmagnetisierung
(a) Inselabstand 0,4 µm
8% Typ I
85% Typ II
7% nicht definierbar
(b) Inselabstand 0,8 µm
13% Typ I
80% Typ II
7% nicht definierbar
(c) Inselabstand 1,7 µm
21% Typ I
73% Typ II
6% nicht definierbar
Abb. 10.4. – MFM-Aufnahmen der entmagnetisierten Gitter in [11]-Richtung. Für jedes Bild wurde die Häufigkeit
von Typ I und Typ II Knotenpunkten ermittelt.
10.1. Entmagnetisierung
Um für jede Probe eine vergleichbare Ausgangssituation zu schaffen, wurde ein Entmagnetisie-
rungsprotokoll entwickelt, das vor jeder Hysteresemessung durchgeführt worden ist. Dazu wurde
die Probe einem magnetischen Feld wechselnder Polarität ausgesetzt, dass in Schritten von 10
Gauss aus der Sättigung hinunter auf 0 Gauss gebracht wurde. Begonnen wurde bei einem Feld-
wert von 1000 Gauss. Bei jedem Schritt wurde die Polarität des Feldes geändert, so dass nachein-
ander die Werte 1000 Gauss, -1000 Gauss, 990 Gauss, -990 Gauss, ... , 0 Gauss angefahren worden
sind. Dieses Protokoll wurde so ähnlich bereits von Wang et al. [114, 115] erfolgreich durchge-
führt und musste für diese Arbeit lediglich den experimentellen Gegebenheiten angepasst werden.
Nach der Entmagnetisierungsprozedur wurde zunächst ohne externes Magnetfeld ein MFM-Bild
aufgenommen und im Hinblick auf die Häufigkeit der zwei unterschiedlichen Konfigurationsty-
pen I und II analysiert. Man erhält dabei für alle 3 Gitterperiodizitäten, unter Berücksichtigung
der limitierten Statistik, ähnliche Werte für das Auftreten von Typ I und Typ II Zuständen. Für
ein komplett unkorreliertes System ist zu erwarten, dass sich das Gitter zu 25% in Typ I Zustände
und zu 75% in Typ II Zustände aufteilt, wie man einfach aus Abbildung 7.1 erkennen kann. Die
Abbildungen 10.4 und 10.5 zeigen die relativen Häufigkeiten von Typ I und Typ II Zuständen
unterschieden nach Gitterperiodizität und Gitterausrichtung. Nicht allen Knotenpunkten kann ein
eindeutiger Zustand zugeordnet werden, da einzelne Dipole bei der Probenherstellung (Lithogra-
phie und/oder Entwickeln) zerstört wurden, es durch Abbildungsartefakte nicht möglich ist, die
Dipolausrichtung zu bestimmen oder weil die Auswertungssoftware einzelne Dipolzustände nicht
richtig zuordnet. Diese Knotenpunkte werden als “nicht definierbar” zusammengefasst.
Für die [11]-Richtung lässt sich ein Trend hin zu einem höheren Auftreten von Typ I Konfiguratio-
nen bei steigenden Gitterabständen erkennen, was dazu führt, dass sich das System bei steigendem
98
Schaltverhalten von Gittern
(a) Inselabstand 0,4 µm
14% Typ I
67% Typ II
19% nicht definierbar
(b) Inselabstand 0,8 µm
20% Typ I
74% Typ II
6% nicht definierbar
(c) Inselabstand 1,7 µm
19% Typ I
72% Typ II
9% nicht definierbar
Abb. 10.5. – MFM-Aufnahmen der entmagnetisierten Gitter in [10]-Richtung. Für jedes Bild wurde die Häufigkeit
curves), STM (I(z), I(V)), Local Barrier Height (LBH), Local Density of States (LDOS), AFAM
Contact Resonance Spectroscopy
Lithographie-Messmodi AFM(Force (scratching and dynamic plowing) und Current (dc+ac)),
STM
Nano-Manipulation Contact Force
Parameter Wert
Probendimension bis zu 10 x 10 mm
Probenpositionierung:Bewegungsspanne 4 x 4 mm
Genauigkeit 5 µm
Scanning range 100 x 100 x 10 µm (±10%)
Scanning Methode scan by probe
Minimale Schrittweite 0.0015 nm
Vakuum System:Restdruck 5 x 10−8 mbar
Evakuierungsdauer 30 min bis 10−5 mbar
Thermosystem:Temperaturbereich 110 - 420 K
Genauigkeit ±0.1 K
Elektromagnet:Feld bis 1000 Oe
Abstand zwischen Polschuhen 18 mm
Feldrichtung inplane (in Probenebene)
B. Parameter zur Strukturherstellung
Abb. B.1. – Ätzparameter
Abb. B.2. – Lithographieparameter für die 0,1 x 1 µm Strukturen.
Abb. B.3. – Lithographieparameter für die 0,3 x 3 µm Strukturen.
C. EDX-Untersuchungen
Zur Ätzkontrolle wurde jede Probe zwei Mal mittels EDX untersucht. Als Beispiel dienen fol-
gende zwei Untersuchungsergebnisse: Die ersten beiden Bilder zeigen einen Probenausschnitt mit
Markierung der abgeätzten Fläche, welche untersucht worden ist sowie das erhaltene Spektrum.
Das Element Eisen wurde nicht gefunden, was für einen erfolgreichen Ätzvorgang spricht. Die
letzten zwei Bilder zeigen die Referenzmessung direkt auf der Struktur, bei der das Element Ei-
sen gefunden worden ist. Das Auftauchen von Kohlenstoff erklärt sich durch den auf der Struktur
befindlichen Lack, welcher aus einer Kohlenstoffverbindung besteht.
D. Mathematica-Code zur Auswertung der
Knotenpunktkonfigurationen
Auf den folgenden Seiten wird ein Beispiel-Code zur Auszählung und Zuordnung der verschie-
denen Knotenpunktkonfigurationen dargestellt. Der ursprüngliche Code wurde von B. Sothmann
geschrieben, danach aber auf die gegebenen Strukturgeometrien angepasst und erweitert. Zunächst
wird in Abbildung D.1 erläutert, wie die Bezeichnungen im Code in Bezug auf die reale Proben-
geometrie zu verstehen ist. Die Einteilung in Untergitter wird erklärt, sowie die Ablesereihenfolge
der einzelnen Ladungszuordnungen. In Abbildung D.2 wird dann gezeigt, welchem Typ (numme-
riert von 1 für bis 8)1 welche Knotenpunktkonfiguration entspricht, so dass die durch den Code
ermittelte Anzahl von Knotenpunkten je Typ nach Ausgabe in eine Textdatei entsprechend ih-
rer Wertigkeit zusammengefasst werden können. Im Anschluss an diese graphischen Übersichten
erfolgt dann das kommentierte Beispielprogramm.
1Im Code finden sich außerdem die Typen -1 und 0. Typ -1 bezeichnet dabei einfach die Anzahl an nicht definierbaren
Knotenpunkten, Typ 0 ist nicht weiter definiert und kann ignoriert werden.
(a) (b)
Abb. D.1. – Zuordnung der in Mathematica verwendeten Bezeichnungen. Bezeichnungen der Untergitter und Ab-
lesereihenfolge der Knotenpunktkonfiguration
(a) Typenzuordnung in [11]-Richtung (b) Typenzuordnung in [10]-Richtung
Abb. D.2. – Zuordnung der in Mathematica verwendeten Bezeichnungen zur Auswertung der Knotenpunktkonfi-
gurationen
Automatisches Zählen von Dipolen
Einlesen der Bilder und Auszählen der Dipole auf den 4 Untergittern
Nötige Eingaben: Zahl der Knotenpunkte in x- und y-RichtungKoordinaten der Knotenpunkte oben links, unten links und unten rechts, alle auf dem gleichen Untergitter! (Erhält man durchmanuelles Auslesen der Pixel mit geeigneter Bildbearbeitungssoftware.)Positionen der drei "Ladungen" im ersten Knotenpunkt oben links auf Untergitter 1Positionen der drei "Ladungen" im ersten Knotenpunkt oben links auf Untergitter 2Positionen der drei "Ladungen" im ersten Knotenpunkt oben links auf Untergitter 3Positionen der drei "Ladungen" im ersten Knotenpunkt oben links auf Untergitter 4 (siehe Abbildung D.1 für Zuordnung)
Einlesen der Bilddatei, Koordinaten der Vertices, Konsistenzcheck
Anzahl der Kontenpunkte in horizontaler Richtung (Nx)Anzahl der Kontenpunkte in vertikaler Richtung (Ny)
In[233]:= Nx = 8;
Ny = 13;
Koordinaten der Vertices links oben, links unten und rechts unten im Bild (auf das richtige Untergitter achten!)Daraus berechnet werden:Dxx=Abstand in x-Richtung von zwei Vertices in der selben ZeileDxy=Abstand in y-Richtung von zwei Vertices in der selben ZeileDyy=Abstand in y-Richtung von zwei Vertices in der selben SpalteDyx=Abstand in x-Richtung von zwei Vertices in der selben Spalte
In[235]:= xobenlinks = 233;
yobenlinks = 122;
xuntenlinks = 237;
yuntenlinks = 596;
xuntenrechts = 683;
yuntenrechts = 601;
Dxx = -Hxuntenlinks - xuntenrechtsL HNx - 1L N
Dxy = -Hyuntenlinks - yuntenrechtsL HNx - 1L N
Dyx = -Hxobenlinks - xuntenlinksL HNy - 1L N
Dyy = -Hyobenlinks - yuntenlinksL HNy - 1L N
Out[241]= 63.7143
Out[242]= 0.714286
Out[243]= 0.333333
Out[244]= 39.5
Positionen der ersten drei "Ladungen", Reihenfolge siehe Abb. D.1
Positionen der ersten drei "Ladungen", Reihenfolge siehe Abb. D.1
In[245]:= vx1 = 229; vy1 = 117;
vx2 = 239; vy2 = 122;
vx3 = 229; vy3 = 128;
optischer Check, ob die Punkte wirklich getroffen werden
Bestimmung, ab wann ein Pixel als schwarz oder weiß erkannt werden soll
Auswertung08leicht01.nb 5
In[254]:= ThresholdBlack = 48;H*Threshold below which a pixel is considered black*LThresholdWhite = 72;H*Threshold above which a pixel is considered white*LThresholdBorder = 255;
Funktion, die die erkannten Farben in Knotenpunkttypen umwandelt
Type 1=b,b,b für Untergitter 1, 2, 3 und 4Type 2=w,w,w für Untergitter 1, 2, 3 und 4Type 3=b,b,w für Untergitter 1, 2, 3, und 4Type 4=b,w,b für Untergitter 1 und 3 bzw. wbb für Untergitter 2 und 4Type 5=w,b,b für Untergitter 1 und 3 bzw. bwb für Untergitter 2 und 4Type 6=w,w,b für Untergitter 1, 2, 3 und 4Type 7=w,b,w für Untergitter 1 und 3 bzw. bww für Untergitter 2 und 4Type 8=b,w,w für Untergitter 1 und 3 bzw. wbw für Untergitter 2 und 4
Studium10/2001 - 09/2006 Studium der Physik an der Ruhr-Universität Bochum08/2003 Vordiplom08/2005 - 08/2006 Diplomarbeit am Lehrstuhl für Experimentalphysik