Dr. Gabriele Czerny Kreative Verfahren zur Sprachförderung Thema: Geschichten erfinden, Geschichten erzählen und Kindern zuhören gehört zur Elementarbildung, um die Sprache und die Erzählfähigkeit bei den Kindern zu fördern. Der Bedeutung des Erzählens hat man erst in den letzten Jahren einen Eigenwert zugesprochen. Es bestand lange Zeit die Dominanz der Schriftlichkeit, des Verfassens von Texten nach vorgefertigten Mustern. Von einer Didaktik des Erzählens spricht man erst seit den späten 80er Jahren. Eng verbunden damit sind die Namen Mechthild Dehn 1 , Kaspar Spinner 2 und Claus Claussen 3 . Erzählen als gesellige Praxis heißt bei Claussen, dass Kinder und Lehrerin gemeinsam erzählend etwas Neues gestalten. Der Lehrerin kommt dabei die Rolle der Impulsgeberin zu. Ihr Interesse richtet sich auf den Weg (Prozessorientierung), d.h. auf den sich entfaltenden Prozess des freien Ausdenkens, des miteinander Suchens, Findens und Aushandelns, des kreativen Fantasierens und gemeinsamen Erzählens, auf die Entwicklung der inneren Bilder und der Fabulierlust. Eine wesentliche Voraussetzung ist die Gestaltung einer atmosphärischen Erzählsituation, in dem z.B. gemeinsame Rituale (gemeinsame Atemübungen, Stille-Übungen) die Kinder auf das Erzählen einstimmen. Im Erzählen geben Kinder ihrem Erleben und ihren Erfahrungen einen eigenen Ausdruck. Ihre Erlebnisse beziehen sich auf Erfahrungen ihrer Alltagswelt, aber auch auf Gehörtes, Gesehenes und durch Medien Vermitteltes. Sie kreieren im Erzählen Bedeutung oder anders ausgedrückt sie konstruieren im Erzählen ihre Welt. Die Fähigkeit des Erzählens hat somit ästhetisch bildenden Charakter, da Kinder Eindrücke durch Sprache und Gestaltung verarbeiten können. Die Schulpraxis zeigt jedoch, dass Kinder häufig Sprachhemmungen haben, also sich nicht getrauen frei zu sprechen oder aber auch Sprachdefizite aufweisen, d.h. sie sind gar nicht in der Lage Worte zu finden, für das, was sie ausdrücken bzw. mitteilen wollen. Eine Schlüsselfigur innerhalb der Spracherziehung nimmt die 1 Dehn, Mechthild (2000): Geschichten erzählen. In: Die Grundschulzeitschrift, 14. Jg., Nr. 132, S. 6-11 2 Spinner, Kaspar H.. Kreativer Deutschunterricht. Imagination Kognition Emotion. Seelze 2001. 3 Claussen, Claus und V. Merkelbach: Erzählwerkstatt. Mündliches Erzählen. Braunschweig 2003.
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Kreative Verfahren zur Sprachförderung Thema · PDF fileDr. Gabriele Czerny Kreative Verfahren zur Sprachförderung Thema: Geschichten erfinden, Geschichten erzählen und Kindern
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Dr. Gabriele Czerny
Kreative Verfahren zur Sprachförderung Thema: Geschichten erfinden, Geschichten erzählen und Kindern zuhören gehört zur
Elementarbildung, um die Sprache und die Erzählfähigkeit bei den Kindern zu
fördern. Der Bedeutung des Erzählens hat man erst in den letzten Jahren einen
Eigenwert zugesprochen. Es bestand lange Zeit die Dominanz der Schriftlichkeit, des
Verfassens von Texten nach vorgefertigten Mustern. Von einer Didaktik des
Erzählens spricht man erst seit den späten 80er Jahren. Eng verbunden damit sind
die Namen Mechthild Dehn1, Kaspar Spinner2 und Claus Claussen3. Erzählen als
gesellige Praxis heißt bei Claussen, dass Kinder und Lehrerin gemeinsam erzählend
etwas Neues gestalten. Der Lehrerin kommt dabei die Rolle der Impulsgeberin zu. Ihr
Interesse richtet sich auf den Weg (Prozessorientierung), d.h. auf den sich
entfaltenden Prozess des freien Ausdenkens, des miteinander Suchens, Findens und
Aushandelns, des kreativen Fantasierens und gemeinsamen Erzählens, auf die
Entwicklung der inneren Bilder und der Fabulierlust. Eine wesentliche Voraussetzung
ist die Gestaltung einer atmosphärischen Erzählsituation, in dem z.B. gemeinsame
Rituale (gemeinsame Atemübungen, Stille-Übungen) die Kinder auf das Erzählen
einstimmen.
Im Erzählen geben Kinder ihrem Erleben und ihren Erfahrungen einen eigenen
Ausdruck. Ihre Erlebnisse beziehen sich auf Erfahrungen ihrer Alltagswelt, aber auch
auf Gehörtes, Gesehenes und durch Medien Vermitteltes. Sie kreieren im Erzählen
Bedeutung oder anders ausgedrückt sie konstruieren im Erzählen ihre Welt. Die
Fähigkeit des Erzählens hat somit ästhetisch bildenden Charakter, da Kinder
Eindrücke durch Sprache und Gestaltung verarbeiten können.
Die Schulpraxis zeigt jedoch, dass Kinder häufig Sprachhemmungen haben, also
sich nicht getrauen frei zu sprechen oder aber auch Sprachdefizite aufweisen, d.h.
sie sind gar nicht in der Lage Worte zu finden, für das, was sie ausdrücken bzw.
mitteilen wollen. Eine Schlüsselfigur innerhalb der Spracherziehung nimmt die
1 Dehn, Mechthild (2000): Geschichten erzählen. In: Die Grundschulzeitschrift, 14. Jg., Nr. 132, S. 6-11 2 Spinner, Kaspar H.. Kreativer Deutschunterricht. Imagination Kognition Emotion. Seelze 2001. 3 Claussen, Claus und V. Merkelbach: Erzählwerkstatt. Mündliches Erzählen. Braunschweig 2003.
Lehrerin ein. (Sprachmodell4). Von ihrer eigenen Erzähl- und Lesefreude hängt es
unter anderem auch ab, Freude und Spaß bei den Kindern zum Zuhören zu wecken
und sie zum eigenen Sprechen und Erzählen zu motivieren.
Das bedeutet, dass die Lehrerin Sprachvorbild ist und ihr eigenes Sprachverhalten
reflektieren muss.
Die folgenden kreativen Verfahren zeigen wie den Kindern Brücken zum Erzählen
gebaut werden können und damit ihre Phantasie und Fabulierlust anregen.
Kreative Verfahren zeichnen sich dadurch aus, dass sie in besonderer Weise die
Wahrnehmungs- Imaginationsfähigkeit der Kinder sensibilisieren. Sie ermöglichen
subjektive Äußerungen und regen die individuellen Sprachfähigkeit an.
Somit zeichnen folgende Grundprinzipien die kreativen Verfahren aus:
• Antrieb (Wille zum Erzählen)
• Wahrnehmung und Imagination (Es geht um die Ausgestaltung von
Phantasien und ein Sich - Hineindenken in andere Welten und
Erfahrungsweisen)
• Expression
Der folgende Praxisteil umfasst vier Teile: In Teil A steht die LehrerIn als
„Sprachmodell“ im Mittelpunkt. Es werden Übungen vorgestellt, die ihre Artikulations-
und Sprachfähigkeit Lehrerin trainieren. Daran schließt sich die Geschichte vom
„Lied der bunten Vögel an“5. Die Kinder werden zunächst durch theaterpädagogische
Zugänge in die Thematik eingeführt. Im Anschluss daran führt die Lehrerin gestaltend
in die Geschichte ein und gibt den Kindern Impulse zum Weitererzählen.
Im Mittelpunkt des Teil B stehen die Drachengeschichten von Klaus Baumgart6:
„Wirklich wahr“ und „Ertappt“. Es werden zwei verschiedene Vorgehensweisen
gezeigt, die die Kinder zum Sprechen und Erzählen auffordern sollen.
In Teil C ist eine Phantasiereise Erzählimpuls und in Teil D wird dargestellt wie am
Beispiel vom Improvisieren mit Chiffontüchern sich eigene Geschichten entwickeln
können.
4 Becker-Textor, Ingeborg und G. Michelfeit: Was Kindergeschichten erzählen. Kinder zuhören - Kinder verstehen lernen. München 2000. S. 7-36, S. 68-78 5 Kobna Anan: Das Lied der bunten Vögel. Münsingen Bern 1995. 6 Baumgart Klaus: Wirklich Wahr. Ertappt. Wien Stuttgart 1989.
Teil A: Die Lehrerin als Vorbild Das mündliche Erzählen kann von sichtbaren und hörbaren Kriterien beeinflusst