29.11.2009 Kernkraftwerke & Sicherheit Horst-Michael Prasser ETH Zürich ETH Alumni Math • Phys 13.11.2012
29.11.2009
Kernkraftwerke & Sicherheit
Horst-Michael Prasser ETH Zürich
ETH Alumni Math • Phys
13.11.2012
29.11.2012 2
Sicherheitsproblematik in der Kerntechnik
Spaltprodukte stark radioaktiv, teilweise flüchtig (z.B. I-131, Cs-137) ⇓
Hohe Radiotoxizität und Wärmeentwicklung ⇓
Barrieren gegen Freisetzung von radiotoxischen Stoffen notwendig ⇓
Herausforderung: Gefährdung der Barrieren durch Wärmeentwicklung
29.11.2012
←
Bru
nnen
G
GEN III
GEN II heute GEN II
Notstandssystem
Reaktorschutz Notkühlung verstärkt Containment Kernschmelze: <10-6/a Rückhaltung im Gebäude,
Ziel: Evakuierung unnötig Philosophie
Philosophie Kernschmelze: 10-4 … 10-3/a
Kernschaden hypothetisch, nur externer Katastrophenschutz
Reaktorschutz Notkühlung Containment
redundant diversitär
Kernschmelze: <10-4 (Schweiz: <10-5/a) Auswirkungen von
Kernschäden begrenzen Philosophie
Externe Einwirklungen
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Sicherheitssysteme: Schnellabschaltung
Notkühlung
Not
kühl
ung
System von Barrieren gegen die Ausbreitung von radioaktiven Stoffen
2. Barriere: Wände des Primärkreises
1. Barriere: Brennstabhülle
3. Barriere: Inneres Containment N
otkü
hlun
g
Not
kühl
ung
Not
kühl
ung
29.11.2012
KKW Gösgen
Fukushima Daiichi Unit 1
KKW Gösgen Notstandssystem (2x)
Reaktorbespeisung zur Verhinderung des Kernschadens Notspeisewassermenge, die einen
Kernschaden verhindert Abfuhr der Nachzerfallswärme aus dem Reaktorkern
• Keine grossen Notspeisemengen nötig (~10 – 15 kg/s anstelle von 1.5 t/s bei Normalbetrieb)
• Kernüberdeckung ausreichend, nach Abschaltung kein Wärme-übergangsproblem
Herausforderung
• Hohe Zuverlässigkeit
Probleme
• Druckentlastung des Reaktors
• Betriebsenergie
• Ultimative Wärmesenke
29.11.2012
Notkühlsystem – redundant ausgelegt Reaktor
Redundanz 1 Redundanz 2 Redundanz 3 Redundanz 4
Redundanz: 4 x 50 % = wenn 2 von 4 Systemen funktionieren ⇒ dann ist sichere Notkühlung gewährleistet
defekt in Reparatur
29.11.2012
Notstromversorgung – muss ebenfalls redundant ausgelegt sein
380 kV-Netz 110 kV-Reservenetz
Haupttransformator
Reserve-Transformator
Eigenbedarfs-Transformator
Haupt-schiene
Dieselgenerator
Sichere Schiene
Haupt-generator
defekt in Reparatur
29.11.2012
Lageplan Kernkraftwerk Gösgen (Beispiel)
29.11.2012
Externe Einwirkungen: Autonomes Notstandssystem
• Verlust der Notkühlsysteme durch schweres externes Ereignis ⇒
• Nachzerfallswärmeabfuhr für 10 Stunden ohne Intervention der Operateure
• 2 Stränge • autonom • Flugzeugabsturzsicher
Brunnen
Notkühl-pool
Notstandsdiesel
Nachzerfalls-kühler
Dampf-erzeuger
Notstandsgebäude
Notstands-warte
Leitungs-kanal Ringraum Inneres
Containment
29.11.2012
Generation III+ «Revolutionäre» Konzepte Passive Sicherheitssysteme im Bereich von Auslegungsstörfällen
Passive Containmentkühlung
Passive Kernflutung
Passive Druckentlastung
29.11.2012
Phänomene bei einem Kernschaden
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H2-Abbau durch Rekombinatoren
Zündgrenze
Detonationsgrenze
Deflagration
Auslegungsüberschreitende Störfälle Katalytische Wasserstoffverbrennung
Wasserstoff aus Zirkonium-Wasser-Reaktion kann Containment bedrohen
29.11.2012
Gaswäscher
Aerosolfilter
Abluftkamin
Man
ipul
atio
n vo
n au
ssen
mög
lich
grob fein
Nachrüstmassnahme: Gefilterte Druckentlastung
Berstscheibe
Stahlwand des inneren Containments
Betonwand des äusseren Containments
29.11.2012
Alle potentiellen Neuanlagen: Vorsorge für die Kernschmelze
Rückhaltung der Kernschmelze im Reaktorbehälter
Bis 1000 – 1200 MW
Rückhaltung der Kernschmelze im Containment (Core Catcher)
>1200 MW
29.11.2012
Verhinderung der grossen Freisetzung von radioaktivem Material
Auslegungsstörfall Auslegungsüber-schreitender Störfall
1. Barriere versagt → Kernschaden
Schutz der 1. Barriere (Brennstabhülle) durch • Inhärent sichere Kern-
auslegung • Schnellabschaltung • Notkühlung (alles redundant/diversitär)
Schutz der 3. Barriere (Containment) durch • Containmentkühlung • Wasserstoffbeherrschung • Gefilterte Druckentlastung • Kernschmelzerückhaltung
Verhinderung einer grossen Freisetzung
von radioaktivem Material
29.11.2012
Zusammenfassung • Sicherheitsdefizite der Anlage in Fukushima vermeidbar
• Nachrüstung bestehender Anlagen
• Evolutionäre und revolutionäre Konzepte zur Erhöhung der Auslegungssicherheit
• Notstandssysteme gegen Einwirkungen von aussen
• Systeme zur Vermeidung oder Reduzierung von radioaktiven Freisetzungen bei Kernschäden
• Richtlinien zur Beherrschung schwerer Störfälle mit Kernschäden und entsprechendes Training der Operateure
• Gemeinsame Merkmale der Anlagen der Generation III (Neubauanlagen)
• Evolutionäre und revolutionäre Konzepte zur Erhöhung der Auslegungssicherheit
• Einrichtungen zur Kernschmelzerückhaltung
29.11.2012
Danke für die Aufmerksamkeit!
29.11.2012
Passive Druckentlastung
Becken ausserhalb des Containments
Aktivierung durch Spreng-ventil
Aktivierung von Druckent- ventilen
Flutbecken, innerhalb des Containments
WÜ
WÜ
Becken im Containment (=ECC pool)
Dru
ckha
lter
AP1000 (PWR) • Entlastung vom Druckhalter • Passiv D
ESBWR (BWR) • Isolationskondensator • Passiv D
KERENA (BWR) • Notkondensator • Passiv B
Aktivierung bei Niveauabfall
Dampf-Verteiler
29.11.2012
GE Isolation Condenser – ein passives System in Fukushima? F1 Block 1: Isolation Condenser
Ventile für Durchdringungsabschluss vorhanden
Operateure können die Ventile steuern
• Verletzung der IAEA-Kriterien:
• Nur Ventile mit einmaliger Schaltaktion erlaubt
• Ausschluss der Aktivierung oder (schlimmer) Deaktivierung des Systems durch Operateure
→ Der frühe GE “Isolation Condenser” erfüllt Passivätskriterien nicht
Wand des Containments
IC Frischdampf
Speisewasser
29.11.2012 Source: IAEA-TECDOC-1624
Flut-becken
Flutventil (Rückschlagklappe,
passiv C)
Schwerkraftgetriebene Strömung
H
Passive Kernflutung (Niederdruckeinspeisung)
KERENA
Rückschlagklappen
Normal geschlossen
Reaktor-kern
Boriertes Wasser
29.11.2012 Source: IAEA-TECDOC-1624
Passive Hochdruckeinspeisung Kernflutbehälter
• Antriebskraft Gas-/Dampfdruck • Start der Einspeisung, wenn
Reaktordruck unter Fülldruck fällt
Hydroakkumulatoren
• Schwerkraftgetrieben • Einspeisung vom
Reaktordruck unabhängig
Normal offen
Normal geschlossen
Rückschlagklappen Rückschlagklappen
Gas- oder Dampfpolster unter Druck
Normal offen
Boriertes Wasser
Boriertes Wasser
29.11.2012
Passive Containmentkühlung
ESBWR / ABWR II (SWR) KERENA (SWR)
• Aktivierung durch Temperaturanstieg im Containment – passiv B • Kondensat kehrt in Reaktor zurück über die Flutleitung
Absetz- und Abschirmbecken
Gebäude-kondensator
Flutbecken
Flutbecken
Gebäude-kondensator
Flutleitung
29.11.2012
AP1000
Westinghouse
activation necessary
Concept of protection:
Internal pressure: Hermetic steel shell
External threats: Concrete shell
Short term:
• Enhancement of cooling by passive water spray (passive D)
Long term:
• Natural air convection in annular gap sufficient to remove decay heat
Advantages:
• Long term heat sink – no actions required
Disadvantage:
• No leakage monitory by suction from the annular gap between primary and secondary containment Gorgemans, 2007
Passive containment cooling (steel shell cooling)
29.11.2012
Ersatz externer Signale durch passive Impulsgeber
• Normaler Reaktorfüllstand
• Passiver Impulsgeber primärseitig mit Wasser gefüllt, kalt
• Keine Erwärmung des Sekundärfluids
• Kein Druckimpuls
KERENA
• Reaktorfüllstand niedrig
• Passiver Impulsgeber primärseitig mit Dampf gefüllt, heiss
• Sekundärfluid verdampft
• Druckimpuls betätigt Pilotventil
Passiver Impulsgeber
Primärseite
Sekundärseite
Pilotventil
29.11.2012
Auslösung von Sicherheitssystemen durch passive Impulsgeber
Reaktorschnellabschaltung
Reaktordruck-entlastung
Containment-Durch-dringungsabschluss
Passive Impulsgeber
KERENA
29.11.2012
Sprengsatzgesteuertes Ventil (squib valve)
Auslösung "Isolation Condenser", Hydrostatisches Fluten, Fluten Reaktorgrube ESBWR, 2007
Druckbolzen Sprengladung Sprengladung gezündet
Kolben
Sprengring Schersektion Sprengring
nach Zündung
Rückmeldekontakt
29.11.2012
Vorsorge für schwere Störfälle SWR 1000
Wasserstoff • Containment inertisiert
Kernschmelze • Interne Kernrückhaltung
Flutung der Reaktorgrube aus dem Flutbecken
Keine Beton-Schmelze-Wechselwirkung
Keine Überschreitung Auslegungsdruck Containment
• Gefilterte Druckentlastung nicht vorgesehen
Stosic et al., 2008
29.11.2012
Evolutionäre GEN III Typen
ABWR EPR 4'500 MWth
1'600 MWel
η = 36-37 %
pFD = 78 bar Hauptneuerung am Reaktor:
Schwerer Reflektor → verbesserte Neutro-nenausnutzung
CDF ~3.9.10-7 1/a
4'300 MWth
1'460 MWel (FIN5)
η = 34 %
pFD = 72 bar Hauptneuerung am Reaktor:
Interne Umwälz-pumpen → tiefliegende Positionen für grosse KM-Lecks eliminiert
(in Deutschland seit 1977! Brunsbüttel)
CDF ~1.6.10-7 1/a
Quinot, 1999
Beard, 2007
29.11.2012
Hochdruck-pumpe Fl
ut-
beck
en
2 Kernflutbehälter
Gebäudesumpf
Vereinfachung des Notkühlsystems beim EPR
1 Kernflut-behälter
Sumpf-kühler
Niederdruckpumpe
IRWST
Mitteldruck-Pumpe
KONVOI EPR Sumpf-kühler
29.11.2012
Niederdruck-Notkühlpumpe
Hochdruck-Notkühlpumpe
Flutbecken Wasser + Borsäure
Nachwärme- kühler
2 Druckspeicher (Kernflutbehälter)
Reaktor
Gebäudesumpf
Notkühlsystem KONVOI
29.11.2012
Notkühlsystem – redundant ausgelegt
Reaktor
Redundanz 1 Redundanz 2 Redundanz 3 Redundanz 4
KONVOI: 4 x 50 % (Redundanz 2 von 4) Deterministischer Ausschluss der Kernschmelze (mit Einzelfehlerkriterium)
defekt in Reparatur
29.11.2012
Evolutionäre Weiterentwicklung der Sicherheit Reaktor
Redundanz 1 Redundanz 2 Redundanz 3 Redundanz 4
EPR: Erhöhte Redundanz: 4 x 100 % (Redundanz 1 von 4)
⇒ Kernschmelzhäufigkeit unter 10-6 1/a
in Reparatur Defekt
29.11.2012
Reaktor
Flutbecken = Containment-Sumpf
Umschaltung Sumpfbetrieb fällt
weg → CDF ⇓
Evolutionäre Weiterentwicklung der Sicherheit Vereinfachung - Verringerung der Fehlermöglichkeiten
Niederdruck-Notkühlpumpe
Mitteldruck-Notkühl-pumpe
Nachwärme- kühler
Druckspeicher (Kernflutbehälter)
EPR, Areva NP
Leckmassenstrom sammelt sich im
Containment-Sumpf
IRWST
29.11.2012
Bodenkühlung Schmelzekanal Schutz- Schmelzpfropfen schicht
Opferschicht Verteilungsfläche
Opferschicht Schutzschicht
Beherrschung der Kernschmelze - Core Catcher
EPR, Areva NP M. Fischer / NED 230 (2004) 169–180