Kaufverhalten und Kundenloyalität im E-Commerce – zwei empirische Untersuchungen Inauguraldissertation zur Erlangungen des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie der Philosophischen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald vorgelegt von Isabell Mentzel
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Kaufverhalten und Kundenloyalität im E-Commerce –
zwei empirische Untersuchungen
Inauguraldissertation
zur Erlangungen des akademischen Grades
eines Doktors der Philosophie
der Philosophischen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität
Abbildung 1: Struktur der Arbeit ......................................................................................... 4
Abbildung 2: Phasenmodell der Entwicklung zum E-Commerce-Kunden ....................... 11
Abbildung 3: Gebiete der Käuferverhaltensforschung....................................................... 15
Abbildung 4: Einflussfaktoren beim organisationalen Einkauf von Bürobedarf ............... 17
Abbildung 5: Ausmaß kognitiver Steuerung bei unterschiedlichen Kaufentscheidungs-arten.............................................................................................................. 24
Abbildung 6: Grundstruktur von S-O-R-Modellen............................................................ 35
Abbildung 7: Modell von Howard und Sheth (1969) ........................................................ 37
Abbildung 8: Modell von Engel, Blackwell und Miniard (1990) ...................................... 41
Abbildung 9: Das Dreikomponentenmodell der Einstellung von Rosenberg und Hovland (1960) ............................................................................................ 46
Abbildung 10: Überblick über die Theorie des überlegten Handelns (TORA)................... 50
Abbildung 11: Überblick über die Theorie des geplanten Verhaltens (TOPB)................... 54
Abbildung 12: Anwendung der TOPB auf das Verhalten „Einkaufen im Internet“............ 59
Abbildung 13: Grundstruktur des Confirmation/Disconfirmation-Paradigmas .................. 63
Abbildung 14: Modell der Zufriedenheit von Hofstätter (1986) ......................................... 73
Abbildung 15: Kundenzufriedenheit als kognitiv-emotionales Konstrukt.......................... 74
Abbildung 16: Konsequenzen von Kundenzufriedenheit und Kundenunzufriedenheit ...... 77
Abbildung 17: Zweidimensionales Kundenbindungskonzept nach Homburg und Faßnacht (1998), in der Interpretation von Braunstein (2001)..................... 86
Abbildung 18: Schichtenmodell der Kundenloyalität nach Stahl (1999) ............................ 87
Abbildung 19: Konzept der Kundenloyalität nach Dick und Basu (1994).......................... 90
Abbildung 20: Definition von Kundenloyalität für die vorliegende Arbeit ........................ 91
Abbildung 21: Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit, Verbundenheit und Weiterempfehlung nach Eggert und Helm (2000) ....................................... 96
Abbildung 22: Kundenbindungsmodell nach Braunstein (vereinfacht) .............................. 98
VIII
Abbildung 23: Grundstruktur des E-Commerce-Kundenloyalitätsmodells....................... 101
Abbildung 25: Untersuchungsdesign der Telefonbefragung ............................................. 107
Abbildung 26: Darstellung der beiden Hauptuntersuchungen........................................... 111
Abbildung 27: E-Commerce-Kaufverhaltensmodell unter Anwendung der TOPB.......... 113
Abbildung 28: Polaritätenprofil: Einstellung gegenüber dem Einkauf im Internet (Februar 2001)............................................................................................ 120
Abbildung 31: Korrelationen zwischen den Prädiktoren und der Intention ...................... 122
Abbildung 32: Anteil des über Internet bestellten Büromaterials Vergleich Februar/Juni ............................................................................................... 123
Abbildung 33: Korrelationen zwischen allen Modellvariablen......................................... 124
Abbildung 34: Überblick über die Ergebnisse der Regressionsanalysen .......................... 134
Abbildung 35: Definition der Kundenloyalität im E-Commerce-Kundenloyalitätsmodell155
Abbildung 38: Überblick über Verfahren zur Messung der Kundenzufriedenheit ........... 158
Abbildung 39: Globalzufriedenheit der Online-Kunden (Beispiel Juli)............................ 164
Abbildung 40: Verbundenheit der Online-Kunden (Beispiel Juli).................................... 165
Abbildung 41: Sicherheitsbedenken der Online-Kunden (Beispiel Juli) .......................... 166
Abbildung 42: Korrelationen zwischen den Prädiktoren und der Wiederkaufabsicht (erste Stichprobe) ....................................................................................... 169
Abbildung 43: Korrelationen zwischen den Prädiktoren und der Weiterempfehlungs absicht (erste Stichprobe)........................................................................... 170
Abbildung 44: Einfluss der einzelnen Zufriedenheitsdimensionen auf die Globalzufriedenheit (erste Stichprobe) ...................................................... 171
Abbildung 45: Interkorrelationen zwischen den Prädiktoren (erste Stichprobe) .............. 172
IX
Abbildung 46: Ergebnisse der ordinalen Regression der Modellvariante A (erste Stichprobe)................................................................................................. 174
Abbildung 47: Ergebnisse der ordinalen Regression der Modellvariante B (erste Stichprobe)................................................................................................. 176
Abbildung 48: Wichtigkeit der einzelnen Leistungsparameter für die Beurteilung der Globalzufriedenheit (erste Stichprobe) ...................................................... 178
Abbildung 49: Korrelationen zwischen den Prädiktoren und der Wiederkaufabsicht (zweite Stichprobe) .................................................................................... 179
Abbildung 50: Korrelationen zwischen den Prädiktoren und der Weiterempfehlungs- absicht (zweite Stichprobe)........................................................................ 180
Abbildung 51: Einfluss der einzelnen Zufriedenheitsdimensionen auf die Globalzufriedenheit (zweite Stichprobe) ................................................... 181
Abbildung 52: Interkorrelationen zwischen den Prädiktoren (zweite Stichprobe)............ 182
Abbildung 53: Ergebnisse der ordinalen Regression der Modellvariante A (zweite Stichprobe)................................................................................................. 183
Abbildung 54: Ergebnisse der ordinalen Regression der Modellvariante B (zweite Stichprobe)................................................................................................. 185
Abbildung 55: Vergleich der Sicherheitsbedenken der Online-Kunden im Hinblick auf Bestellungen bei dem untersuchten Anbieter und Bestellungen im Internet allgemein ................................................................................. 194
Abbildung 56: Zusammenfassende Ergebnisse der Regressionsanalysen der Modell- variante A (beide Stichproben) .................................................................. 199
Abbildung 57: Zusammenfassende Ergebnisse der Regressionsanalysen der Modell-variante B (beide Stichproben) .................................................................. 199
X
TABELLENVERZEICHNIS
Tabelle 1: Teilbereiche des E-Commerce............................................................................ 6
Tabelle 2: Vor- und Nachteile des E-Commerce aus Anbietersicht .................................... 9
Tabelle 3: Vor- und Nachteile des E-Commerce aus Nachfragersicht ................................ 9
Tabelle 4: Dimensionen des wahrgenommenen Kaufrisikos beim Online-Kauf .............. 13
Tabelle 5: Grundtypen von Kaufentscheidungsträgern ..................................................... 16
Tabelle 6: Dominante psychische Prozesse und Entscheidungsverhalten ......................... 25
Tabelle 7: Die fünf Typen des Qualitativen Zufriedenheitsmodells nach Stauss und Neuhaus (1999)................................................................................................. 76
Tabelle 8: Formen der Loyalität nach Oliver (1999) ......................................................... 93
Tabelle 9: Entsprechungen der TOPB-Variablen im Kundenbindungsmodell von Braunstein ......................................................................................................... 97
Tabelle 10: Darstellung des Untersuchungsdesigns .......................................................... 105
Tabelle 13: Kreuztabelle Bestellhäufigkeit im Internet / Intention ................................... 129
Tabelle 14: Prognose des tatsächlichen Verhaltens bei unterschiedlichen Ausprägungen der unabhängigen Variablen „Intention“ ........................................................ 130
Tabelle 15: Prognose des tatsächlichen Verhaltens bei unterschiedlichen Ausprägungen der unabhängigen Variablen „wahrgenommene Verhaltenskontrolle“ .......... 131
Tabelle 16: Prognose des tatsächlichen Verhaltens bei unterschiedlichen Ausprägungen der unabhängigen Variablen „wahrgenommene Verhaltenskontrolle“ (Betrachtung Heavy User) .............................................................................. 133
Tabelle 17: Übersicht über die Ergebnisse der Hypothesenprüfung ................................. 135
Tabelle 18: Entwicklung der Zufriedenheit über fünf Monate (Mittelwerte).................... 163
Tabelle 19: Entwicklung der Verbundenheit über fünf Monate (Mittelwerte).................. 164
Tabelle 20: Entwicklung der Sicherheitsbedenken über fünf Monate (Mittelwerte) ........ 165
Tabelle 21: Entwicklung der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle über fünf Monate.. 166
XI
Tabelle 22: Entwicklung der Wiederkaufabsicht über fünf Monate.................................. 167
Tabelle 23: Entwicklung der Weiterempfehlungsabsicht über fünf Monate..................... 167
Tabelle 24: Vergleich der standardisierten Regressionskoeffizienten der ersten und zweiten Stichprobe ......................................................................................... 186
Tabelle 25: Übersicht über die Ergebnisse der Hypothesenprüfung beider Stichproben .. 187
2LL-Wert doppelter Wert des Logarithmus der Likelihood-Funktion
ACTA Allensbacher Computer- und Telekommunikationsanalyse
aktual. aktualisiert(e)
Aufl. Auflage
Aug. August
B2B Business-to-Business
B2C Business-to-Consumer
BE behavioral expectation
Betr. Betreff
BI behavioral intention
ca. circa
d.h. das heißt
DBW Die Betriebswirtschaft
Dt. Deutsch(e/r)
E-Commerce Electronic Commerce
ebd. ebenda
ed. edition
eds. editors
E-Mail Electronic Mail
erw. erweitert(e)
et al. et alteri
etc. et cetera
f. folgende [Seite]
ff. folgende [Seiten]
Frankfurt a.M. Frankfurt am Main
Freiburg i.Br. Freiburg im Breisgau
GfK Gesellschaft für Konsumforschung
gfmt Gesellschaft für Management und Technologie
ggf. gegebenenfalls
XIII
GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung
H Hypothese
H. Heft
Hrsg. Herausgeber
Inc. Incorporated
IT Informationstechnologie
Jg. Jahrgang
Jr. Junior
KG Kommanditgesellschaft
KGaA Kommanditgesellschaft auf Aktien
KKV Komparativer Konkurrenzvorteil
KLI Kundenloyalitätsindex
LAE Leseranalyse Entscheidungsträger
Ltd. Limited
Marketing ZFP Marketing - Zeitschrift für Forschung und Praxis
N.J. New Jersey
n.s. nicht signifikant
neubearb. neubearbeitet(e)
No. Number
Nr. Nummer
o.V. ohne Verfasser
ORM Online Reichweiten Monitor
Pers. Personen
QZM Qualitatives Zufriedenheitsmodell
S. Seite
Sig. Signifikanz
sog. so genannte(r/s)
SPSS Statistical Package for the Social Sciences
TARP Technical Assistent Research Program
TOPB theory of planned behavior
TORA theory of reasoned action
t.s. teilweise signifikant
XIV
überarb. überarbeitet(e)
u. und
unveränd. unverändert(e)
unwes. unwesentlich(e)
USA United States of America
verb. verbessert(e)
vgl. vergleiche
Vh. Verhalten(s)
Vh.-kontrolle Verhaltenskontrolle
Vol. Volume
vollst. vollständig(e)
v. von/vom
wahrg. wahrgenommen(e)
Washington D.C. Washington Destrict of Columbia
Westdt. Westdeutsche(r)
WISU Das Wirtschaftsstudium
WWW World Wide Web
z.B. zum Beispiel
1
1. Einleitung
1.1. Problemstellung und Relevanz der Arbeit
Das Internet gewann in den letzten Jahren immer stärker an Bedeutung. Seine Nutzung
stieg kontinuierlich über alle Altersgruppen und soziale Schichten hinweg an. Im Zuge
dieser Entwicklung begannen immer mehr Unternehmen, Waren und Dienstleistungen
auch über das Internet anzubieten. Parallel dazu schossen reine E-Commerce-Anbieter wie
Pilze aus dem Boden. Jedoch zeigte sich schon nach kurzer Zeit, dass beim Handel im
Internet spezifische Hürden überwunden werden müssen. So muss eine neue Internet-Seite
zunächst einmal im riesigen Angebot des World Wide Web gefunden und für attraktiv
befunden werden. Eine zweite wichtige Voraussetzung für die Bestellung bei einem
Online-Anbieter ist das Vertrauen, das ein Nutzer in den Anbieter hat. Der Einkauf im Netz
birgt für den Käufer ein deutlich größeres Risiko als der im traditionellen Handel. Viele
Kunden haben Angst, ihre persönlichen Daten, insbesondere ihre Kreditkartennummer,
einem völlig unbekannten Unternehmen preiszugeben und sind unsicher, ob die bestellte
Ware tatsächlich geliefert wird und die versprochene Qualität bietet. Ein dritter Aspekt
besteht darin, dass Unternehmen durch die Entwicklung des Internet nicht mehr nur lokal
konkurrieren, sondern global. Dies führt zu einer ungeahnten Wettbewerbsintensität. Diese
wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass die Erwartungen der Kunden durch den E-
Commerce-Boom stark gewachsen sind, insbesondere hinsichtlich günstiger Preise. All
diese Gründe trugen dazu bei, dass viele neu gegründete Internet-Anbieter ebenso schnell
wieder von der Bildfläche des World Wide Web verschwanden wie sie gekommen waren.
Was also zeichnet ein erfolgreiches E-Commerce-Unternehmen aus? Welche Parameter be-
stimmen seinen Markterfolg? An erster Stelle steht hierbei, wie auch im traditionellen
Handel, der Kunde. Oberstes Ziel ist die Gewinnung neuer und die Erhaltung bereits
bestehender Kunden. Da ersteres gerade im E-Commerce einen extrem hohen Kostenfaktor
darstellt, sollten Online-Unternehmen vor allem letzteres ins Zentrum ihres Handelns
stellen. Eine umfassende Neuorientierung in Bezug auf Marketing und Vertrieb sowie
hinsichtlich der Wettbewerbsstrategien ist dabei unabdingbar. Das neue Medium hat zu
einem tiefgreifenden Wandel im Verbraucherverhalten geführt. Der Online-Kunde kann zu
2
jeder Tages- und Nachtzeit im Internet von Anbieter zu Anbieter „surfen“. Er kann ohne
großen Aufwand Preise und Angebote vergleichen und den Anbieter mit einem einzigen
„Klick“ wechseln. Eine langfristige Bindung der Kunden an das Unternehmen ist deshalb
für den E-Commerce von zentraler Bedeutung. Es stellt sich also die Frage, wie Kunden-
loyalität und Kundenbindung in einem so dynamischen Medium wie dem Internet erreicht
werden können. Eine zentrale Rolle spielt dabei, wie auch im traditionellen Handel, die
Kundenzufriedenheit. Zufriedene Kunden werden zu einem immer wichtigeren Wett-
bewerbsvorteil. Wie Kundenzufriedenheit im E-Commerce entsteht, aus welchen Faktoren
sie sich zusammensetzt und welche weiteren psychologischen Komponenten dabei eine
Rolle spielen, sind derzeit in der Forschung noch weitgehend ungeklärte Fragen. Eine um-
fassende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Kaufverhalten im E-Commerce
und seinen Determinanten scheint daher insbesondere aus Sicht der Psychologie geboten.
Obwohl in der betriebswirtschaftlichen Forschung eine sehr intensive Diskussion der
Themenbereiche Kundenzufriedenheit, Kundenloyalität und Kundenbindung auf der Basis
psychologischer Theorien geführt wird, werden diese in der Psychologie selbst stark
vernachlässigt. Die vorliegende Arbeit möchte diesem Mangel Abhilfe verschaffen.
1.2. Zielsetzung und Struktur der Arbeit
Die einführenden Bemerkungen zeigen die Notwendigkeit auf, das Verhalten der
Konsumenten im Medium Internet zu analysieren und neue Modelle über das Zusammen-
wirken der einzelnen Bestimmungsparameter zu entwickeln. Dies hat sich die vorliegende
Arbeit zur Aufgabe gemacht.
Das zentrale Forschungsanliegen besteht in der Konzeptualisierung und empirischen
Überprüfung zweier Modelle. Beim ersten handelt es sich um ein E-Commerce-
Kaufverhaltensmodell, das eine Anwendung der Theorie des geplanten Verhaltens (Ajzen,
1985) auf den organisationalen Einkauf im Internet darstellt. Das zweite Modell baut
ebenfalls auf dieser Theorie auf und bezieht zusätzlich weitere Erkenntnisse zu E-
Commerce und Kundenloyalität mit ein. Das Ergebnis ist ein E-Commerce-Kunden-
loyalitätsmodell zur Analyse der Determinanten von Kundenloyalität, zur Klärung der
Zusammenhänge zwischen den einzelnen Einflussfaktoren und zur Prognose von
3
Kundenloyalität, die eine Voraussetzung für langfristige Kundenbindung darstellt.
Praxisrelevantes Ziel der Arbeit ist es, ein umfassendes Verständnis der psychologischen
Prozesse der Kundenzufriedenheit und der Kundenloyalität im E-Commerce zu erreichen,
um entsprechende Handlungsempfehlungen für Unternehmen, die Produkte oder Dienst-
leistungen im Internet anbieten, ableiten zu können.
Im Einzelnen liegt der Arbeit folgender Aufbau zugrunde: Nach diesem einleitenden, zum
Thema hinführenden Kapitel werden die theoretischen Grundlagen der Arbeit dargestellt
(Kapitel 2). Ausgehend von grundlegenden Informationen zum Thema E-Commerce
(Kapitel 2.1) werden verschiedene Ansätze zur Erklärung von Kaufverhalten (Kapitel 2.2
und 2.3) vorgestellt. Dabei kristallisiert sich die Theorie des geplanten Verhaltens von
Ajzen (TOPB; 1985) als geeignetes Basismodell für die vorliegende Arbeit heraus. Sie
dient daher als Grundlage der Entwicklung eines E-Commerce-Kaufverhaltensmodells, das
in Kapitel 2.4 vorgestellt wird. In Kapitel 2.5 wird die Kundenzufriedenheit als Determi-
nante des Kaufverhaltens näher beleuchtet und ein umfassender theoretischer Bezugs-
rahmen gegeben. Als wichtige positive Konsequenzen der Kundenzufriedenheit gelten die
Kundenloyalität und die Kundenbindung, denen Kapitel 2.6 gewidmet ist. Kapitel 2.7 führt
alle vorangegangenen Themen zusammen, indem es ein eigens entwickeltes E-Commerce-
Kundenloyalitätsmodell vorstellt, dessen Basis wiederum die Theorie des geplanten
Verhaltens bildet (Kapitel 2.7).
An die beschriebenen theoretischen Ausführungen schließt sich der empirische Teil an
(Kapitel 3), der zwei verschiedene Studien umfasst. In einem einführenden Kapitel wird
das Untersuchungsdesign des gesamten Forschungsprojekts aufgezeigt (Kapitel 3.1). Daran
anschließend werden die beiden Hauptuntersuchungen separat dargestellt.
Im ersten Untersuchungsschritt (Kapitel 3.2) wird die Theorie des geplanten Verhaltens
(Ajzen, 1985) auf das Kaufverhalten im Internet angewandt. Hierbei werden anhand
empirischer Daten, die durch eine Telefonbefragung erhoben wurden, die Prozesse
analysiert, die der individuellen Kaufentscheidung zugrunde liegen. In einem zweiten
Schritt (Kapitel 3.3) wird versucht, ebenfalls aufbauend auf dem Modell von Ajzen und
unter Einbeziehung weiterer, im Theorieteil diskutierter Erkenntnisse ein integriertes
4
Untersuchungsmodell zur Erklärung und Prognose der Kundenloyalität im Internet zu
entwickeln und unter Anwendung online erhobener Daten zu überprüfen.
Eine Schlussbetrachtung, die die Ergebnisse beider Untersuchungen zusammenfasst und
diskutiert sowie weiteren Forschungsbedarf aufzeigt, schließt die Arbeit ab (Kapitel 4).
Abbildung 1 gibt einen Überblick über die soeben skizzierte Struktur der Arbeit.
1. Einleitung
1. Einleitung1.1. Problemstellung und Relevanz der Arbeit1.2. Zielsetzung und Struktur der Arbeit
2. Theorie
2.1. Kaufverhalten im E-Commerce 2.5. Kundenzufriedenheit als Determinante des Kaufverhaltens
2.7. E-Commerce-Kundenloyalitätsmodell auf Basis der TOPB
2.4. E-Commerce-Kaufverhaltensmodell unter Anwendung der TOPB
4. Schlussbetrachtung1. Einleitung4.1. Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse beider Studien
4.2. Fazit und Ausblick
3.1. Untersuchungsdesign Gesamtstudie
3.2. Empirische Prüfung des E-Commerce-Kaufverhaltensmodells (Telefon-Befragung)
3.3. Empirische Prüfung des E-Commerce-Kundenloyalitätsmodells (Online-Befragung)
2.2. Ansätze aus der Käuferverhaltensforschung zur Erklärung von Kaufverhalten 2.6. Kundenloyalität und Kundenbindung
2.3. Sozialpsychologische Ansätze zur Erklärung von (Kauf-)Verhalten
3. Empirie
Abbildung 1: Struktur der Arbeit
5
2. Theoretische Grundlagen
2.1. Kaufverhalten im E-Commerce
Die vorliegende Arbeit untersucht das Kaufverhalten und die Kundenloyalität im E-
Commerce. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Business-to-Business-Bereich. Die
empirische Überprüfung der beiden Modelle wird am Beispiel der organisationalen
Bürobedarfsbeschaffung vollzogen.
Im Folgenden wird daher zunächst der Begriff E-Commerce geklärt, kurz die Entwicklung
des E-Commerce dargestellt und die Vor- und Nachteile des E-Commerce für Anbieter und
Nachfrager aufgezeigt. Abschließend wird ein Modell der Entwicklung zum E-Commerce-
Kunden vorgestellt sowie die psychologischen Determinanten des Online-Kaufs erörtert.
2.1.1. Definition E-Commerce
Unter E-Commerce verstehen Kuß und Tomczak (2000, S. 155f.) „die Vermarktung und
Distribution von Unternehmensleistungen mit Hilfe eines umfassenden Einsatzes neuer
Informations- und Kommunikationstechnologien. [...] Vereinfachend kann man E-
Commerce [...] als ‚alle Formen der elektronischen Geschäftsabwicklung über öffentliche
oder private Computernetzwerke’ definieren“. Im E-Commerce lassen sich verschiedene
Bereiche hinsichtlich Anbieter und Nachfrager der Leistung differenzieren. Tabelle 1 gibt
einen Überblick über die Teilbereiche des E-Commerce (nach Kuß & Tomczak, 2000, S.
156).
Für die vorliegende Arbeit ist der Business-to-Business-Sektor relevant. Schwerpunkte in
diesem Bereich sind die Abwicklung von organisationalen Beschaffungsvorgängen sowie
der Austausch von Produkt- und Wirtschaftsdaten zwischen Unternehmen (vgl. Kuß &
Tomczak, 2000, S. 156).
6
Nachfrager der Leistung
Consumer Business Administration
Consumer Consumer-to-Consumer
(z.B. Internet-Kleinanzeigenmarkt)
Consumer-to-Business
(z.B. Jobbörsen mit Anzeigen von Arbeits-suchenden)
Consumer-to-Administration
(z.B. Steuerabwicklung von Privatpersonen)
Business Business-to-Consumer
(z.B. Bestellung von Konsumgütern)
Business-to-Business
(z.B. Beschaffung von Bürobedarf durch Unternehmen)
Business-to-Administration
(z.B. Steuerabwicklung von Unternehmen)
Anbieter
der
Leistung
Administration Administration-to-Consumer
(z.B. Abwicklung von Unterstützungsleistun-gen)
Administration-to-Business
(z.B. Beschaffung von Bürobedarf durch öffentliche Institutionen)
Administration-to-Administration
(z.B. Transaktionen zwischen öffentlichen Institutionen)
Themenbereich der vorliegenden Arbeit
Tabelle 1: Teilbereiche des E-Commerce
2.1.2. Internet – Grundlage für E-Commerce
Das Internet ist eine globale Netzstruktur, über die E-Commerce abgewickelt werden kann.
Interessant ist, dass das Internet in seiner heutigen Form nie geplant war. Ursprünglich ging
es der amerikanischen Regierung um die Entwicklung eines katastrophensicheren Compu-
ternetzes für militärische Zwecke (vgl. Hosseini-Khorassani, 2001, S. 26). Ein einschnei-
dender Fortschritt war 1962 die Erfindung eines auf gleichberechtigten Knoten
bestehenden Computernetzes, das die Daten „paketvermittelt“ versendet. Das bedeutet,
dass die zu übertragenden Informationen in „Pakete“ zerlegt und unabhängig voneinander
über das Netz verschickt werden (vgl. ebd.). Diese Art der Übertragung ist zum einen
weniger störanfällig als die herkömmliche Methode der leitungsvermittelten Übertragung,
zum anderen ist sie ökonomischer, da die vorhandenen Übertragungskapazitäten besser
ausgenutzt werden (vgl. Döring, 1999, S. 17). Das erste Experimentalnetzwerk dieser Art
wurde 1968 in England eingesetzt.
Neben dem Militär waren es dann in den 80er Jahren vor allem Hochschulen und wissen-
schaftliche Institute, die das Internet nutzten (vgl. Hanson, 2000, S. 4). Dank der Erfindung
7
des World Wide Web1, einer Anwendung (Applikation), die den Austausch und die
Verbreitung multimedialer Informationen erlaubt, trat das Internet ab 1993 einen
weltweiten Siegeszug an (vgl. Krempl, 1998, S. 208). Erste Unternehmen begannen, Infor-
mationen ins World Wide Web zu stellen und 1995 wurden die ersten Waren über das
Internet angeboten (vgl. Korb, 2000, S. 67). Die Faszination des WWW besteht
insbesondere in seiner globalen Reichweite. Menschen aus unterschiedlichen Zeitzonen
können problemlos und zeitnah via E-Mail miteinander kommunizieren. Unabhängig von
Ort und Zeit kann weltweit auf die Informationen des WWW zugegriffen werden. „Das
Medium Internet verbindet schneller und billiger mehr Menschen untereinander und
versorgt sie mit mehr Informationen als jedes andere Medium zuvor“ (Dholakia, Dholakia,
Zwick & Laub, 2001, S. 75).
Mittlerweile befindet sich das Internet auf dem Weg zu einem Alltagsmedium. 35,1 % der
Bevölkerung zwischen 14 und 64 Jahren zählen zu den regelmäßigen Internet-Nutzern mit
einer Nutzungs-Frequenz von mindestens zwei- bis dreimal pro Woche (vgl. www.wuv-
studien.de, Zugriff: 01.08.2002). Im Frühjahr 2001 waren dies 28,8 % und im Frühjahr
2000 noch 19,9 %. Insgesamt sind heute 45,7 % der Deutschen zwischen 14 und 64 Jahren
„im Netz“, das entspricht 23,2 Mio. Menschen. 2001 waren es 40 %, 2000 erst 28,6 % und
1999 lag der Anteil noch bei 16,9 % (vgl. ebd.). Bezüglich der Soziodemographie findet
nach und nach eine Nivellierung statt. Waren es früher primär die höheren Bildungs- und
Einkommensgruppen, die das Internet in Anspruch nahmen, verteilen sich die Nutzer
mittlerweile zunehmend auch auf die übrigen Bildungs- und Einkommensschichten (vgl.
www.acta-online.de, Zugriff: 01.08.2002). Auch der Anteil an Frauen ist in den letzten 5
Jahren von 19 % auf 52 % angestiegen (vgl. ebd.). Hinsichtlich des Alters besteht zwar
nach wie vor ein Schwerpunkt in den jüngeren Altersgruppen, jedoch ist der Anteil in den
älteren stark steigend. Prognosen zufolge werden sich die beschriebenen Tendenzen mit
zunehmender Popularität des Internet weiter fortsetzen (vgl. ebd.).
2.1.3. Entwicklung des E-Commerce
Das größte Wachstum im E-Commerce wurde und wird durch Geschäftsabwicklungen
zwischen Unternehmen, dem Business-to-Business, generiert (vgl. Kotler & Bliemel, 2001,
1 Definitorisch ist festzuhalten, dass es sich bei dem Begriff Internet um eine Netzwerk-Infrastruktur
handelt und das World Wide Web (WWW) eine von zahlreichen im Internet angebotenen Applikationen
8
S. 387). 2001 entfielen ca. 77 % des gesamten europäischen Handelsvolumens über das
Internet auf den Business-to-Business-Bereich, 2002 sind es ca. 80 % und für 2003 wird
der Anteil auf 85 % prognostiziert (www.accenture.de, Zugriff: 01.08.2002). Eine
besondere Rolle spielt dabei die elektronische Beschaffung von Betriebsmitteln, das heißt
von Materialien, die zur Betriebs- oder Geschäftsausstattung gehören oder für Reparatur
und Wartung benötigt werden (vgl. Hosseini-Khorassani, 2001, S. 67). Dazu zählen auch
Büromaterialien, die der Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit sind. Die
Prozesse, die mit der (herkömmlichen) Beschaffung solcher geringwertiger Güter wie
Büromaterial verbunden sind, generieren oft Kosten, die in keinem Verhältnis zu dem
geringen Wert der benötigten Materialien stehen (insbesondere die Arbeitszeit des Einkäu-
fers). Durch elektronische Beschaffung wird der Bestellprozess automatisiert und beschleu-
nigt (vgl. Hosseini-Khorassani, 2001, S. 67). Der Einkäufer hat dadurch mehr Zeit für
andere Aufgaben, z.B. Preisvergleiche und Aushandlung besserer Konditionen, was wiede-
rum den wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens zugute kommt. Außerdem wird so-
wohl der Papierverbrauch als auch der Aufwand für traditionelle Bestell- und Liefer-
prozesse reduziert (vgl. Kotler & Bliemel, 2001, S. 388). So konnte beispielsweise ein
amerikanisches Unternehmen (National Semiconductor) durch Einführung eines elektroni-
schen Bestellsystems die Kosten für den Einkaufsprozess von 75 - 250 $ auf 3 $ senken
(vgl. ebd.).
2.1.4. Vor- und Nachteile des E-Commerce
Wie die bisherigen Ausführungen zum E-Commerce gezeigt haben, bringt der Handel via
Internet viele Vorteile, sowohl für Anbieter als auch für Nachfrager. Allerdings existieren
nach wie vor einige Probleme, die es – insbesondere seitens der Anbieter – zu lösen gilt
(vgl. Bliemel & Fassott, 2000, S. 19). An erster Stelle ist hier die Angst vor Sicherheits-
mängeln zu nennen. So stimmen 39,8 % der Internet-Nutzer der Aussage „Der Zahlungs-
verkehr über das Internet ist noch zu unsicher“ „voll und ganz“ zu (vgl. ORM 2002/I),
ebenso pflichten 31,2 % der Nutzer der Aussage „Der Schutz der persönlichen Daten ist im
Internet nicht genügend gewährleistet“ bei („voll und ganz“). Internet-Anbieter müssen
also weiter daran arbeiten, die Nutzer von der Sicherheit ihrer Website zu überzeugen.
Aufgrund ihrer hohen Bedeutung für den Einkauf im Internet wurden Sicherheitsbedenken
(Anwendungen) des Internet ist (vgl. Hosseini-Khorassani, 2001, S. 28). Eine weitere Anwendungen ist
9
auch in die Online-Untersuchung der vorliegenden Arbeit aufgenommen (vgl. Kapitel
3.3.1). Bei anderen Nachteilen, wie z.B. langen Ladezeiten oder schlechter Benutzer-
führung, ist davon auszugehen, dass sie mit zunehmender Reife des Mediums und
wachsender Erfahrung der Anbieter wegfallen werden.
Im Folgenden werden die Besonderheiten des Kaufverhaltens im E-Commerce anhand der
bestehenden Vor- und Nachteile dieser Form der Geschäftsabwicklung zusammenfassend
dargestellt. Dabei wird zwischen Anbieter- und Nachfragersichtweise unterschieden.
Vorteile Nachteile
Nutzerverhalten auf Website kann verfolgt und analysiert werden, z.B. durch so genannte „Cookies2“ (vgl. Dholakia, Dholakia, Zwick & Laub, 2001, S. 84)
Sinkende Gewinnspannen aufgrund der besseren Preisvergleichsmöglichkeit der Nachfrager (vgl. Dholakia, Dholakia, Zwick & Laub, 2001, S. 69)
Reduzierung der Transaktionskosten (vgl. Kotler & Bliemel, 2001, S. 388)
Kunde kann durch wenige „Klicks“ den Anbieter wechseln
Möglichkeit des One-to-One-Marketing (vgl. Wirtz & Vogt, 2001, S. 120)
Tabelle 2: Vor- und Nachteile des E-Commerce aus Anbietersicht
Vorteile Nachteile
Einkauf und Informationen unabhängig von Zeit und Ort Angst vor Sicherheitsmängeln, v.a. bei Angabe persönlicher Daten, z.B. Kreditkarten
Geringere Informations- und Transaktionskosten (vgl. Wirtz & Vogt, 2001, S. 117)
Gefahr des „gläsernen Kunden“, Schutz der Privatsphäre fraglich
Geringere Beschaffungs- und Lagerkosten Lieferkosten, Online-Kosten
Potenziell günstigere Preise teilweise lange Ladezeiten
Bequem vom Büro bzw. von zu Hause aus teilweise schlechte Benutzerführung
Tabelle 3: Vor- und Nachteile des E-Commerce aus Nachfragersicht
z.B. E-Mail. WWW und E-Mail werden auch als Internet-Basisdienste bezeichnet (vgl. ebd., S. 64). 2 Cookies sind „kleine Dateien, mit deren Hilfe auf dem Rechner des Nutzers Informationen hinterlegt
werden können, bspw. in Form von ID-Codes, die zur Nutzeridentifikation herangezogen werden können“ (Buxel, 2002, S. 12). Sie können Aufschluss über Interessen der Nutzer geben.
10
2.1.5. Entwicklung zum E-Commerce-Kunden
Im Folgenden wird ein von der IBM Consulting Group entwickeltes Phasenmodell vor-
gestellt (vgl. Abbildung 2), das den Weg eines Kunden vom ersten Kontakt mit dem
Medium Internet zum E-Commerce-Kunden beschreibt (nach Kuß & Tomczak, 2000, S.
159). Es handelt sich hierbei um ein idealtypisches Modell, dessen einzelne Stufen nicht
zwangsläufig chronologisch durchlaufen werden müssen. Auch der Einstieg ist prinzipiell
auf jeder Stufe denkbar.
Zu Beginn der Internet-Nutzung steht zunächst meist die „e-leisure“-Phase. In dieser
Phase steht die Nutzung des Internet zur Unterhaltung und zum Zeitvertreib im
Vordergrund (vgl. Kuß & Tomczak, 2000, S. 159). Der Internet-Neuling (auch Webnovize
genannt) verhält sich in dieser Phase ähnlich dem „Zappen“ im Fernsehen. Er wechselt von
Website zu Website, je nachdem, was ihm gefällt und was seine Aufmerksamkeit auf sich
zieht. Sein treibendes Motiv ist die Neugier und das Entdecken der Möglichkeiten des
neuen Mediums. Den nächsten Schritt stellt die „e-information“-Phase dar. In diesem
Stadium hat der User bereits Erfahrungen mit dem Internet und nutzt Hilfsmittel, wie z.B.
Suchmaschinen. Sein Umgang mit dem Medium ist deutlich professioneller. In dieser
Phase der Informationssuche werden verstärkt Urteile über die einzelnen Anbieter gebildet,
die der Kunde in den anschließenden Phasen des Kaufprozesses abruft. Die „e-contact“-
Phase steht im Zeichen der Interaktion mit anderen Nutzern in so genannten „Affinity
Groups“ oder „Chat Rooms“. Dies sind quasi „Diskussionsforen“, in denen ein Austausch
zwischen Nutzern mit gleichen Interessen stattfindet, und zwar ohne Zeitverzögerung und
weltweit. Mit dem Eintritt in die „e-shopping“-Phase beginnt der eigentliche E-
Commerce. Hier ist das primäre Ziel der Kauf selbst. Vorgeschaltet ist dabei jedoch die
Suche nach relevanten Informationen, die sich der E-Commerce-Kunde möglichst effizient
wünscht (vgl. Kuß & Tomczak, 2000, S. 160). Dies setzt eine übersichtliche und schnell
ladende Website voraus. Darüber hinaus ist für E-Commerce-Kunden die Einfachheit des
Warenbezugs, die Zuverlässigkeit bei der Bestellung und Abwicklung sowie die Sicherheit
im Daten- und Zahlungsverkehr von besonders hoher Bedeutung (vgl. ebd.). In der Phase
des „e-service“ werden nicht mehr nur Produkte über das Internet erworben, sondern auch
Dienstleistungen nachgefragt.
11
Phase 1:e-leisurePhase 1:e-leisure
Phase 2:e-information
Phase 2:e-information
Phase 3:e-contactPhase 3:
e-contact
Phase 4:e-shoppingPhase 4:
e-shopping
Phase 5:e-servicePhase 5:e-service
Nutzungsdauer des Internet
Kom
plex
ität /
Fun
ktio
nalit
ätsv
ielf
alt
… … … …
… = Nutzungsbarrieren
Abbildung 2: Phasenmodell der Entwicklung zum E-Commerce-Kunden
Bis es zum E-Commerce, also zu den Phasen des „e-shopping“ und „e-service“ kommt,
werden also je nach Individuum die vorangehenden Phasen mehr oder weniger ausführlich
durchlaufen. Der Kaufprozess selbst, der erst in den Phasen „e-shopping“ und „e-service“
eintritt, lässt sich analog zum „traditionellen“ Kaufprozess anhand extensiver, limitierter,
habitualisierter und impulsiver Kaufentscheidungen beschreiben, wie in Kapitel 2.2.3 zu
sehen sein wird.
2.1.6. Psychologische Determinanten des Online-Kaufs
Hinsichtlich der psychologischen Determinanten, die einen Einkauf im Internet
begünstigen, werden in der Literatur folgende Faktoren diskutiert:
Preisorientierung
„Gerade die beim Online-Shopping deutlich geringeren Informationskosten bewirken eine
höhere Preistransparenz auf Seiten der Konsumenten mit der Folge, dass die bessere
Informationssituation die Preisorientierung aufrechterhält oder gar forciert [...]. Dies
spricht dafür, dass vor allem preisorientierte Konsumenten das Internet nutzen, um ihr
Bedürfnis nach preisgünstigen Einkäufen zu befriedigen“ (Lingenfelder, 2001, S. 377).
12
Convenienceorientierung
Unter Convenienceorientierung lässt sich (in Anlehnung an den angelsächsischen Begriff
convenience: Annehmlichkeit, Bequemlichkeit) das Streben des Kunden nach einer
möglichst bequemen Art des Einkaufens und Ge- bzw. Verbrauchens von Produkten
verstehen (vgl. Swoboda, 1999, S. 95). Im Kontext der vorliegenden Untersuchung liegt
der Fokus auf der Bequemlichkeit im Hinblick auf den Erwerb der gewünschten Produkte.
Erfolgt dieser über das Internet, können Zeit-, Informations- und Planungsaufwand seitens
des Kunden stark reduziert werden (vgl. Dach, 2000, S. 192).
Die Absicht, im Internet einzukaufen, müsste also umso größer sein, je stärker die
Convenienceorientierung eines Kunden ist (vgl. Lingenfelder, 2001, S. 377). Dies belegt
auch eine Studie von Li, Kuo und Russell. Internet-Vielkäufer hatten hier eine signifikant
höhere Convenienceorientierung als Nicht- bzw. Wenig-Käufer (vgl. Li, Kuo & Russell,
1999).
Wahrgenommenes Kaufrisiko
Grundsätzlich birgt jede Form des Distanzhandels, so auch der Online-Handel, größere
Risiken als der Kauf im stationären Einzelhandel. Welche Dimensionen des
wahrgenommenen Kaufrisikos beim Einkauf im Internet eine Rolle spielen und wie diese
aussehen, ist in Tabelle 4 dargestellt (nach Lingenfelder, 2001, S. 379f.).
Insbesondere das Übertragungs- und das Datenrisiko spielen beim E-Commerce eine
besonders große Rolle, wie auch die Vorstudie und die telefonische Befragung der
vorliegenden Arbeit zeigten. In letzterer bekundeten 43,8 % der Befragten genau diese
Sicherheitsbedenken bei Bestellungen im Internet. Allerdings berichten nur 6,8 % der
Befragten von persönlichen negativen Erfahrungen.
13
Risikoart Beschreibung
Funktionales Risiko Risiko, dass das Produkt nicht die gewünschten Eigenschaften aufweist oder nur bedingt funktionstüchtig ist. Gerade beim Internetkauf nimmt diese Risiko-dimension eine besondere Rolle ein, weil der Konsument vor dem Kauf die Quali-tät des Produkts nicht überprüfen kann.
Finanzielles Risiko Gefahr finanzieller Einbußen, falls das Produkt bei einem anderen Anbieter güns-tiger gewesen wäre oder die in einen Fehlkauf investierten Geldmittel nicht mehr für den Erwerb anderer Güter zur Verfügung stehen. Ersteres Risiko ist aufgrund der guten Preisvergleichmöglichkeiten im Internet niedriger als im stationären Handel.
Physisches Risiko Risiko, dass vom Produkt eine Gefahr für die Gesundheit ausgeht, wenn z.B. Online-Anbieter auf die Angabe von Inhaltsstoffen (z.B. bei Lebensmitteln und Körperpflegemitteln) verzichten.
Soziales Risiko Umstand, dass entweder das erworbene Produkt oder das Online-Shopping selbst von der sozialen Bezugsgruppe des Konsumenten nicht akzeptiert wird.
Psychologisches Risiko Risiko, dass das Produkt oder das Einkaufen über das Internet nicht mit der eigenen Selbsteinschätzung übereinstimmt und hieraus eine Unzufriedenheit des Konsumenten mit dem Produkt bzw. dem Kauf resultiert.
Übertragungsrisiko Risiko, dass bei der Bestell- und Zahlungsabwicklung persönliche Daten aufgrund von Sicherheitsmängeln an unberechtigte Dritte gelangen können.
Datenrisiko Risiko, dass Online-Anbieter sensible Kundendaten erfassen, speichern und ggf. an andere Unternehmen veräußern.
Tabelle 4: Dimensionen des wahrgenommenen Kaufrisikos beim Online-Kauf
Es ist davon auszugehen, dass Konsumenten eher dazu neigen, im Internet einzukaufen, je
geringer ihr wahrgenommenes Risiko bezüglich des Online-Kaufes ist. Eine Studie von
Dholakia und Dholakia bestätigt diesen Zusammenhang. Erfahrene Online-Käufer wiesen
systematisch geringere Bedenken gegenüber dem Internet im Hinblick auf Sicherheit,
Kriminalität und Privatsphäre auf als Nicht-Käufer (vgl. Dholakia & Dholakia, 2001, S.
429). Die Autoren schließen daraus, dass Online-Shopping die Bedenken abbaut. Diese
Interpretation muss jedoch bezweifelt werden. Es ist ebenso denkbar, dass Personen, die
weniger Bedenken haben, eher zu Online-Käufern werden als Personen, die starke
Bedenken gegenüber dem Einkauf in diesem Medium haben.
Die Theorie des wahrgenommenen Risikos geht davon aus, dass Konsumenten ab einer
bestimmten Toleranzschwelle Risikoreduzierungsstrategien einsetzen, um das Risiko zu
14
mindern (vgl. Lingenfelder, 2001, S. 380). Silberer und Yom untersuchten derartige
Risikoreduzierungsmaßnahmen bei Internet-Neulingen und stellten fest, dass die Bekannt-
heit der Marke eine große Rolle spielt (vgl. Silberer & Yom, 2001, S. 442). Webnovizen
beginnen ihre ersten Erfahrungen meist bei Anbietern, deren Name ihnen vertraut ist (z.B.
aus Werbung in klassischen Medien oder aus dem stationären Einzelhandel). Kennen sie
den Anbieter nicht oder nur wenig, gewinnen folgende Kriterien das Vertrauen der
Internet-Neulinge (vgl. Silberer & Yom, 2001, S. 443):
��gute Benutzerführung,
��gut aufbereitete Produktinformationen,
��leicht auffindbare Kontaktadressen und
��die Möglichkeit per Rechnung zu bezahlen.
Zufriedenheit mit dem stationären Einzelhandel
Empirische Befunde belegen, dass die Zufriedenheit von Konsumenten mit dem gesamten
wahrgenommenen Leistungsangebot des stationären Einzelhandels ihrer Umgebung
entscheidenden Einfluss auf die Nutzung des Online-Einkaufs hat (vgl. Lingenfelder, 2001,
S. 380). Die Ergebnisse sprechen dafür, dass eine bestehende Unzufriedenheit mit den
umgebenden Geschäften die Bereitschaft, im Internet einzukaufen, stärkt.
Die psychologischen Determinanten des Einkaufens im Internet wurden nun ausführlich
aufgezeigt. Im Folgenden werden verschiedene Ansätze aus der Käuferverhaltensforschung
zur Erklärung von Kaufverhalten im Allgemeinen vorgestellt, anschließend wird das
(Kauf-)Verhalten aus der Sicht der Sozialpsychologie dargelegt. In Kapitel 2.4 werden alle
genannten Themen in einem E-Commerce-Kaufverhaltensmodell zusammengeführt.
2.2. Ansätze aus der Käuferverhaltensforschung zur Erklärung von Kaufverhalten
2.2.1. Käuferverhaltensforschung
Bei der Betrachtung von Käuferverhalten muss zunächst zwischen Kaufentscheidungen
privater Haushalte und denen von Unternehmungen unterschieden werden: „Käufer oder
Konsument eines Gutes können zum einen die so genannten Endverbraucher sein, zum an-
deren gewerbliche Nachfrager, also insbesondere Industrie-, Handels- oder Dienstleis-
tungsunternehmungen. Das Verhalten beider Käufergruppen unterscheidet sich vielleicht
15
nicht grundsätzlich, aber einzelne Faktoren können von unterschiedlicher Bedeutung sein“
(Müller-Hagedorn, 1986, S. 40). Dies zeigt sich in einer Differenzierung der Käuferverhal-
tensforschung in Theorien des Konsumentenverhaltens privater Nachfrager und Theorien
des Beschaffungsverhaltens gewerblicher Nachfrager (vgl. Abbildung 3 nach Müller-Hage-
dorn, 1986, S. 39). Grundsätzlich wird jedoch davon ausgegangen, dass die Kaufprozesse
privater und gewerblicher Abnehmer eine ähnliche Struktur aufweisen, die sich in komple-
xen Kaufverhaltensmodellen abbilden lässt (vgl. Herrmann, 1992, S. 26). Trotz der Ähn-
lichkeiten in der Grundstruktur der Modelle dieser beiden Teilbereiche der Käuferverhal-
tensforschung müssen einige Besonderheiten des organisationalen Beschaffungsverhaltens
hervorgehoben werden.
Käuferverhaltens-forschung
Konsumenten-verhalten
(private Nachfrager)
organisationalesBeschaffungsverhalten
(gewerbliche Nachfrager)
Abbildung 3: Gebiete der Käuferverhaltensforschung
Das klassische organisationale Beschaffungsverhalten (im Sinne der Investitionsgüterbe-
schaffung) zeichnet sich aus durch
��hohe Spezifität und Komplexität der zu beschaffenden Güter,
��Mehr-Personen-Entscheidungen (oft Personen mit unterschiedlicher fachlicher
Ausrichtung) sowie
��Einflüsse aufgrund der organisationalen Einbindung.
Ob der Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit, die organisationale Beschaffung
von Büromaterial via Internet, dem klassischen Beschaffungsverhalten zuzuordnen ist oder
16
eher dem Konsumentenverhalten nahe steht, soll im Folgenden anhand dieser Kriterien
diskutiert werden.
Spezifität und Komplexität der zu beschaffenden Güter
Die Gegenstände gewerblicher Käufe lassen sich unterteilen in (vgl. Bänsch, 1998, S. 9):
��Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe,
��Investitionsgüter und
��Handelswaren.
Bei Büromaterial handelt es sich um (meist geringwertige) Güter, die in die Gruppe der
Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe fallen und keinen besonders hohen Entscheidungsaufwand
erfordern wie etwa die Beschaffung sehr kostenaufwendiger Investitionsgüter, bei denen es
der Kompetenz unterschiedlich ausgerichteter Fachleute bedarf. Zudem handelt es sich um
Produkte, die auch für private Haushalte gekauft werden. Es liegt also keine besondere
Spezifität oder Komplexität der zu beschaffenden Güter vor.
Mehr-Personen-Entscheidungen
An jeder Kaufentscheidung, sei sie im privaten oder im gewerblichen Kontext, können eine
oder mehrere Personen beteiligt sein. Man differenziert deshalb nach individuellen und
kollektiven Entscheidungen.
Betrachtet man die Anzahl der Personen, die eine Entscheidung treffen, und das Umfeld, in
dem sie dies tun (privat vs. gewerblich), so ergeben sich vier mögliche Kombinationen von
Kaufentscheidungssituationen:
1. individuelle Entscheidungen in einem privaten Haushalt,
2. individuelle Entscheidungen in einem Unternehmen,
3. kollektive Entscheidungen in einem privaten Haushalt und
4. kollektive Entscheidungen in einem Unternehmen.
Tabelle 5 gibt einen Überblick über die sich daraus ergebenden Träger von Kaufentschei-
dungen (in Anlehnung an Meffert, 1991, S. 138).
Haushalt Unternehmen/Institution
Individuum Konsument Einkäufer
Kollektiv Familie bzw. Lebensgemeinschaft Einkaufsgremium
Tabelle 5: Grundtypen von Kaufentscheidungsträgern
17
Beim organisationalen Einkauf von Büromaterial handelt es sich um individuelle Ent-
scheidungen eines Einkäufers in einem Unternehmen. Diese Form der Entscheidung wurde
in Theorie und Forschung bisher weitgehend vernachlässigt. Dies dürfte unter anderem
daran liegen, dass individuelle Kaufentscheidungen in Unternehmen denen in Haushalten
in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich sind, insbesondere darin, dass die Kaufentscheidung letzt-
endlich von einer Person getroffen wird, diese jedoch verschiedenen Einflüssen ihres Um-
felds, sei es die Familie (bzw. Lebensgemeinschaft) oder das Unternehmen, ausgesetzt ist.
Im Hinblick auf die Anzahl beteiligter Personen entspricht die Bestellung von
Büromaterial damit eher der individuellen Kaufentscheidung in einem Haushalt als der in
den Beschaffungstheorien üblichen Mehr-Personen-Entscheidung.
Einflüsse aufgrund der organisationalen Einbindung
Kotler und Bliemel (vgl. 2001, S. 384) unterscheiden bei organisationalen Kaufentschei-
dungen grundsätzlich vier wesentliche Einflussfaktoren: umweltbedingte, organisationsspe-
zifische, interpersonelle und intrapersonelle Faktoren, die in Abbildung 4 wiedergegeben
werden.
Einkäufer
• Organisationsziele
• Grundsätze
• Verfahren
• betriebliche Strukturen
• Systeme
• Organisationsziele
• Grundsätze
• Verfahren
• betriebliche Strukturen
• Systeme
• allgemeine wirt-schaftliche Lage
• technologischer Wandel
• Wettbewerbs-entwicklung
• soziale Verantwort-lichkeit
• allgemeine wirt-schaftliche Lage
• technologischer Wandel
• Wettbewerbs-entwicklung
• soziale Verantwort-lichkeit
• Alter
• Einkommen
• Ausbildung
• Position
• Persönlichkeit
• Risikobereitschaft
• kulturelle Herkunft
• Alter
• Einkommen
• Ausbildung
• Position
• Persönlichkeit
• Risikobereitschaft
• kulturelle Herkunft
• Interessen
• Autorität
• Status
• Empathie
• Überzeugungskraft
• Interessen
• Autorität
• Status
• Empathie
• Überzeugungskraft
Organisationsspe-zifische Faktoren:
Organisationsspe-zifische Faktoren:
Umweltbedingte Faktoren:
Umweltbedingte Faktoren:
Intrapersonelle Faktoren:
Intrapersonelle Faktoren:
Interpersonelle Faktoren:
Interpersonelle Faktoren:
Abbildung 4: Einflussfaktoren beim organisationalen Einkauf von Bürobedarf
18
Zunächst ist der Einkäufer natürlich umweltbedingten Faktoren, wie der allgemeinen
wirtschaftlichen Lage, dem technologischen Wandel, der Wettbewerbsentwicklung sowie
sozialen Verantwortlichkeiten ausgesetzt. Ist die wirtschaftliche Lage schlecht, so muss er
beim Einkauf noch stärker auf die Kosten achten. Der technologische Wandel ist gerade im
Zusammenhang der vorliegenden Arbeit besonders hervorzuheben. Die neu entstandene
Möglichkeit, über das Internet zu bestellen, beeinflusst die Einkaufsgewohnheiten
tiefgreifend.
Des Weiteren muss der Einkäufer bei seiner Tätigkeit organisationsspezifische Faktoren
wie Organisationsziele und Grundsätze berücksichtigen, betriebliche Strukturen beachten,
eventuell bestimmte Verfahren einsetzen und vorgegebene Systeme nutzen. Wenn ein
Unternehmensgrundsatz beispielsweise Preissensibilität ist, so wird er bei seinem Einkauf
insbesondere auf den Preis achten und anderen Aspekten weniger Gewicht beimessen.
Wickelt ein Unternehmen seine Einkäufe über ein bestimmtes System ab, so wird sich der
Einkäufer an diese Vorgaben halten müssen.
Im Hinblick auf interpersonelle Faktoren spielen Interessen, Autorität, Status, Empathie
und Überzeugungskraft eine Rolle. So muss sich der Einkäufer beispielsweise in die
Situation derer versetzen, für die er Büromaterial bestellt, und ihre Interessen verstehen.
Sind die gewünschten Produkte jedoch z.B. zu teuer, kommen wiederum die genannten
Organisationsziele und Unternehmensgrundsätze ins Spiel, und er muss seine Kollegen von
günstigeren Varianten der gewünschten Produkte überzeugen.
Der Einkäufer ist also verschiedenen Konflikten ausgesetzt. Die Ziele der Organisation und
der einzelnen Mitarbeiter können sich unterscheiden. Es hängt von den intrapersonellen
Faktoren des Einkäufers, z.B. Alter, Position, Persönlichkeit und kulturelle Herkunft ab,
wie er diese Konflikte löst.
Einflüsse aufgrund der organisationalen Einbindung müssen also beim Einkauf von
Büromaterial durchaus angenommen werden, was für eine Einordnung zum Beschaffungs-
verhalten spräche. Allerdings spielen einige der genannten Faktoren auch beim Einkauf für
eine Familie (Konsumentenverhalten) eine Rolle. So könnte man eine Familie auch als
kleine „Organisation“ mit bestimmten Grundsätzen auffassen (z.B. „Süßes ist schlecht für
19
die Gesundheit“ u.Ä.), die das Kaufverhalten der einkaufenden Person beeinflussen.
Ebenso spielen interpersonelle Faktoren eine Rolle. Auch hier müssen die
unterschiedlichen Interessen der Familienmitglieder berücksichtigt werden. Es muss mit
Empathie und manchmal auch mit Überzeugungskraft agiert werden. Auch intrapersonelle
Faktoren der einkaufenden Person spielen dabei eine Rolle (Alter, Persönlichkeit,
kulturelle Herkunft).
Definitorische Festlegung für die vorliegende Arbeit
Im Hinblick auf die organisationale Beschaffung von Bürobedarf muss unterschieden
werden zwischen
�� der Entscheidung, bei welchem Anbieter das Büromaterial gekauft wird und
�� der Entscheidung, welche Produkte gekauft werden.
Es wird hiermit definitorisch festgelegt, dass erstere Wahl alleine beim Einkäufer liegt
(abgesehen davon, dass die von den Mitarbeitern benötigten Produkte bei dem Anbieter
verfügbar sein müssen), letztere Entscheidung von den Verbrauchern, also den anderen
Mitarbeitern des Unternehmens insofern mitbestimmt wird, als dem Einkäufer eventuell
bestimmte Wünsche bezüglich der Marke und der Qualität der Materialien mitgeteilt
werden.
Des Weiteren wird davon ausgegangen, dass die Disposition, das heißt, die Entscheidung,
wie viel eingekauft wird, allein beim Einkäufer liegt.
Diese Situation ist der dem Einkauf für eine Familie (Konsumentenverhalten) sehr ähnlich:
Die Entscheidung, wo eingekauft wird, liegt in der Regel bei der einkaufenden Person, was
einzukaufen ist, wird von den einzelnen Familienmitgliedern mitbestimmt. Auch das „Wie
viel“ wird meist von der einkaufenden Person bestimmt, in Abhängigkeit von ihrer
Disposition, wann der nächste Einkauf erfolgt.
Im Mittelpunkt des Interesses der vorliegenden Arbeit steht die Entscheidung eines Einkäu-
fers, bei welchem Anbieter er das Büromaterial kauft, das heißt, es wird im Sinne der
vollzogenen Definition eine individuelle Kaufentscheidung betrachtet. Da diese
Entscheidung, wie die vorangegangene Diskussion gezeigt hat, nicht die für eine
organisationale Beschaffung spezifischen Merkmale aufweist, und damit den Theorien des
20
Konsumentenverhaltens näher steht als denen des Beschaffungsverhaltens, wird im
weiteren Verlauf der Arbeit auf die Theorien der Konsumentenforschung zurückgegriffen.
2.2.2. Definition Käufer/ Konsument
In der Literatur der Käuferverhaltensforschung werden die Begriffe Käufer und Konsument
sehr häufig synonym verwendet. Im Folgenden werden zunächst verschiedene Definitionen
und Abgrenzungen vorgestellt, anschließend wird die Position der vorliegenden Arbeit
dargelegt.
Im Duden-Fremdwörterlexikon findet man unter dem Begriff „Konsument“ die
Bedeutungen „Käufer“ und „Verbraucher“ (vgl. Müller, Köster & Trunk, 1982, S. 418).
Folgt man der wörtlichen Übersetzung des Fremdwortes „Konsument“ aus dem
Lateinischen „consumere“ = „gebrauchen, verbrauchen“, so ist damit derjenige gemeint,
der das Produkt ge- bzw. verbraucht. Derjenige kann – muss aber nicht – gleichzeitig der
Käufer sein.
Deshalb soll zunächst betrachtet werden, in welchen Kaufsituationen Verwender und
Käufer in einer Person vereint sind und in welchen nicht. Dabei können grundsätzlich vier
Möglichkeiten unterschieden werden (nach Pepels, 1995, S. 7):
1. Der Käufer ist zugleich Verwender. Dies ist z.B. beim Einpersonen-Haushalt der
Fall. Es gilt aber auch partiell beim organisationalen Einkauf von Büromaterial, da
der Einkäufer einen Teil des bestellten Büromaterials auch selbst verwendet.
2. Ein Nichtkäufer ist Verwender. Dies ist beim organisationalen Einkauf von
Büromaterial hauptsächlich der Fall. Der Einkäufer bestellt das Büromaterial in der
Regel für das gesamte Unternehmen, zumindest aber für einen größeren Kreis von
Verwendern.
3. Der Käufer ist Nichtverwender. Dies ist bei Auftragskäufen, sowohl im privaten als
auch im gewerblichen Bereich der Fall. Es trifft insofern auch auf den
organisationalen Einkauf von Büromaterial zu, als der Einkäufer nicht alle
bestellten Produkte auch selbst benutzt.
4. Ein Nichtkäufer ist Nichtverwender. Diese Konstellation findet sich z.B., wenn ein
Unternehmen externe Berater beauftragt. Sie ist für die vorliegende Untersuchung
nicht relevant.
21
Diese Differenzierung soll aufzeigen, wie vielfältig die – wörtlich genommene – Käufer-
Verwender-Beziehung sein kann. Dennoch werden die Begriffe Käufer und Konsument
meist synonym verwendet. So schreibt zum Beispiel Müller-Hagedorn (1986, S. 39f.): „Im
vorliegenden Teil [...] wird nicht zwischen Konsumenten und Käufern unterschieden. Zwar
treten nicht immer die Verwender eines Gutes auch als Käufer auf (z.B.
Familienangehörige, Beschenkte, Kantinenbesucher), die Begriffe Käuferverhalten und
Konsumentenverhalten finden sich jedoch oft nebeneinander und sollen die gleichen
Fragestellungen anzeigen. [...] Der Begriff ‚Konsument’ wird so auch hier in gleicher
Bedeutung wie der Begriff ‚Käufer’ im Sinn von Kaufentscheider verwendet“.
Eine ähnliche Auffassung vertreten Wiendieck, Bungard und Lück, deren Begrifflichkeit
auch in der vorliegenden Arbeit gefolgt wird: „Der Konsument im Sinne der
Konsumentenpsychologie muss nicht notwendigerweise derjenige sein, der Güter und
Dienstleistungen ‚(ver)braucht’. Gemeint ist [...] vielmehr derjenige, der Güter bzw.
Dienstleistungen zum Zwecke der Befriedigung seiner oder anderer Bedürfnisse kauft bzw.
kaufen kann. [...] Zahlreiche lehrbuchartige Darstellungen der Konsumentenpsychologie
beschränken sich auf das Verhalten von Konsumenten in oder für Privathaushalte. Diese
Einschränkung halten wir für unangemessen. Es muss vielmehr gesehen werden, dass
Industrie, Handel und Verwaltung in ganz erheblichem Maße als Konsumenten in Er-
scheinung treten. Güter und Dienstleistungen werden hier entweder ähnlich wie in einem
Haushalt ge-/ verbraucht (z.B. Büromaterial) oder be-/ verarbeitet oder unbearbeitet
weiterverkauft“ (Wiendieck, Bungard & Lück, 1983, S. 3f.).
Konsument wird also definiert als derjenige, der die Güter bzw. Dienstleistungen – sei es
im privaten Haushalt oder in einem Unternehmen – kauft, das heißt die letztendliche
Kaufentscheidung trifft. Der Ge- bzw. Verbrauch kann, ebenso wie der Auftrag, ein
bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Marke zu kaufen, durch andere Personen
erfolgen.
Konsumentenverhalten definiert sich dementsprechend als „Auswahl eines von mehreren
Angeboten von Sachgütern, Dienstleistungen, Rechten und Vermögenswerten durch
Individuen, Gruppen und Organisationen [...], einschließlich der zu dieser Entscheidung
22
hinführenden und der auf diese Entscheidung folgenden Prozesse und Tätigkeiten, die
künftige Käufe beeinflussen können“ (Kuß & Tomczak, 2000, S. 12).
In den weiteren theoretischen Ausführungen liegt der Schwerpunkt der Betrachtung in der
Kaufentscheidung selbst sowie in den darauf folgenden Bewertungsprozessen (Zufrieden-
heit bzw. Unzufriedenheit) und deren Konsequenzen (Kundenloyalität, Kundenbindung,
Beschwerdeverhalten usw.).
2.2.3. Arten der Kaufentscheidung
Kuß und Tomczak (2000, S. 88) definieren eine Kaufentscheidung als die „Auswahl eines
von mehreren vergleichbaren Angeboten von Sachgütern, Dienstleistungen, Rechten oder
Vermögenswerten zum freiwilligen Austausch gegen Geld“. In der vorliegenden Arbeit soll
der Begriff auf den Einkauf von Bürobedarf über das Internet angewandt werden. In diesem
Zusammenhang impliziert der erste Teil der Definition („Auswahl eines von mehreren ver-
gleichbaren Angeboten“) zunächst zweierlei:
1. die Entscheidung zwischen den Alternativen, Bürobedarf per Fax, Telefon, Internet
oder im Geschäft zu kaufen und
2. die Wahl eines bestimmten Anbieters.
Dabei kann die Entscheidung zum einen zuerst für einen bestimmten Anbieter fallen,
woraus sich – je nach Bestellmöglichkeiten beim jeweiligen Händler – bereits eine
Einschränkung in der Wahl der Art der Bestellung (Fax, Telefon, Internet oder Geschäft)
ergeben kann, da nicht jeder Händler über alle Möglichkeiten verfügt. Zum anderen kann
die Wahl aber auch umgekehrt erfolgen, das heißt, der Käufer entscheidet sich zunächst für
die von ihm präferierte Bestellmethode und schränkt dadurch die Anzahl der Anbieter ein.
Aufgrund des thematischen Rahmens der Arbeit wird im Folgenden davon ausgegangen,
dass die Entscheidung, das Büromaterial über das Medium Internet zu bestellen, bereits
gefallen ist.
Dabei ist zu beachten, dass die Bestellung von Büromaterial über das Internet ebenfalls
zwei Entscheidungen umfasst:
1. die Wahl eines Anbieters und
2. die Wahl der zu bestellenden Produkte.
23
Dass der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit in der Analyse der Wahl des Anbieters liegt,
wurde bereits in Kapitel 2.2.1 dargelegt.
Grundsätzlich können Kaufentscheidungen sehr unterschiedlich ablaufen. Um dem stark
differierenden Charakter von Kaufentscheidungen gerecht zu werden, wurde bereits 1960
von Katona eine grobe Unterscheidung zwischen zwei Arten von Kaufentscheidungen
eingeführt („habituelles Verhalten“ und „echte Entscheidungen“, vgl. Katona, 1960, S. 57),
die mit zunehmendem Forschungsstand sukzessive auf vier Arten erweitert wurde, zuletzt
von Weinberg (vgl. 1981, S. 13) in seinem grundlegenden Werk „Das
Entscheidungsverhalten von Konsumenten“:
�� extensive,
�� limitierte,
�� habitualisierte und
�� impulsive Kaufentscheidungen.
Kroeber-Riel und Weinberg charakterisieren diese Arten von Kaufentscheidungen gemäß
der angelsächsischen Tradition danach, in welchem Ausmaß sie der kognitiven Kontrolle
unterliegen (1999, S. 359). Dementsprechend unterteilen sie in Kaufentscheidungen mit
�� stärkerer kognitiver Kontrolle (z.B. extensive und limitierte Kaufentscheidungen)
und mit
�� schwächerer kognitiver Kontrolle (z.B. habitualisierte Kaufentscheidungen und
Impulskäufe).
Grundsätzlich sind die unterschiedlichen Arten von Kaufentscheidungen nicht immer klar
voneinander abgrenzbar, sondern gehen teilweise fließend ineinander über. Um dies zu
veranschaulichen, bilden Kuß und Tomczak (vgl. 2000, S. 97) alle vier Typen auf einem
Kontinuum ab:
24
sehrgroß
sehrgeringAusmaß kognitiver Steuerung
extensive Kaufentscheidung
limitierte Kaufentscheidung
habitualisiertesKaufverhalten
Impulskäufe
Abbildung 5: Ausmaß kognitiver Steuerung bei unterschiedlichen Kaufentscheidungsarten
Die extensiven, limitierten und habitualisierten Kaufentscheidungen können auch als
aufeinanderfolgende Kaufentscheidungsphasen auf einem Zeitkontinuum im Rahmen
wiederkehrender Kaufprozesse aufgefasst werden. So kann eine Entscheidung beim ersten
Mal extensiv getroffen werden, mit zunehmender Erfahrung limitiert und schließlich
habitualisiert.
Außer der kognitiven Kontrolle spielen auch noch emotionale und reaktive Prozesse eine
entscheidende Rolle für die Erklärung des Entscheidungsverhaltens, weshalb Kroeber-Riel
und Weinberg diese beiden Kriterien in ihre Charakterisierung der einzelnen Arten von
Kaufentscheidungen mit aufnehmen. Dabei beschreiben sie kognitive Prozesse als die
„gedankliche Steuerung der Kaufentscheidung“, emotionale Prozesse als die „Aktivierung
und ihre Interpretation“ und reaktive Prozesse als „automatisches Reagieren in der
Handlungssituation“ (vgl. Kroeber-Riel & Weinberg, 1999, S. 359). Einen Überblick über
die Beteiligung emotionaler, kognitiver und reaktiver Prozesse an den verschiedenen
Kaufentscheidungen gibt Tabelle 6 (vgl. ebd.).
25
Dominante Prozesse
Art der Entscheidung emotional (Aktivierung) kognitiv (gedankliche Steuerung)
reaktiv (automatische Reaktion)
extensiv x x
limitiert x
habitualisiert x
impulsiv x x
Tabelle 6: Dominante psychische Prozesse und Entscheidungsverhalten
Wie die einzelnen Kaufentscheidungen nach den beschriebenen Kriterien charakterisiert
werden, wird in den folgenden Unterkapiteln (Kapitel 2.2.3.1 bis 2.2.3.4) ausführlich
erörtert. Darüber hinaus werden die verschiedenen Arten von Kaufentscheidungen auf den
Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit, den Einkauf von Büromaterial über das Internet,
bezogen und exemplarisch veranschaulicht.
Dabei muss im Auge behalten werden, dass es sich hier um idealtypische Beschreibungen
der Kaufentscheidungen handelt. Wie die Kaufentscheidung in einer konkreten Situation
ausfällt, wird von vielen weiteren Faktoren beeinflusst, unter anderem von den
Persönlichkeitseigenschaften des Käufers, seinem sozialen Umfeld, seinen finanziellen
Möglichkeiten, dem interessierenden Produkt und weiteren situativen Bedingungen beim
Kauf. „Eine Typologie des Entscheidungsverhaltens von Konsumenten kann nicht
erschöpfend sein und muss sich pragmatisch an den empirischen Möglichkeiten
orientieren. Die hier gewählte Typologie schafft zwar eine sprachliche Ordnung, sie legt
aber nicht die Grenzen zwischen einzelnen Verhaltenstypen fest. So bleibt es der Zweck-
mäßigkeit im Einzelfalle überlassen, konkrete Kaufentscheidungen nach dem Ausmaß
affektiver, kognitiver und reaktiver Prozesse nach [...] [Anmerkung der Verfasserin:
diesem] Muster einzuordnen“ (Weinberg, 1981, S. 16).
Vor der detaillierten Darstellung der verschiedenen Arten von Kaufentscheidungen soll
jedoch zunächst ein neuer Ansatz der Einordnung von (Kauf-)Entscheidungsverhalten
vorgestellt werden, der ebenfalls kognitive und emotionale Aspekte verknüpft: das
Reflective Impulsive Model von Strack und Deutsch (2002). Die Autoren beschreiben
Verhalten als ein Zusammenspiel reflektiver und impulsiver Prozesse. Diese spielen sich in
26
zwei unterschiedlich funktionierenden Systemen ab. „While the Reflective System
generates behavioral decisions that are based on knowledge about facts and values, the
Impulsive System elicits behavior through associative links and motivational orientations”
(Strack & Deutsch, 2002, S. 1). Im Reflektiven System findet also eine echte
Entscheidungsfindung statt, die auf dem Wissen über die Bedeutung und die
Wahrscheinlichkeit möglicher Konsequenzen beruht. Das Impulsive System hingegen
reagiert auf Reize aus der Umgebung, indem assoziative Prozesse in Gang kommen, die ein
motorisches Schema auslösen, das bei Überschreiten einer bestimmten Schwelle in
tatsächliches Verhalten umgesetzt wird. Dementsprechend wird im Reflektiven System ein
starker kognitiver Aufwand benötigt, wohingegen das Impulsive System einer geringen
kognitiven Steuerung bedarf.
Strack und Deutsch (2002, S. 28) beziehen ihr entwickeltes Modell auch auf das in Kapitel
2.2.3.4 dargestellte impulsive Kaufverhalten: „The present Reflective Impulsive Model
offers a framework in which impulsive buying is understood as a special case of behaviors
that are impulsively determined. Thus, mechanisms described [...] can be directly applied
to this variant of consumer behavior.” Wie diese Anwendung auf das impulsive
Kaufverhalten jedoch genau aussieht, lassen die Autoren offen. Es ist davon auszugehen,
dass im Falle dieses Kaufentscheidungsverhaltens die impulsiven (reaktiven) Prozesse
dominieren, während die reflektiven (kognitiven) Prozesse eine untergeordnete Rolle
spielen. Der Vorteil dieses Modells gegenüber der Weinberg’schen Konzeptualisierung
impulsiver Kaufentscheidungen (vgl. Kapitel 2.2.3.4) besteht in der Allgemeingültigkeit
für verschiedenste Verhaltensbereiche sowie in der Integration des ökonomischen und des
biologischen Prinzips. Das ökonomische Prinzip bezieht sich dabei nach Strack und
Deutsch auf die Annahme, dass ein Verhalten allein aus dem Wissen um die Bedeutung
und die subjektive Wahrscheinlichkeit potentieller Konsequenzen vorhergesagt werden
kann (Reflektives System), was der Theorie des überlegten Handelns (vgl. Kapitel 2.3.2)
entspricht. Das biologische Prinzip hingegen leitet sich aus instinktivem und gelerntem
Verhalten ab (Impulsives System). Das RIM bietet also ein umfassendes Erklärungsmodell
menschlichen Verhaltens im Allgemeinen und impulsiven Kaufverhaltens im Speziellen.
Die klassische Unterscheidung von Kaufentscheidungsverhalten nach Weinberg (1981),
wie sie auch im Hinblick auf die in Kapitel 2.2.4 vorzustellenden
27
Kaufentscheidungsmodelle angewandt wird, wird in den folgenden Unterkapiteln
beschrieben.
2.2.3.1. Extensive Kaufentscheidungen
Der extensive Entscheidungsprozess ist vor allem in innovativen Entscheidungssituationen
anzutreffen. Der Käufer ist stark emotional involviert, da in der Regel relativ hohe Kauf-
risiken bestehen. Besonders charakteristisch ist daher ein hoher Informationsbedarf, eine
lange Entscheidungsdauer und die Notwendigkeit, Bewertungskriterien zu erarbeiten und
Kaufrisiken abzubauen (vgl. Kroeber-Riel & Weinberg, 1999, S. 372). Wendet man die
oben dargestellten Differenzierungskriterien (emotional, kognitiv, reaktiv) an, so liegt hier
eine starke Beteiligung kognitiver sowie emotionaler Prozesse vor, wohingegen reaktive
Prozesse keine Rolle spielen, da bei extensiven Kaufentscheidungen die bloße Reizwahr-
nehmung noch keine Kaufhandlung auslöst. Im Gegenteil: Zwischen Stimulus und
Reaktion steht ein umfassender („extensiver“) Informationsverarbeitungsprozess, der durch
die emotionale Beteiligung vorangetrieben wird.
Charakteristisch für die extensive Kaufentscheidung ist, dass der Käufer keine oder sehr
geringe Kauferfahrungen hat und noch nicht genau weiß, was er will und wie er es
bekommt. Darüber entwickelt er erst im Laufe des Entscheidungsprozesses konkrete
Vorstellungen. Dies geschieht durch den wechselseitigen Einfluss kognitiver und emotio-
naler Prozesse. Letztere werden hier im Sinne einer psychischen Aktivierung verstanden
(vgl. Kroeber-Riel & Weinberg, 1999, S. 373). Diese psychische Aktivierung zeigt sich im
so genannten Anspruchsniveau, das definiert wird als „ein vom Individuum als verbindlich
erlebter Standard der Zielerreichung“ (Kroeber-Riel & Weinberg, 1999, S. 384). Die Bil-
dung des Anspruchsniveaus (emotionaler Prozess) steuert also die Informationsaufnahme
und –verarbeitung (kognitive Prozesse) und erfährt dadurch wiederum selbst eine Konkre-
tisierung. Die emotionalen und kognitiven Prozesse beeinflussen sich also wechselseitig.
Außer in den oben genannten innovativen Entscheidungssituationen finden extensive Kauf-
entscheidungen auch dann statt, wenn es um den Kauf hochwertiger, langlebiger Ge-
brauchsgüter geht (vgl. Meffert, 1992, S. 39).
In Bezug auf die Entscheidung, organisationalen Bürobedarf über das Internet zu decken,
wird diese Art der Kaufentscheidung nur in seltenen Ausnahmefällen anzutreffen sein. Sie
28
liegt dann vor, wenn ein Einkäufer noch neu in seinem Job ist und keine Erfahrung hat, wie
er seine Aufgabe der Bürobedarfsbeschaffung optimal erfüllt (innovative Entscheidungs-
situation). In einem solchen Fall wird der Einkäufer zunächst Informationen darüber einho-
len, welche Anbieter es gibt und wie diese sich hinsichtlich Preis, Service, Bestell-
modalitäten etc. unterscheiden. Diese Informationen kann er entweder aus dem Gedächtnis
abrufen, z.B. wenn er privat schon im Internet „gesurft“ und dabei zufällig auf einen Büro-
bedarfsanbieter gestoßen ist, an den er sich in der akuten Kaufsituation erinnert. Oder er
kann sie über externe Quellen aufnehmen, z.B. über Kollegen oder über Werbung (vgl.
Kuß & Tomczak, 2000, S. 98). Die externe Informationsaufnahme wiederum kann ent-
weder eher passiv erfolgen, z.B. im Rahmen der Einarbeitung durch einen Kollegen, oder
durch aktive Informationssuche, z.B. durch Verwendung eines Branchen-Verzeichnisses
oder einer Internet-Suchmaschine. Wobei Letzteres deutlich macht, dass auch hier
Erfahrungen aus dem Gedächtnis abgerufen werden, die in anderen Kontexten gemacht
wurden (als z.B. ein Anbieter anderer Produkte gesucht wurde) und nun auf das
vorliegende Problem übertragen werden.
Sowohl die Informationsaufnahme als auch die Informationsverarbeitung sind dabei stark
von den persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten des Käufers geprägt: Ist der Käufer
ein geübter Internet-Nutzer, wird er eine Bestellung über dieses Medium in Erwägung
ziehen. Hat er jedoch keine Internet-Nutzungserfahrung, wird er entweder verstärkt
Informationen über Bestellmöglichkeiten per Telefon oder Fax aufnehmen – das Ergebnis
wäre dann kein Kauf über das Internet und von daher für die vorliegende Untersuchung per
definitionem nicht relevant – oder sich im Rahmen der Informationsaufnahme zusätzlich
Kenntnisse über die Anwendung des Internet aneignen.
Im Laufe des Informationsverarbeitungsprozesses werden dann die einzelnen Alternativen
bewertet und miteinander verglichen. Wie intensiv dies geschieht, hängt vom Anspruchs-
niveau des Käufers ab. Bei einem niedrigen Anspruchsniveau wird er sich relativ zügig für
eine Alternative entscheiden, bei einem hohen Anspruchsniveau wird er sehr ausführliche
Vergleiche hinsichtlich Preis und Leistung der einzelnen Anbieter anstellen.
Am Ende des Informationsverarbeitungsprozesses hat der Käufer die für ihn relevanten
Kaufkriterien herausgearbeitet, trifft eine Entscheidung für einen bestimmten Anbieter und
tätigt dort seine Bestellung.
29
2.2.3.2. Limitierte Kaufentscheidungen
Die limitierte Kaufentscheidung stellt eine vereinfachte Form der extensiven dar. Diese
Vereinfachung kann entweder das Ergebnis eigener oder übernommener Erfahrungen sein.
Im ersten Fall erreicht ein Käufer dieses Stadium, nachdem er ein Entscheidungsproblem
schon mehrfach erfolgreich gelöst hat. Er verfügt bereits über die relevanten Bewertungs-
kriterien und hat sein Anspruchsniveau weitgehend definiert. Emotionale Prozesse im
Sinne einer Aktivierung spielen also bei der Kaufentscheidung keine große Rolle, sie ist
hauptsächlich durch kognitive Prozesse geprägt. Bei der Informationsaufnahme bevorzugt
der limitiert entscheidende Käufer interne Informationen, das heißt solche, die in seinem
Gedächtnis abgespeichert sind und die er nur abzurufen braucht. Erst wenn er feststellt,
dass diese Informationen nicht ausreichen, beginnt er, aktiv nach externen Informationen
zu suchen. Da sein Entscheidungsproblem bereits vorstrukturiert ist und er über die für ihn
wichtigen Bewertungskriterien verfügt, konzentriert er sich auf so genannte Schlüssel-
informationen. Dies sind Informationen, die sich mit zunehmender Erfahrung als für den
Käufer besonders entscheidungsrelevant herausgestellt haben und auf die der Käufer im
Hinblick auf die Kaufentscheidung besonderen Wert legt. Dies kann z.B. der Preis, der
Markenname oder die Herkunftsbezeichnung sein (zur Wirkung der Produktherkunft vgl.
Schweiger & Fiederes, 1994, S. 157ff.). Aber auch die Bündelung vieler Einzel-
informationen, wie z.B. in einem Testurteil der Stiftung Warentest, stellt eine Schlüssel-
information dar, die zur Vereinfachung der Kaufentscheidung herangezogen werden kann
(vgl. Kuß & Tomczak, 2000, S. 117f.).
In der Phase der limitierten Kaufentscheidung hat der Käufer bereits diejenigen
Alternativen eliminiert, die für ihn nicht in Frage kommen. Er präferiert zwar noch keine
bestimmte Marke, wohl aber verfügt er über eine klar eingegrenzte Anzahl kaufrelevanter
Alternativen, ein so genanntes „evoked set“. „Bedingungen zur Bildung eines ‚evoked set’
sind vor allem Markenkenntnis, Prädispositionen und Produkterfahrungen (tatsächliche
und symbolische), was bei limitierten Kaufentscheidungen auch vorausgesetzt werden
kann“ (Kroeber-Riel & Weinberg, 1999, S. 375).
Das „evoked set“ sowie Schlüsselinformationen dienen der Vereinfachung des Entschei-
dungsprozesses und sind typische Kennzeichen der limitierten Kaufentscheidung. Reaktive
Prozesse spielen bei der limitierten Kaufentscheidung keine Rolle.
30
Bezogen auf die organisationale Bürobedarfsbeschaffung über das Internet kommt es dann
zu einer limitierten Kaufentscheidung, wenn ein Einkäufer bereits einige Erfahrungen im
Bereich der Bürobedarfsbeschaffung gesammelt hat. Das heißt, er hat entweder schon
einige Male Bürobedarf, und zwar auch über das Internet, bestellt, oder aber er besitzt
genügend Internet-Kenntnisse, so dass die Bestellung an sich für ihn kein Problem darstellt.
Zudem ist er ausreichend über die zur Wahl stehenden Anbieter informiert, z.B. durch
Kollegen oder durch Werbung.
Nehmen wir beispielhaft an, ein Einkäufer übt seine Tätigkeit schon längere Zeit aus, hat
schon mehrfach Bürobedarf über das Internet bestellt und weiß, welche Anbieter es
grundsätzlich gibt. Er verfügt also über ein „evoked set“, das die für ihn relevanten
Bürobedarfsanbieter im Internet enthält, sowie über Entscheidungskriterien, die sich für ihn
im Laufe der Zeit als wichtig herausgestellt haben. Nehmen wir weiter an, die für ihn
kaufrelevanten Schlüsselinformationen seien der Preis, die Sicherheit und eine schnelle
Lieferung. Bei der Kaufentscheidung wird er also die einzelnen Alternativen nach
folgenden Kriterien vergleichen:
�� Wie ist das Preisniveau der verschiedenen Anbieter?
�� Welche persönlichen Daten verlangen die einzelnen Anbieter (z.B. Angabe der
Kreditkartennummer oder Bezahlung per Rechnung)? Welches Vertrauen habe ich
zu den einzelnen Anbietern, was die Sicherheit der Internet-Seite und den Umgang
mit den persönlichen Daten betrifft?
�� Welche Lieferzeiten sagen die verschiedenen Anbieter zu und wie sehr vertraue ich
dieser Zusage?
In Abhängigkeit davon, in welchem Ausmaß die einzelnen Anbieter diese Kriterien
erfüllen und wie der Einkäufer die einzelnen Bewertungskriterien priorisiert, wird am Ende
des Informationsverarbeitungsprozesses die Entscheidung für einen der Anbieter gefällt
und die Bestellung dort getätigt.
2.2.3.3. Habitualisierte Kaufentscheidungen
Der habitualisierten Kaufentscheidung ist in der Regel einmal ein komplexerer Entschei-
dungsprozess (extensiv oder limitiert) vorangegangen (vgl. Pepels, 1995, S. 8). Der Käufer
verfügt nun über ausreichend Erfahrung und fällt seine Entscheidung unter sehr geringer
Beteiligung kognitiver und emotionaler Prozesse.
31
Die beiden zentralen Charakteristika habitualisierter Kaufentscheidungen sind (vgl. Kuß &
Tomczak, 2000, S. 131):
1. wenig bis gar keine Informationssuche und -verarbeitung sowie
2. der wiederholte Kauf der gleichen Produkte.
Anzutreffen ist habituelles Verhalten insbesondere bei Gütern des täglichen Bedarfs.
Die Ursachen für die Entstehung habituellen Kaufverhaltens liegen auf der Hand:
�� positive Erfahrungen (Zufriedenheit) mit einem Produkt,
�� Vermeidung von Kaufrisiken,
�� Wunsch nach Komplexitätsreduktion und
�� geringe Entscheidungszeit.
Da auf die Suche nach neuen Alternativen verzichtet wird, ist das Ergebnis habitueller
Kaufentscheidungen Marken- bzw. Händlertreue, das heißt, die Entscheidung fällt für eine
bestimmte Marke bzw. einen bestimmten Anbieter, zumindest aber innerhalb des „evoked
set“.
Trotz der eindeutigen Vorteile der habituellen Kaufentscheidung gibt es drei Bedingungen,
unter denen es zur Rückkehr auf eine komplexere Entscheidungsstufe (extensiv oder
limitiert) kommen kann (vgl. Kuß & Tomczak, 2000, S. 132f.):
1. Das Produkt ist nicht verfügbar.
2. Es wurden negative Erfahrungen gemacht, es ist also Unzufriedenheit entstanden.
3. Marketing-Aktivitäten für eine andere Alternative (z.B. Sonderangebot) überlagern
die Vorteile des habitualisierten Verhaltens (Bequemlichkeit, Vermeidung von
Kaufrisiken).
Im Hinblick auf die organisationale Beschaffung von Bürobedarf über das Internet, stellt
sich die habituelle Kaufentscheidung wie folgt dar: Der Einkäufer hat viel Erfahrung mit
der Bestellung von Büromaterial über das Internet. Er kennt die verschiedenen Anbieter
und weiß, welche seinen eigenen Bewertungskriterien genügen („evoked set“). Alle
anderen Anbieter werden gar nicht in die Überlegungen mit einbezogen. Die eigenen
Bewertungskriterien des Einkäufers sind dabei durchaus von den Anforderungen des Un-
ternehmens und der Kollegen mitbestimmt, so z.B. der preisliche Rahmen (über das zur
32
Verfügung stehende Budget) oder die Schnelligkeit der Lieferung (durch Druck der
Kollegen). Der Einkäufer kennt den Bedarf des Unternehmens im Hinblick auf Menge und
Qualität sowie die Präferenzen der Verwender hinsichtlich bestimmter Produkte.
Ein großer Vorteil der habitualisierten Kaufentscheidung besteht darin, dass der Einkäufer
direkt auf einen anderen Anbieter innerhalb seines „evoked set“ zurückgreifen kann, falls
die Internet-Seite des präferierten Anbieters gerade Performance-Probleme hat (wenn z.B.
die Verbindung sehr langsam ist oder gar nicht zustande kommt) oder eines der zu
bestellenden Produkte nicht verfügbar ist. Der Kauf kann, selbst bei auftretenden
Schwierigkeiten, relativ zügig und effizient erledigt werden. Die Entwicklung
habitualisierten Kaufverhaltens stellt also für einen Einkäufer eine erhebliche
Arbeitserleichterung dar.
2.2.3.4. Impulsive Kaufentscheidungen
Weinberg definiert die impulsive Kaufentscheidung gemäß der beteiligten emotionalen,
kognitiven und reaktiven Prozesse folgendermaßen (vgl. Weinberg, 1981, S. 165):
�� starke affektive Aufladung des Konsumenten, d.h. starke Aktivierung (emotional),
�� sehr geringe gedankliche Steuerung des Kaufverhaltens (kognitiv) und
�� automatisches Reagieren auf eine Reizsituation (reaktiv).
Es findet also keine Informationssuche und –verarbeitung statt. Der Käufer reagiert in der
Kaufsituation spontan auf die ihm gebotenen Reize. Der Kauf ist nicht geplant und erfolgt
sehr schnell und ohne bewusste Steuerung. Pepels spricht deshalb von einer „unmittelbaren
und situationsbedingten, quasi automatisch ablaufenden Reaktion“ (1995, S. 8).
Grundsätzlich werden vier Arten impulsiven Kaufverhaltens unterschieden (vgl. Assael,
1992, S. 627):
��„Reiner Impuls“ (pure impulse): Dabei geht es dem Kunden um Abwechslung von
den Produkten bzw. Marken, die er normalerweise kauft.
��„Erinnerungseffekt“ (reminder effect): Hier erinnert sich der Kunde beim Anblick
eines Produkts daran, dass er es benötigt.
��„Empfehlungseffekt“ (suggestion effect): Hier wird durch Präsentation eines neuen
Produkts (z.B. durch Vorführung oder Gratisproben) beim Kunden ein Bedürfnis
33
geweckt, das vorher in der Art nicht bestanden hat, da der Kunde das Produkt nicht
kannte.
��„Geplanter Impuls“ (planned impuls): In diesem Fall hat der Kunde die Intention,
etwas einzukaufen, hat aber noch keine Vorstellung davon, was er einkaufen wird.
Dieses Verhalten tritt z.B. bei Schlussverkäufen auf. Es wird umgangssprachlich
auch als „Shopping“ bezeichnet.
Beim organisationalen Einkauf von Büromaterial spielen Impulskäufe für die Wahl des
Anbieters eine eher untergeordnete Rolle. Man könnte sich etwa folgenden Sonderfall
vorstellen: Der Einkäufer ist aufgrund anderer Tätigkeiten sowieso gerade im Internet und
stößt dabei auf einen Banner (Werbefeld auf einer Internet-Seite), der einen Büromaterial-
Anbieter bewirbt. Dies könnte die spontane Idee auslösen, eine (ohnehin fällige) Bestellung
zu tätigen. Weitaus wahrscheinlicher ist eine solche Art des Kaufverhaltens, wenn es um
die Auswahl der Produkte geht. Hier kann es durchaus zu Impulskäufen kommen, z.B.
wenn der Einkäufer auf der Suche nach den zu bestellenden Produkten auf andere Artikel
stößt, die vom Unternehmen auch regelmäßig benötigt werden und z.B. gerade im Angebot
sind. Er reagiert (reaktives Verhalten) also ohne lange zu überlegen (geringe gedankliche
Steuerung) auf die ihm gebotenen Reize (z.B. Sonderangebot), was einem impulsiven
Kaufverhalten entspricht. Die Wahl der zu bestellenden Produkte (und deren Marken) ist
jedoch nicht Thema dieser Arbeit.
Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass im Kontext der organisationalen Bürobedarf-
Beschaffung via Internet die limitierte und die habitualisierte Kaufentscheidung die am
häufigsten anzutreffenden Entscheidungsarten sind.
In den vorangegangenen Abschnitten wurden die verschiedenen Arten von Kaufentschei-
dungen erörtert. Im Folgenden werden Modelle vorgestellt, die die Kaufentscheidung in
einen größeren Zusammenhang einbetten und die ihr vor- und nachgeschalteten Prozesse
mit einbeziehen.
34
2.2.4. Kaufentscheidungsmodelle
Grundsätzlich wird zwischen drei Ansätzen zur Modellbildung des Kaufentscheidungs-
prozesses unterschieden (vgl. Kroeber-Riel & Weinberg, 1999, S. 363):
�� Simulationsmodelle,
�� stochastische Modelle und
�� Strukturmodelle.
Simulationsmodelle dienen der Anwendung von computergestützten Techniken zur
numerischen Auswertung quantitativer Modelle (vgl. Pepels, 1995, S. 111). Dabei werden
durch systematische experimentelle Variation der Input-Daten unterschiedliche System-
zustände erzeugt. Simuliert werden können stochastische und Strukturmodelle, sowie
solche, die Elemente beider Modelltypen neu verbinden. Die Einordnung der Simulations-
modelle als eigene Modellkategorie ist daher umstritten (vgl. Bänsch, 1998, S. 3f.).
Stochastische Modelle betrachten ausschließlich die Zusammenhänge zwischen Stimulus
(Input) und Reaktion (Output) des Kaufentscheidungsprozesses und folgen damit dem
Abbildung 17: Zweidimensionales Kundenbindungskonzept nach Homburg und Faßnacht (1998), in der Interpretation von Braunstein (2001)
Ein konzeptionell völlig anderes Modell von Kundenbindung und Kundenloyalität stammt
von Stahl. Sein Modell postuliert ebenfalls eine begriffliche Trennung zwischen Kunden-
bindung und Kundenloyalität. Auch er verknüpft beide Konstrukte miteinander (vgl. Stahl,
87
1999, S. 45). Sein Modell ist jedoch noch stärker an den inneren Vorgängen im Organis-
mus orientiert und ist eher als Kundenloyalitätskonzept aufzufassen, da Stahl von Kunden-
loyalität als übergeordnetem Konstrukt ausgeht und Kundenbindung darin unterordnet. Er
stellt sein Konzept in einem Drei-Schichten-Modell dar (Stahl, 1999, S. 44):
�� „einem inneren Kern, der die belastbare Form der Kundenloyalität darstellt und in
Anlehnung an die Beziehungsforschung ‚Commitment’ genannt werden soll;
�� einer mittleren Schicht, die eine an konkrete Bedingungen geknüpfte, also
‚bedingte’ Kundenloyalität beinhaltet und somit eine freiwillig eingegangene
‚Kundenbindung’ darstellt; und
�� einer äußeren Schicht, die dadurch entsteht, dass an die Kundenloyalität lediglich
der Maßstab des ‚Wiederkaufverhaltens’ angelegt wird, was einer ‚oberflächlichen’
oder gar ‚trügerischen’ Kundenloyalität entspricht“.
Abbildung 18 gibt einen Überblick über das Modell:
Commitment
Kundenbindung
Wiederkaufverhalten
„bedingte“ Kundenloyalität
„belastbare“
Kundenloyalität
„trügerische“
Kundenloyalität
Abbildung 18: Schichtenmodell der Kundenloyalität nach Stahl (1999)
Die „trügerische“ Kundenloyalität stellt den beobachtbaren Anteil des Kundenloyalitäts-
konzepts von Stahl dar. Sie ist eine statistisch messbare Größe, kann allerdings nur
nominal erfasst werden, das heißt, entweder der Kunde kauft, dann gilt er als „loyal“ oder
88
er kauft nicht, dann gilt er als „nicht loyal“ (vgl. Stahl, 1999, S. 45). Warum er kauft oder
nicht kauft, bleibt unbekannt.
„Bedingte“ Loyalität ist gekennzeichnet durch Zweiseitigkeit, das heißt, „der Kunde bindet
sich freiwillig an den Lieferanten, wenn die Bedingungen ‚stimmen’; und der Lieferant
kann den Kunden an sich binden, wenn er diese Bedingungen zu schaffen und erhalten
vermag“ (Stahl, 1999, S. 49). Hier liegt das vor, was nach Stahl Kundenbindung deter-
miniert: Der Kunde hat a) die Absicht, Folgekäufe zu tätigen, b) konkretes Wissen über die
Leistungsfähigkeit und Vorzüge des Anbieters und c) Emotionen gegenüber dem Anbieter,
wie z.B. Sympathie, Achtung u.ä. Der „bedingten“ Loyalität liegt immer ein
Verhandlungsprozess zwischen dem Kunden und dem Anbieter zugrunde. Sie wird solange
aufrecht erhalten, solange der Kunde davon überzeugt ist, dass ein anderer Anbieter keine
bessere Leistung erbringt.
Die „belastbare“ Loyalität stellt die engste Form der Loyalität dar und wird von Stahl
auch als „Commitment“ bezeichnet. Hier entscheidet sich der Kunde bewusst für die
Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung, obwohl es objektiv günstigere Opportunitäten
gäbe (zu den hinter diesem Verhalten stehenden Motiven vgl. Stahl, 1999, S. 54ff.).
Letztere Betrachtung entspricht auch der Sichtweise von Oliver, der Kundenloyalität
definiert als „a deeply held commitment to rebuy or repatronize a preferred product/service
consistently in the future, thereby causing repetitive same-brand or same brand-set
purchasing, despite situational influences and marketing efforts having the potential to
cause switching behavior“ (Oliver, 1999, S. 34).
Auch Diller (1996, S. 88) sieht Loyalität als eine Ausdrucksform von Commitment, das er
als „innere Verpflichtung einer Person gegenüber einem Bezugsobjekt“ definiert. Loyalität
liegt nach Diller dann vor, wenn zur Aufrechterhaltung einer Geschäftsbeziehung sogar
kurzfristige Nachteile in Kauf genommen werden, wobei er eine Geschäftsbeziehung unab-
hängig davon definiert, ob persönliche Kontakte zwischen den Geschäftspartnern existieren
(vgl. ebd., S. 81).
Kundenloyalität kann daher verstanden werden als eine eher emotionale Bindung,
wohingegen Kundenbindung neben psychologischen Einflüssen auch faktische Ursachen
haben kann, z.B. ökonomische, technisch-funktionale oder vertragliche Faktoren (vgl.
Georgi, 2000, S. 234). „Die Stärke der Kundenbindung ist eine abhängige Variable
89
verschiedener Austrittsbarrieren. Der Kunde hat entweder ein Eigeninteresse am Wieder-
kauf (weil es für ihn vorteilhaft ist) oder er sieht sich aus bestimmten Gründen veranlasst
oder sogar mehr oder weniger gezwungen, den Austauschprozess mit dem Lieferanten fort-
zusetzen – ‚People stay in relations for two major reasons: because they want to and
because they have to’“ (Plinke & Söllner, 2000, S. 58). Ersteres entspricht eher der
Sichtweise von Kundenloyalität im Sinne eines „Commitments“, letzteres ist eine Form der
Kundenbindung, die auch entgegen der wahren Präferenzen des Kunden stattfinden kann.
Grundlage für ein „Nicht-Wechseln-Wollen“ ist sicherlich eine positive Einstellung zum
Produkt (bzw. der Dienstleistung/ dem Anbieter). Diesen Aspekt berücksichtigend stellen
Dick und Basu fest: „[...], both a favorable attitude that is high compared to potential
alternatives and repeated patronage are required for loyalty” (Dick & Basu, 1994, S. 100).
Sie konzeptionalisieren deshalb Loyalität als “relationship between the relative attitude
toward an entity (brand/ service/ store/ vendor) and patronage behavior” (ebd.). In
Anlehnung an Erkenntnisse aus der Einstellungstheorie beziehen sie die Faktoren soziale
Norm und situative Einflüsse als moderierende Variablen zwischen der Einstellung und
dem Wiederkaufverhalten mit ein. Kundenloyalität wird also definiert als das Verhältnis
von relativer Einstellung (gegenüber dem Gegenstand der Loyalität: Marke, Hersteller, An-
bieter) und Wiederkauf unter Berücksichtigung der subjektiven Norm und situativer
Einflüsse.
Abbildung 19 gibt diesen Teilbereich des Modells von Dick und Basu (1994, S. 100)
wieder:
90
social norm
situationalinfluence
relative
attitude
repeat
patronage
LOYALTY RELATIONSHIP
Abbildung 19: Konzept der Kundenloyalität nach Dick und Basu (1994)
Abschließend lässt sich zusammenfassen, dass in den meisten Kundenloyalitätskonzepten
(verstanden als Modellbildungen, bei denen die Kundenloyalität im Mittelpunkt der
Betrachtung steht) und -definitionen die inneren Vorgänge in der Person deutlich stärkere
Berücksichtigung finden als in den Kundenbindungskonzepten (verstanden als Modell-
bildungen, bei denen die Kundenbindung im Mittelpunkt der Betrachtung steht). Zudem
lässt sich – trotz vieler konzeptioneller Unstimmigkeiten in der Literatur – die Tendenz
feststellen, Kundenbindung mit tatsächlichem Verhalten (Wiederkauf, Weiterempfehlung,
Cross Buying) in Verbindung zu bringen, während Kundenloyalität eher mit der Absichts-
dimension verknüpft wird (Wiederkaufabsicht, Weiterempfehlungsabsicht, Cross-Buying-
Absicht) (vgl. z.B. Herrmann, Huber & Braunstein, 2000, S. 293; Homburg & Faßnacht,
2001, S. 451; Johnson, 2001, S. 151 sowie Rapp, 1995, S. 10).
Des Weiteren umfasst das Konstrukt Kundenloyalität ausschließlich die nachfragerorien-
tierte Perspektive (vgl. Giering, 2000, S. 19), während Kundenbindung aus der Sichtweise
des Anbieters, des Nachfragers und der Geschäftsbeziehung betrachtet werden kann.
Nachdem die unterschiedlichen Konzeptionierungen von Kundenbindung und Kunden-
loyalität dargestellt wurden, erfolgt nun eine definitorische Einordnung für die vorliegende
Arbeit:
91
�� Da in den empirischen Untersuchungen die inneren Vorgänge der Person im Mittel-
punkt stehen, handelt es sich um einen neobehavioristischen Ansatz.
�� Kundenbindung wird in der vorliegenden Arbeit ausschließlich aus Nachfragersicht
betrachtet.
�� Kundenloyalität gibt per definitionem ausschließlich eine nachfragerorientierte
Perspektive wieder (vgl. Homburg & Bruhn, 2000, S. 8).
�� Unter Kundenbindung wird tatsächliches Verhalten (Wiederkauf, Weiterempfeh-
lung sowie Cross Buying) verstanden.
�� Kundenloyalität wird als Verhaltensabsicht definiert und umfasst die drei Bereiche
Wiederkauf, Weiterempfehlung und Cross Buying (vgl. Abbildung 20).
Kundenloyalität
Wiederkaufabsicht Weiterempfehlungs-absicht
Cross-Buying-Absicht
Abbildung 20: Definition von Kundenloyalität für die vorliegende Arbeit
92
2.6.3. Der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit, Kundenloyalität und Kundenbindung in der Literatur
Über die Zusammenhänge zwischen den Konstrukten Kundenzufriedenheit, Kundenbin-
dung und Kundenloyalität gibt es die unterschiedlichsten Theorien, die teilweise auch
empirisch geprüft wurden (für einen Überblick vgl. Giering, 2000, S. 22ff.). Ein großes
Problem stellt jedoch auch hier die uneinheitliche Definition und Operationalisierung von
Kundenbindung und Kundenloyalität dar. Da in den zahlreichen vorliegenden Studien die
beiden Konstrukte über die gleichen oder ähnliche Indikatoren operationalisiert wurden (in
der Regel über Wiederkauf bzw. Wiederkaufabsicht, Weiterempfehlung bzw. Weiter-
empfehlungsabsicht sowie Cross-Buying-Verhalten), die Studien aber teilweise von Kun-
denbindung, teilweise von Kundenloyalität sprechen, werden im folgenden Forschungs-
überblick beide Begriffe parallel verwendet, entsprechend der Definition des jeweiligen
Autors.
Grundsätzlich wird der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kunden-
bindung bzw. Kundenloyalität durch verschiedene empirische Studien gestützt (vgl. Über-
blick bei Bruhn, 2000b, S. 396f.; Homburg, Giering & Hentschel, 1999, S. 184 sowie
Rudolph, 1998, S. 29f.). Neuere Studien belegen jedoch darüber hinaus, dass viele Kunden
trotz Zufriedenheit keine Folgekäufe tätigen (vgl. Meister & Meister, 1998, S. 8; Reich-
held, 1993, S. 71 sowie für eine Übersicht verschiedener Studien: Stauss & Neuhaus, 1999,
S. 28f.). Oliver spricht von einem „asymmetrischen“ Verhältnis von Kundenzufriedenheit
und Kundenbindung: „Although loyal consumers are most typically satisfied, satisfaction
does not universally translate into loyalty“ (Oliver, 1999, S. 33).
Es werden daher verschiedene weitere Faktoren angenommen, die zwischen Kundenzufrie-
denheit und Kundenbindung bzw. Kundenloyalität treten und deren Zustandekommen
sowie deren Ausmaß beeinflussen. Man spricht hier von moderierenden Variablen (vgl.
Homburg, Giering & Hentschel, 1999, S. 185). Als solche werden insbesondere ökonomi-
sche, psychische und soziale Wechselbarrieren (vgl. Meffert, 2000, S. 127ff.), Attraktivität
93
von Konkurrenzangeboten, Image des Anbieters bzw. der Marke, Variety Seeking5 (vgl.
Peter, 1997, S. 126) sowie Involvement6, Commitment7 und Vertrauen (vgl. Diller, 1996,
S. 87) postuliert. Nach Diller (vgl. 1996, S. 87) sind dabei jedoch die Ursachen und Wir-
kungen nicht eindeutig voneinander zu unterscheiden, da Kundenbindung ein dynamisches
Phänomen ist, und verschiedene selbstverstärkende Prozesse vermutet werden.
Eine sehr metaphorische Darstellung über den Zusammenhang zwischen Kundenzufrieden-
heit und Kundenloyalität stammt von Oliver: Er bezeichnet Kundenzufriedenheit als
Samen, der Sonne, Wasser und Nährstoffe braucht, um zu wachsen: „These are the
analogies to personal determination and social support. Without these additional factors,
satisfaction, similar to the seed, stays dormant. The consumer remains satisfied but does
not grow beyond that state. Even a flash of sun or water – such as the flash of delight – will
not begin the transformation process” (Oliver, 1999, S. 42). Kundenzufriedenheit alleine
führt also noch nicht zu Loyalität. Weitere persönliche und soziale Faktoren spielen dabei
eine entscheidende Rolle. In seinem Loyalitätskonzept unterscheidet er vier Formen der
Loyalität, die sich aus dem Ausmaß an „individual fortitude“ („persönlicher Standhaftig-
keit“) und „social support“ („sozialer Unterstützung“) ergeben (vgl. Oliver, 1999, S. 38):
community/social support
low high
low product superiority village envelopment individual fortitude
high determined self-isolation immersed self-identity
Tabelle 8: Formen der Loyalität nach Oliver (1999)
Im Modell sind jeweils nur die beiden Endpunkte „low“ und „high“ wiedergegeben. In der
Realität handelt es sich sowohl in der vertikalen (community/social support) als auch in der
horizontalen Dimension (individual fortitude) jeweils um ein Kontinuum, auf dem die
unterschiedlichsten Ausprägungen denkbar sind (vgl. Oliver, 1999, S. 37).
5 Verstanden als ein „Verhalten des Markenwechsels, das trotz Zufriedenheit mit bisher verwendeten
Produkten stattfindet und durch den Wunsch nach Abwechslung, Neugier und Langeweile beim bisherigen Konsumverhalten begründet ist“ (Diller, 1992, zitiert nach Stauss & Neuhaus, 1999, S. 29).
6 Verstanden als „Aktivierungsgrad bzw. Motivstärke zur objektgerichteten Informationssuche, -aufnahme, -verarbeitung und –speicherung“ (Diller, 1996, S. 87).
7 Verstanden als „innere Verpflichtung einer Person gegenüber einem Bezugsobjekt“ (Diller, 1996, S. 88).
94
Unter „individual fortitude“ versteht Oliver das Ausmaß, in dem ein Käufer den
Marketing-Aktivitäten des Wettbewerbs widersteht (vgl. ebd.). Bei der „product
superiority“ herrscht ein geringes Maß an „persönlicher Standhaftigkeit“, die Loyalität
resultiert ausschließlich aus der hohen Qualität des Produkts bzw. dem Wissen, dass dieses
Produkt die persönlichen Bedürfnisse bestmöglich befriedigt. Hier liegt die schwächste
Form der Loyalität vor. Findet der Konsument ein Produkt, das seinen Ansprüchen noch
besser gerecht wird, wandert er ab. Liegt ein hohes Maß an „individual fortitude“ vor,
spricht Oliver (1999, S. 38) von „determined self-isolation“. In diesem Fall ist die Vorliebe
für ein bestimmtes Produkt so groß, dass andere Marken erst gar nicht in Erwägung
gezogen werden. Der Konsument „isoliert“ sich quasi von anderen Einflüssen und nimmt
sie gar nicht bewusst wahr.
Die zweite, vertikale Dimension im Modell von Oliver ist „community/social support“.
Damit wird das Ausmaß an Integration des Konsumenten in ein – mit dem Konsumgut
verbundenes – soziales Umfeld bezeichnet (vgl. Oliver, 1999, S. 39). Basis der Loyalität ist
hier die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe. Bei geringer Einbettung des Käufers in
ein solches soziales Netz spricht Oliver von „village envelopment“, dies wäre z.B. der Fall
beim Tragen einer bestimmten Jeans-Marke. Bei sehr starker Identifizierung mit den
Normen und Werten dieser sozialen Gruppe verwendet Oliver den Begriff „immersed self-
identity“. Beispiele hierfür wären Fan-Clubs, Chat Rooms im Internet oder Harley-
Davidson-Clubs.
In Abhängigkeit vom Ausmaß der Ausprägung in den beiden Dimensionen entsteht nach
Oliver jeweils eine andere Form von Loyalität (vgl. Tabelle 8). Kundenzufriedenheit
betrachtet er zwar als Voraussetzung für die Entstehung von Loyalität, ohne ein gewisses
Maß an „individual fortitude“ und „social support“ verharrt der Konsument jedoch im
Zustand der Zufriedenheit, Loyalität wird dadurch noch nicht erreicht (vgl. Oliver, 1999, S.
42).
Eine wichtige Differenzierung bei der Beurteilung des Einflusses der Kundenzufriedenheit
auf die Kundenbindung treffen Homburg und Faßnacht (vgl. 2001, S. 453): Sie postulieren,
dass die verschiedenen Faktoren der Kundenbindung (bisheriges Kaufverhalten, bisherige
Wieterempfehlungen, Wiederkaufabsicht, Weiterempfehlungsabsicht und Cross-Buying-
95
Absicht, vgl. Abbildung 17) unterschiedlich stark von der Kundenzufriedenheit beeinflusst
werden.
Eggert und Helm (vgl. 2000, S. 66) unterscheiden in ihrer empirischen Untersuchung zum
Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung zwei innere
Bindungszustände: die Verbundenheit, als deren zentrale Determinante sie die Kunden-
zufriedenheit vermuten, und die Gebundenheit, die durch technologische oder ökono-
mische Wechselbarrieren entsteht. In ihrer Untersuchung betrachten sie ausschließlich die
Verbundenheit, definieren sie als emotionale Komponente der Kundenbindung und
operationalisieren sie anhand sieben gefühlsbetonter Items, die sie als Indikatoren für den
inneren Zustand der Verbundenheit betrachten (vgl. Eggert & Helm, 2000, S. 70). Die
Weiterempfehlung, die in den meisten anderen Modellen (z.B. Homburg & Faßnacht,
2001) als Aspekt der Kundenbindung aufgefasst wird, trennen sie konzeptionell von der
Kundenbindung. Sie verstehen sie als eigenständiges Untersuchungsobjekt, das sie geson-
dert operationalisieren und als abhängige Variable in ihr Modell aufnehmen.
Sie kommen zu dem interessanten Ergebnis, dass bei Einbeziehung der Verbundenheit (im
Sinne emotionaler Kundenbindung) der Einfluss der Kundenzufriedenheit auf das Weiter-
empfehlungsverhalten, der ohne die zusätzliche Variable Verbundenheit noch sehr stark
war (r = 0,83; p <= 0,001), vernachlässigbar ist. Die Weiterempfehlung wird dann
hauptsächlich durch die Verbundenheit determiniert, der partielle Einfluss der
Kundenzufriedenheit geht gegen Null. Abbildung 21 gibt die Ergebnisse der Untersuchung
wieder (vgl. Eggert & Helm, 2000, S. 69).
96
Kundenzufriedenheitr = 0,01
r = 0,89*** r = 0,93***
*** = Signifikanzniveau von 0,001
Weiterempfehlung
Verbundenheit
Abbildung 21: Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit, Verbundenheit und Weiterempfehlung nach Eggert und Helm (2000)
Eggert und Helm kommen in ihrer Untersuchung, deren Gültigkeitsbereich aufgrund der
Fokussierung auf den Automobilmarkt als eingeschränkt betrachtet werden muss, zu dem
Schluss, dass Kundenzufriedenheit nicht ausreicht, um Weiterempfehlungsverhalten
auszulösen. Ihrer Untersuchung zufolge ist eine Verbundenheit des Kunden mit seinem
Anbieter eine wesentliche Voraussetzung für Weiterempfehlungen. Diese Einflussgröße
wurde deshalb auch in das im Rahmen der vorliegenden Arbeit entwickelte E-Commerce-
Tabelle 9: Entsprechungen der TOPB-Variablen im Kundenbindungsmodell von Braunstein
98
In Anlehnung an Gollwitzer und Malzacher, die einen Verhaltensvorsatz zwischen Verhal-
tensintention und Verhalten annehmen, postuliert Braunstein zusätzlich einen Bindungs-
vorsatz zwischen Kundenloyalität und Kundenbindung (vgl. Braunstein, 2001, S. 171).
Abbildung 22 gibt das vereinfachte Modell von Braunstein wieder. (Das Gesamtmodell
bezieht zusätzlich die vorgeschalteten Determinanten der Variablen „Kundenzufrieden-
heit“, „subjektive Norm“ und „wahrgenommene Verhaltenskontrolle“ im Sinne von Erwar-
tungs-mal-Wert- bzw. Zufriedenheits-mal-Wert-Modellen sowie den Einfluss der Varia-
blen „Handlungs- versus Lageorientierung“ und „wahrgenommene Selbstrelevanz“ mit ein,
vgl. Braunstein, 2001, S. 188).
Kunden-zufriedenheit
Zufriedenheit mitsubjektiver Norm
wahrgenommene Verhaltens-
kontrolle
Kundenloyalität KundenbindungBindungsvorsatz
Abbildung 22: Kundenbindungsmodell nach Braunstein (vereinfacht)
Der Braunstein’sche Ansatz der Übertragung der Theorie des geplanten Verhaltens auf die
Konzepte Kundenloyalität und Kundenbindung erwies sich in der empirischen Analyse als
sehr geeignet. Er beeinflusste daher auch die Konzeptualisierung des im Rahmen der vor-
liegenden Arbeit entwickelten E-Commerce-Kundenloyalitätsmodells, das in Kapitel 2.7
dargestellt wird. Zunächst werden die Konzepte Kundenloyalität und Kundenbindung im
Hinblick auf den Anwendungsbereich des Modells, den E-Commerce, näher beleuchtet.
99
2.6.5. Kundenloyalität und Kundenbindung im E-Commerce
Angesichts der Tatsache, dass der Konsument im Internet die Möglichkeit hat, innerhalb
von Sekunden anhand weniger „Klicks“ von einem Anbieter zum nächsten zu wechseln,
erscheint der Aufbau von Kundenloyalität und Kundenbindung im Internet besonders
schwierig. Verschiedene Studien belegen jedoch mittlerweile, dass gerade das Gegenteil
der Fall ist: Entgegen der langläufigen Meinung, die Loyalität von Internet-Kunden sei sehr
gering (vgl. z.B. Kracklauer & Seifert, 2001, S. 52) zeigt eine Studie von Bain &
Company, dass Loyalität gerade bei Internet-Kunden besonders ausgeprägt ist, v.a. im
Business-to-Business-Sektor (vgl. Reichheld & Schefter, 2001, S. 73). Dies hat verschie-
dene Gründe:
1. Internet-Kunden neigen dazu, ihre Einkäufe auf einen oder wenige bevorzugte Anbieter
zu vereinen (vgl. Reichheld & Schefter, 2000, S. 106). Dies zeigt auch eine Unter-
suchung von Infratest Burke: Drei Viertel aller befragten Online-Käufer hatten im
letzten Jahr vor dem Befragungszeitpunkt bei nicht mehr als vier verschiedenen Shops
bestellt (vgl. Infratest Burke, 2001, S. 20). Die Gründe hierfür liegen auf der Hand:
Macht ein Käufer bei seiner ersten Bestellung positive Erfahrungen mit einem Online-
Anbieter, so stellt das für ihn ein Erfolgserlebnis dar und er gewinnt Vertrauen zu dem
Anbieter. Hat er sich erst einmal an die Benutzerführung der Internet-Seite gewöhnt,
wird er immer wieder darauf zurückgreifen, ehe er sich mit einer neuen, anders
gestalteten Website auseinander setzt. Auf diese Weise entstehen bereits in diesem
frühen Stadium Wechselbarrieren (vgl. Silberer & Yom, 2001, S. 435).
2. Ein weiterer Aspekt, der die Loyalität im Internet begünstigt, ist die Tatsache, dass der
Effekt der Mund-zu-Mund-Werbung im Internet deutlich stärker ist. Durch die Affinität
zu diesem Medium und der Präsenz im Netz neigen die Internet-Kunden dazu, ihre
Empfehlungen per E-Mail zu versenden. Durch die Möglichkeit, dabei E-Mails an ganze
so genannte „Verteiler“ mit einer beliebigen Anzahl von Empfängern zu versenden,
werden Internet-Kunden zu unvergleichlichen Multiplikatoren. Dieses Potenzial kann
durch eine Funktion zur Weiterleitung von Empfehlungen innerhalb der Website
zusätzlich unterstützt werden. Da Kunden, die auf Empfehlung zu einem Anbieter
kommen, sehr häufig denjenigen um Rat fragen, der ihnen den Anbieter empfohlen hat,
können auf diese Weise nicht nur enorme Marketingkosten, sondern auch Servicekosten
(v.a. Call Center) eingespart werden. Durch die sehr geringen Akquisitionskosten der
100
Mund-zu-Mund-Werbung können mit solchen Kunden deutlich früher Gewinne erzielt
werden (vgl. Reichheld & Schefter, 2000, S. 107).
3. Das Internet bietet zudem unvergleichlich gute Bedingungen für eine starke Kundenbin-
dung. Im Gegensatz zu Ladenkunden hinterlassen Internet-Kunden ihren Namen und
ihre Adressen, teilweise sogar ihre Kreditkartennummern, so dass ihr Informations- und
Kaufverhalten über die Zeit hinweg verfolgt werden kann (zu entsprechenden Maß-
nahmen z.B. bei AOL vgl. Reichheld & Schefter, 2001, S. 78). Ebenso gibt es die Mög-
lichkeit, durch so genannte „Cookies“ sowie durch „Tracking Software“ das Nutzungs-
verhalten der Kunden auf der Website genau nachzuvollziehen und Informationen
darüber zu sammeln, welche Seiten wie lange und in welcher Reihenfolge besucht wer-
den (vgl. Dholakia, Dholakia, Zwick & Laub, 2001, S. 84 und 86). Komplexe Software-
programme können aus all diesen, in Datenbanken gespeicherten Informationen in Se-
kundenschnelle Kundenbeschreibungen produzieren, die sodann mit Hunderten weiterer
Kundenprofile verglichen werden können (vgl. Dholakia, Dholakia, Zwick & Laub,
2001, S. 86). Dies bietet hervorragende Möglichkeiten für so genanntes One-to-One-
Marketing, da die Angebote individuell auf die Kunden zugeschnitten werden können
(vgl. Stojek & Ulbrich, 2001, S. 46).
Die Erkenntnis, dass die meisten Web-Unternehmen ihre Kunden mindestens zwei bis drei
Jahre lang binden müssen, bevor sich die Anfangsinvestitionen (IT-Kosten, Akquisitions-
kosten) amortisiert haben, ein großer Teil der Kunden jedoch bereits vor dem dritten Jahr
verloren geht (vgl. Reichheld & Schefter, 2001, S. 75), macht die ökonomische Bedeutung
der Kundenbindung besonders deutlich (vgl. auch Rombach, 2001, S. 46). Zu Beginn des
Internet-Booms fand diese Tatsache jedoch kaum Beachtung. Die Internet-Unternehmen
konzentrierten sich vornehmlich auf die Akquisition von Neukunden (vgl. Venohr &
Zinke, 2000, S. 159). In Anbetracht der Neuartigkeit des Marktes war dieser Schwerpunkt
verständlich, da zunächst eine Kundenbasis aufgebaut werden musste. Langfristig ist
jedoch gerade im E-Commerce aufgrund der besonders hohen Wettbewerbsintensität und
der schnellen Kundenabwanderungsmöglichkeit Kundenloyalität von herausragender
Bedeutung.
Das folgende E-Commerce-Kundenloyalitätsmodell bietet erste Ansätze, wie Kunden-
loyalität im Internet aufgebaut und erhalten werden kann.
101
2.7. E-Commerce-Kundenloyalitätsmodell auf Basis der TOPB
In Kapitel 2.6.4 wurde das Modell von Braunstein (2001) vorgestellt, das die Komponenten
der TOPB auf die Konstrukte Kundenzufriedenheit, Kundenloyalität und Kundenbindung
überträgt (vgl. Tabelle 9). Diese grundsätzliche Übertragung der TOPB-Variablen dient
dem E-Commerce-Kundenloyalitätsmodell als Basis. Es ergibt sich folgende Grundstruk-
tur, auf der das Modell im Folgenden aufgebaut wird:
Kunden-zufriedenheit
wahrgenommene Verhaltens-
kontrolle
Kundenloyalität Kundenbindungsubjektive Norm
Abbildung 23: Grundstruktur des E-Commerce-Kundenloyalitätsmodells
Auf die Erfassung der subjektiven Norm musste jedoch verzichtet werden. Dies lag daran,
dass die Befragung im Rahmen eines Online-Kundenzufriedenheitsfragebogens stattfand,
der nach einer Bestellung bei dem untersuchten Anbieter ausgefüllt werden konnte.
Professionelle Einkäufer zu fragen, ob sie der Meinung sind, dass in ihrem Unternehmen
von ihnen erwartet wird, dass sie Büromaterial über das Internet bestellen, erschien in
diesem Kontext nicht adäquat, da ja die Beantwortung des Fragebogens bereits online
erfolgte. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass ein Unternehmen, das seinem
Einkäufer einen Internet-Anschluss am Arbeitsplatz zur Verfügung stellt, auch erwartet,
dass dieser ihn in der täglichen Arbeit, das heißt auch für die Bestellung von Büromaterial,
einsetzt. Dies bestätigen auch die Ergebnisse der Telefonbefragung, die im Hinblick auf
102
den Einsatz des Internet in der täglichen Arbeit eine sehr hohe subjektive Norm bei
Einkäufern zeigen. Damit verbunden ist eine äußerst geringe Varianz in der Variablen
„subjektive Norm“ (vgl. Kapitel 3.2.3), die zu Problemen bei der statistischen Auswertung
führt (vgl. Kapitel 3.2.5). Dies wäre auch bei der Online-Befragung zu erwarten gewesen.
Auch die Variable Kundenbindung wurde nicht in das Modell aufgenommen, da aufgrund
des anonymen Online-Untersuchungsdesigns keine Follow-up-Befragung möglich war.
Einige Forscher greifen bei der Operationalisierung der Kundenbindung zwar auf das
bisherige Kaufverhalten zurück (vgl. 2.6.2), diese Auffassung wird jedoch von der
Verfasserin strikt abgelehnt, da bisheriges Kaufverhalten ein äußerst unzureichender
Indikator für zukünftiges (tatsächliches) Kaufverhalten ist. Dies wäre lediglich bei sehr
regelmäßigen und über einen langen Zeitraum gewachsenen Kundenbeziehungen, die mit
sehr stabilen Bindungsverhältnissen einhergehen, der Fall. Da der Internet-Anbieter, dessen
Daten im Rahmen der Untersuchung erhoben wurden, jedoch zum Zeitpunkt der Befragung
zu neu am Markt war, um solche jahrelangen Kundenbeziehungen aufzuweisen, wurde
diese Art der Operationalisierung nicht in Betracht gezogen. Die einzig valide Vorgehens-
weise zur Messung des Kundenbindungskonstrukts im Sinne eines tatsächlichen Wieder-
kauf-, Weiterempfehlungs- und Cross-Buying-Verhaltens wäre daher die Erhebung dieser
Verhaltensaspekte zu einem zweiten Messzeitpunkt, einer so genannten Follow-up-
Befragung, wie sie in der Telefonbefragung (vgl. 3.2) durchgeführt wurde. Dies war jedoch
aufgrund der oben genannten Argumente (Anonymität der Online-Fragebögen) nicht mög-
lich. Das Ergebnis war deshalb ein Kundenloyalitätsmodell.
Um das Modell für die Kundenloyalität im E-Commerce weiterentwickeln zu können,
mussten weitere Spezifikationen vorgenommen werden.:
In der Vorstudie wurden Sicherheitsbedenken als potenziell handlungshemmendes Moment
für einen Einkauf im Internet identifiziert. Dieser Aspekt bildet, wie in Kapitel 2.1.6
dargestellt, ein Spezifikum des E-Commerce, da neben die Risikofaktoren, die jeder
konventionelle Einkauf mit sich bringt (funktionales, finanzielles, physisches, soziales und
psychisches Risiko, vgl. Tabelle 4), die Unsicherheiten der Datenübertragung per Internet
treten. Aus diesem Grunde ist die Aufnahme einer sicherheitsbezogenen Variablen für ein
E-Commerce-Kundenloyalitätsmodell unerlässlich. Sicherheitsbedenken können auch als
interne Faktoren der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle betrachtet werden, da sie
103
jedoch im Rahmen des E-Commerce eine so bedeutende Stellung einnehmen, gehen sie als
eigenständige Variable in das Modell ein.
In Anlehnung an die Ergebnisse von Eggert und Helm (vgl. Kapitel 2.6.3) wurde zusätzlich
die Variable Verbundenheit in das Modell mit aufgenommen, da der Aufbau emotionaler
Verbundenheit gegenüber einem Internet-Anbieter eine besondere Schwierigkeit darstellt,
die es empirisch zu untersuchen gilt. Erkenntnisse in diesem Bereich können wertvolle
Hinweise liefern, inwieweit ein Medium wie das Internet, das gemeinhin als eher unpersön-
lich betrachtet wird – insbesondere im Vergleich zu den im Business-to-Business-Bereich
üblichen persönlichen Kunde-Lieferanten-Beziehungen – Defizite in diesem Bereich
kompensieren bzw. durch spezielle Maßnahmen Loyalität aufbauen kann.
Zusätzlich wurde die Wichtigkeit der einzelnen Zufriedenheitsdimensionen, die der Global-
zufriedenheit zugrunde liegen, analysiert. Dazu wurde bei der Erfassung der Kunden-
zufriedenheit unterschieden zwischen der Globalzufriedenheit (Zufriedenheit der Kunden
mit der Gesamtleistung eines Anbieters) und den Einzelzufriedenheiten (Zufriedenheit der
Kunden mit bestimmten Leistungsdimensionen eines Anbieters). Dies ermöglicht eine
differenzierte Betrachtung aller Leistungsparameter, die einen Einfluss auf die Global-
zufriedenheit ausüben. Insgesamt ergibt sich das folgende Modell:
Global-zufriedenheit
Verbundenheit
Sicherheits-bedenken
Kunden-loyalität
wahrgenommene Verhaltens-
kontrolle
Einzel-zufriedenheiten
Abbildung 24: E-Commerce-Kundenloyalitätsmodell
104
3. Empirische Untersuchungen zur Erklärung und Prognose des Kaufverhaltens
im E-Commerce
3.1. Darstellung des Untersuchungsdesigns der Gesamtstudie
Ziel der Untersuchung war zum einen die Anwendung der Theorie des geplanten Verhal-
tens von Ajzen auf das Kaufverhalten im Internet, zum anderen die Entwicklung eines
neuen, integrierten Untersuchungsmodells zur Erklärung und Prognose von Kunden-
loyalität im E-Commerce sowie die empirische Überprüfung der beiden Modelle. Das erste
Modell (E-Commerce-Kaufverhaltensmodell) zielt auf die Übertragung der TOPB auf das
Einkaufen im Internet ab, wobei in einer ersten Befragung die Einstellung, die subjektive
Norm, die wahrgenommene Verhaltenskontrolle sowie die Intention erhoben wurden und
in einer Follow-up-Befragung das tatsächliche Verhalten. Das zweite Modell (E-
Commerce-Kundenloyalitätsmodell) berücksichtigt stärker die Aspekte Kundenzufrieden-
heit und Kundenloyalität und bezieht spezielle, den E-Commerce betreffende Variablen mit
ein.
Die gesamte Untersuchung fand im Auftrag eines Business-to-Business-E-Commerce-
Unternehmens statt, dessen Produktsortiment hauptsächlich Bürobedarf umfasst. Aus
dieser Zusammenarbeit ergab sich der gewählte Untersuchungs-Fokus: das Bürobedarf-
Beschaffungsverhalten von Einkäufern kleiner und mittelständischer Unternehmen über
das Internet. Die konkrete Fragestellung sowie die Methodik wurden ausschließlich von der
Autorin bestimmt. Die Untersuchung fand in Deutschland statt.
In einem ersten Schritt wurde eine qualitative Vorstudie durchgeführt, um die
entscheidungsrelevanten Dimensionen und Elemente des organisationalen Bürobedarf-
Beschaffungsverhaltens zu ermitteln. Die Ergebnisse der Vorstudie dienten maßgeblich als
Grundlage für die beiden Hauptuntersuchungen.
Die erste Hauptuntersuchung wurde in Form einer Telefonbefragung anhand eines stan-
dardisierten Fragebogens durchgeführt. Sie erfolgte an zwei Messzeitpunkten im Abstand
von vier Monaten. In dieser Befragung wurde vor allem das Einkaufsverhalten in Bezug
auf Bürobedarf im Internet allgemein untersucht, nicht bezogen auf einen konkreten
Anbieter. Die zweite Hauptuntersuchung bestand in einem Online-Fragebogen, dessen
Daten über einen Zeitraum von fünf Monaten hinweg erhoben und nach einzelnen Monaten
ausgewertet wurden. Hierbei lag der Schwerpunkt auf der Analyse relevanter Einfluss-
105
faktoren auf die Kundenloyalität im E-Commerce. Dieser Teil der Untersuchung hatte
dementsprechend den Kauf bei einem konkreten Internet-Anbieter zum Gegenstand.
Tabelle 10 gibt einen Überblick über das Untersuchungsdesign der Gesamtstudie:
Erhebungs-instrument
Befragte Durchführungs-zeitraum
Umfang der Erhebung
Themen-schwerpunkt
Qualitative Vorstudie
Experten-interviews
Personen, die in ihrem Unterneh-men für Bürobe-darf-Beschaffung zuständig sind
September 2000 5 explorative Inter-views, Dauer: 1,5 – 2 Stunden
Dimensionen des Internet-Einkaufs (allgemein) sowie der Bürobedarf-Beschaffung (all-gemein und via Internet)
Telefon-befragung
Personen, die in ihrem Unterneh-men für Büro-bedarf-Beschaf-fung zuständig sind
1. Befragungs-welle: Februar 2001
2. Befragungs-welle: Juni 2001
1. Befragungs-welle: 250 Pers.
2. Befragungs-welle: 174 Pers.
Kaufverhalten im Internet (im Hin-blick auf Bürobe-darf-Beschaffung)
Hauptuntersuchungen
Online-Befragung
Kunden des un-tersuchten Inter-net-Anbieters
März – Juli 2001 insgesamt 6.176 Online-Fragebögen
Kundenloyalität im Internet
Tabelle 10: Darstellung des Untersuchungsdesigns
3.1.1. Qualitative Vorstudie
Zur Evaluation entscheidungsrelevanter Einflussgrößen beim Einkauf über das Internet,
insbesondere im Zusammenhang mit der organisationalen Bürobedarf-Beschaffung,
wurden zunächst Expertengespräche in Form von explorativen Interviews durchgeführt.
Bei der Exploration handelt es sich um eine persönliche, mündliche Befragung, die anhand
eines teilstrukturierten Interview-Leitfadens durchgeführt wird (vgl. Berekoven, Eckert &
Ellenrieder, 2001, S. 95f.). Charakteristisch für diese Form der Befragung ist, dass der
Interviewer den Befragten zum interessierenden Thema hinleitet und den Gesprächsverlauf
im Sinne des Untersuchungsgegenstands steuert, dabei jedoch dem Befragten möglichst
viel Freiraum gibt, so dass dieser seine Gedanken und Gefühle zum Ausdruck bringen kann
(vgl. Robson, 1993, S. 237ff.). Folgende Themenschwerpunkte wurden dabei behandelt:
��Bürobedarf-Beschaffungsverhalten,
��Internet-Nutzungs- und -Bestellverhalten,
��Einstellungsdimensionen zum Einkauf im Internet,
��Dimensionen der Kundenzufriedenheit sowie
��Kundenloyalität/Kundenbindung/Wechselbarrieren.
106
Die Interviews wurden auf Tonband aufgenommen, transkribiert und anschließend
qualitativ ausgewertet. Der Wert der Vorstudie lag in der Bereitstellung der relevanten
Dimensionen und Einflussfaktoren, die beim Einkauf im Internet, bei der Bürobedarf-
Beschaffung im Allgemeinen sowie speziell im Internet eine Rolle spielen. Die Ergebnisse
dienten insbesondere der Operationalisierung der einzelnen Konstrukte der zu prüfenden
Modelle und beeinflussten von daher in starkem Maße die Gestaltung der Fragebögen der
beiden Hauptuntersuchungen (vgl. Kapitel 3.2.2 und 3.3.2).
3.1.2. Hauptuntersuchungen
3.1.2.1. Konstruktion der Fragebögen
Beiden Hauptuntersuchungen liegen standardisierte Fragebögen zugrunde, die offene und
geschlossene Fragen beinhalten. Die offene Frageform ist dadurch gekennzeichnet, dass die
Formulierung der Antwort der Testperson überlassen wird, wohingegen bei geschlossenen
Fragen die Antwortkategorien vorgegeben sind (vgl. Hüttner, 1989, S. 66f.). Die offenen
Fragen dienten vor allem dazu, mehr über die Hintergründe und Motive der Verhaltens-
weisen der Testpersonen zu erfahren. Sie sind vor allem für die Interpretation der quantita-
tiven Ergebnisse von Bedeutung. Die für die durchgeführte Studie relevanten Items waren
jeweils in umfangreichere Fragebögen integriert, um auch dem Marktforschungsbedarf des
Auftraggebers gerecht zu werden. Aufgrund der thematischen Übereinstimmung war eine
harmonische Abfolge der Items gewährleistet.
Ein wichtiges Kriterium bei der Erstellung der Fragebögen war deren Länge. Einerseits
sollte die Möglichkeit der Informationsgewinnung weitestgehend ausgeschöpft werden,
andererseits musste in Anbetracht der Befragungssituation auf die mangelnde Zeit und
Geduld der Ansprechpartner Rücksicht genommen werden, da beide Befragungen am
Arbeitsplatz stattfanden. Beide Fragebögen wurden in Pretests auf ihre Verständlichkeit
und Praktikabilität hin geprüft. Dabei wurden die Testpersonen instruiert, alles mitzuteilen,
was ihnen bei der Bearbeitung des Fragebogens durch den Kopf ging (zu Pretests vgl.
Neumann, 1995, S. 37f.). Zusätzlich wurden die Fragebögen mit Marketing- sowie
Internet-Experten diskutiert. Auf diese Weise konnte die Formulierung der einzelnen
Fragen sowie deren Abfolge bestmöglich optimiert und im Hinblick auf die zu prüfenden
Modelle operationalisiert werden.
107
3.1.2.2. Telefonische Befragung an zwei Messzeitpunkten
Die telefonische Befragung wurde als Längsschnittstudie mit zwei Befragungswellen
konzipiert, das heißt, ein und dieselbe Stichprobe wurde zu zwei Messzeitpunkten befragt,
wobei jeweils die Konstrukte Einstellung, subjektive Norm, wahrgenommene Verhaltens-
kontrolle und Intention durch dieselben Fragen erfasst wurden (vgl. Westermann, 2000, S.
25). In der Follow-up-Befragung wurde zusätzlich eine Frage zum zwischenzeitlichen
Verhalten gestellt. Abbildung 25 gibt einen Überblick über das der Telefonuntersuchung
zugrunde liegende Untersuchungsdesign.
Zielgruppe und Grundgesamtheit der Untersuchung waren alle Einkäufer von Büromaterial
in kleinen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland. Diese Grundgesamtheit
umfasst laut LAE 2001 626.000 Personen (Allein-Entscheider Büromaterial, Beschäfti-
gungsgröße: 1 – 500 Mitarbeiter). Die genaue Vorgehensweise an den beiden Befragungs-
zeitpunkten wird im Folgenden ausführlich dargestellt.
Feb. März April Mai Juni
1. T
elef
on-
Bef
ragu
ng:
250
Bef
ragt
e
1. T
elef
on-
Bef
ragu
ng:
250
Bef
ragt
e
2. T
elef
on-
Bef
ragu
ng:
174
Bef
ragt
e
2. T
elef
on-
Bef
ragu
ng:
174
Bef
ragt
e
Abbildung 25: Untersuchungsdesign der Telefonbefragung
108
Erste Befragungswelle
Der Fragebogen für die Telefonbefragung wurde bewusst möglichst kurz gehalten, um die
Geduld der Befragten, die an ihrem Arbeitsplatz angerufen wurden, nicht übermäßig zu
strapazieren. Die Beantwortungszeit lag im Schnitt bei 10 bis 15 Minuten. Die Auswahl
der Firmen erfolgte mit Hilfe eines computergestützten Zufallsverfahrens aus einer 15.000
Adressen kleiner und mittelständischer Unternehmen umfassenden Datenbank. Die
Ansprechpartner (Einkäufer von Büromaterial) wurden über die Telefonzentrale ermittelt,
anschließend an ihrem Arbeitsplatz kontaktiert und entweder direkt oder zu einem
vereinbarten Zeitpunkt interviewt. Auf diese Weise wurden 250 Personen befragt. Einzige
Voraussetzung für die Teilnahme war das Verfügen über einen PC mit Internet-Anschluss
am Arbeitsplatz. Inhaltlich wurden solche Items abgefragt, die die Überprüfung der Theorie
des geplanten Verhaltens von Ajzen erlauben. Wie die jeweiligen Konstrukte
operationalisiert wurden, wird in Kapitel 3.2.2 ausführlich erläutert.
Zweite Befragungswelle
Ziel der zweiten Befragungswelle war es hauptsächlich, die Realisation der in der ersten
Befragung erhobenen Verhaltensintention zu überprüfen. Zum zweiten Messzeitpunkt
standen nur noch 174 der 250 Personen, die an der ersten Befragung teilgenommen hatten,
zur Verfügung. Diese so genannte Panelsterblichkeit (vgl. dazu Hammann & Erichson,
2000, S. 168) resultierte aus verschiedenen Gründen: Ein Teil der Befragten war zum Zeit-
raum der zweiten Befragung im Urlaub, ein Teil hatte im Untersuchungszeitraum keine
Zeit und einige Teilnehmer der ersten Befragung waren zum Zeitpunkt der zweiten
Befragung gar nicht mehr im betreffenden Unternehmen beschäftigt. Da Panelsterblichkeit
ein ubiquitäres Phänomen von Studien mit mehreren Messzeitpunkten ist, wurde dies
bereits bei der ersten Befragung berücksichtigt, indem eine ausreichende Anzahl an
Befragten (250) gewählt wurde (zur notwendigen Größe des Stichprobenumfangs vgl.
Rogge, 1992, S. 113ff. sowie Hammann & Erichson, 2000, S. 143f.).
Die Durchführung fand vier Monate nach der ersten Welle statt. Bei der Wahl des
zeitlichen Abstands zwischen den beiden Befragungswellen musste folgende Problematik
berücksichtigt werden: Zum einen sollte genug Zeit vergehen, so dass die Befragten das
untersuchte Verhalten auch zeigen können, zum anderen sollte der Abstand nicht zu groß
109
sein, da sonst zu viele intervenierende Variablen zwischen die Intention, das Verhalten zu
zeigen und die Beurteilung der tatsächlichen Realisation des Verhaltens treten können.
Grundsätzlich ist es im Rahmen der TOPB immer sinnvoll, die tatsächliche Realisation des
Verhaltens möglichst zeitnah zu erfassen, da die Intentions-Verhaltens-Relation andernfalls
zu leicht durch unvorhergesehene Ereignisse gestört werden kann (vgl. Ajzen, 1985, S. 12).
Jedoch war es aufgrund des Untersuchungsgegenstands nötig, den Befragten auch die
Möglichkeit einer Verhaltensveränderung zu geben. Denn es ging in der Prüfung der
Theorie darum, ob die Person plant, in Zukunft im gleichen, in größerem oder geringerem
Ausmaß Bürobedarf über das Internet zu bestellen. Um ein solches „Gesamt-Verhalten“,
das aus mehreren Einzelhandlungen besteht, zeigen zu können, musste genügend Zeit
zwischen der Beurteilung der Intention und der Äußerung der Verhaltens-Realisation zur
Verfügung stehen.
3.1.2.3. Kontinuierliche Online-Befragung über fünf Monate
Ziel der Online-Befragung war es, das Kaufverhalten nicht nur allgemein zu untersuchen
(wie in der Telefonbefragung), sondern darüber hinausgehende Aspekte wie die Absicht
zur Kaufwiederholung und zur Weiterempfehlung, sowie zusätzliche, internetspezifische
Merkmale mit einzubeziehen. Die Befragung fand kontinuierlich über fünf Monate statt.
Zielgruppe und Grundgesamtheit der Untersuchung waren alle Kunden des untersuchten
Internet-Anbieters. Die Teilnahme der Testpersonen erfolgte freiwillig im Anschluss an
eine Bestellung. Es handelte sich also – im Gegensatz zur Telefonbefragung – um eine
selbstselektierte Stichprobe (vgl. Theobald, 2000, S. 307), das heißt, Personen, die von der
Durchführung der Befragung erfahren, entscheiden sich selbst, ob sie daran teilnehmen
wollen oder nicht. Grundsätzlich war es jedem Kunden des Internet-Anbieters möglich,
nach jeder durchgeführten Bestellung den Fragebogen auszufüllen. Diese Wiederholungs-
möglichkeit wurde bewusst gewählt, da das Unternehmen zum Untersuchungszeitpunkt
noch relativ neu im Markt war und sonst hauptsächlich Erstkäufer befragt worden wären.
Kunden hingegen, die schon öfter eingekauft haben, wären nicht in die Untersuchung
eingegangen. Motiviert wurde die Teilnahme durch die Ankündigung einer Verlosung (vgl.
dazu Homburg, Rudolph & Werner, 1998, S. 335).
Bei der Gestaltung des Online-Fragebogens wurde auf eine klare Strukturierung der Fragen
sowie auf eine ansprechende optische Gestaltung geachtet, um die Betrachter zur
110
Teilnahme zu animieren (vgl. Homburg, Rudolph & Werner, 1998, S. 335). Zudem wurde
der Fragebogen so kurz wie möglich gehalten, um die Motivation und Konzentration der
Befragten während des gesamten Fragebogens aufrecht zu erhalten (vgl. Batinic, 2001, S.
55). Die Beantwortungszeit lag im Schnitt bei ca. 10 - 15 Minuten. Aus jedem ausgefüllten
Fragebogen wurde eine E-Mail generiert, deren Inhalt anschließend in SPSS übertragen
wurde. Die Auswertung der Daten erfolgte monatsweise, um Veränderungen erkennen zu
können. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurden Daten über den Verlauf von
fünf Monaten ermittelt (März bis Juli 2001). Pro Monat füllten zwischen 1002 und 1565
Kunden des Internet-Anbieters den Online-Fragebogen aus. Insgesamt standen damit Daten
von 6176 Kunden zur Verfügung.
Der Fragebogen war auf die Überprüfung des in Kapitel 2.7 dargestellten E-Commerce-
Kundenloyalitätsmodells ausgerichtet und umfasste insbesondere Fragen zur Kunden-
zufriedenheit und Kundenloyalität. Welche weiteren Konstrukte erfasst, und wie sie
operationalisiert wurden, wird im Kapitel 3.3.2 ausführlich erläutert. Zusätzlich zu den für
die vorliegende Untersuchung notwendigen Items wurden weitere Fragen, die für den
Auftraggeber von Interesse waren, aufgenommen. Auf diese wird im Weiteren nicht näher
eingegangen. Einen zusammenfassenden Überblick über das Untersuchungsdesign der
beiden Hauptuntersuchungen gibt Abbildung 26.
111
Empirie 2Empirie 2Empirie 1Empirie 1
E-Commerce-Kaufverhaltensmodell
unter Anwendung der TOPB
E-Commerce-Kaufverhaltensmodell
unter Anwendung der TOPB
Daten derOnline-
Befragung
Daten derOnline-
Befragung
Daten dertelefonischen
Befragung(erster Messzeit-
punkt)
Daten dertelefonischen
Befragung(erster Messzeit-
punkt)
theoretisches Modell
E-Commerce-Kundenloyalitätsmodell
auf Basis der TOPB
E-Commerce-Kundenloyalitätsmodell
auf Basis der TOPB
zur empirischen Überprüfung
herangezogene Daten
Daten dertelefonischen
Befragung(zweiter Messzeit-
punkt)
Daten dertelefonischen
Befragung(zweiter Messzeit-
punkt)
Abbildung 26: Darstellung der beiden Hauptuntersuchungen
3.2. Empirische Überprüfung des E-Commerce-Kaufverhaltensmodells
3.2.1. Darstellung des Modells
Die Theorie des geplanten Verhaltens sowie ihre Anwendung auf das Kaufverhalten im E-
Commerce wurden in den Kapiteln 2.3.3 und 2.4 bereits ausführlich beschrieben. Die
TOPB geht im Wesentlichen davon aus, dass die drei unabhängigen Variablen
„Einstellung“, „subjektive Norm“ und „wahrgenommene Verhaltenskontrolle“ die
Intention beeinflussen, die ihrerseits die unmittelbare Vorbedingung für die Ausführung
des Verhaltens ist. Zusätzlich wirkt die wahrgenommene Verhaltenskontrolle auch direkt
auf das Verhalten ein (unter der Bedingung einer realistischen Einschätzung der wahrge-
nommenen Verhaltenskontrolle).
Auf die vorliegende Untersuchung bezogen bedeutet dies: Die Intention, zukünftig in
einem bestimmten Ausmaß Büromaterial über das Internet zu bestellen, ist eine Funktion
aus a) der Einstellung gegenüber dem Einkaufen im Internet, b) dem sozialen Druck des
jeweiligen Unternehmens, das Internet in der täglichen Arbeit einzusetzen sowie c) der
bisherigen Bestellhäufigkeit im Internet. Die Bestellhäufigkeit wird dabei betrachtet als das
Resultat aus dem Wissen, den Fähigkeiten und den Erfahrungen einer Person, im Internet
112
Bestellungen durchzuführen sowie den Möglichkeiten und Gelegenheiten der Person zur
Ausführung des Verhaltens.
Es ergeben sich folgende Hypothesen:
Hypothese 1:
Je positiver die Einstellung gegenüber dem Einkauf von Bürobedarf über das Internet ist,
desto eher besteht die Intention, in Zukunft in erweitertem Umfang Büromaterial über das
Internet zu bestellen.
Hypothese 2:
Je stärker eine Person den sozialen Druck im Unternehmen empfindet (subjektive Norm),
das Internet in der täglichen Arbeit einzusetzen, desto eher besteht die Intention, in Zukunft
in erweitertem Umfang Büromaterial über das Internet zu bestellen.
Hypothese 3:
Je stärker die wahrgenommene Verhaltenskontrolle einer Person ist, desto eher besteht die
Intention, in Zukunft in erweitertem Umfang Büromaterial über das Internet zu bestellen.
Gemäß der Theorie des geplanten Verhaltens gilt die Intention als valide Vorhersage-
variable für das tatsächliche Verhalten. Dementsprechend wird Hypothese 4 formuliert:
Hypothese 4:
Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen der Intention, zukünftig in einem
bestimmten Ausmaß (mehr, gleich viel, weniger) Büromaterial über das Internet zu
bestellen, und dem tatsächlichen Bestellverhalten.
Zusätzlich wirkt die wahrgenommene Verhaltenskontrolle nicht nur auf die Intention,
sondern auch direkt auf das tatsächliche Verhalten. Hypothese 5 gibt diese Annahme
wieder:
113
Hypothese 5:
Je stärker die wahrgenommene Verhaltenskontrolle einer Person ist, desto wahrschein-
licher ist es, dass ihr Bestellverhalten im Juni im Vergleich zu Februar zugenommen hat.
Abbildung 27 gibt einen Überblick über das Hypothesensystem:
Einstellung gegenüber Einkauf
im Internet
subjektive Norm
wahrgenommene Verhaltens-
kontrolle
Intention Einkauf im Internet
Hypothese 1
Hypothese 2
Hypothese 3Hypothese 5
Hypothese 4
Abbildung 27: E-Commerce-Kaufverhaltensmodell unter Anwendung der TOPB
3.2.2. Operationalisierung der Konstrukte
Für die Anwendung der Theorie des geplanten Verhaltens wurden von Ajzen (1988), wie
schon vorher von Fishbein und Ajzen für die Theorie des überlegten Handelns (1980),
konkrete Operationalisierungen vorgeschlagen (vgl. Ajzen, 1988, 122f.), an denen sich
auch die vorliegende Arbeit orientiert. Aus Gründen der Praktikabilität mussten jedoch
teilweise Anpassungen vorgenommen werden. Welche Operationalisierungen Ajzen
vorschlägt, und inwiefern davon abgewichen werden musste, wird in den folgenden
Abschnitten erläutert.
Bei der Operationalisierung der Einstellung ist es nach Ajzen und Fishbein (1977)
erforderlich, das Prinzip der Korrespondenz zu beachten (vgl. Kapitel 2.3.1). Demnach
müssen die Konstrukte „Einstellung“, „Intention“ und „Verhalten“ eine hohe Überein-
114
stimmung hinsichtlich der Aspekte Handlung, Ziel, Kontext und Zeit aufweisen. Das heißt,
Einstellung, Intention und Verhalten müssen über die gleiche Handlung definiert sein (hier:
Einkaufen im Internet), sich auf das gleiche Objekt beziehen (hier: Internet), den gleichen
Zusammenhang betreffen (hier: organisationale Beschaffung von Bürobedarf) und auf den
gleichen Zeitraum ausgerichtet sein. In der vorliegenden Untersuchung konnte der Aspekt
Zeit nicht – wie von Ajzen gefordert – näher konkretisiert werden (z.B. „Werden
Bestellungen von Bürobedarf per Internet bei Ihnen in den nächsten vier Monaten eher
zunehmen, gleich bleiben oder abnehmen?“), da bei der Befragung der Name des unter-
suchten Internet-Anbieters genannt wurde, und daher die Gefahr bestanden hätte, dass die
Befragten das Gefühl haben, man möchte sie zu einem Kauf „nötigen“. Dies kann zu
Reaktanz führen, das heißt zu einer Art „Trotzreaktion“. Reaktanz tritt auf, wenn Personen
sich in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt oder in ihrem freien Willen beeinflusst
fühlen (vgl. Felser, 1997, S. 221ff. sowie Wiswede, 1979, S. 81ff.). Es kann dann zu einem
so genannten Bumerang-Effekt kommen, das heißt, wenn die Person glaubt, der
Interviewer möchte von ihr hören, dass sie in den nächsten vier Monaten mehr über das
Internet bestellen wird, würde sie genau diese Erwartung nicht erfüllen und eine andere
Antwort geben. Um die Validität der Ergebnisse zu gewährleisten, musste daher auf die
Konkretisierung des Zeit-Aspekts verzichtet werden. Es wurde daher die Verhaltens-
intention für „die Zukunft“ erhoben („Werden Bestellungen von Bürobedarf per Internet
bei Ihnen in Zukunft eher zunehmen, gleich bleiben oder abnehmen?“).
Wie in Kapitel 2.3.3 dargestellt, werden von Ajzen auf einer den drei Konstrukten
„Einstellung“, „subjektive Norm“ und „wahrgenommene Verhaltenskontrolle“ vorgelager-
ten Ebene so genannte „saliente Überzeugungen“ angenommen, die dem jeweiligen Kon-
strukt zugrunde liegen. Zur Überprüfung der Theorie ist es laut Ajzen (1985, S. 15) jedoch
nicht zwingend nötig, auch diese zugrunde liegenden Überzeugungen zu erfassen:
„Although complete applications of the theory require assessment of all variables form
beliefs to overt behavior, many questions can be answered by investigating a more limited
set of relationships. Thus, it is often sufficient to obtain direct measures of attitudes and
subjective norms without assessing the underlying beliefs”. In der vorliegenden Unter-
suchung wird ebenfalls die direkte Erfassung der Konstrukte gewählt, da der Fragebogen
andernfalls zu umfangreich geworden wäre. Die Operationalisierungen der einzelnen
Variablen werden im Folgenden dargestellt.
115
3.2.2.1. Einstellung
Die am häufigsten angewandte Methode der direkten Einstellungsmessung ist laut Ajzen
(1988, S. 10) das semantische Differenzial von Osgood, Suci und Tannenbaum (1957), das
aus bipolaren Rating-Skalen besteht. Für das zu überprüfende Modell wurden Items
gewählt, die die Einstellung gegenüber dem Einkaufen im Internet erfassen. Denn, dem
Prinzip der Korrespondenz folgend, ist im Rahmen der Theorie des geplanten Verhaltens
nicht die Einstellung gegenüber einem Einstellungsgegenstand, hier gegenüber dem
Internet, von Relevanz, sondern die Einstellung gegenüber dem spezifischen Verhalten, in
diesem Fall dem Einkaufen im Internet: „Such attitudes toward a behavior are found to
predict actual behavior very well and much better than attitudes toward the target at which
the behavior is directed“ (Ajzen & Fishbein, 2000, S. 17).
Die Auswahl der Items zur Einstellungserfassung erfolgte anhand der in den
Experteninterviews der qualitativen Vorstudie im Zusammenhang mit dem Einkaufen im
Internet von den befragten Entscheidern als relevant erachteten Dimensionen. Es wurden 6-
stufige Rating-Skalen verwendet, um den Befragten nicht die Möglichkeit einer
indifferenten Antwort zu geben. Die positiven Begriffe befanden sich jeweils auf der linken
Seite der Skala, die negativen auf der rechten Seite.
Eine Vermischung positiver und negativer Begriffe, wie sie oft aus Gründen der Vermei-
dung so genannter Reihenstellungseffekte8 empfohlen wird, wurde zwar erwogen, jedoch
aufgrund schlechter Erfahrungen anderer Autoren, wonach eine derartige Vorgehensweise
eher zu Verwirrung bei den Befragten als zu besseren Antwortergebnissen führt, verworfen
(vgl. Scharitzer, 1994, S. 148).
Es ergab sich das folgende semantische Differenzial:
8 Von Reihenstellungseffekten spricht man, wenn die Beantwortung einer Teilfrage die darauf folgende
Teilfrage beeinflusst. Beantwortet z.B. eine Person ein Item positiv, dann besteht die Gefahr, dass sie auch die folgenden Items positiver beurteilt, als wenn sie das erste Item negativ beurteilt hätte (vgl. Neumann, 1995, S. 41).
Zunächst ist festzuhalten, dass der Summenscore keine Beurteilung „sehr negativ“ (Wert 6)
enthält, das heißt, kein Befragter bewertet die einzelnen Einstellungsdimensionen so
schlecht, dass sich ein Summenscore von 6 ergeben würde. Außerdem geben nur zwei
Befragte an, dass sie in Zukunft weniger Büromaterial über das Internet bestellen werden.11
Die Tabelle bestätigt teilweise, was auch die binäre logistische Regressionsanalyse ergeben
hatte: Die Intention, in Zukunft zunehmend, gleich bleibend oder abnehmend Büromaterial
über das Internet zu bestellen, hängt nicht von der Einstellung gegenüber dem Einkaufen
im Internet ab: Selbst Befragte, die das Einkaufen im Internet insgesamt „eher negativ“
(Wert 4) oder „negativ“ (Wert 5) beurteilen, geben an, dass sie in Zukunft mehr (14
Befragte) oder zumindest gleich bleibend (elf Befragte) bestellen werden. Wobei eine
Kreuztabelle geschichtet nach dem Kriterium „Anteil an Büromaterial, der zum Zeitpunkt
der ersten Befragung über das Internet bestellt wird“ (6-stufige Skala von „0 %“ bis „über
90 %“) zeigt, dass neun dieser elf Befragten zum Zeitpunkt der ersten Befragung 0 % ihres
Büromaterial-Bedarfs über das Internet deckten, das heißt, „gleich bleiben“ bedeutet hier,
dass kein Kauf über das Internet stattfinden wird, wohingegen es bei den beiden anderen
11 Wie in Kapitel 3.2.2.4 ausführlich beschrieben, veranlasste diese Tatsache dazu, die Variable „Intention“
in eine dichotome Variable (Zunahme – Nicht-Zunahme) umzuwandeln und sie so der binären logistischen Regressionsanalyse zugänglich zu machen.
127
bedeutet, dass sie weiterhin im gleichen Ausmaß Büromaterial über das Internet beziehen
werden.
Zusammenfassend kann man feststellen, dass über alle Beurteilungskategorien hinweg der
Prozentsatz derer, die angeben, in Zukunft einen größeren Anteil ihres Büromaterial-Be-
darfs über das Internet zu bestellen, deutlich größer ist als derer, die davon ausgehen, dass
er gleich bleiben wird (Kategorie 2: 67,5 % zu 32,5 %; Kategorie 3: 60,2 % zu 38,9 %;
Kategorie 4: 52,0 % zu 44,0 %; für die Kategorien 1 und 5 sind die absoluten Werte zu
gering, um die prozentualen Werte sinnvoll heranziehen zu können; für Kategorie 6 liegt
kein Wert vor).
Hypothese 1: „Je positiver die Einstellung gegenüber dem Einkauf von Bürobedarf über
das Internet ist, desto eher besteht die Intention, in Zukunft in erweitertem Umfang
Büromaterial über das Internet zu bestellen“ kann nach regressionsanalytischer Prüfung
nicht bestätigt werden.
Einfluss der subjektiven Norm auf die Intention (Hypothese 2)
Die binäre logistische Regressionsanalyse ergibt, wie bereits oben ausführlich dargestellt,
auch für die Variable „subjektive Norm“ keinen signifikanten Einfluss auf die Intention.
Daher erfolgt auch hier eine genauere Analyse der Kreuztabelle. Bei ihrer Betrachtung
muss zunächst darauf hingewiesen werden, dass die Varianz zwischen den Befragten im
Hinblick auf dieses Item sehr gering ist (vgl. Abbildung 29). Über 50 % der Befragten
(51,9 %) stimmen der Aussage, dass der Umgang mit dem Internet in ihrem Unternehmen
als selbstverständlich vorausgesetzt wird, voll zu (Wert 1). 21,8 % stimmen mit Wert 2 zu,
18,9 % der Befragten vergeben hier Wert 3. Nur 7,4 % vergeben die Werte 4, 5 und 6.
128
75 49 2 12659,5% 38,9% 1,6% 100,0%
31 22 5358,5% 41,5% 100,0%
34 12 4673,9% 26,1% 100,0%
10 1 1190,9% 9,1% 100,0%
1 1 250,0% 50,0% 100,0%
1 4 520,0% 80,0% 100,0%
152 89 2 24362,6% 36,6% ,8% 100,0%
Anzahl% von subjektive NormAnzahl% von subjektive NormAnzahl% von subjektive NormAnzahl% von subjektive NormAnzahl% von subjektive NormAnzahl% von subjektive NormAnzahl% von subjektive Norm
Tabelle 14: Prognose des tatsächlichen Verhaltens bei unterschiedlichen Ausprägungen der unabhängigen Variablen „Intention“
Hypothese 4: „Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen der Intention, zukünftig in
einem bestimmten Ausmaß (mehr, gleich viel, weniger) Büromaterial über das Internet zu
bestellen, und dem tatsächlichen Bestellverhalten“ kann also bestätigt werden und zwar in
dem Sinne, dass die Intention „Zunahme des Anteils des Büromaterial-Bedarfs, der über
131
das Internet gedeckt wird“ auch eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine tatsächliche
Zunahme von Büromaterial-Bestellungen per Internet bewirkt.
Einfluss der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle auf das tatsächliche Verhalten (Hypothese 5)
Auch hier wurde eine ordinale Regression durchgeführt, da die Zielvariable (tatsächliches
Verhalten) ordinalskaliert ist. Das Ergebnis stellt sich wie folgt dar: Die Differenz
zwischen dem anfänglichen und dem finalen negativen 2LL-Wert ist zu gering (5,804) und
wird nicht signifikant (Sig.: 0,326). Des Weiteren liefert der Chi-Quadrat-Test nach
Pearson einen signifikanten Wert, ein Zeichen für eine schlechte Anpassungsgüte des
Modells. Die zur Interpretation des Einflusses der abhängigen Variablen relevanten Lage-
schätzer sind zu gering und werden nicht signifikant. Für die Prognose des tatsächlichen
Verhaltens wurden anhand der Parameterschätzer folgende Wahrscheinlichkeiten (vgl.
Tabelle 15) berechnet:
n = 250 Wahrscheinlichkeit für Umsetzung des Verhaltens
Ausprägung „wahrgenommene Ver-haltenskontrolle“
Zunahme Gleichbleiben Abnahme
1 (ca. 1-mal pro Woche) 36 % 60 % 4 %
2 (ca. 2-3-mal im Monat) 17 % 72 % 11 %
3 (ca. 1-mal im Monat) 16 % 72 % 12 %
4 (ca. 1-2-mal im Vierteljahr) 18 % 72 % 10 %
5 (seltener) 16 % 72 % 12 %
6 (nie) 22 % 70 % 8 %
Tabelle 15: Prognose des tatsächlichen Verhaltens bei unterschiedlichen Ausprägungen der unabhängigen Variablen „wahrgenommene Verhaltenskontrolle“
Die Tabelle zeigt, dass Personen, die ca. einmal pro Woche im Internet bestellen, eine
deutlich höhere Wahrscheinlichkeit haben, in Zukunft einen größeren Anteil ihres Büro-
material-Bedarfs über das Internet zu decken als alle anderen Nutzergruppen.
Dennoch ist über alle Gruppen hinweg die Prognose für „Gleichbleiben“ mit Abstand am
höchsten. Die durchgeführte Analyse legt nahe, dass Hypothese 5 „Je stärker die wahrge-
132
nommene Verhaltenskontrolle einer Person ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass ihr
Bestellverhalten im Juni im Vergleich zu Februar zugenommen hat“ zumindest in Bezug
auf die Gruppe derer, die ca. einmal pro Woche im Internet bestellen, gelten könnte. Eine
Person dieser Gruppe hat eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit (36 %), dass ihr
Bestellverhalten im Juni im Vergleich zu Februar zugenommen hat, als eine Person einer
beliebigen anderen Kategorie (zwischen 16 % und 22 %).
Um diesen Einfluss genauer analysieren zu können, wurde die Variable „wahrgenommene
Verhaltenskontrolle“ umcodiert in die Gruppe derer, die einmal pro Woche im Internet
einkaufen (1, von nun an „Heavy User“ genannt), und allen, die seltener als einmal pro
Woche im Internet einkaufen (2). Diese umcodierte Variable „wahrgenommene
Verhaltenskontrolle“ wurde erneut einer ordinalen Regression unterzogen.
Hier ergibt die Rangkorrelation nach Spearman einen signifikanten (p <= 0,05; 2-seitig),
wenn auch sehr geringen (r = 0,174), positiven Zusammenhang zwischen der wahrge-
nommenen Verhaltenskontrolle und dem tatsächlichen Verhalten. Die anschließend durch-
geführte ordinale Regression bringt folgende Ergebnisse: Der negative 2LL-Wert beträgt
anfänglich 20,391, sein Endwert ist 15,210. Der Chi-Quadrat-Wert liegt somit bei 5,181.
Das entspricht einer Signifikanz von 0,023. Das heißt, durch Heranziehen der wahr-
genommenen Verhaltenskontrolle als Vorhersagevariable für das tatsächliche Verhalten
erfolgt eine signifikante Verbesserung (p <= 0,05). Zusätzlich wurde anhand des Chi-
Quadrat-Tests nach Pearson geprüft, ob sich die beobachteten Häufigkeiten signifikant von
den aufgrund des Modells berechneten erwarteten Häufigkeiten unterscheiden. Dass der
berechnete Wert nicht signifikant ist (Sig.: 0,731), spricht für die Anpassungsgüte des
Modells (vgl. Bühl & Zöfel, 2000, S. 380). Durch das Modell können allerdings nur 4 %
der Varianz erklärt werden (Bestimmtheitsmaß nach Nagelkerke: 0,037).
Der zur Interpretation des Einflusses der abhängigen Variablen relevante Lageschätzer ist
negativ (-0,942). Dies bedeutet gemäß der verwendeten Codierung, dass Heavy User eine
höhere Wahrscheinlichkeit dafür haben, das Verhalten „tatsächliche Zunahme von Büro-
material-Bestellungen über das Internet“ auch wirklich zu zeigen. Dieser Einfluss der
wahrgenommenen Verhaltenskontrolle auf das tatsächliche Verhalten ist mit 0,022 signifi-
kant (p <= 0,05). Dies verdeutlicht Tabelle 16, die die Wahrscheinlichkeiten für das tat-
sächliche Verhalten (Zunahme, Gleichbleiben, Abnahme) bei unterschiedlichen Ausprä-
133
gungen der unabhängigen Variablen „wahrgenommene Verhaltenskontrolle“ (Einkauf im
Internet ca. 1-mal pro Woche vs. seltener als 1-mal pro Woche) wiedergibt. Bei den Pro-
zentwerten handelt es sich um geschätzte Wahrscheinlichkeiten, die anhand der Parameter-
schätzer berechnet wurden.
n = 250 Wahrscheinlichkeit für Umsetzung des Verhaltens
Ausprägung „wahrgenommene Ver-haltenkontrolle“
Zunahme Gleichbleiben Abnahme
1 (Einkauf im Internet ca. einmal pro Woche)
36 % 60 % 4 %
2 (Einkauf im Internet seltener als einmal pro Woche)
18 % 72 % 10 %
Tabelle 16: Prognose des tatsächlichen Verhaltens bei unterschiedlichen Ausprägungen der unabhängigen Variablen „wahrgenommene Verhaltenskontrolle“
(Betrachtung Heavy User)
Wenn man also die Nutzergruppen sehr differenziert betrachtet (Unterteilung von 1 = „ca.
1-mal pro Woche“ bis 6 = „nie“), ergibt sich kein signifikanter Einfluss der wahrgenomme-
nen Verhaltenskontrolle auf das tatsächliche Verhalten. Unterscheidet man jedoch
zwischen sehr häufigem Einkauf im Internet (Heavy User) und weniger häufigem bis gar
keinem Einkauf im Internet, also sehr viel Erfahrung versus sehr wenig bis keine Erfahrung
mit Bestellungen im Internet, und wandelt man dementsprechend die Variable „wahrge-
nommene Verhaltenskontrolle“ in eine dichotome Variable um (1 = Einkauf im Internet ca.
1-mal pro Woche; 2 = Einkauf im Internet seltener als 1-mal pro Woche), zeigt sich ein
signifikanter Einfluss der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle auf das tatsächliche Ver-
halten.12
Unter dieser Bedingung (Variable „wahrgenommene Verhaltenskontrolle“ codiert mit 1
und 2) kann Hypothese 5 „Je stärker die wahrgenommene Verhaltenskontrolle einer Person
ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass ihr Bestellverhalten im Juni im Vergleich zu Februar
zugenommen hat“ bestätigt werden.
12 Anmerkung: Durch diese Umcodierung ergibt sich nur ein signifikanter Einfluss der wahrgenommenen
Verhaltenskontrolle auf das tatsächliche Verhalten. Eine erneute Regressionsanalyse mit der Intention als abhängiger Variablen und den unabhängigen Variablen „Einstellung“, „subjektive Norm“ und „wahrgenommene Verhaltenskontrolle“ (Codierung 1;2) ergibt keinen signifikanten Einfluss der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle auf die Intention.
134
Gesamtmodell
Abbildung 34 gibt einen Überblick über die Ergebnisse der Regressionsanalysen. Dabei ist
zu berücksichtigen, dass es sich bei den auf den Pfeilen eingetragenen Werten aufgrund der
unterschiedlichen Regressionsanalysen teils um Regressionskoeffizienten, teils um Lage-
schätzer handelt. Die Einflüsse von Einstellung, subjektiver Norm und wahrgenommener
Verhaltenskontrolle auf die Intention wurden anhand der binären logistischen Regression
überprüft. Bei den auf den Pfeilen eingetragenen Werten handelt es sich dementsprechend
um Regressionskoeffizienten. Die Einflüsse der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle und
der Intention auf das tatsächliche Verhalten wurden mittels der ordinalen Regression be-
rechnet. Deren Ergebnis sind nicht Regressionskoeffizienten, sondern so genannte
Lageschätzer, die - wie Regressionskoeffizienten - die Art des Einflusses der unabhängigen
Variablen auf die abhängige Variable wiedergeben. Die auf den Pfeilen zum tatsächlichen
Verhalten hin eingetragenen Werte sind also Lageschätzer. Beim Einfluss der
wahrgenommenen Verhaltenskontrolle auf das tatsächliche Verhalten wird der Wert für die
Heavy User vs. die „Weniger-als-einmal-pro-Woche-Nutzer“ dargestellt.
Abbildung 34: Überblick über die Ergebnisse der Regressionsanalysen
135
3.2.5. Diskussion der Ergebnisse
Eine Übersicht, welche Hypothesen anhand der empirischen Daten bestätigt werden
konnten und welche nicht, gibt Tabelle 17. Sie zeigt, dass nur zwei der fünf Hypothesen
durch die empirischen Daten gestützt werden konnten.
Hypothese Aussage Ergebnis
H1 Je positiver die Einstellung gegenüber dem Einkauf von Bürobedarf über das Internet ist, desto eher besteht die Intention, in Zukunft in erweitertem Umfang Büromaterial über das Internet zu bestellen.
nicht bestätigt
H2 Je stärker eine Person den sozialen Druck im Unternehmen empfindet, das Internet in der täglichen Arbeit einzusetzen (subjektive Norm), desto eher besteht die Intention, in Zukunft in erweitertem Umfang Büromaterial über das Internet zu bestellen.
nicht bestätigt
H3 Je stärker die wahrgenommene Verhaltenskontrolle einer Person ist, desto eher besteht die Intention, in Zukunft in erweitertem Umfang Büromaterial über das Internet zu bestellen.
nicht bestätigt
H4 Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen der Intention, zukünftig in einem bestimmten Ausmaß (mehr, gleich viel, weniger) Büromaterial über das Internet zu bestellen, und dem tatsächlichen Bestellverhalten.
bestätigt
H5 Je stärker die wahrgenommene Verhaltenskontrolle einer Person ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass ihr Bestellverhalten im Juni im Vergleich zu Februar zugenommen hat.
teilweise bestätigt
Tabelle 17: Übersicht über die Ergebnisse der Hypothesenprüfung
Es stellt sich die Frage, weshalb sich die TOPB nicht auf das organisationale Kaufverhalten
& Ajzen, 1992 sowie Plies & Schmidt, 1996). Dieses Problem beschreiben auch Six und
Eckes (1996, S. 9): „Hier sind stark selegierte Stichproben mit relativ homogenem
Antwortverhalten, die also eher als hochkonsistent in ihren Einstellungs-Verhaltens-
Beziehungen eingestuft werden müssten, der ‚Natur’ der statistischen Maßzahl ausgeliefert,
die unter solchen Verhältnissen eher geringe Übereinstimmung indizierte“. Dies ist ein
generelles methodisches Problem der Überprüfung der TOPB anhand von Regressions-
137
modellen, das auch von Dawes und Smith (1985, S. 558) sowie von Jonas und Doll (1996,
S. 26) kritisiert wurde.
An dieser Stelle muss auch darauf hingewiesen werden, dass es sich bei den Befragten um
eine – im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand – sehr homogene Population handelt,
da das Vorhandensein eines Internet-Anschlusses am Arbeitsplatz Voraussetzung für die
Teilnahme an der Befragung war. Dies zeigen auch die übrigen Ergebnisse der Telefon-
untersuchung: Zum einen besteht in den befragten Unternehmen ein starker sozialer Druck
auf die Mitarbeiter, dieses neue Medium in ihre tägliche Arbeit einzubinden (zu den
genauen Ergebnissen vgl. Kapitel 3.2.3), zum anderen wurde zusätzlich zur Erfassung der
TOPB-Variablen die Frage gestellt, wie häufig das Internet generell genutzt wird, also
nicht nur für Bestellungen, sondern auch für Recherchen und Ähnliches. Hier zeigte sich,
dass fast 70 % der Befragten (69,6 %) das Internet täglich nutzen und 18,4 % immerhin
mehrmals pro Woche. Dieses Ergebnis verdeutlicht, dass es sich bei der Befragtengruppe
der „Einkäufer für Büromaterial mit Internet-Anschluss am Arbeitsplatz“ um eine Popu-
lation handelt, die das Internet überdurchschnittlich häufig nutzt. Der Bevölkerungsdurch-
schnitt (Basis: 14 bis 64jährige in Deutschland) für die tägliche Nutzung liegt bei 20 %
(vgl. ACTA, 2002).
Die Erkenntnisse der vorliegenden Studie dürfen also nicht ohne weiteres auf die Gesamt-
bevölkerung übertragen werden. Bei der Interpretation der gesamten Ergebnisse muss
sowohl der spezifische Befragungshintergrund, nämlich das Business-to-Business-Umfeld
sowie die Produktgruppe „Bürobedarf“, als auch die damit verbundene Population
„Einkäufer für Büromaterial mit Internet-Anschluss am Arbeitsplatz“ im Auge behalten
werden. Auch Six und Eckes (1996, S. 8) weisen darauf hin, dass es „in der Einstellungs-
Verhaltens-Forschung allzu häufig in Vergessenheit zu geraten [scheint], dass Korrelatio-
nen, wie jede andere statistische Kennzahl auch, nur auf dem Hintergrund der zugehörigen
Population interpretiert werden dürfen“.
Ein weiteres Problem bestand in der Operationalisierung der Items. Wie in Kapitel 3.2.2
ausführlich beschrieben, musste aus verschiedenen Gründen, insbesondere der Praktikabili-
tät, von den von Ajzen vorgeschlagenen Operationalisierungen abgewichen werden. Es ist
durchaus möglich, dass diese Modifizierungen ebenfalls zu den niedrigen bzw. nicht
vorhandenen Korrelationen beitrugen.
138
Mögliche weitere Einflussfaktoren auf die Intention
Zunächst muss festgestellt werden, dass der Trend, Bestellungen über das Internet
abzuwickeln, sowohl im Business-to-Consumer- als auch im Business-to-Business-Bereich
allgemein stark zunimmt (vgl. Kapitel 2.1.3). Gerade im geschäftlichen Bereich haben die
Verantwortlichen die Vorteile des Internet erkannt und wollen sie auch immer stärker
nutzen. Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass dieses Vorhaben völlig unabhängig
davon ist, ob jemand eine positive oder negative Einstellung zum Einkauf im Internet hat,
ob jemand einen sozialen Druck seines Unternehmens verspürt, das Internet in der
täglichen Arbeit anzuwenden, oder wie stark seine wahrgenommene Verhaltenskontrolle
ist. Es müssen also andere Faktoren angenommen werden, die eine Rolle für die
Ausbildung der Intention, in Zukunft mehr Büromaterial über das Internet zu bestellen,
spielen.
Habit
Bei Personen, die bereits häufig über das Internet bestellen, kann ein starker Einfluss der
Gewohnheit („Habit“) angenommen werden. Das Konstrukt „Habit“ wurde unter anderem
von Bamberg (1996) als zusätzlicher Prädiktor in die Theorie des geplanten Verhaltens
integriert und empirisch nachgewiesen. Bamberg (1996, S. 295) geht davon aus, „dass bei
oft ausgeführten Verhaltensweisen nicht nur die Verhaltensausführung selbst zunehmend
automatisiert, sondern auch die Aktivierung der diesem Verhalten zugrunde liegenden
intentionalen Strukturen“.
Übertragen auf die vorliegende Untersuchung bedeutet dies: Je mehr die Bestellung per
Internet zur Gewohnheit wird, desto automatisierter wird auch die Intention, in Zukunft
über das Internet einzukaufen, ausgebildet. Ob das Konstrukt „Habit“ im Kontext der
organisationalen Büromaterial-Beschaffung per Internet als zusätzliche unabhängige
Variable einen statistisch signifikanten Einfluss auf die Intention ausüben würde, wäre in
weiteren Studien zu überprüfen.
Eine Erklärung der Intention über das Konstrukt „Habit“ ist jedoch nur für Personen gültig,
die das Internet sowieso schon häufig für Einkäufe nutzen. Interessanterweise gibt es
hingegen für Personen, die bislang noch wenig Bestellungen über das Internet getätigt
haben und von daher noch keinen Habit in Bezug auf Bestellungen im Internet entwickelt
haben können, eine Motivation, ihren Habit, nämlich auf andere Weise Büromaterial zu
139
beschaffen (per Telefon, Fax oder direkt im Geschäft), zu überwinden und die Intention
auszubilden, entgegen ihres Habits in Zukunft mehr Büromaterial über das Internet zu
beziehen. Es läge also die Hypothese nahe, dass Habit für die so genannten Heavy User
eine Rolle spielt, jedoch für Personen, die bislang noch recht wenig über das Internet
einkaufen, für die Ausbildung der Intention, Büromaterial über das Internet zu bestellen,
irrelevant ist. Auch diese Hypothese wäre in weiteren Studien zu überprüfen.
Antizipierte Vorstellung von den Vorteilen des Einkaufens per Internet
Eine weitere, sehr interessante Frage ist, warum Personen, die eine negative Einstellung
gegenüber dem Einkaufen im Internet haben, wenig sozialen Druck ihres Unternehmens im
Hinblick auf die Internet-Nutzung verspüren und/oder über eine geringe wahrgenommene
Verhaltenskontrolle verfügen, dennoch die Intention ausbilden, in Zukunft mehr Büro-
material über das Internet zu beziehen. Hier bieten sich Aussagen von Gesprächspartnern
aus den qualitativen Experten-Interviews der Vorstudie als Interpretationsmöglichkeit an:
So antwortete eine Einkäuferin eines mittelständischen Unternehmens auf die Frage,
warum sie denn das Internet in Zukunft verstärkt für ihre Büromaterial-Bestellungen
nutzen möchte, obwohl sie dem Internet sehr negativ gegenüber steht und wenig Erfahrung
mit dem Einkaufen in diesem Medium hat, dass sie es einfach lernen möchte, da es
heutzutage dazu gehöre und wenn man genug Übung darin habe, dann wäre es ja doch auch
schneller, einfacher und bequemer als über Telefon und Fax (Aussage einer befragten
Büromaterial-Einkäuferin, Vorstudie). Diese Aussage kann als exemplarisch betrachtet
werden13 und bietet eine gute Erklärung dafür, dass auch Personen, die hohe Werte in den
Variablen „Einstellung“14, „subjektive Norm“15 und „wahrgenommene Verhaltens-
kontrolle“16 aufweisen, dieses Medium in Zukunft verstärkt zum Einkaufen nutzen wollen.
Offenbar besteht selbst bei Personen mit geringer Erfahrung und negativer persönlicher
Einstellung gegenüber dem Einkaufen im Internet eine Vorstellung von den Vorteilen
dieses Mediums (z.B. Bequemlichkeit, Schnelligkeit, Unabhängigkeit von Ladenöffnungs-
zeiten). Im semantischen Differenzial wurde die persönliche Einstellung abgefragt, also ob
die Person selbst, das Einkaufen im Internet als eher „bequem“ oder eher „aufwendig“, als
eher „zeitsparend“ oder eher „zeitaufwendig“ usw. empfindet. Diese Beurteilung ist
13 In weiteren Interviews der Vorstudie wurden ähnliche Aussagen getätigt. 14 hoher Wert = negative Einstellung 15 hoher Wert = wenig sozialer Druck durch das Unternehmen 16 hoher Wert = bisherige Bestellhäufigkeit gering
140
weitgehend unabhängig davon, ob der/die Befragte sich vorstellen kann, dass es für geübte
Internet-Nutzer durchaus sehr „bequem“ und sehr „zeitsparend“ etc. sein kann und von
daher auch für die Person selbst nützlich werden kann, wenn sie erst einmal genügend
Übung darin hat. Dass die Befragten in dieser Hinsicht zwischen sich und anderen differen-
zieren, zeigt sich auch in entsprechenden Bemerkungen während der Abfrage des seman-
tischen Differenzials: „Wenn man viel Übung im Umgang mit dem Internet hat, ist es
sicher sehr bequem, weil man alles direkt vom PC aus machen kann und nicht extra zum
Fax laufen muss und so. Aber für mich ist das alles noch sehr neu und dauert deshalb
immer recht lange. Für mich persönlich geht es da dann doch schneller mit dem Fax. Da
würde ich dann eher die 5 geben“ (Aussage einer befragten Büromaterial-Einkäuferin,
telefonische Befragung).
Diese Vorstellung von den Vorteilen des Internet bietet eine sehr plausible Erklärung für
die Ausbildung einer Intention, in Zukunft mehr über das Internet einzukaufen und dadurch
auch an Übung darin zu gewinnen. Für eine Prüfung dieser Hypothese müssten jedoch
weitere Untersuchungen vorgenommen werden.
Leistungsmotivation
Als weiterer Prädiktor für die Intention, in Zukunft mehr Büromaterial über das Internet zu
bestellen, könnte die Motivation, Neues zu lernen, Leistung zu erbringen und dadurch
beruflich und persönlich vorwärts zu kommen, herangezogen werden. Auch darauf weisen
Aussagen der befragten Personen hin: „Ich finde mich im Moment noch nicht so richtig im
Internet zurecht, aber ich möchte es unbedingt jetzt mal in Angriff nehmen, weil ich es
wichtig finde, sich im Job auch immer den neuen Entwicklungen anzupassen und sich
solche Kenntnisse anzueignen“ (Aussage einer befragten Büromaterial-Einkäuferin,
Vorstudie). Zur Erklärung einer solchen Motivation eignen sich Theorien zur Leistungs-
motivation (vgl. dazu grundlegend Heckhausen, 1989, S. 231ff.), insbesondere die
humanistischen Ansätze. Diese erklären menschliches Verhalten aus dem Sinn heraus,
„den es im Zuge individueller Selbstverwirklichung gewinnt. Selbstverwirklichung ist
damit das (normativ) vorgegebene Ziel, womit typisch menschliche Motivation zugleich
Wachstumsmotivation ist“ (Rosenstiel, 2000, S. 207). Wenn man diese Leistungs-
motivation im Kontext einer unternehmerischen Organisation betrachtet, lässt sich das
Unternehmen begreifen „als Struktur von Anreizen [...], durch die es mehr oder weniger
gelingt, die Motive der Organisationsmitglieder so zu aktivieren, dass daraus Verhaltens-
141
intentionen im Sinne vorgegebener Zielsetzungen resultieren“ (Rosenstiel, 2000, S. 356).
Die Bereitstellung von Internet-Anschlüssen (Voraussetzung für die Teilnahme am
Interview), kann sicherlich als ein solcher „Anreiz“ betrachtet werden. Dieser kann dann
die als intrinsisch aufzufassende17 Leistungsmotivation der Arbeitnehmer aktivieren und zu
der Intention führen, in Zukunft das Internet stärker in ihre Arbeit einzubeziehen, was für
einen Einkäufer von Büromaterial auch bedeutet, seine Bestellungen über das Internet
abzuwickeln. Inwieweit sich dieses als unabhängige Variable aufzunehmende Konstrukt
der Leistungsmotivation als statistisch signifikanter Einflussfaktor für die Intention erweist,
wäre in zukünftigen Studien zu überprüfen.
Einfluss der Intention auf das tatsächliche Verhalten (Hypothese 4)
Wie im Kapitel 3.2.4 beschrieben, besteht ein sehr signifikanter, aber recht geringer
Einfluss der Intention auf das tatsächliche Verhalten. Im Folgenden werden mögliche
Gründe für diese geringe Korrelation diskutiert.
Einzelverhaltenskriterien vs. Verhaltensziele
Eine methodisch begründete Ursache für die geringe Intentions-Verhaltens-Korrelation
nennen Jonas und Doll (1996, S. 22). Ihren Analysen zufolge ist die Theorie des geplanten
Verhaltens besser zur Prognose von Einzelverhaltenskriterien als von Verhaltenszielen
geeignet. Im Falle der Vorhersage, ob in Zukunft mehr, gleich viel oder weniger Büro-
material über das Internet bestellt wird, handelt es sich definitiv nicht um ein einzelnes,
konkretes, prinzipiell beobachtbares Verhalten, sondern um ein Verhaltensziel, das sich aus
vielen einzelnen Verhaltensweisen zusammensetzt. Für die Erreichung des Verhaltensziels
„Zunahme des Anteils über das Internet bestellten Büromaterials“ ist mehr als eine
Bestellung nötig18, das heißt, das Verhaltensziel setzt sich aus mehreren „Teilverhaltens-
weisen“ (jeweils eine Bestellung per Internet) zusammen. Dass konkrete Verhaltensweisen
sich durch die Theorie des geplanten Verhaltens besser vorhersagen lassen als Verhaltens-
ziele, zeigt auch eine Metastudie von Sheppard, Hartwick und Warshaw (1988, S. 336f.),
in der die durchschnittliche Intentions-Verhaltens-Korrelation für die Prognose konkreter
17 Rüttinger, Rosenstiel & Molt (1974, S. 84) verstehen unter intrinsischen Motiven solche, die „durch die
Arbeit selbst befriedigt werden“ (Sachmotivation), im Vergleich zu extrinsischen Motiven, die sich auf Ziele außerhalb der Arbeit beziehen (Belohnungsmotivation).
18 Zwei Ausnahmen sind hier zu nennen: 1) Wenn jemand vorher gar kein Büromaterial über das Internet bestellt hat, erhöht er den Anteil bereits durch eine einzige Bestellung. 2) Wenn der Anteil vorher sehr gering war, kann der Anteil ebenfalls durch eine einzige, sehr umfangreiche Bestellung erhöht werden.
142
Verhaltensweisen mit r = 0.58 höher lag als bei Verhaltenszielen (r = 0,45). Dieser Befund
bestätigt sich auch in der vorliegenden Studie.
Verhaltensalternativen
Dadurch, dass hier ein Verhaltensziel und nicht eine konkrete, einzelne Verhaltensweise
untersucht wird, spielen externe Hindernisse, die die Ausführung des einzelnen Verhaltens
verhindern könnten, wie z.B. ein Scheitern der Internet-Verbindung, eine eher unterge-
ordnete Rolle. Wenn nämlich eine entsprechende Intention vorliegt, das übergeordnete
Verhaltensziel zu verfolgen, kann zu einem anderen Zeitpunkt ein erneuter Versuch unter-
nommen und das Verhaltensziel dennoch erreicht werden. Es können allerdings unerwarte-
te, externe Ereignisse auftreten, die ein anderes Verhalten begünstigen (vgl. Ajzen &
Fishbein, 1980, S. 50). So kann beispielsweise, wenn ein Bürohändler gegenüber der Firma
des Büromaterial-Einkäufers eröffnet, die Verhaltensabsicht, über das Internet zu bestellen,
durch die als noch praktischer empfundene Verhaltensabsicht, gleich beim Händler gegen-
über einzukaufen, überlagert werden.
Um solche externen Störfaktoren identifizieren zu können, wurden sie in der vorliegenden
Studie durch eine qualitative Frage erfasst: Wenn in der zweiten Befragung angegeben
wurde, dass der Büromaterial-Anteil, der über das Internet bestellt wird, im Vergleich zu
Februar abgenommen hat, wurde gefragt, woran das läge. Dabei nannten die Befragten
folgende unvorhersehbaren Ereignisse als Gründe für die Abnahme des Büromaterial-
Anteils im Vergleich zu Februar:
��Gegenüber der Firma eröffnete ein Bürobedarfs-Händler (n = 2).
��Firma gewann einen Bürobedarfs-Händler als Neukunden und kauft deshalb in
Zukunft dort ein (n = 2).
��Person machte zwischen erster und zweiter Befragung schlechte Erfahrungen mit
dem Einkauf im Internet (n = 3).
��Büromaterial-Bedarf der Firma ging im betreffenden Zeitraum zurück (n = 1).
Durch solche oder ähnliche Ereignisse kann die Intention für ein alternatives Verhalten,
z.B. den direkten Einkauf beim Händler gegenüber, stärker werden als für das untersuchte
Verhalten, die Bestellung per Internet. Einen Kritikpunkt, der in diesem Zusammenhang
auch aus entscheidungstheoretischer Sicht geübt wurde, nennen Jonas und Doll (1996, S.
24): „In Situationen mit mehr als einer Handlungsalternative dürfte es zur Verhaltens-
143
vorhersage nicht ausreichen, lediglich die Einstellung zu einem einzigen Verhalten zu
bestimmen. Möglicherweise hat das Individuum zwar eine positive Einstellung zu dem
betreffenden Verhalten, führt es jedoch nicht aus, weil es aufgrund einer noch positiveren
Einstellung eine alternative Handlung bevorzugt. Aus entscheidungstheoretischer Sicht
sollten daher die Einstellungen zu allen relevanten Handlungsalternativen bestimmt
werden“.
Eckes und Six (vgl. 1994, S. 266) sprechen in diesem Zusammenhang von polytomen
Alternativen, das heißt Verhaltensweisen, bei denen es mehr als zwei Handlungsmöglich-
keiten gibt, die zum angestrebten Ziel führen (im Gegensatz zu dichotomen Alternativen,
bei denen es nur zwei Möglichkeiten gibt, nämlich das Verhalten auszuüben oder nicht,
z.B. das Anlegen oder Nicht-Anlegen von Sicherheitsgurten). Diese wären in der vorlie-
genden Untersuchung die Bestellung per Fax und per Telefon sowie der direkte Einkauf im
Geschäft. Aus Gründen der Praktikabilität wurden jedoch die Intentionen für diese
Verhaltensalternativen nicht gemessen (zur Überprüfung der TOPB in Wahlsituationen
mittels Differenz-Werten vgl. Bamberg & Lüdemann, 1996, S. 36ff.). Nach Jonas und Doll
(1996, S. 24) verringert „die fehlende Berücksichtigung von Handlungsalternativen [...] die
prognostische Leistung der [...] TOPB in Verhaltensbereichen, in denen eine Vielzahl
potentieller Verhaltensweisen mit teilweise recht ähnlichen Verhaltenskonsequenzen zur
Auswahl steht“. Dies muss auch für die vorliegende Untersuchung angenommen werden.
Länge des Intervalls zwischen den beiden Messzeitpunkten
Eine weitere wichtige Frage, die sich auf Veränderungen zwischen den beiden Messungen
bezieht, ist die der Wahl des zweiten Messzeitpunkts. Einerseits durfte der Abstand
zwischen erster und zweiter Befragung nicht zu groß sein, damit sich die einzelnen
Variablen („Einstellung“, „subjektive Norm“, „wahrgenommene Verhaltenskontrolle“ und
„Intention“) nicht zu stark verändern, andererseits musste den Probanden genügend Zeit
gegeben werden, ihre geäußerte Verhaltensintention auch in die Tat umzusetzen. Fishbein
und Ajzen (1980, S. 47) beschreiben diese Problematik folgendermaßen: „Since intentions
can change over time, it is important to measure the intention as close as possible to the
behavioral observation in order to obtain an accurate prediction. In many instances,
however, it may be neither feasible, nor of practical value to measure the intention in close
proximity to the behavior“. Gerade in der Marktforschung möchte man ja langfristige
Prognosen für ein bestimmtes Verhalten treffen. Deshalb ist es notwendig, einen
144
ausreichenden Zeitabstand zwischen den beiden Befragungen zu wählen, um Veränderun-
gen im Verhalten feststellen zu können. Dabei spielen individuelle Abweichungen eine
untergeordnete Rolle. Es steht die Vorhersage von Verhaltenstrends in weiten Teilen der
Population im Vordergrund.
In der befragten Stichprobe gab es, wie oben beschrieben, bei einzelnen Personen unvor-
hersehbare Ereignisse, die entgegen der geäußerten Intention einen Rückgang des über
Internet bestellten Büromaterials bewirkten. In der gesamten Population der Büromaterial-
Einkäufer gleicht sich das Auftreten solcher unvorhersehbaren Ereignisse, die die
intendierte Ausführung eines Verhaltens verhindern können, jedoch wieder aus. „The
distinction between predicting behavior at the level of the individual and at the aggregate
level is important because aggregate intentions are apt to be much more stable over time
than are individual intentions. […] In fact, there is considerable evidence that even when
individual predictions are relatively poor, prediction of behavior from intention at the
aggregate level is often remarkably accurate” (Ajzen & Fishbein, 1980, S. 48).
Ein weiteres Problem, das sich aus der Wahl des zweiten Messzeitpunkts ergibt, ist die
Tatsache, dass für einige Probanden der Zeitraum von vier Monaten zu kurz war, um sich
mit dem Internet ausreichend auseinander zu setzen und die Bestellungen über dieses
Medium zu steigern. Dies bestätigen Aussagen der Befragten, wie z.B. die folgende:
„Eigentlich wollte ich mich schon lange mal mit den verschiedenen Anbietern im Internet
befassen und auch die Preise vergleichen, aber sie wissen ja, wie das ist, man kommt bei
dem ganzen Stress immer nicht dazu, und wenn dann schnell was bestellt werden muss,
dann greift man halt wieder zum Telefon und bestellt wie gewohnt. Obwohl es im Internet
bestimmt billiger wäre, wenn man sich mal die Zeit nehmen würde, sich damit zu beschäf-
tigen“ (Aussage einer Einkäuferin eines mittelständischen Unternehmens, Vorstudie). Dies
spricht wiederum für einen Einfluss der Gewohnheit, wenn unter Zeitdruck gehandelt
werden muss. Obwohl – aufgrund der zu Beginn diesen Kapitels geführten Diskussion –
die Hypothese nahe liegt, dass für Personen, die wenig Erfahrungen mit dem Einkauf im
Internet haben, ihr Habit – nämlich über andere Kanäle, z.B. Telefon oder Fax, Büro-
material zu bestellen – keinen Einfluss auf ihre Intention hat (sie wollen trotzdem in
Zukunft mehr Büromaterial über das Internet bestellen), scheint dieser Habit dennoch als
intervenierende Variable zwischen die Intentions-Verhaltens-Relation zu treten. Dies wäre
in weiteren Studien mit Messungen an mehr als zwei Messzeitpunkten zu untersuchen.
145
„Minimalistisches“ Prinzip
Ein weiterer Grund für die in der Einstellungs-Verhaltens-Forschung nicht selten vorgefun-
dene, oft relativ geringe Intentions-Verhaltens-Korrelation wird von Six und Eckes (1996,
S. 8) genannt: „Personen geben nicht selten vor, in bestimmter Weise handeln zu wollen,
ohne dass diese Vorsätze in entsprechendem Verhalten münden. Ungar (1994) hat auf
dieses Problem im Bereich des Umweltschutzes aufmerksam gemacht. Danach handeln
Personen eher nach ‚minimalistischen’ Prinzipien. Das heißt, das entsprechende Verhalten,
wenn es denn eine Chance zur Umsetzung der insgesamt positiven Einstellungen bieten
soll, darf nur geringe Anstrengungen und wenig Kosten verursachen.“ Dieses minimalis-
tische Prinzip könnte durchaus auch im Falle der Bestellung von Büromaterial per Internet
zum Tragen kommen, und zwar bei Personen, die im Umgang damit noch wenig geübt
sind. Für sie sind die Anstrengungen und Kosten, nicht zuletzt der zeitliche Aufwand der
tatsächlichen Umsetzung dann doch oft zu hoch und das Verhalten wird – entgegen der
Intention – unterlassen.
Operationalisierung des Konstrukts Intention
Im Zusammenhang mit der Operationalisierung des Konstrukts „Intention“ muss
problematisiert werden, dass der Zeitrahmen, auf den sich die Intention bezieht, nicht – wie
nach dem Prinzip der Korrespondenz gefordert (vgl. Kapitel 2.3.1) – eingegrenzt wurde
(z.B. „Werden Bestellungen von Bürobedarf per Internet bei Ihnen in den nächsten vier
Monaten eher zunehmen, gleich bleiben oder abnehmen?“), sondern die Verhaltens-
intention für „die Zukunft“ erhoben wurde („Werden Bestellungen von Bürobedarf per
Internet bei Ihnen in Zukunft eher zunehmen, gleich bleiben oder abnehmen?“). Diese Art
der Fragestellung wurde gewählt, um die Befragten nicht unter Druck zu setzen und
dadurch eine möglichst realistische Einschätzung zu gewährleisten. Da die Befragung im
Rahmen einer Zusammenarbeit mit einem Internet-Anbieter stattfand, hätte sonst die
Gefahr bestanden, dass die Befragten Reaktanz zeigen, da sie das Gefühl haben könnten,
man möchte sie zu einem Kauf „nötigen“ (zur Reaktanz vgl. Kapitel 3.2.2). Die Frageform
ist dadurch jedoch etwas unspezifischer, was zu der relativ geringen Intentions-Verhaltens-
Relation beigetragen haben kann.
146
Einfluss der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle auf das tatsächliche Verhalten (Hypothese 5)
Wie in Kapitel 3.2.4 ausführlich beschrieben, besteht unter der Bedingung „Heavy User vs.
Weniger-als-einmal-pro-Woche-Nutzer“ ein signifikanter, jedoch recht geringer Einfluss
der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle auf das tatsächliche Verhalten. Im Folgenden
werden mögliche Gründe für diese geringe Korrelation diskutiert.
Das Konstrukt der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle wurde in der vorliegenden
Untersuchung über die Kenntnisse und Fähigkeiten einer Person, im Internet Bestellungen
durchzuführen, sowie über ihre Gelegenheiten zur Ausführung des Verhaltens operationali-
siert. Um eine möglichst „objektive“ Messgröße für die wahrgenommene Verhaltenskon-
trolle zu erhalten, die die tatsächliche Verhaltenskontrolle weitgehend realistisch wider-
spiegelt, wurde deshalb die Bestellhäufigkeit im Internet erhoben. Denn nur im Falle
möglichst hoher Übereinstimmung zwischen wahrgenommener und tatsächlicher Verhal-
tenskontrolle bietet die Variable „wahrgenommene Verhaltenskontrolle“ eine direkte Vor-
hersagekraft für das tatsächliche Verhalten: „To the extent that perceptions of behavioral
control correspond reasonably well to actual control, they should provide useful
information over and above expressed intentions” (Ajzen, 1988, S. 133).
Dass die Prognosekraft der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle in der vorliegenden
Studie dennoch recht gering ist, dürfte zu großen Teilen an den in diesem Kapitel an
früherer Stelle beschriebenen unvorhersehbaren Ereignissen liegen sowie an dem für eine
Erhöhung des Anteils des über Internet bestellten Büromaterials vielleicht doch etwas
kurzen Zeitraum von vier Monaten. Viele Befragte geben an, noch nicht ausreichend Zeit
gehabt zu haben, um sich mit der Bestellung per Internet und den verschiedenen Anbietern
auseinander zu setzen. Der Wille, in Zukunft den Büromaterial-Einkauf verstärkt über
dieses Medium abzuwickeln, ist zwar da – ausgedrückt in der entsprechenden Intention –,
wenn es jedoch im Stress der täglichen Arbeit schnell gehen soll, wird häufig wieder auf
die von jeher gewohnte Art der Bestellung, sei es per Fax, Telefon oder im Geschäft,
zurückgegriffen.
Abschließende Beurteilung des Gesamtmodells
Die vorangegangene Diskussion zeigte, dass viele verschiedene Ursachen zu eher geringen
oder nicht vorhandenen Zusammenhängen zwischen den TOPB-Variablen geführt haben
147
können. Ein grundsätzliches Problem stellt die bei der TOPB übliche Überprüfung anhand
von Regressionsverfahren dar. Die Analyse der Kreuztabellen zeigt jedoch auch, dass
abgesehen von der Methode der Modellprüfung die Intention, in Zukunft mehr
Büromaterial über das Internet zu bestellen, völlig unabhängig davon ist, ob jemand eine
positive oder negative Einstellung zum Einkauf im Internet hat, ob jemand einen sozialen
Druck seines Unternehmens verspürt, das Internet in der täglichen Arbeit anzuwenden,
oder wie stark seine wahrgenommene Verhaltenskontrolle ist. Aus diesem Grunde wurden
weitere Faktoren, die eine Rolle für die Ausbildung der Intention, in Zukunft mehr
Büromaterial über das Internet zu bestellen, spielen können, ausführlich diskutiert. Im
Folgenden wird die durchgeführte Untersuchung abschließend anhand verschiedener Güte-
kriterien analysiert.
Repräsentativität
Zur Bestimmung der Repräsentativität der Stichprobe ist es zunächst nötig, die
Grundgesamtheit zu betrachten. Diese umfasst in der vorliegenden Studie alle Einkäufer
von Büromaterial in kleinen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland. Laut
LAE 2001 sind dies 626.000 Personen (Allein-Entscheider Büromaterial, Beschäftigungs-
größe: 1 – 500 Mitarbeiter). Da die Auswahl der Testpersonen aus einer 15.000 Adressen
kleiner und mittelständischer Unternehmen in Deutschland umfassenden Datenbank durch
Zufallsauswahl erfolgte und in jedem zufällig ausgewählten Unternehmen die Person
befragt wurde, die für den Einkauf von Büromaterial zuständig ist, können die Ergebnisse
dieser Studie als annähernd repräsentativ für die Grundgesamtheit der Büromaterial-
Einkäufer in kleinen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland betrachtet werden
(zur Zufallsauswahl vgl. Rogge, 1992, S. 102ff. sowie Pepels, 1998, S. 47ff.).
Panelsterblichkeit
Da aus Gründen der Panelsterblichkeit zum Zeitpunkt der zweiten Untersuchung nur noch
174 der 250 Befragten zur Verfügung standen, gilt es zu überprüfen, ob sich diejenigen, die
an der zweiten Befragung teilgenommen haben, von denen, die an der zweiten Befragung
nicht teilgenommen haben, systematisch unterscheiden. Zu diesem Zweck wurde ein
Mann-Whitney-U-Test durchgeführt. Dieser ergibt für die beiden Gruppen der Wieder-
holungsteilnehmer (diejenigen, die auch an der zweiten Befragung teilgenommen haben)
und Teilnahmeverweigerer (diejenigen, die nicht an der zweiten Befragung teilgenommen
haben) keine statistisch signifikanten Unterschiede. Dies ist insbesondere deshalb von
148
Bedeutung, da die Variablen „Einstellung“, „subjektive Norm“, „wahrgenommene Verhal-
tenskontrolle“ und „Intention“ in der ersten Befragung erfasst wurden, die Variable
„tatsächliches Verhalten“ in der zweiten Befragung. Bestünden statistisch signifikante
Unterschiede zwischen Wiederholungsteilnehmern und Teilnahmeverweigerern, wäre
keine Aussage über die Einflüsse der Variablen „Intention“ und „wahrgenommene Verhal-
tenskontrolle“ auf das tatsächliche Verhalten möglich.
Praktikabilität
In der vorliegenden Studie musste vor allem berücksichtigt werden, dass die Untersuchung
am Telefon stattfand und dass die Befragten an ihrem Arbeitsplatz angerufen wurden. Der
Fragebogen musste also sehr leicht verständlich sowie im Umfang der besonderen
Befragungssituation angemessen sein, da die Personen nicht zu lange in ihrer Arbeit gestört
werden sollten, was auch im Hinblick auf die Teilnahmebereitschaft wichtig war. Dazu
kam, dass die Untersuchung in Zusammenarbeit mit einem Internet-Unternehmen stattfand,
und bei jeder Art der Fragestellung, die die Teilnehmer bedrängt hätte, die Gefahr von
Reaktanz bestanden hätte, da die Befragten das Gefühl bekommen könnten, man wolle sie
zu einem Kauf drängen. Aus diesem Grunde wurden die Fragen so formuliert, dass
möglichst kein Druck auf die Probanden ausgeübt wurde.
Inhaltsvalidität
Bei der Inhaltsvalidität geht es darum, dass die in einem Verfahren angewandten Items die
Grundgesamtheit aller zu diesem Thema denkbaren Items repräsentativ abbilden (vgl.
Homburg & Giering, 1996, S. 7). Dies wurde im Hinblick auf das Konstrukt „Einstellung
gegenüber dem Einkaufen im Internet“ dadurch erreicht, dass im Rahmen von
Experteninterviews und ausführlicher Literaturrecherche die relevanten Faktoren des
Konstrukts eruiert wurden. In Bezug auf die übrigen Konstrukte hätte die Inhaltsvalidität
durch eine größere Anzahl an Items je gemessenem Konstrukt sicherlich noch verbessert
werden können. Dies war jedoch aus Gründen der Praktikabilität nicht möglich, da
angesichts der Befragungssituation am Arbeitsplatz der Fragebogen in einer angemessenen
Länge gehalten werden musste. Bei einer Erweiterung des Fragebogens hätte die Gefahr
bestanden, dass viele Personen insbesondere gegen Ende dazu übergehen, relativ
unüberlegt zu antworten, um das Interview möglichst schnell zu beenden. Auch das hätte
sich natürlich negativ auf die Inhaltsvalidität ausgewirkt.
149
Reliabilität
Um eine möglichst hohe Reliabilität zu gewährleisten, wurden im Vorfeld verschiedene
Maßnahmen getroffen. Von großer Bedeutung für eine hohe Reliabilität ist die Objektivität
der Erhebung, das heißt die Unabhängigkeit des Untersuchungsergebnisses von subjektiven
Einflüssen des Forschers (vgl. Westermann, 2000, S. 302). Um dies zu gewährleisten
wurden die Fragebögen vor Durchführung der Untersuchung mit verschiedenen Experten
diskutiert sowie einem Pretest unterzogen. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass
die Fragen von allen Testpersonen gleich verstanden werden. Des Weiteren wurden die
Interviews von drei verschiedenen Interviewern durchgeführt (von der Autorin selbst sowie
von zwei vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Interviewern). Um eine einheitliche
Durchführung der Interviews sicher zu stellen und Einflüsse, die von der Person des
Interviewers ausgehen, weitgehend auszuschließen, wurden genaue Interviewer-
Anweisungen ausformuliert und die Interviewer ausführlich geschult. Darüber hinaus
wurde zur Kontrolle von Verzerrungen und Verfälschungen, die durch den Interviewer
verursacht werden können, eine regelmäßige, strenge Kontrolle der Interviewer durchge-
führt. Dazu wurden ausgewählte, „eingeweihte“ Testpersonen in die Zufallsliste
aufgenommen, deren Interviews nicht ausgewertet wurden, sondern die im Nachhinein
befragt wurden, ob das Interview korrekt durchgeführt wurde.
Auch die Größe des Panels spielt für die Reliabilität eine wichtige Rolle. Deshalb wurden
beim ersten Interview 250 Personen befragt, um bei der Messwiederholung trotz zu
erwartender Panelsterblichkeit eine ausreichende Anzahl beantworteter Fragebögen zu
erhalten, so dass die Reliabilität der empirischen Daten gewährleistet ist (zur notwendigen
Größe des Stichprobenumfangs vgl. Rogge, 1992, S. 113ff. sowie Hammann & Erichson,
2000, S. 143f.).
Eine weitere wichtige Voraussetzung für eine hohe Reliabilität ist die Homogenität der
Items, die zu einer Variablen zusammengefasst werden (vgl. Westermann, 2000, S. 302). In
dem vorliegenden Kaufverhaltensmodell wurde die Variable „Einstellung“ einer
Reliabilitätsanalyse anhand des Cronbach’schen Alpha unterzogen. Die übrigen Variablen
wurden jeweils nur durch ein Item erfasst, weshalb eine Prüfung der Homogenität nicht
notwendig ist. Für die acht Einstellungsitems ergibt das Cronbach’sche Alpha einen Wert
von 0,7232. Da ein Konstrukt, das über mehr als vier Indikatoren operationalisiert wird, ab
einem Cronbach’schen Alpha von 0,7 als reliabel gilt (vgl. Braunstein, 2001, S. 226), ist
die Reliabilität des Konstrukts „Einstellung“ damit gegeben.
150
Prognosegenauigkeit
Nach Kroeber-Riel und Weinberg (1999, S. 178) ist die Einstellung nur dann zur Prognose
geeignet, wenn sie zeitlich weitgehend stabil ist. Um zu überprüfen, ob sich die Einstellung
der Untersuchungsteilnehmer zwischen der ersten und der zweiten Befragung verändert
hat, wurde der Wilcoxon-Test durchgeführt. Er ist das Verfahren der Wahl, wenn die Daten
nicht normalverteilt sind oder „nur“ Ordinalskalenniveau aufweisen (vgl. Bühl & Zöfel,
2000, S. 291). Letzteres war bei den Einstellungsitems der Fall. Der Wilcoxon-Test ergibt
im vorliegenden Fall für sieben der acht Einstellungsdimensionen keine signifikante
Veränderung. Nur im Item „persönlich – unpersönlich“ änderte sich die Einstellung der
Befragten signifikant (p <= 0,01; 2-seitig) und zwar im Sinne einer negativeren Einstellung
im Juni im Vergleich zu Februar. Das heißt, das Einkaufen im Internet wurde im Juni als
deutlich unpersönlicher beurteilt als noch vier Monate zuvor.
Die Einstellung gegenüber dem Einkauf im Internet ist also im Hinblick auf das Item
„persönlich – unpersönlich“ nicht stabil. Dies kann unter anderem daran liegen, dass es
sich noch um ein relativ neues Medium und um eine relativ neue Art des Einkaufens
handelt, die erst nach und nach einer weiten Bevölkerungsschicht zugänglich wird. Die
Einstellung zu dieser neuen Art des Einkaufens ist quasi noch in der „Entwicklungsphase“
und kann sich im Laufe der Zeit mit zunehmenden positiven oder negativen Erfahrungen
noch weiter verändern. Daher müssen die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung
unbedingt im Kontext der Internet-Nutzung zum Zeitpunkt der beiden Befragungen
gesehen und ihre Prognosekraft als zeitlich begrenzt betrachtet werden.
Die binäre logistische Regression wurde aufgrund der Veränderung zwischen den beiden
Messzeitpunkten im Item „persönlich – unpersönlich“ noch einmal ohne dieses Item
gerechnet. Jedoch ergibt sich auch dabei kein statistisch signifikanter Einfluss der
unabhängigen Variablen „Einstellung“ auf die abhängige Variable „Intention“.
Nachdem nun die Ergebnisse ausführlich diskutiert und die Untersuchung anhand
vielfältiger Gütekriterien analysiert wurde, ist abschließend eine besondere Stärke der
vorliegenden Studie hervorzuheben. Diese liegt in ihrem längsschnittlichen Design.
Während viele Untersuchungen zur TOPB das tatsächliche Verhalten zu einem Zeitpunkt
zusammen mit allen anderen Variablen erfassen und dadurch per definitionem vergangenes
Verhalten messen, obwohl sich die Intention, dieses Verhalten zu zeigen, auf die Zukunft
können, wie in Kapitel 3.3.1.1 beschrieben, Sicherheitsbedenken aufgefasst werden. Da
162
diese jedoch im Hinblick auf Bestellungen im Internet eine sehr große Rolle spielt, wurden
sie als eigenständige Variable in das Modell aufgenommen.
Bei der Operationalisierung der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle wird, wie bereits in
der Telefonbefragung (vgl. Kapitel 3.2.2.3), davon ausgegangen, dass die Aspekte
„Informationsstand und Fähigkeiten der Person, Bestellungen im Internet durchzuführen“
sowie „ihre Gelegenheit zur Ausführung des Verhaltens“ sich in der Häufigkeit der
getätigten Bestellungen per Internet widerspiegeln. Die wahrgenommene Verhaltens-
kontrolle wurde dementsprechend über folgende Antwortmöglichkeiten operationalisiert:
ca. 1-mal pro Woche, ca. 2-3-mal im Monat, ca. 1-mal im Monat, ca. 1-2-mal im Viertel-
jahr, seltener, nie. Bei den erhobenen Daten lag dementsprechend Ordinalskalierung vor.
Der zweite externe Faktor der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle, die Verfügbarkeit
notwendiger Hilfsmittel, wurde in der vorliegenden Untersuchung konstant gehalten: Das
Ausfüllen des Fragebogens war ausschließlich nach einer Internet-Bestellung bei dem
untersuchten Anbieter möglich, was das Vorhandensein eines Computers sowie eines
Internet-Anschlusses voraussetzt.
3.3.2.5. Kundenloyalität
In der vorliegenden Untersuchung wurde das Konstrukt Kundenloyalität über zwei
getrennte Variablen operationalisiert: die Wiederkauf- und die Weiterempfehlungsabsicht.
Daraus ergeben sich zwei analoge Darstellungen des Gesamtmodells (siehe oben). Die
Variable „Wiederkaufabsicht“ wurde anhand der Antwortmöglichkeiten „ja, sehr häufig“,
„ja, häufig“, „ja, gelegentlich“, „vielleicht“ und „nein“ erhoben. Die Variable „Weiter-
empfehlungsabsicht“ wurde über die Kategorien „ja“, „vielleicht“ und „nein“ erfasst.
Beide abhängigen Variablen sind also ordinalskaliert.
3.3.3. Analyse der empirischen Daten
Im Folgenden werden die Ergebnisse der fünf erhobenen Datensätze im Hinblick auf die
einzelnen Variablen deskriptiv dargestellt.
3.3.3.1. Zufriedenheit
Die größte Zufriedenheit der Kunden des untersuchten Online-Anbieters besteht mit den
Leistungsparametern „Informationen über Verfügbarkeit der Waren“, „Schnelligkeit der
Lieferung“, „Freundlichkeit am Telefon“ und „Verständlichkeit der Rechnungsstellung“.
163
Die geringste Zufriedenheit äußern die Kunden im Hinblick auf die Leistungen „Geschwin-
digkeit des Seitenaufbaus“ und „Suchfunktion“. Tabelle 18 zeigt die Zufriedenheit mit den
einzelnen Leistungsparametern und der Gesamtleistung des untersuchten Unternehmens
(Mittelwerte). Hohe Werte stehen dabei für geringe Zufriedenheit, niedrige Werte für hohe
Zufriedenheit (Skala: 1 – 6).
März April Mai Juni Juli
Benutzerfreundlichkeit: 2,3 2,3 2,3 2,3 2,3
Produktauswahl: 2,4 2,4 2,3 2,4 2,4
Angebote/Aktionen: 2,2 2,2 2,1 2,3 2,3
Preis-Leistungs-Verhältnis: 2,2 2,1 2,0 2,1 2,1
Geschwindigkeit des Seitenaufbaus: 3,3 3,3 3,2 3,1 3,0
Suchfunktion: 2,8 2,8 2,7 2,9 2,9
Informationen über Verfügbarkeit der Waren: 1,9 1,8 1,8 1,9 1,9
Schnelligkeit der Lieferung: 1,9 2,0 1,9 1,9 1,8
Benachrichtigung bei Lieferverzögerungen: 2,3 2,3 2,2 2,2 2,3
Bearbeitung von Telefonanfragen: 2,0 1,9 2,0 2,1 2,2
Freundlichkeit am Telefon: 1,6 1,6 1,7 1,7 1,8
Verständlichkeit der Rechnungsstellung: 1,8 1,7 1,7 1,7 1,7
Warenrücknahme-Service: 2,0 1,9 1,9 2,1 2,0
Gesamtzufriedenheit: 2,3 2,2 2,2 2,2 2,2
Tabelle 18: Entwicklung der Zufriedenheit über fünf Monate (Mittelwerte)
Zwischen den fünf Stichproben sind nur sehr geringe Schwankungen zu verzeichnen. Zur
Veranschaulichung der Verteilung der Werte auf die sechs Stufen der Skala wird
exemplarisch die Gesamtzufriedenheit für den Monat Juli dargestellt. Sie ist als sehr hoch
zu bezeichnen. Fast drei Viertel der Befragten (71,8 %) sind zufrieden oder sehr zufrieden
(Werte 1 und 2) mit der Gesamtleistung des untersuchten Unternehmens (vgl. Abbildung
39).
164
12,1
59,7
24,9
2,3 0,9 0,20
10
20
30
40
50
60
70
hoch 2 3 4 5 niedrig
n = 1376Angaben in %
Abbildung 39: Globalzufriedenheit der Online-Kunden (Beispiel Juli)
3.3.3.2. Verbundenheit
Tabelle 19 zeigt die Entwicklung der durchschnittlichen Verbundenheit von März bis Juli.
Hohe Werte stehen für geringe Verbundenheit, niedrige Werte für hohe Verbundenheit
(Skala: 1 – 6).
März April Mai Juni Juli
Verbundenheit 2,1 2,0 1,9 2,0 2,0
Tabelle 19: Entwicklung der Verbundenheit über fünf Monate (Mittelwerte)
Die Verbundenheit der Kunden gegenüber dem untersuchten Online-Anbieter ist ausge-
sprochen hoch und zeigt über die fünf Monate hinweg nur marginale Veränderungen. Um
die Verteilung der Werte exemplarisch zu verdeutlichen, werden auch hier die Juli-Daten
vorgestellt (vgl. Abbildung 40). Über drei Viertel der Befragten (80,7 %) vergeben die
Werte 1 und 2, was gemäß der verwendeten Codierung eine hohe Verbundenheit bedeutet.
165
24,8
55,9
16,5
2,10,7 0
0
10
20
30
40
50
60
hoch 2 3 4 5 niedrig
n = 717Angaben in %
Abbildung 40: Verbundenheit der Online-Kunden (Beispiel Juli)
3.3.3.3. Sicherheitsbedenken
Tabelle 20 veranschaulicht die Entwicklung der durchschnittlichen Sicherheitsbedenken
von März bis Juli. Hohe Werte stehen für hohe Sicherheitsbedenken, niedrige Werte für
geringe Sicherheitsbedenken (Skala: 1 – 6).
März April Mai Juni Juli
Sicherheitsbedenken 2,2 2,1 2,0 2,1 2,0
Tabelle 20: Entwicklung der Sicherheitsbedenken über fünf Monate (Mittelwerte)
Die Sicherheitsbedenken gegenüber dem untersuchten Anbieter erweisen sich als außerge-
wöhnlich niedrig. Zwischen den einzelnen Monaten zeigen sich nur marginale Schwankun-
gen. Auch hier wird der Juli exemplarisch näher betrachtet (vgl. Abbildung 41). Kein
Befragter vergibt Wert 6, nur 0,2 % der Befragten vergeben den Wert 5 und nur 2,8 % den
Wert 4. Die absolute Mehrheit der Befragten hat geringe bis sehr geringe Sicherheitsbeden-
ken (Wert 1 und 2).
166
23,4
54,3
19,3
2,80,2 0
0
10
20
30
40
50
60
niedrig 2 3 4 5 hoch
n = 632Angaben in %
Abbildung 41: Sicherheitsbedenken der Online-Kunden (Beispiel Juli)
3.3.3.4. Wahrgenommene Verhaltenskontrolle
Die wahrgenommene Verhaltenskontrolle, die über die Bestellhäufigkeit im Internet
operationalisiert wurde (vgl. Kapitel 3.3.2.4), fällt erwartungsgemäß19 sehr hoch aus.
bisherige Bestellhäufigkeit Internet März April Mai Juni Juli
ca. 1-mal pro Woche 24,2 % 25,7 % 24,6 % 20,1 % 23,1 %
ca. 2-3-mal im Monat 30,4 % 28,8 % 30,8 % 30,2 % 29,7 %
ca. 1-mal im Monat 21,1 % 19,9 % 20,1 % 24,8 % 23,1 %
ca. 1-2-mal im Vierteljahr 10,4 % 11,6 % 10,4 % 11,2 % 10,5 %
seltener 12,9 % 13,2 % 12,9 % 12,8 % 12,8 %
Nie 1,0 % 0,8 % 1,2 % 0,9 % 0,8 %
Tabelle 21: Entwicklung der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle über fünf Monate
19 Die Beantwortung des Fragebogens erfolgte im Anschluss an eine Online-Bestellung bei dem unter-
suchten Anbieter. Es ist davon auszugehen, dass die Mehrzahl der Personen, die gerade eine Online-Bestellung getätigt haben, dies nicht zum ersten Mal getan haben.
167
3.3.3.5. Kundenloyalität
Die Kundenloyalität kann als ausgesprochen hoch bezeichnet werden, und zwar sowohl
hinsichtlich des Aspekts Wiederkaufabsicht als auch hinsichtlich der Weiterempfehlungs-
Abbildung 46: Ergebnisse der ordinalen Regression der Modellvariante A (erste Stichprobe)
Anhand der ersten Stichprobe lassen sich also im Hinblick auf die Wiederkaufabsicht
folgende Hypothesen bestätigen bzw. nicht bestätigen:
Hypothese Aussage Ergebnis
H1a Je größer die Zufriedenheit eines Kunden mit der Gesamtleistung eines Anbieters ist (Globalzufriedenheit), desto stärker ist seine Wiederkaufabsicht bei diesem Anbieter.
bestätigt
H2a Je stärker die Verbundenheit eines Kunden gegenüber einem Anbieter ist, desto stärker ist seine Wiederkaufabsicht.
nicht bestätigt
H3a Je geringer die Sicherheitsbedenken eines Kunden im Hinblick auf die Online-Bestellung bei einem Anbieter sind, desto stärker ist seine Wiederkaufabsicht bei diesem Anbieter.
bestätigt
H4a Je größer die wahrgenommene Verhaltenskontrolle eines Kunden ist, desto stärker ist seine Wiederkaufabsicht.
bestätigt
175
Einfluss der Prädiktoren auf die Weiterempfehlungsabsicht (Modellvariante B)
Auch hier wurde aufgrund des Ordinalskalenniveaus der abhängigen Variablen „Weiter-
empfehlungsabsicht“ eine ordinale Regression durchgeführt. Diese ergibt folgende
Ergebnisse: Der negative 2LL-Wert beträgt anfänglich 284,848, sein Endwert ist 207,885.
Der Chi-Quadrat-Wert liegt damit bei 76,962. Ihm wird eine Signifikanz von 0,000
zugeordnet. Das heißt, durch das Modell erfolgt eine höchst signifikante (p <= 0,001) Ver-
besserung der Vorhersage der Weiterempfehlungsabsicht. Zusätzlich wurde auch hier
anhand des Chi-Quadrat-Tests nach Pearson geprüft, ob sich die beobachteten Häufigkeiten
signifikant von den aufgrund des Modells berechneten erwarteten Häufigkeiten unter-
scheiden. Der berechnete Wert ist höchst signifikant (Sig.: 0,000), was für keine gute An-
passung des Modells spricht. Das Bestimmtheitsmaß nach Nagelkerke liegt bei 0,230, das
heißt, durch das Modell werden 23 % der Varianz erklärt.
Die Lageschätzer ergeben nur für die Globalzufriedenheit einen höchst signifikanten Wert,
das heißt, unter gleichzeitiger Berücksichtigung aller unabhängigen Variablen zeigen die
Verbundenheit, die Sicherheitsbedenken und die wahrgenommene Verhaltenskontrolle
keinen Einfluss auf die Weiterempfehlungsabsicht. Der Lageschätzer der Globalzufrieden-
heit ist positiv, was gemäß der verwendeten Codierung bedeutet, dass eine hohe Globalzu-
friedenheit mit einer stärkeren Absicht verbunden ist, beim Anbieter Folgekäufe zu tätigen.
Abbildung 47 gibt die Ergebnisse der ordinalen Regression der Modellvariante B wieder.
Die angegebenen Werte sind auch hier Lageschätzer.
176
Global-zufriedenheit
Verbundenheit
Sicherheits-bedenken
wahrgenommene Verhaltens-
kontrolle
1,419***
0,148
0,221
*** = Signifikanzniveau: 0,001
Weiter-empfehlungs-
absicht
0,254 – 0,587
Abbildung 47: Ergebnisse der ordinalen Regression der Modellvariante B (erste Stichprobe)
Anhand der ersten Stichprobe lassen sich also im Hinblick auf die
Weiterempfehlungsabsicht folgende Hypothesen bestätigen bzw. nicht bestätigen:
Hypothese Aussage Ergebnis
H1b Je größer die Zufriedenheit eines Kunden mit der Gesamtleistung eines Anbieters ist (Globalzufriedenheit), desto stärker ist seine Absicht, den Anbieter weiterzuempfehlen.
bestätigt
H2b Je stärker die Verbundenheit eines Kunden gegenüber einem Anbieter ist, desto stärker ist seine Weiterempfehlungsabsicht.
nicht bestätigt
H3b Je geringer die Sicherheitsbedenken eines Kunden im Hinblick auf die Online-Bestellung bei einem Anbieter sind, desto stärker ist seine Absicht, diesen Anbieter weiterzuempfehlen.
nicht bestätigt
H4b Je größer die wahrgenommene Verhaltenskontrolle eines Kunden ist, desto stär-ker ist seine Weiterempfehlungsabsicht.
nicht bestätigt
177
Einfluss der Einzelzufriedenheiten auf die Globalzufriedenheit
Um zu analysieren, welche Leistungsparameter den größten Einfluss auf die Gesamt-
zufriedenheit ausüben und damit die größte Bedeutung für die Kunden haben (vgl. Matzler
& Bailom, 1999, S. 172), wurde eine multiple lineare Regression durchgeführt, da alle
Zufriedenheitsitems Intervallskalenniveau aufweisen. Besteht ein starker Zusammenhang
zwischen der Zufriedenheit mit einer Leistungsdimension und der Globalzufriedenheit, so
kann von einer hohen Wichtigkeit dieses Leistungsmerkmals ausgegangen werden. Ein
schwacher Zusammenhang deutet entsprechend auf eine geringe Bedeutung des Leistungs-
merkmals hin.
Die multiple lineare Regression zeigte folgende Ergebnisse: Zunächst wurde die globale
Güte des Regressionsmodells überprüft, das heißt, die Regressionsfunktion wurde als
Ganze danach analysiert, ob und wie gut die abhängige Variable „Globalzufriedenheit“
durch das Regressionsmodell erklärt wird. Die entsprechenden Maße hierfür sind das
Bestimmtheitsmaß (R-Quadrat) und die F-Statistik. Der multiple Korrelationskoeffizient
(r), der die Korrelation zwischen den beobachteten und den geschätzten Werten der
abhängigen Variablen wiedergibt, ist mit 0,781 recht hoch. Das daraus berechnete
Bestimmtheitsmaß (r²) beträgt 0,609. Dieser durchaus zufriedenstellende Wert wird durch
das korrigierte Bestimmtheitsmaß (0,568) bestätigt. Die durchgeführte Regression erreicht
also eine gute Anpassung an die empirischen Daten. Der F-Test ergibt eine Signifikanz von
0,000, das heißt, die Null-Hypothese, die davon ausgeht, dass kein Zusammenhang
zwischen den unabhängigen und der abhängigen Variablen besteht, kann folglich mit einer
Irrtumswahrscheinlichkeit von 0,001 verworfen werden. Der Anteil erklärter Varianz liegt
mit 61 % sehr hoch. Welche Leistungsparameter einen Beitrag zur Erklärung der
Globalzufriedenheit leisten, zeigt der t-Test, der nur für die Zufriedenheit mit der
Schnelligkeit der Lieferung (Sig.: 0,000), mit der Benutzerfreundlichkeit der Website (Sig.:
0,027) und mit dem Warenrücknahme-Service (Sig.: 0,044) signifikante Werte liefert. Die
übrigen Parameter leisten nach diesem Regressionsmodell keinen signifikanten Beitrag zur
Erklärung der Globalzufriedenheit. Die Höhe des Einflusses zeigt die Analyse der
standardisierten Regressionskoeffizienten. Danach liefert die Zufriedenheit mit der
Schnelligkeit der Lieferung den höchsten Erklärungsbeitrag für die Globalzufriedenheit.
Sie weist einen höchst signifikanten (p <= 0,001) standardisierten Regressionskoeffizienten
von 0,351 auf. Den zweitstärksten Einfluss übt die Leistungsdimension Benutzerfreund-
178
lichkeit der Website aus, und zwar mit einem signifikanten (p <= 0,05), jedoch sehr gerin-
gen Regressionskoeffizienten (0,180), gefolgt vom Warenrücknahme-Service mit einem
ebenfalls sehr geringen standardisierten Regressionskoeffizienten von 0,160.
Einen Überblick über die Ergebnisse der multiplen linearen Regression gibt Abbildung 48.
Globalzufriedenheit
Benutzerfreundlichkeit der Website
Produktauswahl
Angebote/Aktionen
Preis-Leistungs-Verhältnis
Geschwindigkeit des Seitenaufbaus
Suchfunktion
Informationen über Verfügbarkeit der Waren
Schnelligkeit der Lieferung
Benachrichtigung bei Lieferverzögerungen
Bearbeitung von Telefonanfragen
Freundlichkeit am Telefon
Verständlichkeit der Rechnungsstellung
Warenrücknahme-Service
0,180*
0,103
0,060
0,057
0,027
0,146
- 0,023
0,351***
- 0,020
0,126
- 0,053
0,160*
0,037
Abbildung 48: Wichtigkeit der einzelnen Leistungsparameter für die Beurteilung der Globalzufriedenheit (erste Stichprobe)
3.3.4.2. Validierung des Modells anhand einer zweiten Stichprobe
Das entwickelte Modell konnte anhand der Daten der ersten Stichprobe in einigen
Hypothesen bestätigt werden. Nun wird anhand einer zweiten Stichprobe getestet, ob sich
die Ergebnisse wiederholen lassen, das heißt sich das Modell als valide und stabil erweist.
Im Folgenden werden alle Hypothesen erneut überprüft.
3.3.4.2.1 Korrelationsanalysen
Korrelationen zwischen den Prädiktoren und der Wiederkaufabsicht (Hypothesen 1a, 2a, 3a und 4a)
Die Korrelationsanalyse nach Spearman ergibt auch für die zweite Stichprobe sehr signifi-
kante, jedoch geringe Zusammenhänge aller unabhängigen Variablen (Globalzufriedenheit,
179
Verbundenheit, Sicherheitsbedenken, wahrgenommene Verhaltenskontrolle) mit der
Wiederkaufabsicht. Der stärkste Zusammenhang besteht mit der Globalzufriedenheit (vgl.
Abbildung 49).
Global-zufriedenheit
Verbundenheit
Sicherheits-bedenken
Wiederkaufabsicht
wahrgenommene Verhaltens-
kontrolle
r = 0,389**
r = 0,325**
r = 0,338**
r = 0,246**
r =Korrelationskoeffizient; ** = Signifikanzniveau: 0,01
Abbildung 49: Korrelationen zwischen den Prädiktoren und der Wiederkaufabsicht (zweite Stichprobe)
Korrelationen zwischen den Prädiktoren und der Weiterempfehlungsabsicht (Hypothesen 1b, 2b, 3b und 4b)
Auch bei der Weiterempfehlungsabsicht zeigt sich in der zweiten Stichprobe ein ähnliches
Bild wie in der ersten. Alle unabhängigen Variablen (Globalzufriedenheit, Verbundenheit,
Sicherheitsbedenken, wahrgenommene Verhaltenskontrolle) weisen sehr signifikante,
jedoch geringe Zusammenhänge mit der Weiterempfehlungsabsicht auf. Die stärkste
Korrelation ergibt auch hier die Globalzufriedenheit mit der Weiterempfehlungsabsicht
(vgl. Abbildung 50).
180
Global-zufriedenheit
Verbundenheit
Sicherheits-bedenken
wahrgenommene Verhaltens-
kontrolle
r = 0,412**
r = 0,245**
r = 0,260**
r = 0,076**
r =Korrelationskoeffizient; ** = Signifikanzniveau: 0,01
Weiter-empfehlungs-
absicht
Abbildung 50: Korrelationen zwischen den Prädiktoren und der Weiterempfehlungsabsicht (zweite Stichprobe)
Korrelationen zwischen der Zufriedenheit in den einzelnen Leistungsparametern und der Globalzufriedenheit
Die Rangkorrelation nach Spearman ergibt auch bei der zweiten Stichprobe ausschließlich
sehr signifikante Werte (p<= 0,01) (vgl. Abbildung 51). Der stärkste Zusammenhang
besteht hier ebenfalls mit der Zufriedenheit mit der Benutzerfreundlichkeit der Website (r =
0,562), gefolgt von der Zufriedenheit mit dem Warenrücknahme-Service (r = 0,568) und
mit der Benachrichtigung bei Lieferverzögerungen (r = 0,504).
181
Globalzufriedenheit
Benutzerfreundlichkeit der Website
Produktauswahl
Angebote/Aktionen
Preis-Leistungs-Verhältnis
Geschwindigkeit des Seitenaufbaus
Suchfunktion
Informationen über Verfügbarkeit der Waren
Schnelligkeit der Lieferung
Benachrichtigung bei Lieferverzögerungen
Bearbeitung von Telefonanfragen
Freundlichkeit am Telefon
Verständlichkeit der Rechnungsstellung
Warenrücknahme-Service
0,562**
0,465**
0,416**
0,418**
0,439**
0,435**
0,348**
0,464**
0,504**
0,442**
0,371**
0,568**
0,392**
** Signifikanzniveau: 0,01
Abbildung 51: Einfluss der einzelnen Zufriedenheitsdimensionen auf die Globalzufriedenheit (zweite Stichprobe)
Interkorrelationen zwischen den unabhängigen Variablen
Auch im zweiten Datensatz bestehen teilweise recht hohe Interkorrelationen zwischen den
unabhängigen Variablen, wie Abbildung 52 zeigt.
182
Global-zufriedenheit
Verbundenheit
Sicherheits-bedenken
wahrgenommene Verhaltens-
kontrolle
r = 0,108**
r = 0,537**
r = 0,079r = 0,091*
r =Korrelationskoeffizient; * = Signifikanzniveau: 0,05; ** = Signifikanzniveau: 0,01
r = 0,819**
r = 0,534**
Abbildung 52: Interkorrelationen zwischen den Prädiktoren (zweite Stichprobe)
Die Regressionsanalysen, deren Ergebnisse im Folgenden beschrieben werden, schließen
derartige Scheinkorrelationen aus.
3.3.4.2.2 Regressionsanalysen
Einfluss der Prädiktoren auf die Wiederkaufabsicht (Modellvariante A)
Bei der Prüfung des Einflusses der Prädiktoren auf die Wiederkaufabsicht anhand der
zweiten Stichprobe ergibt die ordinale Regression folgende Ergebnisse: Der negative 2LL-
Wert beträgt anfangs 566,263, am Ende 435,030. Der Chi-Quadrat-Wert liegt damit bei
131,234 und ist höchst signifikant (p <= 0,001). Das heißt, durch das Modell erfolgt eine
deutliche Verbesserung der Vorhersage der Wiederkaufabsicht. Auch hier wurde anhand
des Chi-Quadrat-Tests nach Pearson geprüft, ob sich die beobachteten Häufigkeiten
signifikant von den aufgrund des Modells berechneten erwarteten Häufigkeiten unter-
scheiden. Der berechnete Wert ist nicht signifikant (Sig.: 0,924), was für eine gute An-
passung des Modells spricht. Das Bestimmtheitsmaß nach Nagelkerke liegt bei 0,235. Dies
bedeutet, dass durch das Modell 24 % der Varianz erklärt werden.
183
Die Lageschätzer ergeben nur für den Prädiktor „Globalzufriedenheit“ einen signifikanten
Einfluss (p <= 0,001) auf die Wiederkaufabsicht. Unter gleichzeitiger Einbeziehung aller
Prädiktoren des Modells besteht also in der zweiten Stichprobe kein Einfluss der unab-
hängigen Variablen „Verbundenheit“, „Sicherheitsbedenken“ und „wahrgenommene
Verhaltenskontrolle“. Der Lageschätzer der Globalzufriedenheit ist positiv, was gemäß der
verwendeten Codierung bedeutet, dass eine hohe Globalzufriedenheit mit einer stärkeren
Absicht verbunden ist, beim Anbieter Folgekäufe zu tätigen.
Abbildung 53 fasst die Ergebnisse der ordinalen Regression der Modellvariante A
zusammen. Bei den eingetragenen Werten handelt es sich um Lageschätzer.
Global-zufriedenheit
Verbundenheit
Sicherheits-bedenken
Wiederkaufabsicht
wahrgenommene Verhaltens-
kontrolle
1,025***
0,078
0,096
-1,660 – 0,336
*** = Signifikanzniveau: 0,001
Abbildung 53: Ergebnisse der ordinalen Regression der Modellvariante A (zweite Stichprobe)
Anhand der zweiten Stichprobe lässt sich also im Hinblick auf die Wiederkaufabsicht nur
noch Hypothese 1a bestätigen: „Je größer die Zufriedenheit eines Kunden mit der Gesamt-
leistung eines Anbieters ist (Globalzufriedenheit), desto stärker ist seine Wiederkaufabsicht
bei diesem Anbieter.“
184
Einfluss der Prädiktoren auf die Weiterempfehlungsabsicht (Modellvariante B)
Für die zweite Stichprobe ergibt die ordinale Regression im Hinblick auf die Prüfung des
Einflusses der Prädiktoren auf die Weiterempfehlungsabsicht folgende Ergebnisse: Der
negative 2LL-Wert liegt anfänglich bei 249,968, sein Endwert ist 175,361. Daraus ergibt
sich ein Chi-Quadrat-Wert von 74,607, dem eine Signifikanz von 0,000 zugeordnet wird.
Das heißt, durch das Modell erfolgt eine höchst signifikante (p <= 0,001) Verbesserung
der Vorhersage der Weiterempfehlungsabsicht. Auch der Chi-Quadrat-Tests nach Pearson
ergibt einen höchst signifikanten Wert (Sig.: 0,000), was für die Anpassungsgüte des
Modells spricht. Das Bestimmtheitsmaß nach Nagelkerke liegt bei 0,219. Durch das
Modell werden also 22 % der Varianz erklärt.
Die Lageschätzer ergeben nur für die Prädiktoren „Globalzufriedenheit“ (p <= 0,001) und
„wahrgenommene Verhaltenskontrolle“ (p <= 0,05) signifikante Werte, das heißt unter
gleichzeitiger Berücksichtigung aller Prädiktoren zeigen die unabhängigen Variablen „Ver-
bundenheit“, und „Sicherheitsbedenken“ keinen Einfluss auf die abhängige Variable
„Weiterempfehlungsabsicht“. Der Lageschätzer der Globalzufriedenheit ist positiv, der der
wahrgenommenen Verhaltenskontrolle negativ, was gemäß der verwendeten Codierung
bedeutet, dass eine hohe Globalzufriedenheit und eine hohe wahrgenommene
Verhaltenskontrolle mit einer stärkeren Absicht verbunden sind, beim Anbieter Folgekäufe
zu tätigen.
Abbildung 54 gibt die Ergebnisse der ordinalen Regression der Modellvariante B wieder.
Die eingetragenen Werte sind auch hier Lageschätzer.
Abbildung 54: Ergebnisse der ordinalen Regression der Modellvariante B (zweite Stichprobe)
Anhand der zweiten Stichprobe lassen sich also im Hinblick auf die Weiterempfehlungsab-
sicht die Hypothesen 1b („Je größer die Zufriedenheit eines Kunden mit der Gesamt-
leistung eines Anbieters ist, desto stärker ist seine Absicht, den Anbieter weiterzu-
empfehlen.“) und 4b („Je größer die wahrgenommene Verhaltenskontrolle eines Kunden
ist, desto stärker ist seine Weiterempfehlungsabsicht.“) bestätigen.
Einfluss der Einzelzufriedenheiten auf die Globalzufriedenheit
Die multiple lineare Regression erbringt auch für den zweiten Datensatz einen hohen
multiplen Korrelationskoeffizienten von 0,830. Das daraus berechnete Bestimmtheitsmaß
beträgt 0,688. Dieser Wert wird durch das korrigierte Bestimmtheitsmaß von 0,648
bestätigt. Die durchgeführte Regression erreicht also auch in der zweiten Stichprobe eine
gute Anpassung an die empirischen Daten. Der F-Test ergibt eine Signifikanz von 0,000,
das heißt, die Null-Hypothese, die davon ausgeht, dass kein Zusammenhang zwischen den
unabhängigen und der abhängigen Variablen besteht, kann mit einer Irrtumswahrschein-
lichkeit von 0,001 verworfen werden. Der Anteil erklärter Varianz liegt mit 69 % sehr
hoch.
186
Die Analyse, welche Leistungsparameter einen signifikanten Beitrag zur Erklärung der
Globalzufriedenheit leisten, zeigt im Vergleich zur ersten Stichprobe ein leicht verändertes
Bild. Der t-Test liefert auch hier signifikante Werte für die Zufriedenheit mit der
Benutzerfreundlichkeit der Website (p <= 0,05) und mit der Schnelligkeit der Lieferung (p
<= 0,01). Kein signifikanter Wert zeigt sich hingegen für die Zufriedenheit mit dem
Warenrücknahme-Service. Stattdessen wird der Einfluss zweier weiterer Leistungsparame-
ter deutlich, nämlich der Produktauswahl (p <= 0,001) und der Freundlichkeit am Telefon
(p <= 0,05). Die übrigen Leistungsparameter leisten auch nach diesem Regressionsmodell
keinen signifikanten Beitrag zur Erklärung der Globalzufriedenheit.
In welchem Ausmaß diese vier Leistungsparameter die Globalzufriedenheit beeinflussen
zeigen die standardisierten Regressionskoeffizienten. Sie weisen auch diesmal den
höchsten Wert für die Zufriedenheit mit der Schnelligkeit der Lieferung (0,287) auf. Der
zweitstärkste Einfluss geht von der Zufriedenheit mit der Produktauswahl (0,270) aus,
gefolgt von der Zufriedenheit mit der Freundlichkeit am Telefon (0,234) und der Benutzer-
freundlichkeit (0,190).
Tabelle 24 gibt einen vergleichenden Überblick über die Ergebnisse der
Regressionsanalysen der ersten und zweiten Stichprobe.
Leistungsparameter erste Stichprobe zweite Stichprobe
Schnelligkeit der Lieferung 0,351 0,287
Benutzerfreundlichkeit der Website 0,180 0,190
Warenrücknahme-Service 0,160 n.s.
Produktauswahl n.s. 0,270
Freundlichkeit am Telefon n.s. 0,234
Tabelle 24: Vergleich der standardisierten Regressionskoeffizienten der ersten und zweiten Stichprobe
Es wird deutlich, dass die Zufriedenheit mit der Schnelligkeit der Lieferung in beiden
Stichproben den stärksten Einfluss auf die Globalzufriedenheit ausübt. Sie kann daher als
sehr valide und stabile Vorhersagevariable der Gesamtzufriedenheit betrachtet werden.
Auch die Zufriedenheit mit der Benutzerfreundlichkeit der Website zeigt in beiden Stich-
187
proben einen signifikanten, wenn auch relativ geringen Einfluss auf die Global-
zufriedenheit, der damit ebenfalls als valide und stabil betrachtet werden kann.
Als weniger gesichert muss der Einfluss der Leistungsdimensionen Produktauswahl,
Freundlichkeit am Telefon und Warenrücknahme-Service gelten. Allen drei Variablen
konnte jeweils nur in einer Stichprobe ein signifikanter t-Wert zugeordnet werden.
3.3.5. Diskussion der Ergebnisse
Tabelle 25 gibt noch einmal einen Überblick über die Ergebnisse der Hypothesenprüfung
beider Stichproben.
Hypothese Aussage Ergebnis
1. Stichprobe
Ergebnis
2. Stichprobe
H1a Je größer die Zufriedenheit eines Kunden mit der Gesamtleistung eines Anbieters ist (Globalzufriedenheit), desto stärker ist seine Wiederkaufabsicht bei diesem Anbieter.
bestätigt bestätigt
H1b Je größer die Zufriedenheit eines Kunden mit der Gesamtleistung eines Anbieters ist (Globalzufriedenheit), desto stärker ist seine Absicht, den Anbieter weiterzuempfehlen.
bestätigt bestätigt
H2a Je stärker die Verbundenheit eines Kunden gegenüber einem Anbieter ist, desto stärker ist seine Wiederkaufabsicht bei diesem Anbieter.
nicht bestätigt nicht bestätigt
H2b Je stärker die Verbundenheit eines Kunden gegenüber einem Anbieter ist, desto stärker ist seine Absicht, den Anbieter weiterzuempfehlen.
nicht bestätigt nicht bestätigt
H3a Je geringer die Sicherheitsbedenken eines Kunden im Hinblick auf die Online-Bestellung bei einem Anbieter sind, desto stärker ist seine Wiederkaufabsicht bei diesem Anbieter.
bestätigt nicht bestätigt
H3b Je geringer die Sicherheitsbedenken eines Kunden im Hinblick auf die Online-Bestellung bei einem Anbieter sind, desto stärker ist seine Absicht, diesen Anbieter weiterzuempfehlen.
nicht bestätigt nicht bestätigt
H4a Je größer die wahrgenommene Verhaltenskontrolle eines Kunden ist, desto stärker ist seine Wiederkaufabsicht.
bestätigt nicht bestätigt
H4b Je größer die wahrgenommene Verhaltenskontrolle eines Kunden ist, desto stärker ist seine Weiterempfehlungsabsicht.
nicht bestätigt bestätigt
Tabelle 25: Übersicht über die Ergebnisse der Hypothesenprüfung beider Stichproben
188
Das entwickelte E-Commerce-Kundenloyalitätsmodell wurde anhand zweier umfang-
reicher Datensätze (N1 = 1427; N2 = 1565) getestet. Wie Tabelle 25 zeigt, konnten die
Hypothesen 1a und 1b in beiden Stichproben bestätigt werden, die Hypothesen 3a, 4a und
4b wurden in jeweils nur einem Datensatz bestätigt und die Hypothesen 2a, 2b und 3b
konnten in beiden Datensätzen nicht bestätigt werden. Im Folgenden werden zunächst die
Ergebnisse der einzelnen Hypothesen diskutiert, anschließend wird eine Beurteilung des
Gesamtmodells vorgenommen.
Einfluss der Globalzufriedenheit auf die Wiederkaufabsicht (Hypothese 1a)
Der Einfluss der Globalzufriedenheit auf die Wiederkaufabsicht konnte in beiden Stich-
proben höchst signifikant nachgewiesen werden. Die Globalzufriedenheit stellt damit die
zentrale Determinante der Wiederkaufabsicht dar. Ist ein Kunde mit den Leistungen eines
Anbieters in einem hohen Maße zufrieden, wird er auch in Zukunft wieder bei diesem
Anbieter Käufe tätigen. Es stellt sich daher die entscheidende Frage, durch welche
Leistungsparameter die Gesamtzufriedenheit am stärksten determiniert wird. Dabei zeigte
sich, dass die Schnelligkeit der Lieferung und die Benutzerfreundlichkeit der Website den
stärksten und über beide Stichproben stabilen Einfluss aufweisen. Sie können daher als
Grundvoraussetzungen für eine hohe Globalzufriedenheit betrachtet werden.
Die Wichtigkeit der Schnelligkeit der Lieferung ist auf die Kurzfristigkeit des Bedarfs im
Kontext der organisationalen Büromaterial-Beschaffung zurückzuführen. Büroartikel wer-
den von den Mitarbeitern in der Regel recht schnell benötigt, da der Bedarf oft erst bemerkt
wird, wenn alle Vorräte aufgebraucht sind. Dann ist es für den Einkäufer wichtig, dass
seine Bestellung schnell geliefert wird. Dementsprechend trägt die Erfüllung dieses
Anspruchs stark zur Globalzufriedenheit mit den Leistungen eines Anbieters bei. Ebenso
naheliegend ist die Bedeutung der Benutzerfreundlichkeit der Website für den Kunden.
Hauptargumente für den Einkauf im Internet sind die Bequemlichkeit des Einkaufs und
Schnelligkeit der Durchführung der Bestellung (vgl. Kapitel 2.1.4). Eine Grundvoraus-
setzung dafür ist, dass die gewünschten Artikel nicht lange gesucht werden müssen,
sondern durch eine intuitive Benutzerführung leicht zu finden sind. Wird dieses Kriterium
von einem Unternehmen erfüllt, ist damit auch eine hohe Gesamtzufriedenheit der Kunden
verbunden, wie die vorliegenden Ergebnisse zeigen. Will ein Unternehmen also die Global-
zufriedenheit seiner Kunden steigern, sollten zunächst die beiden Leistungsdimensionen
Schnelligkeit der Lieferung und Benutzerfreundlichkeit der Website optimiert werden.
189
Weitere Leistungsparameter, die sich in jeweils einer der beiden Stichproben als relevant
erwiesen, sind die Produktauswahl, der Warenrücknahme-Service sowie die Freundlichkeit
am Telefon. Es ist daher davon auszugehen, dass auch von diesen drei Aspekten eine
stärkere Bedeutung für die Gesamtzufriedenheit ausgeht. Eine Verbesserung dieser
Aspekte sollte daher in einem nächsten Schritt angestrebt werden, um die Globalzufrieden-
heit weiter zu erhöhen. Eine gute Produktauswahl ist insbesondere deshalb wichtig für
einen Einkäufer, da er sonst bei verschiedenen Lieferanten bestellen muss, was die
Komplexität und damit seinen Arbeitsaufwand deutlich erhöht. Die Bedeutung eines
problemlosen Warenrücknahme-Service ist darauf zurückzuführen, dass die Waren im
Internet nicht „physisch“ betrachtet werden können und daher bei Nichtgefallen leicht um-
zutauschen sein müssen. Die Freundlichkeit am Telefon spielt gerade im E-Commerce eine
wichtige Rolle, da bei einem Anruf im Call Center der erste persönliche Kontakt des
Kunden mit dem Unternehmen stattfindet. Wird dort sein Anliegen freundlich behandelt,
stärkt dies das Vertrauen des Kunden in den Anbieter.
Die genannten Leistungsparameter erweisen sich in der durchgeführten Untersuchung als
wichtigste Einflussfaktoren für den Kunden. Welche Kriterien ein Unternehmen bei der
Umsetzung von Maßnahmen zur Steigerung von Kundenzufriedenheit tatsächlich priorisie-
ren sollte, hängt jedoch nicht nur von der Stärke des Einflusses der jeweiligen Einzelleis-
tung ab, sondern auch maßgeblich von den Implementierungskosten. Von daher bestünde
weiterer Forschungsbedarf in der Quantifizierung des tatsächlichen Wiederkaufs bei Ver-
besserung der einzelnen Zufriedenheitsdimensionen. Auf diese Weise könnte eine Kosten-
Nutzen-Rechnung erstellt und die Effizienz der Maßnahmen überprüft werden. Dies stellt
jedoch ein äußerst komplexes Forschungsproblem dar, da zum einen die exakte Operatio-
nalisierung der Verbesserung der Leistungsparameter sehr schwierig ist, zum anderen
Wiederkäufe multikausal bedingt sind und nur schwer auf eine konkrete Maßnahme
zurückgeführt werden können. Dies berücksichtigend bietet die vorliegende Studie bereits
tief greifende Handlungsempfehlungen, die dann in der Praxis in Abhängigkeit von den
Implementierungskosten abgewogen werden müssen.
Einfluss der Globalzufriedenheit auf die Weiterempfehlungsabsicht (Hypothese 1b)
Auch der Einfluss der Globalzufriedenheit auf die Weiterempfehlungsabsicht stellt sich in
beiden Stichproben als höchst signifikant heraus. Die Lageschätzer liegen noch höher als
bei der Regressionsanalyse mit der Wiederkaufabsicht als abhängige Variable, das heißt,
190
der Einfluss der Globalzufriedenheit auf die Weiterempfehlungsabsicht ist deutlich stärker
als der auf die Wiederkaufabsicht. Für eine Weiterempfehlung scheint demnach ein
größeres Maß an Zufriedenheit erforderlich zu sein als für einen Wiederkauf. Bei letzterem
kann eine Leistungsdimension, z.B. der Preis, so ausschlaggebend sein, dass eine geringere
Zufriedenheit in anderen Leistungsbereichen in den Hintergrund rückt. Für eine Weiter-
empfehlung muss jedoch regelrechte Begeisterung und damit ein sehr hohes Maß an Zu-
friedenheit mit der Gesamtleistung des Unternehmens vorhanden sein. Eine hohe Gesamt-
zufriedenheit ist also eine wichtige Voraussetzung für die Weiterempfehlungsabsicht von
Kunden. Da die Weiterempfehlung ein extrem günstiges Mittel zur Neukundengewinnung
darstellt (vgl. Kapitel 2.6.5), sollte der Kunde daher in möglichst vielen für ihn relevanten
Leistungsbereichen möglicht stark zufriedengestellt werden. Natürlich muss auch dabei das
Kosten-Nutzen-Verhältnis im Einzelfall berücksichtigt werden.
Einfluss der Verbundenheit auf die Wiederkaufabsicht (Hypothese 2a)
Der Einfluss der Verbundenheit auf die Wiederkaufabsicht wird in keiner der beiden Stich-
proben signifikant. Dieses Ergebnis scheint auf den ersten Blick dem einer Studie von
Reichheld und Schefter (2001, S. 73), wonach das Vertrauen in einen Internet-Anbieter das
wichtigste Kriterium bei der Wahl eines Online-Händlers ist, zu widersprechen. Warum die
vorliegende Untersuchung den Einfluss der Verbundenheit auf die Wiederkaufabsicht nicht
bestätigen kann, wird im Folgenden analysiert.
Betrachtet man die Häufigkeitsverteilung der Variablen „Verbundenheit“, wird deutlich,
dass die Varianz sehr gering ist (vgl. Kapitel 3.3.3.2). Wie bereits bei der Diskussion der
Ergebnisse der Telefonbefragung geschildert (vgl. Kapitel 3.2.5), ergibt sich bei geringer
Varianz der Variablen ein methodisches Problem bei der Durchführung von Regressions-
analysen. Da diesen Modellen Korrelationskoeffizienten zugrunde liegen, können sich
Variablen, die eine geringe Varianz aufweisen, bei einer regressionsanalytischen Über-
prüfung als irrelevant erweisen, obwohl die geringe oder nicht vorhandene Korrelation nur
auf die geringe Varianz innerhalb einer Variablen zurückzuführen ist (vgl. Jonas & Doll,
1996, S. 26). Das heißt, wenn eine Variable für alle Befragten einen ähnlichen Wert auf-
weist, ergibt sich anhand der Regression kein signifikanter Einfluss, obwohl die Variable
durchaus von Relevanz sein kann. Um den Zusammenhang zwischen der Verbundenheit
und der Wiederkaufabsicht methodenunabhängig zu überprüfen, werden die relativen
191
Häufigkeiten anhand von Kreuztabellen näher betrachtet (exemplarisch werden auch hier
Die Kreuztabelle spiegelt eine äußerst geringe Varianz in der Variablen „Sicherheits-
bedenken“ wider (vgl. auch Kapitel 3.3.3.3). Für die Ausprägung „5“ ist nur ein Wert, für
die Ausprägung „6“ kein einziger Wert vorhanden. Zudem ist die Wiederkaufbereitschaft
über alle übrigen Ausprägungen hinweg („1“ bis „4“) sehr hoch. Eine Tendenz, dass gerin-
gere Sicherheitsbedenken eine stärkere Wiederkaufabsicht bedingen, ist zwar vorhanden,
jedoch beträgt die Differenz zwischen der Wiederkaufabsicht bei Ausprägung „1“ (96 %)
und der Wiederkaufabsicht bei Ausprägung „4“ (88 %) nur acht Prozentpunkte.
Insgesamt muss bei der Betrachtung der Ergebnisse berücksichtigt werden, dass es sich bei
den Befragten um Personen handelt, die bereits Kunden des untersuchten Unternehmens
sind. Die generell sehr schwach ausgeprägten Sicherheitsbedenken und die damit verbun-
dene geringe Varianz in dieser Variablen dürften daher auf diese Spezifität der Stichprobe
zurückzuführen sein. Es ist davon auszugehen, dass Personen überhaupt erst dann bei
194
einem Internet-Anbieter Bestellungen tätigen, wenn sie ein gewisses Grundvertrauen in die
Sicherheit des Unternehmens haben. Dies zeigt sich auch daran, dass die Sicherheits-
bedenken der Kunden im Hinblick auf allgemeine Bestellungen im Internet deutlich stärker
ausgeprägt sind als in Bezug auf die Bestellung bei dem betreffenden Anbieter (vgl.
Abbildung 55). Während für die Sicherheit beim auftraggebenden Unternehmen 77,7 % der
Kunden die Werte 1 oder 2 vergeben, bewerten sie die Sicherheit von Bestellungen im
Internet allgemein nur zu 24,7 % mit 1 oder 2. Diese Zahlen machen deutlich, wie wichtig
es für ein Internet-Unternehmen ist, die Sicherheitsbedenken der Nutzer durch vertrauens-
bildende Maßnahmen zu reduzieren. Sie legen aber auch die Interpretation nahe, dass
Sicherheitsbedenken bei der Wahl eines Anbieters von hoher Bedeutung sind, für dessen
Folgekäufe und Weiterempfehlungen jedoch keine Rolle mehr spielen (sofern keine negati-
ven Erfahrungen gemacht werden). Diese Vermutung wurde ja bereits in der genannten
Untersuchung von Reichheld und Schefter (2001) bestätigt.
23,4
6,3
54,3
18,4 19,3
41,8
2,8
23,2
0,2
8,2
02,1
0
10
20
30
40
50
60
niedrig 2 3 4 5 hoch
Sicherheitsbedenken Auftraggeber Sicherheitsbedenken Internet allgemein
n = 632Angaben in %
Abbildung 55: Vergleich der Sicherheitsbedenken der Online-Kunden im Hinblick auf Bestellungen bei dem untersuchten Anbieter und Bestellungen im Internet
allgemein
195
Einfluss der Sicherheitsbedenken auf die Weiterempfehlungsabsicht (Hypothese 3b)
Im Hinblick auf die Weiterempfehlungsabsicht konnte in keiner der beiden Stichproben ein
signifikanter Einfluss der Sicherheitsbedenken nachgewiesen werden. Auch hier ist davon
auszugehen, dass ein wesentlicher Grund dafür in den generell sehr schwach ausgeprägten
Sicherheitsbedenken der Kunden des untersuchten Anbieters und der damit verbundenen
geringen Varianz zu suchen ist. Die Betrachtung der Kreuztabelle (vgl. Tabelle 29) macht
deutlich, dass die Weiterempfehlungsabsicht mit dem Anstieg der Sicherheitsbedenken
erheblich sinkt. Ein Zusammenhang zwischen der Höhe der Sicherheitsbedenken und der
Weiterempfehlungsabsicht ist also durchaus festzustellen. Der Anteil derer, die den
Anbieter nicht weiterempfehlen würden, ist jedoch für alle Ausprägungen der Variable
„Sicherheitsbedenken“ äußerst gering.
Auch hier ist also der Grund für die nicht vorhandene Signifikanz der Ergebnisse in der
Spezifität der Stichprobe (Kunden des untersuchten Anbieters) und der damit verbundenen
geringen Varianz in der Variablen „Sicherheitsbedenken“ zu sehen.
n = 610 Weiterempfehlungsabsicht
Ausprägung „Sicherheitsbedenken“
ja vielleicht nein
1 (niedrig) 95 % 4 % 1 %
2 85 % 14 % 1 %
3 75 % 23 % 2 %
4 65 % 35 % 0 %
5 -* -* -*
6 (hoch) -** -** -**
* Für die Ausprägung „5“ ist nur ein Wert vorhanden.
** Für die Ausprägung „6“ ist kein Wert vorhanden.
Zink, K.J. & Bäuerle, T. (1999). Kundenorientierung und -zufriedenheit in Business
Excellence-Konzepten. In H.H. Hinterhuber & K. Matzler (Hrsg.),
Kundenorientierte Unternehmensführung (S. 291 – 319). Wiesbaden: Gabler.
239
ANHANG
240
Fragebogen der Telefonbefragung (1. Befragung)
1. Wie häufig nutzen Sie das Internet, sei es privat oder geschäftlich? Gemeint ist hier jede Internet-Nutzung außer E-Mail.
�� täglich �� mehrmals pro Woche �� einmal pro Woche �� 1-3 Mal pro Monat �� seltener �� nie
2. Wie oft bestellen Sie - sei es privat oder geschäftlich - im Internet?
�� ca. 1-mal pro Woche �� ca. 2-3-mal im Monat �� ca. 1-mal im Monat �� ca. 1-2-mal im Vierteljahr �� seltener �� nie
3. Wenn Sie nun ganz allgemein an das Einkaufen im Internet denken. Welche Begriffe verbinden Sie mit dem Einkaufen im Internet? Ich lese Ihnen nun einige Gegensatzpaare vor. Bitte sagen Sie mir bei jedem Begriffspaar auf einer Skala von 1 bis 6, welchen der beiden Begriffe Sie stärker mit dem Einkaufen im Internet verbinden. Das erste Begriffspaar ist „bequem-aufwendig“. „Bequem“ hat also den Wert 1, „aufwendig“ den Wert 6. Haben Sie dazu noch Fragen? (Ggf. erneut erklären, gleicher Wortlaut) Dann vergeben Sie jetzt bitte Ihre Einschätzung für das Begriffspaar „bequem - aufwendig“. Welchen Begriff verbinden Sie stärker mit dem Einkaufen im Internet?
11. Ich lese Ihnen nun eine Aussage vor. Bitte sagen Sie mir auf einer Skala von 1-6, inwieweit Sie dieser Aussage zustimmen. 1 bedeutet „Ich stimme voll zu“, 6 bedeutet „Ich stimme überhaupt nicht zu“. Hier nun die Aussage: „Der Umgang mit dem Internet wird in unserem Unternehmen als selbstverständlich vorausgesetzt.“
Ich stimme voll zu. Ich stimme überhaupt nicht zu. 1 2 3 4 5 6
Nun noch ein paar ganz allgemeine Fragen zur Beschaffung von Büromaterial, ganz unabhängig, ob per Telefon, Fax, Internet oder direkt im Laden.
12. Worauf achten Sie beim Einkauf von Büromaterial am meisten? Bitte nennen Sie das wichtigste Kriterium zuerst, danach das zweitwichtigste usw.
1. ________________
2. ________________
3. ________________
2. a) Wenn Sie Büromaterial bestellen, welche Anbieter kommen dabei für Sie in Frage? Nennen Sie bitte alle Anbieter, die Sie dabei in Erwägung ziehen.
b) Bei welchem dieser Anbieter haben Sie schon bestellt?
c) Bei welchem dieser Anbieter haben Sie schon über das Internet bestellt? a) Anbieter b) bestellt c) im Internet bestellt
13. Wie viele Mitarbeiter beschäftigt Ihr Unternehmen?
Ganz herzlichen Dank, dass Sie an der Befragung teilgenommen haben!
243
Fragebogen der Telefonbefragung (Follow-up-Befragung)
1. Wie oft bestellen Sie - sei es privat oder geschäftlich - im Internet?
�� ca. 1-mal pro Woche �� ca. 2-3-mal im Monat �� ca. 1-mal im Monat �� ca. 1-2-mal im Vierteljahr �� seltener �� nie
2. Wenn Sie nun ganz allgemein an das Einkaufen im Internet denken. Welche Begriffe verbinden Sie mit dem Einkaufen im Internet? Ich lese Ihnen nun einige Gegensatzpaare vor. Bitte sagen Sie mir bei jedem Begriffspaar auf einer Skala von 1 bis 6, welchen der beiden Begriffe Sie stärker mit dem Einkaufen im Internet verbinden. Das erste Begriffspaar ist „bequem-aufwendig“. „Bequem“ hat also den Wert 1, „aufwendig“ den Wert 6. Haben Sie dazu noch Fragen? (Ggf. erneut erklären, gleicher Wortlaut) Dann vergeben Sie jetzt bitte Ihre Einschätzung für das Begriffspaar „bequem - aufwendig“. Welchen Begriff verbinden Sie stärker mit dem Einkaufen im Internet?
3. Welchen Anteil Ihres Büromaterial-Bedarfs decken Sie über das Internet?
�� über 90 % �� zwischen 50 und 90 % �� ca. 50 % �� zwischen 10 und 50 % �� bis zu 10 % �� 0 %
4. Wenn Sie überlegen, welchen Anteil Ihres Büromaterial-Bedarfs Sie noch im Februar über das Internet gedeckt haben, was würden Sie sagen: Hat der Anteil eher
�� zugenommen, �� ist er gleich geblieben oder �� hat er abgenommen?
5. Und wie schätzen Sie diesen Anteil für die Zukunft ein: Werden Bestellungen von Bürobedarf per Internet bei Ihnen in Zukunft eher
�� zunehmen, �� gleich bleiben oder �� abnehmen?
244
6. Ich lese Ihnen nun eine Aussage vor. Bitte sagen Sie mir auf einer Skala von 1-6, inwieweit Sie dieser Aussage zustimmen. 1 bedeutet „Ich stimme voll zu“, 6 bedeutet „Ich stimme überhaupt nicht zu“. Hier nun die Aussage: „Der Umgang mit dem Internet wird in unserem Unternehmen als selbstverständlich vorausgesetzt.“
Ich stimme voll zu. Ich stimme überhaupt nicht zu. 1 2 3 4 5 6
Ganz herzlichen Dank, dass Sie an der Befragung teilgenommen haben!
245
Fragebogen der Online-Befragung
1. Wie oft haben Sie schon bei FIRMENNAME eingekauft?
�� einmal �� 2-5-mal �� öfter als 5-mal
2. Aus welchem Grund haben Sie sich entschlossen, bei FIRMENNAME einzukaufen? Mehrfachantworten möglich.
�� Preisvorteil �� schnelle Lieferung �� hohe Servicequalität �� Einsparung bei Prozesskosten �� Einkaufserlebnis �� Sonstiges _________________________________________________
3. Wie zufrieden sind Sie mit folgenden Merkmalen und Leistungen von FIRMENNAME? Bitte beurteilen Sie nur diejenigen, die Sie bereits bei uns kennen gelernt haben.
sehr gar nicht zufrieden zufrieden 1 2 3 4 5 6 kann ich nicht beurteilen
10. Mit welchen 3 Begriffen würden Sie FIRMENNAME spontan beschreiben?
1. ________________
2. ________________
3. ________________
11. Haben Sie vor, bei Bedarf (wieder) bei FIRMENNAME einzukaufen?
�� ja, sehr häufig �� ja, häufig �� ja, gelegentlich �� nein �� vielleicht/weiß nicht
Wenn nein, warum nicht? ___________________________________
247
12. Werden Sie FIRMENNAME weiterempfehlen?
�� ja �� nein �� vielleicht/weiß nicht
Nun noch ein paar allgemeine Fragen zum Internet:
13. Wie häufig nutzen Sie das Internet, um Informationen oder Produkte zu beschaffen (privat und geschäftlich)?
�� täglich �� mehrmals pro Woche �� einmal pro Woche �� 1-3-mal pro Monat �� seltener
14. Denken Sie nun bitte ganz allgemein an das Einkaufen im Internet, völlig unabhängig von Anbieter und Produkt. Welche Begriffe verbinden Sie mit dem Einkaufen im Internet?
15. Wie oft bestellen Sie - sei es privat oder geschäftlich - im Internet? (egal welches Produkt)
�� ca. einmal pro Woche �� ca. 2–3-mal im Monat �� ca. einmal im Monat �� ca. 1- 2-mal im Vierteljahr �� seltener �� nie
16. Worauf legen Sie am meisten Wert, wenn Sie im Internet einkaufen? Bitte nennen Sie den wichtigsten Aspekt zuerst, danach den zweitwichtigsten usw. Sie können bis zu 3 Punkte eingeben.
1. ________________
2. ________________
3. ________________
248
17. Welchen Anteil Ihres Büromaterial-Bedarfs decken Sie über das Internet?
�� über 90 % �� zwischen 50 - 90 % �� ca. 50 % �� zwischen 10 – 50 % �� bis zu 10 % �� 0 %
18. Werden Bestellungen von Bürobedarf per Internet bei Ihnen in Zukunft eher
�� zunehmen, �� gleich bleiben oder �� abnehmen?
19. Worauf achten Sie beim Einkauf von Büromaterial am meisten? Bitte geben Sie das wichtigste Kriterium zuerst ein, dann das zweitwichtigste usw. Sie können bis zu 3 Kriterien eingeben.
Hiermit versichere ich, dass die Dissertation von mir selbstständig angefertigt wurde und
alle von mir genutzten Hilfsmittel und Hilfen von mir angegeben wurden. Ich versichere,
dass die wörtlich oder dem Sinne nach anderen Veröffentlichungen entnommenen Stellen
von mir kenntlich gemacht wurden.
München, 25. Oktober 2002
Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre hiermit, dass ich mich bisher keiner weiteren Doktorprüfung unterzogen habe.
Ich habe die Dissertation in der gegenwärtigen oder einer anderen Fassung an keiner
anderen Fakultät eingereicht.
München, 25. Oktober 2002
250
Lebenslauf
Persönliche Daten Name Isabell Mentzel Geburtsdatum 25.04.1971 Schulbildung Sept. 1977 – Aug. 1981 Friedrich-Ebert-Grundschule, Augsburg Sept. 1981 – Juni 1990 Gymnasium Maria Stern, Augsburg Juni 1990 Abitur Studium Nov. 1991 – März 1998 Studium der Psychologie an der Ludwig-Maximilians-
Universität München März 1998 Diplom der Psychologie Juli 2000 – April 2003 Promotion zum Thema „Kaufverhalten und Kundenloyalität im
Internet – zwei empirische Untersuchungen” an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
Beruf Marktforscherin Mai – Dezember 1998 Freelancer Januar 1999 – Juni 2000 Mediaagentur MediaPlus, München September 2000 – August 2001 Allago AG, Bad Vilbel