wörter und zahlen Zwischen Wort und Zahl Acryl auf Papier, 60 x 90 cm © Eugen Jost, Thun, Schweiz www.mathematik-und-kunst.de
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T itelMaterial, Format
wörter und zahlen
Zwischen Wort und ZahlAcryl auf Papier, 60 x 90 cm
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april
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When I’m Sixty-FourAcryl auf Leinwand, 60 x 60 cm
Im europäischen Kalender gibt es zwischen dem
Jahr 1 vor und dem Jahr 1 n. Chr. kein Jahr Null,
ein Umstand, der vor dem letzten Jahrtausend-
wechsel Uneinigkeit über den wahren Zeitpunkt
dieses Ereignisses verursachte.
Würde unsere Zeitskala der Zahlengerade nach-
gebildet, dann würde der herkömmlich auf den
24. Dezember festgesetzte Geburtstag Christi
(✽) wohl ins Jahr 0 gelegt und der Zeitnullpunkt
auf den Anfang dieses Jahres.
Danach wären «nur» genaue vorchristliche Jahr-
zahlen um 1 zu verringern. Die Dekadenwechsel
fänden zeitgleich mit dem Ziffernwechsel in der
Jahrzahl statt.
WIESo KEIn JahR null?
Soviel im Voraus: Die Null war bei der Schaffung
des Julianischen Kalenders und noch lange dar-
auf nicht anerkannt als Zahl.
Die Null ist im Alltag eher eine Aussenseiterin.
Wer seine «sieben Sachen» zählt, der beginnt
mit 1 und nicht mit 0. Niemand kauft 0 kg Brot.
Normal-Null lässt sich mit mittlere Meereshöhe
und Stockwerk 0 mit EG umschreiben. Das Feh-
len des Jahres Null hat aber vor allem mit der
Geschichte der Null zu tun.
Die null
SPoTT unD EhRE
Das römische Zahlensystem war dem Zehnersys-
tem in jeder Hinsicht unterlegen. Doch das eine
war altvertraut, das andere neu und fremd. Was
ist 0:0, 00, 1:0? – knifflige Fragen! Zum Nichts
gesellt sich das Unendlich: Ursache gedanklicher
Schwierigkeiten und Ablehnung, die zeitweise in
Spott und sogar Verbot der Null ausartete.
John Wallis schrieb noch 1697: «Nullum non est
numerus.» (Die Null ist keine Zahl. Opera Mathe-
matica. Bd. I. Georg Olms Verlag 1972). Tempi
passati! Die lange Verkannte kommt schliesslich
zu höchsten Ehren. «Die Null ist in einem gewis-
sen Sinne die zivilisierteste aller Kardinalzahlen»,
schreibt A. N. Whitehead in seiner ‚Einführung in
die Mathematik’ (A. Francke Verlag 1948). Ohne
sie stünde die Welt still! Und als Zwilling der Un-
endlichkeit macht sie weiter auf sich aufmerksam.
InDIEn alS GEbuRTSlanD DER null
Der Nullbegriff wurde durch ein Fehlzeichen –
nennen wir es F – im babylonischen Stellenwert-
system vorbereitet. F diente als blosser Platzhalter
für eine Leerstelle im Zahlgefüge. Das Jahr 2011
hiesse in unserem Zehnersystem nachgestellt so:
2F11, also zwei Tausender, keine Hunderter, ein
Zehner und ein Einer. Die Inder benutzten ein
Fehlzeichen namens sunya (=leer). Genial: Sie
(an-)erkannten es etwa im 5. Jh. n. Chr. als Ziffer
mit einem eigenen Wert für das Nichts – die Null
wurde geboren!
KulTuRfluSS Von oSTEn nach WESTEn
Während der Ausbreitung des Islam ab dem
7. Jh. wurden Bagdad im Osten und Cordoba im
Westen zu Hauptzentren der Mathematik.
In Bagdad wurde griechisches, persisches und in-
disches Kulturgut ins Arabische übersetzt, fort-
entwickelt und an die islamischen Länder weiter-
vermittelt, also auch nach Spanien. Dort wurde
es in den Klöstern ins Lateinische übertragen und
gelangte so ins Abendland.
Der Weg der Null durch die Zeit lässt sich fast an
ihren Namen ablesen:
sunya (ind.) / as-sifr (arab.) / cifra (lat.) / ze-
firo (it.) / zero (fr.)
Aus dem nulla figura (lat., keine Zahl!) ist unser
null entstanden.
Dipl. Math. Georg Schierscher Gymnasiallehrer in Pension
Eh. Wirkungsstätte: Liechtensteinisches Gymnasium
in Vaduz/Liechtenstein
When I’m Sixty-fourZahlen im Alltag, Zahlen in Kultur und Geschichte ...Fragen zum Bild? Rückmeldungen? www.mathematik-und-kunst.de oder Mail an [email protected]
Die 9 [3+6] Striche am unteren Rand bilden ein stilisiertes Kerbmuster aus dem über 10'000 Jahre alten Ishango-Knochen aus Belgisch-Kongo (Belgien 2000).
Aus der Serie «Die 10 mathematischen Formeln, die das Antlitz der Erde verändert haben» (Nicaragua 1971).
Beide Briefmarkenmotive verweisen auf die unermess liche Bedeutung des Zählens und des Zahlverständnisses.
Vier der vielen Mathematiker, die dem indischen 10er-System und damit speziell der Null Auftrieb gaben:
1 al-chwarismi (ca. 780 – ca. 850) mit seiner Schrift «De numero Indorum» (über die indischen Zahlen; Origi-nal in Arabisch)2 Mönch Gerbert von aurillac (ca. 945 – 1003), der spätere Papst Silvester II., mit den bezifferten Rechen-steinen (apices, Abb. 5) seines Klosterabakus3 leonardo von Pisa / fibonacci (ca. 1180 – ca. 1250) mit seinem «Liber Abaci» (Rechenbuch)4 adam Riese (1492 – 1559), Rechenmeister, Autor dreier Rechenbücher.
Indisch-arabische Ziffern in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Nach Karl Menninger: Zahlwort und Ziffer. Eine Kulturgeschichte der Zahl. Bd. 2. Vandenhoeck & Ruprecht 1958. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.
Internationaler Mathema-tikerkongress Madrid 2006BIBLIOTECA DEL MONASTE-RIO DEL ESCORIAL. CODICE VI GILANUS. Westarabische Ziffern 1 bis 9 (Spanien 2006).Der Codex Vigilanus von 976 ist die erste bekannte eu- ro päische Handschrift, in der die neuen Ziffern indischen Ursprungs auftreten.
World Telecommunication DayWählscheibe mit den ost-arabischen Ziffern 1 bis 9 und dem Punkt für die Null(Iran 1987).
Sinnbild für den Sieg des Ziffernrechners über den langsameren Brettrechner.Bild aus Gregor Reisch: Margarita Philosophica. Nachdruck der Auflage Basel 1517. Stern-Verlag 1973.
Platte des Basler Rechentisches der Dreierherren, aus dem Basler Rathaus, 16. Jh. Die drei Rechentafeln tragen die Zeichen M [1000], c [100], x [10] und die Geldeinheiten lib [libra = Pfund], s [solidus = Schilling] und d [denarius = Pfennig]. Historisches Museum Basel. Foto: A. Eaton.
Zentren der Mathematik in islamischen Ländern im Mittelalter.
Quelle: Hans Wussing: 6000 Jahre Mathematik. Bd. 1. Springer-Verlag 2008Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Springer Science and Business Media.
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mai
AnnA, oTTo and LucyAcryl auf Leinwand, 50 x 50 cm
Paris 1860. Napoleon III ist seit 1852 Kaiser von Frankreich. Im Zuge der industriellen Revolution erlebt die Uhrmacher-kunst eine Hochblüte. Ab 1855 publiziert Claudius Saunier, der seine Lehrjahre in der Schweiz verbrachte, die Revue chronométrique, das älteste Fachblatt der Uhrmacher. In der Ausgabe des Jahres 1860 findet sich ein Artikel von Achille Brocot (1817 – 1874) mit dem Titel Calcul des roua-ges par approximation. Nouvelle méthode.Als Sohn eines berühmten Uhrmachers wächst Achille in ei-ner äusserst kreativen Umgebung auf und ergreift ebenfalls diesen Beruf. Als Hobby-Mathematiker interessiert er sich
erst für die Astronomie, als er sich mit der Herstellung von Planetenuhren beschäftigt. Um die Rotationsgeschwindig-keiten der Zahnräder den astronomischen Gegebenheiten anzupassen, bedient man sich seit langem der Getriebe von Rädern mit unterschiedlicher Anzahl von Zähnen. Da kein bekanntes Verfahren zur Berechnung der Zähnezahl genü-gend einfach und genau ist, erfindet Brocot ein eigenes Sys-tem und beschreibt es in der obigen Abhandlung. Zusätzlich liefert er später eine Tabelle, um die Rechnungen effizienter zu machen.
achille brocot, der uhrmacher
Zahn uM ZahnZahnradgetriebe erlauben die Übersetzung von Kräften, Ge-schwindigkeiten und Drehzahlen von einem Rad auf andere Räder. Im einfachsten Fall treibt ein Zahnrad A ein Zahnrad B an, welches irgendeine Arbeit verrichtet. In der Fachsprache heisst A der Driver und B der follower.
Im Beispiel (Fig. 1) hat das Rad A 22 Zähne und B deren 14. Das Zahnrad B macht 11 Umdrehungen, wenn A sich 7 mal dreht und ist daher schneller. Drehzahl und Geschwindigkeit werden erhöht, das Drehmoment wird vermindert und die Drehrichtung umgekehrt.
unter der Übersetzung des Getriebes versteht man das Verhältnis der Zähnezahl des followers zur Zähnezahl des Drivers.
In unserem Beispiel beträgt die Übersetzung 14:22 = 7:11 ≈ 0.64.
Schaltet man zwischen Driver und Follower weitere Zahn-räder (so genannte Idler, Nichtstuer) in einer Kette dazwi-schen, so haben diese überraschenderweise keinen Einfluss auf die Übersetzung.Besonders für die Astronomie sind Getriebe mit mehreren Zahnrädern auf derselben Achse interessant. Brocot formu-liert die damals bereits bekannte Regel: Les révolutions du premier et du dernier axe sont exactement dans le même rapport que s‘il s‘agissait d‘un rouage à deux mobiles dont l‘un serait le produit des nombres de dents de tous les mobiles menants, et dont l‘autre serait le produit des nombres de dents de tous les mobiles menés.(Die Umdrehungen der ersten und letzten Achse sind genau in demselben Verhältnis wie wenn es sich um ein Getriebe mit zwei Rädern handeln würde, von denen das eine das Produkt aller Zähne der führenden Räder (Driver) und das andere das Produkt der Zähne der geführten Räder (Follower) besitzt.)
BEISPIEL (Fig. 2):Die Zahnräder 7 und 14 befinden sich auf derselben Achse. Driver: 22 und 7.Follower: 14 und 12.
Die Übersetzung berechnet sich zu (14*12)/(22*7)=12/11=1.091.
InTERMEZZo: huyGEnS auToMaTISchES PlanETaRIuMIm 1703 posthum herausgegebenen Werk Descriptio au-tomati planetarii beschreibt Huygens (1629 – 1695) das Konzept seines Planetariums. Bereits 1682 baute Johannes van Ceulen (ca. 1650 – 1715) die achteckige Planetenuhr nach den Plänen von Huygens. Exemplarisch verfolgen wir die Überlegungen zum Planeten Merkur. Die besten damals erhältlichen Daten für die Umlaufzeiten waren– für die Erde: 365 Tage 5 Stunden 45‘ 15‘‘ 46‘‘‘ und – für den Merkur: 87 Tage 23 Stunden 14‘ 24‘‘.
Huygens rundete für die Erde auf 365 Tage 5 Stunden und 50 Minuten, für Merkur auf 87 Tage 23 Stunden und 15 Mi-nuten.
Dies ergab ein Verhältnis von 105190:25335 = 21038:5067 ≈ 4.15. Da es unmöglich war, Zahnräder mit so vielen Zäh-nen zu konstruieren, musste Huygens einen Bruch finden, welcher kleinere Zähler und Nenner besass, aber den obigen Bruch möglichst gut annähert. Huygens kannte die neue Theorie der Kettenbrüche und zeigte bei seinem Planetari-um zum ersten Mal eine praktische Anwendung dieser The-orie. Er entwickelte also den Bruch in einen Kettenbruch und bestimmte die daraus entstehenden Näherungsbrüche.Da die Zähler stets 1 betragen, kürzt man die Darstellung (Fig. 3) des Kettenbruches zweckmässig wie folgt ab:21038/5067 = [4,6,1,1,2,1,1,1,1,7,1,2]. Durch das schrittweise Berechnen des Kettenbruchs (z. B. [4,6]=4+1/6=25/6), entstehen die Näherungsbrüche
Von den Näherungsbrüchen kommt für zwei Räder nur
137/33 als bester Bruch mit erträglicher Zähnezahl in Frage.Die darauf folgenden drei Näherungsbrüche ergeben keine vernünftige Zerlegung.Als wichtigen Glücksfall erweist sich aber der nächste Bruch 847/204 ≈ 4.15, da sich die Zerlegung (7*121)/(12*17) an-bietet.Dies lässt sich mit 4 Rädern (Fig. 4) realisieren. Eine Umdre-hung in einem Jahr des Erdenrades mit 121 Zähnen bewirkt ca. 4.15 Umdrehungen des Merkurrades mit 12 Zähnen.
DIE nEuE METhoDEAchille Brocot kennt ebenfalls die von Huygens angewende-te Theorie der Kettenbrüche, welche jedoch nicht allen Uhr-macherkollegen vertraut ist. Zudem bemängelt er, dass man um das Suchen geeigneter Zahlen nicht herum kommt, da die Möglichkeiten der Näherungen begrenzt sind (Huygens hatte «Glück» mit der schönen Faktorisierungsmöglichkeit von 847/204).
Deshalb zeigt er seine neue einfache Methode am Beispiel des gekürzten Bruches 191/23. Der Bruch liegt zwischen 8/1 und 9/1. Die Fehler betragen -7/23 (zu wenig) und 16/23 (zu viel). Nun bildet Brocot den Zwischenbruch (8+9)/(1+1), indem er die Zähler und die Nenner addiert. Der Bruch 17/2
heisst Mediant von 8/1 und 9/1. Nicolas Chuquet führte im 15. Jh. diesen Begriff ein. Brocot stellt fest, dass auch der neue Fehler wieder Mediant der beiden ursprünglichen Feh-ler ist. Eine einfache Tabelle (Fig. 5) zeigt die Fortsetzung der Methode:Der Nenner beim Fehler wird weggelassen.Ziel ist es, den Fehler auf +1 oder -1 zu reduzieren. Ist man mit 83/10 nicht zufrieden, sucht man weitere Medianten zwischen 83/10 und 191/23. Dasselbe gilt für 108/13. Die entstehenden Brüche 274/33 usw. weisen grössere Zähler und Nenner auf. Deshalb versucht er wie Huygens Brüche zu finden, welche eine Faktorisierung zulassen. Brocot zeigt zahlreiche Varianten. Beispiel: 1802/217 =(34*53)/(7*31) mit einem Fehler von lediglich -1/4991 = -0.00020036.
Eine genauere Betrachtung der Tabelle zeigt, dass sämtli-che Näherungsbrüche 8, 25/3, 83/10, 191/23 der Ketten-bruchentwicklung von 191/23 vorkommen Die zusätzlichen Brüche 33/4, 58/7 und 17/2 in der Tabelle hat bereits La-grange (1736 – 1813) als Pseudonäherungen der Ketten-bruchentwicklung bezeichnet und ein allgemeines Verfah-ren zur Berechnung mittels Mediantenbildung angegeben. Das Verdienst von Brocot besteht darin, dass er seine Me-thode einem breiteren Publikum ohne den Einsatz von Ket-tenbrüchen und mittels einer einfachen Tabelle zugänglich gemacht hat.
TESTfall MERKuRIm zweiten Beispiel wendet sich Brocot dem Planeten Mer-kur zu. Ein Rad dreht sich vollständig in einem Tag. Wie sieht eine Übersetzung für 87.96926 Tage aus? Dies ist die bis heute gültige siderische Umlaufzeit des Merkur. Vergleich: Zur Zeit von Huygens betrug sie lediglich 87.9683 Tage.
Die Tabelle mit 87:1 bis 88:1 als Start wird etwas aufwen-dig. Brocot verwendet sein Tabellenwerk und beginnt mit 5718:65 und 8621:98. Die Fortsetzung durch Mediantenbil-dung ergibt:
5718:6520057:22814339:16322960:2618621:98Nur der Bruch 22960:261 liefert eine gute Zerlegung, näm-lich (10*56*41)/(3*3*29). Leider sagt Brocot nicht, wie er sich das Räderwerk vorstellt, denn Zahnräder mit 3 Zähnen eignen sich nicht. Mein Vorschlag: Erweitern mit 4. Dies er-gibt (40*56*41)/(6*6*29) mit den Drivern 29,6 und 6.
AUSBLICKDie von Achille Brocot fortlaufende Mediantenbildung kommt besonders im nach ihm (und dem Mathematiker Stern) benannten Stern-Brocot-Baum zur Geltung. Zwar dient er weniger den Uhrmachern als vielmehr den Ma-thematikern. Der Baum enthält sämtliche nicht negativen Brüche genau einmal und aufsteigend geordnet. Der Baum zeigt eindrücklich, dass es «gleichviele» natürliche Zah-len wie Brüche gibt, da man diese auf eine elegante Weise durchnumerieren kann.
albert a. GächterDipl. Math. ETH, Lehrerfortbildung,
pensionierter Gymnasiallehrer
anna, oTTo and lucyParkett, Spiegelungen, Palindrome, Kaleidoskop, ...Fragen zum Bild? Rückmeldungen? www.mathematik-und-kunst.de oder Mail an [email protected]
4029
56
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7
14
22 12
2
3
4
5
6
1422
A B
1
22 714 12 = 11
12 0.917.
4, 256 , 29
7 , 5413 , 137
33 , 19146 , 328
79 , 519125 , 847
204 , 64481553 , 7295
1757 , 21 0385067 .
4 +
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1 +
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2 +
121 7
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8:1 Fehler -7 33:4 Fehler -5 58:7 Fehler -383:10 Fehler -1191:23 Fehler 0108:13 Fehler +125:3 Fehler +217:2 Fehler +99:1 Fehler +16
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juli
Quattro StagioniAcryl auf Leinwand, 40 x 40 cm
Ein Punkt hat keine Ausdehnung. Er ist ohne
Dimension.
Eine Strecke hat eine Länge. Sie ist 1dimen-
sional. Sie hat zwei Endpunkte.
Ein Quadrat hat Länge und Breite. Es ist 2di-
mensional. Es hat vier Eckpunkte und wird
von vier Strecken begrenzt.
Ein Würfel hat Länge, Breite und Höhe. Er ist
3dimensional. Er hat acht Eckpunkte, zwölf
Kanten und wird von sechs quadratischen
Flächen begrenzt.
Wie geht das weiter? Was lässt sich über das
nächste Objekt in der Reihe aussagen?
Wagen wir für die Spalte «Punkte» nach
1, 2, 4, 8 eine 16! Aber was folgt auf 1, 4, 12?
Eine Regel taucht auf: «Wenn wir von zwei
nebeneinander stehenden Zahlen die rech-
te verdoppeln und die linke addieren, erhal-
ten wir die rechts darunter stehende» – z. B.
[4 ; 1] ➝ 2 ∙ 1 + 4 = 6. Gilt das allgemein?
Wenn ja, hätte das neue – 4dimensionale –
Objekt 16 Punkte, 32 Strecken, 24 Flächen
und würde von 8 Körpern begrenzt. Wie sol-
len wir uns das vorstellen?
Unsere Vorstellung wird aus der optischen
und haptischen Erfahrung im 3dimensiona-
len Raum geprägt. Höher dimensionale Ob-
jekte können wir uns nicht eigentlich vor-
stellen. Hingegen lassen sie sich in unseren
Erfahrungsraum projizieren und in der Pro-
jektion betrachten. So, wie man einen 3di-
mensionalen Körper auf eine 2dimensionale
Leinwand projizieren kann. Aber wie kom-
men wir überhaupt zum Objekt, das wir pro-
jizieren wollen? Indem wir zum Beispiel der
Spalte «Punkte» in der obigen Tabelle folgen.
Die Anzahl Punkte verdoppelt sich von Di-
mension zu Dimension.
Dimen sionen Punkte Strecken Flächen Körper
0 . Punkt 1
1 Strecke 2 1
2 Quadrat 4 4 1
3 Würfel 8 12 6 1
4 ?
Der Tesserakt von Paris
Am Tesserakt-Modell (Fig. 3) lassen sich
die oben abgeleiteten Zahlen nachwei-
sen: 16 Punkte, 32 Strecken, 24 Flächen (in
Fig. 4 sind drei davon gefärbt) und 8 Körper.
Diese 8 Körper – es sind Würfel, aber durch
die Projektion z. T. verzerrt – grenzen den Tes-
serakt gegen den restlichen 4d-Raum ab. In
Fig. 5 sind die Grenzkörper links, rechts und
«innen» gefärbt. Dazu kämen fünf weitere:
oben, unten, vorne, hinten und «aussen».
Der «äussere» Würfel umfasst das Modell.
Zwei Paare von je gegenüberliegenden Be-
grenzungskörpern bilden einen «Tesserakt-
Mantel» (Fig. 6). Ein solcher ist als eindrückli-
ches Bauwerk im Pariser Quartier «La Défense»
realisiert: «La Grande Arche» (Abb. 7).
Mit der Einweihung der Grande Arche am
14. Juli 1989 – auf den Tag 200 Jahre nach
dem Beginn der Französischen Revolution –
ging ein Jahrzehnte langes Ringen um diesen
städtebaulichen Angelpunkt zu Ende. Vie-
le namhafte Architekten hatten vor der Jury
keine Gnade gefunden, bis dem Dänen Jo-
han Otto von Spreckelsen (Abb. 8) der Durch-
bruch gelang. Da aber auch der Bauprozess
nicht reibungslos verlief, erlebte der Schöpfer
der Grande Arche deren Fertigstellung nicht
mehr. In den Unterlagen von Spreckelsen
findet sich kein Hinweis auf den Tesserakt. Er
selber sprach von einem «offenen Würfel».
Eine Strophe eines längeren Gedichts aus sei-
nem Projektbeschrieb lautet:
Un cube ouvert | Une fenêtre sur le monde
| Comme un point d’orgue provisoire sur
l’avenue | Avec un regard sur l’avenir.
Der «provisorische Orgelpunkt auf der Ave-
nue» meint das vorläufige Ende der «Kö-
nigsachse», welche sich 10 km schnurgerade
vom Louvre über die Tuilerien, die Champs-
Elysées, den Arc de Triomphe, die Av. de la
Grande Armée, die Av. Charles-de-Gaulle und
den Pont de Neuilly bis hinaus ins moderne
Geschäftszentrum «La Défense» erstreckt.
«Ein Fenster zur Welt mit einem Blick in die
Zukunft» – wer aus dem «inneren» Würfel
der Grande Arche nach «aussen» geschaut
hat, sieht die Welt anders.
Ein Punkt wird ausserhalb seiner selbst (nach
rechts) verdoppelt: Es entsteht eine Strecke.
Die Strecke wird in einer neuen Dimension
(nach unten) verdoppelt: Es entsteht ein Qua-
drat. Dieses wird in einer weiteren Dimension
(nach hinten) verdoppelt: Wir erhalten einen
Würfel (Abb. 1).
Da die uns vertrauten 3 Dimensionen (links-
rechts, oben-unten, vorne-hinten) aufge-
braucht sind, erfinden wir eine zusätzliche
Dimension. Wir nennen sie «innen-aussen»
– wobei das nichts mit dem Inneren bzw.
Äusseren des Würfels zu tun hat. «Aussen»
ist ausserhalb unseres 3d-Raumes; «innen»
ist ebenfalls ausserhalb unseres 3d-Raumes.
In der neuen (vierten) Dimension verdoppeln
wir den Würfel nach «aussen» (Fig. 2).
Das so entstehende 4dimensionale Objekt
heisst Tesserakt. Dieser lässt sich zeichnen
(2dimensional darstellen). Wir können auch –
z. B. aus Trinkhalmen – ein 3dimensionales
Modell davon bauen. Beides – Zeichnung
und Modell – sind Projektionen aus einem
höherdimensionalen Raum in einen tiefer-
dimensionalen.
Quattro StagioniEin Drehbild: Je drei Monate lang stehen die roten, orangen, grünen oder blauen
Dreiecke oben. Welche Bildstellung passt zu welcher Jahreszeit?Fragen zum Bild? Rückmeldungen? www.mathematik-und-kunst.de oder Mail an [email protected]
Werner JundtPensionierter Sekundarlehrer und
Dozent für Fachdidaktik Mathematik
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