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Deutsche Sprache und Kultur im Banat Herausgegeben von Wynfrid Kriegleder, Andrea Seidler und Jozef Tancer edition lumière
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Kaiser Joseph II und die „übereifrigen” Beamten im Temeswarer Banat, 1768

Apr 06, 2023

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István Németh
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Page 1: Kaiser Joseph II und die „übereifrigen” Beamten im Temeswarer Banat, 1768

Deutsche Sprache und Kultur im Banat

Herausgegeben von Wynfrid Kriegleder, Andrea Seidler und Jozef Tancer

edition lumière

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Presse und Geschichte – Neue Beiträge

Herausgegeben von Astrid Blome, Holger Böning

und Michael Nagel

Band 87

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Deutsche Sprache und Kultur im Banat

Studien zur Geschichte, Presse, Literatur und Theater, sprachlichen Verhältnissen, Wissenschafts-,

Kultur- und Buchgeschichte, Kulturkontakten und Identitäten

Herausgegeben

von Wynfrid Kriegleder,

Andrea Seidler und Jozef Tancer

edition lumière bremen

2015

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Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Gedruckt mit Unterstützung des Dekanats der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien

Gesamtherstellung in der Bundesrepublik Deutschland

edition lumière Bremen 2015

ISBN 978-3-943245-31-8

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Historische und religiöse Verhältnisse

Peter Ötvös (Szeged): Schwaben auf verlassenen Gütern?

9

13

Péter Varga (Budapest): Jüdisch-deutsche Kultur im Banat bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert

19

Sprachliche Verhältnisse, Druck- und Pressegeschichte

Stephan Gaisbauer (Linz) und Hermann Scheuringer (Regensburg): Deutsche Dialekte im Banater Bergland

27

Judit Vizkelety-Ecsedy (Budapest): Vermutliche und tatsächliche Druckorte im Banat

39

Erika Kommer (Cluj-Napoca): Nikolaus Berwanger und die Temeswarer Neue Banater Zeitung. Ein Überblick

51

Theatergeschichte

Horst Fassel (Tübingen): Das deutsche Theater im Banat vom 18. bis zum 21. Jahrhundert. Entstehung eines Netzwerkes und seine Auflösung

67

Paul S. Ulrich (Berlin): Eine statistische Untersuchung des Reper-toires deutschsprachiger Theater im Vormärz in Agram, Arad, Fünfkirchen, Hermannstadt, Laibach, Ödenburg und Temesvár

105

Reiseliteratur

Katalin Blaskó (Wien): Die wissenschaftliche Entdeckung des Banats. Die Darstellung der Region in deutschsprachigen Periodika im Königreich Ungarn am Ende des 18. Jahrhunderts

135

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Krisztina Kulcsár (Budapest): Kaiser Joseph II. und die „übereifrigen” Beamten im Temeswarer Banat, 1768

147

Attila Verók (Eger): Reisebeschreibungen aus der Batschka und dem Banat (18.–19. Jh.)

173

Identitätsfragen

Annamária Biró (Klausenburg/Cluj): Ein Patriot aus dem Banat: Gottfried Feldinger oder Földényi Frigyes?

185

Márta Fata (Tübingen): Die Ansiedlungsgeschichte im Gedächtnis – wie sie Peter Treffil aus Triebswetter/Banat erzählt

197

Gudrun-Liane Ittu (Hermannstadt/Sibiu): Viktor Orendi-Hommenau (1870–1954): Ein Siebenbürger im Dienste der deutschen Sprache und Kultur im Banat

211

Der exemplarische Dichter: Adam Müller-Guttenbrunn

Edit Király (Budapest): Literarische Landnahmen. Banat und Banatdeutsche bei Adam Müller-Guttenbrunn und Ferenc Herczeg

227

Klaus Heydemann (Wien): Niederösterreichische Ehrungen für Adam Müller-Guttenbrunn

237

Fallstudien

Katalin Czibula (Budapest): Sonnenfels’ Drama Das Opfer in der Übersetzung von Miklós Révai

247

Wynfrid Kriegleder (Wien): Johann Friedel. Ein Josephiner aus Temeswar.

255

Personenregister 267

Autoren und Herausgeber des Bandes 274

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Vorwort

Die in diesem Band präsentierten Beiträge basieren auf Vorträgen, die bei der wissenschaftlichen Tagung „Die deutsche Sprache und Kultur im Banat“ vom 19. bis 23. September 2012 in Păuliş gehalten wurden. Veranstalter waren das Institut für Europäische und Vergleichende Sprach- und Literaturwissenschaft der Universität Wien, das Institut für Germanistik der Universität Wien und die Universitatea Crestina Partium (Oradea).

Diese Konferenz war die sechste in einer Serie, die im Mai 2001 im slowa-kischen Smolenice begann, im Juni/Juli 2003 im burgenländischen Schlaining, im Oktober 2005 in Levoča/Leutschau, im Oktober 2007 in Cisnădioara/ Michelsberg und im Juni 2010 in Tata fortgesetzt wurde. Die Ergebnisse der bisherigen Tagungen liegen im Druck vor. (Deutsche Sprache und Kultur im Raum Pressburg. Hg. v. Wynfrid Kriegleder, Andrea Seidler u. Jozef Tancer. Bremen: edition lumière 2002; Deutsche Sprache und Kultur, Literatur und Presse in Westungarn / Burgenland. Hg. v. Wynfrid Kriegleder u. Andrea Seidler. Bremen: edition lumière 2004; Deutsche Sprache und Kultur in der Zips. Hg. v. Wynfrid Kriegleder, Andrea Seidler u. Jozef Tancer. Bremen: edition lumière 2007; Deutsche Sprache und Kultur in Siebenbürgen. Hg. v. Wynfrid Kriegleder, Andrea Seidler u. Jozef Tancer. Bremen: edition lumière 2009 ; Deutsche Sprache und Kultur im Raum Pest, Ofen und Budapest. Hg. v. Wynfrid Kriegleder, Andrea Seidler u. Jozef Tancer. Bremen: edition lumière 2012).

Wie bei den bisherigen Tagungen ging es um die Frage, welchen Einfluss die deutsche Sprache sowie die Rezeption der deutschsprachigen Literatur und der deutschsprachigen Wissenschaften auf das kulturelle Leben in der betref-fenden Region, eben dem Banat, hatte. Gefragt wurde auch nach dem Zusam-menspiel von sprachlicher und nationaler Identität. Erneut war es das Ziel, Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus unterschiedlichen Fachgebieten und aus verschiedenen Ländern zu versammeln, um ein interdisziplinäres und transnationales Gespräch in die Wege zu leiten.

Die Beiträge des Bandes setzen sich zunächst mit den historischen und reli-giösen Verhältnissen auseinander. Peter Ötvös berichtet von einer in der Öster-reichischen Nationalbibliothek aufbewahrten niederösterreichischen Handschrift aus den 1620er Jahren, die sich an die kaiserliche Regierung wendet und scharfe Kritik an der Ansiedlung von Schwaben in ehemals protestantischen Gebieten übt. Péter Varga zeichnet die spannungsvolle Geschichte der jüdischen Ge-meinden im Banat nach, die auch von den Konflikten zwischen den Aschkena-sim und den Sephardim geprägt war, und weist darauf hin, dass um 1900 im multikulturellen Temeswar gerade bei den deutschsprachigen Banater Juden eine „bedingungslose Unterstützung des ungarischen Nationalprogrammes“ mit dem Bekenntnis zur deutschen Kultur Hand in Hand gehen konnte.

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Es folgt ein Beitrag zu den sprachlichen Verhältnissen. Stephan Gaisbauer und Hermann Scheuringer beschreiben die aus der Besiedlungsgeschichte er-klärbare Situation der deutschen Sprache im Banater Bergland auf der phono-logischen, morphologischen, syntaktischen und lexikalischen Ebene. Sie kon-statieren typische städtische Ausgleichsdialekte mit deutlichen Merkmalen des Bairischen vor allem ostösterreichisch-wienerischer Prägung. Die zunehmen-den Sprachkontakte ergaben eine alltägliche deutsch-rumänische Zweispra-chigkeit bei quantitativer Dominanz des Rumänischen.

Mit der Druck- und Pressegeschichte beschäftigen sich zwei Beiträge. Judit Vizkelety-Ecsedy räumt mit einigen in der Banater Buchgeschichte verbreite-ten Irrtümern auf. Den geographischen Schwerpunkt ihrer Ausführungen bildet Temeswar mit seinen Buchdruckereien und -verlagen. Erika Kommer wendet sich der Zeit nach 1945 zu und skizziert die Tätigkeit des Chefredakteurs der Temeswarer Neuen Banater Zeitung, Nikolaus Berwanger, der im Ceauṣescu-Regime zwar als Parteimitglied keine offene Kritik übte, in diversen Zeitungs-beilagen die Nöte seiner Leser aber unverblümt ansprach, ehe er 1984 nach Deutschland flüchtete.

Die Theatergeschichte des Banats steht im Zentrum von zwei umfangrei-chen Artikeln. Horst Fassel liefert einen Überblick über das deutschsprachige Theater der Region vom 18. ins 21. Jahrhundert und betont die mehrsprachige Komponente des theatralischen Netzwerks. Lange Zeit konnten die verschie-densprachigen Theater (deutsch, ungarisch, rumänisch und serbisch) problem-los nebeneinander tätig sein; nach 1848 wurde das nicht-ungarischsprachige Theater zurückgedrängt, und um 1900 löste sich das Netzwerk auf. Paul S. Ulrich bietet eine detaillierte statistische Auswertung von 4529 vormärzlichen deutschsprachigen Theateraufführungen in Agram, Arad, Fünfkirchen, Her-mannstadt, Laibach, Ödenburg und Temesvár und kommt auf dieser Basis zu durchaus repräsentativen Ergebnissen über das Theaterrepertoire in der Peri-pherie der Monarchie.

Drei Beiträge gelten der Reiseliteratur. Katalin Blaskó gibt einen Überblick über die Beschäftigung mit dem Banat in den (deutschsprachigen) ungarischen gelehrten Zeitungen des 18. Jahrhunderts, insbesondere in Karl Gottlieb Win-dischs Ungrischem Magazin. Sie zeigt, wie die gelehrte deutschsprachige Pub-lizistik Ungarns um 1800 parallel zur politischen und ökonomischen Rückglie-derung des Banats ins ungarische Königreich die diskursive Reintegration dieser Region in den Kontext der ungarischen Wissenschaft forcierte. Krisztina Kulcsár bietet einen auf umfangreichem Quellenstudium basierenden detail-lierten Bericht über die Reise Kaiser Josephs II. in das Banat 1768, macht die ungeheure Logistik dieses Unternehmens klar und zeigt, wie die Beamten-schaft vor Ort in ihre eigenen Machtkämpfe verstrickt war. Der Zusammenstoß von rational-ökonomischem Denken des Kaisers und Mitregenten mit den (wohl unzeitgemäßen) Sitten und Unsitten der Beamten erhellt zugleich die Raison d'Être für die spätere Einverleibung des Banats ins Königreich Ungarn. Attila Verók wendet sich den spärlichen Reisebeschreibungen aus der Batschka

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und dem Banat im 18. und 19. Jahrhundert zu. Die Region galt lange Zeit als weißer Fleck in Europa, lockte zuerst vereinzelt west- und zentraleuropäische Reisende an, bis sich erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts auch ungarische Autoren für die Region interessierten. Viele der relevanten Texte erschienen, sofern überhaupt, in zeitgenössischen Zeitschriften und sind derzeit nur schwer zugänglich. Verók situiert sie im Kontext des damaligen reiseliterarischen Schrifttums mit zahlreichen Verweisen auf weitere Texte anderssprachiger Provenienz und macht auf das enorme kulturhistorische Potential dieser Gat-tung aufmerksam.

Identitätsfragen stehen im Zentrum der folgenden drei Beiträge. Annamária Bíró dokumentiert am Lebenslauf des Autors Gottfried Feldinger, eines gebil-deten, deutschsprachigen, jungen Mannes aus dem Banat, der seinen Namen in Földényi übersetzte und sich damit zum Magyarentum bekannte, exemplarisch die komplexen Identitätsprozesse des 19. Jahrhunderts. Marta Fata widmet sich dem Kolonisationsnarrativ der Donauschwaben, das im 19. Jahrhundert als Folge der Magyarisierungsbestrebungen entstand und sich sowohl mit ungari-scher Staatsloyalität als auch mit einem deutsch-völkischen Bewusstsein ver-binden konnte. Sie konstatiert die Entwicklung eines kollektiven Gedächtnisses durch Ansiedlungsfeiern und Dorfmonographien. Beispielhaft ist das in den 1920er Jahren verfasste, erst 1999 gedruckte Buch des Schmiedemeisters Peter Treffil unter dem Titel „Verzeichniss uiber sämtliche Ortsfamilien der Ge-meinde Triebswetter“. Gudrun-Liane Ittu erläutert den Nationalitätenkonflikt am Beispiel des streitbaren Publizisten Viktor Orendi-Hommenau, (1870-1954), der sich bemühte, die Sprache und Kultur des Banater Deutschtums zu einer Zeit ausgeprägter Magyarisierungsprozesse zu verteidigen, und dabei gegen jene über ganz Ungarn verteilten Ungarndeutschen, die diesen Prozess befürworteten, die sogenannten „Magyaronen“, immer wieder deutsch-national argumentierte.

Zwei Beiträge gelten dem exemplarischen deutschsprachigen Dichter des Banats, Adam Müller-Guttenbrunn. Edit Kiraly vergleicht dessen Der große Schwabenzug (1913) mit Ferenc Herczegs Die sieben Schwaben (1914). Die beiden Romane thematisieren die Zugehörigkeit der Banater Deutschen zum Banat, verorten dies aber in zwei verschiedenen nationalen Diskursen. Ge-meinsam ist beiden Autoren ihre banatdeutsche Herkunft. Für den banatdeut-schen Heimatschriftsteller Müller-Guttenbrunn wird Herkunft jedoch zum un-hintergehbaren Moment, während für den assimilierten ungarischen Schrift-steller Ferenc Herczeg die nationale Zugehörigkeit Resultat einer moralischen Entscheidung ist. Klaus Heydemann zeichnet aufgrund von Archivrecherchen die Rezeption Adam Müller-Guttenbrunns in der ersten österreichischen Repu-blik anhand zweier Ehrungen nach: Die Ehrendoktorwürde der Universität Wien im Jahr 1922 und die Verleihung der Ehrenbürgerschaft der kleinen Ge-meinde Weidling im selben Jahr. Beide Auszeichnungen dokumentieren die ungebrochene Hochschätzung des deutsch-nationalen Romanciers.

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Zwei Fallstudien beschließen den Band. Katalin Czibula analysiert die 1787 erschienene ungarische Übersetzung eines wenig bedeutenden Schäferstücks von Joseph von Sonnenfels durch den aus dem Banat stammenden ungarischen Philologen Miklós Révai und geht der Frage nach, in welchen historischen und politischen Kontext diese poetische Kleinigkeit einzuordnen sei. Dabei interes-siert sie sich vor allem für die Re-Interpretation des Stückes im Zuge einer Aufführung auf der ungarischen Schulbühne. Wynfrid Kriegleder beschäftigt sich mit dem aus Temesvar stammenden, in der älteren Forschung fälschlich zum ersten Dichter der Banater Deutschen stilisierten Johann Friedel, einem vor allem in Wien und Pressburg tätigen wichtigen Publizisten des Josephinis-mus, und untersucht seine beiden Reiseberichten über das Banat.

Abschließend können wir wieder einmal feststellen, dass die traditionelle nationalliterarische Kulturgeschichtsschreibung den komplexen mitteleuropäischen Verhältnissen nicht gerecht wird. Erneut versuchen wir, im Anschluss an die vor-herigen Bände den Weg zu einer übernationalen Kulturgeschichtsschreibung wei-terzugehen. Bedauernd müssen wir allerdings feststellen, dass der bisherige Haupt-Geldgeber der Tagungsreihe, die „Aktion Österreich-Ungarn“, diese Ta-gung nicht mehr unterstützen wollte, obwohl sie jahrelang den Erfolg der Serie gewährleistet hatte. Das Ausscheren der Aktion Österreich-Ungarn kam für uns umso überraschender, als bei einem Festakt anlässlich des 20-jährigen Jubi-läums der Aktion das Projekt als eines von vier besonders erfolgreichen prä-sentiert worden war. Was für den Meinungsumschwung der Aktion vom Okto-ber 2010 bis zur Ablehnung der folgenden Tagung ein Jahr später auschlag-gebend gewesen sein mag, darüber kann nur spekuliert werden. Die massiven finanziellen Kürzungen durch die ungarische Regierung waren jedenfalls der auslösende Faktor.

Dank finanzieller Unterstützungen der Universität Wien und der Universi-tatea Crestina Partium (Oradea) sowie dank der Bereitschaft vieler Teilnehmer, auf eigene Kosten nach Păuliş zu kommen, konnte die Tagung dennoch statt-finden. Wir sind allen zu Dankbarkeit verpflichtet. Wien, im August 2014 Die Herausgeber

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Kaiser Joseph II. und die „übereifrigen” Beamten im Temeswarer Banat, 1768

Von Krisztina Kulcsár (Budapest)

1. Die Grundsituation: Der Kaiser und sein Reiseprogramm

Joseph II., seit 1765 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, Thronfolger und Mitregent beklagte sich im August 1768 – nach Abschluss seines ersten Be-suchs im Temeswarer Banat – bei seiner Mutter Königin Maria Theresia, dass er schon seit zwei Monaten auf einen Untersuchungsbericht und eine Abrech-nung über die Reisekosten seitens der Temeswarer Landesadministration warte.

Wie wenig Ordnung in denen Verwalter-Ämtern, und in der gantzen Administ-ration stecket, zeiget sich aus dem, daß es anjetzo über zwey Monat ist, wo man die Unkosten zu wissen verlanget, so, wegen meiner Reyse, veranlasset worden, und ich sie bis jetzo noch nicht habe erfahren können, sondern mich noch zur Zeit mit denen […] eben so weitläuffigen als un-vollkom[m]enen Auskünfften und Erläuterungen darüber begnügen müssen.1

Ob der Kaiser vermutet hatte, was das Schicksal der verordneten Untersuchung sein werde und wie lange er noch auf die Abrechnung warten müsse? Der ver-langte ausführliche Bericht und die Abrechnung über die Reisekosten kamen nämlich nach oftmaligem Drängen der Hofkammer erst im Juni 1774, beinahe sechs Jahre nach der kaiserlichen Verordnung in Wien an.2 Was ist im Temeswarer Banat im Jahre 1768 passiert, dass Joseph II. auf einer Untersu-chung beharrte? Wie konnte es vorkommen, dass die Verordnung sechs Jahre

1 Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Habsburg-Lothringische Familienar-chive, Hausarchiv, Hofreisen, Kt. 2. alter Fasc. 3. fol. 317r-v. Relation Joseph II. über die Landes-Verfassung und Cameral-Einrichtungen. Hier sei István Fazekas, dem Ungarischen Delegierten beim Haus-, Hof- und Staatsarchiv für seine Hilfe gedankt. – Vgl. über die Reisen des Kaisers Éva Balázs, H.: Felvilágosult abszolutizmus (1765-1790) [Aufgeklärter Absolutismus, 1765-1790]. In: Ember Győző / Heckenast Gusztáv (Hg.): Magyarország története, 1686-1790 [Geschichte Ungarns, 1686-1790]. Budapest 1989, 829-929, hier 896 u. 1418. Monographische Bearbeitung: Krisztina Kulcsár: II. József utazásai Magyarországon, Erdélyben, Szlavóniában és a Temesi Bánságban, 1768-1773 [Die Reisen Josephs II in Ungarn, Siebenbürgen, Slawonien und im Temeswarer Banat, 1768-1773]. Buda-pest 2004. Darstellung der Quellen: Krisztina Kulcsár: Die Quellen zu den Hofreisen im Habsburg-Lothringischen Familienarchiv aus den Jahren 1766 bis 1788. In: Josef Pauser / Martin Scheutz / Thomas Winkelbauer (Hg.): Quellenkunde der Habsburgermonarchie (16.-18. Jahrhundert). Ein exemplarisches Handbuch. Wien / München 2004, 108-119. (= MIÖG Ergänzungsband 44).

2 Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv – Finanz- und Hofkammerarchiv, Hofkammerarchiv, Österreichisches Kamerale, Fasc. 66. rote Nr. 2179. Konv. 2. Nr. 214 ex Mai 1774. fol. 440 u. fol. 468. Hofkammer an die Temeswarer Landesadministration, 14. Mai 1774.; Magyar Nemzeti Levéltár Országos Levéltára, Kincstári levéltárak, Bánsági kamarai szervek levéltárai, Lan-desadministration in dem Banat Temeswar (E 303), III. Registratursbuch 1774. fol. 193r. (Nr. 255 ex März 1774), fol. 438v. (Nr. 101 ex Juni 1774), fol. 462r. (Nr. 289 ex Juni 1774).

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lang außer Acht gelassen wurde? Und wie wirkte sich diese Untersuchung auf die Verwaltung der Provinz aus?

Dazu müssen wir nicht nur die Ereignisse im Reisejahr 1768, sondern auch einige frühere unter die Lupe nehmen. Kaiser Joseph II. plante schon seit 1765 eine ausgedehnte Reise entlang der Südgrenze der Habsburgermonarchie, und der Zeitpunkt schien ihm im Jahre 1767 geeignet zu sein.3 Wegen Erkrankun-gen in der kaiserlichen Familie wurde seine Abreise im April jedoch einstwei-len auf August verschoben.4 Nach seiner Gattin, Maria Josepha (die infolge dieser Infektion verstorben ist) erkrankte sogar Maria Theresia an Pocken. Der um seine Mutter besorgte Mitregent wich nicht von ihrer Seite. Ihr Zustand verbesserte sich erst Ende Juni.5 Vermutlich wollte der Kaiser seine Mutter nicht mehr verlassen – und auch zeitlich wäre eine längere Reise kaum mehr ausführbar gewesen, deswegen verschob man die Reise auf das nächste Jahr.6 Joseph II. wollte diesen Besuch auf keinen Fall unterlassen.

Das Temeswarer Banat, eine Krondomäne der Habsburger seit 1718, stand von Anfang an auf seinem kaiserlichen Besichtigungsprogramm. Dieses Gebiet wurde bis zum Jahr 1751 vom Militär verwaltet. Erst danach wurde auch eine zivile Administration, die sogenannte Temeswarer Landesadministration, ein-geführt. Sie war eine Provinzialbehörde, auch wenn sie bis 1753 von einem General, Franz Leopold Anton Ponz von Engelshoffen, geleitet wurde. Sein Nachfolger wurde Don Francesco de Paula Ramon Vilana-Perlas, ein Graf spanischer Abstammung.7 Die Zuständigkeit der Landesadministration betraf acht Distrikte, die anderen drei gehörten dem Banater Landeskommando an.8 1757 ordnete man diese Provinz für zwei Jahre dem Directorium in publicis et

3 Magyar Nemzeti Levéltár Országos Levéltára, Nádasdy (nádasladányi) család levéltára (P 507). Levelezések X. B. 227. Leopold Daun an Franz Nádasdy, Wien, 13. Mai 1765.

4 Am 8. April wuchs eine Geschwulst an der Backe des Kaisers, so dass man deswegen die Abreise auf August verschob und sogar den Palmsonntagsdienst am 12. April absagte. Rudolf Graf Khevenhüller-Metsch / Hanns Schlitter: Aus der Zeit Marias Theresias. Tagebuch des Fürsten Johann Josef Kheven-hüller-Metsch. Bd. 6. 1764-1767. Wien / Leipzig 1917, 231; MNL OL, E 303 (Anm. 2) II. Registraturs-buch 1767. fol. 199r. (Nr. 313 ex April 1767) MBD an die TLA, 12. April 1767; Zirkulare an die Ver-walterämter, 22. April 1767: ebenda, fol. 199r. (Nr. 314 ex April 1767.).

5 Khevenhüller-Metsch / Schlitter 1917, 239., 248-252 (Anm. 4). Alfred Ritter von Arneth: Geschichte Maria Theresias. Bd. 8. Wien 1877, 325-331.

6 Österreichisches Staatsarchiv, Kriegsarchiv, Zentralstellen, Protokoll des Hofkriegsrates 1767. Bd. 987, fol. 773r. Nr. 599; Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv – Finanz- und Hofkammerarchiv, Hofkammerarchiv, Ungarisches Kamerale, Banater Akten, Jüngere Banater Akten, Fasc. 80. rote Nr. 209. Nr. 26 ex Juli 1767. fol. 77r; MNL OL, E 303 (Anm. 2) II. Registraturbuch 1767. fol. 391r. (Nr. 61 ex August 1767) MBD (=Ministerial Banco Deputation) an die TLA (=Temeswaer Landesadministraion, 15. Juli 1767; an die Verwalterämter: ebenda, fol. 391r-v. (Nr. 62. ex August 1767).

7 Don Francesco de Paula Ramon comte Vilana Perlas-Rialp (1704-1773), Präsident der Landesad-ministration zwischen 1753 und 1768. Anton Peter Petri: Biographisches Lexikon des Banater Deutsch-tums. Marquartstein 1992, Spalte 2005-2006.

8 Unter Zivilverwaltung fielen die Tschanader, Temeswarer, Lippaer, Lugoscher, Tschakovaer, Wer-schezer Distrikt, der größere Teil von Becskereker und ein Teil von Karansebeser Distrikt. Militär-verwaltung herrschte an der Südgrenze, so in dem Pancsovaer, Ujpalankaer und Orschowaer Distrikt, in einem Teil von Becskereker und Karansebeser Distrikt. Jenő Szentkláray: Száz év Dél-Magyarország újabb történetéből [Hundert Jahre aus der neueren Geschichte Südungarns]. Temesvár 1879, 42.

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cameralibus unter, danach wurden alle Einnahmen des Banats für zehn Jahre dem sogenannten Ministerial-Bancodeputation verpfändet. Die lokale Behörde musste also auf die unmittelbar aus Wien erlassenen Verordnungen warten und diese in den elf sogenannten Districts-Verwalterämtern ausführen lassen.9

Kaiser Joseph II. wollte in der Habsburgermonarchie „in dem vollkom-mensten Incognito” reisen,10 aber nie unter dem Namen des Grafen Falkenstein – wie er es sonst im Ausland tat. Der Begriff all’incognito bedeutete für ihn (und auch für die Zeitgenossen) innerhalb der Monarchie vielmehr „keine Ze-remonie”. Seine Verordnungen untersagten das sonst bei einer Hofreise übliche Zeremoniell und die für ihn lästigen gesellschaftlichen Verpflichtungen streng. Joseph II. verbat den Landesständen, Komitaten und Magistraten jeder Pro-vinz, ihn mit feierlichen Empfängen, mit Salutschüssen oder auf andere zere-monielle Art (mit Musik oder Gesang sowie mit Beleuchtungen) zu empfan-gen. Er wollte aber gern jeden anhören, der mit ihm zu reden hatte. Es wurden nur die jährlich fälligen Straßen- und Brückenreparaturen, aber keine weiteren außerordentlichen Arbeiten zugelassen. Die Bequemlichkeit spielte bei ihm keine Rolle, da er ohnehin vielmehr reiten wollte und „die Länder in ihrer Na-türlichkeit, und nicht unter einer verkünstelten Gestalt zu sehen […]” ver-langte.11 Diese außergewöhnliche Verordnung wurde jeder Behörde, jedem Beamten mitgeteilt, und deswegen „werde ich alle Übertrettung derselben zu keinem Eifer sondern vielmehr zur Ungnade ausdeuten, und dieses einmal wie allemal für alle Reysen, die Ich in denen Erblanden vornehmen werde, ohne weitern Befehl” – stand es in seinem Handbillet vom 10. Januar 1766.12

Auch die Reisedisposition vom März 1767 gründete sich auf diese vorjäh-rige, und ihre Wiederholung vom 15. April präzisierte sie noch weiter.13 Neben einem feierlichen Empfang wurde auch die Begleitung seitens eines Administ-rationsrats von Szeged aus verboten. Man durfte der geplanten Reiseroute ent-lang keine neuen Gebäude errichten – wozu die Administration allerdings in den ungewohnten Gegenden geraten hatte. In solchen Gebieten genehmigte der Kaiser ausschließlich die Errichtung von Hütten aus Laub. Das Verbot außer-ordentlicher Straßenreparaturen wurde wiederholt, nur die unerlässlichen wur-

9 Über die Ministerial-Bancodeputation siehe Ernst C. Hellbling: Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte. Wien / New York 1974, 243. István Nagy / Erzsébet Kiss, F.: A Magyar Kama-ra és egyéb kincstári szervek [Die Ungarische Kammer und andere Kameralbehörden]. Budapest 1995 (= A Magyar Országos Levéltár kiadványai I. Levéltári leltárak 9), 461-463. Über die Verpfändung: Szentkláray 1879, 196 (Anm. 8) und Costin Feneşan: Administraţie şi fiscalitate în Banatul Imperial 1716-1778. Verwaltung und Steuerwesen im kaiserlichen Banat 1716-1778. Timişoara 1997, 139.

10 ÖStA, AVAFHKA, HKA BA (Anm. 6.) Fasc. 80. rote Nr. 209. Nr. 17 ex April 1767. fol. 46r. Joseph II. an die MBD, 29. März 1767.

11 ÖStA, KA HKR (Anm. 6), 1766 2 Januar Nr. 285. Konzept des Hofkriegsrates, 12. Januar 1766.

12 Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv – Finanz- und Hofkammerarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Inneres, Hofkanzlei, Allgemeine Akten, A Kt. 14 (I. D. 1.). Nr. 28 ex Januar 1766. Handbillet Josephs II. an Graf Chotek, 10. Jan. 1766; ÖStA, AVAFHKA, HKA BA (Anm. 6.) Fasc. 80. rote Nr. 209. Nr. 31 ex März 1767. fol. 16r-v. (in Kopie).

13 Ebenda, fol. 14v. MBD an die TLA, 13. März 1767; MNL OL, E 303 (Anm. 2) II. Registratursbuch 1767. fol. 189v-190r. (Nr. 228 ex April 1767) MBD an die TLA, 5. April 1767.

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den gestattet. Dem Wachpersonal bei den Nachtquartieren durften erhöhter Gehalt und ähnliche Verpflegung wie den Soldaten beim Pestkordon gereicht werden, aber nur gegen Rechnung.14 Diese Verfügungen wurden (infolge der oben aufgezählten Gründe) jedoch am 22. April 1767 provisorisch außer Kraft gesetzt, im Sommer dann gänzlich aufgehoben.15 Ein Jahr später enthielt die Verordnung die gleichen Elemente und verwies auf das vorjährige Muster, mit einigen Abänderungen der Anzahl der nötigen Zug- und Reitpferde.16

Die Organisierungsarbeit vor Ort wurde einem Kommissar aufgetragen, dem von den Administrationsräten Johann Michael von Brandenburg und Jo-hann Georg Plasch in Sachen des kaiserlichen Besuchs Vollmacht eingeräumt wurde.17 Es war der Provinzialkommissar Joseph Johann Herdt, der seit 1753 im Banat diente und bis 1764 im Lugoscher Distrikt angestellt war.18 Herdt bereiste 1767 alle Distrikte gründlich und verantwortungsbewusst und instru-ierte deren Verwalter, die ihm „Assistenz leisten“ mussten.19 Seine ausführli-chen Berichte aus diesem Jahr befassen sich mit den Quartieren und der Be-schaffenheit der Wege, er entwarf verschiedene Tabellen über die zu bestellen-den Pferden und deren Verteilung unter den Verwalterämtern. Dies alles zeigt uns das Bild eines eifrigen, gewissenhaften und gründlichen Beamten. 1768 war er wieder mit der Vorbereitung beauftragt.20

2. Der Konflikt: Die Erfahrung des Kaisers und die Rechtfertigungen der Beamten

Nach dieser (scheinbar) gründlichen Vorbereitung konnte die Reise angetreten werden. Kaiser Joseph II. fuhr am 18. April 1768 nachmittags von Wien ab, und fuhr ununterbrochen, ohne in Pest anzuhalten, bis nach Szeged. Von hier

14 ÖStA, AVAFHKA, HKA BA (Anm. 6) Fasc. 80. rote Nr. 209. Nr. 27 ex April 1767. April 1767.

15 Ebenda, Nr. 43 ex April 1767. 12. April 1767; MNL OL, E 303 (Anm. 2) Nr. 314 ex April 1767.

16 ÖStA, KA HKR (Anm. 6) 1768 69 Februar 437-2. 27. Februar 1768; ebenda, 1768 69 März 293-2. 17. März 1768; ÖStA, AVAFHKA, HKA BA (Anm. 6) Fasc. 80. rote Nr. 209. Nr. 4 ex März 1768. 6. März 1768, MNL OL, E 303 (Anm. 2) II. Registratursbuch 1768. fol. 89v. (Nr. 253 ex März 1768) MBD an die TLA, 6. März 1768. Auftrag von Herdt am 21. März 1768: ebenda, fol. 89v-90r. (Nr. 254 ex März 1768).

17 ÖStA, AVAFHKA, HKA BA (Anm. 6) Fasc. 80. rote Nr. 209. Nr. 1 ex März 1767. fol. 12r. 1. März 1767; MNL OL, E 303 (Anm. 2) II. Nr. 94 ex März 1767. fol. 26v und Nr. 95 ex März 1767. fol. 32r. 11. März 1767. – Johann Georg Plasch (1698/1709-1781) war zwischen 1731 und 1739 Lugoscher Distriktsverwalter, zwischen 1740 und 1745 Karansebeser Distriktsverwalter, 1747-1751 Banater Provinzialkommissar, und seit 1751 Administrationsrat.

18 Ebenda, II. Registraturbuch 1764. fol. 301r. (Nr. 136 ex August 1764) MBD an die TLA, 29. Juli 1764. Joseph Johann Herdt von Hutten (1706-1771) diente 1753 im Tschanader Distrikt, zwischen 1753 und 1756 war er Distriktverwalter im Temeswarer, zwischen 1756 und 1764 im Lugoscher Distrikt. Vgl. Petri 1992, Spalte 693 (Anm. 7).

19 MNL OL, E 303 (Anm. 2) II. fol. 39r. Bericht von Herdt, Temeswar, 23. März 1767; ebenda, Registraturbuch 1767. fol. 140r. (Nr. 224 ex März 1767) 18. März 1767, ebenda fol. 190r. (Nr. 229 ex April 1767) 15. April 1767.

20 Ebenda, Registraturbuch 1768. fol. 89v-90r. (Nr. 254 ex März 1768) TLA an die Verwaltungsämter, 21. März 1768.

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aus führte der Weg ihn mit seiner Reisesuite am linken Ufer der Marosch in das Temeswarer Banat. Nach St. Miklosch [Sânnicolau Mare, R] besuchten sie Lippa [Lipova, R], Kapolnasch [Căpălnaş, R], Lugosch [Lugoj, R] und Ka-ransebes [Caransebeş, R]. Von den Bergen an der Südgrenze der Monarchie aus blickten die Reisenden direkt in das Osmanische Reich. Der Kaiser-Mitre-gent hatte es sich zum Ziel gesetzt,21 die äußersten Grenzgebiete der Monar-chie zu besichtigen, das Leben und die Verhältnisse der Grenzsoldaten kennen-zulernen. Die Gefahr, der dieses Land ausgesetzt war, erschien ihm real und jederzeit drohend: die ständige Gegenwart der Osmanen sowie die Meldungen über jegliche Auseinandersetzung mit den Osmanen verliehen seiner Inspekti-onsreise große Wichtigkeit. Von Schupanek [Jupalnic, R] ritten sie zurück über Orschowa [Orşova, R], Dubova [Dubova, R], Persaska [Berzasca, R], Tybitz [Divici, R], Weißkirchen [Bela Crkva, R] und Kubin [Kovin, SRB]. Von hier fuhren sie nach Norden, bis nach Zenta [Senta, SRB], um dort die Kriegs-schauplätze zu besichtigen, und endlich über Tschadat [Lenauheim, R] nach Temeswar [Timişoara, R]. Nach einigen Rasttagen besuchten sie die Moraste südlich von Denta um Margitta [Margita, SRB] und Alibunar [SRB] herum. Das Banat verließen sie in Richtung Titel [Tumen, SRB].

Der Kaiser musste sich während dieser Inspektionsreise mit zahlreichen neuen Situationen konfrontieren und trotz seiner vorherigen Kenntnisse22 überraschende Zustände, ihm völlig fremde Gewohnheiten, unvertraute Ge-genden und Menschen kennenlernen. Die Entdeckung des Landes geschah eigentlich Tag für Tag nach einheitlichem Muster. Aus dem kaiserlichen Rei-sejournal23 sind wir darüber unterrichtet, dass die Reisenden in der Regel in der Früh, oft schon um 4 Uhr, aufbrachen.24 So konnten sie noch vor der Mittags-hitze größere Strecken zurücklegen und deswegen mehr von der Landschaft sehen. Die Reisenden versuchten, möglichst alles Bemerkenswerte in Augen-schein zu nehmen, im Banat die Situation der Grenzsoldaten kennenzulernen, um Vorschläge für einen besseren Grenzschutz und für die Verbesserung der Bedingungen der Grenzer machen zu können. Im Landesinneren erwarben sie detaillierte Auskünfte über die planmäßige Besiedlung des Banat, oft von Fachleuten. Sehr oft verbrachten sie den Tag mit der Besichtigung einzelner Militärtruppen, ab und zu wurden diese vom Kaiser selbst kommandiert. Zeug-häuser, Magazine, Spitäler: all dies musste genau in Augenschein genommen

21 Vgl. dazu seinen eigenen Konzept: ÖStA, HHStA, FA, Hofreisen (Anm. 1), Kt. 1. Nr. 4. fol. 3r-v.

22 Wie zum Beispiel die Arbeit von Hofrat Ignaz Kempf von Angreth aus dem Jahr 1759 für den Unterricht von Erzherzog Joseph: Gründlicher Bericht von dem Temeswarer Banat und desselben dermaliger Systemal-Verfassung. ÖStA, HHStA, FA, Hofreisen (Anm. 1) Kt. 2. alter Fasc. 3, fol. 163-242. Abgedruckt bei Feneşan 1997, 131-196 (Anm. 9). Vgl. Anna Hedwig Benna: Der Kronprin-zenunterricht Josefs II. in der inneren Verfassung der Erbländer und die Wiener Zentralstellen. In: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs, Jg. 20. 1967, 115-179.

23 Siehe dazu Krisztina Kulcsár: Die Reisejournale Kaiser Josefs II. über seine Reisen durch Ungarn, Siebenbürgen, Slawonien und das Temeswarer Banat (1768-1773). In: Eva Frimmová / Elisabeth Klecker (ed.): Itineraria Posoniensia. Bratislava 2005, 159-166.

24 ÖStA, HHStA, FA, Hofreisen (Anm. 1) Kt. 7. alter Fasc. 7. Reisejournal 1773, passim.

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werden. Abends – abgesehen von Temeswar, der Hauptstadt des Banats – stan-den wenige Möglichkeiten zur Auswahl: nach dem Abendessen wurde oft diskutiert oder der Kaiser besichtigte die Gegend, die Festung, die Ortschaft, sonst diktierte er einfach an seinem Journal.25

Angekommen in Pancsova Anfang Mai dürfte Joseph II. schon völlig unzu-frieden gewesen sein, da er ansehen musste, wie seine Verordnungen von der Administration übertreten wurden. Vor allem verstieß man gegen das wieder-holte Verbot des Straßenbaus. Er forderte die Administration schon am 8. Mai 1768 streng auf, ihm darüber eine Erklärung zu geben.26 Die daraufhin zusam-mengestellte Rechtfertigung27 aus der Feder von Brandenburg, dem Ratsältes-ten, der in Abwesenheit von Graf Perlas, dem Präsidenten, Chef der Landes-stelle war, versuchte jegliche Verantwortung von der Administration (und von sich selbst natürlich) auf den Provinzialkommissar Herdt zu schieben, und ihn des Verstoßes zu bezichtigen.

Brandenburg beschuldigte Herdt in vollem Ausmaß. Alle vom Kaiser miss-billigten Verfügungen stammten angeblich von Herdt. Dieser habe die insge-samt 33 Punkte auf „eigene Faust” zusammengestellt und am 23. März an den Distriktsverwalter erlassen, ohne dass sie vorher den Administrationsräten vorgetragen und von der Landesstelle genehmigt worden seien. Diese ominö-sen Punkte (die heute leider nicht mehr vollständig erhalten sind) hätten die Administrationsräte erst in der Ratssitzung vom 16. April (also zwei Tage vor Abreise des Kaisers aus Wien) erfahren.28 Da habe es aber keine Möglichkeit mehr gegeben, anders zu handeln. Einzig Punkt 21 wurde aufgehoben und in der ganzen Provinz verkündet: jeder Untertan darf dem Kaiser Bittschriften oder Klagschriften überreichen.29

In seinem Bericht wies Kommissar Herdt diese Anschuldigungen zurück. Als Untergeordneter verteidigte er sich damit, dass es ihm nie in den Sinn ge-kommen sei, diese Punkte ohne Vorwissen der Landesstelle an die Verwalter-ämter zu schicken. Er wollte sogar mit dem Zirkular vom 11. März 1767 be-weisen, dass er Vollmacht erhalten habe: Die Verwalterämter mussten seine im Namen der Administration erlassenen Anordnungen auf das genaueste befol-gen.30

25 Das Banater Reisejournal: ebenda, Kt. 2. alter Fasc. 3. fol. 1-46.

26 Kurz über diese Untersuchung: Sieglinde Neidenbach: Die Reisen Kaiser Josephs II. ins Banat. Phil. Diss. Wien 1967, 115.

27 ÖStA, AVAFHKA, HKA BA (Anm. 6) Fasc. 80. rote Nr. 209. Nr. 39 ex Juni 1768. fol. 140r-157v. Brandenburgs Rechtfertigung, Temeswar, 22. Mai 1768.

28 Leider ist kein Ratsprotokoll aus dem Jahr 1768 im Archiv der Temeswarer Landesadministration erhalten geblieben. Das Berichtsnotenbuch erwähnt nur den 18. April. MNL OL, E 303, II (Anm. 2.) Berichtsnotenbuch 1768. fol. 34r-v.

29 Joseph II. soll gedacht haben, das Verbot stamme von der Gegenpartei von Hildenburg, jedoch war es eine Anordnung von Brandenburg, um den Kaiser vor eventuellen Belästigungen zu schonen. Konrad Schünemann: Die Einstellung der theresianischen Impopulation (1770/1771). In: A Bécsi Magyar Történeti Intézet Évkönyve, Jg. 1. 1931, 161-213, hier 186.

30 MNL OL, E 303 (Anm. 2) II. Nr. 94 ex März 1767. 11. März 1767.

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Der Unterschied zwischen den beiden Berichten betrifft im Wesentlichen die Art und Weise der Vorlesung in Brandenburgs Wohnung. Herdt behaup-tete, er habe schon im Laufe des März die Punkte den Räten Brandenburg und Plasch sowie den sich dort aufhaltenden acht Distriktsverwaltern vorgelegt. Als Beweis nannte er die Reihenfolge der Unterschriften: Brandenburgs stand unter seinem, also habe dieser die zu verordnenden Punkte gekannt und sogar gutge-heißen. Diese Punkte seien auch in der darauffolgenden Sitzung vor dem gan-zen Gremium vorgelesen worden –es wäre daher noch genug Zeit gewesen, sie zu ändern.

Brandenburg gestand zwar die Vorlesung der Punkte in seiner Wohnung, bestritt jedoch die Bewilligung derselben und verneinte auch die Errichtung einer eigenen „Kommission” zur Vorbereitung der kaiserlichen Reise, die aus ihm, Administrationsrat Plasch und den eingeladenen Distriktsverwaltern be-standen hätte. Die ganze Vorlesung sei ad hoc gewesen, da die betroffenen Beamten gerade anwesend waren. Er gab aber keine Erklärung dafür, warum er die Punkte und die Beilagen unterzeichnet hatte. Nach seiner Behauptung wollte er diese dem ganzen Gremium vorlegen. Zu diesem Zweck habe er sie (ohne Unterschrift und Beilagen) übernommen und in der Ratssitzung am 16. April endlich vorgelegt. Was aber verdächtig bleibt, ist das Verschweigen des Datums der Zusammenkunft in seiner Wohnung sowie die fehlende Begrün-dung dafür, warum er die Punkte den anderen Administrationsräten erst am 16. April vorlas.

Gänzlich überging er auch die Frage, warum es ihm bei der Vorlesung nicht sofort aufgefallen sei, dass Kommissar Herdt die strengen Verordnungen Jo-sephs II. übertreten habe – er selbst hätte die überflüssigen Maßnahmen erken-nen können (besonders Punkt 21 über das Verbot von Bittschriften). Es ist durchaus möglich, dass Brandenburg mit den Herdt’schen Punkten einverstan-den war, ja sogar Miterfinder derselben gewesen war. Trotzdem behauptete er, die Administration habe die Punkte – die Herdt aber im März bei ihm vorge-tragen hatte – nicht gekannt. Präziser formuliert: nicht jedes Mitglied der Ad-ministration hatte die Verfügungen des Kommissars von 1768 gekannt.31 Dies kann mit dem Machtkampf innerhalb der Administration erklärt werden, einem Kampf, der zwischen zwei Parteien ausgetragen wurde: der des Hof- und Ad-ministrationsrats Brandenburg und der des Impopulationsrats Johann Wilhelm Hildebrand.32

Brandenburg soll nämlich die Verordnungen aus Wien aus der Registratur an sich genommen und diese so lange bei sich gehalten haben, wie man den Besuch des Kaisers geheim halten konnte. Der Partei von Hildebrand wurde,

31 Herdt stellte ausführliche Berichte über die getroffenen Anstalten für die Administration schon 1767 zusammen: MNL OL, E 303 (Anm. 2) II. Nr. 95. ex März 1767. fol. 39r-40v. Gehorsambste Relation, Lugosch, 23. März 1767. und ebenda, fol. 33r-36r. Zweiter Bericht, Temeswar, 12. April 1767.

32 Johann Wilhelm von Hildebrand (1709-1773) war zwischen 1764 und 1773 Administrationsrat, seit 1765 für die Ansiedlung des Banats als Impopulationsdirektor zuständig. 1768 wurde er entlassen, ab 1771 wieder angestellt. Petri 1992, Spalte 718-719 (Anm. 7).

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damit sie sich nicht vorbereiten konnte, nicht einmal die Reiseroute mitgeteilt, und auch die Verfügungspunkte wurden erst in der allerletzten Minute bekannt gegeben – deswegen durfte das ganze Gremium die Punkte vorher nicht bewil-ligen.

Auch die Distriktsverwalter können wir nicht dafür verurteilen, dass sie die übertriebenen Punkte ausgeführt hatten – dem Zirkular nach mussten sie Herdts Verfügungen in allem befolgen. Überdies konnte die Vorlesung der 33 Punkte in der Sitzung bei Brandenburg den Anschein einer Ratifikation durch die ganze Administration gehabt haben. Wenn wir Herdt Glauben schenken, hatten sie sogar mit eigenen Augen gesehen, wie Brandenburg selbst das Do-kument unterzeichnete und somit bewilligte.

Herdt wies die Beschuldigungen über die unnötige Verbesserung der Stra-ßen zurück: Er als Provinzial-Kommissar hatte als Aufgabe, auf den Zustand der Straßen und der Brücken zu achten, seine Verfügung also (die Brücken und die Wege in guten Stand zu bringen) war im Temeswarer Banat ohnehin üblich gewesen. Wie es trotzdem zu aufwändigen Arbeiten auf einigen Strecken kam, an denen Kaiser Joseph II. vieles zu kritisieren hatte, wusste er nicht, und wollte die Distriktsverwalter befragen lassen.

3. Antwortschreiben aus Wien – Aspekte der Reiseorganisierung

Die Ministerial-Bancodeputation schickte ihr Reskript über beide Rechtferti-gungen schon am 19. Juni 1768 an die Administration.33 Das Dokument unter-sucht die Herdt’schen Punkte, dann die zu verurteilenden Verfügungen in den einzelnen Distrikten (deren Verantwortlicher nur schwer zu erfassen gewesen war). Man kann erkennen: Beinahe jedes Verwalteramt übertrat die kaiserli-chen Dispositionen in kleinerem oder größerem Maße. Man schenkte letztlich den finanziellen Fragen große Aufmerksamkeit: ob und wie viel die Kammer infolge der Straßenbauarbeiten noch zu bezahlen hatte? Eine ausführliche Ab-rechnung (Consignation) über die Reisekosten hätte darüber berichten müssen, wieviel Last die Untertanen zu erleiden gehabt haben und wieviel Unkosten der Kammer zufallen.

Wenn wir uns mit den aufgrund des Reskripts rekonstruierten Punkten thematisch auseinandersetzen, können wir die verschiedenen Aspekte der Rei-seorganisierung feststellen: Aussuchen und Vorbereitung der Nachtquartiere, Bereitstellung der Zug- und Reitpferde, ihre Unterbringung und Versorgung, Verpflegung der Reisenden und des Wachpersonals, Straßenbauarbeiten. Darü-ber hinaus erfahren wir, was der Kaiser unnötig und deswegen verurteilbar fand und ferner, wie und in welchem Maße von seinen urspünglichen Verord-nungen abgewichen wurde.

33 MNL OL, E 303 (Anm. 2), II. Nr. 383 ex Juli 1768. MBD an die TLA, 19. Juni 1768. Es ist wichtig zu bemerken, dass dieser Reskript erst am 28. Juli den Verwaltungsämtern mitgeteilt wurde (ebenda, Registratursbuch 1768. fol. 248r-v). Der Konzept: ÖStA, AVAFHKA, HKA BA (Anm. 6) Fasc. 80. rote Nr. 209. Nr. 39 ex Juni 1768. fol. 129r-136v, 160r-161v, 205r-207v.

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Die Verordnung Josephs II., keine Unterkunft in Schlössern oder Herr-schaftsgebäuden zu nehmen, war im Temeswarer Banat ohnehin grundlos, da sich dort keine solchen befanden. Nicht einmal Wirtshäuser waren damals zu finden. In den armen Dörfern gab es für die Reisesuite kaum genügend taugliche Unterkünfte. Das war tatsächlich eine der schwierigsten Aufgaben bei der Organisation. Die Vorschläge der Administration aus dem Vorjahr, zwischen Arad [Arad, R] und Facset [Făget, R], in Bruznik [Bruznic, R] und Kapolnasch [Căpălnaş, R] sowie an der Donau in Dubova, Persaska und Tybitz neue Gebäude zu errichten, lehnte Joseph II. ab. Weder Hütten aus Brettern noch Küchen wären zu bauen, und Hütten aus Laub waren nicht einmal dort erlaubt, „wo ausser deren elenden Wallachischen Bauern-hütten gar kein Un-terkommen“ war. Da sich in Dubova, Persaska und Tybitz keine guten Un-terkünfte befanden, instruierte Herdt die Beamten, vierfach abgeteilte Hütten aus Brettern für die Nachtruhe sowie mit Laubwerk verflochtenen Hütten für das Speisen zu errichten.34 1768 gab es nur eine kleine Änderung. Da die Reise am Anfang des Frühjahres stattfand, musste man auf das Laubwerk verzichten und alle Gebäude aus Holz bauen. Diejenigen Verfügungen, „wo es die höchste Noth erforderet” hatte, bewilligte der Kaiser zwar, er missbilligte aber diejeni-gen, die nur aus Bequemlichkeit erlassen worden waren (im Antwortschreiben leider nicht näher spezifiziert), vor allem in Dubova und Lalasinz [Lalaşinţ, R] (9).35

Die Reiseroute und die Nachtstationen wurden vor Antritt der Reise von der Landesadministration und dem Banater Generalkommando gemeinsam bestimmt. Darüber aber, nach welchen Kriterien, finden wir beim Kommissar Herdt nichts Näheres. Einige spezielle Anforderungen hatte er aber an die Verwalterämter gerichtet. Diese wurden von der Ministerial-Bancodeputation meistens auch gutgeheißen. Dazu gehörten zum Beispiel die dorthin trans-portierten bequemen Möbelstücke (Tische, Armstühle, Stühle) der Unterkünfte (ausgenommen im Tschanader Distrikt), ihre rechtzeitige Säuberung und Aus-lüftung (8). Herdt war vorsorglich genug und kümmerte sich auch um eventuell erforderliche Übernachtungsmöglichkeiten in den nahgelegenen Häusern.36 Dass er aber sogar Fußsteige in den Nachtstationen zwischen den einzelnen Quartieren herstellen ließ (20), zählte man zu den luxuriösen Verfügungen, und es wurde verurteilt. Die Unterbringung der Wache stehenden Soldaten (17) und die Errichtung der Abtritte (33) bei den Quartieren wurden aber in Ordnung gefunden.

34 Ebenda, Nr. 27 ex April 1767. fol. 42r-v. TLA an die MBD, 14. März 1767; Antwortschreiben: ebenda, fol. 28v-29r. MBD an die TLA, 5. April 1767. Der Entschluss Josephs: ebenda, fol. 46v. – MNL OL, E 303 (Anm. 2) II. Nr. 95 ex März 1767. fol. 33v.

35 Der Kaiser missbilligte die Errichtung von Gebäuden aus Brettern in seinem Reisejournal: ÖStA, HHStA, FA, Hofreisen (Anm. 1) Kt. 2. alter Fasc. 3. fol. 14r. Dubova, 1768-05-01. – Im folgenden beziehe ich mich im Haupttext auf die Punkte, und gebe nicht jedes Mal die Signatur an: MNL OL, E 303 (Anm. 2) II. Nr. 383 ex Juli 1768. fol. 76r. MBD an TLA, 19. Juni 1768.

36 Ebenda, Nr. 95 ex März 1767. Bericht von Herdt, 12. April 1767.

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Mehrere Punkte befassen sich mit der Besorgung der Pferde – das war ja eine Grundvoraussetzung für die Mobilität und für das Fortkommen. Der Kaiser führte ein beträchtliches Gefolge, wenn auch ein weitaus kleineres als bei einer Hofreise, mit sich. 1767 wurden noch 13 Wagen auf der sogenannten Wagen-Liste aufgeführt, bei den späteren Reisen fuhr man nur mit neun meistens viersitzigen Wagen los. Die Zugpferde waren im allgemeinen von Seite der zivilen, die Reitpferde von Seite der Militärbehörde bereitzustellen. 1767 beantragte man 64 Zugpferde und vier einfache Reitpferde für die Post-knechte je Pferdewechselstation, später allerdings 78.37 Ein Jahr später gehör-ten nur zwölf sechsspannige und ein vierspanniger Wagen zum Reisegefolge.38 Die Reitpferde für den Kaiser und für die Reisebegleiter (die sogenannten berittenen Ordonnanz-Pferde) musste die Militärbehörde beschaffen, in einzelnen Gebieten war es jedoch die Aufgabe der Landesstelle gewesen, da ihre angeblich kleiner und strapazierbarer waren.39

Wo es in der Landschaft schwierig war, mit Wagen zu fahren, standen extra Aushilfs-Pferde in Bereitschaft. Insbesondere in den Bergen der Almasch im Temeswarer Banat fiel es schwer, mit Wagen und Gepäck fortzukommen. Herdt erkannte aber auch dieses Problem und bestellte Pack-Pferde und soge-nannte Kohlbrenner-Pferde von den Banater Bergwerken, also 90 kräftige, das Tragen schwererer Lasten schon gewohnte Tiere (22).40 Diese Verfügungen und auch die Bestellung von Ochsen (27) wurden von den Wiener Beamten bewilligt. In der Almasch mussten nämlich anstatt Pferdevorspann Ochsen die auf andere Strecken vorausgeschickten Wagen ziehen.

Herdt fasste die nötigen Pferde und ihre Zahl in tabellarischer Form zusam-men, und man entschied darüber in einer gemeinsamen Sitzung der Landes- und der Militärbehörde. Man darf sich nicht wundern, dass die Beschaffung so vieler Pferde den Beamten wirklich Kopfzerbrechen machte. Im Jahre 1767 plante man den Banater Besuch nämlich mit enorm vielen Pferden: 3000 Zug-, 724 Reitpferde und 436 Pack-Pferde standen auf der Liste. Fast 2000 davon waren auf die Temeswarer Landesadministration verteilt, welche diese Anzahl unmöglich hätte beschaffen können. Die Behörde selbst verfügte über keine eigenen Pferde, deshalb wurden den Beamten, denen jährlich Deputate, also

37 ÖStA, AVAFHKA, HKA BA (Anm. 6) Fasc. 80. rote Nr. 209. Nr. 1 ex März 1767. fol. 5v. Wiener Hofkriegsrat an die MBD, 17. Februar 1767; ebenda Nr. 69 ex März 1767. fol. 25r-v. Wiener Hof-kriegsrat an die MBD, 5. März 1767; MNL OL, E 303 (Anm. 2) II. Nr. 94 ex März 1767. fol. 26r. MBD an die TLA, 1. März 1767. – Arhivele Naţionale Timişoara, Comandamentul General Bănăţean XIX/2. 1767. fol. 6r. Feldmarschall Lacy an Feldzeugmeister Sigmund Friedrich Lietzen, 5. März 1767.

38 ÖStA, AVAFHKA, HKA BA (Anm. 6) Fasc. 80. rote Nr. 209. Nr. 4 ex April 1768. fol. 5v; ANT CGB (Anm. 37) XIX/8. 1768. fol. 130r-v; MNL OL, E 303 (Anm. 2) II. Registratursbuch 1768. fol. 89v. (Nr. 253 ex März 1768) MBD an die TLA, 6. März 1768.

39 ÖStA, KA HKR (Anm. 6.) 1767 69 März 473, ÖStA, AVAFHKA, HKA BA (Anm. 6) Fasc. 80. rote Nr. 209. Nr. 27 ex März 1767. fol. 39r-40r. 10. März 1767.

40 MNL OL, E 303 (Anm. 2) II. Nr. 95 ex März 1767. fol. 33r-v. Bericht des Kommissars Herdt, 12. April 1767; ebenda, Registratursbuch 1768. fol. 112r. (Nr. 133 ex April 1768). TLA an das Banater Bergamt, 13. April 1768.

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Naturalien für die Dienstpferde gereicht wurden, Befehle erlassen – aber diese stammten schon von der Administration. Jeder Distriktsverwalter musste je vier Zug- und zwei Reit-, jeder Gegenschreiber drei Zug- und ein Reitpferd be-sorgen. Bei den Unterverwaltern genügte es, wenn sie zwei bis drei Pferde (oh-ne nähere Bestimmung) aufbrachten. In der Not mussten sogar die Banater Dorfvorsteher (Ober-Kneesen, Kneesen) berichten, wie viele Pferde sie zur Verfügung stellen könnten.41 Auch wenn alle die geforderte Anzahl von Pfer-den hätten besorgen können, wäre dieser Beitrag sehr gering gewesen. Die ins-gesamt 132, höchstens 143 Pferde hätten nur sechs bis sieben Prozent der ge-wünschten Menge gedeckt. Herdt musste also andere Lösungen finden und tat es 1768 wahrscheinlich auch: Neben dem Vorspann der Untertanen stellten deutsche Ansiedler, griechische Kaufleute, Beamte sowie die Kambiaturisten von Facset [Făget, R] und Kosso [Coşava, R] leihweise Pferde zur Verfü-gung.42 Weder die Punkte von Herdt noch das Antwortschreiben der Mi-nisterial-Bancodeputation erwähnt die Beschaffungsmöglichkeiten der Pferde, weshalb wir annehmen können, dass alles in Ordnung gefunden wurde.

Neben den Pferden hatte Herdt auch für Kleinigkeiten zu sorgen: die Beam-ten mussten gutes und festes Pferdegeschirr liefern.43 Die Sättel sammelte man in Temeswar in Form von Repartition (Verteilung) ein (23). Herdt hat den Bauern sogar vorgeschrieben, saubere Zäume, saubere Peitschen (5, 6) mitzu-bringen, weiters auch gut und sauber gekleidet zu erscheinen (7, 19). Für die Post- und Reitknechte bestellte er ferner Bütten und Pölster, um auch ihnen die Bequemlichkeit zu sichern (24).44 Alle diese Punkte fand die Deputation über-flüssig und übertrieben, besonders denjenigen, der fehlendes Pferdegeschirr auf Kosten der Untertanen besorgen ließ (4).

Die Deputation bewilligte die Unterbringung und die Versorgung der bereitgestellten Pferde, so wie es in den Punkten des Kommissars stand (3). Es musste in jeder Pferdewechselstation genügend Hafer und Heu bereitstehen (aus dem letzteren wurden anlässlich des kaiserlichen Besuchs sogar absicht-lich größe Portionen gebunden), und man musste sich auch um frisches Stroh kümmern (2, 25).45 Wenn man die angegebene Anzahl der Pferde betrachtet, so muss es sich um erhebliche Mengen gehandelt haben – was Probleme bei der Lagerung nach sich zog. In Ermangelung von Magazinen wollte man sogar die Räumlichkeiten der Verwalterämter in Tshanad [Cenad, R] und in Sankt An-dreas [Sânandrei, R] benutzen und das Getreide dort ausschütten. 1768 wurden

41 Ebenda, II. Nr. 95 ex März 1767. fol. 37r-38r. 12. April 1767 und ebenda, fol. 28v-30r. TLA an die Verwalterämter, 11. März 1767.

42 Ebenda, fol. 39r. Bericht des beauftragten Kommissars Herdt, Lugosch, 23. März 1767.

43 Bei den folgenden Reisen wurden sogar die Sättel aus Wien mitgenommen: ÖStA, KA, HKR (Anm. 6) 1772-77-1; ANT CGB (Anm. 37) XXII/14. 1772. fol. 108r, ebenda, XXV/18. 1773. fol. 315.

44 MNL OL, E 303 (Anm. 2) II. Nr. 95 ex März 1767. fol. 28v. TLA an die Verwaltungsämter, 11. März 1767.

45 ÖStA, AVAFHKA, HKA BA (Anm. 6) Fasc. 80. rote Nr. 209. Nr. 27 ex April 1767. fol. 42v.

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jedoch allen Verfügungen hinsichtlich der Eintreibung und der Verpflegung zugestimmt.

Mehrere Punkte bezogen sich auf die Sicherheit der Reisenden. Aus Vor-sorglichkeit schrieb der gewissenhafte Herdt den Kutschern vor, Stricke mit sich zu führen (28). An den gefährlichen Stellen in den Bergen ließ Herdt starke Bauern stellen, damit sie die Wagen beim Einstürzen anhalten (29). Für richtig gefunden wurde seine Verfügung, an den Pferdewechselstationen genü-gend Wasser zum Begießen der Räder in Bereitschaft zu halten (32). Der Mei-nung der Ministerial-Bancodeputation nach war in diesem Bereich einzig über-flüssig gewesen, dass die Bauer auch Sperrketten mitbringen musste, da die aus Wien mitgebrachten Hofwagen damit versehen waren (30).

Auch die Besorgung der Lebensmittel für die ungefähr 50 Reisenden be-lastete den Komissar. Er musste für das leibliche Wohl der hochrangigen Besucher, der Offiziere, des Dienstpersonals (Kammerdiener, Lakaien, Postknechte), des mitgebrachten Küchenpersonals (Köche und Küchenjungen) sowie des Beichtvaters, des Leibmedici und des Sekretärs von Joseph II. sorgen. Vier Punkte beschäftigten sich mit diesen Fragen (10–13). Wir sind darüber nur spärlich informiert, was sie genau enthielten: Herdt bestellte für jeden Tag einen ganzen Ochsen, drei Kälber, eine große Anzahl von Hühnern, Enten und Gänsen nur an Fleisch – die Deputation fand jedoch alles in Ordnung. Womöglich war jedoch die Besorgung eher unorganisiert, die einzel-nen Verwalterämter haben auf eigene Faust unsystematisch und in übergrößen Mengen Lebensmittel bestellt. Neben im Banat lebenden Kaufleuten (Mayer Amigo und Söhne, Pietro del Pondio) kaufte man Waren zum Beispiel auch beim deutschen Magistrat von Temeswar. Mit der Art und Weise der Besorgung von Herdt war die Deputation sonst einverstanden. Für das beglei-tende Dienstpersonal (Lakaien, Postknechte) hätte man aber keine eigene Tafel vorbereiten sollen (15). Herdt ließ nämlich für den Hofstaat zwei Tafeln errichten, eine von 20 und eine andere von 30 Couverts.46 Dies stand im Ge-gensatz zum Hofgebrauch während einer Hofreise, wonach ein Teil des Hofstaates Versorgung genoss, ein Teil jedoch Kostgeld erhielt und für sich selbst sorgen musste. Das war der Plan und auch der Fall beim kaiserlichen Besuch im Banat 1768.47

Kaiser Joseph II. bestimmte außerdem, dass er keine Speisen in den Pferdewechselstationen zu sich nehmen wolle – wahrscheinlich, damit das Tempo dadurch nicht gehemmt wurde. Der präzise Herdt rechnete aber aus, dass einige Pferdewechsel sehr wohl gegen Mittag erfolgen sollten, und hielt es für wahrscheinlich, dass einige Reisenden hungrig sein würden. Deswegen ließ er bei diesen Stationen Lebensmittel und Getränke in Bereitschaft stellen (14) –

46 ÖStA, AVAFHKA, HKA ÖK (Anm. 2) Fasc. 66. rote Nr. 2179. Konv. 2. Nr. 214 ex Mai 1774. fol. 445v, 446v. Bericht der Banater Buchhalterei, 13. Februar 1774. Die übriggebliebenen Lebensmittel durften natürlich dem Reisegefolge zur Verzehrung gereicht werden.

47 Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Hofarchive, Hofwirtschaftsamt B. Sonderreihe, rote Nr. 34. Reisen 2. Verschiedene Reise Berechnungen Sr. Maj. Joseph II. 1768.

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im Lugoscher Distrikt sogar eigene Küchen, im Orschovaer überdies soge-nannte Wind- und Pastetenofen bauen. Sein Eifer wurde von der Deputation nicht gewürdigt, eher getadelt.

Außer der Versorgung der Pferde war auch die Verpflegung des Wachper-sonals die Aufgabe der lokalen Zivilbehörde.48 Herdt schrieb den Distrikts-verwaltern vor, in den Pferdewechselstationen und in den Nachtquartieren ausreichende Mengen von Brot, Fleisch und Getränken vorzubereiten. Er wies sie an, die Soldaten dürften an Brot keinen Mangel leiden (16, 31). Die Landesadministration ordnete ferner an, den Distriktshusaren an den Tagen, wenn sie Wache hielten, pro Kopf täglich mindestens ein Pfund Fleisch zu reichen.49 Da wir über diese Verfügungen in dem Antwortschreiben aus Wien keine Erwähnung finden, können wir annehmen, dass der Befehl von der Administration selbst stammte, nicht zuletzt vielleicht aus dem Grund, damit die Soldaten und Diensthabenden dem Kaiser in den entfernten Gegenden keine Klagen vortragen.50

Schon in dem kaiserlichen Handbillet aus dem Jahr 1766 war das „Audienzrecht” für jederman ein wesentliches Element während der Besuche. Auch 1767 wurde dieses Recht wiederholt, und danach hätte man ein Jahr später ebenfalls handeln müssen. Punkt 21 von Herdt verbot jedoch eben diese Möglichkeit. Kurz vor der Ankunft der Besucher wurde diese Untersagung aufgehoben – das beweisen die erhaltengebliebenen 408 Bittschriften und deren Untersuchung aus dem Jahr 1768.51

Der reisende Joseph II. war am meisten über die unnötigen und kostspieligen Straßenreparaturarbeiten empört (1). Auch das Antwortschreiben der Ministerial-Bancodeputation behandelte dies am ausführlichsten. Der Provinzialkommissar hätte sich nämlich der kaiserlichen Verordnung fügen und keine Hauptreparaturen an den Straßen und Brücken vornehmen sollen. Die Errichtung von Seitengeländern an gefährlichen Straßenstellen wurde aber für richtig befunden. Die seit 1749 verordneten Wegzeiger52 waren

48 MNL OL, E 303 (Anm. 2) II. 95 ex März 1767. fol. 29v. TLA an die Verwalterämter, 11. März 1767.

49 1748 war die Strohportion in 3 Wiener Pfund/Tag (1,68 kg) angegeben. Die Heuportion für ein Reitpferd war in 8 Wiener Pfund/Tag (4,48 kg), für ein Zugpferd in 10 Wiener Pfund/Tag (5,6 kg) bestimmt. István Bogdán: Magyarországi űr-, térfogat-, súly- és darabmértékek 1874-ig. Budapest 1991 (= A Magyar Országos Levéltár Kiadványai IV. Levéltártan és történeti forrástudományok 7), 418. – Die Verfügung der Administration: ÖStA, AVAFHKA, HKA BA (Anm. 6) Fasc. 80. rote Nr. 209. Nr. 27 ex April 1767. fol. 42v. TLA an die MBD, 14. März 1767.

50 Ebenda, fol. 43r.

51 Umfassend: Krisztina Kulcsár: A bizalom dokumentumai. II. Józsefhez intézett beadványok, 1768-1773 [Dokumente des Vertrauens. Kaiser Joseph II. überreichte Bittschriften, 1768-1773]. In: Levéltári Közlemények, Jg. 72. 2001, 95-114.. Die Bittschriften: Nr. 1-126: ÖStA, AVAFHKA, HKA BA (Anm. 6) Fasc. 80. rote Nr. 209. Nr. 15 ex Juni 1768. fol. 80r-126v. – Nr. 127-233: ebenda, fol. 42r-75v. – Nr. 234-408: ebenda, Nr. 39 ex Juli 1768. fol. 210r-271v.

52 Seit dem 6. März 1749 galt die Verordnung über die Aufstellung der Wegzeiger und Meilensteine. Diese mussten voneinander in einer Entfernung von 4000 Klafter (1 Postmeile, 7585,9 m) gesetzt werden. Vgl. Ernő Deák: Verkehrsverbindungen im niederösterreichischen und Burgenländisch-west-

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vernachlässigt gewesen (26), man hätte diese schon vor der Reise in einen guten Stand bringen müssen. Die Deputation verlangte eine Erklärung für die Vernachlässigung.

Die Empörung und die Unzufriedenheit des Kaisers waren aber zum Teil unbegründet. Die ungünstigen Straßenverhältnisse, das wechselhafte und extre-me Wetter des Banats zwangen nämlich die Beamten, jedes Jahr große Straßenreparaturen vorzunehmen. Im Winter wurden die meisten Brücken und Dämme beschädigt, und man musste sie im Frühjahr wieder instand setzen. 1767 kam noch eine zweiwöchige Schnee- und Regenzeit dazu, die zu Wasser-fluten führte. Ein Jahr später wurde das Verbot von Reparaturen beibehalten, nur mussten „die Weege und Brücken, so vill immer möglich, in wandelbaren stand hergestellet, und alle gefährliche hindernißen auf die seite geraumet wer-den“. 1768 erfahren wir auch, dass die Flüsse an mehreren Orten durch die Überschwemmungen unpassierbar waren.53

Darüber hinaus muss man jedoch eingestehen, dass Joseph II. in vielen Strecken mit unüberlegten und unnötig reparierten Wegen konfrontiert war. Administrationsrat Brandenburg hätte eine nähere Erklärung dafür geben sollen. Er schloss seinem Brief die – heute nicht mehr erhaltenen – Berichte und Beilagen der Distriktsverwalter und einen Vortrag der Banater Buchhalte-rei an.54 Der Administrationsrat versuchte damit zu beweisen, die Administra-tion hätte weder verordnet noch befohlen, außergewöhnliche „Extra”-Repara-turen durchzuführen. Er führte zu seiner Verteidigung an, der Kaiser hätte die unerlässlichen Straßen- und Brückenreparaturen im Tschanader und Lippaer Distrikt nicht kritisiert. Dass allerdings diese von Joseph II. ohne Anmerkung gelassen wurden, können wir auch mit seiner Informiertheit begründen (der Abreisetag wurde nicht zuletzt infolge des kalten Wetters auf eine Woche später verschoben).55 Laut den Berichten der Distriktsverwalter vom März 1768 waren diese Bauarbeiten mehr als nur nötig gewesen. 1768 stand das Eis auf der Marosch von Kapolnasch bis nach Deva in Siebenbürgen, und man erwartete große Schäden in beiden Distrikten. Auch das Fortkommen der Reisenden wäre durch die ausgetretene, einem Teich ähnliche Marosch behindert gewesen. Der Damm zwischen Großsanktnikolaus und Szeged zum Beispiel war nicht mehr zu gebrauchen, man berichtete auch über Dammbrüche und vom Fluss mitgeschleppte Brücken. Diese Schäden waren innerhalb eines Monats nicht zu beheben.56

ungarischen Grenzbereich in der Vor- und Frühphase der industriellen Entwicklung. In: 9. Mednarodni Kulturnozgodovinski simpozij Modinici 1977. A közlekedési összeköttetések fejlődése Pannonia térségében 1918-ig. Maribor 1977, 155-197, hier 165.

53 ÖStA, AVAFHKA, HKA BA (Anm. 6) Nr. 4 ex April 1768. fol. 25r. MBD an die TLA, 10. April 1768; ebenda, Nr. 92 ex April 1767. fol. 75r. TLA an die MBD, 9. April 1767.

54 Ebenda, Nr. 39 ex Juni 1768. fol. 137r-v, 159r. Brandenburgs Rechtfertigung, 26. Mai 1768; fol. 142r-143v, 149r-151r. Aufsatz von Buchhalter Franck, 21. Mai 1768.

55 Statt 11. April auf 18. April: ebenda, Nr. 33 ex März 1768. fol. 11. 20. März 1768.

56 Ebenda, Nr. 4 ex April 1768. fol. 27r-v. TLA an die MBD, 21. März 1768.

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Die Verfügungen des Wilhelm Praßlawsky, Lugoscher Distriktsverwalter, brachten jedoch das Fass zum Überlaufen: Er verwirrte und übertrieb die vom Banater Generalkommando schon getroffenen Maßnahmen.57 Außerdem ließ er auf der Strecke zwischen Facset und Lugosch einen sehr teuren und breiten Weg ausbauen – an diesem konnten sogar vier Wagen nebeneinander fahren und er war als eine Chaussée (Kunststraße) zu betrachten. Joseph II. tadelte den unfügsamen Beamten streng und zeichnete sogar in seinem Reisejournal auf:

„Über Facsed gegen Boschur, und über Boschur ist wider den befel ein neuer Weeg in einer Strecke von 1500 Schritten, und sehr breit angeleget worden, an welchen 800 Personen gearbeitet haben, so lediglich von der geschäfftigkeit des Ober-Verwalters von Lugos herrühret”.58

Die Bauarbeiten in den anderen Distrikten störten den Kaiser nicht in so großem Maße, er formulierte nicht mehr so strikt, wie zum Beispiel in Meha-dia: „die Weege sind auf eine recht ungeschickte Art reparirt und schier neu gemacht worden”. Er ärgerte sich aber über die Straßenbauarbeiten an der südlichen Grenze, da er befürchtete, diese Arbeiten hätten die Aufmerksamkeit der auf der anderen Seite der Donau lebenden Osmanen auf sich gelenkt, weil bei Stupanek „[…] ein ganz neuer unschicksammer weeg sehr breit gemacht worden ist, welcher bey denen türcken vieles aufsehen verursachet hat”.59

In der Mehrheit der Distrikte leisteten die Untertanen die Straßenverbes-serungen im Frondienst. Im Jahre 1768 verrichteten sie die Reparaturen wegen des kaiserlichen Besuchs früher als gewohnt. Brandenburg versuchte die über die höchsterforderlichen Arbeiten hinaus unternommenen Verbesserungen mit merkantilistischen Gründen zu erklären: mit besseren Handelsmöglichkeiten zwischen Ungarn und dem Osmanischen Reich, mit Vorteilen für den Verkehr und für die Untertanen (bessere Versorgungsmöglichkeiten, bessere Verbin-dungen zwischen den Ortschaften usw.).60

Brandenburg gab nur sehr ungern zu, wer der Verantwortliche für die vom Kaiser missbilligten weiteren Straßenreparaturen war. Letztendlich gestand er jedoch, dass die Errichtung von zwei neuen Brücken über den Fluss Nera auf seinem Befehl hin geschehen war, um dem Verkehr der „Bagage-Wagen” zu helfen. Er war es auch, der (im Namen der Administration) einen Weg durch das Almasch-Gebirge bauen ließ. Es handelte sich um einen alten vergessenen Weg, der von Bernhard Fischler, dem Bergwerksdirektor in Saska [Sasca Montană, R], und vom Unterverwalter Schimelbach entdeckt worden war. Man

57 MNL OL, E 303 (Anm. 2) II. Registratursbuch 1768. fol. 112r. (Nr. 131 ex April 1768) TLA an den Lugoscher Distriktsverwalter, 13. April 1768. Seine Beantwortung vom 21. April: ebenda, fol. 133v. (Nr. 41 ex Mai 1768).

58 ÖStA, HHStA, FA, Hofreisen (Anm. 1) Kt. 2. alter Fasc. 3. fol. 10r. Lugosch, 1768-04-27.

59 Ebenda, fol. 11r. Mehadia, 1768-04-29.; ebenda, fol. 13v. Dubova, 1768-05-01.

60 ÖStA, AVAFHKA, HKA BA (Anm. 6) Fasc. 80. rote Nr. 209. Nr. 39 ex Juni 1768. fol. 159r. Brandenburgs Rechtfertigung, 26. Mai 1768.

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erneuerte die Straße bis nach Weißkirchen vier Stationen lang. In seiner Recht-fertigung berief sich Brandenburg auf das reibungslose Fortkommen der Wa-gen, die sonst einen langen Umweg von der Donau nach Karansebes und von dort nach Weißkirchen hätten machen müssen. Diese Strecke hätte unmöglich rechtzeitig zurückgelegt werden können, daher wären die „Bagage-Wagen” später als der reitende Kaiser in Weißkirchen angekommen. Die Bauarbeiten waren aber nicht die einfachsten, weshalb sie dem Kaiser auffielen: Wegen Felsen und Klippen war der Weg gefährlich und beinahe unbefahrbar. Diese Hindernisse mussten Bergwerker beseitigen. Die Werkzeuge wurden vom Fiskus bezahlt, die Arbeit (die Sprengung) geschah in Robot. Für die unglaub-lich hohen Kosten (864 Gulden) reichte aber die merkantilistisch angelegte Begründung Brandenburgs kaum: mit Hilfe dieses Weges hätten selbst die Untertanen bei der Transportierung ihrer Produkte nur gewinnen können.61

Laut der Auskunft von Brandenburg überschritten die vollzogenen Repara-turarbeiten keineswegs das im Banat sonst übliche jährliche Quantum von 3000 fl (genau genommen waren es 2813 fl und 35 ¾ kr). Dem Fiskus wäre davon nur ein Siebentel, 382 fl und 55 ¾ kr zugefallen. Es blieb ein Rest von 2065 fl und 4 kr. Diese Summe war die Auslage der Robotarbeit der Untertanen. Davon konnte man bloß einen Betrag weder in die Rubrik der Staatskasse noch in die der Robotarbeit einteilen: die Kosten derjenigen Wegstrecke, die auf den unerlaubten Befehl des Lugoscher Distriktsverwalter ausgebaut wurde. Brandenburg wusste viel zu gut, dass sie für diese Verfügung und diese Summe bestraft werden mussten, da

[…] allein von Euer Kay. May. Allergerechtesten Beurtheillung, und Resolution abhange, ob der Ersatz denen jenigen auf zu bürden, die etwa zu allerhöchst Ihroselbsten Unzufridenheit eine so gros spielende Weeg Reparation vorgenohmen, oder aber allergnädigst zu gestatten geruhet werden wolle, diese oder ab aerario zu bezahlen, oder denen Lugoscher Dist[rikts] Unterthanen tragen zu machen [...].62

4. Konklusion: Wer war der Schuldige?

Dies waren also die „Herdt’schen Punkte”. Diese und die infolge dieser Verfü-gungen erfolgten Maßnahmen lehnten die Administrationsräte zunächst ab und versuchten, als einzigen Schuldigen und Verantwortlichen den Provinzial-kommissar Herdt zu nennen. Wenn wir aber alle Punkte genau unter die Lupe nehmen, können wir feststellen, dass weniger als die Hälfte missbilligt wurden. Achtzehn wurden gebilligt, die anderen fünfzehn verurteilt. Bei einer noch ge-naueren Untersuchung stellt es sich heraus, dass alle grundlegenden, hinsicht-lich der Reise wirklich notwendigen Maßnahmen in Ordnung gefunden wur-

61 ÖStA, HHStA, FA, Hofreisen (Anm. 1) Kt. 2. alter Fasc. 3. fol. 15v. Weißkirchen, 1768-05-04.

62 ÖStA, AVAFHKA, HKA BA (Anm. 6) Fasc. 80. rote Nr. 209. Nr. 39 ex Juni 1768. fol. 157r. Brandenburgs Rechtfertigung, 26. Mai 1768.

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den. Was man für überflüssig hielt, waren unwichtige Maßnahmen, die Herdt aus übertriebener Aufmerksamkeit und Übereifrigkeit angeordnet hatte. Seine Verstöße gegen die Verordnung bezüglich der Pferde wurden zumeist geahndet, seine Vorkehrungen für Straßenreparaturen und die Errichtung von Küchen wurden getadelt, ebenso das Verbot der Abgabe von Bittschriften. Wie aber aus Brandenburgs Bericht erhellt, hatte nicht Herdt die Bauarbeiten an den ominösen Straßenstrecken verordnet sondern die Administration selbst (also auf Befehl von Brandenburg). Zum Teil handelten auch die Distriktsverwalter in ihrem Wirkungskreis selbständig.

Dass sich jeder schriftlich an den Kaiser wenden durfte, stand in seiner Reisedisposition. Wir können wohl annehmen, dass der gewissenhafte Herdt dies nicht hätte eigenmächtig verbieten lassen – dazu war vielmehr eine Anweisung von höherer Stelle nötig. Die Idee stammte womöglich von der Partei Brandenburgs, die befürchtet haben mochte, die Untertanen würden dem Kaiser scharenweise Beschwerden gegen sie einreichen. Beim Rückruf des Verbots könnte mitgespielt haben, dass auch das Fehlen jeglicher Bittschriften wohl verdächtig gewesen wäre – man hätte die Verantwortung der Landes-behörde schnell herausfinden können.

Anhand des Gesagten und gegen die Bemühung Brandenburgs ist es also meiner Meinung nach beweisbar, dass nicht allein der Provinzialkommissar Joseph Herdt, und er vielleicht auch nicht in höchstem Maße verantwortlich war. Wir müssten also ebenso den anderen „Protagonisten”, den Hof- und Administrationsrat Brandenburg, unter die Lupe nehmen. Johann Michael von Brandenburg war zum Zeitpunkt der kaiserlichen Reise schon seit 40 Jahren im Banat angestellt.63 Als Beamter der Landesstelle hatte er die einzelnen Distrikte zu bereisen und die Tätigkeit der Distriktsverwalter zu kontrollieren. Aus den Untersuchungsakten der Niederösterreichischen Justiz-Banco-Deputation wird deutlich, dass er zwischen 1757 und 1762 kein einziges Mal den von dem Hauptsitz Temeswar sehr weit gelegenen Ujpalankaer Distrikt besucht hatte – nicht zuletzt deswegen, weil die Reise dorthin gefährlich und anstrengend war. 1763 hatte er zwar festgestellt, dass die Kasse von Johann Christian Unrein, dem Ujpalankaer Distriktsverwalter, einen Kassenabgang von mehr als 4000 fl aufwies, hatte es jedoch nicht angezeigt. Um es verborgen zu halten, ließ er Unrein eine Obligation über die fehlende Summe ausstellen und in die Kasse legen. Laut der Untersuchung leitete er selbst „die Beamten zu verschiedenen Unrichtigkeiten, und Ausborgung der Cassa-Gelder” an.64 Brandenburg selbst stand also 1768, im Jahre von Josephs Reise im

63 Johann Michael von Brandenburg war zwischen 1728 und 1740 Unterverwalter, später Verwalter im Werschetzer Distrikt, von 1740 bis 1753 Oberverwalter in mehreren Distrikten (Werschetzer, Karansebescher, Lugoscher), ab 1754 Administrationsrat bei der Landesadministration. Zwischen 1760 und 1768 Stellvertreter des Präsidenten Graf von Perlas. Petri 1992, Spalte 199 (Anm. 7).

64 MNL OL, Magyar Kancelláriai Levéltár, Banatica (A 99) E. “Acta die Bestraffung des in Malver-satione betrettenen Johann Christian… Fiscal-Action betr.” fol. 118. Handbillet von Maria Theresia an Graf Breuner, 5. Jan. 1768.

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Temeswarer Banat, in einem Kriminalprozess und musste die fehlenden Be-träge auch zurückzahlen. Eine gründliche Untersuchung gegen ihn wurde je-doch beeinträchtigt, da er am längsten im Banat diente und man in der ganzen Provinz niemanden finden konnte, der den Mut aufgebracht hätte, gegen ihn aufzutreten oder einer Untersuchungskommission Rede und Antwort zu stehen. Seine Praktiken und seine Vorgehensweise können wir anhand von Briefen der Mitglieder der Gegenpartei rekonstruieren – wenn auch diese bestimmt subjek-tiv und voreingenommen waren. Die Administrationsräte Hildebrand und Lan-genbach beschuldigten Brandenburg schon 1767 in ihrem Brief, in bestimmten Fragen ohne einstimmige Meinung der Administration gehandelt zu haben. Sie hätten den gemeinsamen Bericht deshalb nicht unterschrieben, „weilen in Pleno sessionis es weder zur ordentlichen Umfrage und Deliberation noch weniger zur Conclusion gekommen, daß Herr HofRath von Brandenburg ganz alleinig zum allerunterthänigsten Empfang Allerhöchst Ihro Kay[serlichen] May[es]t[ä]t nach Segedin abgehen solte“.65 Wir können deshalb wohl mit Recht annehmen, dass die Ereignisse im Jahre 1768 nicht immer so geschahen, wie Brandenburg sie in seiner Rechtfertigung vortrug, und dass sein Anteil an den verurteilten Verfügungen weitaus größer war, als er gestand.

Aufgrund der Berichte der Banater Beamten sowie der bekannten Angele-genheiten Brandenburgs kam man in Wien zu eben dieser Schlussfolgerung: Herdt wurde zwar verurteilt, da er die Verfügungen 1768 befehlswidrig ausge-geben hatte. Er hätte wissen müssen, dass in solchen wichtigen Fragen die Bewilligung einzelner Räte nicht ausreiche, sondern dass man die Zustimmung des ganzen Gremiums brauche.66 In Anbetracht der Fristen war die Deputation ebenfalls skeptisch und verwarf mehrere Aussagen Brandenburgs. Vor allem verstand man die zu lange Zeitspanne zwischen der Verfassung der Punkte – beweisbar am 23. März – und ihrer Vorlesung in der Ratssitzung am 16. April nicht. Die Wiener Beamten schlossen aus diesem Widerspruch, Brandenburg und Plasch hätten die „Herdt’schen Punkte” ohne Zweifel früher als andere Ratsmitglieder gekannt und sie auch bewilligt. Diese Meinung wurde 1771 infolge der Verlassenschaftsabhandlung des inzwischen verstorbenen Herdt weiters bestätigt. Die unter seinen Schriften aufbewahrten, von Brandenburg geschickten Briefe und andere Unterlagen des Kommissars bewiesen, dass diese beiden Beamten den Anlass zu den mit hohen Kosten verbundenen Ausgaben (über die man 1774 noch immer eine Abrechnung forderte) gegeben hatten.67

65 ÖStA, AVAFHKA, HKA BA (Anm. 6) Fasc. 80. rote Nr. 209. Nr. 55 ex April 1767. fol. 55r-56v, 61v. TLA an die MBD, 18. März 1767 und zwei Beilagen: fol. 57r, 59r.

66 MNL OL, E 303 (Anm. 2) II. Nr. 383 ex Juli 1768. fol. 72r-73v.

67 Die hinterlassenen Schriften des Kommissars waren sehr gefragt. Zwischen 1771 und 1773 meldeten sich öfters mehrere Personen und Verwalterämter in dieser Angelegenheit. Das Karansebeser Verwalteramt: MNL OL, E 303 (Anm. 2) III. Registratursbuch 1771. Nr. 4571. 9. November 1771. Über die Verlassenschaftsabhandlung: ebenda, Nr. 4569. (ohne Datum) und Registratursbuch 1773. Nr. 5236. 16. Oktober 1773.

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Die Banater Buchhalterei behauptete jedoch 1774, der Provinzialkommissar habe seinen Bericht und seinen Ausweis nicht zusammengestellt.68 Im Re-gistraturbuch wurde aber schon im Juni 1769 vermerkt, dass Herdt seine Verantwortung „wegen denen von Einer Hoch Löbl[ichen] Banco Deputa[ti]on. ob getrofenen Veranstaltung der Allerhöchsten Reyse Ihro Mai[es]t[ä]t des Römischen Kaysers durch den Bannat zu Last gelegt werdenden Puncten” an die Landesadministration geschickt hatte.69 Die Verzögerung können wir also mit dem Fehlen des Berichts des Kommissars nicht erklären. Vielmehr aber mit denen der Distriktsverwalter, die auch einzeln eingefordert wurden, und sogar öfters binnen dieser sechs Jahre.

Nicht einmal die wiederholten Besuche des Kaisers 1770 und 1773 moti-vierten sie, das Versäumnis nachzuholen und die Abrechnung an die Landes-stelle zu senden. Der Ende Juli 1768 eingereichte revidierte Aufsatz „deren ge-legenheitlich der bey Seiner Mayest[ät] des Römisch[en] Kays[ers] anerloffene Vorspanns Kösten” behandelte nur einen Teil der Ausgaben,70 die Schlussab-rechnung (Totalis) war aber Anfang 1769 noch immer nicht fertig, „da abge-forderte Individual Aufsäze noch nicht eingelanget sind”.71 Im Februar berichtete man, dass die Ujpalankaer, Werschetzer, Tschanader, Lippaer, Karansebeser und Pancsovaer Verwalterämter „die Berechnungen über die bey Anwesenheit des Röm[ischen] Kaysers gehabten Auslaagen annoch einzu-schicken schuldig seyen”. Dies verlief allerdings nur schleppend. Eine vorläu-fige Abrechnung stellte die Buchhalterei endlich am 30. Juni 1769 zusammen, die allerdings viele Mängel aufwies.72 Die Verwalterämter, insbesondere die Lippaer, wurden in den folgenden Jahren dauernd aufgefordert, die Rech-nungen nach Temeswar einzuschicken. Bis Anfang 1774 dauerte dieses Hin und Her, nicht zuletzt deshalb, weil die verantwortungspflichtigen Beamten unterdes verstarben oder versetzt wurden.73

68 ÖStA, AVAFHKA, HKA, ÖK (Anm. 2) Fasc. 66. rote Nr. 2179. Konv. 2. Nr. 214 ex Mai 1774. fol. 444r.

69 MNL OL, E 303 (Anm. 2) II. Registratursbuch 1769. fol. 486r-v. (Nr. 129 ex Juni 1769). Bericht von Herdt, 7. Juni 1769

70 Ebenda, Registratursbuch 1768. fol. 274r-v. (Nr. 43 ex August 1768). Bericht der Banater Buchhalterei, 30. Juni 1768.

71 Ebenda, Registratursbuch 1769. fol. 86r-v. (Nr. 499 ex Januar 1769). Bericht der Banater Buchhalterei, 28. Januar 1769.

72 Ebenda, fol. 136r-v. (Nr. 290 ex Februar 1769). Bericht von Ignaz Hofmann Administrationskanzlist, 18. Februar 1769; fol. 145v-146r. (Nr. 342 ex Februar 1769), fol. 508r. (Nr. 258 ex Juni 1769); fol. 654r-v. (Nr. 443 ex Juli 1769). Bericht der Banater Buchhalterei, 30. Juni 1769.

73 Lippaer Distrikt: Ebenda, Registratursbuch 1770. fol. 667r. (Nr. 165 ex September 1770). 6. Sept. 1770; III. Registratursbuch 1770. Nr. 763. 5. Dez. 1770; Becskereker Distrikt: ebenda, Registratursbuch 1772. Nr. 115. 9. Juli 1772; Tschakovaer Distrikt: ebenda, III. Registratursbuch 1771. Nr. 582; Nr. 1206; Orschowaer Distrikt: ebenda, III. Registratursbuch 1771. Nr. 1600; Temeswarer Distrikt: ebenda, II. Registratursbuch 1769. fol. 582r. (Nr. 52 ex Juli 1769); Ujpalankaer Distrikt: ebenda, II. Registratursbuch 1769. fol. 725r. (Nr. 211 ex August 1769) und III. Registratursbuch 1773. Nr. 1123. 10. März 1773; Werschetzer Distrikt: Ebenda, Nr. 5209; Betschkereker Distrikt: ebenda, Registratursbuch 1774. fol. 32v. (Nr. 276 ex Januar 1774). 14. Januar 1774. Diese Unterlagen sind nicht mehr erhalten geblieben, und waren schon 1866 abgängig.

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All das ist nicht verwunderlich denn einige Distrikte hatten die Auszah-lungen während dieser Jahre noch immer nicht geleistet. Die nötigen Lebens-mittel bestellten sie nämlich wegen der großen Anzahl der Reisenden in Eile von Bürgern und Kaufleuten vor Ort – gegen erhebliche Summen. Dieses scheinbar attraktive und gewinnbringende Geschäft war aber mit vielen Gefahren verbunden. Zwar wollte Joseph II. alles sofort mit Bargeld bezahlen, den Preis für die vorbestellten und schon Tage vorher gelieferten Waren bezahlten die Verwalterämter aber oft nicht rechtzeitig. Oft bekam man die fällige Summe erst nach der Abreise der Besucher,74 oder eben auch nicht, wie sich aus der Korrespondenz der darauffolgenden Jahre zeigt. So wurde aus der Hoffnung auf ein schnelles und sicheres Einkommen ein mehrere Jahre dauerndes erbittertes Ringen um Bezahlung. Die Kaufleute litten unter der überstürzten Organisation. Der italienische Kaufmann Pietro del Pondio erhielt erst 1774 den ihm fälligen Betrag von 358 fl und 8 kr – eine große Summe der damaligen Zeit.75 Mayer Amigo und Söhne lieferten unter anderem Lebensmit-tel und Gewürze in den Orschowaer Distrikt. 1769 schuldete die Administra-tion ihnen noch immer 360 fl und 35 kr.76 Auch die Bergwerksdirektion besorgte Lebensmittel für das kaiserliche Dienstpersonal und wartete vergeb-lich auf die Begleichung ihrer Ausgaben.77

Am 13. Februar 1774 war es dann endlich der Buchhalterei gelungen, ihre (erste) Abrechnung zu beenden. Auf den ersten Blick ist verständlich, warum sich die Banater Beamten nicht beeilt hatten, die Abrechnung zusammenzu-stellen. Anlässlich der Reise des Kaisers 1768 gaben die Verwalterämter und die Magistrate insgesamt 11.912 fl und 2 ½ kr aus. Das war mehr als die Hälfte der Summe, die der Kaiser für seine ganze Reise mit 50 Begleitpersonen be-zahlen musste.78 Die detaillierte Abrechnung weist mehrere verblüffende Be-träge aus: neben dem vom Hoffourier Baader erhaltenen Bargeld für die Bestreitung der Nachtquartiere, dem Wiederverkauf der übriggebliebenen Lebensmitteln und durch die Erledigungen verbliebenen „Mängelskosten” konnte man über eine Summe von 8000 fl keine Rechnung vorweisen.79 Wer

74 Ähnliches ist bei Franz I. (II.) zu bemerken: Ottó Taborsky: Művelődéstörténeti adatok Ferenc király 1817-i erdélyi utazásához [Kulturgeschichtliche Daten zur Reise Königs Franz im Jahre 1817]. In: Emlékkönyv Domanovszky Sándor születése hatvanadik fordulójának ünnepére. Budapest 1937, 562-576, hier 573.; Domokos Teleki, Gr.: Ferencz osztrák császár, magyar király és Erdély fejedelmének erdélyi útja [Die siebenbürgische Reise von Franz, Kaiser von Österreich, König von Ungarn und Fürst von Siebenbürgen]. In: Budapesti Szemle, 1869, Bd. XIV. 83-101.

75 MNL OL, E 303 (Anm. 2) III. Registratursbuch 1774. fol. 32v. (Nr. 276 ex Januar 1774). 14. Jan. 1774. – Ebenda, II. Registratursbuch 1769. fol. 842r. (Nr. 438 ex September 1769). 28. Sept. 1769; III. Registratursbuch 1773. Nr. 4658. 25. Aug. 1773; Nr. 4700. 18. Sept. 1773; Nr. 6339. 29. Dez. 1773.

76 Ebenda, II. Registratursbuch 1769. fol. 742v. (Nr. 339 ex August 1769). 19. August 1769.

77 Ebenda, III. Registratursbuch 1772. Nr. 927. 25. Febr. 1772; Nr. 3441. 25. Juni 1772; Registratursbuch 1773. Nr. 3118. o. D.

78 Insgesamt 21.215 fl und 13 ½ kr. Die Reiserechnungen: HHStA, Hofarchive, Hofwirtschaftsamt B. Sonderreihe. rote Nr. 34. Reisen 2. Verschiedene Reise Berechnungen Seiner Majestät Joseph II. 1768.

79 ÖStA, AVAFHKA, HKA, ÖK (Anm. 2.) Fasc. 66. rote Nr. 2179. Konv. 2. Nr. 214 ex Mai 1774. fol. 444r.

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am Fehlen dieser immensen Summe wohl schuld war? Wir glauben nicht, dass der quasi zum Sündenbock gestempelte Herdt diesen großen Betrag eingesteckt hätte. Vielmehr zeugt es von der Unorganisiertheit, von unüberlegten und übertriebenen Bestellungen und von überflüssigen Ausgaben. Die Verwalter-ämter wollten vielleicht der Anordnung unbedingt Folge leisten, alles für die Reise des Kaisers zu besorgen, was die Reisenden nötig haben könnten. Es ist keine Entschuldigung, dass sie nicht erfahren genug in Sachen „Herrscherrei-sen” waren und nicht gewusst hätten, was bei einem Besuch wirklich erfor-derlich war. Die bequeme und sichere Gestaltung der Quartiere, die Errichtung der (sonst verbotenen) Küchengebäude, die Besorgung der in den Bergen nicht leicht verfügbaren Lebensmittel und der Transport des Wach- und Dienst-personals – dies alles dürfte viel mehr Geld gekostet haben, als im Voraus gedacht war. 5. Die Konsequenzen: Entlassungen, Ernennungen und Neuorganisierung

Die persönlichen Erfahrungen und Erkenntnisse Josephs II. führten zu Verän-derungen im Temeswarer Banat. Die Fehler und Schwachstellen der Banater Landesadministration veranlassten den Kaiser, seiner Mutter drei Varianten für die Neuorganisierung vorzuschlagen. Er war in erster Linie für den Verkauf des Landes, also der Grundstücke, und hoffte auf genügende Einkünfte aus der Kontribution.

Wollte man aber diesen Verkauf […] nicht, […] so blieben nichts, als zwey an-dere Mittel übrig, deren eines wäre, dieses Land gäntzlich militaire zu machen, und auf einen, der Siebenbürgischen Gränitz gantz ähnlichen Fuß zu setzen, die teutsche Ansiedlung einzustellen, oder selbe nur als Mithelfern zu betrachten, hingegen die Wallachischen, Raitzischen und anderen dergleichen türkischen Transmigranten bestmöglichst zu populieren […]. Das dritte Mittel endlich wäre, daß, nebst beylassung der alten Form, nur die Gebrechen abgestellet, das Land aufgenom[m]en, […] zu dem Impopulations-Geschäfft wahre Principia gesetzet, […] und endlichen die vielen untüchtigen Beamten und Räthe amovi-ret, und redliche und tüchtige an ihre Stelle gesetzet würden […]. Dieses letz-tere wird, meines Ermessens, das längste, und am wenigstens einen sicheren Nutzen sich nährende Mittel seyn. Das erstere ist allezeit, wann ich es camera-lisch und politisch betrachte, das beste.80

Er kannte seine Mutter gut: Die Königin wollte nur Personalwechsel und Um-strukturierung. So wurde der dritte Vorschlag angenommen, und es wurden kaum grundlegende Veränderungen durchgeführt.81 Die Verwaltung des Ba-nats wurde nach Ablauf der zehn Jahre im Sinne des königlichen Dekrets vom 2. Mai 1769 an die Hofkammer übertragen.82 Das Chaos, die Willkür, die

80 ÖStA, HHStA, FA, Hofreisen (Anm. 1), Kt. 2. alter Fasc. 3. fol. 324r-326r.

81 Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Kabinettsarchiv, Staatsrat, Protokoll 1769. Nr. 679.

82 MNL OL, E 303 (Anm. 2) II. Registratursbuch 1769. fol. 415v. (Nr. 216 ex Mai 1769). Dekret, 2. Mai 1769.

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unbeachteten Befehle und die mangelhafte Verwaltung verlangten schnelle Hilfsmittel in Hinsicht auf die Beamten. Der Kaiser selbst charakterisierte die Lage vor Ort folgendermaßen: „Haß, Neid, Feindschafft, Partheylichkeit, Ei-gennutz, Vorurtheil, Schwermüthigkeit, Langsamkeit, ja die Wahnsucht selbst, schlägt unter ihnen vor.“ Der Kaiser erkannte die Untauglichkeit der Banater Beamten ganz richtig:

diese Ämter werden theils durch Köche, Cammerdieners, abgedankte und quittirte Officiers, theils wiederum durch andere, die lange Jahre hindurch, so zu sagen, von der Piquen auf dienen, versehen.83

Zu allererst wurde der meistens in Wien und nicht in Temeswar anwesende Graf Perlas in den Pensionsstand versetzt. Obwohl der Kaiser und noch andere Ratgeber den Hofkammerrat Wolfgang von Kempelen proponierten,84 wurde Graf Karl Ignaz Clary-Aldringen zum Präsidenten ernannt.85 Im Sinne des kaiserlichen Reiseberichts waren mehrere Beamte zu entlassen.86

[wenn] die vielen untüchtigen beamten und Räthe amoviret, und redliche und tüchtige an ihre stelle gesetzet würden, welche das, gäntzlich neu zu verfas-sende und fest zu stellende Banatische Systema, da anjetzi nach gar keinem ge-arbeitet wird, auszuführen, die Fähigkeit und den Willen hätten.

So ließ man die Administrationsräte Brandenburg, Plasch, Baussart, Ratsch von Neuhof und Hildebrand ab 23. August 1769 mit halber Besoldung pensio-nieren. (Franz Xaver von Langenbach, der sechste Administrationsrat war inzwischen verstorben.87) Anstelle der entlassenen wollte man – womöglich im Einverständnis mit den Wiener Staatsräten – erfahrene, schon erprobte Beamte ernennen. Viele der Ausgesuchten werden aber keine Lust dazu gehabt haben, in ein entferntes, ungesundes Land zu reisen und dort zu dienen, denn von sechs wurden nur drei tatsächlich ernannt.88 Mit ihrer Unerfahrenheit lässt es sich erklären, dass Graf Clary schon im September 1769 angesucht hatte, den alten, aber sachverständigen, im Vorjahr suspendierten Ratsch von Neuhof wieder einzusetzen. Maria Theresia war mit seiner provisorischen Anstellung

83 ÖStA, HHStA, FA, Hofreisen (Anm. 1), Kt. 2. alter Fasc. 3. fol. 310r und 315v. Relation Joseph II. über die Landes-Verfassung und Cameral-Einrichtungen.

84 Vgl. Alice Reininger: Wolfgang von Kempelen. Eine Biographie. Wien 2007 (= Angewandte Kulturwissenschaften Wien, Bd. 7). István Heltai H.: Az első királyi komisszárius a Temesi Bánságban [Der erste königliche Kommissar im Temeswarer Banat]. In: Századok, Jg. 47. 1913, Nr. 10, 791-796.

85 Die Pensionierung von Perlas: ÖStA, HHStA, Kab.A, StR (Anm. 81) Protokoll 1768. Nr. 2064. 30. August 1768 und MNL OL, E 303 (Anm. 2) II. Registratursbuch 1769. fol. 141v. (Nr. 320 ex Februar 1769). MBD an die TLA, 29. Febr. 1769. Die Ernennung von Clary: ebenda, fol. 329r. (Nr. 319 ex April 1769). MBD an die TLA, 7. April 1769. Vgl. ÖStA, HHStA, Kab.A, StR (Anm. 81) Protokoll 1769. Nr. 1315. Zwischen 4. und 6. April 1769.

86 ÖStA, HHStA, FA, Hofreisen (Anm. 1), Kt. 2. alter Fasc. 3. fol. 325v. Relation Joseph II. über die Landes-Verfassung und Cameral-Einrichtungen.

87 Am 1. Januar 1769. Petri 1992, Spalte 1097 (Anm. 7).

88 ÖStA, HHStA, Kab.A, StR (Anm. 81) Protokoll 1769. Nr. 1458. 15. April 1769. Die vorgeschla-genen waren Gussich, Schmidlein, Appellationsrat Ebenfeld, der Mährische Tribunalassessor Taubner, Pokatsch und Neumann.

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einverstanden, jedoch musste ihr über sein Benehmen und seine Arbeit berich-tet werden, bevor er eine ordentliche Stelle erhielt.89 In den folgenden Jahren dienten also andere weiter: Tauber, Schmidlein, Binden, Pöttling, Baumann, Linden – einzig Johann Wilhelm Hildebrand ausgenommen, der 1771 in seine Funktion wieder eingesetzt wurde. Die Meinung Brandenburgs, der während der Untersuchung den Kommissar Herdt zum Sündenbock gemacht hatte, teilte man in Wien nicht ganz. Überraschenderweise blieb Herdt bis zu seinem Tod 1771 in staatlichem Dienst.90 Dies ist nicht zuletzt seinen persönlichen Werten zu verdanken, die Kaiser Joseph bei seinem Besuch sofort erkannte: solange die Administrationsräte und selbst die Distriktsverwalter keine Kenntnisse über die von ihnen zu leitenden Gebiete und deren Beschaffenheit hatten, „der eint-zige Provincial-Commissarius Herd, so, wegen unterschiedlichen Transporten und bequartierungen, öffters hat herum reisen müssen, hat noch die mehresten Local Käntnissen.”91 Herdt war einer der wenigen im Banat, der die Anerken-nung Josephs erwerben konnte: „der Provincial Commissarius Herd ist ver-ständig, aber sehr geschäfftig“.92 Das sprach also für sich: die Entlassung eines nützlichen und qualifizierten Beamten wäre verfehlt gewesen, auch dann, wenn er in seinem Übereifer dem Befehl zuwider gehandelt hatte. Herdt mag sich auch nicht schuldig gefühlt haben. Ende 1768 bewarb er sich sogar um eine der freien Ratsstellen in der Administration. Die Königin vertrat die Meinung, mit einer Anstellung solange zu warten, bis die Unschuld Herdts erwiesen sei. Die Lage klärte sich im April 1769: Der Provinzialkommissar durfte sein Amt beibehalten (bekam aber keine Beförderung), er erhielt jedoch eine förmliche Instruktion und klare Rechnungsvorschriften.93

Der Personalwechsel und die Veränderungen bei der Landesstelle halfen an den Grundproblemen wenig, die Verwaltung litt weiter ziemlich darunter. Die neu angestellten Räte beschäftigten sich ebenfalls mit ihren eigenen Problemen und ihrer Karriere, bildeten neue Machtblöcke und stifteten Zwiespalt inner-

89 Ebenda, Nr. 3577. 5. Okt. 1769. Er erhielt eine fixe Anstellung im Januar 1770 (ebenda, Prot. 1770. Nr. 253. 17. Januar 1770). Der Kaiser traf ihn auch während seiner Reise 1773, und lobte ihn allein unter den Administrationsräten: ÖStA, HHStA, FA, Hofreisen (Anm. 1), Kt. 7. alter Fasc. 7. fol. 7r. Temeswar, 1773-05-11.

90 Sein Tod: MNL OL, E 303 (Anm. 2) III. Registratursbuch 1771. Nr. 4390. Kommissar Herdt arbeitete bis zu seiner Erkrankung: ebenda, Nr. 1848, Nr. 1998. Vgl. Costin Feneşan: Die zweite Reise Kaiser Josephs II. ins Temeswarer Banat (1770). In: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs, Jg. 45. 1997, 233-247, hier 237.

91 ÖStA, HHStA, FA, Hofreisen (Anm. 1), Kt. 2. alter Fasc. 3. fol. 316v. Relation Joseph II. über die Landes-Verfassung und Cameral-Einrichtungen. Die gründliche Kenntnisse von Herdt beweist sein Projekt über die Landwirtschaft, Tierzucht des Banats. MNL OL, E 303 (Anm. 2) III. Fasc. 113. „Tervek a Bánság igazgatásának javítására”. fol. 323r-368r. „Unterthänigst gehorsamste Anmerkungen die zu verbeserende Einrichtung des Temeswarer Banats betreffend“, o. J.

92 ÖStA, HHStA, FA, Hofreisen (Anm. 1), Kt. 2. alter Fasc. 3. fol. 138r. Notizen zu Landes- und Cameralsachen. Vgl. Szentkláray, 1879. 205 (Anm. 8).

93 ÖStA, HHStA, Kab.A, StR (Anm. 81) Protokoll 1769. Nr. 250. 18. Jan. 1769; Nr. 1463. 16. April 1769.

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halb der Behörde.94 All das erfuhr der Kaiser während seiner weiteren Besu-che. 1770 kam dazu noch die Frage über den Vorrang zwischen der Zivil- und der Militärbehörde.95 1773 tadelte Joseph II. immer noch die (Un-)Tätigkeit der Banater Landesadministration, die unzulänglichen Verwaltungsmethoden und die Untauglichkeit der Beamten.96 Graf Clary beschwerte sich beim Kai-ser:

Er selber aber wäre hier ohne mindester assistenz, [...] es wäre ihm keine be-nennung wenigstens die neuen beamten zu der neuen Einrichtung gestattet son-dern lauter fremde leute zugeschickt worden, besonders der Hildebrand, wel-cher lauter confusion machte, er brauchte nur 6 Räthe anjetzo aber wegen cri-minali etwas, anjetzo wären gar 10 worunter aber kein einziger den er begehrt hätte, daß vom staatsrath aus, dem Hildebrand die continuation des impopulati-ons-referats ist aufgetragen worden, diene ihm zum größten spott und wäre die-ser Mann zu keiner subordination zu halten sondern, wie ich selbst wußte, ein halber Narr, Tauber wäre zwar capable, aber sehr eigensinnig, und bissig, in-comportable [...], Schmidlin zwar in Judiciale gut, aber sonst eine sehr üble art und eigensinnig, Linden verstunde nichts und machte nur factionen mit Hille-brand; Petting wäre gantz neu aber gebe Hofnung, Ratsch wäre der einzige der recht gut, Bokatsch in criminali starck sonst aber sehr langsam, Bauman sehr faul aber fähig, Schmid fähig aber unterliegt noch einer untersuchung wegen Saltzweesen, Kurtz gebe Hofnung, Neuman supernum[eratus] und wurde in im-populationsgeschäft gebraucht.97

Der Kaiser versuchte in Temeswar, dem Sitz der Landesbehörde, während der sogenannten „Rasttage“ an den Sitzungen teilzunehmen und bei den Audienzen die Beamten, die Machtblöcke und die Zustände kennenzulernen:

Hernach kame Baumann: dieser sagte, daß es ihm hier nicht allein schlecht gi-enge, sondern er auch sehr verfolgt würde, daß seine Briefe nicht sicher, und Graf Clary sagte ihm selbst, daß er alle Copeyen von seinen Briefen an G. Hatz-feld [dem ersten Staatsratsminister] hätte.98

1773 wurde Kaiser Joseph II. wieder damit konfrontiert, dass es wenig half, Lösungen in Wien auszudenken, moderne Theorien und Methoden einzuführen und Reformen in der Banater Administration durchzuführen, wenn man dazu keine geeigneten Subjekte anstellte. Der kaum fünf Jahre vorher zum Präsi-denten ernannten Graf Clary erfüllte die Erwartungen nicht: Er stritt mit seinen Untergebenen fortwährend, so dass darüber selbst der Staatsrat in Wien infor-

94 Über diese Konflikte berichteten auch die Militäroffiziere dem Kaiser: ÖStA, HHStA, FA, Hofreisen (Anm. 1), Kt. 7. alter Fasc. 7. fol. 31r-v, 29r. Kubin, 1773-05-15. Gespräch mit Oberst Geneyne.

95 Feneşan 1997, 236 (Anm. 90).

96 ÖStA, HHStA, FA, Hofreisen (Anm. 1), Kt. 7. alter Fasc. 7. fol. 7r. Temeswar, 1773-05-11; ebenda, fol. 20v. Temeswar, 1773-05-12.

97 Ebenda, fol. 6v-7r. Temeswar, 1773-05-11.

98 Ebenda, fol. 20r. Temeschwar, 1773-05-12.

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miert war.99 Clary beantragte in einer Audienz, abzudanken und das Banat verlassen zu dürfen.100 All dies bewog Joseph II. dazu, die Beamten wieder auszuwechseln. Auch in seinem Reisebericht widmete er diesem Problem meh-rere Passagen:

Ich kann auch nicht hier unberührt laßen, den abscheulichen Parthey-geist, von welchen ich aller Menschen Gesinnungen, so zu sagen, in dem ganzen Bannat angefüllt, angetroffen habe, und welche in zwey förmliche, und so viel als Per-sonen schier seynd, einzelne Partheyen getheilet sind. Der Graf Clary, der Tau-ber, Ratsch und Schmid formiren eine Parthie, Hillebrand, Baumann, Linden formiren die andere, endlich Schmidlin, der hält sich noch so ziemlich gleich-gültig, so wie auch Pötting, so erst dazugekommen, und Kurz, wie einige be-haupten, daß er der geschikteste seyn soll, aber noch gar keine Experient, noch wahren Begrif der Sachen hat. Diese Leute scheuen nicht, einer von dem andern alle Abscheulichkeiten zu sagen. Die neue Sistems Einrichtung komt auch nicht einmal beym Rath vor, und verwaltet selbe Graf Clary mit den obgenannten von seiner Parthey ganz allein. Was aus einer solchen Administration gutes zu hof-fen seye, laßt sich leicht beurtheilen, nur betrüblich ist, daß dieselbe jetzo so viel Geld koste, und es viel unbilliger und schlechter zugehe, als vorhero, ich sehe auch kein Mittel vor, daß es jemals beßer gehen wird, wenn man nicht in kleinen Portionen, und Stuckweiß das Bannat, wie schon so oft gesagt, verkauf-fen wird. […] vor allen aber müßte der jetzigen Verwirrung doch in etwas ge-steuret, und der Parthey-Geist durch Veränderung derjenigen Personen, so sel-ben verursachen, gehoben werden, und wenigstens einer von diesen zwey Theilen, von deren beeden der andere Theil so wohl an Interessationen als an-dern abscheulichen Sachen angeklaget wird, auf die seite geraumet werden, und wann man nicht mehr in dieses Land aus so verschiedenen Theilen und so be-sondere schlechte Leute schikte, welches unendlich viel kostet, sie viele Zeit brauchen was zu erlernen, oder gemeiniglich unter Vorschützung der Gesund-heit auf nichts als Intriguen und anderes leere Gezeug sich verlegen, Projecten machen, ohne das Land zu kennen, und ohne selbe auszuführen im Stande zu seyn. [...]101

Anfang des Jahres 1774 durfte Graf Clary endlich abdanken und legte sein Amt nieder. Sein Nachfolger, Freiherr Joseph Brigido, führte Verwaltungsre-formen in der Landesstelle ein,102 unter anderem ließ er die Zahl der Distrikte

99 ÖStA, HHStA, Kab.A, StR (Anm. 81) Protokoll 1774. Nr. 20. 4. Jan. 1774. Die allerhöchste Entschließung schrieb das Einverständnis zwischen dem Präsidenten und den Administrationsräten sowie ein bescheideneres Benehmen von Clary vor.

100 ÖStA, HHStA, FA, Hofreisen (Anm. 1), Kt. 7. alter Fasc. fol. 22r. Temeswar, 1773-05-12. Clary wollte seine Reise schon 1769 hinauszögern, und nur nach mehrmaligen Weisungen ließ er Wien hinter sich und brach auf. ÖStA, HHStA, Kab.A, StR (Anm. 81) Protokoll 1769. Nr. 2227. 13. Juni 1769; Protokoll 1772. Nr. 1678. Nach 9. Juli 1772.

101 ÖStA, HHStA, FA, Hofreisen (Anm. 1), Kt. 8. alter Fasc. 7. fol. 906v-907v. Kurzer Bericht von Joseph II. über seine Banater Reise, Hermannstadt, 1. Juli 1773.

102 Szentkláray 1879, 224-225 (Anm. 8). Über Brigido: Petri 1992, Spalte 218-219 (Anm. 7). Walter Pietsch: Joseph Graf von Brigido. Eine Beamtenkarriere des 18. Jahrhunderts. In: Banatica. Festgabe für Dr. Alexander Krischan zum 75. Geburtstage. Wien 1996, 245-265.

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durch Zusammenlegungen auf vier reduzieren. Es entstanden der Tchadater, der Temeswarer, der Werschetzer und der Lugoscher Distrikte.

Das königliche Dekret am 8. März 1778 zog dann endlich einen Schluss-strich unter die Debatte zwischen den ungarischen Ständen und den Wiener Ratgebern: Herzog Albert von Sachsen-Teschen, königlicher Statthalter in Ungarn wurde benachrichtigt, dass der Wunsch der ungarischen Stände endlich in Erfüllung gehen werde. Die Banater Gründe wurden verkauft, und man entschied sich für die Einverleibung in das Königreich Ungarn und die Einführung der ungarischen Komitatseinteilung.103 Wir können aber behaup-ten, dass die unangenehme und feindselige Atmosphäre im Temeswarer Banat, die seit Jahren anhaltenden Streitigkeiten innerhalb der Administration der Pro-vinz viel mehr schadeten als eifrige, gewissenhafte und fürsorgliche Beamte, wie Joseph Herdt es gewesen war.

103 MNL OL, Regincolaris Levéltár, Archivum palatinale, Archivum locumtenentiale Alberti ducis Saxoniae (N 13) Lad. 61. Fasc. 3. Nr. 7. Das königliche Dekret: Magyar Nemzeti Levéltár Országos Levéltára, Magyar Kancelláriai Levéltár, Magyar Királyi Kancellária regisztratúrája, Libri regii (A 57), Bd. 51, 10 u. 39. Über die Errichtung der neuen Komitate: Szentkláray 1879, 344-365 (Anm. 8). Über die Wappenverleihung: Krisztina Kulcsár: Címeradományozás a visszacsatolt bánsági vármegyék számára [Wappenverleihung für die einverleibten Banater Komitate, 1779]. In: Turul, 2012, H. 3, 105-109.