Ist der Kanton Zürich ein Sanierungsfall? Daniel Lampart, SGB 8. Juni 2010
Ist der Kanton Zürich ein Sanierungsfall?
Daniel Lampart, SGB
8. Juni 2010
Übersicht
• Sind Staatsdefizite, -schulden ein Problem? Eine kleine Einführung
• Wirtschaftliche Bedeutung des Kt. Zürich• Steuerbelastung im Kt. Zürich• Was braucht die Wirtschaft?• Finanzielle Lage des Kantons Zürich
Staatsfinanzen: Keine Panik-Reaktionen
• Zahlen über Staatsverschuldung berücksichtigen Vermögen nicht (Bruttoverschuldung)– Z.B. Norwegen: Bruttostaatsschuld 60 % des BIP, Netto -140% d. BIP– Nettovermögen in Europa auch in DK, S, FIN, LUX– Bund, Kantone, Gemeinden: Nettoschuld ca. null – Kanton Zürich: Schuld 10.7 Mrd. Fr.; Eigenkapital 9.5 Mrd. Fr.
• Grosser Teil der Defizite ist vorübergehend (Konjunkturpakete, Einnahmenausfall wegen Krise)
• Überschüsse im Privatsektor (Unternehmen, Privathaushalte): Notfalls genug Geld zur Finanzierung der Staatsdefizite
• Überschüsse im Privatsektor in der Schweiz ca. 8% des BIP
Staatsdefizite unbedenklich, wenn …
• … die Defizite eine Folge einer Rezession sind• … sich der Staat nicht gegenüber dem Ausland
verschulden muss• … im Inland genügend Steuersubstrat
vorhanden ist• … die Staatsdefizite nicht grösser sind als die
Schuldzinsen
Haushaltssaldo Kt. Zürich
-1000
-500
0
500
1000
1500
2000
Saldo Kt. Zürich Saldo Kt. Zürich (ohne Schuldzinsen)
Der Kanton Zürich: Wichtiger Auftrag- und Arbeitgeber
• Jährliche Ausgaben rund 13 Mrd. Fr. (Volkseinkommen Kt. Zürich: ca. 90 Mrd. Fr.)
• Jährliche Sachgüterinvestitionen rund 1 Mrd. Fr. (CH-Staat total ca. 12 Mrd. Fr.)
• 40‘000 Beschäftigte (CH Total: 4‘000‘000)
– > Finanz- und Personalpolitik bedeutend für Zürcher Konjunktur
Konjunkturelle Ausrichtung der Schweizer Finanzpolitik seit den 1990er Jahren im internationalen Vergleich
Schweiz -0.63Belgien -0.52Frankreich -0.39Deutschland -0.31Niederlande -0.25Griechenland -0.14Spanien -0.10Italien -0.09Japan -0.06Österreich 0.04Portugal 0.07Schweden 0.09Kanada 0.30Finnland 0.38Dänemark 0.40USA 0.55
prozyklisch
Quelle: OECD
Bundesverfassung schreibt eine konjunkturstützende Politik vor
Quelle: BAK Basel
Durchschnittliche Steuerbelastung von Unternehmenim internationalen Vergleich
Warum investieren Unternehmen nicht mehr?(Hemmnisfaktoren DL-Sektor in %, KOF-Umfrage 2009)
0
10
20
30
40
50
60
Sinkende Erträge Unsicherer Absatz Arbeitskräftemangel Steuern
Für mehr Investitionen braucht es Nachfrage und Massnahmen gegen Arbeitskräftemangel
Steuersenkungen bringen nichts
Saldo laufende Rechnung (gemäss KEF Sept. 2009, Rechnung 2010)
-2000
-1500
-1000
-500
0
500
1000
2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013
kumuliert 2006-2013: -3800 Mio. Fr.
Finanzhaushaltgesetz des Kt. Zürich
Ausgleich der laufenden Rechnung über acht Jahre („Haushaltsgleichgewicht“):
„Die laufende Rechnung ist mittelfristig auszugleichen“ (§ 4).
Sanierungsbedarf = kumulierter Fehlbetrag = ca. 450 Mio. Fr. p.J.
-2000
-1500
-1000
-500
0
500
1000
2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013
Hauptursachen der Fehlbeträge
• Konjunktur als Hauptursache - > ein Teil der Fehlbeträge wird im Aufschwung wieder verschwinden
• Steuersenkungen: Geplante Steuersenkungen kosten ca. 400 Mio. Fr./Jahr
Geschätzte Ertragsausfälle durch bedeutende steuerliche Massnahmen bis 2005
Abschaffung Erbschaftssteuer für direkte Nachkommen
ab 2000 235 Mio. Fr./Jahr
Steuerfusssenkung von 108% auf 105% ab 2000 120 Mio. Fr./Jahr
Steuerfusssenkung von 105% auf 100% ab 2003 200 Mio. Fr./Jahr
Steuergesetzänderung jur. Personen ab 2005 130 Mio. Fr./Jahr
Total ab 2005 Ca. 750 Mio. Fr./Jahr
Weitere Steuersenkungen ab 2006
Steuergesetzänderung nat. Personen ab 2006 110 Mio. Fr./Jahr
Teilbesteuerung f. Grossaktionäre ab 2010 100 Mio. Fr./Jahr
Steuergesetzänderung nat. Personen ab 2012? 350-400 Mio. Fr./Jahr
Steuergesetzänderung jur. Personen ab 2011? 40 Mio. Fr./Jahr
Total ab 2011 600-700 Mio. Fr./Jahr
In Zukunft tatsächlich Defizite?
• Verbessert sich die Konjunkturlage …• … und verzichtet der Kanton auf die
Steuersenkungen …
• … so ist die Notwendigkeit von Sparmassnahmen selbst unter dem Ziel des mittelfristigen Haushaltsausgleichs fraglich
Unsichere Ertragsprognosen
• Rechnungsergebnisse 2010-2013 basieren auf Prognosen. Probleme:– Künftige Konjunkturentwicklung?– Abhängigkeit der Steuereingänge von der
Konjunkturentwicklung?– Auswirkungen der Steuergesetz-, Steuerfussänderungen?
Unterschätzung der Einnahmen(Abweichung der Rechnung vom Budget in % des Ertrags)
1999-2008 2004-2008
Direkte Steuern 0.5% -0.5%
Uebrige Steuern 0.2% -0.1%
Vermögenserträge 0.5% 1.4%
Konzessionen/Entgelte (Gebühren)
0.6% 1.0%
Transferertrag (ohne SNB-Gold)
1.5% 4.7%
Entnahme aus Spezialfinanzierungen
0.6% 0.3%
Ertrag 4.0% 3.5%
Ertrag in Mio. Fr. 500 Mio. Fr./Jahr 450 Mio. Fr./Jahr
Ist der Kanton Zürich ein Sanierungsfall?
• Steuersenkungen belasten die Finanzen des Kantons Zürich stark– > Alle Steuersenkungen waren für den Kanton
„Verlustgeschäfte“
– > Ihre Notwendigkeit ist nicht erwiesen
– > Stützung der wirtschaftlichen Nachfrage und Massnahmen gegen den
Arbeitskräftemangel sind prioritär
• Die Einnahmenprognosen waren zu pessimistisch. Sanierungsbedarf wird überschätzt
• Im Kanton ist ausreichend Steuersubstrat vorhanden
– > Der Kanton Zürich ist alles andere als ein Sanierungsfall