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ZEITSCHRIFT FÜR ISSN 0722/5067 Informationen for Arzte und Apotheker zur rationalen lnftktionstherapie März/Apri/1995 -16.]ahrg. Übersicht Fieber und Antibiotika Fieberist eines der häufigsten Symptome, weshalb Patienten ihren Arzt aufsuchen. Viele Ursachen kommen für die Ent- stehung von Fieber in Betracht; daher sollte das Symptom Fieber allein nicht dazu verleiten, sofort ein Antibiotikum zu verschreiben. Fieber bedeutet zunächst einmal die Herausforderung an den behandelnden Arzt, eine intensive diag- nostische Klärung vorzunehmen. Die Körpertemperatur wird unter nor- malen Bedingungen durch das thermo- regulatorische Zentrum im anterioren und posterioren Hypothalamus konstant erhalten, wobei ein Gleichgewicht besteht zwischen Wärmeproduktion und -ver- lust. Die Produktion der Körperwärme wird durch den Metabolismus und Stoff- wechsel der zugeführten Nahrungs- bestandteile sowie durch die körperliche Aktivität, insbesondere durch Muskel- arbeit, hervorgerufen. Ein Verlust an Körperwärme erfolgt vorwiegend durch den peripheren Blutdurchfluß in der Haut, durch Schwitzen und mittels Perspiratio über den Respirationstrakt. Als norma le Körpertemperaturen gelten: 36,6 ° C oral± 0,05 ° als mittlere tägliche Temperatur, wobei cirkadiane tägliche Schwankungen von ± 0,4 ° vorkommen können. Als Körperkerntemperatur wird die Tem- peratur des Aortenblutes bewertet. Die oral gemessene Temperatur liegt um 0,4 °, die axilläre um 1° niedriger als die Kern- temperatur, die rektale Temperatur hin- gegen um 0,5 ° C höher. Es wird empfoh- len, konstant eine orale Fiebermessung bei den Patienten durchzusetzen. Als Definition des Fiebers gilt: Bei oraler Messung 38,5 ° C und höher, bei axillärer Messung 38 ° C und höher. Fieberentstehung Fieber wird primär induziert durch so- genannte exogene Pyrogene - das sind Produktevon Viren, Bakterien und Pilzen wie Endetoxine oder Exotoxine, aber auch Antikörper-Komplexe, Komple- mentkomponenten, pyrogene Steroide, Medikamente, bakterielle Zellmembran- produkte wie Peptidoglykan, Polynukleo- tide sowie Antigene. Exogene Pyrogene werden von phagozytierenden Zellen wie Granulozyten, Monozyten und Makrophagen aufgenommen bzw. sti- muliert. Diese Zellen produzieren nach der Phagozytose bzw. Stimulation endo- gene Pyrogene, die heute als sogenannte pyrogene Zytokine bezeichnet werden, da sie als ILl, Interferone (IFN) und TNF identifiziert wurden. Neuerdings werden auch andere Zytokine wie IL-6, IL-11, LIF, CNTF und ONCOSTATIN als eine weitgehend einheitliche Gruppe von endogenen Pyrogenen bezeichnet, da sie über den gleichen Rezeptor (gp 130) die Zellen stimulieren. Diese endogenen Pyrogene gelangen über die Blutbahn in das thermoregulatorische Zentrum des Übersicht - Fie ber und AntibiotikJ Hypothalamus . Die pyrogenen Zytokine können über metabolische Veränd erun- gen und insbesondere auch über ver- mehrte Synthese vom Prostaglandin E2 zu einer Stimulation des thermor egulato- rischen Zentrums beitragen und damit zu einer Höherregulierung der Körpertem- peratur. Diese Erhöhung der ze ntr alen Körpertemperatur erfolgt vorwie ge nd durch Minderdurchblutung der Kör per- peripherie mittels Gefäßengstellung und durch vermehrte Muskelkontraktionen (in ausgeprägtester Form als Schüttel- frost!) . Die Erhöhung der Körpertempe- ratur führt sekundär wiederum zu einer beträchtlichen Steigerung des StoffWech- sels und des Herz zeitvolumen s. Grundsätzlich sollten bei der Beurt eilun g von fiebernden Patienten bei der Analyse der Fieberursachen vier Fra ge n gestellt werden : 2'95 Seite 9-12 Antibiotikatherapie im ärztlichen Alltag (2) - Erys ip el Seite II Neueinftihrung - Fam cicl o vir Mittel der Wahl - Ciprofloxacin - Einmald osis bei Reisediarrhö - Thera pi e der Rechtsherzendokarditis bei Drogenabhängige n - Aciclovir bei älteren P<lti e nt en - Mupirocin intranJsJI bei S. aureus-Kolonisierung - Amphot ericin B vs Flu conazol b ei nichtne utr openischen Patienten Fragen zu wichtigen Infektionen (8) - Hantavirus- lnf ektionen (I) Pädiatrie - Herabgesetzte Antikörperbildung unt er Antibio tika bei Keuchhusten ? Aids - ManJgement von CotrimoxJzol-assoz ii erten Nebenwirkungen Seite 12- 13 Seite 13- 15 Seite 15 Seite 16 Seite 16 9
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Aug 20, 2020

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ZEITSCHRIFT FÜR ISSN 0722/5067

Informationen for Arzte und Apotheker zur rationalen lnftktionstherapie März/Apri/1995 -16.]ahrg.

Übersicht Fieber und Antibiotika Fieberist eines der häufigsten Symptome, weshalb Patienten ihren Arzt aufsuchen. Viele Ursachen kommen für die Ent­stehung von Fieber in Betracht; daher sollte das Symptom Fieber allein nicht dazu verleiten, sofort ein Antibiotikum zu verschreiben. Fieber bedeutet zunächst einmal die Herausforderung an den behandelnden Arzt, eine intensive diag­nostische Klärung vorzunehmen.

Die Körpertemperatur wird unter nor­malen Bedingungen durch das thermo­regulatorische Zentrum im anterioren und posterioren Hypothalamus konstant erhalten, wobei ein Gleichgewicht besteht zwischen Wärmeproduktion und -ver­lust. Die Produktion der Körperwärme wird durch den Metabolismus und Stoff­wechsel der zugeführten Nahrungs­bestandteile sowie durch die körperliche Aktivität, insbesondere durch Muskel­arbeit, hervorgerufen. Ein Verlust an Körperwärme erfolgt vorwiegend durch den peripheren Blutdurchfluß in der Haut, durch Schwitzen und mittels Perspiratio über den Respirationstrakt. Als normale Körpertemperaturen gelten: 36,6 ° C oral± 0,05 ° als mittlere tägliche Temperatur, wobei cirkadiane tägliche Schwankungen von ± 0,4 ° vorkommen können.

Als Körperkerntemperatur wird die Tem­peratur des Aortenblutes bewertet . Die oral gemessene Temperatur liegt um 0,4 °, die axilläre um 1° niedriger als die Kern­temperatur, die rektale Temperatur hin­gegen um 0,5 ° C höher. Es wird empfoh­len, konstant eine orale Fiebermessung bei den Patienten durchzusetzen.

Als Definition des Fiebers gilt: Bei oraler Messung 38,5 ° C und höher, bei axillärer Messung 38 ° C und höher.

Fieberentstehung Fieber wird primär induziert durch so­genannte exogene Pyrogene - das sind Produktevon Viren, Bakterien und Pilzen wie Endetoxine oder Exotoxine, aber auch Antikörper-Komplexe, Komple-

mentkomponenten, pyrogene Steroide, Medikamente, bakterielle Zellmembran­produkte wie Peptidoglykan, Polynukleo­tide sowie Antigene. Exogene Pyrogene werden von phagozytierenden Zellen wie Granulozyten, Monozyten und Makrophagen aufgenommen bzw. sti­muliert. Diese Zellen produzieren nach der Phagozytose bzw. Stimulation endo­gene Pyrogene, die heute als sogenannte pyrogene Zytokine bezeichnet werden, da sie als ILl, Interferone (IFN) und TNF identifiziert wurden. Neuerdings werden auch andere Zytokine wie IL-6, IL-11, LIF, CNTF und ONCOSTATIN als eine weitgehend einheitliche Gruppe von endogenen Pyrogenen bezeichnet, da sie über den gleichen Rezeptor (gp 130) die Zellen stimulieren. Diese endogenen Pyrogene gelangen über die Blutbahn in das thermoregulatorische Zentrum des

Übersicht - Fieber und AntibiotikJ

Hypothalamus . Die pyrogenen Zytokine können über metabolische Veränderun­gen und insbesondere auch über ver­mehrte Synthese vom Prostaglandin E2 zu einer Stimulation des thermoregulato­rischen Zentrums beitragen und damit zu einer Höherregulierung der Körpertem­peratur. Diese Erhöhung der zentralen Körpertemperatur erfolgt vorwiegend durch Minderdurchblutung der Körper­peripherie mittels Gefäßengstellung und durch vermehrte Muskelkontraktionen (in ausgeprägtester Form als Schüttel­frost!) . Die Erhöhung der Körpertempe­ratur führt sekundär wiederum zu einer beträchtlichen Steigerung des StoffWech­sels und des Herzzeitvolumens. Grundsätzlich sollten bei der Beurteilung von fiebernden Patienten bei der Analyse der Fieberursachen vier Fragen gestellt werden :

2'95 Seite 9-12

Antibiotikatherapie im ärztlichen Alltag (2) - Erys ipel

Seite II

Neueinftihrung - Fam ciclovir

Mittel der Wahl - Ciprofloxacin - Einmaldos is bei Reisediarrh ö - Therapie der Rechtsherzendokarditis bei Drogenabh ängigen - Acicl ovir bei älteren P<lti enten - Mupirocin intranJsJ I bei S. aureus-Kolonisierung - Amphotericin B vs Fluconazo l

bei nichtneutropenischen Patienten

Fragen zu wichtigen Infektionen (8) - Hantavirus-lnfektionen (I)

Pädiatrie - Herabgesetzte Antikörperbildung unter

Antibiotika bei Keuchhusten ?

Aids - ManJgement von CotrimoxJzol-assoz iierten

Nebenwirkungen

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Zeitschrift für Chemotherapie

1. Handelt es sich um einen infektiösen oder nichtinfektiösen Prozeß?

2. Liegt eine bakterielle Infektion vor und ist eine Antibiotika-Therapie indiziert?

3. Falls keine bakterielle In fektion be­steht, könnte es sich um eine Erkrankung durch Viren, Pilze, Protozoen oder Para­siten handeln, die durch eine Chemo­therapie beharrdeibar ist?

4. Falls keine Infektionserkrankung vor­liegt, handelt es sich um eine systemische oder maligne Erkrankung?

Die zahlreichen Erkrankungen, die Fieber erzeugen können, sind in der Tabelle 1 dargestell t.

Differentialdiagnose von Erkrankungen mit Fieber Als häufigste Ursache für Fiebergelten die Infe ktionserkrankungen, wobei ätiolo­gisch sowohl bakterielle, virale, parasitäre und mykotische Ursachen in Betracht kommen.

An zweiter Stelle sind neoplastische Er­krankungen zu erwähnen, wobei unter­schieden werden muß zwischen den primären soliden Tumoren oder auch Fieber bei metastatischen Vorgängen , beispielsweise bei Lebermetastasen.

An dritter Stelle stehen bärnatologische Erkrankungen, wobei m aligne oder semi­maligne Erkrankungen wie Hodgkin­Krankheit, maligne Lymphome, Sar­kome, Leukosen, Retikulosen oder auch multiple Myelome zu nennen sind . Bei den nicht malignen bärnatologischen Erkrankungen sei auf hämolytische Krisen, aber auch auf Blutungen in prä­formierte Körperhöhlen mit Resorption der Blutungsreste hingewiesen.

An weiteren Erkrankungen sind zu nennen :

Traumen, insbesondere Unfälle, Vergif­tungen oder auch großfl ächige und stark traumatisierende operative Eingriffe.

Weiterhin vaskuläre Erkrankungen wie z. B. Infarkt des Herzens, der Lunge oder des Gehirns.

Immunerkrankungen, insbesondere all er­gische Manifestationen bei unterschied­lichen Krankheitsbildern sowie auch Kollagenosen, d. h . Autoimmunerkran­kungen oder Connective-Tissue-Mani­festationen.

Akute metabolische Erkrankungen wie Gicht, Hyperthyreose, Porphyrie oder Hypertriglyceridämie und Addison­Krankheit.

Unterschiedliche Ursachen wie beispiels­weise Sarkoidose, granulomatöse Hepatitis und dissezii erendes Aortenaneurysma.

Auch sehr seltene Ursachen wie das soge­nannte Pseudofieber, welches durch Selbst­erzeugung (Münchhausen-Syndrom) oder auch als habituelles oder konstitutionelles Fieber auftreten kann .

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März!Apri/1995 - 16.jahrg.

Erkrankungen mit zumeist länger anhaltendem Fieber

[ INFEKTIONEN

Granulomatöse Infektionen Tuberkulose Tiefsitzende Pilzinfektionen

Eitrige Infektionen Oberbauchinfektionen C holezystitis (Stein), Gallenblasen­empyem C holangitis Leberabszeß subhepa tisch er Abszeß

Unterbauchinfektionen Divertikulitis Appendizitis

Entzündliche Beckenerkrankungen

Harntraktinfektionen Pyelonephritis intrarenaler Abszeß perinephritischer Abszeß Ureterobstruktion Pros tataabszeß

Sinusitis

Bakterielle Endokarditis (akut und subakut)

Bakteriämien ohne erkennbaren Primärherd

Men ingokokkämie Gonokokkämie Vibriose Listeriose Brucellose Kryp togene Bakteriämie bei Zirrhose-Patienten

Virale, Rickettsien -und Chlamydieninfektionen

Infektiöse Mononukleose Cytomegalie Coxsackie-B

Q Fieber ( einschl. Endokarditis) Psittakose

Parasitäre Erkrankungen Amöbiasis Malaria Trichinos is

Spirochäteninfektionen Leptospirose Rückfa ll -Fieber

[ NEOPLASIEN

Solide (lokalisierte) Neoplasien Niere Lunge Pankreas Leber Darm Vorhof-Myxom

Metastasen vom Gastrointestinaltrakt von Lunge, Nieren, Knochen Melanom e

Tumoren des retikuloendothelialen Systems

Lymphom, M. Hodgkin Leukämien Retikulum-Zell-Sarkom mul tiples Myelom (selten)

Unklassifiziert Unklassifizierte lymphatische Erkrankungen (immunoblastische Lymphadenopathie ; Iymphoma­taide Granulomatose; Schleim­hautlymphknote.n-Syndrom (Kinder) Diffuses Knochensarkom

BINDEGEWEBS ERKRAN­KUNGEN

Rheumatisches Fieber Systemischer Lupus erythematodes Rheumatoide Arthritis (einschl. M. Still) Arteriitis temporalis (Polymyalgia rheumatica) Hypersensitive Vaskulitis Periarteriitis nodosa Wegener'sche Granulomatose

VERSCHIEDENES

Arzneimittelfieber multiple Lungenembolien Sarkoidose Thyreoiditis hämolytische Zustände idiopatisches Trauma mit Blutung in einen umschlossenen Raum Enteritis regionalis mit M.Whipple granulomatöse Hepatitis Aneurysma dissecans (mit oder ohne Infektion)

STOFFWECHS EL- UND ERBKRANKHEITEN

Familiäres Mittelmeerfieber Hypertriglyceridämie und Hypercholesterinämie M. Fabry

PS EUDOFIEBER

Habituelle Hyperthermie künstliches Fieber

PERIODISCHES FIEBER, z. B. zyklische Neutropenie THERMOREGULATIONS­STÖRUNGEN UNDIAGNOSTIZIERT

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Zeitschrift für Chemotherapie

Fieber bei Infektionserkrankungen Neben der normalen Anamnese soll bei Verdacht auflnfektionserkrankungen auf einige Besonderheiten geachtet werden. Fragen nach Umgebungserkrankungen und - kontakte (auch Tierkontakte), be­sonderen Nahrungsmitteln, Epidemien, früheren Infektionen, Auslandsreisen, beruflicher Gefährdung sowie die gynä­kologische Anamnese mit AuffäHigkeiten der Menstruation, Zahl der Aborte und die sehr wichtige Erhebung der Prodromi sind hierbei zu erwähnen. Natürlich ist die gerraue Befragung über Art der Fieber­manifestation, Verlauf der Fieberkurve und Begleiterscheinungen besonders be­deutsam.

Generell können mehrere Fiebertypen unterschieden werden, die sich leider heute durch die Einnahme von Anti­biotika nicht mehr eindeutig darstellen lassen .

- Das remittierende Fieber, also ein Fieber, welches eine mäßige Erhöhung von maxi­mal 39 ° C zeigt mit einer täglichen Nor­malisierung meist im Abend-Morgen­Rhythmus; diesen Fiebertyp mit maxi­malen täglichen Schwankungen um 1 bis 1,5 ° C gibt es vermehrt bei bakteriellen Lokalinfektionen, jedoch auch bei einigen Viruserkrankungen.

- Das intermittierende Fieber ze igt hin­gegen eine deutlich höhere Temperatur­schwankung zwischen morgens und abends und zwar mit abendlichen Tempe­raturen in der Regel über 39,5° C und morgens annähernd normalen Tempera­turen unter 37° C bis 37,5 ° C . Der Patient empfindet diese massiven Temperatur­schwankungen als außerordentlich unan­genehm und belastend, da sie in der Regel auch mit starkem Schweißausbruch ver­bunden sind. Typische Krankheitsbilder fur diese Fieberkurven sind septische Krankheitsbilder mit täglichen bakteri­ämischen Streuungen wie beispielsweise bei der Endokarditis.

- Die Fieber-Kontinua besteht aus einer morgens und abends fast gleichen Tempe­raturhöhe, wobei die Temperatur sich etwa pro Tag zwischen 38° C und 40° C bewegt und besonders bei zyklischen In­fektionen wie Typhus, Malaria, Ornithose oder Miliartuberkulose auftritt. Recht typisch ist hierbei auch die relative Brady­kardie , d. h. die inadäquate Herz­frequenzsteigerung.

- Das Wechsel- oder Rhyth m usfieber, wie wir es bei bestimmten Formen der Malaria kennen, oder auch das sogenannte undu­lierende Fieber, wie es neben der Brucel­lose z. B. auch bei bärnatologischen Er­krankungen vor allem bei e1mgen Hodgkin-Patienten als sogenanntes Pel-Ebstein-Fieber auftreten kann .

Kennzeichnend für eine Infektionskrank­heit sind ein plötzlicher Beginn mit hohem

März/Apri/1995 -16.jahrg.

Antibiotikatherapie im ärztlichen Alltag (2) Kasuistik: Bei einer68jährigen Patientirr mit mäßigerchronisch venöser Insuffizienz im Bereich der unteren Extremitäten besteht seit zwei Tagen eine schmerzhafte, ödematöse und indurierte, scharfbegrenzte rote Schwellung im Bereich des linken Unterschenkels. Die Ausdehnung des Befundes hat zugenommen und beträgt zum Zeitpunkt der jetzigen Konsultation ca. acht mal zwölf Zentimeter. Die Haut imponiert wie eine Orangenhaut. Zusätzlich berichtet die Patientirr über seit zwei Tagen bestehende Temperaturen um 38,8 ° C . Hämatologisch findet sich eine Leukozytose von 15 .000 Leukozyten/ J..ll.

Bemerkungen: Der klinische Befund einer schmerzhaften mit Schwellung einhergehenden scharf umschriebenen Hautrötung ist typisch für ein Erysipel. Als Risikofaktor ist bei der Patientirr die chronisch venöse Insuffizienz der unteren Extremität anzusehen. Ein Erysipel wird üblicherweise durch Streptokokken der Serogruppe A induzierti seltener finden sich C- oder G-Streptokokken. Infektionen mit B-Streptokokken sind nur bei Neugeborenen beschrieben. Eine Sicherung des Erregers kann lediglich bei ulzerösen Veränderungen mittels Abstrich erfolgen . Bei einem kleinen Teil der Patienten findet man im Rachenabstrich Streptokokken; ungefähr 5% der Verläufe gehen mit einer Bakteriämie einher. Die Erkrankung nimmt unbehandelt einen progredienten Verlauf und kann dann zu lokalen und systemischen Komplikationen führen. Eine antibiotische Therapie ist daher immer indiziert.

Therapie: Milde Formen eines Erysipels können mit einer oralen Penicillintherapie (Penicillin V/ MEGACILLIN u.a.) behandelt werden, bei schwereren Krankheitsbildern ist eine parenterale Therapie mit Penicillin G(Penicillin"GRÜNENTHAL'' u. a. )vorzu­ziehen. Die Therapiedauer sollte wie bei anderen Streptokokkeninfektionen zehn Tage betragen. Bei der oralen Therapie werden viermal täglich 500 mg Penicillin V gegeben, bei der parenteralen Therapie sollten ein bis zwei Mega viermal täglich appliziert werden. Die häufigsten Nebenwirkungen einer Penicillintherapie sind gastrointestinaler Art (Übelkeit, Inappetenz). Vor jeder Penicillintherapie ist nach einer anamnestisch bekannten Penicillinallergie zu fahnden, die eine Kontraindi­kation darstellt. Alternativen: Bei Penicillinunverträglichkeit kann mit Erythromycin 500 mg viermal täglich parenteral behandelt werden, bei der oralen Therapie mit einem Makrolid können Clarithromycin (KLACID; zweimal 500 mg), Roxithromycin (RULID; einmal 300 mg) oder Azithromycin (ZITHROMAX; Gesamtdosis 1,5 gentweder in drei oder fünf Tagen appliziert) eingesetzt werden . Selbstverständlich sind Strepto­kokken auch gegen viele andere ß-Laktam-Antibiotika sensibel, in der Regel ist jedoch die Gabe von ß-Laktam-Antibiotika mit breiterem antimikrobiellen Aktivi­tätsspektrum nicht indiziert. Staphylokokken spielen lediglich bei ulzerierenden Infektionen im Sinne einer Superinfektion eine Rolle, hier ist der orale Einsatz von Dicloxacillin (DICHLORSTAPENOR; 3-4 x 0,5 -1,0g) Flucloxacillin (STAPHY­LEX; 3-4 x 0,5 -1,0g) oder Clindamycin (SOBELIN; dreimal täglich 300 mg) möglich.

Ungeeignet in diesem Fall: Antibiotika mit breitem antimikrobiellen Aktivitäts­spektrum sowie Fluorochinolone haben prinzipiell keine Indikation bei der Behandlung des Erysipels.

Fieber mit und ohne Schüttelfrost, respi­ratorische Symptome wie Halsschmerzen, unproduktiver Hustenreiz, deutliches Krankheitsgefühl , Muskel-, Glieder- und Knochenschmerzen, Lichtscheu, Augen­schmerzen, Cephalgien, weiterhin gastro­intestinale Symptome wie Übelkeit, Brechreiz, Diarrhöen; darüberhinaus sind akute Lymphknoten- und Milz­vergrößerungen, aber auch Meningismus sowie Dysurie, Pollakisurie und Flanken­schmerzen Hinweise auf eine mögliche bakterielle Genese . Bei derartigen Symp­tomen sollte man nicht sofort Antibiotika geben, sondern zunächst eine adäquate mikrobiologische Diagnostik einleiten . Besteht nur der geringste Zweifel, ob es

sich wirklich um ein infektionsbedingtes Fieber handelt, sollte keine Chemothe­rapie begonnen, sondern unbedingt auch an die vielfaltigen anderen Möglichkeiten von Fieber nachhaltig gedacht werden (Tabelle 1 ).

Die Basisuntersuchung bei fiebernden Patienten so llte zunächst einen schnellen Überblick gewährleisten, indem die Be­wußtseinslage, die Situation von Herz­Kreislauf, Veränderungen der Haut und der Körpertemperatur geprüft werden.

Ein kurzes Laborprogramm nach der vertieften körperlichen Untersuchung dient sowohl der Diagnosefindung als auch der erweiterten Beurteilung des

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Zeitschrift für Chemotherapie

Pati enten . Hierzu gehören ein Blutbild mit Diffe rentialausstrich, die Blutsen­kungsreaktion, die Bes timmung von C RP, Bilirubin, Transaminasen, ein Urin­status m it Sediment sowie, fall s sinnvoll, die entsprechenden mikrobio logischen diagnostischen Analyse n einschließlich eines Gram-Präparates.

Ist di e Diagnose der zugrundeliegenden fie berveru rsachenden Erkrankung nicht zweife lsfrei we itgehend gesichert , sollte bei nicht gefährdeten Patienten mit thera­peutischen Maßnahmen abgewartet werden . Bei älteren Patienten, vor allem, we nn we itere Grunderkrankungen wie Herzinsuffizienz vorliegen , und bei sehr jungen Patienten ist eine Fiebersenkung bei Temperaturen über 39,5 ° C z. B. mit Ace tylsa li zylsäure oder auch Phenyl­butazon durchaus vorübergehend zu empfehlen .

Bes teht ein Fieberzustand länger als zwei bis drei Wochen und ist dieser ursächlich in dieser Ze it nicht gekl ärt worden , handelt es sich um sogenanntes Fieberunbekannter Herkunft (FU O ). Hier muß prinzipiell auf der Bas is europäischer und nordame­rikani scher Untersuchungen mit letztlich fo lgenden Erkrankungen nach der end­gültigen Klärung gerechnet werden: Un­gefähr in 40 % Infektionen , in 25% Tumoren , in 20 % immunologische Er­kranku nge n einschließ lich Koll agenasen und in etwa fünf bis 10% sehr seltene Ursachen beziehungsweise keine Klärung der Diagnose.

ZUSAMMENFASSUNG: Fieber ist eines der häufigsten Symptome, die zu einer Arztkonsultation führen. Zahl­reiche und sehr differente Ursachen müssen bei dem Symptom Fieber vom Arzt beachtet werden. Neben infektiösen Grundlagen muß ätiologisch auch an Tumoren, lmmunerkrankungen, Arznei­mittelfieber, Traumen, vaskuläre bzw. metabolische Erkrankungen sowie auch sehr seltene Ursachen einschließlich des selbst induzierten Fiebers gedacht werden. Vor der unreflektierten Gabe eines Anti­biotikums muß eine sorgfaltige Anamne­seerhebung, eine gründliche körperliche Untersuchung und ein Kurzlaborpro­gramm ablaufen. Im Zweifel sollte auf eine antibiotische Therapie verzichtet werden und erst eine diagnostische Klä­rung des Krankheitsbildes angestrebt werden.

Literatur bei der Redaktion.

Wichtige Infektionen in den USA-1994 Pünktlich in der ersten Ausgabe 1995 des wöchentlichen Reports der zentra len Gesundheitsbehörde der USA (CD C) wurden die Zahlen des abgelaufenen Jahres 1994 bis zum 31. Dezember mitgeteilt . Die häufigste meldepflichtige Infektions-

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erkrankungmit 400.592 Patienten wardie Gonorrhö. Gefolgt war diese von AIDS­Infektionen (78.126), wobei New York City mit 12.724, Kalifornien mit 12.136 und Florida mit 8.617 Erkrankungen am meisten betroffen sind . Auf eine Erkran­kung an einerviralen Hepatitis Aentfielen 23.507 Fälle , 11.402 auf Hepatitis B und 4.233 Erkrankungen auf Non-A-Non-B Hepatitis . Tuberkulose wurde mit 22 .152 Erkrankungen repartiert, die primäre und sekundäre Syphilis um faßte 20.183 Fälle. Die Lyme-Krankheit wurde 11.424 mal gemeldet, eine Meningokokken-Menin­gitis in 2.638 Fällen . Eine aseptische Menin­gitis betraf8.050 Patienten . Erfreu lich war der Rückgang an Masern, die nur noch bei 895 Patienten beobachtet wurden, sowie die relativ niedrige Zahl an Malaria mit 1.065 Erkrankungen. Auch das toxische Schocksyndro m wurde nur bei 183 Pa­tienten registriert und bei einer Erkran­kung an Poliomyelitis handelte es sich um eine Erkrankung im Rahmen einer Vakzi­nation .

MMWR 43: 967- 97 1; 1995

Neueinführung Famciclovir- ein neues Virostatikum zur Behandlung von Herpesinfektionen

Penciclovir ist ein neuentwickeltes Nukleo­sidanalog mit antiviralen Eigenschaften. Die Bioverfügbarkeit dieses neuen Wirk­stoffes ist jedoch nicht ausreichend, um ihn zur oralen Therapie einzuse tzen . Da­her wurde Famciclovi r (FAMVIR), ein Prodrug des Wirkstoffes entwickelt, der sich durch gute pharmakokinetische Eigen­schaften auszeichnet und seit einigen Wochen nun auch in Deutschland zur Behandlung von Herpes-Infektionen an­geboten wird .

Antivirale Eigenschafte n Zum antiviralen Spektrum von Penciclovir gehören in erster Linie das Varizella-Zoster­Virus,HerpessimplexVirusTyp 1 undTyp2 und das Epstein Barr-Virus.Auch gegenüber Cytomegalie-Viren und Hepatitis-B-Viren ist die Verbindung in vitro wirksam.

Penciclovirwird in virusinfizierten Zellen durch di e virale Thymidinkinase in das

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Famciclovir (FCV)

März!April1995 -16.jahrg.

entsprechende Penciclovir-Monophosphat umgewandelt. Anschließend erfolgt intra­zellulär in weiteren Phosphorylierungs­schritten die Umwandlung in das Tri­phosphat, welches den eigentlichen Wirk­stoff darstellt . Penciclovir-Triphosphat hemmt kompetitiv die virale DNA-Poly­merase und führt nach Einbau in die DNA zum Kettenabbruch. Das antiviral wirksame Triphosphat besitzt in Zellen, die mit dem Varizella-Zoster-Virus infi­ziert sind, eine intrazelluläre Halbwert­zeitvon etwa 9 Stunden.

Der molekulare Wirkungsmechanismus des Penciclovir ist also mit dem Mechanis­mus von Aciclovir (ZOVIRAX u. a.) und anderen Nukleosid-Analoga vergleichbar und im Prinzip identisch, doch zeichnet sich das biologisch aktive Triphosphat durch eine deutlich längere (ca. 10fache) intrazelluläre Halbwertzeit aus. 1

Ph armaka kineti sche Eigenschaften Da Penciclovir nicht in ausreichendem Maße aus dem Gastrointestinaltrakt re­sorbiert wird, ist Famciclovir entwickelt worden, aus dem im Organismus Pencic­lovirentsteht. Chemisch gesehen ist es das Diacetyl-5-deoxy-Analog des Penciclovir. Die Abspaltung der beiden Acetylreste, sowie die Oxidation des Moleküls erfolgen rasch, so daß der Arzneistoff nach oraler Gabe des Medikamentes im Plasma oder Urin nicht, oder nur in sehr geringen Konzentrationen, nachweisbar ist.

Die Bioverfügbarkeit von Famciclovir wurde mit 77% errechnet . Die Spitzen­spiegel vo n Penciclovirwerden nach etwa 45 Minuten erreich t, die Substanz wird mit einer Halbwertzeit von etwa 2 Stunden überwiegend renal elimin iert . Die Spitzen­konzentration nach Einnahme von 250 mg liegt bei 1,6 mg/ 1 und die "Fläche unterder Konzentrations-Zeit-Kurve" wurde mit 4,3 mg x h/ 1 berechnet . In einem Dosis­bereich von 125 bis 750 mg Famciclovir verändern sich die pharmakakinetischen Parameter linear. 2

Bei gleichzeitiger Verabreichung des Chemotherapeutikums mit einer Mahl­zeit ergab sich keine signifikante Verände­rung der BioverfügbarkeiL Die Spitzen­konzentration im Plasma war zwar niedriger als bei nüchterner Einnahme , doch waren die AUC-Werte nicht signifikant unter­schiedlich.

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Penciclovir (PCV)

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Zeitschrift für Chemotherapie

Interaktionen In mehreren Studien an gesunden Pro­banden wurde überprüft, ob Famciclovir zu klinisch relevanten Interaktionen mit anderen gleichzeitig gegebenen Arznei­mitteln führt. In diesem Zusammenhang muß bedacht werden, daß Famciclovir nicht nur durch Esterhydrolyse, sondern auch durch oxidative Schritte in den eigent­lichen Wirkstoff umgewandelt werden muß. Da die Möglichkeit diskutiert wurde,daß das EnzymXanthinoxidase an dieser Umwandlung beteiligt sei, wurde zunächst eine Interaktionsstudie mit Allopurinol (ZYLORIC u. a.) - einem Hemmstoff der Xanthinoxidase- durch­geführt; es ergab sich kein Anhalt für eine relevante Beeinflussung der Pharma­kakinetik von Famciclovir durch das Urikostatikum. Zu ähnlichen Resultaten führten weitere Interaktionsstudien mit Cimetidin (TA GAMET u. a.), Theophyllin (EUPHYLLIN u. a.) und Digoxin (LANI­COR u. a.). In keinem Fall konnte eine relevante Interaktion festgestelltwerden. 3

Therapeutische Wirksamkeit In doppelblind durchgeführten klinischen Studien zur Therapie des akuten Herpes zoster bei immunkompetenten Patienten erwies sich die Behandlungmit3 x250 mg Famciclovir pro Tag hinsichtlich der Verkürzung der Hautsymptomatik als ebenso wirksam wie die tägliche Behand­lung mit 5 x 800 mg Aciclovir.4 Auch die Gabe von Famciclovir muß möglichst rasch nach Auftreten der Symptomatik erfolgen(< 72 Stunden). Im Vergleich mit Aciclovir waren die mit Famciclovir be­handelten Patienten signifikant schneller schmerzfrei, wenn die Therapie innerhalb von 48 Stunden nach Manifestation der Hautsymptome und vor Verkrustung begonnen wurde. Die Frage, ob das neue Virustatikum einen positiven Effekt auf die Entwicklung postherpetischer Schmerzen hat, kann zur Zeit noch nicht abschließend beurteilt werden.

Unerwünschte Wirkungen Während einer Doppelblindstudie erwies sich Famciclovir als ebenso gut verträg­lich wie Aciclovir. Am häufigsten wurden gastrointestinale Störungen und ZNS­Reaktionen gesehen. Die Gesamtrate der "unerwünschten Erscheinungen", die während dieser Untersuchung beobachtet wurden, lag bei 22% (Famciclovir) bzw. 21% (Aciclovir) der Patienten. Diese An­gaben beinhalten auch jene Reaktionen, die hinsichtlich des kausalen Zusammen­hanges mit dem jeweiligen Medikament nicht beurteilt werden konnten.4

ZUSAMMENFASSUNG: Famciclovir (FAMVIR) wird im Organismus zu Pencic­lovir metabolisiert. Dieses Nukleosid­analog wirkt nach weiterer Umwandlung zum Triphosphat virustatisch. Da das Medikament eine deutlich bessere Bio-

verfugbarkeit besitzt, als Aciclovir (ZO­VIRAX u. a.) und der Wirkstoff intra­zellulär eine wesentlich längere Verweil­dauer aufWeist, kann das neue Arznei­mittel in relativ niedriger Dosierung ver­abreicht werden (3 x täglich 250 mg). In klinischen Vergleichsstudien bei immun­kompetenten Patienten mit Zoster war eine entsprechende Behandlung minde­stens ebenso wirksam und gleich gut ver­träglich, wie die Behandlung mit 5 x 800 mg Aciclovir. Entscheidend ist jedoch bei beiden Medikamenten ein rascher Be­handlungsbeginn. Weitere Studien werden derzeit weltweit durchgefuhrt, um die Indikationen fur Famciclovir zu erwei­tern. Daher kann der genaue Stellenwert des neuen Virostatikums zur Therapie von Infektionen durch Herpesviren noch nicht abschließend beschrieben werden. Ganz sicher stellt es jedoch eine interes­sante Alternative zum Aciclovir bei Patienten mit Zoster dar.

1. VEREHODGE,R.A.etal. Antimicrob. Agents Chemother. 33: 223-229, 1989

2. PUE,M.A.,BENET,L.Z. Antiviral Chem. & Chemother. 4 (Suppl): 47-55, 1993

3. DANIELS, S., SCHENTAG ,J.J. Antiviral Chem. & Chemother. 4 (Suppl): 57-64, 1993

4. DEGREEF, H. et al. , lnt.J. Antimicrob. Agents 4: 241-246, 1994

MiHel der Wahl Einmaldosis von Ciprofloxacin bei der Reisediarrhö Die akute Diarrhö ist die häufigste Er­krankung von Reisenden, die aus entwik­kelten in unterentwickelte Länder reisen. Die Erkrankungshäufigkeit beträgt zwi­schen 30 und 40%. Zwar ist die Erkran­kung im allgemeinen nicht schwer, jedoch wird sie als ungemein lästig empfunden und führt bei einem Drittel der erkrankten Reisenden zu einer kurzfristigen Bettläge­rigkeit. Obwohl die Reisediarrhö eine in der Regel selbstlimitierend verlaufende Erkrankung ist, konnte in der Vergangen­heit mehrfach gezeigt werden, daß eine drei- bis fünftägige Breitspektrum-Anti­biotikatherapie sowohl die Dauerals auch die Schwere der Erkrankung deutlich min­dern kann. Eine englische Arbeitsgruppe untersuchte jetzt die Effektivität einer einzelnen 500 mg-Dosis von Ciprofloxa­cin (CIPROBAY) bei der akuten Reise­diarrhö. Hierzu wurden in einem doppel­blinden, prospektiven, placebokontrol­lierten Studiendesign 88 britische Soldaten untersucht, die innerhalb der ersten vier Wochen eines Einsatzes in Belize an einer Diarrhö erkrankten. Die Randomisierung erfolgte entweder auf eine Einmaldosis von 500 mg Ciprofloxacin oder auf eine entsprechende Placebotablette. Als Meß-

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parameterzeichneten die Probanden die Anzahl und Konsistenz der Stühle sowie weiterer Symptome innerhalb der auf die Tabletteneinnahme folgenden 72 Stunden auf. Von den 83 auswertbaren Patienten erhielten 45 Ciprofloxacin und 38 Pla­cebo. Beim Einschluß in die Studie unter­schied sich der Schweregrad der Diarrhö und die Dauer der Erkrankung seit den ersten Symptomen nicht zwischen den beiden Gruppen. Die mittlere Dauer der Durchfalle, definiert als die Zeit bis zum letzten dünnflüssigen und bis zum letz­ten ungeformten Stuhl, betrug in der Ciprofloxacingruppe 20,9 bzw. 24,8 . Stunden, wohingegen die Probanden aus der Placebogruppe noch nach 50,4 Stunden flüssigen Stuhl abgesetzt hatten und über den letztenungeformten Stuhl nach 53,5 Stunden berichteten. Dieser Unterschied war hochsignifikant. Auch die Anzahl der flüssigen Stühle konnte durch die Ein­nahme von Ciprofloxacin in der Einmal­dosierung von 11,4 auf 5,0 reduziert werden. Bereits nach 48 Stunden berich­teten 82% der Probanden aus der Cipro­floxacingruppe wieder über festen Stuhl­gang, wohingegen dieser Anteil in der mit Placebo behandelten Gruppe lediglich 42% betrug.

Wesentliche Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet.

SCHLUSSFOLGERUNG DER AUTO­REN: Die Einmaldosis von 500 mg Cipro­floxacin (CIPROBAY) ist eine effektive Behandlungsmaßnahme, um die Dauer und Schwere einer Reisediarrhö zu limi­tieren. Im Vergleich zu anderen mehrtägi­gen Antibiotikaregimen ist zu erwarten, daß die Einmaldosierung von Ciproflo­xacin die Compliance und die Therapie­kosten deutlich senken kann. SALAMI.etal.,Lancet 1994; 344:1537-39

Antibiotika-Behandlung der Rechtsherzendokarditis bei Drogenabhängigen Eine Rechtsherzendokarditis wird bei Drogenabhängigen häufig nachgewiesen. Die Prognose ist mit einem parenteralen Antibiotikum gegen Staphylokokken wie Flucloxacillin (STAPHYLEX) in Kombination mit einem Aminoglykosid im allgemeinen sehr gut. Allerdings ent­ziehen sich viele Drogenabhängige nach Besserung der klinischen Symptome der Behandlung, so daß nicht selten die Standardbehandlungsdauer von vier bis sechs Wochen nicht eingehalten werden kann.

Im allgemeinen ist eine Klappenendo­karditis des rechten Herzens weniger aggressiv als die des linken Herzens. Dies hängt neben der unterschiedlichen hämedynamischen Beanspruchung des Klappenapparates und dem Fehlen syste­mischer septischer Metastasen auch von

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der geringeren Keimdichte und von der besseren Penetration der Antibiotika in die Klappenvegetationen ab.

Daher erschien es drei Zentren sinnvoll, die Wirksamkeit einer zweiwöchigen Kombinationsbehandlung mit einem Antistaphylokokkenmittel und einem Aminoglykosid bei einer akuten, durch S. aureus ausgelösten Rechtsherzendokar­ditis prospektiv zu untersuchen. In der ersten Studie wurden 72 drogenabhängige Patienten mit einer Trikuspidalklappen­endokarditis mit Flucloxacillin 6 x 2,0 g und Arnikaein (BIKLIN) 2 x 7,5 mg/kg i.v. behandelt. Eine Heilung konnte bei 71 der 72 Patienten erreicht werden, wobei vier Patienten einen längeren Behand­lungszyklus benötigten . In keinem Fall trat ein Rezidiv auf, ein Patient verstarb. Der Tod stand nicht mit der Dauer der Therapie in Verbindung.

In einer zweiten Studie, in der 50 Patienten Nafcillin (in Deutschland nicht im Handel) 6 x 1,5 g und Tobramycin (GER­N EBCIN) 3 x 1 mg/kg i.v. erhielten , heilte die Trikuspidalklappeninfektion bei 47 Patienten (94%) aus, drei Patienten entwickelten ein Rezidiv, keiner verstarb .

In einer weiteren Studie aus Spanien, bei dereine identische Behandlungwie in der ersten Studie durchgeführt wurde, konnten alle 12 Patienten erfolgreich behandelt werden.

FOLGERUNG DERAUTOREN: Drogen­abhängige Patienten entziehen sich nicht selten medizinischen Behandlungsmaß­nahmen. Drei prospektive nicht verglei­chende Studien untersuchten daher den Wert einer zweiwöchigen antibiotischen Kombinationstherapie bei drogenabhän­gigen Patienten mit einer S. aureus indu­zierten Rechtsherzendokarditis . Unter der Voraussetzung einer alleinigen Rechtsherzbeteiligung und nachgewiesener Methicillinempfindlichkeit der in Frage kommenden S. aureus spp. war die Kurz­zeitbehandlung, bestehend aus einem Staphylokokken-wirksamen Antibiotikum und einem Aminoglykosid, in über 95% der Fälle sicher und erfolgreich.

CHAMBERS, H. F. et al. Ann. lnt. Med. 1988 ; 109: 619-24 ESPINOSA, F.J. et al. Enferm. Infect. Microbiol. Clin. 1993 ; I I: 3235- 40 DINUBILE, M.J. Ann. In t. Med. I 994; I2I: 873 - 6 TORRES-TORTOSA, M. et al. Eur.J. Clin. Microb. Inf. Dis. I 994; 13:533- 4

Hochdosierte Acicloviranwendung bei älteren Patienten mit Herpes zoster Aciclovir (ZOVIRAX) wird seit etmger Zeit auch für die hochdosierte Behand­lung des Herpes zoster eingesetzt, aller­dings nur mit mäßigem Erfolg. Ältere Patienten sind von dieser Erkrankung vor allem betroffen und dieses Patienten-

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kollektiv sollte wegen nachlaßender Nierenfunktion mit besonderer Vorsicht behandelt werden (vgl. "ZCT" 14 : 15-16, 1993). Aciclovir hat eine schlechte Bio­verfügbarkeit und wird im wesentlichen renal ausgeschieden. Die Datenlage zur Pharmakakinetik bei alten Patienten war bislang schlecht, eine entsprechende Studie daher längst überfällig. Bei 78 Patienten mit einem Mindestalter von 60 Jahren (Mittelwert 72 Jahre), die unter einem akuten Herpes zaster-Aus­schlag litten, wurde hochdosiertes Acic­lovir ( fünfmal täglich 800 mg) über sieben Tage doppelblind mit Placebo verglichen. Die Aciclovir-Talspiegel und die Nieren­funktion wurden bei 32 der 37 Aciclovir­empfänger an den Tagen zwei oder drei und sechs oder sieben bestimmt. Zehn Patienten der Aciclovirgruppe standen unter einer Diuretikatherapie, die, verglichen mit den Patienten ohne zusätzliche Diuretikagabe, zu einer sig­nifikanten Erhöhung der Talspiegel von 7,9 ~mol/1 auf 15,5 ~mol/1 führte. Die Auswertung der Patienten ohne zu­sätzliche Diuretikatherapie gab keinen Hinweis auf eine Kumulation des Virusta­tikums . Bei keinem Patienten aus der Aciclovirgruppe kam es zu einem signifi­kanten Anstieg des Serumkreatinins oder Harnstoffwertes. Im Vergleich zu jungen Probanden waren die Talspiegel (8,7~mol/l; 11 ,1 ~mol/1; 9,9 ~mol/1 ; 12,5 ~mol/1) deutlich erhöht. Die Häufigkeit von unerwünschten Wir­kungen lag bei 9 von 37 in der Verum­gruppe und 17 von 41 in der Placebo­gruppe . Drei Patienten aus der Aciclovir­gruppe brachen allerdings die Therapie ab, Gründe waren Erbrechen, Hautaus­schlag und Verwirrtheitszustände .

FOLGERUNG DER AUTOREN: Eine hochdosierte Aciclovir-(ZOVIRAX u. a.)­Behandlung bei älteren Patienten mit offensichtlich normaler Nierenfunktion fiihrt zwar zu erhöhten Talspiegeln, ist aber nicht mit signifikanten unerwünschten Wirkungen assoziiert. Eine Dosisanpassung wird fiir die Patienten empfohlen, deren Nierenfunktion eingeschränkt ist bzw. die unter einer Diuretikatherapie stehen. WOOD, M.J . et al. J. Antimic. Chemother. 33: I245- I249, 1994

Langzeitwirkung von intranasal verabreichtem Mupirocin S. aureus- Infektionen gehören zu den häufigsten im Krankenhaus erworbenen Infektionen. Bei vielen Personen lassen sich die Erreger in den Nasenöffnungen nachweisen, so daß diese Stelle als Erreger­reservoir angesehen wird . Bekannt ist, daß S. aureus-Träger bei Vorliegen von be­stimmten Risiken, wie chronische Hämo­dialyse, häufiger Infektionen mit diesem Keim entwickeln als Personen ohne ent­sprechenden Keimnachweis.

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In einerprospektiven Ein-Jahr-Kohorten­studie wurde die Wirksamkeit von Mupi­rocin (TURIXIN), einem lokal applizier­baren Antibiotikum mit bervorzugter Wirkung gegen S. aureus, gegen Plazebo bei 68 positiven Keimträgern verglichen . Die Personen erhielten über fünf Tage zweimal täglich entweder Plazebo oder 2% Mupirocin-Salbe in beide Nasenöff­nungen. Mikrobiologische Kontrollen mit Restriktions-Endonuklease-Analysen erfolgten vor, sechs Monate und 12 Mo­nate nach Behandlung.

S. aureus konnten nasal nach 12 Monaten noch bei 53% der Behandlungsgruppe und 76% der Plazebogruppe nachgewiesen werden (p = 0.056). Signifikant war der Unterschied hinsichtlich derTrägerrate an den Händen : 15% versus 48% nach sechs Monaten (p=0.04). Eine Rekolonisierung mit einem neuen S. aureus-Stamm trat bei 36% der Behandlungsgruppe auf, bei 64% wurde der gleiche Keim nach initia­lem Verschwinden nachgewiesen. Unter Berücksichtigung des Resistenzverhaltens und der Ergebnisse der Restriktions-Endo­nuklease-Analyse waren die Stämme so­wohl an den Nasenöffnungen als auch an den Händen der Untersuchungspersonen identisch, was die Bedeutung der Nase als Keimreservoir unterstrich.

FOLGERUNG D ER AUTOREN: Eine fiinftägige nasale Applikation von Mupi­rocin (TURIXIN) fiihrte zu einereffektiven und langanhaltenden Verminderung der Kolonisation der N asenöffnungen von S. aureus. Gleichzeitig wurde auch die Handkolonisierung signifikant reduziert. Eine Rekolonisierung fand sich nach einemJahrmit neuen wie mitinitialschon nachgewiesenen S. aureus-Stämmen.

DOEBBELING, B. N. et al. Arch. Int. Ned. 154: 1505- 1508,1994

Amphotericin B oder Fluconazol in der Behandlung einer Candida­Sepsis bei nichtneutropenischen Patienten Die klinische Bedeutung von Candida spp. im Blut ist nach wie vor ungeklärt, insbesondere dann, wenn die Candi­dämie bei liegenden intravaskulären Ka­thetern auftritt. Neuere Untersuchungen sprechen allerdings dafür, daß die Leta­lität von Patienten mit Candida spp. im Blut deutlich über derjenigen ohne eine entsprechende infektiöse Komplikation liegt .

In einer randomisierten, multizentrischen Studie wurde die klinische Effektivität und Verträglichkeit von Amphotericin B (AMPHOTERICIN B) mit Fluconazol (DIFLUCAN) bei Patienten ohne ausge­prägte Immunsuppression (z . B. AIDS, akute Leukämie, Neutropenie unter 500/~1 ) verglichen.

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Es wurden nur solche Patienten auf­genommen, bei denen mindestens eine positive Blutkultur für Candida spp. sowie entweder erhöhte Temperaturen, eine arterielle Hypotension oder sonstige Zeichen einer Infektion vorlagen. Die Patienten erhielten randomisiert ent­weder Fluconazol 400 mg intravenös (zum Teil auch nach sieben Tagen oral) oder Amphotericin B 0,5-0,6 mg/kg über mindestens 14 Tage.

Von 237 Patienten konnten 206 ausgewertet werden, die überwiegend an nichthäma­tologischen Tumoren, Nierenversagen oder gastrointestinalen Leiden erkrankt waren. In jeweils 60% der Patienten wurde der Venenkatheter nach Auftreten der Candidämie entfernt . Am häufigsten fand sich Candida albicans, deutlich seltener C . tropicalis, C . glabrata u. a .. Kein Unterschied zeigte sich in der Responserate: 81 der103 Patienten (79 %) konnten mit Amphotericin B erfolgreich behandelt werden, 72 der 103 Patienten (70 %) mit Fluconazol. Dieser Unter­schied wurde erst dann grenzwertig signi­fikant, als in einer zweiten Auswertung nur Patienten berücksichtigt wurden, die mindestens fünfTage antimykotisch be­handelt worden waren. Allerdings fand sich in einer Intention-to-treat-Analyse ebenfalls kein Unterschied zwischen den beiden Regimen. Eine Erregerelimination aus dem Blut gelang bei 12 Patienten unter Amphotericin B nicht im Vergleich zu 15 Patienten unter Fluconazol (nicht signifikanter Unterschied). Ebenfalls kein Unterschied fand sich in der Letalität: 75 der 206 Patienten verstarben (36%), 41 hiervon in der Amphotericin B-Gruppe. Signifikant häufiger wurden renale Unverträglichkeitsreaktionen und Hypo­kaliämien durch Amphotericin B beob­achtet, Leberenzymveränderungen waren mit beiden Substanzen gleich häufig.

In einem Kommentar wurde die Bedeu­tung dieser Studie hervorgehoben und ihre Ergebnisse als Goldstandard für weitere Studien betrachtet . Offene Fragen wie Dauer der Behandlung, orale Applikation von Fluconazol, Kombina­tionsbehandlungen sollten in entspre­chend konzipierten Studien untersucht werden.

FOLGERUNG DER AUTOREN: In einerrandomisierten Untersuchung zum Vergleich von Amphotericin B (AMPHO­TERICIN B) und Fluconazol ( DIFLU­CAN) bei 206 Patienten mit einer Candida­Sepsis ohne schwere Immunsuppression bzw. Neutropenie (unter 500/fll) zeigte sich hinsichtlich der Effektivität kein Unterschied. Auch die Letalität war in beiden Gruppen gleich. Allerdings erwies sich Fluconazol als die besserverträgliche Substanz.

REX,J .H. et al. N. Engl.J. Med. 1994 ; 33 1: 1325- 1330

März/Apri/1995 -16.jahrg.

Fragen zu wichtigen Infektionen (8) Hantavirus-Infektionen I 1993 erkrankten in den Vereinigten Staaten von Amerika im Bundesstaat New Mexiko innerhalb kurzer Zeit mehrere Patienten mit einer schweren pulmonalen Insuffizienz. Nach relativ unspezifischen, an eine Viruserkrankung erinnernden, Prodromi entwickelten die Patienten eine innerhalb von sechs bis acht Tagen rasch progrediente respiratorische Insuffizienz und radiologisch sowie klinisch das Vollbild eines ARDS . Bei später Intuba­tion war die Sterblichkeit sehr hoch. Durch die hervorragende Aufmerksamkeit der diese Patienten betreuenden Ärzte sowie die rasche Konsultation von Virusspezialisten aus dem Centers for Disease Contra! in Atlanta, gelang es innerhalb kurzer Zeit mittels der Polymerasekettenreaktion ein neues Hantavirus aus der Familie der Bonyaviridae nach­zuweisen. Das Virus gehört zur Gruppe der RNA-Viren und ist in anderen Formen bereits aus Asien bekannt, wo es ein hämorrhagisches Fieber (Hantaan-Virus, koreanisches hämorrhagisches Fieber) induziert . Auch in Europa sind einige Fälle von Infektionen mit andersartigen Hanta-Viren beschrieben worden (Puumala-Virus), die ebenfalls zu einem hämorrhagischen Fieber mit renalen Symptomen führen. Im Gegensatz zu den bisher bekannten Hantaviren erzeugt das jetzt isolierte Hantavirus keine mild verlaufende renal-hämatologische Erkrankung, sondern eine schwere pulmonale Erkrankung, die dem ARDS sehr ähnlich ist.

1. Handelt es sich bei der Hantavirusinfektion um eine neue Erkrankung? Nach der Identifikation des Hantavirus durch das Centers for Disease Contra! in Atlanta mittels der Polymerasekettenreaktion und der Entwicklung entsprechender serolo­gischer Testverfahren konnten beim Screening von Blutbanken - in einem Zeitraum von 1988 bis 1992 -bei 3% der untersuchten Seren Antikörper gegen das Hantavirus nachgewiesen werden. Mittels Immunfluoreszenztechniken gelang es bei der Unter­suchung von Lungenbiopsien, Hantavirusantigene im Lungengewebe bis zurück in das Jahr 1975 nachzuweisen. Insofern handelt es sich bei dem Hantavirus mit großer Wahrscheinlichkeit nicht um einen neuen Erreger. Neu sind allerdings die jetzt erstmals beschriebenen kleineren Endemien. Diese sind vermutlich durch eine Zunahme der als natürliche Wirte des Virus geltenden Mäuse (Peromyscus maniculatus) bedingt.

2. Welches ist der übliche Übertragungsweg der Hantavirusinfektion? Eine ganze Anzahl von Mäusen in den Vereinigten Staaten gelten als chronische Virus trä­ger. Die oben genannte Maus P. maniculatus ist bei Untersuchungen in fünfbis 30% als Virusträger identifiziert worden. Auch alle anderen bisher beschriebenen Fälle sind nur dort aufgetreten, wo virusinfizierte Mäuse heimisch sind. Überweitere Infektionswege ist wenig bekannt, eine Übertragung von Mensch zu Mensch gilt jedoch zur Zeit als sehr unwahrscheinlich. Da das Hantavirus als Krankheitsbild ein ARDS erzeugt, muß jedoch daran gedacht werden, daß eine eindeutige ätiologische Klärung der Ursache eines ARDS in der Regel nur bei zehn bis 20% der hiervon betroffenen Patienten gelingt. Somit kann sich bei der großen Zahl der ARDS-Fälle, die in den industrialisierten Ländern beobachtet werden, eine größere Dunkelziffer verbergen.

3. Klinische Manifestationen: Der eigentlichen Erkrankung gehen Prodromi mit Fieber und Myalgien - bevorzugt im Bereich des Stammes -so wie eine allgemeine Schwäche voraus . Klar zu lokalisierende Befunde finden sich in diesem Stadium nicht. Nach wenigen Tagen entwickeln sichjedoch Tachypnoe, Husten, Dyspnoe sowie eine Tachykardie. Zu diesem Zeitpunkt werden nicht selten feuchte, fein- bis mittelblasige Rasselgeräusche über den Lungen auskultiert. Das Krankheitsbild aggraviert dann innerhalb von zwei bis sechs Tagen und kann zum Vollbild des ARDS mit entsprechenden physikalischen, radiologischen und klinischen Befunden führen. Ein Teil der Patienten übersteht die Infektion jedoch spontan; hier kommt es innerhalb eines Zeitraumes von 14 Tagen zum Verschwinden der klinischen Symptomatik und der respiratorischen Insuffizienz.

4. Diagnostik: Klinische Befunde sind nicht eindeutig richtungsweisend. Der anamnestische Hinweis auf eine Exposition zu Mäusen ist sehr hilfreich . Im Gegensatz zu anderen Viruserkran­kungen findet sich eine deutliche Leukozytose mit ausgeprägter Linksverschiebung. Bei fortschreitendem Krankheitsbild entwickelt sich zusätzlich eine Thrombozytopenie. In einigen Fällen ist eine Erhöhung der Laktatdehydrogenase beobachtet worden .

Radiologisch sind bilateral interstitielle Infiltrate beschrieben worden, die an eine Herz­insuffizienz denken lassen; jedoch ist die Herzgröße bei einer Hantavirusinfektion pri­märnormaL Entscheidend fürdie rechtzeitige Stellung der Diagnose ist die Beobachtung des Verlaufes; Patienten mit dem Verdacht auf eine Hantavirusinfektion müssen deshalb entweder stationär eingewiesen oder ambulant engmaschig beobachtet werden. Bei progredienter Erkrankung entwickelt sich eine erhöhte Gefäßpermeabilität, so daß Plasma aus dem intravaskulären Kompartiment in das Gewebe austritt. Zu diesem Zeitpunkt steigt in der Regel der Hämatokrit und das Serum-Albumin fällt ab . Bei der Ausbildung des Vollbildes eines ARDS entwickeln sich die hierfürtypischen kardievasku­lären und renalen Probleme .

Palmer, D .L.: lnfect. Dis. Cl in . Pract. 3: 378- 80 ; 1994

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Pädiatrie Vermindert eine antibiotische Pertussis-Therapie die Antikörperbildung? Die antibiotische Therapie des Keuch­hustens ist unter den Pädiatern durchaus umstritten. In dieser Studie aus Skandina­vien wurde der Effekt einer Erythromycin (ERYTHROCIN u. a.)-Behandlung auf die Antikörperbildung bei 105 Kindern mit Keuchhusten untersucht. Die Auto­ren bestimmten hämagglutinierende Antikörper gegen das Pertussistoxin. 59 Kinder mit einem mittleren Lebensalter von 3,2Jahren erhielten im Mittel am Tag sieben ihrer Erkrankung Erythromycin in üblicher Dosierung, 46 Kinder mit einem mittleren Lebensalter von 3,4 Jahren dienten als unbehandelte Kontroll­gruppe. Es wurden keine signifikanten Differenzen der IgG-Antikörperkonzen­trationen gefunden, allerdings ein Trend zu etwas niedrigeren mittleren Anti­körpertitern in der mit Erythromycin be­handelten Gruppe. Gleichfalls bewirkte eine frühe Behandlung mit Erythromycin innerhalb der ersten sieben Tage nach Symptomenbeginn keine wesentliche Veränderung der Antikörperantwort, es konnte nurwiederum ein etwas niedrigerer Titer gemessen werden. In über 90% der untersuchten Serumpaare konnte eine signifikante Antikörperbildung nach­gewiesen werden, unabhängig, ob eine Behandlung stattgefunden hatte oder nicht. Sämtliche 56 Kinder mit einem kulturell gesicherten Keuchhusten wiesen eine signifikante Antikörperbildung auf.

FOLGERUNG DER AUTOREN: Die frühzeitige antibiotische Behandlung des Keuchhustens mit einem Makrolid -in dieser Studie Erythromycin (ERY­THROCIN u. a.) - verhinderte nicht eine adäquate Antikörperbildung gegen Bordetella pertussis. GRAUSTROM, G. et al. ScandJ. lnfect Dis. 26: 453-457; 1994

Aids Management von Cotrimoxazol­assoziierten Nebenwirkungen bei HIV-infizierten Patienten Pneumozystis carinii-Pneumonien gehören zu den häufigsten infektiösen Kompli­kationen bei HIV-infizierten Patienten. Mittel der Wahl ist nach wie vor Cotrimo­xazol (BACTRIM u. a.), das sich in der Behandlung der akuten Pneumozystis carinii-Infektion und in der Primär- und Sekundärprävention bewährt hat. Ein weiterer Vorteil besteht möglicherweise darin, daß sich die prophylaktische

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Wirkung nicht nur gegen Pneumozysten, sondern auch gegen Toxoplasmen er­streckt. Ein wesentlicher Nachteil dieser Substanzkombination ist die hohe Un­verträglichkeitsrate besonders bei HIV­infizierten Patienten. 50 bis 100% der Patienten werden eine oder mehrere Nebenwirkungen entwickeln, die bei bis zu 57% der Patienten zum Abbruch der Behandlung zwingen.

Häufigste Nebenwirkung ist ein makulo­papulöses Exanthem, verbunden mit Fieber oder Juckreiz, welches in 24-50% beobachtet wird .

Andere Nebenwirkungen sind Übelkeit, Erbrechen, Neutropenie, Anämie und Lebertoxizität. Seltener entwickeln sich Elektrolytstörungen, Ruhetremor oder Geschmacksstörungen.

Risikofaktoren für das Auftreten von Unverträglichkeitsreaktionen sind das Vorliegen einer HIV-Infektion, CD4-Lymphozyten über250/ 1J.l,eine Kortison­begleittherapie und die applizierte Dosis. So findet sich eine niedrigere Rate an schweren Hautreaktionen, wenn die Trimethoprim-Serumkonzentrationen während der Therapie zwischen 5-8 mg/1 gehalten werden.

In einer Metaanlyse von 108 Patienten, die trotz Nebenwirkungen mit Cotrimox­azol weiter behandelt wurden, kam es bei 69% spontan zum Verschwinden der Reaktionen. Bei keinem Patienten wurde ein Fortschreiten der Hautreaktionen zum Lyell-Syndrom beobachtet.

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Gebühr bezahlt

Einige Autoren verabreichten ihren Pa­tienten, die wegen einer akuten Pneu­mozystis-Infektion mit hohen Dosen Cotrimoxazol behandelt wurden, pro­phylaktisch ab dem 5. Tag 4 x 25 mg Diphenhydramin (DIBADORM u. a.) und beobachteten eine deutlich nied­rigere Nebenwirkungsrate als in histori­schen Vergleichskollektiven. Reexposition der Substanzkombination bei anamnestischen Hinweis auf eine nicht lebensbedrohliche Unverträglich­keitsreaktion ist in aller Regel möglich. Allerdings entwickeln sich in sehr seltenen Fällen schwerere Reaktionen, zum Teil als Sepsis-ähnliches Bild mit Hypotension, Fieber, Tachykardie und diffusen intersti­tiellen Infiltraten. Als Ausweg bietet sich eine Desensibilisie­rung an, die in bis zu 81% erfolgreich erprobt wurde .

FOLGERUNG DER AUTOREN: Co­trimoxazol (BACTRIM u. a.) zeigt eine ausgesprochen hohe Rate an Unverträg­lichkeitsreaktionen bei HIV-infizierten Patienten. Eine Metaanalyse ergab, daß bei Auftreten von leichten bis mittel­schweren Nebenwirkungen die weitere Verabreichung gerechtfertigt ist. Auch bei anamnestischen Hinweisen auf allergische Reaktionen kann eine Reexposition erfolgen. Eine orale Desensibilisierung kann bei Patienten versucht werden, die erst nach Re­exposition die Kombination nicht vertragen haben. Nur in sehr seltenen Fällen kommt es zu schweren toxischen Reaktionen. JUNG, A. C . et al. Arch. Intern . Med. \54: 2402 - 2406; 1994