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S 45Konsensus | Review article
Interdisziplinäre Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der
extrazerebralen AmyloidosenHerausgegeben von der Deutschen
Gesellschaft für Amyloid-Krankheiten e.V. (www.amyloid.de)
Autoren C. Röcken J. Ernst E. Hund H. Michels J. Perz W.
SaegerO. Sezer S. Spuler F. Willig H. H.-J. Schmidt
1 Einleitung 5
In den vergangenen Jahrzehnten hat es eine Rei-he neuer
Erkenntnisse bezüglich der Pathogene-se, Diagnostik und Therapie
der Amyloidosen ge-geben. Die Amyloidose führt zu variablen
undunterschiedlich ausgeprägten Symptomen undstellt das Resultat
verschiedener zugrunde lie-gender Erkrankungen dar. Einige
Amyloidosensind sekundär erworben, bei anderen liegt einegenomische
Mutation kausalpathogenetisch zuGrunde. Amyloid und Amyloidosen
treten häufi-ger auf, als sie weithin wahrgenommen werden.Zu den
häufigen lokalen Formen zählen z.B. diezerebrale Amyloidose beim
Morbus Alzheimer,die mit Vorhofflimmern assoziierte
isolierteHerzvorhofamyloidose und die mit dem Diabe-tes mellitus
vergesellschaftete Inselamyloidosedes Pankreas. Zu den häufigsten
systemischenextrazerebralen Amyloidosen zählt die AL Amy-loidose,
die oft eine sehr schlechte Prognose hatund unbehandelt rasch zum
Tode führen kann.Systemische Amyloidosen des Kindesalters
sinddahingegen meistens AA Amyloidosen, die beiProgredienz bereits
im frühen bis mittleren Er-wachsenenalter zum Tode führen können.
Amy-loidosen sind behandelbar, und ein befriedigen-der
Therapieerfolg hängt maßgeblich von einerfrühzeitigen Diagnose und
korrekten Klassifika-tion des Amyloids ab. In der
differentialdiagnos-tischen Abklärung muss der Nachweis des
Amy-loids geführt und einer Krankheitsentität, derAmyloidose im
engeren Sinne, zugeordnet wer-den. Die methodisch-technischen
Entwicklun-gen haben auch Einzug in der Diagnostik und derTherapie
gehalten. Die frühzeitige Diagnose unddie korrekte Klassifikation
des Amyloids sind un-verändert von größter Relevanz, da sich
darausunterschiedliche klinische und therapeutischeKonsequenzen und
damit verbunden Lebens-qualität und Mortalität ableiten. Das
therapeuti-sche Spektrum ist vielfältig und schließt
Organ-transplantationen, Chemotherapie und antiin-
flammatorische Strategien ein. Zukünftig sindauch
gentherapeutische Optionen denkbar[138, 162, 163].
2 Methodik 5
Die Erstellung dieser Leitlinie basiert auf
Daten-bank-gestützten Literaturrecherchen, vornehm-lich PubMed und
Medline. In die Literaturre-cherche wurden auch Handsuche und
sog.graue Literatur (z. B. Kongressprotokolle) sowieErfahrungen von
Experten unterschiedlicherFachdisziplinen mit aufgenommen.
Die Aktualität der Leitlinien wird auch nach
derenVeröffentlichung jährlich überprüft. Die dazu not-wendigen
Informationen werden auf der Homepa-ge der Deutschen Gesellschaft
für Amyloid-Krank-heiten e.V. bekannt gegeben (www.amyloid.de).
Die Bewertung der Studienlage wird entspre-chend der Agency for
Health Care Policy and Re-search (AHCPR) und der Empfehlungsklassen
derÄrztlichen Zentralstelle für Qualitätssicherungangegeben (Tab.
1).
3 Definition und Nomenklatur (Tab. 2) 5
Amyloid ist definiert als Ablagerung eines homo-gen eosinroten
Materials im Gewebe, das in derKongorotfärbung und im polarisierten
Licht einecharakteristische apfelgrüne Polarisationsfarbeerkennen
lässt. Elektronenmikroskopisch findensich starre, nichtverzweigte
Fibrillen unter-schiedlicher Länge mit einem Durchmesser vonca. 10
nm [26]. Amyloid ist unterschiedlicherHerkunft. Es wurden bisher
über 26 verschiede-ne Proteine identifiziert, die Amyloid bilden
kön-nen (Tab. 2). Es ist zu erwarten, dass noch weite-re Proteine
identifiziert werden. Die Vorläufer-proteine der Amyloidproteine
unterscheiden
Schlüsselwörter
qAmyloid
qLeitlinien
qDiagnostik
qTherapie
Key words
qAmyloid
qGuidelines
qDiagnostics
qTherapy
BibliografieDOI 10.1055/s-2006-947836Dtsch Med Wochenschr
2006;131: S45–S66 · © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ·
ISSN 0012-0472
KorrespondenzProf. Dr. med. Christoph RöckenInstitut für
PathologieCharité – Universitätsmedizin BerlinCharitéplatz 110117
BerlinTel. 030/450536115Fax 030/450536914eMail
[email protected]
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S 46 Konsensus | Review article
Dtsch Med Wochenschr 2006; 131: 45–66 · C. Röcken et al.,
Interdisziplinäre Leitlinien zur …
sich hinsichtlich ihrer Primärstruktur und Funktion. Den
einzi-gen gemeinsamen Nenner, den alle aufweisen, ist ihre
Fähigkeit,unter bestimmten Bedingungen Amyloid zu bilden. Die
Amyloi-dose beschreibt den Krankheitszustand, der aus der
Ablagerungdes Amyloids resultiert.
Die Nomenklatur der Amyloidosen orientiert sich am
Amyloid-protein und wird nach den Empfehlungen des
„InternationalNomenclature Committee on Amyloidosis“ und der
Weltge-sundheitsorganisation (WHO) mit einem Buchstabencode
ver-schlüsselt [104]: Amyloid-Fibrillenproteine werden durch
denAnfangsbuchstaben „A“ gekennzeichnet. Dem Buchstaben „A“folgt,
ebenfalls durch einen Buchstabencode kenntlich gemacht,ohne
Leertaste die Kennzeichnung des Vorläuferproteins: z.B.ATTR. Das
„TTR“ steht für das Vorläuferprotein Transthyretin(siehe Tab. 2).
Der Begriff primäre Amyloidose für die AL Amylo-idose ist obsolet,
da diese Bezeichnung in Abgrenzung zu denzwischenzeitlich
identifizierten hereditären Amyloidosen ver-wirrend ist.
Entsprechend wird auch für die AA Amyloidose derBegriff sekundäre
Amyloidose nicht mehr verwendet. Die Aβ2MAmyloidose stellt eine
Form der Amyloidose dar, die bei chroni-scher Hämodialyse bei
niereninsuffizienten Patienten auftretenkann. Die Weiterentwicklung
der Dialysemembranen hat bin-nen der letzten 10 Jahre diese ehemals
klinisch relevante Son-derform der Amyloidose ausgelöscht.
4 Klinik der Amyloidosen 5
Amyloid betrifft beide Geschlechter und kann in jedem
Lebens-alter auftreten. Auch Kinder können, wenngleich sehr
selten,bereits an einer Amyloidose erkranken. Jenseits des 85.
Lebens-jahres findet sich seniles Amyloid bei jedem Individuum.
DieSymptomatik und Klinik hängt von der Verteilung und dem
Ausmaß der Amyloidablagerungen ab. Amyloid kann jedes Or-gan und
jeden Gewebetyp befallen. Es tritt lokal oder syste-misch auf. Das
Verteilungsmuster des Amyloids hängt maßgeb-lich von der
Grunderkrankung bzw. dem Typ des abgelagertenAmyloidproteins ab
(siehe auch Tab. 2).
Es fehlen konkrete epidemiologische Angaben zur Inzidenz
undPrävalenz der verschiedenen Formen der Amyloidosen in
derBundesrepublik.
Die Klinik der verschiedenen Amyloidosen ist sehr
unterschied-lich und häufig unspezifisch, so dass eine Amyloidose
leichtübersehen werden kann. Die Verfasser gehen von einer
Dunkel-ziffer nicht diagnostizierter Amyloiderkrankungen aus.
Darüberhinaus kann ein einzelner Patient gleichzeitig an
verschiedenenAmyloidosen erkranken. Häufig ist es der Pathologe,
der dieAmyloidose zuerst diagnostiziert. Eine bestimmte
Konstellationklinischer Symptome kann den Verdacht auf das
Vorliegen einerAmyloidose erheben. Die häufigen amyloidassoziierten
klini-schen Symptome sind, unterteilt nach den
Amyloidformen,nachfolgend aufgeführt:
4.1 Klinik der AA Amyloidose (Tab. 3)Die AA Amyloidose ist eine
der Hauptgruppen der generalisier-ten, systemischen Amyloidosen.
Die Bezeichnung AA Amyloido-se leitet sich vom Vorläuferprotein
Serum-Amyloid A (SAA), ei-nem Akutphaseprotein, ab. Dieser Typ der
Amyloidose ist in denmeisten Fällen eine schwerwiegende
Folgeerscheinung persis-tierender Entzündungsaktivität, die oftmals
mit entsprechenderKlinik einhergeht, aber auch inapparent verlaufen
kann. Ver-schiedenartige Krankheitsbilder können bei Chronizität
einerEntzündungsaktivität eine AA Amyloidose entwickeln (Tab.
3).
In den letzten Jahrzehnten ist ein Wandel in der Ätiologie
derzugrundeliegenden Erkrankungen eingetreten. Während in den40er
Jahren bakterielle Infektionen als Ursache einer AA Amylo-idose mit
63,3% überwogen [23], sind in den letzten Jahrzehn-ten, zumindest
in den westlichen Ländern, entzündlich-rheu-matische Erkrankungen
als Ursache einer AA Amyloidose ganzeindeutig dominierend mit
Angaben zwischen 66–76%[21, 60, 61, 67, 68]. In Ländern mit hoher
Inzidenz für das famili-äre Mittelmeerfieber wie in der Türkei
hingegen ist dieses dieHauptursache der AA Amyloidose [42, 208].
Die Tuberkulosespielt heutzutage eine eher untergeordnete Rolle,
soweit Datenverfügbar sind. Unter den entzündlich-rheumatischen
Erkran-kungen ist es vornehmlich die rheumatoide Arthritis, die zu
die-ser schweren Komplikation führen kann. Bei den
Kollagenosen,insbesondere beim systemischen Lupus erythematodes,
der ge-wöhnlich ohne die erhöhten Akutphaseproteine CRP und
SAAeinhergeht, stellt die Entwicklung einer AA Amyloidose eine
Ra-rität dar [165].
Weitere Erkrankungen als Ursache der AA Amyloidose sind
ent-zündliche Darmerkrankungen und maligne Erkrankungen
(z.B.Hodgkin-Lymphom, Non-Hodgkin-Lymphom, Nierenzellkarzi-nom,
u.a.) mit Angaben zwischen 3–9% bzw. 3–4%[21, 60, 61, 67, 68, 226].
Weiterhin tritt die AA Amyloidose beider Castleman-Krankheit [53,
98] und bei den hereditären peri-odischen Fiebersyndromen auf [38,
75]. Vier Typen hereditärerFiebersyndrome konnten bisher
differenziert werden: 1. das fa-miliäre Mittelmeerfieber (FMF, OMIM
249100), 2. das Tumorne-krose-Faktor-Rezeptor-assoziierte
periodische Fiebersyndrom
Tab. 1 a) Evidenzgrade zur Bewertung der Studien nach Agency for
HealthCare Policy and Research (AHCPR). b) Empfehlungsklassen nach
der ÄrztlichenZentralstelle für Qualitätssicherung.
a)
Evidenzgrad
Art der Evidenz
Ia Metaanalysen randomisierter, kontrollierter Studien
Ib mindestens eine randomisierte, kontrollierte Studie
IIa mindestens eine gut angelegte kontrollierte Studie
ohne Randomisierung
IIb mindestens eine andere Art von gut angelegter,
quasiexperimenteller Studie
III gut angelegte, nicht-experimentelle, deskriptive Studie
IV Berichte von Expertenausschüssen oder Expertenmeinun-
gen und/oder klinische Erfahrungen anerkannter Autoritä-
ten
(b)
Klasse
Erläuterung
A belegt durch schlüssige Literatur guter Qualität, die
mindes-
tens eine randomisierte Studie enthält (Evidenzgrade Ia, Ib)
B belegt durch gut durchgeführte, nicht randomisierte
klinische Studien (Evidenzgrade IIa, IIb, III)
C belegt durch Berichte und Meinungen von Expertenkreisen
und/oder klinischer Erfahrung anerkannter Autoritäten
(Evidenzgrad IV).
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S 47Konsensus | Review article
Dtsch Med Wochenschr 2006; 131: 45–66 · C. Röcken et al.,
Interdisziplinäre Leitlinien zur …
(TRAPS, OMIM 142680), 3. das Muckle-Wells-Syndrom (OMIM191900)
und das Familial Cold Autoinflammatory Syndrome(FCAS, OMIM 120100)
sowie [4] die HyperimmunglobulinämieD mit periodischem
Fiebersyndrom (HIDS, OMIM 260920)[141]. FMF ist eine
autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung mitrezidivierenden
Fieberschüben und Serositiden, bei der Mutati-onen im MEFV Gen
gefunden werden. Es ist das häufigste here-ditäre rekurrierende
Fiebersyndrom und tritt gehäuft bei Mit-telmeerbewohnern,
sephardischen Juden und Armeniern auf.Die AA Amyloidose ist die
wichtigste Komplikation des FMF.TRAPS wird autosomal dominant
vererbt und wird durch Muta-tionen des TNF-Rezeptor-1-Gens
verursacht. Dem Muckle-Wells-Syndrom und FCAS liegen
unterschiedliche Mutationenim CIAS1-Gen zu Grunde, das für das
Cryopyrinprotein kodiertund auf Chromosom 1q44 gelegen ist.
4.1.1 A A Amyloidose bei entzündlich-rheumatischen Erkran-kungen
Aufgrund der großen Bedeutung entzündlich-rheuma-tischer
Erkrankungen als Ursache der AA Amyloidose werdenderen Aspekte
eingehend behandelt.
Angaben über die Prävalenz der AA Amyloidose bei
entzünd-lich-rheumatischen Erkrankungen variieren in
Abhängigkeitvon verschiedenen Faktoren, wie z.B. diagnostischen
Verfahren,klinischem Status, zugrundeliegenden Erkrankungen,
Studien-design sowie Herkunftsland, und schwanken zwischen 2
und10%. Nach einer finnischen Studie verstarben im Jahr 1987
1666Patienten mit rheumatoider Arthritis, davon hatten 97
Patien-ten eine AA Amyloidose. Dieses entspricht einer Prävalenz
derAA Amyloidose von 5,8% [137]. Bei der Spondylitis ankylosanswird
eine Prävalenz von etwa 2–6% angegeben [74].
Nach dem klinischen Eindruck ist die Inzidenz der AA Amyloido-se
in den letzten Jahren rückläufig. Zudem manifestierte sich dieAA
Amyloidose klinisch in den 60er Jahren im Mittel nach 16-jäh-riger
Krankheitsdauer, in den 90er Jahren dagegen erst im Mittelnach
19-jähriger Krankheitsdauer. Mehrere Gründe werden hier-für
diskutiert. Zwei Arbeitsgruppen aus Finnland [102, 116] beob-achten
seit Mitte der 90er Jahre eine Verringerung neuer AAAmyloidosefälle
in ihrem Krankengut bei entzündlich-rheumati-schen
Krankheitsbildern, führen dies auf einen Wechsel des
The-rapieregimes mit frühzeitigem Einsatz potenter,
immunsuppres-siver Substanzen zurück und bewerten dies als einen
Rückgangder Inzidenz. Hazenberg [84] hält neben der Intensivierung
me-dikamentöser und operativer Therapiemaßnahmen die
effektiveBehandlung möglicher Begleitinfektionen und vornehmlich
dieVerlängerung der präklinischen Phase infolge geringerer
Entzün-dungsaktivität für den scheinbaren Rückgang der Inzidenz
ur-sächlich für verantwortlich. Auszuschließen ist sicherlich
eineÄnderung der Risikogruppe der rheumatoiden Arthritis, die
eineAmyloidose entwickeln [84].
Die Angaben über die Häufigkeit der Organbeteiligung variierenin
Abhängigkeit pathologischer oder klinischer Studien. Bei derAA
Amyloidose sind hauptsächlich die parenchymatösen Orga-ne, wie
Leber, Milz und Niere betroffen [60, 99, 172, 179]. In die-sen
Organen sind in 80–100% der Fälle Amyloidablagerungennachweisbar
[121, 130, 131]. Bei renalem Befall lagert sich Amy-loid
vornehmlich zwischen der Basalmembran und dem Endo-thel der
Glomeruli ab, wobei das Mesangium der erste Ort
derAmyloidablagerung ist. Im weiteren Verlauf kann der Glomeru-
Tab. 2 Humane Amyloidproteine und ihre Vorläuferproteine. Die
Nomenkla-tur folgt den Empfehlungen des „International Nomenclature
Committee onAmyloidosis“ und der Weltgesundheitsorganisation
[104].
Amyloid-
protein
Vorläufer-
protein
Systemisch [S]
oder lokal [L]
Amyloidose/Grunderkrankung
AL Immunglobulin
Leichtkette
S, L Multiples Myelom,
Primäre AL Amyloidose
AH Immunglobulin
Schwerkette
S, L Multiples Myelom,
Primäre AL Amyloidose
ATTR Transthyretin S Familiäre Amyloidpolyneuropathie
(Portugiesischer Typ),
senile kardiovaskuläre Amyloidose
L? Sehnen/Sehnenscheiden
Aβ2M β2-Mikro-globulin
S
L?
Chronische Hämodialyse
Gelenke
AA Serum
Amyloid A
S Sekundär, reaktiv
AApoAI Apolipoprotein
A-I
S
L
Hereditäre systemische Amyloidose
Arteriosklerose*
AApoAII Apolipoprotein
A-II
S Hereditäre renale Amyloidose
AGel Gelsolin S Familiäre Amyloidpolyneuropathie
(Finnischer Typ), gittrige Hornhaut-
dystrophie
ALys Lysozym S Familiäre viszerale Amyloidose
AFib Fibrinogen
α-Kette
S Hereditäre systemische Amyloidose
ACys Cystatin C S Familiäre Amyloidose (Island-Typ)
ABri ABriPP
(oder Bri-L)**
S Familiäre Demenz (Britischer Typ)
ADan ADanPP
(oder Bri-D)**
L Heredopathia
ophthalmo-oto-encephalica
(Dänischer Typ)
Aβ Aβ Vorläufer-protein (AβPP)
L Senile Demenz vom Alzheimer-Typ,
Down Syndrom,
Amyloidangiopathie
APrP Prion Protein L Spongiforme Enzephalopathie
ACal (Pro)Calcitonin L Medulläres Schilddrüsenkarzinom
AIAPP Inselamyloid
Polypeptid
L
L
Langerhans-Inseln
(Diabetes mellitus)
Insulinom
AANF Atrionatriureti-
sches Peptid
L Herzvorhof, Vorhofflimmern
APro Prolaktin L
L
Hypophyse
Hypophysenadenome
AIns Insulin L Iatrogen
AMed Lactadherin L Amyloid der Aortenmedia
AKer Kerato-
epithelin
L Kornea, gittrige Hornhaut-
dystrophie
APin FLJ20513-asso-
ziiertes Protein
L Pindborg Tumor
ALac Lactoferrin L Korneales Amyloid (Trichiasis)
ASeg Semenogilin I L Samenblase
ATau Tau Protein L Hirn
*nicht-hereditäres Amyloid mit Ablagerung des Wildtyp-Proteins;
** das Amylo-
idprotein leitet sich vom selben Gen ab. Unterschiedliche
Mutationen kodieren
verschiedene Amyloidproteine, die sich am C-terminalen Ende um
12 Aminosäu-
ren voneinander unterscheiden.
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S 48 Konsensus | Review article
Dtsch Med Wochenschr 2006; 131: 45–66 · C. Röcken et al.,
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lus vollständig mit AA Amyloid ausgefüllt sein. Dieser Typ
derAmyloidablagerung kommt bei der rheumatoiden Arthritis inetwa
90% vor. Amyloidablagerungen im Glomerulus führen vor-nehmlich zur
Proteinurie. Bei etwa 10% der Patienten mit AAAmyloidose findet
sich ganz wenig oder gar kein Amyloid imGlomerulus, dagegen aber in
kleinen und mittleren Gefäßen so-wie im Interstitium. Dieser Typ
der Amyloidablagerung führtzur Nierenfunktionsstörung, jedoch nicht
zur Proteinurie. Dasklinische Leitsymptom ist bei der AA Amyloidose
die Proteinu-rie mit Angaben zwischen 85–94%. Die
Nierenfunktionsein-schränkung dagegen ist meist in einem geringeren
Maße nach-weisbar. Exakte Angaben fehlen und liegen je nach
Definitionzwischen 18–85% [82, 99]. Amyloidablagerungen im
Gastroin-testinaltrakt sind zunächst häufig asymptomatisch. Im
fortge-schrittenen Stadium kommt es zu Diarrhoen, z. T. im
Wechselmit Obstipation und zu einer Malabsorption. Gelegentlich
ent-wickelt sich auch eine Pseudoobstruktion. Außerdem
könnenschwere gastrointestinale Blutungen auftreten, die sich
durchAmyloid der gastrointestinalen Mukosa und damit
einherge-hender erhöhter Mukosafragilität erklären lassen. Trotz
quanti-tativ erheblicher Amyloidablagerung in Leber, Milz oder
Neben-niere können die klinischen Zeichen in diesen Fällen
vergleichs-weise gering, u.U. auch asymptomatisch sein. In seltenen
Fällenkann eine Leberamyloidose Zirrhose-ähnliche
Komplikationenverursachen. Im Gegensatz zur AL Amyloidose wird in
älterenVeröffentlichungen die Herzbeteiligung bei der AA
Amyloidose< 10% angegeben [99]. Eine kürzlich erschienene Studie
gibt al-lerdings eine sehr viel höhere Herzbeteiligung an [202]. In
die-ser Studie wurden 42 Patienten mit AA Amyloidose bei
ent-zündlich-rheumatischen Erkrankungen bis zu 18 Jahre
verfolgt.Innerhalb von 10 Jahren verstarben 24 Patienten, bei denen
11
eine AA Amyloidose des Herzens aufwiesen (26,2%). Die
5-Jah-res-Überlebensrate bei Herzbeteiligung beträgt 31% und
beifehlender Herzbeteiligung 63% [202]. Eine
Pankreasbeteiligungkann sich exzeptionell in einer Pankreatitis und
eine Schilddrü-senbeteiligung in einer Amyloidstruma und/oder
Hypothyreosemanifestieren [126].
4.1.2 AA Amyloidose bei chronisch-entzündlichen
Darmer-krankungen (CED) Die AA Amyloidose ist bei der CED eine
sel-tene, aber wichtige Folgeerkrankung [29]. Bei der Colitis
ulcero-sa stellt sie eine Rarität dar. Wahrscheinlich erkranken
wenigerals 0,1% der Patienten mit einer Colitis ulcerosa an einer
AAAmyloidose. Sehr viel häufiger tritt sie als Folge des
MorbusCrohn auf (1–5%). Allerdings fehlen größere
epidemiologischeDaten auch hier [217]. Eine der besten
Untersuchungen stammtaus dem Mount Sinai Hospital, New York [76].
25 von 3050 Pati-enten mit CED entwickelten eine AA Amyloidose.
Davon litten22 an einem Morbus Crohn und nur drei an einer Colitis
ulcero-sa. Überwiegend Männer erkrankten an einer AA Amyloidose(16
(73%) von 22; wobei im Gesamtkollektiv das VerhältnisMänner zu
Frauen ausgeglichen war). Bei den Patienten warenin abnehmender
Häufigkeit die Niere, der Gastrointestinaltrakt,die Milz, Leber,
Pankreas und Herz betroffen. Klinisch ist zu-meist die
Nierenbeteiligung krankheitsführend mit nephroti-schen Syndrom und
Proteinurie, aber auch eine Kardiomyopa-thie kann im Vordergrund
stehen. Ein Darmbefall kann seiner-seits zu Diarrhoen und
Malabsorption führen und ist leicht mitder Crohn-Symptomatik zu
verwechseln [220]. Von einer Dun-kelziffer nicht diagnostizierter
Amyloiderkrankungen bei CEDist auszugehen.
Die Manifestation der AA Amyloidose als Folge einer CED
trittzwischen 10 und 20 Jahren nach Ausbruch der Grunderkran-kung
auf. Die inflammatorische Aktivität des Morbus Crohn be-einflusst
maßgeblich den klinischen Verlauf. Die therapeutischeIntervention
einschließlich operativer Beseitigung seiner Kom-plikationen, wie
z.B. Fisteln, kann als Folge der Antiinflammati-on das
Voranschreiten der AA Amyloidose verlangsamen oderstoppen.
4.2 Klinik der AL AmyloidoseDer
Amyloid-Leichtketten(AL)-Amyloidose liegt eine
klonalePlasmazellerkrankung zugrunde. Pathophysiologisch kommt
esnach der Expansion eines Plasmazellklons im Knochenmark
zurBildung von monoklonalen Leichtketten oder
Leichtkettenfrag-menten, die sich u.U. im Interstitium
verschiedener Organe zuFibrillen zusammenlagern, die Organfunktion
beeinträchtigenund schließlich zum Organversagen führen können. Bei
ca. 80%der Patienten mit AL Amyloidose liegt eine monoklonale
Gam-mopathie und bei 20% ein Multiples Myelom vor. Umgekehrtfindet
sich bei ca. 10% der Patienten mit Multiplem Myelomeine AL
Amyloidose. Die am häufigsten betroffenen Organe sindNiere, Herz,
Darm, Leber und autonomes Nervensystem [47].Das klinische Bild kann
je nach Befallsmuster verschiedener Or-gane sehr variieren [183]
und die Diagnosestellung erschweren,insbesondere wenn primär nicht
an eine Amyloidose gedachtwird, da es sich um eine sehr seltene
Erkrankung handelt. DieInzidenz beträgt in der nordamerikanischen
Bevölkerung 5–13Personen pro Million im Jahr [183]. Für die
europäische Bevöl-kerung existieren keine epidemiologischen
Daten.
Tab. 3 Zugrundeliegende Erkrankungen der AA Amyloidose.
Entzündlich-rheumatische Erkrankungen
3Rheumatoide Arthritis
3 Juvenile chronische Arthritis
3Spondylitis ankylosans
3Arthritis psoriatica/Spondarthritis psoriatica
3Polymyalgia rheumatica mit Arteriitis temporalis
3Adulter Morbus Still
3M. Behcet
Andere chronische Entzündungen
3Sarkoidose
3Entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis
ulcerosa,
Colitis indeterminata)
3Chronische Pankreatitis
3Sprue
3M. Whipple
3Mukoviszidose
3Familiäres Mittelmeerfieber
3Tumornekrose-Faktor-Rezeptor-assoziiertes periodisches
Fiebersyndrom
3Familial Cold Autoinflammatory Syndrome
3Muckle-Wells-Syndrom
3Hyperimmunglobulinämie D mit periodischem Fiebersyndrom
Chronisch-infektiös
3Tuberkulose
3Bronchiektasen
3Osteomyelitis
3Dekubitus
3Chronische Pyelonephritis bei Paraplegikern
3HIV-Infektion
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S 49Konsensus | Review article
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Die häufigste Erstmanifestation der AL Amyloidose ist das
ne-phrotische Syndrom mit Unterschenkelödemen, Proteinurie,später
Pleuraergüssen und Aszites. Im Frühstadium ist die Nie-renfunktion
nicht beeinträchtigt, später kann es zur Nierenin-suffizienz mit
Fortschreiten bis zur Dialysepflichtigkeit kom-men.
Unterschenkelödeme unklarer Ursache können ein Früh-symptom sein
[182]. Bei der führenden kardialen Beteiligung istdie
Belastungsdyspnoe das führende Erstsymptom. UnklarerAbfall der
körperlichen Leistungsfähigkeit wie plötzliches Un-vermögen,
Treppen zu steigen, aber auch Belastungsdyspnoesind hier die
Frühsymptome. Herzrhythmusstörungen, insbe-sondere hochgradige
ventrikuläre Herzrhythmusstörungen mitventrikulärer Extrasystolie
und Pausen mit Synkopen als Früh-symptom können auftreten. Im
Spätstadium der kardialen ALAmyloidose kommt es zur rasch
fortschreitenden Herzinsuffizi-enz. Nicht selten ist die
myokardiale Funktionsstörung mit einerStörung des autonomen
Nervensystems gepaart. Dies kann zurschweren posturalen Hypotonie
und vagalen Dysregulation füh-ren. Bei führender gastrointestinaler
Beteiligung kommt es ini-tial zu abdominellen Beschwerden, oft
einhergehend mitDurchfällen, Völlegefühl und ggf. zum raschen
Gewichtsverlust.Die Leberamyloidose manifestiert sich in der Regel
mit Hepato-megalie und kann zum Ausfall der Leberfunktion mit
Synthese-störung, Kachexie und Aszites bis zum Leberversagen
führen.Therapieresistente Pleuraergüsse können durch
Pleurabeteili-gung bedingt sein [16]. Die seltene AL Amyloidose der
Milz äu-ßert sich in der Organvergrößerung und birgt die Gefahr
derRuptur. Die Beteiligung der Lunge und des Bronchialsystems
istselten und kann sich mit Hämoptysen und Reizhusten
manifes-tieren, aber auch zur restriktiven Ventilationsstörung
führen.
Das Auftreten einer Polyneuropathie ist für die AL
Amyloidosesowie für die ATTR Amyloidose (s.u.) typisch. Insgesamt
tritt siebei 15–35% der Patienten auf, und ist bei etwa 10% das
Erst-symptom. Die Neuropathie beginnt mit schmerzhaften
Dysäs-thesien in den Beinen und ist progredient. Schmerz und
Tempe-raturempfinden sind typischerweise vermindert bevor die
Pall-ästhesie oder Berührungsempfinden betroffen sind. Später
fol-gen auch distal symmetrische Paresen. Fast alle
Patientenentwickeln im Verlauf eine autonome Mitbeteiligung mit
Völle-gefühl bis zur Gastroparese, Störung der
Harnblasenfunktionund Darmentleerung, erektile Funktionsstörung,
Blutdruckre-gulationsstörung und Neigung zu vagalen Synkopen. Etwa
25%der Patienten erkranken im Verlauf an einem assoziierten
Kar-paltunnel-Syndrom, das durch Amyloidablagerungen im
Retina-culum flexorum des Handgelenks verursacht wird. Die
Konstel-lation aus schmerzhaften distalen Dysästhesien,
autonomerDysfunktion und einem uni- oder bilateralen
Karpaltunnel-Syn-drom in der Vorgeschichte sollte Anlass sein, eine
Amyloidosedifferentialdiagnostisch zu erwägen. Von der AL
Amyloidneuro-pathie sollte die Amyloidmyopathie mit langsam
progredienterproximal symmetrischer Muskelschwäche abgegrenzt
werden.Die Amyloidmyopathie ist meist mit einer AL Amyloidose
asso-ziiert, ist aber auch bei ATTR- und AGel Amyloidosen
beschrie-ben worden [193, 194].
Selten manifestiert sich die AL Amyloidose in Form von
Lymph-knotenschwellungen und kann sowohl periphere als auch
zen-tral gelegene Lymphknoten befallen. Relativ selten ist das
Kar-paltunnel-Syndrom das erste Zeichen der Erkrankung, sollteaber
immer Anlass zur weiteren Abklärung geben, da es der sys-temischen
Manifestation einer AL Amyloidose oder eines Mul-
tiplen Myeloms zeitlich vorausgehen kann. Pathognomonischfür
eine AL Amyloidose ist die Beteiligung der Zunge
(Makro-glossie).
4.3 Klinik der hereditären systemischen Amyloidosen (ATTR,
AApoAI, AApoAII, AFib)4.3.1 Klinik der ATTR Amyloidose Die ATTR
Amyloidose stelltdie häufigste erbliche Amyloiderkrankung dar. Der
Vererbungs-modus ist autosomal dominant. Transthyretin (TTR; früher
Prä-albumin) ist ein Transportprotein und bindet das
Retinol-bin-dende Protein und Thyroxin im Plasma. Amyloidogene
Varian-ten des TTR führen in der Regel zu keiner klinisch
relevantenBeeinträchtigung der Schilddrüsenfunktion oder der
Homöosta-se des Vitamins A. Die Synthese der amyloidogenen
TTR-Varian-ten scheint herunterreguliert zu sein, die
Plasma-Halbwertzeitbeträgt ca. 50 Stunden [177]. TTR wird
überwiegend in der Le-ber synthetisiert, zu geringen Mengen auch in
der Retina undim Plexus choroideus.
TTR (OMIM #176300) stellt ein Protein mit 127 Aminosäurendar.
Das Gen ist auf dem Chromosom 18q11.2-q12.1 lokalisiert.Mehr als 75
amyloidogene TTR-Varianten sind bis heute be-kannt [127]. Die
häufigste Mutation (GTG zu ATG) bedingt eineSubstitution von Valin
durch Methionin (Val30Met). Die ATTRAmyloidose tritt gehäuft in
Portugal, in Nordschweden und be-stimmten Regionen Japans (Arao,
Ogawa) auf [178]. In Portugalund Schweden kommt nahezu
ausschließlich die TTRVal30Met-Variante als Ursache der ATTR
Amyloidose vor. Die Prävalenz er-reicht in einigen Regionen
Portugals bis zu 1:1000 Einwohner.Obwohl eine definitive
Genotyp/Phänotyp Relation nicht belegtist, gibt es bestimmte
Mutanten, die zu einem frühzeitigerenund progredienteren Verlauf
insbesondere mit Herzbeteiligungneigen.
Die erste familiäre ATTRVal30Met Amyloidose beschrieb 1952
An-drade in der Region Oporto in Portugal [8]. Im Vordergrund
ste-hen die Amyloidablagerungen im peripheren und
autonomenNervensystem, weshalb die Erkrankung früher auch als
Familiä-re Amyloidpolyneuropathie (FAP I) bezeichnet wurde. Die
pro-gredient verlaufende sensomotorische und autonome
Polyneu-ropathie geht oftmals im Alter zwischen 30 und 70 Jahren
miterektiler Dysfunktion, gastrointestinalen Beschwerden,
Malab-sorption und restriktiver Kardiomyopathie einher. Bei
derATTRVal30Met Amyloidose ist das Karpaltunnel-Syndrom unty-pisch,
dabei ist das Karpaltunnel-Syndrom ein Leitsymptom derATTRIle84Ser
Amyloidose (früher FAP II), bei der es wiederumnicht zu einer
autonomen Mitbeteiligung kommt. In Abhängig-keit von der
geographischen Region, sind Alter der Erstsympto-matik, Verlauf der
Erkrankung und dessen phänotypische Er-scheinungsbild
unterschiedlich [159].
Bis vor einigen Jahren wurde die hereditäre Amyloidose als
sel-tene portugiesische Erkrankung betrachtet. Inzwischen weißman,
dass sie überall in der Welt vorkommt. Die Inzidenz zeigtdabei
beträchtliche geographische Unterschiede, teilweise mitausgeprägten
regionalen Häufungen. Die häufige Met30-Varian-te zeigt einen
frühen (Beginn um das 30. Lebensjahr, portugiesi-scher Typ) und
einen späten (Beginn 50.–70. Lebensjahr, schwe-discher Typ)
Altersgipfel. In Deutschland kommen beide For-men vor. Unbehandelt
hat die ATTR Amyloidose eine schlechtePrognose. Innerhalb weniger
Jahre bestimmen Invalidisierungdurch Polyneuropathie, schwere
Herzrhythmusstörungen, Sym-
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S 50 Konsensus | Review article
Dtsch Med Wochenschr 2006; 131: 45–66 · C. Röcken et al.,
Interdisziplinäre Leitlinien zur …
ptome der Kardiomyopathie, kaum zu beeinflussende Diarrhö-en mit
Malabsorption und Kachexie und ausgeprägte orthosta-tische
Hypotonien das klinische Bild [7]. Eine restriktive
Kardio-myopathie tritt gehäuft auf. Herzrhythmusstörungen
könnenauch ohne Zeichen einer Kardiomyopathie auftreten und
beinicht rechtzeitiger Diagnose und Intervention zum Tod
führen.
Patienten mit der sich früh manifestierenden
Met30-Mutationzeigen Symptome von Seiten des Magen-Darm-Traktes
[203].Bei einer großen Familie im südhessischen Raum standen ne-ben
autonomen Symptomen Übelkeit, Völlegefühle und Blä-hungen am Beginn
der Symptomatik. Im weiteren Verlauf ent-wickelt sich eine
Obstipation, die später von Durchfällen durch-brochen wird [204].
Bei japanischen Patienten stehen dagegenDurchfälle am Beginn der
gastrointestinalen Symptomatik[203]. In späteren Stadien bestimmen
Malabsorption und Man-gelernährung mit der Folge von
Gewichtsverlust und Infekti-onsneigung das klinische Bild [200].
Ein schlechter Ernährungs-zustand, gemessen als Body Mass-Index
(BMI), korreliert mit ei-ner schlechten Prognose. Bereits 1962
wurde die ATTRLeu111MetAmyloidose beschrieben
(Frederiksen-Syndrom), bei der derHerzbefall im Vordergund steht
[52].
Auch die Nieren sind bei ATTR Amyloidosen häufig betroffen.Der
Befall manifestiert sich aber erst in späteren Stadien und
istprognostisch weniger entscheidend. Der Verlauf der
Nierena-myloidose bei ATTR Amyloidosen unterscheidet sich
damitgrundlegend von dem der AL Amyloidosen, bei denen der
Nie-renbefall als prognostisch sehr ungünstig einzustufen ist,
unddemjenigen bei den AApoAI Amyloidosen, bei denen der
Nie-renbefall sogar im Vordergrund steht (s.u.).
Dialysepflichtigwerden nach den portugiesischen Erfahrungen nur
etwa 10%der Patienten [17]. Der Verlauf kann durch aufsteigende
Blasen-infektionen kompliziert werden, die ihrerseits oft Folge von
Bla-senentleerungsstörungen sind. Auf Zeichen einer
Blaseninfekti-on sollte daher sorgfältig geachtet und im
Bedarfsfall die ent-sprechenden Schritte eingeleitet werden. Eine
fortgeschritteneNiereninsuffizienz stellt eine Indikation zur
kombinierten Le-ber-Nieren-Transplantation dar. Die
Lebertransplantation (LTx)bei ATTR Amyloidose stoppt das
Fortschreiten der Niereninsuf-fizienz nach der passageren
postoperativen Verschlechterung[18].
Eine weitere typische Manifestationen ist der Befall des
Auges.Ablagerungen finden sich in der Bindehaut, Iris und dem
Glas-körper [80]. Klinisch resultieren Glaskörpertrübungen
(Nach-weis durch Spiegelung im polarisierten Licht) und
Glaukome[105]. ATTR Amyloidosen stehen in dieser Hinsicht in
deutli-chem Gegensatz zu den AGel Amyloidosen, bei denen der
Au-genbefall regelmäßig ein Frühsymptom ist. Da das Augenamylo-id
vornehmlich aus der Retina stammt, hat die LTx hier
keinenprotektiven Effekt [7]. Die Therapie besteht im
Glaskörperersatzin Verbindung mit einer intraoperativen
Laserkoagulation derRetina [109].
Selten gibt es ATTR Amyloidosen, bei denen Amyloid bevorzugtim
ZNS abgelagert wird [19]. Sie werden je nach Symptomatikals
familiäre leptomeningeale oder meningovaskuläre Amyloi-dosen
bezeichnet [14, 41, 156]. Das klinische Bild ist von De-menz,
Ataxie, Spastik, Krampfanfällen, Sehstörungen und Hy-drozephalus,
aber auch rezidivierenden intrazerebralen oder
subarachnoidalen Blutungen gekennzeichnet [51, 124]. Auch
dieMet30-Mutation kann in Einzelfällen zu massiven
leptomenin-gealen Ablagerungen führen [90, 173].
4.3.2 Klinik der A ApoAI- und AApoAII Amyloidose
Apolipo-proteine stellen den Proteinanteil der Lipoproteine im Blut
darund zeichnen sich durch amphiphile Strukturen aus.
Interessan-terweise scheint im Rahmen der Proteolyse von
Apolipoprotei-nen durch die Generierung N-terminaler hydrophiler
Fragmen-te eine Amyloidneigung zu bestehen, die im Falle
bestimmterMutationen zu einer frühzeitigen Amyloidose führen kann
[9].Interessanterweise konnte bisher keine extrazerebrale
Amyloi-dose für eine Variante des Apolipoprotein E nachgewiesen
wer-den. Apolipoprotein AI (ApoA-I) ist die Hauptproteinkomponen-te
des Lipoproteins hoher Dichte. Amyloidogen sind N-termina-le
Fragmente mit genetisch bedingten Änderungen [57]. Bishersind elf
verschiedene Mutationen bekannt (OMIM #107680).Schon 1969 wurde die
AApoAIGyl26Arg Amyloidose publiziert(früher FAP III), bei der die
Polyneuropathie der Füße und Hän-de dominiert [212]. Die anderen
mit diesen Mutationen assozi-ierten Amyloidosen befallen vorwiegend
die Niere („hereditäreNierenamyloidose“), das Herz und die Leber.
Im Alter könnenAmyloidherde auch nicht-mutiertes ApoA-I
enthalten.
AApoAII Amyloidosen manifestieren sich als langsam
progredi-entes nephrotisches Syndrom. Bisher sind vier Mutationen
be-kannt (OMIM 107670). Interessanterweise gibt es
verschiedeneHinweise über die Beteiligung von ApoA-II an senilen
und syste-mischen Amyloidosen [210].
4.3.3 Andere erbliche Amyloidosen Fünf weitere Proteine
sindbekannt, bei denen genetische Veränderungen zu systemischenoder
organbezogenen Amyloidosen führen. Hierzu zählen dieAGel Amyloidose
(AGelAsp187Asn Amyloidose, früher FAP IV mitBefall der Cornea, der
Haut und der Hirnnerven), die ALys- undAFib Amyloidose sowie die
familiären meningovaskulären Amy-loidosen, die durch mutantes
Cystatin C (ACys Amyloidose; is-ländischer Typ) und durch
Mutationen im BRI-Gen (ABri Amylo-idose; familiäre Demenz vom
britischen Typ) bedingt sind.
5 Diagnostik – Klinische Untersuchungsverfahren (Tab. 4) 5
Die verschiedenen Amyloidosen rufen sehr
unterschiedlicheklinische Krankheitsbilder hervor, können teilweise
auch sehrvariabel in ihrer Ausprägung sein und müssen
differentialdiag-nostisch gegen sehr viele Krankheiten abgegrenzt
werden. Ausdiesem Grunde sollte der Umfang der klinischen
Diagnostiksorgfältig abgewogen werden. Die Diagnose „Amyloid“ kann
nurhistologisch gesichert werden. Die Klassifikation des
Amyloid-proteins oder der hohe klinische Verdacht (z.B. bei dazu
passen-der Vorerkrankung oder Familienanamnese) sollte dann
dasweitere diagnostische Prozedere bestimmen. Tab. 4 gibt
einenÜberblick über die Basisdiagnostik, spezifische Diagnostik
undorganbezogene Diagnostik und ordnet sie auch den verschiede-nen
Amyloidosen zu. Darüber hinaus dient sie auch dazu, nachz.B.
histologischer Diagnosesicherung das Ausmaß der Erkran-kung bzw.
das Krankheitsstadium und damit auch die Prognosezu bestimmen. Die
für die verschiedenen Amyloidosen gezielteinzusetzenden
Untersuchungen werden dann nachfolgendnoch gesondert behandelt.
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S 51Konsensus | Review article
Dtsch Med Wochenschr 2006; 131: 45–66 · C. Röcken et al.,
Interdisziplinäre Leitlinien zur …
5.1 Prozedere bei Verdacht auf AA Amyloidose bei
ent-zündlich-rheumatischen Erkrankungen und hereditä-ren
FiebersyndromenDer prognostisch entscheidende Faktor bei der AA
Amyloidosequoad vitam ist der Nierenbefall mit den klinischen
Zeichen derProteinurie und der Kreatininerhöhung. Diese Symptome
wei-sen bereits auf eine manifeste Nierenamyloidose hin. Für
dieFrühdiagnose der Nierenamyloidose müssen deshalb andereKriterien
herangezogen werden. Da klinische Zeichen fehlen, istdie Diagnose
einer Amyloidose im präklinischen Stadium nurhistologisch möglich.
Als Screening-Methode eignet sich z.B.eine Fettaspirationsbiopsie
(s.u.).
Um die Indikationsfindung zur Biopsie zu optimieren, wurde
ineiner prospektiven Studie [43, 44] ein sog. Aktivitätsindex
unterBündelung der üblichen Screening-Entzündungsparameter mitdem
Ziel einer hohen Sensitivität erstellt (BSG < 45 mm n.W.,CRP
< 50 mg/l, Alpha-2-Globulin > 11,6 rel.% (bzw. >1,04
g/dl),Serum-Albumin < 55,7 rel.% (bzw. < 3,36 g/dl)).
Im pädiatrischen Krankengut wird bei hohem klinischen Ver-dacht
ebenfalls zunächst eine Fettaspirationsbiopsie (s.u.) emp-fohlen.
Wenn Amyloid nicht nachweisbar ist, kann ein Proben-sammelfehler
durch eine zweite Fettaspirationsbiopsie über-prüft werden. Falls
bei weiter bestehendem Verdacht auch diezweite
Fettaspirationsbiopsie kein Amyloid nachweisen konnte,wird die
Organbiopsie eines klinisch symptomatischen Organsempfohlen, das
das geringste Risiko einer punktionsassoziiertenKomplikation
trägt.
5.2 Prozedere bei Verdacht auf AL AmyloidoseDie Diagnostik der
lambda(λ)- oder kappa(κ)-Leichtkettenamy-loidose beruht auf
histologischer Untersuchung des Biopsiema-terials aus den
betroffenen Organen. Es sollte sowohl die Kongo-rotfärbung als auch
die Immunhistochemie durchgeführt wer-den [79, 80]. Die Diagnose
wird unterstützt durch den systemi-schen Nachweis der klonalen
Plasmazellerkrankung mittelspositiver Immunfixation im Serum oder
im 24-Stunden-Sam-melurin. Der Nachweis einer klonalen
Plasmazellvermehrungim Knochenmark oder der Nachweis einer
pathologischen Ver-teilung der freien Serumleichtketten können
ebenfalls zur Diag-nostik beitragen.
Die Diagnostik der systemischen Ausbreitung und der
Organbe-teiligung ist eine interdisziplinäre Aufgabe. Idealerweise
solltenalle Patienten durch einen Spezialisten für Hämatologie,
Kardio-logie, Nephrologie, Hepatogastroenterologie und
Neurologieund je nach Bedarf durch Spezialisten anderer Disziplinen
un-tersucht werden. Die aufwendige Diagnostik dient zur
Beurtei-lung der systemischen Ausbreitung, zur Einschätzung der
Prog-nose und zur Festlegung der optimalen Therapiemodalität.
5.2.1 Spezielle Hinweise zur oben genannten Diagnostikliste:
Anamnese: Müdigkeit, Gewichtsverlust, Ruhe- oder
Belastungs-dyspnoe, körperliche Belastbarkeit, Leistungsknick,
Gehstrecke, Fä-higkeit zum Treppensteigen, Nykturie, Völlegefühl,
Diarrhoe, Ge-wichtszunahme bei Ödemen, erektile Dysfunktion, vagale
Synko-pen, tachykarde Herzrhythmusstörungen, kardiale Synkopen,
Kar-paltunnel-Syndrom, de Quervain-Syndrom (=
Tendovaginitisstenosans), schmerzhafte Polyneuropathie,
Muskelschwäche, Blu-tungsneigung, Thrombosen, Familienanamnese.
Tab. 4 Klinische Diagnostik der Amyloidosen.
Basisdiagnostik AA AL ATTR Andere
Hereditäre
Anamnese einschließlich Familienanamnese x x x x
Körperliche Untersuchung x x x x
Differentialblutbild, ggf. Blutausstrich x x x x
Elektrolyte, Kreatinin, Harnstoff x x x x
Gesamteiweiß, Proteinelektrophorese, Bilirubin x x x x
AP, GGT, ASAT, ALAT, CHE, Albumin, INR x x x x
TSH, FT3, FT4 x x x x
CRP, BSG x x x x
Elektrokardiogramm x x x x
Röntgen Thorax x x x x
Spezifische Diagnostik
24 Stunden Urinanalyse für Kreatinin Clearance,
Proteinurie, Albuminurie, Bence Jones Proteinurie,
Proteinelektrophorese und Immunfixation im Urin
(ggf. eingeengt)
x x x x
Proteinelektrophorese im Serum, Immunfixation
im Serum, quantitative Immunglobuline
x
Globale Gerinnungstests wie PTT, speziell:
Faktor X Aktivität [24, 135]
x
Knochenmarkzytologie und Histologie: Plasma-
zellanteil, lymphoproliferative Erkrankungen
(M. Waldenström, B – NHL), Amyloidnachweis
im Knochenmark
x
In klinischen Studien bei AL Amyloidose:
Freie Leichtketten im Serum
(serum free light chains) [115]
x
Organbezogene Diagnostik
Röntgen des Skeletts (Pariser Schema, nicht Kno-
chenszintigraphie, diese meist unergiebig)
x
Echokardiographie mit Beurteilung der Septum-
dicke und Herzwanddicke, der linksventrikulären
Pumpfunktion und insbesondere der diastolischen
Funktion (restriktive Funktionsstörung,
myokardiale Texturstörung)
x x x x
ggf. weiterführende kardiologische Diagnostik x x x
Kardiale Labordiagnostik: kardiale Troponine TNT,
TNI, N–terminales pro-BNP haben nach neuesten
Studien prognostische Bedeutung und ermögli-
chen Risikostratifizierung; evtl. Myokardbiopsie
x x x
Kipptischuntersuchung (RR Verhalten zur
Beurteilung der Kreislaufdysregulation)
x x x x
Langzeit EKG (ventrikuläre Herzrhythmus-
störungen, Frequenzvariabilität)
x x x
eventuell elektrophysiologische Untersuchung x x x x
Lungenfunktionsprüfung bei Symptomatik x
Sonographie des Abdomens: Lebergröße und -
struktur, Milzgröße, Nierengröße und Nieren-
parenchymstruktur, Restharnvolumen, Aszites
x x x x
Nervenleitgeschwindigkeit abhängig von der
Symptomatik
x x x
Augenspiegeluntersuchung im polarisierten Licht x x
Myographie abhängig von der Symptomatik x x x
Spezielle Diagnostik
Molekulargentik x x x
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S 52 Konsensus | Review article
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Körperliche Untersuchung (ausgewählte diagnostische Hinwei-se):
Bestimmung des Performance-Status nach WHO, Bestim-mung des
Ernährungsstatus inklusive BMI, posturale
Hypotonie,Hautveränderungen (subkutane Blutungen),
Blutungsneigung,Nageldystrophie, Haarwuchsstörung, Beinödeme,
Anasarka, Ju-gularvenenfüllung, Herzauskultationsbefunde, Aszites,
Pleura-ergüsse, Hepatomegalie, Splenomegalie,
Lymphknotenvergröße-rung, Makroglossie, submentale
Weichteilschwellung, Polyneu-ropathiezeichen,
Polyneuropathiegang.
Laboruntersuchungen und apparative Untersuchungen: siehe Tab.
4
Diagnostische Kriterien für das Vorliegen einer
Organbeteili-gung bei AL Amyloidose [59]: Kardiale Beteiligung ist
wahr-scheinlich, wenn in der Echokardiographie die Septumdickeoder
die Hinterwanddicke von mehr als 11 mm in Abwesenheiteiner
hypertensiven oder valvulären Herzerkrankung gefundenwird und/oder
wenn im Elektrokardiogramm eine Niedervolta-ge von < 0,5 mV in
den Brustwandableitungen vorliegt.
Renale Beteiligung ist wahrscheinlich bei Vorliegen einer
Prote-inausscheidung im Urin von mehr als > 500 mg/Tag. Bei der
ALAmyloidose besteht die Proteinurie, im Gegensatz zum Multip-len
Myelom, hauptsächlich aus Albumin und ggf. einem gerin-gen Anteil
an Bence-Jones-Protein. Periphere Ödeme oder Se-rumkreatinin von
mehr als 2 mg/dl in Abwesenheit einer ande-ren Nierenerkrankung
deuten auf eine Nierenbeteiligung hin,wenn AL Amyloidose bereits in
einem anderen Organ diagnosti-ziert wurde.
Eine Hepatomegalie (>15 cm in der MCL) ohne eine
Herzinsuffi-zienz und/oder eine Erhöhung der alkalische Phosphatase
aufmehr als das 1,5fache der oberen Normgrenze machen eine
ALAmyloidose der Leber wahrscheinlich.
Auf eine gastrointestinale Beteiligung können Diarrhoen und/oder
ein ungewollter Gewichtsverlust von mehr als 10% desKörpergewichts
hinweisen.
Eine neurologische Beteiligung ist wahrscheinlich bei
Zeicheneiner distal betonten sensomotorischen Polyneuropathie
oderbei Zeichen einer autonomen Polyneuropathie, insbesonderewenn
orthostatische Hypotension, Störung der Herzfrequenzva-riabilität,
Herzfrequenzstarre, Magenentleerungsstörung mitVöllegefühl und
Übelkeit, chronische Diarrhoe, Harnblasenent-leerungsstörung oder
erektile Dysfunktion vorliegt.
5.3 Prozedere bei Verdacht auf hereditäre AmyloidoseAuf dem
Boden eines klinischen Verdachts ist auch bei den he-reditären
Formen zwingend der Nachweis des Amyloids aus Ge-weben zur
Diagnosesicherung zu führen, selbst dann, wenneine positive
Familienanamnese vorliegt. Bei Erstdiagnose ist imFalle eines
Amyloidnachweises die weitere Typisierung erfor-derlich. Wird ein
Amyloidprotein identifiziert, das einer heredi-tären Amyloidose
zugeordnet werden kann, sollte diese durcheine sorgfältige
Familienanamnese geprüft werden. Eine unauf-fällige
Familienanamnese schließt eine hereditäre Amyloidosenicht aus. Die
zu Grunde liegende Mutation kann molekularbio-logisch gesichert
werden. Sollte wie beim Transthyretin ursäch-lich eine
Proteinvariante festgestellt werden, die im Wesentli-chen durch die
Leber synthetisiert wird, gibt es die Option der
Lebertransplantation. Hierfür ist jedoch zur Bestätigung
derGenmutation die weitere proteinchemische und/oder geneti-sche
Abklärung eine zwingende Voraussetzung.
Bei bekannter familiärer Amyloidose ist eine präsymptomati-sche
und pränatale Diagnostik genetisch möglich. Da die Erst-symptomatik
in der Regel erst im Erwachsenenalter auftritt undweiterhin die
symptomatische Therapie neben der Lebertrans-plantation lediglich
als Optionen vorhanden sind, kann einScreening auf genetisch
betroffene Personen in Familien vonidentifizierten Genträgern auf
individueller Basis z.B. ab 18 Jah-ren empfohlen werden.
6 Diagnostik – Histologische Untersuchungsverfahren 5
Per definitionem kann Amyloid nur morphologisch diagnosti-ziert
werden. Es gibt bislang keinen klinischen, serologischenoder
radiologischen Test, der die histologische Untersuchung ei-ner
Gewebeprobe ersetzt.
6.1 Die KongorotfärbungDie Kongorotfärbung gilt als Goldstandard
für den Nachweis desAmyloids. Puchtlers Kongorotfärbung in
Verbindung mit der Po-larisationsmikroskopie ist hochspezifisch für
den Nachweis desAmyloids [164]. Es hat jedoch eine begrenzte
Sensitivität.Kleinste Amyloidablagerungen werden leicht übersehen.
DieSensitivität lässt sich durch Anfertigen dickerer
Paraffinschnittesteigern (5–10 µm anstatt der 2–5 µm dicken
Schnitte). Diekongorotgefärbten Schnittpräparate können auch im
Fluores-zenzmikroskop ausgewertet werden: Amyloid weist eine
gelb-orange Fluoreszenzfarbe auf [120]. Es muss jedoch
ausdrücklichangemerkt werden, dass die Fluoreszenz nicht spezifisch
ist undeine grüne Polarisationsfarbe im polarisierten Licht
gesuchtwerden muss.
6.2 ElektronenmikroskopieElektronenmikroskopisch besteht Amyloid
aus starren, nicht-verzweigten Mikrofibrillen variabler Länge, mit
einem Quer-durchmesser von 10 nm. Der Nachweis extrazellulärer
Mikrofi-brillen wurde lange als diagnostisch für Amyloid gewertet.
In-zwischen ist bekannt, dass eine Reihe von Erkrankungen mit
bi-ochemisch unterschiedlichen Ablagerungen von
Mikrofibrilleneinhergehen [110]. Einige dieser Erkrankungen weisen
Ähnlich-keiten mit „typischen“ Amyloidfibrillen auf. Die
Kongorotfär-bung und der immunhistologische Nachweis von Amyloid
P-component erlauben die Unterscheidung zwischen Amyloidund
anderen, nicht-amyloidogenen Fibrillopathien [110].
6.3 Fettaspirationsbiopsie (FAB)Die Diagnose Amyloid kann
prinzipiell an jedem amyloidhalti-gen Gewebe gestellt werden.
Hierzu eignet sich u.a. die Fettas-pirationsbiopsie (FAB) [219].
Subkutanes Fettgewebe wird mitHilfe einer Einmalspritze und einer
Kanüle mit einem Innen-durchmesser von 0,7–1,2 mm aspiriert, auf
einem Glasobjekt-träger ausgestrichen, getrocknet und mit Kongorot
gefärbt. EineLokalanästhesie ist i.d.R. nicht erforderlich. Es
sollte darauf ge-achtet werden, dass auch wirklich
Fettgewebsfragmente ge-fasst werden und nicht nur „Fettaugen“. Die
FAB wird meistensvon der Bauchdecke entnommen. Für den Nachweis von
Amy-loid ist die FAB eine einfache Methode. Man benötigt keine
spe-zielle apparative Ausstattung und kann eine Probe unter
ambu-
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Interdisziplinäre Leitlinien zur …
lanten Bedingungen gewinnen. Auch wiederholte Probeent-nahmen
sind möglich. Die FAB birgt bei korrekter Anwendunglediglich die
Gefahr eines Hämatoms und ist gerade für denEinsatz im
pädiatrischen Krankengut wegen seiner geringenKomplikationsrate
besonders geeignet. Amyloid wurde mit ei-ner Inzidenz von 6–11% in
FABs nachgewiesen [10, 39, 58, 125].Die FAB ist somit nicht als
genereller Screeningtest geeignet[58, 111]. Der große Vorzug der
FAB liegt in ihrem prädiktivenWert (nahezu 100%) für das Vorliegen
einer systemischenAmyloidose. Die FAB kann auch dann noch
eingesetzt werden,wenn die Leber- oder Nierenbiopsie wegen eines zu
hohenKomplikationsrisikos schon kontraindiziert ist. Nachteilig
ist,dass die FAB eine geringere Sensitivität aufweist als die
Nieren-und Rektumbiopsie. Studien mit angemessenen Kontrollenwiesen
der FAB eine Sensitivität für das Vorliegen einer syste-mischen
Amyloidose von 35–84% zu. Die Sensitivität der FABhängt dabei von
der Menge des gewonnenen Gewebes ab. Ver-schiedene Amyloidtypen
ließen sich bislang mit der FAB nach-weisen. Hierzu zählen die AA-,
AApo AI-, AApoAII- [224], AFib-[209], AL-, ALys- [153] und ATTR
Amyloidose. Bestimmte For-men systemischer Amyloidosen scheinen dem
Nachweis zuentgehen, wie z.B. das Aβ2M-Amyloid [145, 214] und die
mitdem familiären Mittelmeerfieber einhergehende AA Amyloido-se
[205]. Das mit einer FAB gewonnene Material kann auchelektronen-
und immunelektronenmikroskopisch untersuchtwerden [11]. Es
gestattet den Einsatz der Immunhistologie, Im-mundiffusion [218],
des enzymgekoppelten Immunabsorpti-onsassays [83, 144, 145], der
Gelelektrophorese und des Wes-tern Blots [103]. Die begrenzte
Anzahl an Objektträgern, diemit einer FAB gewonnen werden kann,
begrenzt den Einsatzvon Zusatzuntersuchungen, wie z.B. der
Immunhistologie.
6.4 Biopsien aus der Mundhöhle und dem Gastrointesti-naltraktFür
den Nachweis von Amyloid bieten sich auch Biopsate ausder Mundhöhle
und dem Gastrointestinaltrakt an. Die Biopsieder Gingiva [32, 114]
und kleinen Speicheldrüsen [31, 32, 48, 49]benötigt kein
Endoskopiebesteck. Dahingegen benötigt man fürdie Biopsie der
Magen-, Dünndarm-, Dickdarm- und Rektum-schleimhaut wahlweise ein
starres oder flexibles Endoskopie-besteck. Bezüglich der
Sensitivität des Amyloidnachweises lie-gen Magen-, Duodenum- und
Rektumbiopsien höher als dieFAB. Weiterhin sind umfangreichere
immunhistologische Un-tersuchungen möglich [20, 48, 111]. Amyloid
liegt vaskulär undinterstitiell vor und kann in allen Schichten der
Magen-Darm-wand auftreten. Amyloid findet sich dabei häufiger in
der Sub-mukosa als in der Muscularis mucosae und Mukosa[168, 169,
222]. Die Rektumbiopsie ist ein Standardverfahren fürden Nachweis
von Amyloid [55]. Die Sensitvität des Nachweisesschwankt von 69–97%
und wird maßgeblich von der Menge desgewonnenen Biopsates
beeinflusst [2, 48, 65, 106, 114]. Es ist inbis zu 60% der Fälle
mit einem falsch negativen Nachweis zurechnen, wenn die Submukosa
nicht enthalten ist [169]. Amylo-id lässt sich auch in Biopsaten
des Magens und Duodenumsnachweisen. Bei ca. 7–13,3% der Patienten
mit einer rheumatoi-den Arthritis wird hier Amyloid abgelagert
[107, 111].
6.5 Die Suralnerv- und MuskelbiopsieZur Abklärung einer
amyloidinduzierten peripheren Neuropa-thie werden häufig
Suralnervbiopsien eingesetzt. Amyloid fin-det sich in etwa 1,2%
aller Suralnervbiopsate, die zur Untersu-chung einer peripheren
Neuropathie entnommen worden sind
[166]. Amyloid zeigt sich in Gefäßwänden und interstitiell
imEndoneurium, Perineurium und Epineurium [94, 97, 166, 188].Es
kann in etwa einem Drittel der Fälle mit einem Verlust
dermyelinisierten Axone, axonaler Degeneration und einem
chro-nischen Entzündungsinfiltrat verknüpft sein [97, 166]. Die
Amy-loidproteine können sich bei den familiären Polyneuropathienvon
z.B. TTR, ApoA-I oder Gelsolin ableiten. Systemische AA-[94] und AL
Amyloidosen [94, 97] manifestieren sich auch anden peripheren
Nerven: An einer peripheren Neuropathie lei-den 15–35% der
Patienten mit einer systemischen AL Amyloido-se. Bislang liegt
jedoch keine systematische Studie vor, die dieSensitivität der
Suralnervbiopsie in der Erkennung einer Amylo-idpoylneuropathie
untersucht hat. Simmons et al. [188] berich-ten von sechs Fällen
amyloidassoziierter peripherer Neuropa-
Tab. 5 Empfehlungen zur Therapie der AA Amyloidose bei
entzündlich-rheu-matischen Erkrankungen.
Therapie Dosierung Evidenz-
grad
Klasse der
Empfehlung
Chlorambucil in vielen Fällen
effektiv
0,04 – 0,2 mg/kg KG/d IIb B
Cyclophosphamid mit oder
ohne Cortison in vielen Fällen
effektiv
20 mg – 100 mg/Tag IIb B
MTX in vielen Fällen effektiv
bei normaler Nierenfunktion
7,5 mg – 15 mg/Wo. IIb C
TNF-α-Blocker-Therapie in vielen Fällen effektiv
Übliche Standarddosis
IIb B
Etanercept 2 x 25 mg/Wo. IIb B
Infliximab 3 mg/kg/KG, nach
Erstinfusion 2 und 6
Wo., danach alle 8 Wo.
IIb B
Für Azathioprin und Colchicin
liegen keine ausreichenden,
sicheren Studienergebnisse vor
III C
Cortisonmonotherapie zur
Behandlung der AA Amyloidose
nicht geeignet; Low-dose-Corti-
sontherapie als zusätzliche
Maßnahme zur raschen Reduk-
tion hoher Krankheitsaktivität
empfehlenswert
III C
Unterstützende Maßnahmen
bei Nephrotischem Syndrom:
Schleifendiuretika,
Salzrestriktion
Arteriellem Hypertonus:
Einsatz nephroprotektiver
Substanzen
ACE-Hemmer
AT1-Rezeptor-Antagonisten
III C
Bei terminaler Niereninsuffizi-
enz wird ein Dialyseverfahren
empfohlen
IIb B
Eine Nierentransplantation
sollte von Fall zu Fall erwogen
werden
IIb B
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thien, bei denen das initiale Biopsat kein Amyloid nachwies.Wie
bei allen anderen Biopsieverfahren unterliegt auch die
Su-ralnervbiopsie der Gefahr eines Probensammelfehlers.
Amyloid kann auch in einem Muskelbiopsat nachgewiesen wer-den.
Prayson fand Amyloid in 16 von 3937 untersuchten Mus-kelbiopsaten
(0,004%) [161]. Amyloid findet sich wiederum inden Gefäßwänden,
sowie im Peri- und Endomysium. Der Nach-weis von Amyloid kann mit
einer neurogenen Atrophie und sel-tener mit verstreuten
degenerierten Muskelfasern und einemchronischen
Entzündungsinfiltrat vergesellschaftet sein [161].Der gleichzeitige
Nachweis von Amyloid im Nerven und Muskelist beschrieben worden
[161, 166].
6.6 NierenbiopsieAmyloid wird in etwa 0,002–8,4% der
Nierenbiopsate nachge-wiesen [25, 48, 176, 207]. Bei
nicht-diabetischen Erwachsenenmit nephrotischem Syndrom findet sich
Amyloid als Ursache inimmerhin 12% der Biopsate [22]. Amyloid liegt
als glomeruläre,tubulointerstitielle und vaskuläre Ablagerungen
vor. Jede Formeiner systemischen Amyloidose kann die Niere
befallen. DieNierenbiopsie ist außerdem die sensitivste Methode zum
Nach-weis einer nicht-neuropathischen hereditären Amyloidose.
Diemeisten Nierenamyloidosen sind jedoch auf eine AA- oder
ALAmyloidose zurückzuführen. Bei der systemischen AA- und
ALAmyloidose ist die Niere nahezu immer betroffen [62].
Nierena-myloid findet sich bei 19–30% der Patienten mit
rheumatoiderArthritis und pathologischem Urinbefund und/oder
Nierenin-suffizienz [85, 140]. In einer fortlaufenden,
nichtselektierten Au-topsieserie fand sich renales AA Amyloid mit
einer Prävalenzvon 0,86% [122].
6.7 ZytologieAmyloid kann auch an zytologischen Präparaten
diagnostiziertwerden [78, 79]. Die Kongorotfärbung kann auf
zytologischeProben angewendet werden. Wiederum ist der Nachweis
dergrünen Polarisationsfarbe gefordert [77, 79]. Bislang liegen
je-doch keine systematischen Studien vor, die die Sensitivität
inausreichendem Maße hinterfragt haben.
6.8 Weitere GewebeAmyloid kann an jeder amyloidhaltigen
Gewebeprobe diagnos-tiziert werden. In der Tat gibt es keinen
Gewebetyp und kein Or-gan, in dem Amyloid nicht auftreten kann. Im
Einzelfall ist esdie Aufgabe des Pathologen und Klinikers, die
Bedeutung desnachgewiesenen Amyloids abzuklären. Es muss überpüft
wer-den, ob es sich um eine lokale oder systemische
Erkrankunghandelt. Es muss die Grunderkankung eruiert werden (z.B.
Plas-mozytom bei AL Amyloidose; ggf. genomische Mutation
zumNachweis einer hereditären Amyloidose), um dann weitere
dia-gnostische und therapeutische Konsequenzen ableiten zu kön-nen.
Man muss sich auch darüber im klaren sein, dass nicht
alleAmyloidablagerungen klinisch relevant sind. Als Faustregel
soll-te man sich merken, dass Amyloid in FABs, Biopsaten aus
demGastrointestinaltrakt, Herzen (ausgenommen Herzvorhöfe) undden
parenchymatösen Organen (Leber, Lunge, Milz, Niere) biszum Beweis
des Gegenteils als eine systemische Erkrankung an-gesehen werden
muss.
6.9 Lokales tumorartiges AmyloidIm Gegensatz zu den meisten
lokalen Amyloidablagerungen(Tab. 2), die nur mikroskopisch fassbar
sind, können in einigenOrganen größere knotige, klinisch relevante
Amyloidmassenmit makroskopisch tumorartigem Aspekt vorkommen. Es
han-delt sich dabei meistens um AL Amyloidosen. Dabei sollte
danngezielt nach einem, möglicherwiese auch extraossär
gelegenenPlasmozytom gesucht werden. Zur Sicherung der Diagnose
ei-ner lokalen AL Amyloidose sollte das Vorliegen einer
systemi-schen AL Amyloidose ausgeschlossen werden.
Lokale Amyloidosen können sich in der Haut befinden [221],wobei
im weiteren Verlauf Übergänge in eine generalisierteAmyloidose
vorkommen. Sie können im Kehlkopf [69] sowie inder Lunge bzw. der
Trachea [157, 201, 211] zu finden sein, wobeiAssoziationen mit
Asbestbelastungen beschrieben wurden [91].Selten finden sich
isolierte Amyloidtumoren im Knochen, wo sieals Folge eines
solitären Plasmozytoms [150] entstehen, ohnedass daraus eine
generalisierte Amyloidose werden muss. Sel-ten liegen sie auch in
der Harnblase [117] oder im Nierenbecken[56], in der Mamma [118],
in der Parotis [215] oder in einem pe-ripheren Nerv [158]. Auch in
der Cervix uteri können Amyloid-tumoren sich entwickeln [223],
wobei diese dann aber von lo-kalem Amyloid zu trennen sind, das als
Keratin-Abkömmlingsich in einem Plattenepithelkarzinom entwickeln
kann [71].
7 Klassifikation 5
Nachdem Amyloid diagnostiziert worden ist, muss es
klassifi-ziert werden, d.h. das abgelagerte Amyloidprotein muss
identi-fiziert werden (Tab. 2) [169]. Damit kann die zu Grunde
liegen-de Erkrankung zugeordnet und die klinische Relevanz
abge-schätzt werden. Es gibt keine verlässlichen
histomorphologi-schen Kriterien, die es erlauben, die 26
verschiedenenAmyloidproteine und fast 30 verschiedenen Amyloidosen
von-einander zu unterscheiden. Die früher gebräuchliche
Unter-scheidung in Kaliumpermanganat-resistente und
-nichtresis-tente Formen ist angesichts der Vielfalt der
Amyloidproteineverlassen worden. Auch die Unterteilung in
periretikuläre undperikollagenäre Amyloidablagerungen reicht bei
weitem nichtmehr aus [86]. Es sind eine ganze Reihe spezifischerer
Metho-den entwickelt worden, die eine Identifikation des
Amyloidpro-teins erlauben. Hierzu zählen die Immunhistologie, der
WesternBlot, ELISA und die Aminosäurensequenzierung
aufgereinigterAmyloidproteine. Jede dieser Methoden hat Vor- und
Nachteile.
7.1 Immunhistologische VerfahrenIn zahlreichen Studien ist der
Nutzen der Immunhistologie undImmunelektronenmikroskopie für die
Klassifikation des Amylo-ids belegt worden [169]. Da jedoch die
Zahl der Amyloidprotei-ne stetig gestiegen ist, stellt sich die
Frage nach ihrer Relevanzfür die klinische Pathologie. Viele
Amyloidproteine treten nurstreng lokal auf. Es ist nicht sinnvoll,
diese Amyloidproteine beieiner systemischen Amyloidose zu
überprüfen (Tab. 2). Wieder-um kann als eine Faustregel definiert
werden, dass die häufigs-ten potenziell systemisch auftretenden
Amyloidosen ausgetes-tet werden sollten. Hierzu zählen das AA-,
AApoAI-, AFib-, AL-,ALys- und ATTR Amyloid. Weiterhin empfehlen wir
eine im-munhistologische Färbung mit gegen Amyloid P-component
ge-richteten Antikörpern. Diese Immunreaktion hilft bei der
Zu-ordnung des Amyloids in immunhistologisch gefärbten Schnit-
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ten und bei der Unterscheidung der Leicht- und
Schwerkettena-blagerungskrankheit von Amyloid. Die
immunhistologischeKlassifikation des Amyloids sollte durch
erfahrene Pathologenerfolgen.
7.2 Proteinbiochemische VerfahrenDie zweifelsfreie
Identifizierung des Amyloidproteins gelingtnur mit biochemischen
Verfahren. Das Amyloidprotein mussaus dem Gewebe extrahiert und
seine Primärstruktur sequen-ziert werden. In den meisten Fällen
werden biochemische Ver-fahren zum Erfolg führen, sind jedoch
bislang nicht für die klini-sche Routinediagnostik einsetzbar.
7.3 Molekularbiologische VerfahrenEine hereditäre Amyloidose
sollte nach immunhistochemi-schem Nachweis des abgelagerten
Proteins durch direktes Se-quenzieren auf genetischer Ebene
abgeklärt werden. Nach derIdentifikation des Amyloidproteins und
der genetischen Mutati-onsdiagnostik ist eine humangenetische
Beratung erforderlich.Eine ausschließliche molekularbiologische
Untersuchung ohnemorphologisches oder proteinbiochemisches Korrelat
für dasVorliegen einer Amyloidose sollte mit äußerster Vorsicht
gewer-tet werden. Der Nachweis einer genomischen Mutation in ei-nem
ein Amyloidvorläuferprotein kodierenden Gen ist kein Be-weis für
das Vorliegen einer hereditären Amyloidose. Stets istzuerst der
Nachweis des Amyloids an einem Biopsat oder Re-sektat zu führen.
Generell sollte bei hereditären Amyloiderkran-kungen insbesondere
in Anbetracht der möglichen therapeuti-schen Interventionen
inklusive Organtransplantation eine gene-tische Diagnose
erfolgen.
8 Therapie 5
8.1 Therapie der AA Amyloidose bei entzündlich-rheu-matischen
Erkrankungen (Tab. 5)Haupttherapieziel bei der AA Amyloidose ist
die Synthesehem-mung und Unterdrückung des Amyloidvorläuferproteins
SAA.Grundsätzlich gilt, dass eine Substanz, die die Aktivität
derGrunderkrankung reduziert bzw. in Remission führt, auch
effek-tiv in der Behandlung der AA Amyloidose ist. Bei den
entzünd-lich-rheumatischen Erkrankungen sind dies die DMARDs
(Di-sease Modifying Anti-Rheumatic Drugs). Um eine rasche
Unter-drückung der Krankheitsaktivität zu erreichen, müssen
deshalbsehr potente DMARDs mit sehr schnellem Wirkungseintritt
ein-gesetzt werden. Bei den über die Literaturrecherche
identifi-zierten Publikationen zur Behandlung der AA Amyloidose
beientzündlich-rheumatischen Erkrankungen handelt es sich miteiner
Ausnahme um offene Studien, nur z.T. kontrolliert, undum
Kasuistiken. Metaanalysen fehlen völlig. Die Vergleichbar-keit der
Studienergebnisse ist aufgrund der Verschiedenartig-keit der
verwendeten Zielkriterien stark eingeschränkt.
8.1.1 Alkylanzien Insgesamt wurden 12 Publikationen bewer-tet.
Eine randomisierte Studie und zwei offene, kontrollierteStudien [2,
23, 28] belegen eindeutig die Wirksamkeit von Chlo-rambucil und
Cyclophosphamid gegenüber unbehandeltenKontrollgruppen zur Therapie
der AA Amyloidose. Auch mehre-re offene, nicht kontrollierte
Studien sowie Kasuistiken zeigenähnliche Ergebnisse [12, 15, 18,
123, 134, 139]. Die 5-Jahres-Überlebensrate wurde bei Kindern unter
Chlorambucil mit100% und bei Erwachsenen unter Chlorambucil oder
Cyclophos-
phamid mit 89%, eine 10-Jahres-Überlebensrate mit 86%
ange-geben. Die Rate an Therapieversagen i.S. einer terminalen
Nie-reninsuffizienz liegt zwischen 6,7 und 33% und Todesfälle
zwi-schen 7 und 41%, wobei die unterschiedlich lange
Beobach-tungszeit hierbei berücksichtigt werden muss. Welche
Substanzunter den Alkylanzien die AA Amyloidose effektiver
beeinflus-sen kann, muss offenbleiben.
Wenig detaillierte Angaben finden sich in diesen
Publikationenüber Nebenwirkungen. Chlorambucil kann besonders
zuschwerwiegenden hämatologischen Komplikationen führen. Indiesen
Studien sind Leukopenien mit 75% und eine letaleThrombozytopenie
beschrieben worden. Keine Angaben findensich über ein erhöhtes
Malignom-Risiko, wie das Blasenkarzi-nom unter Cyclophosphamid. Bei
Kindern und Jugendlichen istdie Infertilität besonders
problematisch [30]. Langzeitbeobach-tungen unter Chlorambucil oder
Cyclophosphamid hatten erge-ben, dass keiner der männlichen
Patienten Vater geworden war[180]. Die Inzidenz dieser
Nebenwirkungen ist nicht exakt be-kannt. Trotz Therapieversagen und
Toxizität gelten auch heutenoch die Alkylanzien als
Standardtherapie zur Behandlung derAA Amyloidose im Rahmen
entzündlich-rheumatischer Erkran-kungen.
Tab. 6 Empfehlungen zur Therapie der systemischen AL
Amyloidose.
Therapie Dosierung Evidenz-
grad
Klasse der
Empfehlung
Melphalan
Prednison
(MP nach [4])
8 mg/m2 Prednison
60 mg/m2
Tag 1–4
alle 28 Tage
Ib A
Melphalan
Dexamethason
(M-Dex nach [148])
8 mg/m2
40 mg Tag 1–4
alle 28 Tage
IIa B
Vincristin
Adriamycin
Dexamethason
(VAD nach
[13, 72, 155, 184])
1,6 mg/96 Std
36 mg/m2/96 Std
40 mg
Tag 1–4, 9–12, 17–20
alle 28 Tage
IIb B
Dexamethason
(Dex nach [33, 66])
40 mg
Tag 1–4, 9–12, 17–20
alle 35 Tage
IIa B
Hochdosis Melpha-
lan (HDM) und
autologe Stammzell-
transplantation
(ASCT) (nach
[27, 189])
HDM 100–140–200 mg/m2
ASTC > 2,0 x 106 CD34+/kg
IIa B
Thalidomid
(nach [37])
Dexamethason
(Thal-Dex nach
[149])
100 mg/d Steigerung auf
400 mg/Tag
20 mg Tag 1–4
alle 21 Tage
IIa B
Bortezomib
Ergenisse sind
abzuwarten
klinische Studien IV C
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Die schwerwiegenden Nebenwirkungen und auch die
Therapie-versager unter den Alkylanzien erfordern deshalb
alternativeTherapien.
8.1.2 Methotrexat Wenige Veröffentlichungen finden sichüber
Methotrexat zur Behandlung der AA Amyloidose[3, 43, 50, 60]. Die
geringe Zahl an Publikationen ist nicht zuletztauf den Umstand
zurückzuführen, dass bei der aktiven rheuma-toiden Arthritis und
anderen entzündlich-rheumatischen Er-krankungen Methotrexat das
Mittel der 1. Wahl ist und dass beiPatienten mit einer AA
Amyloidose dieses Medikament meistschon ausgeschöpft ist. Dennoch
gibt es Krankheitsfälle ohneEinsatz dieser Substanz. Zwei Grupppen
[43, 50] analysiertendie Resultate der Methotrexat-Therapie auf die
Beeinflussungder Aktivität der Grunderkrankung und der klinischen
Zeichender Nierenamyloidose in Abhängigkeit vom
Serumkreatinin-Wert. Sofern eine weitgehend normale Nierenfunktion
vorliegt,kann unter dieser Therapie eine deutliche Regredienz der
klini-schen Zeichen der AA Amyloidose eintreten. Bei einem
Kreati-nin ≥2 mg/dl ist kein positiver Effekt mehr zu erwarten.
DerVersuch einer Methotrexat-Therapie ist bei normwertigem
Kre-atinin durchaus vor Einsatz der Alkylanzien gerechtfertigt.
8.1.3 TNF-α-Blocker In Deutschland sind seit Herbst 1999
dieTNF-α-Blocker Infliximab und Etanercept, seit 2003 auch
Adali-mumab zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis
zugelassen.Sieben Publikationen zur Behandlung der AA Amyloidose
konn-ten identifiziert werden. Neben 4 Kasuistiken mit
insgesamtgünstigem Effekt [40, 181, 190, 216] sind 3 offene,
prospektiveStudien, nicht randomisiert und nicht kontrolliert [73,
146, 206],erschienen. Bei einem Kreatinin von 1,7±0,4 mg/dl wurde
in ei-ner Studie [206] ein Rückgang der Krankheitsaktivität und
derklinischen Zeichen der Nierenamyloidose nachgewiesen. In denzwei
anderen Studien [73, 146, 206] mit 6 bzw. 15 Patientenkommt es nur
in der Hälfte der Fälle zu einer positiven Beein-flussung der
genannten Kriterien. Zu berücksichtigen ist, dassbei diesen drei
Studien bereits zu Beginn der TNF-α-Blocker-Therapie eine
eingeschränkte Nierenfunktion bestand. Die Beo-bachtungszeit bei
diesen Substanzen ist erwartungsgemäßnoch recht kurz.
8.1.4 Azathioprin und Colchicin Vereinzelt finden sich
Publika-tionen [100, 185] über Azathioprin zur Behandlung der AA
Amy-loidose bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Wäh-rend in
einer Kasuistik [185] eine Remission der klinischen Zei-chen der AA
Amyloidose unter der Azathioprin-Therapie beob-achtet wurde, wird
in einer offenen retrospektiven,kontrollierten Studie [100] ein
sehr schlechtes Ergebnis, ver-gleichbar mit der unbehandelten
Kontrollgruppe, nachgewie-sen.
Drei Kasuistiken [45, 46, 101] beschreiben unter einer
Colchicin-Therapie in einem Fall in Kombination mit Sulfasalazin
einenpositiven Effekt auf den Verlauf der AA Amyloidose.
Aufgrund jedoch der spärlichen Datenlage kann eine Therapiemit
Azathioprin und Colchicin zur Behandlung der AA Amyloi-dose bei
entzündlich-rheumatischen Erkrankungen nicht emp-fohlen werden.
Grundsätzlich anders ist dies beim familiärenMittelmeerfieber mit
und ohne einer begleitenden AA Amyloi-dose. Hier stellt Colchicin
die Standardtherapie dar (siehe ent-sprechenden Abschnitt).
8.1.5 Cortison Der Einsatz einer Cortisontherapie wird
kontro-vers diskutiert. Wenngleich in einer Kasuistik [126] unter
eineralleinigen Cortisontherapie (initial 40 mg Prednisolon mit
Re-duktion im Verlauf) die klinischen Zeichen der AA
Amyloidoserückläufig waren, so ist die Monocortisontherapie zur
Behand-lung der AA Amyloidose üblicherweise nicht geeignet.
Eineniedrigdosierte Cortisontherapie aber als zusätzliche Maßnah-me
zur raschen Reduktion hoher Krankheitsaktivität ist durch-aus
empfehlenswert [60, 82].
8.1.6 Unterstützende Maßnahmen Unterstützende Maßnah-men sind
beim nephrotischen Syndrom Schleifendiuretika so-wie
Salzrestriktion, beim arteriellen Hypertonus der Einsatz
ne-phroprotektiver Substanzen, wie ACE-Hemmer und auch
AT1-Rezeptor-Antagonisten [34, 82, 142, 154, 170, 171, 176].
8.1.7 Dialyse und Nierentransplantation Im Falle einer
termi-nalen Niereninsuffizienz werden auch bei der AA Amyloidoseim
Rahmen entzündlich-rheumatischer Erkrankungen Dialyse-verfahren und
die Nierentransplantation eingesetzt. Die 5-Jah-res-Überlebensrate
beträgt bei den Dialyseverfahren nach eineroffenen retrospektiven
Studie 30% [133].
Keine Unterschiede sind bezüglich der Überlebensrate bei
ver-schiedenen Amyloidosetypen und bezüglich verschiedener
Dia-lyseverfahren nachweisbar. Die Zahl der Todesfälle ist
beson-ders am Anfang der Dialyse sehr hoch. Die Infektionsrate
mit38% als Todesursache ist bei der AA Amyloidose bei
entzünd-lich-rheumatischen Erkrankungen höher im Vergleich zu
ande-ren Grunderkrankungen.
In einer offenen kontrollierten Studie aus dem Jahr 1986
[151]werden die Ergebnisse der Nierentransplantation in
Abhängig-keit von der zugrundeliegenden Erkrankung verglichen. Die
3Jahres-Überlebensrate wird bei der Amyloidose nur mit 51%,
beianderen zugrundeliegenden Erkrankungen mit 79% angegeben.Zwei
weitere offene Studien aus dem Jahr 1992 [81, 225] habeneine 3-
bzw. 5-Jahres-Überlebensrate von 62% bzw. sogar von65% ermittelt.
Infektionen sind in 61% der Fälle die Todesursa-che, im ersten Jahr
sogar in 75% [81]. Das Auftreten von Amyloi-dablagerungen in der
transplantierten Niere ist in 13 bzw. 14%nach einer Zeitspanne
zwischen 11 und 216 Monaten nachge-wiesen worden.
8.2 Therapie der AL AmyloidoseDie Behandlung der AL Amyloidose
sollte immer interdiszipli-när erfolgen. Die Therapiestrategien
können je nach Ausmaßund Lokalisation des Befalls sehr
unterschiedlich sein. Die loka-lisierte Amyloidose wird primär
lokal, vorzugsweise chirurgischmittels Exzision oder Lasertherapie
behandelt. Der lokalisierteBefall der Haut, der Schleimhaut, des
Nasopharynx und der Tra-chea ist selten. Der Befall weiterer Organe
sollte bei Verdachtauf isolierte lokale AL Amyloidose sehr
sorgfälltig ausgeschlos-sen werden. Die lokale Amyloidose kann zwar
zu lokalen Rezi-diven neigen, hat aber generell eine sehr gute
Prognose.
Die kausale Behandlung der generalisierten AL Amyloidose
be-steht in der systemischen Chemotherapie zur Remissionsinduk-tion
der Plasmazellerkrankung. Abhängig vom Alter und Allge-meinzustand
des Patienten sowie vom Ausmaß des Organbe-falls stehen als
Alternativen für die initiale Therapie der Erkran-kung sowohl
standarddosierte Chemotherapieschemata als
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auch die Hochdosischemotherapie mit Melphalan und autolo-ger
Stammzelltransplantation zur Auswahl (siehe unten undTab. 6). Bei
jüngeren Patienten mit isoliertem Organbefall (ins-besondere
kardialem Befall) sollte die Organtransplantation(speziell
Herztransplantation) interdisziplinär diskutiert wer-den. Im Falle
eines Rezidivs nach der Primärtherapie könnenverschiedene
konventionell dosierte Therapieschemata einge-setzt werden. In
geeigneten Fällen kann auch die erneute Hoch-dosis-Chemotherapie
mit autologer Stammzelltransplantationindiziert sein.
8.2.1 Melphalan/Prednisolon (MP) Als herkömmliche Thera-pie gilt
die Behandlung mit oralem Melphalan (8 mg/m2) undPrednison (60
mg/m2) für 4 Tage wiederholt alle 28 Tage [4] mitinsgesamt 6
Zyklen. Durch diese Behandlung kann bei 28–30%der Patienten ein
hämatologisches Ansprechen erreicht werden[112]. Die mediane
Überlebenszeit konnte in einer Phase-III-Studie durch die
Behandlung mit MP auf 18 Monate verlängertwerden [112]. Die
Behandlung mit MP kann länger als 6 Monate,zum Beispiel als
Erhaltungstherapie bei Patienten mit gutemAnsprechen gegeben
werden. Die MP-Therapie wird vor allemfür Patienten gewählt, die
für die Hochdosis-Chemotherapie mitMelphalan wegen ihres Alters
(>65 Jahre), wegen eines schlech-ten Allgemeinzustandes (WHO
>3) oder des Ausmaßes der Or-ganbeteiligung nicht in Frage
kommen.
8.2.2 Melphalan/Dexamethason (M-Dex) Als Alternative zuMP wurde
vor kurzem in einer Phase-II-Studie die Behandlungmit 6 Zyklen
oralem Melphalan (8 mg/m2) und Dexamethason(40 mg tgl. an 4 Tagen)
wiederholt alle 28 Tage untersucht[148]. Es konnte ein
hämatologisches Ansprechen der Plasma-zellerkrankung bei 67% der
behandelten Patienten erreicht wer-den, 33% erreichten eine
komplette hämatologische Remission[148]. Bei 48% der Patienten
zeigte sich eine Besserung der Or-ganfunktionen. Während der
gesamten Therapie wurde die Pro-phylaxe mit Ciprofloxacin und
Itraconazol durchgeführt.
8.2.3 Vincristin, Adriamycin und Dexamethason (VAD) Durchdie VAD
Chemotherapie mit kontinuierlicher Infusion von Vin-cristin 1,6 mg
und Adriamycin 36 mg/m2 über 96 Stunden undoralem Dexamethason 40
mg an den Tagen 1–4, 9–12 und 17–20 [13] kann ein hämatologisches
und klinisches Ansprechen inder Primärtherapie der AL Amyloidose
erreicht werden, auchwenn größere kontrollierte klinische Studien
bisher fehlen. Esliegen überwiegend Ergebnisse zur Behandlung mit
VAD undanschließender Hochdosis-Chemotherapie mit Melphalan
undautologer Stammzelltransplantation vor. Insbesondere bei
Pati-enten mit AL Amyloidose und nephrotischem Syndrom konntedurch
diese Therapie eine Remission der Plasmazellerkrankungund eine
klinische Verbesserung des nephrotischen Syndromserzielt werden
[72, 184]. Die VAD-Chemotherapie hat bei Pati-enten mit AL
Amyloidose eine hohe Toxizität mit 7% therapieas-soziierten
Todesfällen gezeigt [155]. Die Stammzellsammlungist bei Patienten
mit AL Amyloidose im Anschluss an die Be-handlung mit VAD möglich
[155, 184, 213], so dass diese Chemo-therapie für Patienten in
Frage kommt, die potenzielle Kandida-ten für
Hochdosis-Chemotherapie mit Melphalan sind. Bei Pati-enten mit
Polyneuropathie wird empfohlen, VAD ohne Vincris-tin durchzuführen.
Bei Patienten mit kardialer Amyloidosemuss die Indikation zur
Therapie mit VAD mit dem behandeln-den Facharzt fur Kardiologie
diskutiert werden.
8.2.4 Dexamethason (Dex) Mit der Induktionstherapie mit
De-xamethason in der Dosis 40 mg/Tag an den Tagen 1–4, 9–12
und17–20 alle 35 Tage für insgesamt 3 Zyklen und der
anschließen-den Erhaltungstherapie mit Dexamethason in der Dosis 40
mg/Tag für 4 Tage alle 4 Wochen zusammen mit Interferon alpha
5Millionen IE subcutan dreimal in der Woche konnte in einerStudie
die Remission der Organfunktion bei 45% der Patientenund die
hämatologische Response bei 53% der Patienten (24%komplette
Remission) erreicht werden [33]. Die Organresponse-rate war am
höchsten bei Patienten mit Nierenamyloidose(39%) und am niedrigsten
bei Patienten mit Neuropathie (3%).Hochdosis-Dexamethason kann in
der initialen Therapie alsMonotherapie oder in Kombination mit
anderen Substanzenund in der Rezidivtherapie eingesetzt werden
[64]. Die prophy-laktische Gabe von Antibiotika und Antimykotika
sowie PPIwird während der gesamten Therapie empfohlen.
8.2.5 Hochdosis-Chemotherapie mit Melphalan (HDM) und autologe
Stammzelltransplantation (ASCT) In zahlreichenPhase-II-Studien
konnte gezeigt werden, dass mit der Hochdo-sis-Chemotherapie mit
Melphalan in der Dosis 140–200 mg/m2
(Reduktion auf 70–100 mg/m2 bei Niereninsuffizienz) und
an-schließender autologer Stammzelltransplantation bei ca. 50%der
Patienten ein hämatologisches Ansprechen der Plasmazel-lerkrankung
erreicht wird. Patienten mit hämatologischem An-sprechen nach der
Hochdosis-Chemotherapie zeigten ein signi-fikant längeres Überleben
im Vergleich zu Patienten ohne An-sprechen [27, 189]. Auch wenn bis
heute Phase-III-Studien zumVergleich von MP und HDM fehlen, wurde
kürzlich eine Fall-Kontroll-Studie durchgeführt, die einen
Überlebensvorteil fürdie mit HDM und ASCT behandelten Patienten
zeigte [36]. DieMöglichkeit zur Behandlung mit HDM und ASCT sollte
bei je-dem Patienten mit systemischer Amyloidose überprüft
werden.Die Indikation sollte in Abhängigkeit vom Alter (in derRegel
< 70 Jahre), Organfunktion (Grad der Herzinsuffizienz,Ausmaß der
Niereninsuffizienz, Ausmaß der Hepatopathie) so-wie Allgemein- und
Ernährungszustand gestellt werden [13].Die Toxizität von HDM und
ASCT wird in unterschiedlichen Stu-dien mit 13–40% angegeben [27,
63, 155, 189] und ist von der Er-fahrung des
Transplantationszentrums abhängig. HDM undASCT sollte wegen der
hohen Toxizität nur in Zentren durchge-führt werden, die über eine
besondere Erfahrung in der Be-handlung von AL Amyloidosepatienten
verfügen. Nach einerneueren Untersuchung [174] bringt die initiale
zusätzliche Be-handlung mit 2 Zyklen Melphalan und Prednison (MP)
vor an-schließender HDM und ASCT keinen Vorteil hinsichtlich des
hä-matologischen Ansprechens und Überlebens.
8.2.6 Neuere Therapieansätze: Thalidomid, Bortezomib
ZurBehandlung der AL Amyloidose mit Thalidomid liegen bishernur
wenige Berichte vor. Eine der klinischen Studien zur
Thali-domid-Monotherapie musste nach Einschluss von 12 AL
Amylo-idosepatienten wegen einer besonders hohen Nebenwirkungs-rate
abgebrochen werden. Thalidomid wurde mit einer hohenRate an
peripheren Ödemen, Dyspnoe, tiefer Beinvenenthrom-bosen, Schwindel,
kognitiven Funktionsstörungen, Synkopenbei insgesamt 80% der
behandelten Patienten in Verbindung ge-bracht [37]. Mit der
Kombinationstherapie aus Thalidomid(100 mg/Tag und Steigerung alle
2 Wochen bis 400 mg/Tag) undDexamethason (20 mg an den Tagen 1–4)
alle 21 Tage konnte ineiner anderen klinischen Studie bei 31
Patienten, die auf Pri-märtherapie nicht angesprochen haben, eine
Ansprechrate von
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Interdisziplinäre Leitlinien zur …
48% und eine komplette Remissionsrate von 26% bei einer
Ne-benwirkungsrate von 65% erreicht werden [149]. Da
ThalidomidEffektivität bei Plasmazellerkrankungen zeigt, ist es
trotz derhohen Nebenwirkungsrate in Einzelfällen gerechtfertigt,
einenTherapieversuch bei Patienten mit AL Amyloidose zu wagen.
Eine potenzielle Möglichkeit zur Beeinflussung der
Plasmazel-lerkrankung liegt in der Behandlung mit dem
Proteasomeninhi-bitor Bortezomib. Hier werden Ergebnisse der zur
Zeit laufen-den multizentrischen, klinischen Studien erwartet.
Die Behandlung mit Colchicin ist bei der AL Amyloidose
obsolet[112].
8.2.7 Behandlung der Organmanifestationen (disziplinspezi-fisch
und stichwortartig) Nierenamyloidose: Behandlung desnephrotischen
Syndroms mit Diuretika, ACE-Hemmern, AT1-Re-zeptorantagonisten und
Behandlung der Niereninsuffizienz ein-schließlich Hämodialyse. Cave
Antikoagulation beim nephroti-schen Syndrom! Bei Patienten mit
nephrotischem Syndrom istes möglich, eine klinische Remission der
Nierenerkrankungdurch die kausale Behandlung der
Plasmazellerkrankung mitChemotherapie zu erreichen. Die Therapie
ist besonders erfolg-reich bei Patienten ohne Niereninsuffizienz
zum Zeitpunkt desTherapiebeginns. Die hämodialysepflichtige
Niereninsuffizienzschließt die Behandlung mit Chemotherapie,
insbesondere mitHochdosis-Chemotherapie mit Melphalan und ASCT
nicht aus.
Kardiale Amyloidose: Therapie der Herzinsuffizienz mit
ACE-Hemmern und Diuretika. Der Stellenwert der ICD-Implantationzur
Behandlung der Herzrhythmusstörungen ist unklar (größe-re Studien
fehlen). Kalzium-Antagonisten und Digitalis geltenhistorisch als
kontraindiziert bei AL Amyloidosepatienten, auchwenn ausreichende
Studien auf diesem Gebiet fehlen. Zur Herz-transplantation bei AL
Amyloidkardiomyopathie liegen Fallbe-richt-Zusammenstellungen vor
[5]. Das Überleben nach derHerztransplantation wird negativ
beeinflusst durch die hoheRezidivrate der AL Amyloidose im
Transplantatherzen wegender fortbestehenden systemischen
Plasmazellerkrankung. Zu-dem liegen einzelne Berichte über die
systemische Behandlungder AL Amyloidose mit HDM und ASCT 6 Monate
im Anschlußan eine erfolgreiche Herztransplantation vor [132].
Intestinale Amyloidose: Symptomatische Durchfallbehandlungmit
Loperamid, Octreotid, Opiumtinktur, Opioiden. Bei Kachexieenterale
und parenterale Ernährung.
Leberamyloidose: Symptomatische Behandlung der Komplikati-onen,
parenterale Ernährung, Behandlung des Aszites mit
Flüs-sigkeitsrestriktion, salzarmer Kost und Diuretika.
Amyloidose des Nervensystems: Symptomatische Behandlungder
Komplikationen der sensorischen, motorischen und autono-men
Polyneuropathie.
Weichteilamyloidose und Makroglossie: Einzelne Fallberichteüber
die erfolgreiche HDM und ASCT zur Behandlung der Ma-kroglossie
liegen vor [152]. Die Zungenreduktionsoperationbleibt
spezialisierten Zentren vorbehalten [129].
8.2.8 Hämatologische und organbezogene Remissionskriteri-en zur
Erfassung des Therapieansprechens. [17, 59]
Komplette hämatologische Remission (CR): CR liegt vor, wenndie
Plasmazellerkrankung im Knochenmark nicht nachgewie-sen werden kann
(weniger als 5% Plasmazellen und kein Nach-weis einer klonalen
Dominanz der κ- oder λ-Leichtketten) undwenn gleichzeitig die
monoklonale Gammopathie im Serumund Urin nicht nachgewiesen werden
kann (unauffällige Prote-inelektrophorese, negative Immunfixation
im Serum und Urin,unauffällige Ratio der freien κ- und
λ-Leichtketten ).
Partielle hämatologische Remission (PR): PR ist definiert
alsmindestens 50%ige Reduktion der Konzentration des monoklo-nalen
Proteins im Serum und/oder 50%ige Reduktion der Aus-scheidung der
Leichtketten im 24-Stunden-Urin (wenn die initi-ale
Leichtkettenausscheidung im 24-Stunden-Urin > 100 mg/Tag
betrug). Die 50%ige Reduktion der freien Leichtketten imSerum wird
als partielle Remission gewertet, wenn die initialeKonzentration
über 10 mg/dl lag.
Klinisches Ansprechen: Klinisches Ansprechen wird für
den„performance status“ nach WHO und für jedes Organ
gesondertbetrachtet [59].
Klinisches Ansprechen der kardialen Amyloidose ist definiertals
die Abnahme der Wandverdickung des Septums um 2 mmund/oder die 20%
Zunahme der Ejektionsfraktion und/oder kli-nische Verbesserung um
zwei Grade in der NYHA Klassifikationder Herzinsuffizienz ohne
Erhöhung der Diuretikadosis bzw.um einen Grad bei einer
Verringerung der Diuretikadosis um50%.
Klinisches Ansprechen des nephrotischen Syndroms ist defi-niert
als die Abnahme der Eiweißausscheidung im 24 StundenSammelurin um
mehr als 50% bei gleichzeitig fehlender Ver-schlechterung der
Kreatinin-Clearance. Die Proteinurie mussdabei mindestens um 0,5
g/Tag zurückgegangen sein und initialmehr als 0,5 g/Tag betragen
haben.
Klinisches Ansprechen der Leberamyloidose ist definiert als
dieAbnahme der Konzentration der Alkalischen Phosphatase imSerum um
mehr als 50% und/oder die Reduktion der Lebergrö-ße um mindestens 2
cm in Ultraschalluntersuchung des Abdo-mens.
8.3 Therapie der hereditären Amyloidosen8.3.1 Therapie der ATTR
Amyloidose Lebertransplantation(LTx): Die orthotope LTx stellt die
Therapie der Wahl bei derATTR Amyloidose dar (Evidenzgrad IIa,
Klasse B) [89]. Mit ihrwird der Hauptsyntheseort des mutierten TTR
entfernt und dieKrankheitsprogression dadurch in vielen Fällen
gestoppt [108].Die bei der LTx zu beachtenden Kriterien zur
Indikationsstel-lung sind individuell abzuwägen. Ethische und
medizinischeAspekte sind dabei besonders sorgfältig zu klären und
solltendeshalb lediglich von ausgewiesenen Spezialärzten
durchge-führt werden. Enorme Bedeutung hat die Festlegung des
Zeit-punktes der LTx. Die Wartezeit auf einer
Transplantationslisteerschwert die Wahl des geeigneten Zeitpunkts.
FortgeschritteneMalabsorption sowie eine fortgeschrittene
Polyneuropathie li-mitieren den postoperativen Verlauf und erhöhen
das periope-rative Risiko. Eine sorgfältige Evaluation des Herzens
(Langzeit-
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S 59Konsensus | Review article
Dtsch Med Wochenschr 2006; 131: 45–66 · C. Röcken et al.,
Interdisziplinäre Leitlinien zur …
EKG, Echokardiographie, ggf. Linksherzkatheter und
Myokard-biopsie) sollte u.a. frühzeitig eine Indikation zur
Implantationeines Herzschrittmachers klären [95]. Bei Patienten,
bei denendie Herzbeteiligung führt, kann eine Herztransplantation,
gege-benenfalls auch eine kombinierte
Herz-/Lebertransplantation,erforderlich werden. Diese sind bei
Amyloidosepatienten bishernur vereinzelt erfolgt.
Amyloidablagerungen sind in transplan-tierten Herzen nach bislang
maximal 5-jähriger Beobachtungs-zeit nicht beobachtet worden [197].
Grundsätzlich ist die Indi-kation zur LTx daher früh zu stellen,
d.h. beim Auftreten ersterfunktionell bedeutsamer Symptome [88],
auch um ggf. eineHerz- bzw. kombinierte Herz-/Lebertransplantation
zu vermei-den. Ist eine Herzamyloidose klinisch manifest oder
liegen kli-nisch relevante autonome Störungen vor, hat eine
alleinige LTxnur noch einen begrenzten therapeutischen Effekt. Bei
der Indi-kationsstellung sind der klinische Status des Patienten,
die Cha-rakteristika der spezifischen TTR-Variante bzw. der
zugrunde-liegenden Mutation (neuropathischer vs. kardialer
Manifestati-onstypus; z.B. besonders rasche Progression b