-
Endlich bist du wieder da. Wir habendich vermisst“, sagen die
serbischenMädchen Jenny und Zlatja zu mir,als ich nach ein paar
Tagen KrankenstandMontagmorgen das Klassenzimmer der4a betrete. Sie
umarmen mich herzlichund weichen, so wie einige andere Kin-der, an
diesem Tag kaum von meiner Sei-te. „Oje, 15. Bezirk“, meinen oder
den-ken jetzt manche. „Da sind ja hauptsäch-lich Ausländer!“ Womit
sie auch Rechthaben: Kroaten, Serben, Bosnier, Maze-donier,
Albaner, Ungarn, Roma, Polen,Bulgaren, Rumänen, Tschechen,
Slowa-ken, Türken, Afghanen, Iraker, Iraner,Ägypter, Nigerianer,
Somalier, Philippi-nos, Chinesen und noch einige weitereKinder
anderer Nationalitäten (insgesamtrund 30) besuchen unsere Schule –
sozu-sagen eine „Multi-Kulti-Schule!“
Wie funktioniert das Miteinander? Vor allem, wie lehrt man nun
als Lehrerin6-jährigen Tafelklasslern Lesen, Schrei-ben, Rechnen
und erklärt Sachunter-richtsthemen verständlich, wenn sie dochkaum
die deutsche Sprache beherrschen?Vor 30 Jahren gab es, im Vergleich
zuheute, wenige Migranten oder Kinder so-genannter „Gastarbeiter“
bei uns in derSchule, die keine Deutschkenntnisse hat-ten. Wenn ich
das letzte Schuljahr (2010/ 2011) betrachte, zählte ich in
meinerKlasse nur mehr drei österreichische Kin-der, die restlichen
18 kamen aus siebenanderen Ländern. Oft ist es mittlerweiledie
zweite oder dritte Generation vonnichtdeutschsprachigen Kindern,
derenEltern ebenfalls schon in Österreich auf-gewachsen und hier
zur Schule gegangensind. Dementsprechend gut war ihrDeutsch schon
zu Beginn der ersten Klas-se. Nur zwei Schüler konnten 2007
nochkein einziges Wort Deutsch – genau diesezwei aber gehörten am
Ende der viertenKlasse, im Juni 2011, zu den acht zu-künftigen
Gymnasiumsgängern der 4a.Demnach ist offensichtlich die
sprachli-che Barriere kein Hindernis für einen gu-ten, informativen
und lustbetonten Un-terricht und schon gar kein Grund fürschlechte
Noten. Viele der „Zuwanderer-Kids“ sind sehr lernwillig und, wie
ichpersönlich oft empfunden habe, sehr so-zial, hilfsbereit und
dankbar.
Schulen zum WohlfühlenEiner der wichtigsten Dinge für die
Lehr-kräfte an einer „schwierigen“ Schule istdas Wohlfühlen am
Arbeitsplatz. Dazugehören Teamfähigkeit und Vertrautheitunter den
Kollegen. Vier Lehrerinnen un-serer Schule waren früher selbst
Migran-
„Hallo, meine Name ist Ahmed“ … Eindrücke aus einer
„Multi-Kulti-Schule“
I N H A L T S V E R Z E I C H N I S Seite
Eindrücke aus einer „Multi-Kulti-Schule“ 1–2
Vom Protestantenpatent 1861 zumProtestantengesetz 1961 – Teil 1
3–5
Religionen im Radio 5
Gottesdienste und Veranstaltungen 6–7
dorothea 8
EAPPI – Von Graz und Linz in dieWestbank 8–9
„Wozu Reli?“ von Gisela Ebmer 10
Andacht: Van Gogh malt eine Predigt, von Balasz Nemeth 11–12
ReformiertesK i r chenb la t t
Wien/Österreich 89. Jg September 2011Heft 9Euro 1,10
Sieht man den Ausländeranteil von 90 %an einer Volksschule in
Wien als Problemoder als Chance? Und behindern
fehlendeDeutschkenntnisse einen ertragreichenUnterricht? Tina
Hauser ist seit 13 JahrenLehrerin an der Volksschule Johnstraßeim
15. Wiener Gemeindebezirk und schil-dert Erfahrungen aus ihrer
„Multi-Kulti-Schule“, die entgegen aller Klischees undVorurteile
eine andere Sprache sprechen.
Romatanz beim Jugendsingen mit Romanes Lehrerin Rabie an der
Volksschule Johnstraße.
-
INTEGRATION / KOOPERATION
tenkinder, die nun mit perfektemDeutsch bei uns als
klassenführendeLehrer angestellt sind. Dass sie nichtnur die oft
schwierige Situation vonEinwanderer – Kindern besser verste-hen,
sondern sich mit ihnen auch in ih-rer Muttersprache verständigen
könnenund oft als Dolmetsch zwischen Elternund Lehrern eingesetzt
werden, hat vie-le Vorteile. Auch wegen ihrer sozialenund
hilfsbereiten Art werden unsereMigranten – Lehrer/innen von
allenKollegen und Kolleginnen sehr ge-schätzt. Und so wie wir
Lehrer es denKindern vorleben, ahmen sie uns nach!
MUZUs und BegleitlehrerDie VS Johnstraße hat auch das
Glück,unterstützende Muttersprachenlehrerfür Türkisch,
Serbokroatisch, Unga-risch, Polnisch, Arabisch und Romaneszu haben
– die sogenannten MUZU(Muttersprachen-Zusatzlehrer).
DieZusammenarbeit mit diesen könntenicht besser funktionieren. Auch
Be-gleit-, Förder-, Sprachheil-, und Bera-tungslehrer unterstützen
bei uns nichtnur die Seiteneinsteiger, d. h. Kinder,die frisch aus
dem Ausland kommen,sondern fungieren zusätzlich als Zweit-lehrer im
Klassenverband oder helfenKindern mit Lern- und
Verhaltens-schwierigkeiten. Sie tragen viel zur gu-ten Integration
bei. Nicht zu vergessenist die Hilfe unserer
verständnisvollenDirektorin Brigitta Wend. Nur wegenall dieser
Umstände und Personen
klappt ein Miteinander in einer mit fast90% Ausländeranteil
definierten Schuleseit Jahren hervorragend. Ebenso dasEngagement
unserer Eltern, welche oftzum Helfen in die Schule kommen, obzu
Buchstaben-Tagen, Plan- und Freiar-beiten, zur Vorbereitung der
gesundenJausen, bei Ausflügen, sowie Weih-nachts-, Faschings-,
Oster-, oder sonsti-gen Festen anwesend sind, ist ein wah-rer
Gewinn für unsere Schule. DieGastfreundlichkeit und
Hilfsbereit-schaft v. a. der südländischen Mütterkommt hierbei der
Schule zugute, undoft halten sich die Kontakte mit man-chen sogar,
wenn deren Kinder schonlängst aus der Volksschule heraus sind.
Interkulturalität und Begabungen Kinder machen es richtig, denn
dieGrundeinstellung eines jeden Kindes zuanderen Nationalitäten ist
eigentlichneutral und wertfrei – außer natürlich,man lebt es ihnen
als Erwachsener an-ders vor! Kindern istes egal, woher je-mand
kommt, wel-che Sprache erspricht, welcheHautfarbe er hatoder welche
Reli-gion. Verständigungund gemeinsamesSpielen funktionie-ren auch
non- ver-bal. Wenn man, sowie wir es in der
Schule praktizieren, durch Gemein-schaftsaktivitäten, wie
Gruppen- undProjektarbeiten, Theateraufführungen,musikalischen
Darbietungen, länder-übergreifenden Festen, Schullandwo-chen,
Ausflügen, Fußball- und Hand-ballturnieren und vielen
außerschuli-schen Aktivitäten das Miteinander för-dert, erfahren
alle eine besondere Zu-sammengehörigkeit. Wie die diesjähri-gen
Wiener Lesetests bewiesen haben,ist die Leseschwäche der 10 bis 14-
Jäh-rigen auch kein Problem der „nicht-deutschen Muttersprache“.
Mit Stolzkönnen wir sagen, dass unsere viertenKlassen im
Durchschnitt gesehen ganzgut abgeschnitten haben. Abgesehenvon
Fördermaßnahmen zur deutschenSprache für ausländische Kinder,
sowieder Förderung und gezielten Verbesse-rung von Schwächen
(Lese/Recht-schreibschwächen, mathematische undsonstige Schwächen)
ist unsere Schuleder Meinung, dass vor allem interessier-te und in
jeglicher Hinsicht begabteKids zur Förderung ihrer Talente
beson-dere Zuwendung und Aufmerksamkeitbrauchen. Jedes Kind und
jeder Menschhat Begabungen – sportliche, musikali-sche,
sprachliche, technische, soziale.Und was man gut kann, macht
maneinfach gern! Jeder kann etwas be-sonders gut und es heißt bei
uns:„STÄRKEN stärken und SCHWÄ-CHEN schwächen!“
TINA HAUSERLehrerin an der Volksschule Johnstraße im 15.
Wiener Gemeindebezirkfür Interessierte: www.vsjohn.at
■
REFORMIERTES KIRCHENBL ATT 9/2011
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SchülerInnen und LehrerInnen präsentieren ihren
„Friedensmantel“.
Kati aus Bosnien, Alex aus Serbien, Samanthaaus Österreich und
Stefan aus Serbien beim ge-meinsamen Trommeln
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GESCHICHTE
Vom Protestantenpatent (1861)zum Protestantengesetz (1961)Über
die rechtlichen Rahmenbedingungen der Evangelischen Kirche in
Österreich – Teil 1
Auf zwei Urkunden gründen sich die Evange-lischen Kirchen in
Österreich. Und beidefeiern in diesem Jahr ihr Jubiläum – das
Pro-testantenpatent von 1861 und das Protestan-tengesetz von 1961.
MinR Karl Schwarz vomKultusamt schildert in zwei Teilen die
Ge-schichte und Bedeutung dieser für uns Evan-gelische in
Österreich unschätzbaren Urkun-den.
Das Protestantenpatent Am 8. April 1861 unterfertigte
KaiserFranz Joseph I. das so bezeichnete Pro-testantenpatent (RGBl.
Nr. 41/1861).Es hatte zum Ziel, „Angelegenheitender evangelischen
Kirche Augsburgi-schen und Helvetischen Bekenntnisses,insbesondere
die staatsrechtlichen Be-ziehungen derselben“ zu regeln. Mankönnte
auch sagen: die gesetzliche An-erkennung der Evangelischen
KircheA.u.H.B. auszusprechen und die nähe-ren rechtlichen
Rahmenbedingungenfür deren Wirken zu bestimmen. In die-sem Patent
war deutlich von einerMehrzahl gesetzlich anerkannter Kir-chen die
Rede. Dieser Plural konntenur so verstanden werden, dass diedurch
das Toleranzpatent geduldeten„Akatholiken“
(Nicht-Katholiken)nunmehr als „gesetzlich anerkannt“ zugelten
hatten. Das waren die Evangeli-schen des Augsburgischen und des
Hel-vetischen Bekenntnisses, die mit Romnicht unierten Griechen,
also die Grie-chisch-Orthodoxen, und schließlich dieIsraelitische
Religionsgesellschaft, die inHohenems über eine selbständige
Kul-tusgemeinde mit ca. 400 Mitgliedernverfügte.
Interesse an einer GesamtkircheAuf drei Sockeln ruhte die
Herrschaftim Reich: auf dem Militär, auf der Be-amtenschaft und auf
der „schwarzen
Gendarmerie“, der römisch-katholi-schen Kirche, mit der 1855 ein
Konkor-dat abgeschlossen worden war, das vonden liberalen Kräften
massiv bekämpftwurde. Die Protestantenfrage wurdedazu benutzt, um
die Herrschaft derHabsburger in Ungarn zu stabilisieren.Es gab ein
vitales Interesse, den Protes-tantismus im gesamten
Habsburger-reich in einer Gesamtkirche zu konzen-trieren. Denn der
Protestantismus hatteseinen Schwerpunkt außerhalb des heu-tigen
Österreichs. Von den insgesamt3,5 Millionen Protestanten waren
diemeisten 2,1 Millionen magyarische Cal-vinisten und 1,1 Millionen
Lutheranerin Ungarn und Siebenbürgen. DieEvangelische Kirche in
Cisleithanien,für die das Protestantenpatent galt, setz-te sich aus
vier lutherischen und drei re-formierten Superintendenzen und
einergemischten Superintendenz zusammen.Insgesamt gab es in den 150
Gemein-den 170.000 Mitglieder A.B. und90.000 Mitglieder H.B.,
hauptsächlichtschechischer Sprache. Die Schwer-punkte lagen in
Österreichisch-Schle-sien A.B. und in Böhmen/Mähren H.B.In den
westlichen Kronländern Öster-reichs, in Salzburg, Tirol und
Vorarlbergbestanden keine Gemeinden. Für denösterreichischen
Protestantismus wäredamals die Bildung einer Gesamtkircheein
Vorteil gewesen, weil sie ihm eingrößeres politisches Gewicht
verliehenhätte. Aber sie wurde von den Magyarenund auch von den
Siebenbürger Sach-sen ausnahmslos abgelehnt, so musstedieses
Projekt einer österreichischenReichskirche fallen gelassen
werden.
Vorarlberg war andersIn Vorarlberg war es in den Jahren
derjosephinischen Toleranz seit 1781 zukeiner evangelischen
Gemeindebildung
gekommen, obwohl sich im Vormärzim Zuge der Industrialisierung
zahlrei-che protestantische Unternehmer ange-siedelt hatten. Die
Namen Jenny, Dou-glass, Schindler stehen für diese Vorarl-berger
Industriegeschichte in der erstenHälfte des 19. Jahrhunderts. Sie
förder-ten die Zuwanderung von protestanti-schen Facharbeitern und
betrieben eineGemeindegründung, scheiterten aberan der Xenophobie
der Behörden, ander Furcht vor dem Freisinn, der mitden Fremden ins
Land gekommen warund die Landessitte und die überkom-mene religiöse
Tradition in Frage stellte.Nicht einmal die Errichtung eines
evan-gelischen Friedhofes wurde möglich ge-macht, wie wir von Grete
GulbranssonsFamiliensaga („Geliebte Schatten“) wis-sen. Es ist die
Zeit des Vormärz, desBiedermeier, die Furcht vor Umsturzund
Revolte, die seit der französischenRevolution das alte Europa im
Bannehielt. 1837 werden aus dem Tiroler Zil-lertal an die 400
aufgestöberte Akatho-liken zur Auswanderung nach
Schlesiengezwungen. Es war die letzte Deporta-tion aus Gründen der
Glaubenseinheit.Dahinter stand die politische Überzeu-gung dieses
Zeitalters, dass nur die
REFORMIERTES KIRCHENBL ATT 9/2011
3
Am 8. April 1861 erließ die Regierung Kaiser FranzJoseph I. das
Protestantenpatent.
-
GESCHICHTE
„gute Einigkeit in der Religion“ deninnenpolitischen Frieden
sicherstelle,dass ein fremdkonfessioneller Untertanwegen seiner
Neigung zur Rebellion vielgefährlicher sei als zehn
ausländischeFeinde. So waren die Zillertaler als „In-klinanten“
bezeichnet worden, dass siezur Confessio Augustana „hinneigten“.So
konnten sie leichter kriminalisiertund abgeschoben werden, das
Reichsre-ligionsrecht schützte nur die Augsbur-ger
Konfessionsverwandten – und dasToleranzpatent schützte die
Akatholi-ken im Zillertal überhaupt nicht, weiles 1781 zum
geistlichen FürstentumSalzburg gehört hatte. Ein
Vierteljahr-hundert später hatte sich die Situationentscheidend
gewandelt. Vorarlbergschickte sich an, ein selbständiges Kron-land
zu werden.
Glaubenseinheitsbewegungen inTirol und VorarlbergIn Tirol hatte
die Glaubenseinheitsbe-wegung schon seit 1848 Petitionen anden
Wiener Reichstag und an dasFrankfurter Parlament gerichtet und
ei-nen konfessionellen Sonderstatus fürdas „heilige Land“ Tirol
gefordert. Daswiederholte sich 1861, als sich die er-sten Konturen
des Protestantenpatents
abzeichneten. Der Tiroler Landtag legtemit einem Landesgesetz
fest, dass dieöffentliche Religionsübung der rö-misch-katholischen
Kirche vorbehaltenblieb und die Bildung
nichtkatholischerPfarrgemeinden für unzulässig erklärtwurden. In
Vorarlberg kam ein solcherLandtagsbeschluss nicht zustande. Hierwar
das politische Gewicht der Libera-len viel zu groß.
Der liberale Zeitgeist wehte imLager der Protestanten Und der
Zeitgeist forderte unerbittlichdie Gleichberechtigung der
Nichtkatho-liken im Lande, der Protestanten undder Hohenemser
Juden. Noch in dem-selben Jahr kam es in den letzten De-zembertagen
zur Konstituierung einerGemeinde in Bregenz. Diese Gemeindeumfasste
zunächst ganz Vorarlberg, undsie hatte gegen massiven Druck
seitensdes katholischen Klerus zu kämpfen.Der Klerus unterstützte
die OelzischePetitionsbewegung. 15.000 Unterschrif-ten kamen
zustande, viele Gemeinde-vorstehungen unterschrieben, nur Bre-genz,
Feldkirch, Bludenz und Dornbirnverweigerten die Unterstützung.
Einrichtiger Kulturkampf zwischen denultramontanen „Römlingen“ und
den
liberalen „Preußenseuchlern“ herrschteim Lande – und mitten drin
die kaumvierhundert Protestanten, die selbstbe-wusst um ihre
Religionsfreiheit kämpf-ten und am 8. Mai 1864 am Ölrain inBregenz
ihre stimmungsvolle neugoti-sche Kreuzkirche einweihten.
Illegalität des ProtestantenpatentsBeim Protestantenpatent
handelt es sichum ein Gesetz. Merkwürdigerweisewurde es aber nicht
vom Reichsrat be-schlossen. Deshalb hat in der späterenDiskussion
1865 ein Minister die The-se aufgestellt, dass es eigentlich
illegalerlassen wurde. Denn der zur Beschluss-fassung kompetente
Reichsrat war be-reits einberufen worden und nahm imMai seine erste
Session auf. Es war Eilegeboten. Denn das Interesse des
Libera-lismus lag in erster Linie darin, Öster-reichs Stellenwert
in Deutschland zuverbessern. Das Protestantenpatent hatdabei wenig
bewirkt, um diese Abseits-stellung zu korrigieren, auch wenn esvon
der liberalen Kirchengeschichts-schreibung als Magna Charta des
hiesi-gen Protestantismus überhöht wurde.„Von der Duldung zur
Gleichberechti-gung“, „Von der Toleranz zur Parität“,so lauteten
zwei Buchtitel, welche dieerfreuliche Entwicklung (etwas ver-kürzt)
auf den Punkt brachten.
Die Widerhaken imProtestantenpatentDass die Protestanten das
Patent dank-bar entgegengenommen haben, verstehtsich nach der
langen Wartefrist seit1848/1849 von selbst. Aber es enthieltauch
einige Widerhaken, die den kirch-lichen Alltag erheblich
einschränkten:Dass die oberste Kirchenbehörde, derEvangelische
Oberkirchenrat, in diestaatliche Behördenstruktur eingebun-den war,
wurde als durchaus systemim-manent empfunden, es wird sich erst
im20. Jahrhundert als fatal herausstellen.Dass staatliche
Ernennungs-, Genehmi-gungs- und
AusgestaltungsvorbehalteEinschränkungen der kirchlichen Auto-nomie
sind, haben die Evangelischensehr bald erfahren, aber auch das
wurdeals Ausdruck der staatlichen Kirchenho-heit in Kauf genommen.
Und diese
REFORMIERTES KIRCHENBL ATT 9/2011
4
Das Protestantenpatent von Kaiser Josef II. von 1861 ermöglichte
u.a. die Gründung der EvangelischenGemeinde A. u. H. B. Vorarlberg
und die Grundsteinlegung der Kreuzkirche am Ölrain in Bregenz
1862.
-
staatliche Kirchenhoheit war sozusagendie Signatur des 19.
Jahrhunderts. Siewurde durch die Kultusabteilung im k.k.Ministerium
des Cultus und Unterrichtswahrgenommen und galt als Korrelatzum
öffentlich rechtlichen Status derKirche. Vor allem mussten die
Beschlüs-se der Synoden und sämtliche Kirchen-gesetze über die
Schreibtische der darü-ber zu befindenden Kultusbeamtenwandern. Die
Kultusabteilung spielte dieZange der staatlichen Kirchenhoheit.
ImProtestantenpatent hat der Kaiserimmerhin seinen evangelischen
Unterta-nen einräumen müssen, dass die Agen-den des evangelischen
Kultus von einemBeamten ihres Bekenntnisses wahrge-nommen werden.
Das gilt bis heute.
Der Liberalismus als Bündnispartnerder ProtestantenVom
Protestantenpatent lässt sich eineLinie zum Staatsgrundgesetz über
die all-gemeinen Rechte der Staatsbürger(1867) ziehen. Dessen
Grundrechtsarti-kel (Glaubens- und
Gewissensfreiheit,Religionsfreiheit, kirchliche Autonomie)zählen
noch heute zum aktuellenRechtsbestand der Republik Österreich.Es
ist nicht zu übersehen, welchesprunghafte Entwicklung der
Protestan-tismus in dieser liberalen Ära genommenhat. Nun schritten
die evangelischenGemeinden zum Turmbau und vergrö-ßerten ihre
bisherigen Bethäuser. DieZeichen der Öffentlichkeit, der
direkteZugang von der Straße, das Glockenge-läute, der Kirchturm –
das wollten jetztalle Gemeinden auch realisieren.
DieRömisch-katholische Kirche hat dieMaigesetze 1868 massiv
bekämpft, derPapst nannte sie verabscheuungswürdigund bestritt
deren Geltung. Sie habendas Konkordat wohl weitgehend ausge-höhlt,
aber es blieb noch bis 1870 inKraft.
KARL W. SCHWARZUniv.-Prof. Dr. an der Evang. Theol. Faktultät
der Universität Wien. Bundesministerium für
Unterricht, Kunst und Kultur
Vortrag im Rahmen der vom Evangelischen Gemein-deverband in
Vorarlberg veranstalteten Vortragsrei-he in der Evangelischen
Pfarrgemeinde H.B. inDornbirn 10.05.2011. Teil 2 behandelt das
Protest-antengesetz von 1961 und die Folgen. ■
REFORMIERTES KIRCHENBL ATT 9/2011
5
GEDANKEN FÜR DEN TAG
5.9. – 10.9.2011 6:56„Für welches Leben lernen wir?“von Nikolaus
Glattauer, Hauptschullehrer in Wien und Autor „Nicht für die Schule
lernen wir, sondern für das Leben“, ist ein oft zitiertes Zitat von
Seneca.Doch für welches Leben lernt der Mensch? Ausschließlich für
das spätere Berufsleben? Ist Schulealso eine Kaderschmiede für die
Wirtschaft? Schule sei im Idealfall auch Menschenbildung, hältder
Hauptschullehrer und Autor des Buches „Der engagierte Lehrer und
seine Feinde“ NikolausGlattauer dem entgegen. In seinen „Gedanken
für den Tag“ spricht er über die heikle Beziehungstriangel zwischen
Eltern,Lehrerinnen, Lehrern, Schülerinnen und Schülern, über den
vielfach unterschätzten Wert von Re-ligionen- und Ethikunterricht
und über die Bedeutung von Eignung, Neigung und Leistung.
19.9. – 24.9.2011 6:56„Vom Ende der Unschuld“ – Zum 100.
Geburtstag des Schriftstellers WilliamGolding von Michael
Krassnitzer, Publizist
Der britische Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger
William Golding wäre am 19. September100 Jahre alt geworden. All
seinen Werken ist ein pessimistischer Grundtenor eigen,
dennochhandelt es sich um Allegorien auf grundlegende menschliche
und gesellschaftliche Konflikte, reichan Anleihen aus der
christlichen Symbolik und der Mythologie. Sein Hauptwerk „Herr der
Flie-gen“ dreht sich um die Gegensätze von Zivilisation und
Barbarei, Demokratie und Gewaltherr-schaft, Individuum und Gruppe,
Rationalität und Emotionalität – und ist ein Plädoyer für
ethi-sches Handeln. Über ein halbes Jahrhundert später hat dieses
Werk nichts von seiner Gültigkeiteingebüßt, ist Michael Krassnitzer
überzeugt.Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer
LOGOS – Theologie und Leben24. 9.2011 19:04
„Der große Engel, der neben mir ging“ – Himmelsboten in der
Literatur
Die Engel gehören nicht nur zum Grundbestand der
jüdisch-christlichen Tradition und des Islam,sondern spielen auch
für viele nichtreligiöse Menschen eine Rolle. Schon Heinrich Heine
bemerk-te süffisant, dass er zwar nicht an den Himmel glaube –
„doch die Existenz der Engel / Die be-zweifelte ich nie.“ Was mit
Dante, Shakespeare und Goethe begann, setzt sich bei Peter Hand-ke,
Ilse Aichinger oder Harry Mulisch bis in die Gegenwart fort: In
Extremsituationen, in denenMenschen elementare Erfahrungen der
Liebe, des Schmerzes oder des Sterbens machen, erschei-nen Engel in
Gedichten, Geschichten und Romanen.Gestaltung: Cornelius Hell
MOTIVE – Glauben und Zweifeln25. 9.2011 19:04
„Unbequeme Seligkeit“ – Fulbert Steffensky über die Zumutungen
der Berg-predigt
Sie zählt zum Kernbestand der christlichen Lehre, jene Rede, die
Jesus im Evangelium nach Mat-thäus auf einem Berg hält. Gleich zu
Beginn finden sich die sogenannten "Seligpreisungen". For-mal
stehen sie in der Tradition der jüdischen Weisheitsliteratur ("Wohl
dem, der …"). Der Text,der vermutlich eine redaktionelle
Zusammenfassung einzelner Jesusworte darstellt, verknüpft
dieSeligpreisungen mit geistlicher Armut, Trauer, Demut, Sanftmut,
Gerechtigkeitssuche, Barmher-zigkeit, reinem Herzen,
Friedensstiftung und Leidensbereitschaft in Zeiten der Verfolgung.
Werdem christlichen Glauben anhängt und sich auf die Botschaft der
Bergpredigt einlässt, der hat da-mit wahrlich kein geistliches
"Ruhekissen" an der Hand, sondern unbequeme und fordernde Wor-te,
die zum Engagement für sozial Benachteiligte und Schwache drängen.
Das macht der deut-sche Theologe Fulbert Steffensky auf sprachlich
unnachahmliche Weise eindrücklich klar.Gestaltung: Martin Gross
Religionim Radio
Ö1
-
REFORMIERTES KIRCHENBL ATT 9/2011
Gottesdienste in der Reformierten Kirche September 2011T E R M I
N E
WIEN – Innere StadtReformierte Stadtkirche
I, Dorotheerg.16
10:00
KlugeGD mit AM
Langhoff / KiGo *)1.Wahlsonntag
Körtner2.Wahlsonntag
Kluge
WIEN – WestZwinglikirche
XV, Schweglerstr.39
10:00
19:00 Hennefeld
Hennefeld/Langer *)
Hennefeld
LangerGD mit AM
WIEN – SüdErlöserkircheX, Wielandg.9
10:00
Rohrmoser / KK
Boon / KK *)
J.Wittich / KK
J.Wittich / KK
OBERWART7400 OberwartRef.Kircheng.16
09:30
zweispr.GD mit AM *)
ung.spr.GDanschl. Arkadenfest
dt.spr.GD
ung.spr.GD
LINZ4060 Leoding
Haidfeldstraße 6
09:30
Feichtinger
10:00 Schreiber *)10:30 ung.spr.GD
LangerAbschieds-GD
Schreiber
Datum04.09.
11.09.
18.09.
25.09.
BREGENZKreuzkirche am Ölrain
Kosmus-Jenny-Str.1
09:30
GD
Familien-GDzum Schulbeginn *)
GD mit AM
GD
DORNBIRN Heilandskirche
Rosenstr. 8
10:00
GS
GD mit AMKiGo
Familien-GDKK
GD
FELDKIRCHPauluskirche
Bergmanng. 2
09:30
Predigt-GD
Familien-GDzum Schulanfang
Predigt-GDGD mit AM
gleichz. KiGo
BLUDENZKirche zum guten Hirten
Oberfeldweg 13
10:00
GD
Kinder-GDanschl. KK
GD mit AMgleichz. KiGo
18:00 Abend-GD
Datum04.09.
11.09.
18.09.
25.09.
6
Bregenz: *) So 11.09. / 09:30 – anschl. KK &
WeltladenFeldkirch: Andacht jeden Montag, 19.30 Uhr – Pauluskirche
(Gesänge und Zeit der Stille)
Taizé-Gebet am 2. Dienstag im Monat, 20.00 Uhr –
PauluskircheLustenau: So 11.09. / 08:30 – GDHohenems: So 04.09. /
08:30 – GD
WIEN Innere StadtReform. Stadtkirche
I , Dorotheerg.16
VIENNACOMMUNITY
CHURCHSunday 12:00 a.m.
Service in English
GOTTESDIENST INTAIWANESISCHER
SPRACHEjeden So 14:00
UNGARISCHERGOTTESDIENST
jeden So 17:00(außer 1.So im Monat)
„PingoWien“ Ausstellung in der Reformierten Stadtkirche
Vernissage am Sonntag, 11. September, 11:30, Finissage am
Sonntag, 13. November
Peter Hasler ist als Schweizer aufgewachsen und hat nach fünf
Jahren Wanderzeit an derAkademie der bildenden Künste studiert.
Seither lebt und arbeitet er in Wien als „Pingo Wien“,was soviel
heißt wie „Ich zeichne – male Wien“!In dieser Ausstellung sind
Werke aus „Donaukraftwerk Wien“, „Das PingoWien Bojenballett“
undneueste Zeichnungen wie „Albertina 2011“ zu sehen!
Wien-Innere Stadt: *) So 11.09. / 10:00 – anschließend an den GD
– Eröffnungs- und Schokofest, ÖkumenobrassWien-West: *) So 11.09. /
10:00 – Begrüßungsgottesdienst für Pfarramtskandidatin Irmi
LangerWien-Süd *) So 11.09. / 10:00 – GD mit AM und KiGo, Segen für
die SchulanfängerInnen
*) So 25.09. / 10:00 – GD mit Gospelchor, Begrüßung der neuen
KonfirmandInnenOberwart: ab 11.09. – KiGo zeitgleich mit dem
Erwachsenen-GD im Alten Pfarrhaus (außer in den Ferien)
*) So 04.09. / 09:30 – GD zu Erntedankfest, anschließend
ARKADENFESTLinz *) So 11.09. / 10:00 – GD in St. Martin, Neusiedler
Straßenfest
KiGo = Kinder-GD GD = Gottesdienst AM = Abendmahl KK =
Kirchenkaffee
-
REFORMIERTES KIRCHENBL ATT 9/2011
7Gemeindeveranstaltungen September 2011 T E R M I N E
LINZ Tel.Nr. 0732 / 38 08 03Jugendclub Fr *) 20:00Chor Di *)
19:30Handarbeitskreis Mo 12.09. 14:30Seniorentanz Mo 05./26.09.
14:30Café für Pensionisten Do 29.09. 14:00Offener Kreis Mi 28.09.
19:00
BREGENZ im Clubraum Tel.Nr. 05574 / 42 3 96Talenteforum im
Clubraum Mo 12.09. 19:30Frauenkreis im Clubraum Fr 09.09.
14:00Kontaktgruppe Do 08.09. 13:00Hopfenmuseum Tettnang –
Treffpunkt: Busbahnhof BregenzFahrpreis Euro 12,–/Bus der Fa.
WeißAnmeldung erbeten bei Fr. Evi Vonmetz, Tel. 05574/72839
DORNBIRN im Jugendraum Tel.Nr. 05572 / 22 0 56Historischer
Spaziergang in Dornbirn Sa 17.09. 14:30Treffpunkt: Stadtarchiv /
Marktplatz, Dornbirn – ca. 1,5-2 Std.Referent: Mag. Werner MattTag
des Denkmals So 25.09. 10 – 17:00GD anschl. KK im Gemeindesaal
10:00 – 11:00Architekturführung mit Dr. Martina Hladik 15:00Die
Kirche kling /Rieger-Orgel mit St.Hladik 16:00 –
17:00Ausstellung/Bau d.Kirche (Kirchen-Archiv) 10:00 –
17:00Evang.Frauenverein Mi 07.09. 14:00Herbstausflug auf den
Karren/Treffpunkt: KarrenbahntalstationClub 18/81 – Jugendraum
jeden 1. Fr. im MonatSeniorennachmittag – Jugendraum jeden 1. Mi.im
Monat
FELDKIRCH Tel.Nr. 05522/77914Seniorennachmittag – Gemeindesaal
jeden 2. Mi.im Monat
Bludenz Tel.Nr. 05522/63290Historischer Spaziergang Sa 24.09.
14:30 „150 Jahre Evangelische Gemeinde in Vorarlberg“Treffpunkt:
Evangelische Kirche
MOTIVEaus dem
evangelischen Leben
jeden Sonntag Ö1
19.05 bis 19.30 Uhr
ZWISCHENRUFfrüher
Das Evangelische Wort
jeden Sonntag Ö1
06.55 bis 07.00 Uhr
Evangel ischeMorgengedanken
Öreg
Mo–Sa 05.40 bis 05.42 Uhr
So 06.05 bis 06.07 Uhr
08.04.1861 – 150 Jahre Protestantenpatent | 29.12.1861 –
150Jahre Gründung „Evangelische Gemeinde A.u.H.B. Vorarlberg“
PROGRAMM: 150 Jahre nach Gründung der Vorarlberger
Gemeinden(1861) und Einführung des Protestantenpatents ist im
Rückblick zu erin-nern an das, was Menschen bewegte, die als
bedeutende Reformatorenin die Geschichte eingingen. Jubiläen der
Evangelischen Kirche in Vorarlberg 2011Historischer Spaziergang in
DornbirnSa 17. September 2011, ab Stadtarchiv / Markplatz,
14:30
Historischer Spaziergang in BludenzSa 24. September 2011, 6700
Bludenz, Oberfeldweg 13, ab Evangeli-sche Kirche „Zum Guten
Hirten“, 14:30
„Bartning in Europa, ein europäischer Kirchen – Architekt“
Ausstel-lung (8. Oktober bis 20. November 2011), So 9. Oktober,
11:00, Eröff-nung, 6850 Dornbirn, Rosenstraße 8, Evangelischer
Gemeindesaal. Erbaute europaweit Kirchen, zählt zu den wichtigsten
Kirchenbaumeisterndes 20. Jahrhunderts, war Ehrendoktor der
Theologie und ein bedeuten-der Architekt der Klassischen Moderne.
Er gilt neben Walter Gropius alsVater der Gründungsidee für das
„Bauhaus“.
WIEN – INNERE STADT Tel.Nr. 01 / 512 83 93Thomas-Treff Di 13. +
27.09. 19:00Senioren-Club Do 29.09. 15:00SeniorenInnen / Reise
Termin: 20. bis 26.09.„Die Waldenser in den Tälern des Piemont
(Italien)“Information Schwester Elisabeth – Tel.Nr.
0699/18877067Gemeindevertretungswahl So, 11. und 18. September
WIEN – West Tel.Nr. 01 / 982 13 37Chor Mo 05. / 19.09.
19:00Schachklub Do 08.09. 19:00Frauentreff Mo 12.09.
19:00Taizégebet Mi 28.09. 19:30Aktive Senioren Plauderrunde Di
13.09. 10:00Flughafen Wien / Bus ab WBH – Abfahrt erfragen / Di
27.09.Aufführung vom teatro caprile Fr 30.09. 19:30Von
Wassertrompetern u.Dienstfischern“ /Fritz
v.Herzmanovsky-Orl.Herbst-Flohmarkt Fr 7.10./ 9-17:00, Sa 08.10./
9-15:00Wahl der Gemeindevertretung 2011 Freitag, 07.10. /
11-14:00Sa, 08.10. / 11-14:00 Sonntag, 09.10. / 18-19:00
WIEN – SÜD Tel.Nr. 01 / 604 22 86 Bibelkreis Do 22.09.
19:00Besuchskreis im Gemeindesaal Do 08.09. 14:00Jugendcafé
Tretbootfahren Alte Donau Fr 02.09. 15:00Jugendcafé Fr 09./23.09.
19:00Ökumenischer Bibelkreis Favoriten Di 20.09. 19:30in der
r.k.Pfarrgemeinde „Zur Allerh.Dreifaltigkeit“, 1100, Alxingerg.
2
OBERWART im Jugendraum Tel.Nr. 03352 / 32
416Schulanfangsgottesdienste: für Volksschulkinder in der ref.
Kirche Mo 05.09. 07:45für das ZBG O in der ref.Kirche (Ökum.GD) Mi
07.09. 07:50für die NMS O in der Aula der Hptsch.(Öku.) Do 08.09.
08:00Termine für Männerkreis, Altes Pfarrhaus aktiv und Kinderfreff
ArcheNoah nicht festgelegt.
Diese Angaben sind nicht vollständig, da bis Redaktionsschluß
nochnicht alle Termine vorlagen.Bitte beim zuständigen Pfarramt
Auskünfte einholen.
-
REFORMIERTES KIRCHENBL ATT 9/2011
8
Tempora mutantur – die Zeiten än-dern sich. Manches, was in
derBibel steht, passt einfach nichtmehr in die Zeit des
Neoliberalismus.Da steht im Evangelium des Matthäus(6, 14): „Ihr
könnt nicht Gott dienenund dem Mammon.“ Falsch! Wer demMammon
dient, dient der Wirtschaft.Und „geht’s der Wirtschaft gut,
geht’suns allen gut“. Eine Neubearbeitungder Heiligen Schrift wäre
dringend!Leider hat dies Professor Hayek, Chef-ideologe des
Neoliberalismus (inWahrheit der alte Manchester-Libera-lismus,
verschärft durch Globalisie-rung), versäumt. Auch die erste
Ar-beitszeitregulierung (am siebentenTage aber sollst du ruh’n)
hält demDeregulierungsbestreben der alleinselig machenden
Marktwirtschaftnicht mehr stand. Und da zumUnterschied von der Welt
die Lug-ner-City nicht in sechs Tagen erbautwurde, war es nur eine
Frage derZeit, bis nachdenklichen Menschenwie dem Baumeister und
einigen an-deren „Bibelforschern“ Zweifel an die-ser Regelung
kommen mussten.
Unterstützt von einem Verfassungs-rechtler meint diese Gruppe,
jeder Ge-schäftsinhaber müsse das Recht haben,selbst zu
entscheiden, wann er aufsper-ren dürfe. Den
Hauptbetroffenen,nämlich dem Verkaufspersonal, stehtdiese
Entscheidung natürlich nicht zu,das wäre ja noch schöner. Die
dürfen,zumindest in der Lugner-City, garnicht befragt werden.
Tatsächlichspricht alles gegen eine sonntäglicheÖffnung der
Geschäfte: Es wäre eineWettbewerbsverzerrung zu Gunstender
Handelsketten und Einkaufszen-tren und zu Lasten der kleinen
Ge-schäftsleute. Es würde das Familienle-ben vieler Verkäuferinnin
beeinträchti-gen, wenn die Familie nicht einmal ei-nen Tag pro
Woche gemeinsam ver-bringen könnte, und die Alleinerziehe-rinnen
würde es noch härter treffen.Interessanter Weise möchte Lugner
so-gar am Muttertag aufsperren. Und eswürde die Kaufkraft nicht
vermehren,wenn ein Teil der Kunden Sonntagstatt Samstag einkaufen
ginge. DieArgumentation, dass ja Spitäler, Poli-zei, öffentlicher
Verkehr auch anSonntagen zur Verfügung stünden,
geht ins Leere, denn hier besteht ja Be-darf. Aber muss man
beispelsweise un-
bedingt am Sonntag einen Golfschlä-ger kaufen?Von der
selbsternannten „Familienpar-tei“ vermisst man bisher eine
klareStellungnahme, doch 65 kirchliche,gewerkschaftliche
Organisationen undElternverbände starten im Rahmen ei-ner
Europäischen Sonntagsallianz einegemeinsame Initiative in Brüssel.
Die-se Bewegung wächst in vielen Regio-nen Europas. Verbände aus 14
europä-ischen Ländern bemühen sich um eineVerankerung des
Sonntagsschutzes inder neuen EU-Arbeitszeitrichtlinie. InPlanung
ist außerdem ein europäischesBürgerbegehren für den freien
Sonn-tag. Die von den österreichischen Kir-chen gegründete „Allianz
für denfreien Sonntag“ wird nun auf EU-Ebe-ne ausgebaut. Den ersten
staatlichenSonntagsschutz hat ja schon 321 Kai-ser Konstantin
eingeführt.Der arbeitsfreie Sonntag wäre auch fürdie Besitzer der
Einkaufszentren eineChance. Sie könnten ihn nützen, inder Heiligen
Schrift nachzulesen, wasüber ein Kamel und das Nadelöhr
ge-schrieben steht. Vielleicht ist es dochnicht überholt?
dorothea ■
dorotheaDer siebente Tag
Freiwillige in derWestbankIm Rahmen des Begleitprogrammesdes
Ökumenischen Rates der Kirchenfür Palästina und Israel wurde
nunnach Christoph Helberger, Student ausLinz, die zweite
freiwillige Person nachintensivem Vorbereitungstraining indie
Region entsandt. Die Aufgabe derinternationalen Freiwilligen
bestehtdarin, in der gespannten Atmosphärezwischen israelischen
Soldaten, jüdi-schen Siedlern und der palästinensi-schen
Bevölkerung friedensfördernd zuwirken. Die Freiwilligen
unterstützendie palästinensische Zivilbevölkerungim Alltag, melden
und dokumentierenÜbergriffe von Soldaten und Siedlernund sind
bemüht, mit Menschenrechts-
verletzern Kontakt aufzunehmen unddie Lage, wenn möglich, zu
beruhigen.Sie treten ein für das Ende der israeli-schen Besatzung
und unterstützen ge-waltfreie Aktionen. Sie können als Au-genzeugen
von Zwischenfällen aus er-
ster Hand berichten. DieFreiwilligen arbeiten zu-sammen mit
israelischenFriedens-und Menschen-rechtsorganisationen undbieten
allein durch ihrePräsenz der palästinensi-schen Bevölkerung
einengewissen Schutz. Die ge-bürtige Grazerin, Betti-na Zangl, ist
seit EndeJuni nun in der West-bank, ihr Tätigkeitsfeld
befindet sich in derRegion Tulkarem. Sie
hat einen Blog eingerichtet. Wer sichdafür interessiert, kann
dort ihre Be-richte lesen.
http://bettinainthewestbank.wordpress.com/http://w3.khg.jku.at/pax/blog/?cat=420
Fortsetzung Seite 9
Christoph Helberger in der Gruppe der Freiwilligen des EAPPI
-
BERICHT
Christoph Helberger ist der ersteösterreichische Freiwillige
imEAPPI-Programm. Der 26jährigeStudent aus Linz war drei Monate
inJayyous stationiert. Das Dorf mit 3000Einwohnern liegt im
mittleren Teil derWestbank in der Nähe der Stadt Qalqi-lya direkt
an der Mauer. Er hat einigesvon den Härten miterlebt, denen
dieEinheimischen seit vielen Jahren ausge-setzt sind – und er hat
auch ihre seeli-sche Stärke und liebenswerte Mit-menschlichkeit
erlebt. Er hat aber aucherfahren, wie viele kleine
israelisch-pa-lästinensische Friedensinitiativen esgibt, in denen
die Aktivisten unermüd-lich Brücken zwischen den
verfeindetenVölkern bauen. „Da Jayyous direkt von der
israelischenTrennmauer betroffen ist – ca 75 % desFarmlandes liegen
nun auf der „falschenSeite“ – liegt das erste Augenmerk aufder
Begleitung der Farmer auf ihremWeg durch die Argicultural Gates.
Wirüberwachen die Einhaltung der offiziel-len Öffnungszeiten durch
die IDF (Is-rael Defence Force = israelisches Mili-tär) und
versuchen durch unsere Anwe-senheit sicherzustellen, dass die
Perso-nenkontrollen nicht zu sehr in Willkürund Schikanen ausarten.
Außerhalbvon Jayyous sind das Habla Gate undder große Qalqiliya
Terminal fester Be-standteil unserer Monitoring-Arbeit. InQalqiliya
werden von uns die Zahlender Menschen, die passieren, erfasstund an
Organisationen wie UNOCHA
weitergeleitet. Verlässliche Zahlen sindwichtig, um den
ökonomischen Effektder Einschränkung, in Israel arbeiten zukönnen,
zu verstehen. An stark frequen-tierten Tagen wurden von uns
zwischen3000 und 5000 Menschen gezählt, diein den beiden Stunden
zwischen vierund sechs Uhr morgens passieren. Team38 ist es auch
gelungen, die Präsenz aufvon Militäraktionen stark
betroffenenumliegenden Gemeinden auszuweiten.So war es uns möglich,
die Schäden inAzzun – in der schlimmsten Wochedrangen die IDF
gewaltsam in 14 Häu-ser ein – zu dokumentieren und dieSchilderungen
der Menschen anzuhö-ren. Wir stehen außerdem in engemKontakt zu
Bürgermeister und Gemein-devertretern, die uns über Ereignisse
amLaufenden halten, bzw. in schwierigenSituationen unsere
Anwesenheit erbit-ten. Das kleine Dorf Azzun Atme ist indas Zentrum
unserer Aufmerksamkeitgeraten, da während unserer Anwesen-heit eine
Hauszerstörung stattfand undeine ganze Reihe weiterer Häuser
mitsog. „Demolition Orders“ (= Zerstö-rungsbefehlen) bedroht ist.
Es war unsein großes Anliegen, die betroffene Fa-
milie in den ersten besonders hartenWochen zu begleiten. Von den
genannten Gemeinden werdenwir auch über Festnahmen und
Verhaf-tungen informiert. Sicher wissen wirvon drei Verhaftungen,
die jüngste Per-son war zu dem Zeitpunkt 15 Jahre alt.Wir versuchen
unsere Arbeit mit Orga-nisationen wie ICRC (= InternationalesRotes
Kreuz) zu koordinieren und Be-troffenen Möglichkeiten
aufzuzeigen,an wen sie sich wenden können. DerHauptteil unserer
Arbeit liegt klar aufunserer Präsenz in Jayyous und dem Be-mühen,
in schweren Zeiten für dieMenschen da zu sein und ihnen das Ge-fühl
zu vermitteln, dass sie nicht völligallein und schutzlos den
Gefahren derisraelischen Militärbesatzung ausgelie-fert sind. Wir
nehmen viele Gelegenhei-ten wahr zu lernen und den
Menschenzuzuhören, arbeiten an der Stärkungdes Netzwerkes von
interessierten Men-schen und legen auch besonderes Au-genmerk
darauf, den Kontakt zu israeli-schen Friedens- und
Menschenrechtsor-ganisationen wie B’etselem und Mach-som Watch zu
pflegen.
CHRISTOPH HELBERGER ■
REFORMIERTES KIRCHENBL ATT 9/2011
9
Das Begleitprogramm des ÖRK für Israel und Palästina (EAPPI)
erstmals mit österreichischer Beteiligung Ein Erfahrungsbericht
Verband ÖsterreichischerZeitungsherausgeber und
Zeitungsverleger
Auflage kontrolliertNormalprüfungVeröffentlichung im
Pressehandbuch
Mit Trauer und Bestürzung haben wir vom Tod unserer
Oberkirchenrätinund Kuratorin der Gemeinde Oberwart
Helene Horvath
erfahren. Sie ist am 27. Juli dieses Jahres in ihrem 57.
Lebensjahr unerwartet von uns gegangen.
Für ihren Dienst in unserer Kirche danken wir Gott und drücken
ihrer Familie unsere Anteilnahme aus.
Ein Nachruf folgt in der Oktober-Ausgabe. Die Redaktion
-
DISKUSSION
„Die Bibel ist kein Lehrbuch der Optik undAstronomie –
widersetzt euch diesem Glauben, ihrTheologen!“ „Ich fühle mich
nicht verpflichtet zu glauben,dieser selbe Gott, der uns mit
Sinnen, Vernunftund Verstand begabt hat, verlange von uns, dasswir
auf ihren Gebrauch verzichten.“ „Weil zwei Wahrheiten sich offenbar
niemalswidersprechen können, so ist es die Aufgabe derweisen
Ausleger der heiligen Schrift, sich zubemühen, den wahren Sinn der
Aussprücheherauszufinden… Sie können einen anderen Sinnin ihren
Worten bergen, als gemeinhinangenommen wird.
Johannes Kepler und Galileo Galilei
Ich habe im Jahr 1976 maturiert, un-ter anderem auch im Fach
Chemie.Meine Maturafragen damals waren:Die Atom- und
Wasserstoffbombe, unddie Zusammensetzung und Verwen-dung von
Polyäthylen. Chemische Fra-gen ohne ethisches Nachdenken. For-meln
und Fakten. Ich habe ein Sehr gutdarauf bekommen. Ich habe perfekt
dieFormeln der Atombombe gekannt unddie Erkenntnisse darüber, was
man allesaus Erdöl produzieren kann. Vor Kur-zen hat es im
Parlament eine große En-quete zum Thema Ethikunterricht und/ oder
Religionsunterricht gegeben.Kritisiert wurde diese Veranstaltung
vorallem von Menschen, die die Gefahr ei-ner religiösen
Unterwanderung unseresSchulsystems wittern. Religion und
Na-turwissenschaft werden in deren Stel-lungnahmen als Gegensätze
gesehen.Absolute Wertfreiheit der schulischenBildung wird
gefordert.
Wertfreiheit?Gibt es heute noch einen wertfreienChemieunterricht
über Atombombenund Polyäthylen? Gibt es einen wert-freien
Geographie- und Wirtschafts-kunde-Unterricht über die
heutigeWeltwirtschaft, die Millionen Men-schen verhungern lässt?
Gibt es einen
wertfreien Geschichte-Unterricht über die Reforma-tion,
Inquisition, Hitler oder Israel-Palästina? Einen Deutsch- oder
Fremd-sprachen-Unterricht mit wertfrei ausge-wählter Literatur zu
bestimmten The-men? Mythos und Logos: Zwei griechi-sche Vokabeln
für den Begriff „Wort“.Logos ist das Wort für Dinge, die manmessen,
zählen, beweisen, sehen kann.Mythos ist das Wort für Dinge, die
mitunseren Gefühlen zu tun haben, nichtmessbar, zählbar, beweisbar.
Liebe istMythos, so wie Heimat, Geborgenheit,Friede, aber auch
Hass, Rache, Verzwei-flung. All das ist Wahrheit. – Aber ebeneine
andere Art von Wahrheit als dieZusammensetzung der chemischen
Ele-mente einer Atombombe oder eine an-dere Art von Wahrheit als
die berechne-te Zahl jener Menschen, die in Öster-reich von Armut
betroffen sind.
Leben mit verschiedenenWahrheitenDass unsere Erde schön und gut
er-schaffen wurde ist EINE Art von Wahr-heit, die Theorie von
Urknall und Evo-lution eine andere. Es gibt die eineWahrheit, die
forscht, misst und zählt.Und es gibt die andere, die fühlt,
einenSinn sucht und wertet, die Antwortensucht auf die Fragen nach
dem Woherund Wohin, auf die Fragen nach Ge-burt und Tod und nach
dem Sinn desLebens. Mit dieser Art von Wahrheitbeschäftigt sich
Religion. Wie geht esMenschen in dieser Welt? Mit der
Atomgefahr, mitder ungerechten Ver-
teilung, mit der Ausbeu-tung der Ressourcen unseres Planeten?Mit
dem Leiden, dem Tod, mit demÜberfluss? Was gibt ihnen Sinn,
woraufhoffen sie, womit trösten sie sich? Wiegehen sie mit Schuld
um? Wer oder waserlöst sie? Im Religionsunterricht erwer-ben
Jugendliche die Kompetenz, sichauf solche Fragen einzulassen und
siefür sich persönlich zu beantworten. Da-mit sind sie fähig, auch
andere Men-schen aus anderen Religionen und Kul-turen zu verstehen,
ihnen mit Respektzu begegnen. So wie sie in anderen Fä-chern die
logische Wahrheit kennen ler-nen, die forscht, berechnet und
misst.Zahlen und Fakten.
Was bietet das Fach Religion?„Ich gehe in Reli und nicht in
Ethik,weil ich da lerne, dass man in der Weltnoch was verändern
kann.“ So hat esmir der damals 15-Jährige Simon ohnereligiöses
Bekenntnis im evangelischenReligionsunterricht gesagt.
Religionbietet eine klar deklarierte Ethik, abernoch mehr: Religion
bietet Transzen-denz und Ermutigung: Du bist Gottesgutes Ebenbild,
verantwortlich für un-sere Welt und fähig, etwas beizutragenzum
Frieden, zur Gerechtigkeit und zurErhaltung der Schöpfung Gottes,
sodasses allen Menschen gut geht.
GISELA EBMERFachinspektorin für Evangelischen
Religionsunterricht an AHS und BMHS in Wien,ZWISCHENRUF Ö1 ■
REFORMIERTES KIRCHENBL ATT 9/2011
10
Wozu Reli?„Es ist etwas Großes um das Wort Gottes, gewiss; aber
es ist auch etwas Großes um das Werk Gottes.“
Einladung zur Ordination von Maga. Barbara Wedam
durch Landessuperintendent Pfr. Mag. Thomas Hennefeld
Samstag, 1. Oktober, 17 Uhr
Pauluskirche der Evangelischen Pfarrgemeinde A.u.H.B.
Feldkirch
-
REFORMIERTES KIRCHENBL ATT 9/2011
11Andacht
Van Gogh malteine Predigt!Das Gleichnis Jesu über den Sämann
beschäf-tigte den Künstler Van Gogh ein Leben lang:sieben Gemälde
und vier Federzeichnungenhat er diesem Thema gewidmet. Mit
Pinselund Farbe hat er versucht, das Gleichnis Jesuzu erklären – er
hat damit sozusagen einePredigt gemalt …Im Zentrum dieses hier
gezeigten Bildessteht die leuchtend gelbe Sonne, auchwenn sie am
Rand des Bildes platziertist. Die Strahlen dieser Sonne überzie-hen
alles, was auf dem Bild zu sehen ist.Die Sonne generell
symbolisierte fürVan Gogh Kraft, Licht und die Wärmeder Liebe, die
göttlichen Ursprungs ist.Ganz entscheidend ist auf diesem Bild,dass
die Sonne nicht vor dem Sämann,sondern hinter seinem Rücken
leuchtet,d. h. er sieht sie nicht direkt, sondernnur indirekt in
ihrer Wirkung. Steckthinter dieser Schilderung nicht ein Zen-trum
der biblischen Botschaft, nämlichdass wir Gott von Angesicht zu
Ange-sicht nicht sehen können, weil seinWirken im Verborgenen
geschieht? VanGogh hat sein Bild ganz gemäß dem 2.Gebot gemalt, das
die Abbildung Got-tes verbietet, aber sein Sämann kommtund lebt und
arbeitet eindeutig von derLiebe Gottes her. Das Wissen, dass
derMensch von Gott geliebt wird, das ersterweckt im Menschen
Hoffnung undVertrauen und macht ihn selbst liebes-fähig.
Malen ist wie SäenDie Menschen erliegen oft der Versu-chung, zu
Idolen, Gurus, politischenFührern oder – wie in früheren Zeiten –zu
den Gestalten der Heiligen aufzu-schauen, die sie alle vor ihren
Augen ha-ben. Auch das Fernsehen verlockt dazu,denen nachzueifern,
die sich vor unsauf dem Bildschirm zeigen. Das ist aufkeinen Fall
das, was Jesus unter Nach-folge versteht! Diese
missverstandeneNachfolge kann direkt in den Abgrundführen, wenn wir
unsere Freiheit aufdem Altar einer Führerpersönlichkeit
opfern. Die jüngste Geschichte ist vollmit traurigen Beispielen.
Von den Sonnenstrahlen auf van GoghsBild wird besonders der Sämann
erhellt.Er ist ein einfacher Arbeiter mitSchirmmütze. Wenn van Gogh
auf sei-nen Bildern religiöse Themen streift, sosind seine
Gestalten erdgebundeneMenschen, an denen ersichtlich ist, dassihr
Leben aus Arbeit besteht. Auch JesuJünger waren einfache Menschen,
Fi-scher und Arbeiter, und keine geweih-ten Priester. Auch sich
selbst hat vanGogh als Sämann verstanden. In einemseiner Briefe
schreibt er: „Malen ist wieSäen, obwohl der Maler nicht
erntenkann.“ Ich könnte sagen: Christseinheißt Sämann sein, nämlich
nicht fürsich selbst da zu sein, sondern ein Da-sein für andere zu
führen – wie DietrichBonhoeffer es ausdrückte – und sichnicht
bedienen lassen, sondern den an-deren dienen, wie Jesus selbst
sagte.
Umwege zu sich selbstDer Mensch findet erst zu sich selbstüber
den Umweg des Nächsten. Ichbe-zogenheit vereinsamt und führt zu
De-pressionen. Der Mensch ohne Näch-stenliebe ist nur ein Schatten
seinerselbst. Die Versuchung ist groß, dass derMensch nur nach dem
Slogan lebt „Zu-erst schaue ich auf mich“. Das ist dergefährliche
Köder einer populistischenPolitik, die mit dem Schlagwort
hau-sieren geht: „Unser Geld für unsereLeut’!“ Aber das
kennzeichnet aucheine subjektivistische Religiosität, dieüber die
Betonung von „mein Heiland“nicht hinausgeht zu den anderen in
derWelt. Auf dem Bild sät der Sämann Ge-treidesamen, die ebenfalls
von den Son-nenstrahlen überzogen werden. ImGleichnis Jesu ist der
Samen das WortGottes, und nach der Interpretation desMalers ist der
Inhalt des Wortes Gottesdie Liebe selbst. Das Wort Gottes zu le-ben
und zu verkündigen heißt, die an-deren, selbst die Unsympathischen
unddie Feinde, vorbehaltlos anzunehmenund in ihnen zuerst und vor
allem un-sere Schwestern und Brüder zu erken-nen. Damit wird
präzisiert, was Bon-hoeffer mit dem Dasein für andere ge-
meint hat. Wenn aber Rassismus, Na-tionalismus und
Fremdenfeindlichkeitproklamiert werden statt
gegenseitigemVerständnis, Solidarität und Mensch-lichkeit, dann
wird der Same des Un-krauts ausgestreut, wie Jesus in einemanderen
Gleichnis deutlich machte.
Unfertiger GlaubeEs ist richtungsweisend, dass Jesus dasWort
Gottes mit einem Samen undnicht mit einem fertigen Produkt
ver-gleicht. Denn Glaube und Liebe kön-nen nie fertiggestellt sein.
Sie befindensich stets im Zustand des Werdens unddes Hoffens, und
darum sind sie lebens-nah. Unsere Aufgabe ist das Säen undnicht das
Ernten. So werden z.B. ausschwierigen Kindern oft besonnene
Er-wachsene, und das nicht deshalb, weilihnen „der Knopf
aufgegangen ist“,sondern weil der Samen der Liebe derKinderzeit
später Früchte getragen hat.Die Versuchung ist groß, nach
kurzfris-tigen Erfolgen im Leben Ausschau zuhalten, wie es das
Gesetz des Marktesdiktiert, wo man auf raschen Profit aus-gerichtet
ist. Bei jeder kurzfristigen Pla-nung werden aber die Schwachen
linksliegen gelassen – wie das oft genug beider profitorientierten
Entwicklungshil-fe passiert oder bei der einseitigen Be-vorzugung
von Eliteschulen. Die Sa-men auf unserem Bild fallen zur Erde indie
Ackerfurchen, die ebenfalls die Spu-ren der Sonnenstrahlen zeigen.
ImGleichnis Jesu sind mit Ackerfurchendie Menschen gemeint, denn
die Bibelbetont von der Schöpfungsgeschichtean die Erdgebundenheit
des Menschen.Das ist gemeint, wenn Jesus von den„geistig Armen“ und
den „Verlorenen“spricht.
Überwindung aller TrennungenManch einer erliegt auch der
lockendenVersuchung zu glauben, die Schwingendes Heiligen Geist
höben ihn vomSchmutz der Erde empor gen Himmelwie die Möwen. Die
Distanzierung vonder Welt ist aber Verrat an der univer-sellen
Gnade Gottes und an der bedin-gungslosen Liebe Jesu. Sich über
diesündige Welt erheben zu wollen, ist
-
nichts anderes als das Leben auf eigeneVerdienste zu gründen,
statt auf dieGnade Gottes und seine Liebe. Leiderwerden in unseren
Tagen aus Gründeneiner vermeintlichen Sicherheit dieWorte
Ausgrenzung, Abgrenzung undGrenzziehung großgeschrieben,
obwohlJesus alles, was trennend war, überwun-den hat. Viele
Christen gleichen demmythologischen Ikarus, der in denHimmel
fliegen wollte, aber in derNähe der Sonne schmolzen seine
Flügeldahin, die er mit Wachs an seinem Kör-per befestigt hatte,
und er stürzte ab.Man darf nie vergessen, dass es in derBibel
Freiheit nicht ohne Nächstenliebegibt. Der knorrige Baum auf
unserem Bildstellt sich mit seinen spießartigen Ästenbedrohlich und
kämpferisch dem Sä-mann entgegen. Damit hat van Goghdas deutlich
gemacht, was Jesus in sei-nem Gleichnis mit Disteln,
sengenderHitze, steinigem Boden, hungrigen Vö-geln und gewaltigen
Winden gemeinthat, die allesamt die keimenden Samenvernichtet
haben. Wollte der Maler da-mit vielleicht auf pessimistische
Weiseandeuten, dass das Wort Gottes und dieLiebe zum Tode
verurteilt sind, weil sievon Hass, Gewalt und Ichsucht ver-nichtet
werden? Ich glaube nicht, dassvan Gogh so gedacht hat, denn auchder
bedrohliche Baum und seine dürrenÄste widerspiegeln hoffnungsvoll
dieStrahlen der Sonne.
Unser Leben ist nicht auf RosengebettetVielleicht wollte der
Künstler damitsichtbar machen, dass das Leben nichtauf Rosen
gebettet ist sondern voll istmit Konflikten, Versagen, Zweifeln
undWiderständen. Jesus selbst hat das Le-ben den Jüngern gegenüber
so geschil-dert Und dennoch: Auch in der Tiefe,wo die Wahrheit ist,
wird der Mensch
von der Gnade und der Liebe Gottesumhüllt. In der Sprache des
Künstlersheißt das, dass der Sämann unverdros-sen weiterschreitet,
denn er spürt dieSonnenstrahlen auf seinem Rücken.Das ist für ihn
maßgeblich und nichtdie spießartigen Äste vor ihm.
Deshalb:„Standhalten und nicht fliehen“ – sodas hoffnungsvolle Wort
eines namhaf-ten Psychiaters. Der große reformierteTheologe des 20.
Jahrhunderts, KarlBarth, meinte dazu: „Auf scheinbareFinsternis
könnte am Ende die Stimmedes guten Hirten zu hören sein.“
Säen statt SchweigenVerhängnisvoller als fliehen ist jedoch,das
Widerwärtige, Störende gewaltsamaus dem Weg zu räumen, wenn es
an-ders nicht geht mit kriegerischen Mit-teln, um damit dem Guten
und ReinenRaum zu schaffen. Ohrfeigen, strengeStrafen und
gewaltsame Polizeimaßnah-men wirken aber nur kurzfristig,
lang-fristig sind sie die Keimzellen der Ag-gression, denn aus
geschlagenen Kin-dern werden schlagende Erwachsene,und aus
gedemütigten Menschen kön-nen gewaltbereite Terroristen werden.
Darum ist es verhängnisvoll zu glauben,dass Menschenrechte und
Demokratiedurch Interventionskriege eingeführtwerden können. Sehr
prägnant sprichtin diesem Zusammenhang ein weltbe-kannter
Historiker von einem prakti-zierten „Menschenrechtsimperialis-mus“.
Van Goghs gemalte Predigt ziehtdie Sonnenstrahlen seines Bildes
vomrein Persönlichen bis hin zum Gesell-schaftlichen und
Politischen. Denn erhat gewusst, dass man das Politische ausdem
Christsein nicht ausklammernkann und dass man über Gott nur
dannglaubwürdig sprechen kann, wenn manauch über Gerechtigkeit
spricht undüber Ungerechtigkeit nicht schweigt.
BALÁZS NÉMETH ■
Andacht
Sponsoring Post – Erscheinungsort Wien – Verlagspostamt 1010
Wien – GZ 02Z032011 SNicht retournieren
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Verkündigungs-, Informations- undDiskussionsforum, vorwiegend für
evangelische Christen. Alle namentlich gezeichneten Beiträge geben
nicht unbe-dingt die Meinung der Redaktion wieder und fallen in
dieVerantwortung des Autors/der Autorin. AuszugsweiserNachdruck
gegen Zusendung von zwei Belegexemplaren.
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