Dienstag, 24. Juni 2014, Nr. 143 junge Welt 1 0 t h e m a
Whrend sptestens seit der Europawahl der Rechtspo-pulismus
hierzulande in aller Munde ist, hrt man ber die Tea Party in den
USA nicht
mehr so viel. Was ist aus dieser neuesten Form des
US-Rechtspopulismus geworden? Die Tea Party stieg im Februar 2009
kurz nach dem Amtsantritt von Barack Obama als Prsident auf. Mit
ihrem Erfolg und damit der bis dahin kaum vorstellbaren Rckkehr der
Republikaner an die Schalthebel der (Sperrminoritts-)Macht in den
Zwischenwahlen 2010 wechselte die politische Initiative schon im
zweiten Jahr nach Obamas Triumph auf die Seite der Rechten. Der
Kampf gegen die krisenbedingte finanzielle Kernschmelze und
Massenarbeitslo-sigkeit und fr den grnen Kapitalismus als zentrale
politische Handlungsmaxime trat in den Hinter- und die Frage des
Abbaus der US-Staats-verschuldung in den Vordergrund. So wie die
Be-deutung desjenigen Teils des Rechtspopulismus, der als
Avantgarde des Neoliberalismus fungiert, fr die Wende zur
Austerittspolitik bislang kaum bercksichtigt worden ist, so spielte
die Tea-Party-Bewegung eine gewichtige Rolle dabei, die Re-form im
Innern des Kapitalismus im Interesse do-minanter
transnationalisierter Kapitalfraktionen (Finanz, Fossilenergie,
Privatversicherer etc.) zu Grabe zu tragen.
Mit der Rckeroberung des Reprsentantenhau-ses durch die
Republikaner bei einem hohen An-teil an Tea-Party-nahen
Abgeordneten begann deren Arbeit in den Mhlen der Institutionen.
Die Abschaffung der Obama-Gesundheitsreform und starke Einschnitte
im US-Sozialstaat waren die
zentralen Forderungen. Die Kompromilosigkeit der Tea Party im
Rahmen der politischen Ausein-andersetzung um die Erhhung der
Schuldeno-bergrenze eigentlich eine Formalitt fhrte die USA
zwischen Juli 2011 und Oktober 2013 mehrfach an den Rand der
Zahlungsunfhigkeit. Im Juli 2011 war sie und die damit verbundene
dra-matische Vertiefung der Krise mit globalen Aus-wirkungen durch
einen faulen Sparkompromi zwei Tage vor Ablauf der Frist gerade
noch abge-wendet worden. Der IWF hatte seinerzeit einen
Wachstumsrckgang um 2,2 auf -0,5 Prozent frs erste Quartal 2012
erwartet. Der von der Financial Times Deutschland errechnete Aderla
der US-Wirtschaft im Umfang von 600 Milliarden Dollar htte in etwa
dem gesamten Konjunkturprogramm aus dem Jahr 2009 zur Bekmpfung der
Krise (787 Milliarden Dollar) entsprochen.
Im Oktober 2013 fhrte die Blockadehaltung der als Caucus, als
Parlamentsgruppe zusammen-geschlossenen Tea-Party-Republikaner
jedoch zum ersten Shutdown, d. h. Stopp so gut wie smtli-cher
Gehaltszahlungen, Sozialleistungen, Subven-tionen etc., seit dem
21tgigen vom Jahreswechsel 1995/96. Angefhrt wurde sie vom
texanischen Senator Ted Cruz, der 2012 im Zuge der
Graswur-zelrevolte von radikalen rechten Krften gegen die moderaten
Big-Busine-Vertreter in den republi-kanischen Vorwahlen gesiegt und
sich dann auch gegen seinen demokratischen Gegner durchgesetzt
hatte. Unter seiner Fhrung dauerte der Shutdown 16 Tage. Der
unmittelbare wirtschaftliche Schaden wurde von der Regierung mit 24
Milliarden Dollar veranschlagt. Diverse Schtzungen bezglich des
Wachstumseinbruchs vom regierungsoffiziellen Council of Economic
Advisers bis zu Kreditratin-gagenturen wie Standard & Poors
reichten von 0,2 bis 0,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im
vierten Quartal.
Rechtsradikaler IrrationalismusIn Nordamerika hat sich vor
diesem Hintergrund eine interessante Debatte ber Vernunft und
Unver-nunft im US-Schuldenstreit entwickelt, die auch weitgehendere
Fragen ber das (Wechsel-)Verhlt-nis zwischen konomischer und
politischer Krise heute und allgemein aufwirft. Einigkeit besteht
dar-
in, da die Austerittspolitik aus der brgerlichen Perspektive
ganz allgemein durchaus zweckra-tional ist. Im Kontext der
privatkapitalistischen Organisation des Finanzwesens, so der
Professor an der York University in Toronto, Sam Gindin, sei sie
aus Sicht der kapitalistischen Staaten auch fast zwangslufig.
Deshalb stelle sich heute umso mehr die Eigentumsfrage als
Grundlage jedwe-der noch so schnden sozialdemokratischen Re-form.
Weitgehende Einigkeit besteht ferner darin, da der Streit um die
Schuldenobergrenze und der Shutdown insofern irrational sind, als
sie die US-Finanzhegemonie untergraben. Denn sie gefhr-den den
Glauben an die US-Zahlungsfhigkeit und damit das
Dollar-Wall-Street-Regime. Tatschlich senkten einige
Ratingagenturen kurzzeitig die US-Bonittsnote.
Die Frage ist: Was erklrt den scheinbaren Irra-tionalismus der
Tea Party? Marxistische Intellek-tuelle in Nordamerika haben
hierauf verschiedene Antworten geliefert: Der
Politikwissenschaftler an der York University Leo Panitch erklrt
die gerade von brgerlichen Beobachtern permanent beklagte
Dysfunktionalitt des US-politischen Systems letztlich zu Recht mit
dem Widerspruch zwischen imperialen und nationalstaatlichen
Erfordernissen, d. h. zwischen kosmopolitischen Empire-Eliten und
nationalstaatlicher Grundierung des Kongresses. Von David Harvey,
Geographie- und Anthropolo-gie-Professor an der City University in
New York, und Doug Henwood, Herausgeber des Left Business Observer,
wird besagte Dysfunktionalitt letztlich auf Dekadenz zurckgefhrt.
Der neoliberale Ka-pitalismus habe das langfristige Gesellschafts-
und Planungsdenken in den Eliten zerstrt. Harvey spricht vom feral
capitalism, vom barbarischen Kapitalismus; Henwood vom pervasive
rot des neoliberal self, von einer alles durchdringenden Fulnis des
neoliberalen Ichs.
Zu dieser Debatte ist zu bemerken, da das politische Handeln der
Tea-Party-Akteure zwar in der Tat teilweise mit dem
ideologietheoretisch pro-blematischen Begriff der Irrationalitt
beschrieben werden kann. Aber die Tatsache, da es organi-sierten
Kapitalverbnden (US-Handelskammer, Business Roundtable) und
Republikaner-Eliten zunchst nicht gelang, die Tea-Party-Rebellen
zur Rson zu bringen, ist nicht auf einen Mangel an
langfristigem Gesellschaftsdenken und politischer
Fhrungskapazitt im herrschenden Block zu-rckzufhren. Denn dieser
Caucus ist gerade nicht Teil dieses Blocks und ihr Aufstieg
vielmehr ein Ausdruck der hegemonialen Krise dieses Blocks.
Tatschlich ist die Tea Party eine unter den Bedin-gungen eines vom
italienischen Marxisten Antonio Gramsci als Interregnum
bezeichneten Prozes-ses sich im Widerspruch zu diesem Block
entwik-kelnde politische Kraft. Sie rekrutiert sich vor al-lem aus
den pltzlich politisierten und nach rechts radikalisierten,
abstiegsbedrohten Mittelschichten. Zu deren spezifischer
Eigenschaft gehrt es, da sie im Kontext der durch die konomische
Krise ver-schrften gesellschaftlichen Verteilungskmpfe ge-zwungen
sind, sich zur von den transnationalisier-ten Kapitaleliten und den
von ihnen dominierten Parteien, von denen sie bislang
geistig-moralisch gefhrt wurden , unabhngigen politischen Kraft zu
entwickeln. Diese angestrebte Eigenstndigkeit ist aber noch nicht
erreicht, was auf das junge Da-tum ihrer Politisierung im Kontext
epidemischer gesellschaftlicher Ohnmacht und Entsolidarisie-rung
zurckzufhren ist, die die Triebkrfte des Rechtspopulismus allgemein
sind.
Die alles durchdringende Fulnis des neolibe-ralen Ichs wre also
weder klassenbergreifend allgemein und Ursache der Irrationalitt
und Dysfunktionalitt des US-politischen Systems der politischen
Krise, sondern wre allenfalls klassen-spezifische Folge einer
politischen Krise. Es ist ein Ausdruck des Interregnums, da auf dem
Weg der Aufsplitterung des politischen Parteiensystems das
rationale Management der konomischen Krise stark erschwert wird,
die konomische Krise zur politischen Krise als Dysfunktionalitt und
Un-regierbarkeit wird, welche die konomische Krise wiederum
verstrkt.
Institutionelle Entradikalisierung?Seit ihrem Triumph vom
Oktober 2013 scheint sich die Tea Party jedoch zunehmend selbst in
ei-ner Krise zu befinden. Der Hintergrund dafr ist ihr Einknicken
im Schuldenstreit vom Dezember 2013, als der demokratische Senator
Patty Mur-ray und der eigentlich marktradikale, ehemalige
republikanische Vizeprsidentschaftskandidat
Paul Ryan einen Haushaltskompromi aushan-delten, der einen
weiteren Shutdown verhinderte. Verstrkt wurde das Krisenbild durch
jenes Dut-zend Republikaner im Senat, das Anfang Febru-ar den von
der Tea Party unter Cruz Fhrung unternommenen nchsten
Shutdown-Versuch durchkreuzte. Schon vor der Abstimmung hatten sich
bei ihren Vertretern resignative Tendenzen gezeigt. Michele
Bachmann betonte im Interview mit der Washington Post seinerzeit:
Man mu wissen, wann man weiterspielt und wann man sich zurckzieht.
Jetzt ist nicht der Zeitpunkt fr ein Krftemessen. Die brgerlichen
Medien er-hoffen sich von dieser Entwicklung ein Ende der
Dysfunktionalittskrise des US-Staates. Die Fra-ge ist: Was erklrt
die neue Tea-Party-Vernunft: Institutionelle Entradikalisierung?
Das Erlernen der verantwortlichen Regierungskunst in den
In-stitutionen?
Eine institutionalistisch-organisationspoliti-sche Erklrung ist,
da gem einer Umfrage des Senders CNN 54 Prozent der Bevlkerung die
Regierungskrise den Republikanern und be-sonders der Tea Party
anlasten. Fr Peter Weber (The Week, 12.12.2013) war das Einlenken
der Tea Party deshalb die Einrumung, da der Kongre nicht weiter von
Krise zu Krise schlittern kann. Die Republikaner scheinen
einzugestehen, da die Tea-Party-Strategie der Staatspleite zur
Pleite der Republikaner in den Umfragewerten geraten ist.
Tatschlich sank die Zustimmung zu den Republikanern im
Reprsentantenhaus im Ok-tober 2013 auf den historischen Tiefstand
von 28 Prozent.
Andere institutionalistische Erklrungen knnten allerdings auch
das Gegenteil schlssig behaupten: Dazu gehrt, da die Abgeordneten
zwar mglicherweise von der Notwendigkeit der Erhhung der
Schuldenobergrenze berzeugt sein mgen, aber zugleich
Berufspolitiker sind (oder bleiben wollen), die in dieser Hinsicht
durchaus rational handeln. Denn sie stammen als
Tea-Party-Abgeordnete vor allem aus den Regio-nen des Sdens und
Mittleren Westens, wo ihre Fraktion die Parteibasis dominiert,
weshalb die zur Wiederwahl stehenden Kongreabgeordneten deren Rache
in den republikanischen Vorwahlen 2014 frchten mssen: Die meisten
sind Rechte,
RechtsundrechterHintergrunduRichtungskmpfe im republikanischen
Neoliberalismus in den USA. VonIngarSolty
AusdruckderKrisederUS-Politikeliten:DieTeaPartyentstandausdenabstiegsbedrohtenMittelschichten.Siepolitisiertensichspontanundextremrechts(fahneschwingendesTea-Party-Mitgliedaufeinerchristlich-fundamentalistischenVeranstaltung,20.6.2014)
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junge Welt Dienstag, 24. Juni 2014, Nr. 143 1 1t h e m a
und sie hren eher auf die Bewegungsaktivisten als auf irgendwen
aus der Wirtschaft, heit es im Onlinemagazin Slate am 10. Oktober
2013.
Gegenschlag der KapitalelitenEine alternative,
klassenanalytische Erklrung ist, da die zunehmende Beunruhigung und
der wach-sende Widerstand der transnationalisierten Kapi-taleliten
zu einem organisierten Gegenschlag der mit diesen Eliten am
strksten verknpften Eliten-Republikaner (insbesondere im US-Senat)
gefhrt hat. Die direkte politische Einmischung durch Wall Street
und groe Konzerne erlaubt es den modera-ten Republikanern, ihrer
klassischen politischen Vertretung, gegen die irrationale Hell
no-Frak-tion vorzugehen, d. h., den rechtspopulistischen Geistern,
die sie riefen und die an der Parteibasis vielerorts den Ton
angeben, den Kampf anzusagen. Die Tea Party wre dann so etwas wie
der ntzliche Idiot, der die moderate Reformagenda der
Obama-Administration in Sachen Konjunkturpolitik,
Fi-nanzmarktregulierung, Gesundheitsreform etc. in die Schranken
wies und damit jetzt seinen Dienst getan hat.
Tatschlich scheint die Oktoberkrise der berhm-te Tropfen gewesen
zu sein, der das Fa zum ber-laufen brachte. Whrend der Krise
beobachtete die Washington Post angesichts des Schuldenstreits und
der Rolle der Tea Party noch ein rtselhaftes Stillhalten der
mchtigsten Wirtschafts- und Wall-Street-Lobbyisten des Landes
(17.10.2013). Zwar untersttzten die meisten wichtigen Unternehmer
und ihre Verbnde den Republikaner-Parteifhrer im Reprsentantenhaus,
John Boehner, der Kom-promibereitschaft signalisiert hatte. Erst
seit den Erfahrungen vom Oktober 2013 setzen aber die
transnationalen Kapitaleliten zunehmend ihre wirt-schaftliche und
politische Macht ein, eine Wieder-holung dieses Vorgangs zu
verhindern. Zur von der Washington Post als Verschwrung der
Wirt-schaftsgruppen gegen die Tea Party bezeichneten Initiative
gehrt es, eigene Kandidaten gegen die Tea-Party-Amtsinhaber ins
Rennen zu schicken.
Zwar heit es, da die groe Finanzunterstt-zung einzelner
Kandidaten jenseits der verbalen noch aussteht, besonders im
Hinblick auf Amtsin-haber, deren Aussicht auf Wiederwahl
statistisch gesehen sehr hoch ist. Von der US-Handelskam-mer, dem
Giganten unter den Anti-Obama-Kam-pagnenspendern, wird trotzdem
erwartet, da sie in den Zwischenwahlen 2014 etwa 50 Millionen
Dollar ausgibt.
Kampf um Common CoreEine weitere Kampfarena ist schon seit 2013
die Auseinandersetzung um die bildungspoliti-sche Manahme Common
Core State Standards
Initiative (CC) einer der angeblich teuersten politischen
Konflikte in den USA in diesem Jahr. CC wurde 2009 von der Gates
Foundation ent-wickelt und mit dreistelligen Millionenbetrgen durch
eine breite Koalition der groen Kapi-talverbnde wie der
US-Handelskammer und des Business Roundtable, einzelner Konzerne
wie ExxonMobil, dem Pentagon und der US-Armee in der Bevlkerung
beworben. 2010 wurde sie ohne groe Debatte in 45 Einzelstaaten
inklusive Washington D. C. implementiert. Mit politischer
Untersttzung der Eliten in beiden Parteien sieht das Gesetz eine
Standardisierung vor, die Vergleichbarkeit von Schulleistungen in
den Fchern Mathematik und Sprachen von der Vorschule bis zur 12.
Klasse schaffen soll.
Die meisten Staaten verfgen mit dem unter George W. Bush
erlassenen Gesetz No Child Left Behind (NCLB, Kein Kind wird
zurck-gelassen) bereits ber solche Standardisierun-gen. In den
bildungspolitisch fderalistischen USA verfolgt CC, obschon der Name
etwas an-deres suggeriert, allerdings eine noch strkere
Vereinheitlichung auf nationaler Ebene. Hinter-grund sind das
schlechte Abschneiden der USA in globalen Leistungsvergleichen und
die Ver-wertungsinteressen der Unternehmen, die sich ber schlechtes
Schlermaterial beschweren. Auch offiziell geht es bei dem Gesetz
erstrangig um die Normierung der Schulen fr globale
Wettbewerbsfhigkeit, und ist Teil einer breitan-gelegten Kampagne
zur weiteren neoliberalen Umstrukturierung der ffentlichen
Schulbildung. Dabei werden perspektivlose Schulabbrecher und
berforderte Lehrer gegeneinander ausgespielt, und es bleiben die
wachsende gesellschaftliche Armut, die soziale Ungleichheit, die
Hierarchi-sierung der Bildungslandschaft und ihre ffentli-che
Unterfinanzierung als Problem und Ursache unbercksichtigt.
Zum neoliberalen Programm gehrt, da im Rahmen einer allgemeinen
Reduzierung univer-seller Bildungsmittel Schulen mit ihren
jeweili-gen Testergebnissen um ffentliche Frdermittel im Umfang von
4,3 Milliarden Dollar konkurrie-ren, die im Rahmen des
Krisenkonjunkturpro-gramms von 2009 freigemacht wurden. Diese
neoliberale Wettbewerbsmanahme drfte die Ungleichheit zwischen
armen und reichen Schu-len noch verstrken, weil sie die Rolle der
Ar-mut und die frappierende regionale Divergenz in Schulbudgets fr
das Auseinanderdriften in den Schulleistungen mehr oder weniger
ignoriert. Politisch getragen wird die neoliberale Bildungs-politik
von einem berparteilichen Konsens von Demokraten und
Republikanern.
Den der Demokraten nahen Lehrergewerk-schaften wie die American
Federation of Tea-chers sowie die National Education
Association
(NEA), mit ber drei Millionen Mitgliedern die grte
Einzelgewerkschaft in den USA, wurde das Gesetz als eine
Verbesserung des Gesetzes No Child Left Behind angepriesen. Es gehe
nicht darum, Gelder blo nach Leistungsstand statt nach
Lernfortschritt zu verteilen, weshalb nicht nur die reichen Schulen
der reichen Kinder, sondern auch die rmeren Schulen der armen
Kinder Chancen htten, an Frdermittel zu ge-langen.
Whrend regionale NEA-Verbnde wie im Einzelstaat New York oder
die CTU sowie linke Demokraten wie der Progressive Caucus of
Florida sich frhzeitig gegen das Gesetz aus-sprachen, untersttzten
die Dachverbnde das Gesetz unter der (illusorischen) Bedingung
einer guten Ausfinanzierung. Die American Federa-tion of Teachers
(AFT) avancierte mit Millionen-spenden der Gates Foundation zunchst
sogar zu einem der vehementesten Reformverfechter. Erst im Zuge der
Umsetzung der Reform und des wachsenden Widerstands von regionalen
und lo-kalen Gewerkschaften, Lehrer- und Elternvertre-tungen hat
sowohl die NEA im Februar 2014 und danach auch die AFT eine
kritisch-distanzierte Haltung eingenommen.
Anstehende MachtprobeDamit ergeben sich merkwrdige Koalitionen:
Denn auch die Tea Party opponiert gegen das Gesetz und will nach
ihrem Scheitern im Kampf gegen ObamaCare nun ObamaCore strzen.
Ei-ne Zeit lang sah es so aus, als ob Kapitalverbn-de und
Gewerkschaften auf der einen Seite und Linke und
Tea-Party-Aktivisten auf der anderen des Stranges ziehen.
Doch sind die Motive der Tea Party ande-re. Denn whrend linke
Aktivisten das Gesetz aufgrund der Befrchtung wachsender
Testbe-lastung oder Herabsetzung sozialer Standards etc. bekmpfen,
geht den kleinbrgerlichen Marktradikalen Common Core nicht weit
ge-nug. Die neoliberale Agenda, die Common Core antreibt, wird im
rechten Widerstand auf die Spitze getrieben. Aus der geleakten
Educatio-nal Freedom Campaign der Tea-Party-Stiftung FreedomWorks
geht hervor, da er nur der erste Schritt auf dem Weg zur
Abschaffung des so-zialistischen Bildungsministeriums und der
vollstndigen Zerschlagung der Gewerkschaf-ten im ffentlichen Dienst
sein soll.
Der Hintergrund ist eine allgemeine rech-te Feindseligkeit
gegenber der ffentlichen Bildung. Diese speist sich aus vielen
Quellen: Erstens aus der Entsolidarisierung, die mit der starken
Zunahme christlich-fundamentalisti-schen Privatunterrichts Anstieg
von 1,7 auf 2,9 Prozent (entspricht 0,85 auf 1,51 Millionen)
aller Kinder im Schulalter zwischen 1999 und 2007 und
schulgeldpflichtiger Privatschu-len zusammenhngt, die heute mehr
als zehn Prozent aller Kinder besuchen. Hinzu kommt zweitens die
Furcht vieler christlicher Funda-mentalisten in der Tea Party, es
gehe bei dem Gesetz um die diktatorische Durchsetzung ei-nes
nationalen Kurrikulums und damit z. B. der Evolutionstheorie, die
in Staaten wie Louisiana oder Tennessee nicht oder nur gleichwertig
zum Kreationismus gelehrt wird. Die Angst vor ei-nem Machtzuwachs
der Nationalregierung und der Einschrnkung lokaler
Schulselbstbestim-mung geht dabei durchaus auch mit
Verschw-rungstheorien einher: Fr den Bestsellerautor Glenn Beck ist
CC die Entstehung einer Or-wellschen Linksdiktatur, bei der es um
die Anhufung von persnlichen Daten gehe.
Der Tea Party war es mit Hilfe der finanzi-ellen Untersttzung
und einer Kampagne von rechtslibertren und rechten christlichen
Think-tanks und Lobbyorganisationen gelungen, sich innerhalb der
Partei durchzusetzen und die Re-publikaner auf einen Anti-CC-Kurs
zu bringen. Das Republican National Committee verffent-lichte
bereits im April 2013 eine Stellungnahme, derzufolge CC eine
nationale Zwangsjacke fr die Bildungsfreiheit und Leistung sei.
CC ist so zur neuen Machtprobe zwischen
transnational-grobrgerlicher Republikaner-Elite und
nationalistisch-kleinbrgerlicher Tea Party geworden. Diese drohte
sich zugunsten letzterer zu entscheiden, als Indiana im Mrz als
erster Staat offiziell aus der Gruppe der 45-CC-Staaten ausscherte.
Angesichts des wachsenden Widerstands von rechtsauen starteten die
gro-en Kapitalverbnde, Business Roundtable und US-Handelskammer, am
16. Mrz eine Anzei-genkampagne auf Fox News und anderen
kon-servativen Medien, um mit geballter Geldmacht die Untersttzung
der Republikaner-Basis wie-derzugewinnen und den Widerstand zu
brechen. Zugleich werden vor allem in den Sdstaaten
Kongreabgeordnete mit einem riesigen Fi-nanzaufwand gedrngt, fr das
Gesetz zu stim-men. Auerdem macht die Handelskammer CC fr
potentielle Kandidaten bei den im November stattfindenden
Kongrewahlen zur Gretchenfra-ge fr ihre finanzielle
Untersttzung.
Als das Beispiel aus Indiana Schule zu ma-chen drohte, gelang es
dieser Koalition in eini-gen Bundesstaaten wie Georgia, Arizona und
Wisconsin (vorerst) Gesetze zu verhindern, die CC fr
verfassungswidrig erklrt oder anders torpediert htten.
Der Rckenwind von Kapitalseite, der der Tea Party entgegenblst,
strkt nun auch den Mut der Republikaner-Elite. Festmachen lt sich
das zum Beispiel an der neuen Rolle Boeh-ners und des
republikanischen Minderheiten-fhrers im Senat, Mitch McConnell.
Boehner hatte sich, wie berhaupt die gesamte Partei-elite, bislang
von der Tea Party oft vor sich hertreiben lassen. Jetzt sprach er
in einer vielbe-achteten, die Tea-Party-Basis erzrnenden Rede
davon, da die Gruppierung unsere Mitglieder und das amerikanische
Volk fr ihre eigenen Ziele mibraucht. Und McConnell der noch im
Juli 2013 bei der Tea Party zu Kreuze hatte kriechen und den
Gastgeber beim Tea-Party-Caucus spielen mssen, als es hie Were all
tea partiers now wird von den Mainstream-Eliten jetzt als Held dafr
gefeiert, weil er fr ein Ende des Schuldenstreits stimmte, obwohl
er dafr zweifellos Schlge von seinem Vor-wahlgegner einstecken
mssen wird (National Review, 13.2.2014). Als Dank gehrt McConnell
zu jenen vier Kandidaten, die von der Handels-kammer jetzt schon
mit 1,3 Millionen Dollar untersttzt worden sind.
u Ingar Solty ist Autor des Buches Die USA unter Obama. Er
schrieb auf diesen Seiten zu-letzt am 4.2.2014 ber Alfred
Andersch.
LesenSiemorgenaufdenjW-Themaseiten
FreinepolitischereLesben-undSchwulenbewegungVon Markus Bernhardt
Kauf am
KiosK!
KaminderBevlkerungderUSAnichtgutan:DieHaushaltssperreimOktober2013wurdezuRechtderTeaPartyundihrerdestruktivenPolitikangelastet(ProtestvordemWeienHaus,4.10.2013)
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