Industrie 4.0 und Autonomie Zwischen Selbstentfaltung und Selbstverwertung Ringvorlesung „Autonomie und digitale Gesellschaft“ Wintersemester 2017/18 Abteilung Medienwissenschaft der Universität Bonn 05.12.2017 Stefan Meretz, Bonn keimform.de commons-institut.org
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Industrie 4.0 und Autonomie
Zwischen Selbstentfaltungund Selbstverwertung
Ringvorlesung „Autonomie und digitale Gesellschaft“
Wintersemester 2017/18Abteilung Medienwissenschaft der Universität Bonn
05.12.2017
Stefan Meretz, Bonn
keimform.decommons-institut.org
Überblick
Historisierung industrieller Revolutionen
Drei Autonomien
Wie rekonfigurieren?
Historisierung industrieller Revolutionen
Professor Bömmel: „Wat is en Dampfmaschin´?“
Die Feuerzangenbowle, 1944
Historisierung industrieller Revolutionen
Historisierung industrieller Revolutionen
»Die Werkzeugmaschine … ist es, wovon die industrielle Revolution im 18. Jahrhundert ausgeht«
Karl Marx, Das Kapital, Band 1, Kapitel 13, S. 393
Ansatzpunkt: Marx‘ Kapital I, Kapitel 13, S. 393ff
Die große Maschinerie der industriellen Revolution:● Werkzeugmaschine (»Arbeitsmaschine«)● Energiemaschine (»Bewegungsmaschine«)● Algorithmusmaschine (»Transmissionsmechanismus«)
Ansatzpunkt: Marx‘ Kapital I, Kapitel 13, S. 393ff
Die große Maschinerie der industriellen Revolution:● Werkzeugmaschine (»Arbeitsmaschine«)● Energiemaschine (»Bewegungsmaschine«)● Algorithmusmaschine (»Transmissionsmechanismus«)
Kreiselrädern, Schäften, Schnüren, Riemen,Zwischengeschirr und Vorgelege der verschiedensten Art, regelt die Bewegung, verwandelt, wo es nötig,
ihre Form, z.B. aus einer perpendikulärenin eine kreisförmige, verteilt und überträgt
sie auf die Werkzeugmaschinerie.«
Ansatzpunkt: Marx‘ Kapital I, Kapitel 13, S. 393ff
Die große Maschinerie der industriellen Revolution:● Werkzeugmaschine (»Arbeitsmaschine«)● Energiemaschine (»Bewegungsmaschine«)● Algorithmusmaschine (»Transmissionsmechanismus«)
Kreiselrädern, Schäften, Schnüren, Riemen,Zwischengeschirr und Vorgelege der verschiedensten Art, regelt die Bewegung, verwandelt, wo es nötig,
ihre Form, z.B. aus einer perpendikulärenin eine kreisförmige, verteilt und überträgt
sie auf die Werkzeugmaschinerie.«
Ansatzpunkt: Marx‘ Kapital I, Kapitel 13, S. 393ff
Die große Maschinerie der industriellen Revolution:● Werkzeugmaschine (»Arbeitsmaschine«)● Energiemaschine (»Bewegungsmaschine«)● Algorithmusmaschine (»Transmissionsmechanismus«)
Marx: »Ein System der Maschinerie ... bildet an und für sich einen großen Automaten«Kern des »Automaten« ist die Algorithmusmaschine.»Industrielle Revolutionen« sind algorithmische RevolutionenJede algorithmische Revolution verdichtet den Prozess der »reellen Subsumtion« der Produktion unter das Kapital
Ansatzpunkt: Marx‘ Kapital I, Kapitel 13, S. 393ff
Die große Maschinerie der industriellen Revolution:● Werkzeugmaschine (»Arbeitsmaschine«)● Energiemaschine (»Bewegungsmaschine«)● Algorithmusmaschine (»Transmissionsmechanismus«)
Marx: »Ein System der Maschinerie ... bildet an und für sich einen großen Automaten«Kern des »Automaten« ist die Algorithmusmaschine.»Industrielle Revolutionen« sind algorithmische RevolutionenJede algorithmische Revolution verdichtet den Prozess der »reellen Subsumtion« der Produktion unter das Kapital
Formelle Subsumtion:Nutzung von Produktionsresultaten
zu Zwecken der Verkaufs
Reelle Subsumtion:Gestaltung der Produktion nach der
Logik der Verwertung
Ansatzpunkt: Marx‘ Kapital I, Kapitel 13, S. 393ff
Die große Maschinerie der industriellen Revolution:● Werkzeugmaschine (»Arbeitsmaschine«)● Energiemaschine (»Bewegungsmaschine«)● Algorithmusmaschine (»Transmissionsmechanismus«)
Marx: »Ein System der Maschinerie ... bildet an und für sich einen großen Automaten«Kern des »Automaten« ist die Algorithmusmaschine.»Industrielle Revolutionen« sind algorithmische RevolutionenJede algorithmische Revolution verdichtet den Prozess der »reellen Subsumtion« der Produktion unter das Kapital...und erzeugt die Potenzen zur Aufhebung des Kapitalismus.
wissenschaftliche Analyse des Produktionsprozesses aus, da jeder Teilprozeß ... als handwerksmäßige Teilarbeit ausführbar sein muß« (358)
● Übergang von der formellen zur reellen Subsumtion● Übergang von der personalen zur sachlichen Herrschaft
Muskelkraft Werkzeug Wissen/Erfahrung
Energie-maschine
Werkzeug- und Algorithmusmaschine
Werkzeug→Sachlogik Algorithmus→Zeitlogik
Industrie 2.0: „Fordismus/Taylorismus“
● Transformation: Inselfertigung → analoge Fließfertigung● Erste algorithmische Revolution: Der »ideale« Prozess● Reelle Subsumtion: Arbeiter*in als Anhängsel der Maschine
Energie-maschine
Werkzeug- und Algorithmusmaschine
Werkzeug→Sachlogik
Werkzeug- und AlgorithmusmaschineWerkzeug- und Algorithmusmaschine
»In der bürgerlichen Ökonomie … erscheint diese völlige Herausarbeitungdes menschlichen Innern [das ‚absolute Herausarbeiten’ der ‚schöpferischenAnlagen’] als völlige Entleerung, diese universelle Vergegenständlichung alstotale Entfremdung, und die Niederreißung aller bestimmten einseitigenZwecke als Aufopferung des Selbstzwecks unter einen ganz äußren Zweck.«
Marx (Grundrisse, 387)
Drei Autonomien
Flexibel-autonome Prozess-Maschinen
Flexibel-autonome Prozess-Individuen
Drei Autonomien
Karl Marx:
Der Wert »geht beständig aus der einen Form in die andre über[Ware↔Geld], ohne sich in dieser Bewegung zu verlieren, undverwandelt sich so in ein automatisches Subjekt. (...) In der Tat
… wird der Wert hier das Subjekt eines Prozesses, worin er unterdem beständigen Wechsel der Formen von Geld und Ware seine
Größe selbst verändert, sich als Mehrwert von sich selbst alsursprünglichem Wert abstößt, sich selbst verwertet. (...) Er hatdie okkulte Qualität erhalten, Wert zu setzen, weil er Wert ist.
Er wirft lebendige Junge oder legt wenigstens goldne Eier.«
Drei Autonomien
Flexibel-autonome Prozess-Maschinen
Flexibel-autonome Prozess-IndividuenG G′
W
Wie rekonfigurieren?
1) Das »automatische Subjekt« abschalten2) Alle Derivate mit entsorgen: Ware, Geld, Markt, Staat3) Zwei Freiheiten realisieren: Freiwilligkeit und Eigentumsfreiheit
► Inklusionsgesellschaft, »eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist« (Marx/Engels 1848) ► Schlechte Nachricht: Schwer zu machen, das Einfache ► Gute Nachricht: Die Transformation hat bereits begonnen
… und das führt uns zu den Commons
Commons
... »bezeichnet Ressourcen (Code, Wissen, Nahrung, Energiequellen, Wasser, Land, Zeit u.a.), die aus selbstorganisierten Prozessen des gemeinsamen bedürfnisorientierten Produzierens, Verwaltens, Pflegens und/oder Nutzens (Commoning) hervorgehen.« (Wikipedia)
Commons
Beitragenstatt
Tauschen
Selbstorganisationstatt
Fremdbestimmung
Commoning
Ressourcen Produkte
»Eig
entu
msf
reih
eit« »F
reiwillig
k eit«
Commoning in der Industrie 4.0
Einerseits:● Bedürfnisse nach Selbstbestätigung, Selbstwirksamkeit,
● Zwang zur Internalisierung der Verwertungsimperative zur Optimierung, Kosteneinsparung, Flexibilisierung, Rationalisierung (aka »unternehmerisches Selbst«) – kurz: Selbstverwertung
► Soziologie: »Doppelte Subjektivierung«► Widerspruch zwischen Selbstentfaltung und Selbstverwertung
Commons: Re/Produktion jenseits von Markt & Staat
Eigenschaften:● Transformatorische Bewegungsform des Widerspruchs
zwischen Selbstentfaltung und Selbstverwertung bzw. menschlichen Bedürfnissen und ökonomischer Rationalität
● Doppelte Funktionalität im Kapitalismus: nutzbar zur Kostenreduktion, aber inkompatibel zur Verwertungslogik
Potenziale:● Agentenbasierte Netzwerk-Produktion als Vorform commons-
basierter Peer-Produktion in polyzentrischer Selbstorganisation● Elementarform einer commonistischen Re/Produktionsweise● Aufhebung der Sphärenspaltung von Ökonomie und Care● Positiv-reziproke Inklusionslogik statt Exklusionslogik