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‘In jeder Stadt steckt ein großer Roman’: Hypata – eine erzählte Stadt in Apuleius’ Metamorphosen

May 02, 2023

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Karen Radner
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Cityscaping

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Philologus

Zeitschrift für antike Literatur und ihre Rezeption /A Journal for Ancient Literature and its Reception

Supplemente /Supplementary Volumes

Herausgegeben von / Edited byMarkus Asper, Sabine Föllinger, Therese Fuhrer,Christof Rapp, Katharina Volk

Volume 3

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Page 3: ‘In jeder Stadt steckt ein großer Roman’: Hypata – eine erzählte Stadt in Apuleius’ Metamorphosen

Cityscaping

Constructing and Modelling Images of the City

Edited byTherese Fuhrer, Felix Mundt, Jan Stenger

DE GRUYTER

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Page 4: ‘In jeder Stadt steckt ein großer Roman’: Hypata – eine erzählte Stadt in Apuleius’ Metamorphosen

ISBN 978-3-11-037682-1e-ISBN (PDF) 978-3-11-040096-0e-ISBN (EPUB) 978-3-11-040114-1ISSN 2199-0255

Library of Congress Cataloging-in-Publication DataA CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress.

Bibliographic Information published by the Deutsche NationalbibliothekThe Deutsche Nationalbibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie;detailed bibliographic data are available on the Internet at http://dnb.dnb.de.

© 2015 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/BostonTypesetting: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH, WustermarkPrinting and binding: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen♾ Printed on acid-free paperPrinted in Germany

www.degruyter.com

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Page 5: ‘In jeder Stadt steckt ein großer Roman’: Hypata – eine erzählte Stadt in Apuleius’ Metamorphosen

PrefaceThe papers collected in this volume are based on oral versions delivered at theconference ‘Cityscaping – Constructing and Modelling Images of the City inLiterature, Film and Art’, held at Dahlem, Berlin, on 4–6 October 2012. For thegenerous financial support of this conference we thank the Berlin Exzellenz-cluster 264 ‘Topoi’. Dr. Henrike Simon supported us in all formal and practicalaspects of the organisation of the conference. In the editorial preparation of thepapers for publication we were greatly assisted by Maria Matei Rastel, ZipporaHintner (LMU Munich) and Yannick Spies (HU Berlin). We also thank AngelikaHermann of De Gruyter for assisting us in the production phase of this volume.Yannick Spies also took on the task of compiling the index. Translation of theintroduction into English and editorial care of the English-language contribu-tions were provided by Orla Mulholland.

Munich / Berlin / Glasgow, January 2015 Therese FuhrerFelix MundtJan Stenger

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Contents

Therese Fuhrer, Felix Mundt and Jan StengerIntroduction 1

Damien NelisVergilian Cities

Visions of Troy, Carthage and Rome 19

Alison KeithCityscaping in Propertius and the Elegists 47

Manuel RoyoTriumphal Milestones

The equus maximus in foro and the Domitianic Project on the PalatineHill 61

Therese Fuhrer‚In jeder Stadt steckt ein großer Roman‘

Hypata – eine erzählte Stadt in Apuleius’ Metamorphosen 87

Lydia KrollpfeiferDie Imagination der Stadt Rom bei Claudian

Weibliche Allegorie und Herrscherlob 109

Jan R. StengerThe Soul and the City

John Chrysostom’s Modelling of Urban Space 133

Maximilian BenzKartâgô in Heinrichs von Veldeke Eneasroman 155

Felix MundtDer Mensch, das Licht und die Stadt

Rhetorische Theorie und Praxis antiker und humanistischerStädtebeschreibung 179

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VIII Contents

Catharine EdwardsEdward Gibbon and the City of Rome 207

Christian RivolettiSpiel mit der Tradition und Darstellung der Gegenwart in Le città invisibilivon Italo Calvino 227

Katrin DennerleinDie erzählte Wahrnehmung der Großstadt im Kontext des modernenepischen Erzählens

Zum doppelten Beginn von Alfred Döblins Berlin Alexanderplatz 247

Margrit TröhlerStädtische Ikonographien, narrative Räume und filmische Geschichtsbilderin Gladiator und Rome 281

List of figures 309

Index 311

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Page 9: ‘In jeder Stadt steckt ein großer Roman’: Hypata – eine erzählte Stadt in Apuleius’ Metamorphosen

Therese Fuhrer‚In jeder Stadt steckt ein großer Roman‘Hypata – eine erzählte Stadt in Apuleius’ Metamorphosen

Abstract: A city can always be narrated differently, or its identity can even gainnew facets from a narration. The present paper addresses the question of howin Apuleius’ Metamorphoses the characteristics of a particular Greek polis, Hy-pata in Thessaly, are functionalised to help model the characters, and howthe dramatisation of an urban society means that social, cultural and politicalconcepts are also discussed both explicitly and implicitly. The city becomes thesetting of a satirical narrative in which the curious protagonist Lucius, led byhis wish to be initiated into the craft of magic in the ‘wonderland’ of Thessaly,is suddenly unable to distinguish fiction from reality. He sees nothing but evi-dence of magic forces in the cityscape, believes the city to be the product ofmetamorphoses and through this ‘false’ interpretation of his environment heis ultimately a failure in the urban society of Hypata. It is only after he hasstepped out of the real, civic world that he is able to become a true hero of anovel, but only once he himself has become the result of an actual metamor-phosis: as an ass. Through its literary dramatisation in Apuleius’ Metamorpho-ses, the little provincial town in second-century Roman Thessaly has succeed-ed in becoming a subject of the discourses of literary studies, religious historyand antiquarianism: in modern handbooks and even in the latest research lit-erature it is ranked as a centre of witchcraft and magic.

1 Erzählte Städte: zur Narratologie des urbanenRaums

Unter dem Titel In jeder großen Stadt steckt ein großer Roman lancierte derVerlag der Süddeutschen Zeitung im Jahr 2010 eine Buchreihe, deren Untertitellautet: Bibliothek der Metropolen. Zwanzig ausgewählte Romane aus den span-nendsten Städten der Welt. ImWerbetext wird einem eine „literarische Weltreisedurch die Metropolen der Nachkriegszeit“ versprochen. Die Auswahl umfasstdeutschsprachige und ins Deutsche übersetzte Erzählungen, in denen eine be-stimmte, im quantitativen und qualitativen Sinn ‚große‘ Stadt für die Drama-turgie der Handlung eine Bedeutung hat, sei es als Schauplatz von Erzähl-sequenzen, als identitätsstiftender Ort und Referenzpunkt sozialer Gruppen

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oder einzelner Akteure, die in den urbanen Strukturen und mit den dort anwe-senden Menschen interagieren. Dabei können historische Fakten und ethni-sche, sprachliche oder religiöse Merkmale einer Stadt oder ihrer Einwohnerdazu dienen, dass ein urbaner Raum in einer Erzählung stimmungs- oderhandlungsbestimmend wird.1

Das Potential, Schauplatz von „großen Romanen“ zu sein, haben sicher-lich – im statistischen Sinn – ‚große‘ Städte in höherem Maß als Klein- oderLandstädte, nicht zuletzt deshalb, weil sich in ihnen durch die Dichte der Bau-ten und damit der Menschen und Institutionen bessere Möglichkeiten der fikti-onalen Gestaltung von Räumen und menschlichen Interaktionen ergeben.Grundsätzlich aber lässt sich ein solches literarisches Potential allen von Men-schen bewohnten größeren Siedlungen zusprechen, die aufgrund ihrer räumli-chen Ausdehnung, Einwohnerzahl und politischen, kulturellen, wirtschaftli-chen und verkehrstechnischen Infrastruktur als Städte gelten können, in de-nen – im Gegensatz zum Dorf – eine Vielfalt von privaten und öffentlichenRäumen, sozialen Gruppen und Ethnien und Ereignissen von überregionalerRelevanz lokalisiert oder lokalisierbar ist und die eine Eigenlogik zu entwi-ckeln vermögen.2

Die Besonderheit eines erzählten urbanen Raums besteht darin, dass diesereinen in der Regel dynamischeren Schauplatz abgeben kann, als dies beispiels-weise in einem ländlichen oder unspezifischen Raum der Fall ist. Mit dem Na-men einer Stadt wird dem Raum zudem eine bestimmte kulturelle Identitätzugewiesen, die sich aus der geographischen Lage, der Topographie und derpolitischen und kulturellen Geschichte einer Stadt ergibt, unter Umständenauch aus der Zeitstellung, in der die Handlung angesetzt ist. Dabei bleibt auchein konkretes Stadtbild nicht statisch. Die Identität einer Stadt ist nicht dergebauten Struktur inhärent; vielmehr lässt sich eine Stadt auch als Wahrneh-mungsraum verstehen, der unterschiedliche mentale Bilder erzeugt,3 und er istin der Folge auch literarisch oder filmisch modellierbar.4 Eine Stadt kann im-

1 Die Reihe wurde gestartet mit dem Titel Cosmopolis von Don DeLillo (zuerst erschienen imJahr 2003); Schauplatz ist New York. Band 2 enthält Die dunkle Seite der Liebe des syrisch-deutschen Schriftstellers Rafik Shami (zuerst erschienen 2004), Schauplatz ist Damaskus. Esfolgen Titel zu Peking, Paris, Bombay, Berlin, Buenos Aires, Kairo usw. Die Originaltitel derRomane werden beibehalten, doch werden neben den Bandnummern die Städte genannt, diefür die Erzählung in irgendeiner Weise von Bedeutung sind.2 Der Begriff der Eigenlogik einer Stadt nach Löw (2008).3 Mit den Begriffen des ‚mentalen Raums‘, des ‚Stadtbildes‘ und der ‚Urban Semiotics‘ wirdseit Kevin Lynch in der Urbanistik gearbeitet; vgl. dazu Wagner (2008).4 Zur filmischen Inszenierung von Stadtraum vgl. Griem / Scholz (2010), bes. 21–23, sowie denBeitrag von Margrit Tröhler in diesem Band.

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mer wieder anders erzählt werden oder erhält sogar erst durch eine Erzählungneue Facetten ihrer Identität. Unser Wissen über bestimmte Städte ist oft vorallem oder sogar ausschließlich medial bestimmt, mithin ein Amalgam vonRealität und Fiktion. So existiert das alte Troia mit seinen Mauern, Türmenund Palästen in unserem kulturellen Gedächtnis wesentlich durch die in ihmagierenden Figuren des antiken Epos oder des modernen Films. Das vielleichtberühmteste Beispiel ist London, von dem der Architekt und Stadtforscher Ke-vin Lynch gesagt hat, dass Charles Dickens unsere Wahrnehmung dieser Stadtebenso stark geprägt habe wie ihre Erbauer.5 Für das Medium Literatur kannsomit gelten, dass Städte nicht nur beschrieben, sondern auch erschriebenwerden, oder anders gesagt: dass ein Stadt-Text immer auch eine Text-Stadtmodelliert.6

Wie ein solches literarisches ‚Cityscaping‘ in einem antiken Text funktio-niert, möchte ich am Beispiel von Apuleius’ Metamorphosen zeigen, an einemText also, der mit dem Motiv der Verwandlung eines Menschen in ein Tier dieGrenze von der realen zur nicht-realen und sogar bisweilen surreal wirkendenWelt klar überschreitet. Wie ich im Folgenden darlegen will, wird dabei derkonkrete, geographisch identifizierbare Raum einer griechischen Stadt genaudafür genutzt, um die Grenze von Realität und Fiktion und damit von soge-nanntem faktualen und fiktionalem Erzählen zu markieren, um sie allerdingsdann wiederum eliminieren – gleichsam durchstreichen – zu können.7

Grundlegend für meine Textanalyse sind die raumtheoretischen Konzeptevon Michel de Certeau, der von der „performativen Kraft“ der Erzählungspricht, die „macht, was sie sagt“ und damit Räume „schafft“, und AndreasMahler, der von einer „diskursiven Stadtkonzeption“ spricht, durch die „diejeweilige Stadt erst durch den Text hervorgebracht, hergestellt, produziertwird“. Des Weiteren beziehe ich mich auf die neueren Untersuchungen zurLiteraturgeographie, die nach Barbara Piatti „literarische Handlungsräume […]in ihrem Verhältnis zur außerliterarischen Wirklichkeit, zu ‚realen‘ Landschaf-ten und Städten“ und „die wechselseitige Erhellung von Text und Schauplatz,Literatur und Raum“ untersucht.8

5 Lynch (21984) 147 f.: „Dickens helped to create the London we experience as surely as itsactual builders did.“6 Nach Mahler (1999) 12: „dass Stadttexte im Grunde immer auch Textstädte modellieren“.7 Mit den Begriffen ‚real‘ bzw. ‚nicht-real‘, ‚fiktiv‘ und ‚fiktional‘ halte ich mich an die vonGertken / Köppe (2009) erarbeitete Semantik.8 Die Zitate bei de Certeau (1988) 228; Mahler (1999) 12; Piatti (2008) 23; vgl. Klotz (1969). Dietheoretischen Diskurse zum poetischen Raum und zu den Interferenzen zwischen Geographieund Literatur fasst Sasse (2010) zusammen. Für die Beschreibung und Analyse von erzähltemRaum vgl. allg. Dennerlein (2009); zur antiken Literatur im Besonderen vgl. die Beiträge inden beiden Sammelbänden von Paschalis / Frangoulidis (2002) und de Jong (2012). Der Begriff

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Ausgehend von der geographischen Spezifizierung des Raums – nicht nureines urbanen Raums im abstrakten Sinn, sondern eines durch ein Toponymidentifizierbaren Stadtraums – soll im Folgenden die Frage im Zentrum stehen,wie in Apuleius’ Metamorphosen die Eigenheiten einer bestimmten griechi-schen Polis, nämlich Hypatas in der römischen Provinz Thessalien,9 für dieErzählung genutzt werden. Vorausgesetzt wird dabei die oben begründete An-nahme, dass nicht in jeder Stadt per se, sondern in einem vom Lesepublikumidentifizierbaren Stadtraum „ein großer Roman“ „steckt“, sei es, dass dieserRoman für die Stadt neu geschrieben wird, oder sei es, dass die Erzählungen,die einer real existierenden Stadt in der literarischen Tradition bereits zuge-schrieben worden sind, mitgelesen werden sollen und in der Folge neu er-schrieben werden.10

In der Junktur „ein großer Roman“ mag der Begriff der ‚Größe‘ im werten-den Sinn problematisch sein. Der Text, um den es im Folgenden geht, Apulei-us’ Metamorphosen, kann aber durchaus als ‚Hochliteratur‘ gelten, als Romanallerdings im engeren Sinn des ‚antiken Romans‘.11 An ihm möchte ich zu zei-gen versuchen, wie in einer fiktionalen Erzählung mit dem Phänomen ‚Stadt‘ –im Sinn einer Entität von Bauten, Plätzen, Institutionen und in ihnen interagie-renden Menschen – gearbeitet wird, wie ein urbaner Raum im Text konstruiertund für die Komposition der Erzählstruktur und die Modellierung der Figurenfunktionalisiert wird und wie mit der Inszenierung einer städtischen Gesell-schaft explizit und implizit auch soziale, kulturelle und politische Konzeptediskutiert werden.

Apuleius’ Metamorphosen lassen sich der Textsorte ‚antiker Roman‘ zuwei-sen, der – nach Niklas Holzberg – definiert ist als „eine frei erfundene längereProsaerzählung, in der erotische Motive und eine Serie meist auf Reisen erleb-

der ‚erzählten Stadt‘ geht auf Volker Klotz zurück, der allerdings von der Vorstellung einerüberwiegend mimetischen Darstellung ausgeht.9 Die Stadt ist auch Schauplatz der ersten Episoden der Erzählung des griechischen RomansLukios e Onos, der in der Überlieferungsgeschichte unter anderem Lukian zugeschrieben wur-de. Zum sog. ‚Eselsroman‘ im Verhältnis zu Apul. met. vgl. die Zusammenfassung der Diskussi-on bei Harrison (2000/22008) 218 f.10 So auch Zimmerman (2005) 40: „Les grandes villes qui forment le décor des aventures deLucius sont en effet des villes existant ‚réellement‘ dans le monde de l’Empire romain de lapériode dans laquelle Apulée a composé son roman. Pourtant, on a pu constater plusieurs foisque la tradition littéraire était la source stéréotypée des grandes villes que le héros traverse.“Die Topographie der Metamorphosen war in jüngerer Zeit öfter Gegenstand von Untersuchun-gen, nicht zuletzt im Prolog; vgl. bes. Harrison (2002); Graverini (2002); Zimmerman (2002).Vgl. auch Fuhrer (2015) mit weiterer Literatur.11 Zum Begriff der ‚Größe‘ in diesem Zusammenhang vgl. Hose (2004) 14: „Das Adjektiv ‚groß‘kann durch die Rezeptionsgeschichte der Werke in ihrer jeweiligen Kultur erklärt werden.“

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ter Abenteuer […] das Geschehen beherrschen“.12 Die Lokalisierung des erstenTeils der Erzählung in einer ‚real existierenden‘ Stadt und ihrer geographi-schen Umgebung stellt von Beginn an die für den antiken Roman typischeVerbindung von außertextueller Realität und fiktivem Geschehen her. DieserGegensatz zwischen inner- und außerliterarischer Welt wird, so meine ich, inApuleius’ Metamorphosen auf eine exemplarische Weise herausgestellt: An derFigur des Ich-Erzählers und Protagonisten Lucius wird aufgezeigt wie ein Ortder ‚realen‘ Welt als Raum wahrgenommen, beschrieben und gelesen werdenkann, der Nichtreales, Erfundenes, auch Surreales enthält und diesem eine ei-gene Realität ermöglicht. Apuleius’ Metamorphosen inszenieren sich sozusa-gen selbst als paradigmatischen Fall eines fiktionalen Texts.13

2 Der Schauplatz von Apuleius, Metamorphosen1–3: Hypata in Thessalien

Schauplatz der Erzählung der ersten drei Bücher von Apuleius’ Metamorphosenist also ein spezifischer, geographisch verorteter Raum, in den der/die Leser/-in durch die Ich-Erzählung gleichsam Schritt für Schritt hineingeführt wird:Der Protagonist Lucius, ein gebildeter und stets wissbegieriger junger Mannaus Korinth, begegnet auf einer Geschäftsreise nach Thessalien einem Mannnamens Aristomenes und dessen Begleiter und lässt sich auf dem mühsamenWeg über das Gebirge von jenem die Geschichte von seinen Erlebnissen mitzwei Hexen in der Stadt Hypata erzählen (1,5–19). Aristomenes habe dort sei-nen Bekannten Sokrates getroffen, der berichtete, wie er in Larissa von derZauberin Meroe, die renitente Menschen in Tiere oder tierähnliche Wesen ver-wandelt, ausgeplündert wurde, worauf er vor ihr nach Hypata geflohen sei, woer Aristomenes getroffen habe. In der folgenden Nacht habe die Hexe die bei-den in ihrer Herberge in Hypata aufgesucht und auch ihn, Aristomenes, mitihren magischen Künsten malträtiert (1,7 und 17). Auf diese Weise erhält Luciuserste Informationen über diese Stadt, und in der Folge begibt er sich selbstdorthin. Er erlebt dort seine ersten ‚Abenteuer‘ (1,20,6–3,28,6), und die Stadtwird zum Ausgangspunkt für weitere – nun unfreiwillige – Reisen: Er wirddurch ein Missgeschick in einen Esel verwandelt (3,24) und anschließend von

12 Holzberg (32006) 39.13 Als Beispiele für „paradigmatische Fälle fiktionaler Texte“ nennen Gertken / Köppe (2009)230 die Harry-Potter-Romane und Shakespeares Hamlet. Einschlägig dazu ist Hodkinson(2015), mir jedoch noch nicht zugänglich.

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einer Räuberbande in die Berge verschleppt (3,28). An dieser Stelle – am Endevon Buch 3 – verlässt die Erzählung die Stadt Hypata, und bis Lucius in derGestalt des Esels seine Heimatstadt Korinth erreicht, wo er wieder zum Men-schen wird, bleibt die Topographie seiner Reise anonym.14

Hypáta, lat. Hýpata, das heutige Ipati oder Neopatra, jetzt ein Dorf mit 700Einwohnern, liegt auf einer durch Schluchten abgetrennten Terrasse über demSpercheiostal am Nordhang des Oetagebirges.15 Zur Zeit des mutmaßlichen Ab-fassungsdatums der Metamorphosen, im zweiten nachchristlichen Jahrhun-dert, ist Hypata der Hauptort des griechischen Stamms der Ainianes und gehörtseit 30 v. Chr. zum römischen Thessalien.16 Hypata wird im Text öfter als thes-salische Stadt bezeichnet; dieses Jahr kann somit als terminus post quem fürdas dramatische Datum der Erzählhandlung gelten. Durch die genealogischeVerbindung der Hauptfigur, des Lucius von Korinth, mit den beiden Philoso-phen Plutarch und dessen Neffen Sextus wird die Erzählung aber ohnehindeutlich ins zweite Jahrhundert datiert (1,2,1).17

Thessalien gilt bekanntlich als Land der Zauberei und der Hexen,18 weswe-gen Hypata dem auf Abenteuer erpichten Romanhelden Lucius interessant er-scheint. Die Stadt liegt allerdings nach 30 v. Chr. nur noch am südlichen RandThessaliens, sie wird aber gleich zu Beginn der Erzählung – von der erzähltenFigur Aristomenes zur Information für Lucius – als civitas bezeichnet, die überganz Thessalien „hinausrage“ (1,5,4: quae civitas cunctae Thessaliae antepol-let). Im RE-Artikel „Hypata“ wird mit Verweis auf diese Stelle gesagt, dass Hy-pata „in der Kaiserzeit die erste Stadt Thessaliens“ „wurde“, was der Autor desNeuen Pauly übernimmt: „Im 2. Jh. scheint H. die bedeutendste thessal. Stadtgewesen zu sein“.19 Ausgehend von den Informationen, die Apuleius seinen

14 Im Gegensatz zu der Erzählung des pseudolukianischen Onos; das Itinerarium des Onoszeichnet van Thiel (1971) 159 nach. Zur geographischen Unbestimmtheit des weiteren Reise-wegs des Lucius bei Apuleius vgl. Zimmerman (2005) 34 und König (2013), bes. 225.15 Zur Topographie der Stadt vgl. die Einträge in den Reallexika von Stählin (1914) 236 f.,Kramolisch (1998) und Lauffer (21999) 713 f.16 Vgl. Kramolisch (1998) 799: „Der nachmalige Augustus vereinte den Stamm um 30 v. Chr.mit Thessalia.“17 Zur Funktion dieser prosopographischen Referenz und zur vieldiskutierten Frage, inwie-fern sich der Ich-Erzähler mit dem empirischen Autor identifizieren lässt, vgl. Fuhrer (2015)mit der neueren Literatur zum Thema.18 Vgl. Bowersock (1965) 278 f.; Keulen (2007) 92.19 Die Zitate bei Stählin (1914) 239 und Kramolisch (1998) 799; vgl. Lauffer (21999) 714. Vgl.auch Stählin a. O.: „Unter Hadrian scheint die Stadt besonders geblüht zu haben“, wofür aberaußer Inschriften, die Freilassungen bezeugen, und ein Verweis auf eine Schlichtung desGrenzstreits mit Lamia keine Zeugnisse aufgeführt werden. Verwiesen wird neben Apul. met.1,5,4 auch auf Heliodor, Aethiopika 2,34: „[Der Ort Hypata] hat seinen Namen davon, dass er

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fiktiven Figuren in den Mund legt, und den daraus gezogenen Rückschlüssenauf die historische Wirklichkeit, die in den Lexika festgeschrieben sind, ma-chen auch einige Apuleiusforscher Hypata zu einer „geschäftigen großenStadt“ und zu einem politischen Zentrum im römischen Thessalien.20 Der vonder Romanfigur Aristomenes verwendete Ausdruck antepollet lässt sich aberauch als Umschreibung des Superlativs hypatos im Toponym verstehen: Hypa-ta liegt „auf höchster Höhe“, nämlich im Oetagebirge.21 Denn der politisch,ökonomisch und kulturell wichtigere Ort, die Hauptstadt Thessaliens, ist Laris-sa.22 Aufschlussreich ist in dem Zusammenhang, dass Aristomenes, der mitseiner Aussage Hypata in der modernen Forschungsliteratur zur „ersten“ und„bedeutendsten thessalischen Stadt“ werden lässt, im Text selbst von seinemBegleiter wiederholt als „Lügner“ bezeichnet wird (1,2,5 und 1,3,1). Die Erzäh-lung enthält damit klare Fiktionssignale, die die Historiker und Interpreten ei-gentlich davor bewahren sollten, den Text als Quelle für antiquarische Infor-mationen zu lesen.23

Ohne Bedenken schreibt der Autor des RE-Artikels auch, dass der StadtHypata „besonders der Ruf der thessalischen Zauberei“ anhaftete.24 Auch indieser Hinsicht läuft aber Larissa, das Apuleius zum Schauplatz zweier Hexen-

unter ihren Städten den ersten Platz einnimmt und über sie herrscht, andere meinen, er heißeso, weil er unter dem Öta liege“ (Übers. Horst Gasse, Leipzig 1957).20 Vgl. Bowersock (1965) 279: „Neben diesem fabelhaften Ereignis [d. h. die Verwandlung desLucius zum Esel] beweist der Reichtum des Milo […] und der Reichtum der Byrrhena […], undauch andere materielle Details, die man in dem ausführlichen Bericht des Apuleius in größe-rem Ausmaß findet, dass Hypata eine geschäftige und große Stadt war“; Zimmerman (2005)29 (mit Verweis auf Kramolisch 1998): „Lucius s’arrête parfois dans d’autres grandes villes del’Empire [neben Rom, Anm. T. F.], comme Hypata et Corinthe“ und ibid. 31: „La ville avaittoujours joué un rôle politique important […] sa grandeur n’avait pas cessé de croître“; aufbeide bezugnehmend Keulen (2007) 154. Richtig dagegen Harrison (2002) 41 f., bes. Anm. 11:„Hypata has a big name, but a small reality.“ Vgl. auch die Bemerkung in Anm. 56 unten.21 Die Doppeldeutigkeit des Namens wird bereits von Heliodor thematisiert (s. o. Anm. 19).22 Dazu Bowersock (1965) 279. Die thessalische Hauptstadt ist also nicht Hypata, wie Slater(2008) 240 meint, der jedoch die Pointe gut trifft: „To be the capital of Thessaly is rather likebeing the Paris of Kazakhstan: Hypata is simply the biggest place in the boondocks.“23 Zu den Fiktionssignalen in Aristomenes’ Erzählung und in weiteren Passagen vgl. Hof-mann (1997) 158. Einem klassischen Zirkelschluss erliegt Zimmerman (2005) 31, die auf denArtikel des DNP verweist und daraus schließt, dass Aristomenes in genau dem Punkt ebennicht lügt („il ne ment pas du tout en la désignant comme ‚la ville la plus importante deThessalie‘“).24 Stählin (1914) 239, mit Verweis auf Ps.-Lukian, Onos 1. Zu Beginn von Apul. met. wird Thes-salien nicht als Land der Magie bezeichnet, sondern allein als Ziel von Lucius’ Geschäftsreise(1,2,1: Thessaliam ex negotio petebam).

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geschichten macht, Hypata den Rang ab.25 Durch Aristomenes’ Erzählung undmit der Vorstellung, dass Hypata eine herausragende Stadt in Thessalien undein Zentrum der Hexen und der Zauberkunst sei, wird jedoch die eigentlicheRomanhandlung erst motiviert.26 So machen die Akteure und ihreWahrnehmung, Erzählungen und Handlungen Hypata zu einem – auch imübertragenen Sinn – ‚magischen Ort‘, und die Stadt hat dieses Etikett im Urteilder modernen Forschung beibehalten.

3 Hypata, die magische Stadt – ein literarisches‚Cityscaping‘

In der Geschichte der erzählten Figur Aristomenes wird Hypata somit bereitsals Ort konnotiert, in dem der wissbegierige und abenteuerlustige ProtagonistLucius auf seine Rechnung kommen kann.27 Die Stadt wird im Folgenden rich-tiggehend in Szene gesetzt: Mit Aristomenes’ letzten Worten hat die Reisegrup-pe den Punkt erreicht, wo eine Stadt sichtbar wird, und Lucius bedankt sichfür die Unterhaltung; er sei gewissermaßen „mit seinen Ohren“ über das Gebir-ge „bis vor die Tore der Stadt da“ gereist (1,20,5: me usque ad istam portam […]meis auribus pervecto). Dann biegen Aristomenes und sein Begleiter auf demWeg nach links ab, ohne ihm den Namen der vor ihnen liegenden Stadt zunennen, so dass sich Lucius in einem Gasthof bei der Wirtin erkundigt, ob essich dabei um Hypata handle (1,21,2: estne […] Hypata haec civitas?). Damitsind der Wegweiser und die Ortsanzeigetafel dem Text gleichsam eingeschrie-ben. Von der Wirtin erfährt Lucius auch, dass das Haus seines GastfreundesMilo, bei dem er sich einzuquartieren gedenkt, das erste Haus vor der Stadt sei(1,21,3: extra pomerium et urbem totam).28 Die Lage des Hauses wird weiterbeschrieben: Die Wirtin lenkt Lucius’ und damit unseren ‚Blick‘ auf die Fens-

25 In Larissa werden Meroes Verwandlungen von Menschen in Tiere (1,7–10) und ThelyphronsVerstümmelung (2,21–30) lokalisiert. Die prominenteste thessalische ‚Hexenstadt‘ ist wohlPharsalos, wo Lucans Bellum civile die Erictho-Szene ansiedelt.26 In Onos 4 wird nicht begründet, warum Lukios hofft, in Hypata Zauberinnen anzutreffen.27 Der Ich-Erzähler bezeichnet sich zu Beginn der Erzählhandlung im auktorialen Kommentarals sititor alioquin veritatis und in der darauffolgenden Anrede an die beiden Reisenden alsnon quidem curiosum, sed qui velim scire vel cuncta vel plurima (1,2,6).28 Dies erinnert an die von Aristomenes referierte Erzählung des Sokrates, dass Meroe dasHaus des Anstifters der gegen sie gerichteten Aktionen in Larissa in eine andere Stadt versetztund sein Haus vor die Tore der Stadt geworfen habe (1,10,5 f.: in aliam civitatem […] transtulit[…] ante portam proiecta domo discessit).

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ter, die zur Stadt hin gerichtet sind, sowie auf die Türe an der Straße auf dergegenüberliegenden Seite (1,21,4: videsne […] extremas fenestras, quae urbemprospiciunt, et altrinsecus fores proximum respicientes angiportum?).29 Von derWirtin hören wir mit dem erzählten Ich Lucius auch, dass der Gastfreund Milo,den ihm ein Bekannter in Korinth empfohlen hat, ein Wucherer und Geizhalssei,30 der seinen immensen Reichtum aber verheimliche, dass seine Frau seine„Leidensgefährtin“ (comes calamitatis) sei und dass er sich nur eine einzigeMagd, die später als Photis identifiziert wird, leiste (1,21,5–7). Die Szenerie, inder sich die folgende Erzählung abspielt, ist damit in Umrissen beschrieben,die Stadt wird mehrfach aus der Außenperspektive gesehen und mit Informati-onen konnotiert, sie wird von Beginn an mit Geschichten gefüllt und mit füreine Erzählhandlung geeignetem Personal und entsprechenden Lokalitätenund Requisiten ausgestattet.31

Mit dem Hinweis auf Milos avaritia wird auch verständlich gemacht, dassLucius nach der Ankunft in dessen Haus dem ihm offerierten spärlichenAbendmahl entrinnen will, und so geht er in die Stadt, um sich in den öffentli-chen Bädern zu erfrischen und sich zuvor auf dem forum cuppedinis – dem„Viktualienmarkt“32 – etwas zu essen zu kaufen, und das gelingt ihm: Er kauftsich eine Portion Fisch (1,24,3 f.). Auf dem Markt trifft Lucius seinen ehemali-gen Studienkollegen aus Athen, Pythias, der jetzt in Hypata Aedil ist, wie erstolz verkündet, also Beamter bei der städtischen Finanzverwaltung und Poli-zei (1,24,5–8). Dieser will ihm auch gleich seine Amtsautorität unter Beweisstellen, indem er den Fischhändler, bei dem Lucius seine Mahlzeit erstandenhat, wegen des angeblichen Wucherpreises damit bestraft, dass er seinen Ge-hilfen Lucius’ Fische zertrampeln lässt (1,24,9–1,25,5).33 Der Betrogene ist na-türlich Lucius, der dann hungrig ins Haus des knausrigen Milo zurückkehrt(1,25,6: et nummis simul privatus et cena). Obendrein muss er dem Gastgeberalle Einzelheiten seiner Reise von Korinth nach Hypata erzählen, bis er vor

29 Damit ist die Szenerie gezeichnet, in der der ‚second reader‘ auch bereits Pamphile als Uhuaus dem Fenster zu ihren Liebhabern fliegen, Lucius auf die zum Haus eilenden Ziegenfellsä-cke einschlagen und die Räuber ins Haus eindringen und den Esel beladen sieht.30 Zu den Schlüssen, die die Historiker von Milos Reichtum auf den Wohlstand der StadtHypata ziehen, vgl. oben Anm. 20.31 Zur apuleischen „Konnotationssemantik“ in den met. vgl. Hofmann (1997), bes. 163–169;Fuhrer (2015).32 So die Übersetzung von Brandt (1958) 37.33 Zu der Episode und ihren möglichen magischen Konnotationen vgl. Keulen (2007) 444 und448.

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Müdigkeit umfällt (1,26). Mit dieser Karikatur der Philoxenia, die jeder Großzü-gigkeit und Weltläufigkeit entbehrt, endet das erste Buch.34

Die Stadt wird damit zum Schauplatz einer Satire, in der neben dem naivencuriosus Lucius auch ein avarus (Milo) und ein gloriosus (der Prahlhans Pythi-as) auftreten. Das ist alles ziemlich bieder: Die Figuren sind per se nicht beson-ders originell, sie wirken wie Typen aus der römischen Satire oder der Komö-die;35 sie werden zudem als Bekannte des Lucius – im Fall Milos als Bekanntereines Bekannten – eingeführt, sollen also vertraut, nicht exotisch wirken undrepräsentieren damit gerade nicht das, was Lucius sucht: Der neugierige undabenteuerhungrige junge Mann kommt in ein gewöhnliches Provinznest amRande Thessaliens.36

Von seiner Idee, nun mitten im ‚Wunderland‘ Thessalien zu sein, könnenihn aber diese ersten Eindrücke – der Kleingeist des Milo und die Aufgeblasen-heit des Pythias – nicht abbringen. Das zweite Buch beginnt mit dem folgen-den „neuen Tag“ (2,1,1: sol novus): Der ‚Held‘ erwacht und ist gespannt auf dierara miraque, die ihn, wie er meint, „mitten in Thessalien“ erwarten,37 das fürseine „Zaubergesänge“ weltberühmt sei, in eben der Stadt, wo Aristomenes’Hexengeschichte ihren Ausgang genommen hat:38

Reputansque me media Thessaliae loca tenere, quo artis magicae nativa cantamina totiusorbis consono ore celebrentur, fabulamque illam optimi comitis Aristomenis de situ civitatishuius exortam, suspensus alioquin et voto simul et studio, curiose singula considerabam.

(2,1,2)

So besann ich mich, dass ich mitten in Thessalien war, wo die Gesänge der Zauberkunstheimisch sind, die in aller Welt einhellig bewundert werden, und dass auch die Geschich-te meines trefflichen Kameraden Aristomenes von der Lage dieser Stadt ihren Ausganggenommen hatte. Ohnehin voll hochgespannter Wünsche ebenso wie voller Wissens-drang, nahm ich neugierig eins nach dem anderen in Augenschein.

34 Diesen Aspekt stellen van Thiel (1971) 67 und Frangoulidis (2008) 17 f. und 21–29 heraus;Vander Poppen (2008) 160–169 weist darauf hin, dass Lucius seinerseits die Regeln der Gast-freundschaft, die auch für den Gast gelten, nicht einhält, indem er sich der Einladung zumEssen entzieht.35 Zur satirischen Kommentierung, die Apuleius’ Text gegenüber dem Onos auszeichnet unddie man auch als „Apuleianitas“ bezeichnet hat, vgl. Mason (1994) 1667 und 1700. Von Satirespricht Harrison (2000/22008) 238–252 in Bezug auf Buch 11; vgl. auch Greene (2008), die Pa-rallelen zwischen met. und Juvenal herausstellt. Die Parallelen zur Komödie zeigt May (2006)161–166 auf; vgl. auch Kirichenko (2010) 12 f.36 Der Begriff provincia fällt mehrmals, so z. B. in 2,19,6; vgl. 1,6,2. Nach Bowersock (1965)282–288 ist Hypata seit 67 n. Chr. der Provinz Mazedonien zugeordnet (nicht mehr Achaia).37 „Mitten in Thessalien“ liegt vielmehr Larissa, s. o. S. 93 mit Anm. 22.38 Die Übersetzungen hier und im Folgenden sind – mit wenigen Änderungen – aus Brandt(1958) übernommen.

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Es folgt die Beschreibung eines Stadtrundgangs, jedoch ohne Bezug auf kon-krete Lokalitäten (2,1,3–5): Lucius will glauben (2,1,2: et voto simul et studio),dass das, was er in dieser Stadt sieht, etwas anderes sei, als es „wirklich war“(2,1,3):39

Nec fuit in illa civitate quod aspiciens id esse crederem quod esset, sed omnia prorsus feralimurmure in aliam effigiem translata.

Wirklich gab es nichts in der Stadt, dessen Anblick mich hätte glauben machen können,es wäre das, was es war: einfach alles schien mir durch Hexengezischel in andere Formverwandelt.

In seiner Wahrnehmung ist alles Produkt von durch „Hexengezischel“ (feralimurmure) herbeigeführten Metamorphosen (in aliam effigiem translata):40 DieKiesel, an die sein Fuß stößt, sind versteinerte Menschen, die Flügel sind denaus Menschen verwandelten Vögeln gerade gewachsen, ebenso sind die Blätterden Bäumen gerade erst entsprossen, und ebenso ist das Brunnenwasser Men-schenleibern entsprungen (2,1,4); Lucius erwartet, dass Statuen und Bilder an-fangen, sich zu bewegen, dass Mauern zu sprechen, Vieh zu weissagen undHimmel und Sonne zu orakeln beginnen (2,1,5). Er liest die Welt, als ob sieentweder bereits das Resultat von Verwandlungen oder sich zu verwandeln imBegriffe sei, und dadurch erscheint ihm die Stadt als lebendiges, sprechendesund auch wissendes Wesen. Er ist völlig „durcheinander“41 (ibid.: attonitusund stupidus), und so ist es vielmehr er selbst, der ‚verzaubert‘ ist, nämlichvon seinen eigenen Erwartungen und Wünschen (2,2,1: cruciabile desiderium).Und auch nachdem er keine Anhaltspunkte und Spuren magischer Künste fin-det, setzt er seinen Rundgang trotzdem weiter fort (ibid.: cuncta circumibamtamen […] ostiatim singula pererro). Lucius wirkt wie ein kleiner Don Quichottein der thessalischen ‚Mancha‘, der Ovids Metamorphosen gelesen hat und nunFiktion und Wirklichkeit nicht mehr unterscheiden kann und will.42

Der frühmorgendliche Rundgang durch die Phantasiewelt wird dann aufdem „Viktualienmarkt“ durch die Begegnung mit der mondänen und herausge-

39 Zu der Stelle vgl. Slater (2008) 240–243, bes. 242: „[…] it is utterly impossible to draw apicture of the actual city of Hypata from these words […]. His text is a remarkably visual de-scription of not seeing. […] Lucius describes a city populated with everything but citizens.“40 Also im negativen Sinn, d. h. von bösen Hexen in einen nicht gewollten Zustand versetzt,zur Strafe oder aus Rache. Zur Unterscheidung zwischen negativer und positiver Magie – letz-tere kann am Ende der Erzählung nur Isis bieten – vgl. Frangoulidis (2008) 6–8 u. ö.41 So Brandt (1958) 43.42 Vgl. dazu Vial (2006), bes. 126: „[…] il est possible de voir en ‚Lucius‘ non seulement unefiguration du lecteur des Métamorphoses d’Ovide, […] mais une métaphore de la métamorpho-se elle-même.“

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putzten Byrrhena gestoppt, die in ihm seine Mutter Salvia erkennt, derenMilchschwester sie war (2,2,3–9). Statt einer Zauberin trifft er also eine Art Tan-te, in Begleitung eines älteren Herrn, ebenfalls eines Bekannten des Lucius,der ihn – wie einen kleinen Jungen – auffordert, seiner ‚Tante‘ doch GutenTag zu sagen.43 Byrrhena macht ihn nun aber erst recht zu einer ‚Alice imWunderland‘, als sie ihn in ihr Stadtpalais einlädt. Denn dort wird Lucius zu-erst durch eine im Atrium aufgestellte, überdimensioniert wirkende Statuen-gruppe, die Aktäons Verwandlung in einen Hirsch darstellt, weiter in seinemMagie- und Metamorphosenwahn bestärkt (2,4,1–2,5,2), danach auch nochdurch Byrrhenas Warnung vor Milos Frau Pamphile: Diese sei eine Hexe, diees auf junge Männer wie ihn abgesehen habe und sie in Tiere verwandle (2,5,3–8).44 Das klingt allerdings eher nach Gerede und Eifersüchteleien zweier Da-men in der Kleinstadt, von denen die eine mit einem Geizhals verheiratet, dieandere vermögend, aber ‚nur‘ mit einem ältlichen Hausfreund liiert zu seinscheint (2,3)45 und die zusehen muss, wie jene sich, wie wir später erfahren,mit einem jungen Böotier schadlos hält46 und daher gar nicht an Lucius inte-ressiert ist.

Das thessalische Wunderland wird nun weiter entzaubert: An einem Gast-mahl im Haus der ‚Tante‘, an dem die „Elite der Stadt“ (2,19,1: flos ipse civitatis)zugegen ist, hält Byrrhena eine kleine Lobrede auf Hypata, die sich wie einWerbetext der lokalen Fremdenverkehrsagentur anhört:47

(5) Quod sciam, templis et lavacris et ceteris operibus longe cunctas civitates antecellimus,utensilium praeterea pollemus adfatim. (6) Certe libertas otioso, et negotioso quidem adve-

43 2,2,6: ‚Quin‘ inquit ‚etiam ipsam parentem tuam accedis et salutas?‘ („Na, sagte er, gehst dunicht auch zu deiner Tante und sagst Guten Tag?“; Übers. Brandt 1958, 45).44 Meist wird die Atrium-Szene wegen Byrrhenas entsprechender Warnung in 2,5,1 f. als Be-weis für Lucius’ Begriffsstutzigkeit gelesen (vgl. die Literaturverweise bei van Mal-Maeder2001, 91 f. und Frangoulidis 2008, 24–27), was die hier vorgebrachte Deutung nicht aus-schließt, die sich auf die erzählte Reaktion des Lucius stützt (2,5,1). Dass Byrrhenas Mahnun-gen Lucius’ Neugier vielmehr verstärken, zeigt sich jedenfalls in 2,6,1 f.: at ego curiosus alio-quin, ut primum artis magicae semper optatum nomen audivi, tantum a cautelae Pamphiles afuiut etiam ultro gestirem […] me volens […] praecipitare („Aber ich war ohnehin auf Neues ausund, kaum dass ich das immer verlockende Wort Zauberei gehört hatte, weit entfernt, vorPamphile auf der Hut zu sein; vielmehr machte ich Miene, […] mit vollem Bewusstsein […] inden Abgrund zu springen“; Übers. Brandt 1958, 49).45 Mit dem senex, der Lucius bei der Begegnung auf dem Forum als erster erkennt (2,2,5 f.).Als „alten Diener“ bezeichnet ihn van Thiel (1971) 67; auf die Möglichkeit einer erotischenBeziehung mit Byrrhena weist van Mal-Maeder (2001) 68 f. hin.46 Die Information gibt Photis in 3,16,1.47 Nach Lauffer (21999) 714 war das antike Hypata „bekannt als Kurort durch die 5 km nördl.gelegenen heißen Schwefelquellen (heute Lutra Ypatis)“.

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nae Romana frequentia, modesto vero hospiti quies villatica. Omni denique provinciae vo-luptarii seccessus. (2,19,5 f.)

Soviel ich weiß, laufen wir mit Tempeln und Bädern und sonstigen Bauten allen Städtenden Rang ab, sind auch mit Komfort reichlich versehen. Mit Sicherheit gibt es hier Frei-zeitangebote für den, der Muße hat, für den geschäftigen Gast Trubel wie in Rom, für denanspruchslosen Gast aber ländliche Stille. Für die ganze Provinz sind wir also ein idealesReiseziel.48

Die Bürgerin der Stadt Hypata entwirft das Bild eines – geradezu modern an-mutenden – Kurortes, der ‚Perle‘ der Region, mit allem Komfort (utensilia), mitAngeboten für Freizeit und Sport (libertas otioso), dem Betrieb einer Großstadtwie Rom (!) und gleichzeitig Landluft und Ruhe. Die Stadt ist damit ein „idealesReiseziel“ für die Bürger der Provinz (provinciae voluptarii seccessus). Das typi-sierte und idealisierte Stadtbild ist in seiner Konstruiertheit durchaus ver-gleichbar mit der von Lucius vorgestellten ‚Fantasia-Landschaft‘.

Lucius muss der ‚Tante‘ natürlich zustimmen, denn bisher war sein Aufent-halt in Hypata anlässlich seiner ‚Geschäftsreise‘ (vgl. 1,2,1) ja tatsächlich ehererholsam verlaufen – unter anderem in den Armen von Milos Magd Photis.49Als ob er Byrrhena darauf hinweisen wollte, dass die Gegend doch auch alsLand der Hexen und Zombies vermarktet werden könnte, artikuliert er seine –fingierten – Ängste vor versteckten Winkeln und dem Bann der Zauberkunstund verweist auf die Gerüchte von geschändeten Friedhöfen, gefledderten Lei-chen und alten Weibern, die in Hypata die Leichenzüge umschwirren (2,20,1–3). Er erreicht damit aber nur, dass man einen an Nase und Ohren verstümmel-ten, also hässlichen Gast namens Thelyphron von Milet eine Gespensterge-schichte aus Larissa erzählen lässt, die alle außer Lucius bereits mehrmals ge-hört haben (2,20,4–2,31,1). Weder der Herkunftsort des Erzählers noch derSchauplatz der Erzählung sind in Hypata lokalisiert, und das bestätigt die Ein-drücke des bisher Erlebten: Hypata scheint nicht das zu sein, was Aristomenes’Geschichte von der Hexe Meroe und Byrrhenas Warnung vor Pamphile Luciuserwarten ließen.

Doch als Bürger von Hypata weiß man, dass man dem Gast aus Korinthmehr bieten muss als abgestandene Gespenstergeschichten: Byrrhena lädt Lu-cius zum jährlichen Stadtfest zu Ehren des Gottes Risus, des Lachgottes, ein,das am nächsten Tag stattfinden soll. Lucius erhält von ihr die Aufgabe, sich

48 Die Übersetzung von Brandt (1958) ist abgeändert gemäß dem Text von Zimmerman (2012),die mit Beroaldus libertas otioso liest (otiosa F).49 Die Aussage in seiner Antwort an Byrrhena, dass er sich nirgendwo so „frei“ gefühlt habe –womit er Byrrhenas Lob der libertas aufnimmt –, ist also doppeldeutig (2,20,1: nec usquamgentium magis me liberum quam hic fuisse); so van Mal-Maeder (2001) 295.

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etwas Besonderes – sozusagen einen Aprilscherz oder Faschingsstreich – aus-zudenken (2,31,2 f.), und gibt explizit die Zusage, dem entsprechen und einen„Stoff“ finden zu wollen, mit dem „der Gott sich ausgiebig kleiden“ könne.50Die Fortsetzung ist bekannt: Auf dem Nachhauseweg ‚erschlägt‘ Lucius imRausch drei Weinschläuche aus Ziegenleder, die er für Räuber hält (2,32), undwird am nächsten Tag am Risusfest wegen dreifachen Mordes und Gefährdungdes örtlichen Friedens verhaftet und von den städtischen Magistraten als Ge-fangener durch die Stadt geführt (3,2,1–5). Weil das Forum für das zuschauen-de Publikum zu klein ist, wird die Gerichtsverhandlung im Theater inszeniert,mit Rede und Gegenrede von Kläger und Beklagtem, mit dem Auftritt der trau-ernden und wehklagenden Mutter der Ermordeten, der Androhung von Folter,der Suche nach Lucius’ Komplizen und schließlich der Enthüllung der ‚Lei-chen‘ (3,2,6–3,9,7). Lucius merkt bis zuletzt nicht, dass der Schauprozess deram Vorabend gemachten Ansage Byrrhenas entspricht, dass er ihr daraufhin,ohne zu überlegen, einen ‚Aprilscherz‘ versprochen hatte und dass man vonihm diesen Theatercoup hatte erwarten können. Da die Erzählung strikt internfokalisiert und autodiegetisch ist, realisiert auch der/die Leser/in erst später,dass Lucius die Situation anders hätte deuten können und sollen.51 Die Bürgervon Hypata amüsieren sich jedenfalls bestens und sind von ihrem Gast begeis-tert: Er hat als ‚Aprilnarr‘, als auctor und actor, den Vorgaben des Spiels sogut entsprochen, dass ihn der Stadtrat im Namen der civitas zum Stadtpatronernennen und ihm eine bronzene Ehrenstatue aufstellen will (3,11,1–5).

Lucius lehnt ab und schickt die Beamten mit einer geschraubten Anredean die splendidissima et unica Thessaliae civitas wieder weg (3,11,6–3,12,1). Erschämt sich, schleicht nur noch durch einsame Gassen und weicht allen Bli-cken aus (3,10–12). Denn er meint immer noch, dass er die drei Ziegenfell-schläuche falsch gedeutet habe, dass er in ihnen – wie in den Steinen, Vögelnund Blättern bei seinem morgendlichen Rundgang durch die Stadt – fälschli-cherweise Menschen gesehen habe. Für ihn war das Tribunal im Theater keinSpiel, sondern eine Blamage (3,10,4 f.), durch die er aus dem erträumten Wun-derland zurückgeholt wurde. Die Episode macht noch einmal deutlich, dass erdie Stadt nicht verstanden hat, dass er sie von Anfang an falsch gelesen undetwas in ihr gesucht hat, was sie nicht bieten kann.

50 2,31,3: ‚Bene,‘ inquam, ‚et fiet ut iubes. Et vellem hercules materiam repperire aliquam quamdeus tantus affluenter indueret.‘51 Dass Lucius mit dem in 2,31,3 gegebenen sehr expliziten Versprechen (Zitat in der vorange-henden Anm.) die Einwohner Hypatas, mithin die Organisatoren des Risusfestes, davon ausge-hen lässt, dass er über die Situation informiert sei, und dass diese meinen, er wüsste, dass essich bloß um einen Schauprozess handelt, wird in der Forschung kaum gesehen (Ansätze beivan Thiel 1971, 93; van Mal-Maeder 2001, 400). S. auch unten Anm. 52.

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4 Hypata: biederes Provinznest oder magischerOrt?

Bis dahin war die Stadt also Schauplatz eines Romans, in dem sich für denRomanhelden – ähnlich wie für Charles Dickens’ Romanfigur Pip – die „GreatExpectations“ nicht erfüllt hatten, weil es eben falsche Erwartungen waren.Hypata ist nicht Larissa, es gehört zum ‚modernen‘, aber nicht zum alten Thes-salien. Lucius’ Gastgeber sind ein unhöflicher Geizhals und seine nymphoma-nische Frau; die Munizipialverwaltung wird repräsentiert durch einen aufge-blasenen Schulfreund, das städtische Bürgertum von einer mondän sein wol-lenden Tante und einer auf Kosten eines Krüppels sich vergnügendenAbendgesellschaft. Das, was die Stadt an kulturellen Veranstaltungen zu bie-ten hat, sind nicht magicae artes, sondern – neben dem wilden Sex mit derMagd des Gastgebers – eine Art Fasching, bei dem der Protagonist Lucius imTheater als ‚Aprilnarr‘ und als virtuoser Schauredner unfreiwillig einen Ehren-status erlangt.52 Die Bewohner der Stadt konstruieren sich zwar durchaus auchihre eigene Phantasiewelt, doch erscheinen das Imponiergehabe des Polizeibe-amten Pythias, Byrrhenas Postkartenidylle und die Hexengeschichten des thes-salischen ‚Falstaff‘ bei der Dinnerparty sowie die Eifersüchteleien zweier Da-men in reiferem Alter zunächst eben recht bieder und brav.

Das literarische Porträt der Stadt ist das einer Polis (lat. civitas), wie sie imvon Rom verwalteten Griechenland für das zweite Jahrhundert typisch ist, miteiner funktionierenden romanisierten Stadtverwaltung, ohne Krisen, die denFrieden und die Befreiung von existentiellen Ängsten – man denke an Byrrhe-nas Lob der libertas – mit einer gewissen Verflachung der Kultur bezahlt hat.53Hypata ist eine ‚nette‘ Kleinstadt in der Provinz, mit den üblichen ‚Normalbür-gern‘ und auch ein paar schrulligen Einwohnern, teils gut situiert, mit stattli-

52 Die Begriffe „Karneval“ und „Aprilnarr“ nach van Thiel (1971) 94 f., der auch an die römi-schen Hilarien erinnert. In der Regel denkt man an einen Mimus als Vorlage. Dazu Kirichenko(2010) 36–38; May (2006) 182–207. Wie van Mal-Maeder (2003) 352 plausibel macht, entsprichtdie Art von Unterhaltung auch dem, was die für die Zweite Sophistik typischen Schaurednerdem Publikum bieten.53 Der historische und soziokulturelle Kontext der Metamorphosen ist in neuerer Zeit vermehrtGegenstand der Forschungsinteressen geworden; vgl. bes. Millar (1981/21999); Graverini(2002); Barchiesi (2010); Bradley (2012), bes. 93 f., 222 f. und 227: „Lucius stands therefore as afictional representative of a historical development, and the presumption must be strong thatthe shift from active to passive so evident in his story was an experience widely shared inRoman imperial society of the Antonine age.“

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chen Häusern und aufwändigen Statuen im Entrée,54 den üblichen Einladun-gen zum Diner, bei dem man sich skurrile Geschichten anhört, und wenn einneuer Gast, der die Geschichte noch nicht kennt, in die Runde kommt, gerneauch in der Wiederholung.55 Die städtischen Magistrate sprechen die in kaiser-zeitlichen Poleis üblichen Ehrungen aus, aber tun dies weder für politischeVerdienste und Leistungen noch für eine ‚Euergesie‘, die das materielle Wohlder Bürger fördert, sondern für einen besonders gelungenen ‚Gag‘ an ihremjährlichen Festival; dieses ist zwar Teil einer religiösen Kultzeremonie, die aberdem Spaßgott gilt. Damit wird fast überdeutlich gemacht, dass diese griechi-sche Polis des zweiten Jahrhunderts unter römischer Provinzverwaltung mitkeinen ernsthaften Sorgen mehr zu kämpfen hat. Allerdings bleibt auch dieserealistisch wirkende Polis trotz aller Referentialität eine Text-Stadt:56 DasStadtporträt, in das der Protagonist Lucius seine Phantasiewelt hineinproji-ziert, hat nämlich eine bestimmte Funktion im ganzen Narrativ zu erfüllen.

Bis dahin ist dies nur erst eine hübsche Erzählung, allenfalls eine witzigeGesellschaftssatire. Dann aber wird der abenteuerlustige, auf Magie und Zau-ber versessene, auch etwas verträumte, aber immer anständige junge MannLucius nun doch wie Alice ins Wunderland geführt (3,13,3–3,18,7): Die MagdPhotis erzählt ihm – unter dem Siegel strengster Verschwiegenheit, hinter ge-schlossenen Schlafzimmertüren – von den Voodoo-Zauberpraktiken ihrer Her-rin Pamphile, mit der diese den von ihr begehrten jungen Böotier an sichbinden wollte.57 Photis gesteht ihm, dass sie Pamphile statt der Haare des

54 Den Charakter des ‚effet de réel‘ der Figur der Byrrhena, ihres Atriums und der großbürger-lichen Ausstattung betont Barchiesi (2010), bes. 194–197.55 Nimmt man die karikierenden und satirischen Züge weg, entspricht die Stadt ziemlich ge-nau dem Idealbild, das Plutarch in seinem Bürger- oder Beamtenspiegel, der staatspolitischenSchrift mit dem lat. Titel Praecepta gerendae rei publicae, entwirft (dt. „Lehren zur Verwaltungöffentlicher Angelegenheiten“), die er an seinen Freund Menemachos, einen wohlhabendenBürger der Stadt Sardes, adressiert. Dazu Schulte (2001) 229. Das in met. entworfene Gesell-schaftsporträt erinnert auch an Plutarchs Vorstellungen gelehrter Gespräche im idealisiertenoikos; dass sich Apuleius’ Lucius und Byrrhena auf eine Verwandtschaft mit Plutarch berufen(1,2,1 und 2,3,2), passt ins Bild; ähnlich Keulen (2007) 94 f. Lucius nennt in 1,2,1 zudem denPhilosophen Sextus als Verwandten, einen Neffen Plutarchs, beide aus Chaironeia. Dass Plut-arch und Sextus in 1,2 nach Thessalien verortet werden, rückt das römische Thessalien indie Nähe Böotiens, das sprichwörtlich ist für seine intellektuelle Unbedarftheit. – N. B.: LionFeuchtwangers Romanfigur Paul Hessreiter spricht in Erfolg von der „Böotisierung“ Münchens.56 Werner Suerbaum macht mich darauf aufmerksam, dass selbst die in der Erzählung ge-nannten städtischen Bäder und das Theater fiktiv sein können und dass diese einem unbe-kannten Provinzort problemlos zuschreibbar sind. Tatsächlich sind für das antike Hypata of-fenbar keine solchen Bauten bekannt; vgl. Stählin (1914).57 Zu diesem agoge-Zauber vgl. Frangoulidis (2008) 3.

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Jünglings die Borsten dreier gehäuteter Ziegen gebracht habe, aus denen Wein-schläuche gefertigt werden sollten. Durch Pamphiles Liebeszauber wurden so-mit statt des Böotiers drei Ziegenfellschläuche zu Milos Haus hingezogen, dieLucius in seinem Rausch für Räuber hielt – in diesem Fall hatte er also ‚tat-sächlich‘ die Produkte einer Metamorphose gesehen. Nach diesem Geständnisführt Photis Lucius in die Mysterien der Hexenmagie ein (3,19–25), und nunerst wird die biedere Geschichte zum ‚großen Roman‘, oder anders gesagt: Lu-cius, dem einst in Korinth ein Chaldäer prophezeit hatte, dass er einmal ein„großes Ereignis, eine unglaubliche Geschichte und der Gegenstand von Bü-chern sein werde“ (2,12,5: historiam magnam et incredundam fabulam et librosme futurum), kann nun selbst zum Roman und kann damit zum „GoldenenEsel“ werden.58

Die Stadt Hypata ist also zwar – anders als es in den Lexika steht – keine‚große‘ Stadt und nicht das Zentrum Thessaliens; in ihr steckt aber insofernein ‚großer Roman‘, als der Protagonist Lucius sie als etwas anderes liest, alswas sie ist (so in 2,1), mit dem Resultat, dass sie ihn zwar zunächst enttäuscht,dass sie ihm aber dann – im Haus des geizigen Milo extra pomerium (1,21,3),außerhalb ihrer Grenzen – doch ein „Fenster“59 zum ‚Wunderland‘ öffnet. In-dem Lucius die Ehrung durch ihre Magistrate zurückweist, den Blicken ihrerEinwohner ausweicht (3,12,5 f.), sich bei seinem Gastwirt im Schafzimmer ein-schließt, entzieht er sich den geltenden Regeln und Normen und damit auchder Realität einer ‚normal‘ funktionierenden civitas. Der Hauptteil der Erzäh-lung beginnt in der ‚Hexenküche‘ in Milos Haus, im Turmzimmer unter demSchindeldach (3,17,3: tectum scandulare). Die Handlung setzt sich dann zu-nächst unten im Stall fort (3,26,4), wo Lucius als Esel nun das ist, was er zuvorin der unbelebten und belebten Natur der Stadt wahrgenommen hat: das Pro-dukt einer Metamorphose. Als solches hat er aber in dem eben nur vermeintlichmagischen Hypata keinen Platz: Er wird von echten Räubern, die keine Ziegen-fellsäcke sind, aus der Stadt – eigentlich ja bereits: vom Stadtrand weg – ent-führt und muss die aus Milos Haus gestohlene Beute über die Berge schleppen.

Von da an bleibt die Topographie bis zur Ankunft in Korinth am Ende vonBuch 10 anonym. Lucius ist somit aus der realen bzw. als real inszenierten

58 So bekanntlich bei Augustin, civ. 18,18. Wie Winkler (1985) 292–321 verstehe ich das Attri-but aureus polysem und – als Oxymoron zu asinus – als Verweis auf die Initiation in den Isis-und Osiris-Kult. Ob der Titel von Apuleius stammt oder dem Text erst später zugeschriebenwurde, spielt dabei keine Rolle. Wie Harrison (2000/22008) 230 f. verstehe ich die Aussagendes Ich-Sprechers im Prolog und die Prophezeiung des Diophanes in 2,12,5 als Hinweise andas Lesepublikum, die der Text (das ‚Buch‘ als Ich-Erzähler) über sich selbst gibt; dazu Fuhrer(2015).59 Vgl. den Hinweis auf die fenestrae in der Beschreibung der caupona in 1,21,4.

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bürgerlichen Welt ausgetreten. Diese tritt jedoch immer wieder an ihn heran,sei es in Gestalt der Akteure aus den unterschiedlichsten Schichten einer ‚nor-malen‘ Gesellschaft, sei es in Form der römischen Verwaltung, und an einerStelle auch durch Nachrichten direkt aus Hypata: Er vernimmt später von ei-nem der Räuber, der in der Stadt zurückgeblieben war und sich umgehört hatte(7,1 f.), dass die Einwohner Hypatas einhellig (7,1,5: cunctae multitudinis consen-su) „einen gewissen Lucius“ für den Täter halten und ihn vor Gericht bringenwollen, da er sich mit gefälschten Papieren (dem Empfehlungsschreiben desDemeas) bei Milo eingenistet und mit dessen Magd Photis angebändelt, dabeiaber dessen Haus ausspioniert habe. Man schickt sogar eine Delegation ausHypata nach Korinth, um dort nach ihm zu fahnden und ihn – nun nicht mehrzum Spaß – vor Gericht zu bringen. Der Diener hatte auch unter der Folterkeine Informationen geben können. Lucius’ Schimmel wird gleichsam als‚Fluchtwagen‘ interpretiert, den Lucius zu diesem Zweck mitgenommen habe(7,1,3–7,2,3). Die Bürger Hypatas sind also offensichtlich sehr schnell bereit, den‚Festival-Star‘, den sie eben noch zum Ehrenbürger machen wollten, zum Ob-jekt einer kollektiven Verbrecherjagd zu machen.

Hypata wird immer die normale und etwas spießige Kleinstadt bleiben.Lucius muss sie hinter sich lassen, um zu einem echten Romanhelden zu wer-den, allerdings als Esel, als Resultat einer Metamorphose, womit er nicht denverzauberten Wesen entspricht, die er auf seinem Stadtrundgang zu erkennenglaubte. Der Esel ist als Last- und Zugtier zwar ein Symbol für Duldsamkeit,aber auch für Leid und Unglück, er ist Begleiter des Dionysos und seiner Satyrnund Mänaden, heiliges Tier im Kult des ägyptischen Gottes Typhon, und nichtzuletzt ist ‚Esel‘ ein Schimpfwort mit derselben semantischen Konnotation wiein den meisten modernen Sprachen, unter anderem für Menschen mit mangel-haftem Verstand für Musik und Literatur.60 Tatsächlich kann Lucius weder alsMensch noch als Esel seine Umwelt und das Verhalten seiner Mitmenschen jerichtig deuten, und er bleibt trotz der langen Ohren, die vieles aufnehmen kön-nen, bis zuletzt – auch noch als geläuterter und mehrfach geweihter, nun kahl-köpfiger Isis- und Osirispriester – naiv und begriffsstutzig: ein „schlechter Her-meneut“.61 Mit seinem angelesenen, literarischen Wissen konstruiert er sich

60 Vgl. Raepsaet (1998) 134; auf den mangelnden Kunst- bzw. Literaturverstand zielen diebekannten Redewendungen „der Esel, der die Leier hört“ (onos lyras akouōn) und „einem Eseleine Geschichte erzählen“ (onō mython legein).61 So Hofmann (1997) 157. Auch die Kahlheit, die am Ende prominent ausgestellt wird, kannals Symbol der Tölpelhaftigkeit verstanden werden; dazu Winkler (1985) 223–227. Wie Graverini(2012) 82–89 betont, ist die Glatze allerdings gleichzeitig auch Kennzeichen des sokratischenPhilosophen; der geschorene Kopf gilt als ernstzunehmender Ausweis der Zugehörigkeit zu

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eine phantastische Welt, in der er jedoch immer wieder an der – oft eben biede-ren – real existierenden Welt scheitert. Allerdings sind es genau diese Träumeund Phantasien, die Konflikte mit der sogenannten ‚Realität‘ und das Scheiternan den Normen einer bürgerlichen Welt, die den Roman ‚groß‘ und den Esel‚golden‘ werden lassen.

5 FazitMeine Analyse der Erzählung der ersten drei Bücher von Apuleius’ Metamor-phosen kann und will nur exemplarisch sein für das, was sich auch über ande-re, nicht romanhafte Erzählungen oder auch nicht-narrative literarische Textesagen lässt, in denen die historisch gewachsene politische, soziale und kultu-relle Identität eines bekannten Ortes genutzt wird, um die in ihm lokalisierteHandlung in einer bestimmten Weise zu konnotieren. Da der urbane Raumdurch die Erzählinstanz und vor allem durch die Akteure im Text kommentiert,bewertet und meist auch emotional besetzt wird, wird – umgekehrt – die Stadtihrerseits mit Konnotationen versehen: Die im Stadtraum agierenden fiktivenFiguren werden Teil des Stadtbildes, sie prägen oder – wie Apuleius es Luciusmit Hypata tun lässt – erfinden es neu. Diese produktive Leistung eines Texteswird nicht allein oder sogar überhaupt nicht durch deskriptive Elemente er-bracht,62 sondern vielmehr durch denkende, fühlende, durch Erwartungen undIllusionen motivierte, erfolgreich oder oft auch ungeschickt agierende oderscheiternde Menschen, die die erzählten Räume durch ihre erzählte Existenzerst entstehen lassen. Das Potential literarischer Texte, in einem geographischbestimmbaren Szenario weitere Räume hervorzubringen, wird in Apuleius’Eselsroman mit der Metamorphose des Menschen in ein Tier, sozusagen miteinem ‚Sprung‘ in die nun eindeutig fiktive und stellenweise surreale Welt,geradezu exemplarisch herausgestellt. Der kleinen Stadt Hypata – es brauchtkeine Metropole wie Rom, Paris, Athen oder London zu sein – wird die produk-tive Kraft zugeschrieben, Phantasien und Imaginationen und damit einen‚großen Roman‘ zu erzeugen. Jedenfalls hat es die kleine Provinzstadt im römi-schen Thessalien des zweiten Jahrhunderts – nicht zuletzt durch ihre Inszenie-rung in den Metamorphosen – geschafft, Gegenstand literaturwissenschaftli-

einer religiösen Gemeinschaft. Der Kahlkopf macht Lucius damit zu einer Art Kippfigur, welchedie Grenzen zwischen ernster und naiver Religiosität verwischt.62 Zu solchen von Lessing untersuchten und von Genette negierten wirklichkeitsgetreuen Be-schreibungen und anderen mimetischen Elementen vgl. Sasse (2010) 294 f.

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cher, historischer, religionswissenschaftlicher und antiquarischer Studien zuwerden. Die literarische Modellierung dieser Stadt ist ein kleines Schaustückdes ‚Sophisten‘ Apuleius, ein epideiktisches Narrativ,63 in dem vorgeführt wird,wie mit Sprache Städte ‚konstruiert‘ und Welten erschlossen werden können.

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