Research Collection Doctoral Thesis Die Bodenverbesserungspfandrechte der Schweiz Author(s): Fluck, Hans Publication Date: 1925 Permanent Link: https://doi.org/10.3929/ethz-a-000092056 Rights / License: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted This page was generated automatically upon download from the ETH Zurich Research Collection . For more information please consult the Terms of use . ETH Library
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In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...20687/eth... · VI Uri 4a Gesetz betr. die Einführung des ZGB 7. Mai 1911 4b Verordnung betr. kantonale Unter¬ stützung von
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terhaltes; hier genügen die Kulturverbesserungen, um den
Nutzen sicherzustellen. Die Unterhaltsarbeiten sind nor¬
malerweise im Verhältnis zum Nutzen der Melioration klein uad
verteilen sich meistens regelmässig auf die einzelnen Jahre,
vorausgesetzt, dass die Bauarbeiten technisch richtig durchge¬
führt wurden. Sobald sich aber die Alterserscheinungen ein¬
mal geltend machen, können die Unterhaltskosten das nor¬
male Mass bedeutend überschreiten.
cc) Landwirtschaftlicher Mehraufwand,
Mit vielen Meliorationen, namentlich aber jenen, die eine
Steigerung des Rohertrages bezwecken, ist ein jährlich wieder¬
kehrender Mehraufwand an landwirtschaftlichem Betriebskapi¬tal verbunden. Es wachsen mit dem grössern Rohertrag die
Kosten für das Heimführen der Ernte, das Dreschen usw. Auch
kann sich eine grössere Belastung durch das Gebäudekapital zei¬
gen, da für grössere Erntemengen neue Räume nötig werden
können. Sofern nach der Melioration die gleiche Kultur beibehal¬
ten wird, sind diese Mehrbelastungen im Verhältnis zum Nutzen
der Meliorationen in der Regel klein und können daher vernach¬
lässigt werden. Wird aber nach der Melioration die Art der Be¬
wirtschaftung geändert, wie dies z. B. bei der Umwandlung von
Sumpfland in Ackerland der Fall ist, dann muss mit einer ganz
gewaltigen Vergrösserung der landwirtschaftlichen Betriebs¬
kosten gerechnet werden. Im allgemeinen kann dieser landwirt¬
schaftliche Mehraufwand als konstant angesehen werden, denn
soweit er in den ersten paar Jahren nach der Erstellung der
Melioration das normale Mass überschreitet, wurde er als land¬
wirtschaftliche Ergänzungsarbeiten dem Meliorationskapital zu¬
gewiesen.
3. Berechnung der privatwirtschaftlichen Rentabilität.
Die während eines Jahres durch die Melioration hervorge¬brachte Steigerung des Reinertrages des verbesserten Bodens
nennen wir Meliorationsrente. Ihre Grösse ist gleich der Dif-
16
eines Jahres,
i'erenz zwischen dem Nutzen und den laufenden Kosten. Be¬
deutet
N den Nutzen
A die Kosten für die Amortisation
U « « « den Unterhalt
M « « « « landw. Mehraufwand
dann ist die Meliorationsrente für dieses Jahr gleich
R — N — (A+U+M). Die Melioration ist in diesem Jahr
rentabel, wenn die Meliorationsrente gleich oder grösser ist,
als der Zinsanspruch P des Meliorationskapitals K, wenn also
rK p KR ^ P oder, in % von K, wenn
—— ^ —— oder r = p.
Berücksichtigen wir bei der Rentabilitätsberechnung nur die
Dauer d, innert welcher voraussichtlich keine Alterserschei¬
nungen sich fühlbar machen, und verteilen wir die Amortisa¬
tionskosten gleichmässig auf diese Zeit10), so können die obigen
Grössen N, A, U und M als konstant angenommen werden, und
wir erhalten für die Dauer d folgende Rendite in % von K:
R ,\ — (Â+U4-M) X —(U-f-M). q —1
1)r =
- 1110 = LI 100 = — 100 — a. woki a =~ 100
'K K K qd — 1
Anstatt durch die Meliorationsrente kann die Rentabilität
einer Melioration auch durch den Ertragswertzuwachs des ver¬
besserten Bodens ausgedrückt werden. Da das Meliorations¬
kapital amortisiert wird, so hat die zeitlich beschränkte Meliora-
tionsrente R den Kapitalswert W =— 100. Die Rentabilität
Pist dann gewährleistet, wenn dieser Wert = Ertragswertzu-
16) In der Praxis werden die Baukosten gewöhnlich schon innert
5—10 Jahren getilgt und die landw. Ergänzungsarbeiten sofort aus dem
Betriebskapital gedeckt. Die abgekürzte Tilgungsfrist ist für die Berech¬
nung der privatwirtschaftlichen Rentabilität nicht maßgebend. Sie ist
nicht durch die Melioration selbst, sondern durch finanztechnische und
praktische Rücksichten begründet (vergl. Girsberger, S. 75). Immerhin
hat die Berechnung der Rentabilität unter Annahme dieser kurzen, prak¬tischen Tilgungsdauer insofern doch eine große Bedeutung, als sie dartut,ob der Meliorant während der praktischen Tilgungsdauer die laufenden
Kosten und den Zinsanspruch aus dem Nutzen der Melioration decken
kann oder ob er noch hiezu Zuschüsse aus dem Betriebskapital leisten
muß (vergl. Fluck, S. 300 und 301).
17
wachs grösser ist als das investierte Meliorationskapital. Die
Rentabilitätsbedingung lautet daher auch:
2) W =
R100 = N_~_(A+ÜJ-M) .
7P P
Wird die Melioration durch Subventionen à fonds perdu un¬
terstützt, dann muss der Meliorant nur den durch die Subven¬
tionen nicht gedeckten Teil der Meliorationskosten tragen. In
den obigen Formeln bedeutet in diesem Fall K nicht das ge¬
samte Meliorationskapital, sondern nur den von den Melioranten
zu deckenden Teil.
Mit Bezug auf die Unternehmen, die vop einer Mehrheit von
Melioranten durchgeführt werden, bedarf unsere Darstellungder Rentabilitätsberechnung noch eines ergänzenden Hinweises.
Wenn nämlich die Rentabilität für ein solches Unternehmen als
ganzes nachgewiesen ist, so ist damit noch nicht gesagt, dass
die Melioration auch für den einzelnen Beteiligten gleich hoch
rentabel ist. Dies ist, wie wir gleich nachweisen werden, in der
Regel nur dann annähernd der Fall, wenn sich die Kostenan-
teile der einzelnen Beteiligten zu einander gleich verhalten, wie
die den Beteiligten zukommenden Anteile am Gesamtnutzen.
Beziehen sich N, U, M und K auf das gesamte Unternehmen,
N', U', M' und K' resp. N", U", M" und K" auf das beteiligte
Grundeigentum der beliebigen Beteiligten B' resp. B", dann
beträgt die Rendite von K, K' resp. K":
\ —ll'+ï) V— |U'+Ï) V—(IT-HO
r = - - - 100 — a. r' = J100 — a, km. r =L—
-' 100 — a.
k K''
r
Damit r = r',= r", muss folgende Bedingung erfüllt sein:
N—JU+M)_
N' — (U'+M')__
N" — (U"+M")
K~~
K'~~
K"
also K : K' : K" = (N—U—M) : (N' —U'—M') : (N" —U"—M").
Sind die Unterhaltskosten und der landwirtschaftliche Mehr¬
aufwand sehr klein gegenüber dem Nutzen, so können sie hier
vernachlässigt werden, und es ergibt sich
K : K' : K" = N : IST : N".
In der Praxis werden nun tatsächlich die Kosten regel¬
mässig im Verhältnisse des Nutzens auf die einzelnen Beteilig¬ten verteilt. Nur bei den Güterzusammenlegungen geschieht
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die Kostenverteilung noch vorwiegend nach dem Bodenwert.
Wir haben aber seinerzeit auf die Willkürlichkeit dieses Mass¬
stabes hingewiesen und auch für Güterzusammenlegungen die
Kostenverteilung nach Massgabe des Nutzens empfohlen.17)
4. Schwierigkeiten bei der Rentabilitätsberechnung.
Die Berechnung der privatwirtschaftlichen Rentabilität der
Bodenverbesserungen ist mit einer Reihe von Schwierigkeiten
verbunden. In erster Linie fehlt es an verwertbaren Angaben
über die Erfolge, die an ausgeführten Anlagen erzielt wurden.
Insbesondere verfügen wir noch nicht in genügendem Masse
über Beobachtungen in Bezug auf die Grösse und das Verhalten
des Nutzens und der Unterhaltskosten. Auch über die Kosten
der landwirtschaftlichen Ergänzungsarbeiten und den landwirt¬
schaftlichen Mehraufwand sind wir noch nicht genügend orien¬
tiert. Die Notwendigkeit der Vornahme und Veröffentlichung
derartiger Beobachtungen ist von der Konferenz der Schweiz,
beamteten Kulturingenieure18) sowie der Gesellschaft Schweiz.
Landwirte19) wiederholt festgestellt worden. Bisher sind jedoch
nur wenige wirklich verwendbare Beobachtungen bekannt ge¬
geben worden. Wir schreiben dies einerseits dem Umstände zu,
dass solche Beobachtungen nur mit grossem Aufwand an Geld
und Zeit gemacht werden können, sodass die Fachleute neben
ihren beruflichen Pflichten nicht die Zeit finden und ohne be¬
sonderen Kredit nicht über die nötigen Mittel verfügen, um
sich intensiv mit derartigen Untersuchungen abgeben zu kön-
17) SZVK, 1921, S. 17 ff. Kostenverteilung bei Güterzusammenlegungen(Fluck). Vergl. hiezu ferner Schiff, Agrarpolitik, S. 301.
Basel-Land, Schaffhausen, Appenzell A.- und I.-Rh., Graubün¬
den, Aargau, Thurgau, Wallis und Genf.
Vom agrarpolitischen Standpunkte aus erscheint die Sicher¬
stellung des Meliorationskapitales durch die Solidarhaft allein
als unzweckmässig und, falls sie gesetzlich vorgeschrieben ist,als ungerecht. «Muss eine Meliorationsgenossenschaft eine
grössere Summe aufnehmen, so bedankt sich der Wohlhabende
für die vom Gläubiger geforderte Solidarhaft. Wer wird ihm
das für übel nehmen, besonders wenn die andern Mitglieder der
") Vergl. z. B. 1 b, § 119.
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Korporation stark mit Schulden belastet sind?»40) Jeden¬
falls ist die Aussicht, für zahlungsunfähig werdende Genossen¬
schaftsmitglieder einspringen zu müssen, nicht sehr ermunternd,
sondern untergräbt erfahrungsgemäss den Meliorationseifer.47)
5. Bodenverbesserungspfandrechte.
Die für den Meliorationskredit geforderte Langfristigkeit
spricht durchaus für die Sicherstellung durch Grundpfänder.
Aus den Untersuchungen über die Hypothekarverschuldung48)lässt sich aber mit Sicherheit schliessen, dass der Mittel- und
Kleingrundbesitz so stark verschuldet ist, dass es meistens
gänzlich ausgeschlossen wäre, durch gewöhnliche Verpfändung
der zu verbessernden Grundstücke Meliorationskredit sicher¬
stellen zu können. Kommt nämlich eine Liegenschaft, die
an einer öffentlichen Melioration beteiligt ist, zur Pfand¬
verwertung, so fällt in Ermangelung eines besonderen
Vorzugspfandrechtes der durch die Melioration erzeugte
Mehrwert nicht in erster Linie der Genossenschaft zur
Deckung des noch ausstehenden Kostenanteils zu, sondern,
*6) Nat.-Rat Hofmann, Sten. Bull. XVI, S. 634.
47) Girsberger schreibt z. B. (S. 75) :„.
. . er (der Bauer) fürchtet,bei eventueller Insolvenz einzelner Genossenschaftsmitglieder infolge der
solidaren Haftung für die .Genossenschaft später zu seinem bezahlten
Kostenanteil hinzu noch denjenigen anderer tragen zu müssen. Solche
Fälle sind auch heute schon bei kurzer Amortisationsdauer hin und wieder
vorgekommen . .."
Ferner äußerte sich Kulturingenieur Girsberger an einem andern Orte
wie folgt über die Solidarhaft: „Beim System mit langer Amortisations¬
frist ist zu befürchten, daß der eine oder andere Grundeigentümer zahlungs¬
unfähig würde. Bei allen Genossenschaften herrscht Solidarität. Wer muß
dehn da eintreten für den Schaden? Doch die Gesamtheit aller übrigen
Beteiligten. Dieses Schreckensgespenst hat außerordentlich viel Bedenken
hervorgerufen." (Mitt. GSL, 1914, No. 3, S. 82.)
is) Vergl. Artikel „Bodenverschuldung" von Dr. E. Hofmann, im Hand¬
wörterbuch der Schweiz. Volkswirtschaft. Herausgegeben von Dr. Reiches¬
berg, 1903. Ferner Sten. Bull. XVI, S. 633 und 634.
Dr. König, Die Hypothekarverschuldung im Kanton Bern, Zeitschrift
für Schweiz. Statistik und Volkswirtschaft, 1917, S. 481 ff.
J. Fischbacher, Untersuchungen über den Ertragswert und die Ver¬
schuldung des bäuerlichen Grundbesitzes in den Bezirken Pfäffikon, l/ster
und Hinwil. Schweiz. Landw. Monatshefte, 1924, S. 113.
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dient zunächst zur Befriedigung der altern durch Grund¬
pfänder gedeckten Forderungen. Bei der allgemein starken
Verschuldung des Bodens ist dann die Aussicht gering, dass
die Genossenschaft aus dem Restbetrage befriedigt werden
kann. In der Regel werden sich dagegen die Gläubiger der nicht
erstklassigen Grundpfänder auf Kosten der Genossenschaft
schadlos halten können. Da die Meliorationen eine Steigerungdes Ertragswertes des Bodens bezwecken, so liegt es aber im
volkswirtschaftlichen Interesse, dass auch dann Bodenverbes¬
serungen ausgeführt werden, wenn der Boden schon ganz ver¬
schuldet ist. Ein Mittel, um dieses Ziel zu erreichen, liegt da¬
rin, dass der durch die Bodenverbesserung voraussichtlich zu
erzielende Mehrwert als Sicherungspfand dem Meliorations¬
gläubiger reserviert wird. Die Durchführung dieses Gedankens
stösst zwar auf Schwierigkeiten. Die Bodenverbesserungensind materiell sowie rechtlich untrennbar mit dem verbesser¬
ten Grundstück verbunden und können daher nicht für sich
allein verpfändet werden. Um zu einer praktischen Lösung
dieses Problems zu kommen, hat nun der Gesetzgeber die
Grundsätze über die Konkurrenz mehrerer Pfandrechte am
gleichen Grundstück durchbrochen und dem Bodenverbesse¬
rungspfandrecht einen privilegierten Rang gegeben.
Wir haben in der Schweiz zwei Vorzugspfandrechte für
Bodenverbesserungen, die auf diesem Prinzip beruhen:
1. das privatrechtliche BodenVerbesserungspfandrecht nach
Art. 820 und 821 ZGB, das der Grundeigentümer eintragenlassen kann zur Sicherung der Privatgläubiger, die zur Durch¬
führung der Melioration Darlehen gegeben haben,
2. das öffentlich-rechtliche Bodenverbesserungspfandrecht des
kantonalen öffentlichen Rechtes, das den Meliorationsgenos¬senschaften zur Sicherung ihrer Beitragsforderungen gegen¬
über den Beteiligten zur Verfügung steht.
Aus der Umfrage des schweizerischen Bauernsekretariates
geht hervor, dass die in Art. 820 und 821 ZGB geschaffeneInstitution des privatrechtlichen Bodenverbesserungspfandrech¬tes noch sehr wenig zur Sicherheitsleistung benutzt wird. Ein¬
zig der Kanton Aargau meldet sie als Regel, die Kantone Luzern
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und St. Gallen als seltene Ausnahme. Auch die öffentlich¬
rechtlichen Bodenverbesserungspfandrechte werden nur in sehr
beschränktem Masse angewandt und sind, wie wir später sehen
werden, in vielen Kantonen überhaupt unbekannt. Jedenfalls
lässt die Tatsache, dass die alten Formen der Sicherheitslei¬
stungen trotz ihrer Mängel heute noch bevorzugt und die
modernen Mittel mit verschwindenden Ausnahmen ignoriert
werden, vermuten, dass die Bodenverbesserungspfandrechte
nicht zweckentsprechend ausgestaltet wurden.
§ 3. Den Bodenverbesserungspfandrechten ähnliche
Einrichtungen des Auslandes.49)
A. Frankreich.
1. Entsumpfungsgesetz 1807.
Zur Förderung der Entsumpfungen erliess Napoleon 1. im
Jahre 1807 ein Gesetz50), das, mit einigen Abänderungen ver¬
sehen, heute noch in Kraft steht. Für jedes auf Grund dieses
Gesetzes verbesserte Grundstück wird der durch die Ent-
sumpfung erzeugte Mehrwert durch je eine Schätzung vor und
nach der Ausführung der Melioration bestimmt. Wird das
Werk von einem Unternehmer ausgeführt, so soll der erzielte
Wertzuwachs zwischen dem Grundeigentümer und dem Unter¬
nehmer nach dem Konzessionsplane geteilt werden. Dem Grund¬
eigentümer steht es dabei frei, entweder einen entsprechenden
Teil des entsumpften Gebietes an den Unternehmer abzutreten
oder zu dessen Gunsten eine Rente von 4% der Schuld auf das
Grundstück zu legen. Diese Rente geniesst in Bezug auf den
entstandenen Mehrwert vor allen Gläubigern den Vorrang. Die
altern Forderungen werden durch Umschreibung auf einen sol¬
chen Teil des Grundstücks beschränkt, dessen Wert dem ur-
is) Bevor wir zur Behandlung der Bodenverbesserungspfandrechte der
Schweiz übergehen, wollen wir auf Grund der vorkriegszeitlichen Literatur
über entsprechende Einrichtungen des Auslandes orientieren. Wir be¬
schränken uns dabei auf drei Nachbarstaaten, die ähnliche wirtschaftliche
Verhältnisse aufweisen wie die Schweiz und deren Erfahrungen uns daher
besonders nützlich sein können.
50) Loi relative au dessèchement des marais, etc., du 16 septembre 1807.
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sprünglichen Wert des ganzen Grundstücks gleichkommt (Art.
21—23).Dieses Gesetz wurde oft und heftig angegriffen. Einerseits
wurde an ihm ausgesetzt, dass es die Feststellung des Wert¬
zuwachses unmittelbar nach der Durchführung des Werkes an¬
setze, d. h. in einem Zeitpunkt, da der Mehrwert sich gar noch
nicht geltend gemacht habe. Anderseits wurde befürchtet, dass
auch durch eine Hinausschiebung der zweiten Schätzung nichts
gewonnen würde, da die Grundeigentümer sich hüten würden,
vor der Bestimmung des Wertzuwachses etwas zu unterneh¬
men, das den Vorteil der Melioration hervortreten liesse.51)
Heute kommt das Gesetz von 1807 nur noch dann zur Anwen¬
dung, wenn es nicht möglich ist, die notwendige zustimmende
Mehrheit der Beteiligten aufzubringen, um das Werk auf Grund
des Gesetzes über die Genossenschaften52) auszuführen.53)
2. Drainagegesetz 1856/58.
Schon wenige Jahre nach der erstmaligen Anwendung der
Röhrendrainage auf dem europäischen Festlande machte Na¬
poleon III. den Versuch die Verbreitung der Drainage auf fi¬
nanziellem Wege zu fördern. Durch das Drainagegesetz54) vom
Jahre 1856 wurden 100 Millionen Franken aus Staatsmitteln be¬
willigt, um den Grundeigentümern Darlehen zur Durchführung
von Drainagen zu geben. Die entlehnten Beträge waren zu
4% zu verzinsen und innert höchstens 25 Jahren zu tilgen. Die
Darlehen sollten ursprünglich durch den Staatsschatz ausge¬
richtet werden. Wegen zu grossen technischen Schwierigkeiten
wurde dann 1858 der Crédit Foncier ermächtigt, jene Darlehen
an Stelle des Staates zu gewähren und das erforderliche Kapital
durch die Ausgabe verzinslicher und verlosbarer, unter Staats-
5i) Lévy-Salvador, S. 21.
52) Loi sur les associations syndicales du 21 juin 1865 et du 22 dé¬
cembre 1888. Das Quorum lautet: s/i der Grundeigentümer, die mehr als
2/3 der betr. Grundsteuer bezahlen oder % der Grundeigentümer, die mehr
als s/4 der Fläche repräsentieren oder mehr als 3/4 der betr. Grundsteuer
bezahlen (Art. 12).
53) Lévy-Salvador, S. 23.
54) Loi sur le drainage du 17 juillet 1856 et du 28 mai 1858. Vergl.ferner Règlement d'administration publique du 28 septembre 1858 et cir¬
culaire du 2 octobre 1858.
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garantie stehender Inhaberpapiere (obligations de drainage)
aufzubringen. Gleichzeitig wurde der Wirkungskreis des Ge¬
setzes auf Kanalisationen, Bewässerungen und Entsumpfungen
ausgedehnt. Zur Sicherstellung der Darlehen stehen dem Crédit
Foncier zur Verfügung:
1. Für die verfallene Annuität und diejenige des laufenden
Jahres ein Vorrecht auf den Reinertrag des meliorierten Ge¬
bietes. Dieses Vorrecht folgt im Range unmittelbar den öf¬
fentlichen Steuern.
2. Für das gesamte Darlehen ein absolutes Vorrecht an dem
durch die Melioration hervorgebrachten wirklichen Mehr¬
wert des Grundstückes (vergl. Art. 3 und 5).
Der Mehrwert ergibt sich nach äusserst kompliziertemVerfahren auf Grund je einer Schätzung des Grundstückes vor
der Ausführung des Werkes und bei der Verwertung des Pfan¬
des. Die gleichen Vorrechte, wie sie dem Crédit Foncier ein¬
geräumt sind, können auch die Meliorationsgenossenschaften
für die Sicherung der Beiträge der Beteiligten an die Ausfüh-
rungs- und Unterhaltskosten und die Unternehmer für ihre
Forderungen aus Bodenverbesserungen beanspruchen (vergl.
Art. 4).
Das Drainagegesetz 1856/58 hat vollständig versagt. Von
den zur Verfügung gestellten Kapitalien wurden nur wenige
Prozente dargeliehen. Der Misserfolg erklärt sich dadurch, dass
das Verfahren infolge übermässiger Zentralisierung überaus
schleppend und teuer ist. Wiederholte Reformvorschläge ziel¬
ten dahin, die unerhört langwierigen Verhandlungen, die der
Darlehensbewilligung vorangehen, abzukürzen und die Verwal¬
tung zu dezentralisieren.55) Ein vom Staatsrat im Jahre 1880
aufgestelltes Gesetzesprojekt betreffend die staatliche Finan¬
zierung von landwirtschaftlichen Wasserbauten schlug vor, die
dem Staate als Gläubiger gegebene Garantie auf das Vorrecht
am Reinertrage zu beschränken und den Zinsfuss auf 3% zu
ermässigen. Diesem Projekt wurde aber keine Folge gegeben.58)
56) Schiff, Meliorationskredit, S. 53—65.
66) Lévy-Salvador, S. 452.
36
B. Österreich.1. Reichswasserrechtsgesetz 1869 und Meliorationsgesetz 1884.
Die Beitragsverbindlichkeiten aus dem Mitgliedsverhältnisse
bei einer Wassergenossenschaft haften nach dem Reichswasser¬
rechtsgesetz vom 30. Mai 1869 auf dem., die Mitgliedschaft be¬
dingenden Grundstück als Grundlast, und zwar ohne dass zu
deren Entstehung die Eintragung ins Grundbuch nötig ist. Die¬
se Beitragsverbindlichkeiten geniessen bis zum Betrage der drei¬
jährigen Rückstände den Vorrang vor allen andern Reallasten,
ausgenommen die öffentlichen Steuern und Abgaben (§ 23).
Schiff57) setzt an diesem Gesetz aus, dass es nicht nur den
auf Beteiligungszwang begründeten, sondern auch den durch
freie Übereinkunft gebildeten Wassergenossenschaften den er¬
wähnten Vorrang einräumt. Bei den letztern findet nämlich
im Gegensatz zu den erstem keine behördliche Prüfung der
Nützlichkeit des geplanten Unternehmens statt. Ganz irra¬
tionelle Anlagen, die den Wert der Grundstücke im Verhältnis
zu den Kosten nicht zu erhöhen vermögen, können dadurch, dass
mehrere Grundeigentümer sich zu einer Genossenschaft ver¬
einigen, ein unbeschränktes Pfandprivileg für die Umlagen und
damit indirekt für das Meliorationskapital erlangen. Ferner
hält Schiff den Schutz des Genossenschaftsgläubigers nicht für
genügend, da dieser kein Recht hat, auf die in die Genossen¬
schaft einbezogenen Grundstücke zu greifen, um für seine For¬
derung Befriedigung zu erhalten. Er ist auf die Eintreibungder Umlagen durch den Genossenschaftsvorstand angewiesen,und es wird hie und da vielleicht schwer fallen, diesen zu ener¬
gischem Vorgehen zu zwingen. Diesem Mangel wird aber durch
das Meliorationsgesetz vom 30. Juni 1884 (§§ 15—19)
abgeholfen. Die Darlehen, die von einer Wassergenossenschaftbeim Reiche, beim Lande oder bei einem zur Erteilung solcher
Kredite ermächtigten Institute aufgenommen worden sind, wer¬
den nämlich ganz unabhängig vom Willen des Genossenschafts¬
vorstandes gleich den öffentlichen Steuern durch die Steuer¬
ämter eingehoben und von diesen direkt an die Genossenschafts¬
gläubiger abgeführt. Endlich ist die Verwaltungsbehörde be¬
rechtigt selbst die Umlegung der Genossenschaftsbeiträge auf
57) Schiff, Agrarpolitik, S. 473 ff.
37
die einbezogenen Grundstücke vorzunehmen, wenn die Genossen¬
schaft es unterlässt ihren statutenmässigen Verpflichtungen
nachzukommen. Somit besitzen die Gläubiger die denkbar
grösste Sicherheit dafür, dass die vereinbarten Rückzahlungs¬
raten von der Genossenschaft regelmässig bezahlt werden.58)
2. Kommassationsgesetze.59)
Kredite, die für Kommassationszwecke aus Landesmitteln,
Landesanstalten oder unter Mitwirkung des Landes aus andern
öffentlichen Anstalten erteilt werden, rangieren unmittelbar
nach den öffentlichen Steuern und Abgaben und den Verpflich¬
tungen für Wassergenossenschaften. Die nämliche Priorität
gemessen die dreijährigen Zinsenrückstände ,(§44 R. K. G.).Die übrigen zur Sicherung des Gläubigers von Wassergenossen¬
schaften erlassenen Bestimmungen können bei der Kommassa¬
tion entfallen, weil hier meist das Land selbst der Kreditgeberist und zwischen diesem und den Grundeigentümern ein direktes
Rechtsverhältnis ohne Vermittlung durch eine Genossenschaft
besteht.60)
3. Gesetz vom 6. Juli 1896. No. 144 R. G. B.
Das Darlehen, das zur Ausführung von Bewässerungs- und
Entwässerungsanlagen von einem unter öffentlicher Verwal¬
tung stehenden Fonds oder einem zur öffentlichen Rechnungs¬
stellung verpflichteten Kreditinstitut gegeben wird, hat den
Charakter einer privilegierten Grundlast ; für die rückständigenRenten haftet nur das Pfandobjekt. Das Vorzugsrecht be¬
schränkt sich im Falle der Exekution auf die drei letzten An¬
nuitäten. Da indessen das ganze Meliorationsdarlehen, von et¬
wa schon verfallenen Annuitäten abgesehen, ohne Rücksicht
auf die Rangstellung sonstiger Gläubiger vom Ersteller über¬
nommen werden muss, so ist damit tatsächlich ein Rangsvor¬
zug des Kapitals selbst gegeben. Die Darlehen müssen durch
mindestens jährlich fällige Renten von mindestens 3% amorti¬
siert werden. Der Zinsfuss darf höchstens 4% betragen. Die
5S) Schiff, Agrarpolitik, S. 477.
69) Reichskommassationsgesetz vom 7. Juni 1883, No. 92 RGB. Landes-
kommassationsgesetze : Niederösterreich 3. Juni 1886, Salzburg 11. Okt.
1892, Mähren 13. Febr. 1894, Schlesien 28. Dezember 1887.
60) Schiff, Agrarpolitik, S. 478.
38
zur Verzinsung und Rückzahlung des Darlehens bestimmte Ren¬
te wird als «Meliorationsrente» ins öffentliche Buch eingetragen.
Die geplante Bodenverbesserung muss nach fachmännischer
Prüfung einen die Kosten übersteigenden landwirtschaftlichen
Nutzen erwarten lassen. Die Darlehenssumme darf einerseits
die Kosten, anderseits den 10-fachen Katastralreinertrag zu¬
züglich der Hälfte des voraussichtlichen Wertzuwachses nicht
übersteigen. Sie darf nur zur Ausführung desjenigen Unter¬
nehmens, wofür das Darlehen bewilligt wurde, verwendet und
nur ratenweise nach Massgabe des Fortschreitens der Arbeiten
ausbezahlt werden. Der Grundeigentümer hat die Arbeiten
unverzüglich und zweckentsprechend durchzuführen und, so¬
lange die Rente*npflicht besteht, zu unterhalten. Das Acker¬
bauministerium überwacht die Erfüllung dieser Verbindlichkei¬
ten. Kommt ein Grundeigentümer seinen Verpflichtungen nicht
nach, so kann das Gericht Zwangsverwaltung zwecks Vollen¬
dung der Arbeiten anordnen. Die Bevorrechtung der Meliora¬
tionsrente ist vom wirklichen Eintritte der Ertrags- bezw. Wert¬
steigerung nicht bedingt, ausser in folgenden zwei Fällen. Wenn
Naturereignisse die planmässige Ausführung der Meliorations¬
arbeiten unmöglich machen oder doch den davon erwarteten
Nutzen erheblich schmälern, so sind die Arbeiten und die Zah¬
lungen einzustellen. Der Darlehensgeber hat dann nur noch ein
Forderungsrecht auf den bereits gezahlten Teil des Darlehens
und nur so weit, als der durch die Meliorationsarbeiten bewirkte
Wertzuwachs reicht. Wenn ferner nach Vollendung der Melio¬
ration ein Grundstück zwangsweise versteigert wird und der
nachweislich erzielte Mehrwert desselben die höchstens dreijäh¬
rigen rückständigen Rentenbeträge nicht übersteigt, so besitzen
die letzteren nur bis zu einem dem tatsächlichen Wertzuwachs
gleichen Betrage das Vorzugsrecht der Meliorationsrente.61)Wie Schiff62) in seiner Beurteilung des Gesetzes von 1896
näher ausführt, ist die Rechtsstellung des Meliorationsgläubi¬
gers durch das Pfandrecht genügend gesichert, um auch dem
verschuldeten Grundeigentümer die Aufnahme von Darlehen
zum Zwecke von Bodenverbesserungen zu ermöglichen. Eine
Ausnahme tritt nur dann ein, wenn eine der beiden erwähn-
6J) Schiff, Agrarpolitik, S. 479 ff.
62) Schiff, Agrarpolitik, S. 4SI ff.
39
ten nachträglichen Einschränkungen des Pfandrechtes Platz
greift. Die Bestimmungen des Gesetzes für den Fall des Miss¬
erfolges der Unternehmung beweisen schlagender als alles an¬
dere, dass das Fehlschlagen von Meliorationsunternehmungen
und damit die Schädigung älterer Gläubiger vom Gesetze kei¬
neswegs verhindert wird. Auch die im Gesetze geforderte
fachmännische Prüfung des Planes, des Kostenvoranschlages
und der Wertzuwachsberechnung vermag nach Schiff diese Be¬
sorgnis nicht vollständig zu zerstreuen, da Oesterreich nicht
über eine genügende Organisation des kulturtechnischen
Dienstes und ausreichende praktische Erfahrung verfügt.
Zum Schutze der nachgehenden Hypothekargläubiger fordert
Schiff daher, dass diese durch einen strikten Nachweis des
Misserfolges der Unternehmung eine Beschränkung — sei es
in Form der Reallast oder der Kapitalpriorität — vorzunehmen
berechtigt sein sollen. Er befürchtet, dass sonst das Gesetz
bei steigender Meliorationstätigkeit leicht zu einer für das
Grundeigentum nachteiligen Erschütterung der Realkredits¬
verhältnisse führen könnte.
Das Gesetz von 1896 hat nach Brâf trotz der gebotenen
zivilrechtlichen Vorteile die erhoffte Förderung des Meliora¬
tionswesens nicht gebracht, und zwar mögen daran vornehm¬
lich die für den Fall des Misserfolges vorgesehenen Einschrän¬
kungen des Vorrechtes ihren massgebenden Anteil haben. In
einzelnen Fällen waren diese Einschränkungen in der Tat die
Ursache der Ablehnung der Darlehensgesuche durch die ange¬
gangenen Landesinstitute. Jedenfalls steht laut Umfrage fest,
dass von den Landesbankinstituten Böhmens, Mährens, Schle¬
siens und der beiden Oesterreich in den zehn ersten Jahren, die
seit der Inkrafttretung des Gesetzes verflossen sind, keine Me¬
liorationsdarlehen gewährt wurden, in geringem Umfange nur
von der Landesbank Galiziens.
C. Deutschland.
1. Wassergesetze.
In Deutschland werden zum Zwecke der Durchführung'
genossenschaftlicher Bewässerungen und Entwässerungen
«Wassergenossenschaften» gebildet. Die statutarischen Bei¬
tragspflichten an Wassergenossenschaften werden nach den
4
40
Wassergesetzen83) den öffentlichen Lasten gleichgestellt und
sind daher wie diese durch eine stillschweigende gesetzliche
Hypothek mit Vorrang auch vor altern privaten Forderungen
sichergestellt. Die Verleihung dieses Vorzugsrechtes an die
Wassergenossenschaften lässt sich dadurch begründen, dass die¬
se gewissermassen öffentlich-rechtlichen Charakter haben; sie
unterstehen der direkten Aufsicht der öffentlichen Verwaltung ;
wie bei den politischen Gemeinden ist der Eintritt in diese Ge¬
nossenschaften in gewissem Umfange vom Willen der Eigen¬
tümer unabhängig.Die den Wassergenossenschaften zugebilligte Meliorations¬
priorität ermöglicht ihnen mit Leichtigkeit Meliorationsanlei¬
hen aufzunehmen. So gewähren z. B. die Landeskultur-Renten¬
banken von Preussen64), Bayern65) und Hessen68) in Anbetracht
dieser Priorität Darlehen an Wassergenossenschaften ohne
hypothekarische Sicherstellung. Die Garantien für eine zweck¬
entsprechende Verwendung der dargeliehenen Gelder liegt in
der Verfassung und Einrichtung der schuldnerischen Institute;
soweit es einer Beaufsichtigung bedarf, fällt diese in erster
Linie der öffentlichen Aufsichtsbehörde, nicht den Landeskul¬
tur-Rentenbanken und deren Organen zu. In Preussen z. B.
ist zur Aufnahme jeder Anleihe einer Wassergenossenschaftdie vorgängige Genehmigung der Aufsichtsbehörde erforder¬
lich (§51 WG). Bei der Erteilung der Genehmigung ist da¬
rauf zu achten, dass das Darlehen nur für eigentliche Genossen¬
schaftszwecke aufgenommen und nur zu planmässiger Verbesse¬
rung der Grundstücke verwendet wird, sodass dadurch der Wert
der letztem um mindestens den gleichen Betrag erhöht wird.67)
6)) Preußen, für Wassergenossenschaften, 1. April 1879, §52; Sachsen,bei Berichtigung von Wasserlaufen, 15. Aug. 1855; Bayern, bei Ent- und
Bewässerungen, Landeskultur-Rentenbank-Gesetz, 21. April 1884, § 9; Hessen,für Wassergenossenschaften, 30. Juli 1887, Art. 43 und für Landeskultur¬
genossenschaften, 26. Sept. 1887, Art. 50.
,u) Preußisches Gesetz betr. die Errichtung von Landeskultur-Renten-
banken, 13. Mai 1879, § 33.
65) Bayrisches Gesetz die Landeskultur-Rentenanstalt betreffend, 31. Mär/
1908, Art. 9. 4
66) HcsHsches Gesetz die Landeskreditkasse betreffend, 6. Aug. 1902,Art. 3.
<") Vergl. Koch, S. 116.
41
2. Landeskultur-Rentenbank-Gesetze.68)
Darlehen, die einzelne Grundeigentümer zur Deckung der
Meliorationskosten bei einer deutschen Landeskultur-Renten¬
bank aufnehmen, müssen regelmässig durch die Eintragung
einer Hypothek oder Grundschuld sichergestellt werden. Ein
Vorrang besteht im allgemeinen nicht. Nur in Preussen88) ist
bei Drainagedarlehen und in Bayern70) bei allen Darlehen für
Landeskultur-Rentenzwecke ein ziemlich umständliches Ver¬
fahren vorgesehen, um eine Erklärung der Realberechtigten
darüber herbeizuführen, ob sie freiwillig hinter die Forderung
der Landeskultur-Rentenbank zurücktreten wollen. Gläubiger,
welche auf die an sie ergangene Aufforderung binnen der be¬
stimmten Frist ihren Widerspruch nicht erklären, gelten als der
Vorrechtseinräumung zustimmend. Da zur Beseitigung der er¬
hobenen Widersprüche keine Rechtsmittel gegeben sind, so
lässt sich von einem solchen Verfahren nicht viel erwarten.
Tatsächlich sind auch die Erwartungen, welche auf die Landes¬
kultur-Rentenbanken gestellt wurden, wenigstens soweit es die
Förderung der Einzelmelioration betrifft, nicht erfüllt worden.
Nur von Lehn- und Fideikommissbesitzern sind die Landes¬
kultur-Rentenbanken Preussens in grossem Umfang in An¬
spruch genommen worden, da unter bestimmten Voraus¬
setzungen den Lehn- und Fideikommissfolgern und Agnaten ein
Widerspruchsrecht gegen die Aufnahme von Drainagedarlehen
entzogen wurde (§ 32 des preuss. Gesetzes).Bei Darlehen, die in Preussen unter Gewährung des Vor¬
ranges für Drainagen einzelner Grundeigentümer gewährt wer¬
den, ist die vorgängige Prüfung der Rentabilität der Unterneh¬
men ausdrücklich vorgeschrieben. Die Prüfung erfolgt durch ei¬
ne besondere Kommission unter Leitung der Auseinanderset¬
zungsbehörde. Die Ausführung und der Unterhalt der Unterneh¬
men stehen ebenfalls unter behördlicher Aufsicht. Die Dauer
der Meliorationspriorität ist insofern beschränkt, als die Dar¬
lehen mit einer Annuität von mindestens 4% zu tilgen sind.
68) Vergl. Hermes ; ferner Buchenberger II, S. 167 ff.
69) Preußisches Gesetz betr. die Einrichtung von Landeskultur-Renten¬
banken, 13. Mai 1879, § 18 ff.
70) Bayrisches Gesetz die Landeskultur-Rentenanstalt betreffend, 31. März
1908, Art. 12.
42
In Bayern prüft die Landeskultur-Rentenkommission die Ren¬
tabilität der zu beleihenden Unternehmen. Die Verwendung des
Darlehens wird behördlich überwacht, ebenso der Unterhalt, zu
dem die Darlehensnehmer nach gesetzlicher Vorschrift verpflich¬
tet sind. Die minimale jährliche Tilgungsquote beträgt %%.Ausser in den genannten Ausnahmefällen macht es die
von den Landeskreditanstalten geforderte hypothekarische
Sicherstellung der Darlehen unmöglich, den angebotenen Kredit
zu erreichen. Eine wirksame Abhilfe sieht Hermes nur in der
Errichtung eines gesetzlichen Vorrechtes, das der Forderung der
Landeskultur-Rentenbank vor den Privatschulden eingeräumt
würde. Die Organisation des kulturtechnischen Dienstes hält
er aber vorderhand nicht für genügend, um die Rechte der Hy¬
pothekengläubiger zu schützen. Immerhin macht er auf den
Widerspruch aufmerksam, der in der verschiedenen Behand¬
lung der genossenschaftlichen und der Einzelunternehmung
liegt. Die Gesetzgebung legt den Beitragsleistungen für öffent¬
liche Genossenschaften den Charakter der öffentlichen Lasten
bei und verhilft damit den Genossenschaften ohne besondere
Sicherstellung zu dem Kredite der Landeskultur-Rentenbanken.
Wenn aber bei den öffentlichen Genossenschaften durch die
Führung der Staatsaufsicht einem die Rechte der Privathypo-
thekengläubiger gefährdeten Missbrauche der Kreditvorrechte
vorgebeugt werden kann, so müsste derselbe doch auch bei der
Inanspruchnahme durch einen einzelnen Grundeigentümer sich
erreichen lassen. Wenn eine drainagebedürftige Fläche von
1000 Morgen einem einzelnen hochverschuldeten Grundeigen¬tümer gehört, so bleibt diesem die Landeskultur-Rentenbank
unzugänglich und die Melioration muss unterbleiben. Geht aber
die gleiche Fläche durch Parzellierung in die Hände von 10
gleichfalls hochverschuldeten Parzellenerwerber über, so kön¬
nen diese eine öffentliche Drainagegenossenschaft bilden und
die Hypothekargläubiger können dann der Aufnahme eines
ihren Forderungen vorgehenden Darlehens nicht widersprechen.Dieses widerspruchsvolle Ergebnis zeigt, dass die GesetzgebungDeutschlands auf diesem Gebiete es bisher nicht zu einem ein¬
wandfreien Ergebnis gebracht hat.71)
n) Hermes III, in fine.
43
ILWesen der Bodenverbesserungspfandrechte.
§ 4. Wesen des privatrechtlichen Bodenverbesserungs¬pfandrechtes.
A. Entstehungsgeschichte der Art. 820 und 821 ZGB.
Schon bei der Aufstellung des Vorentwurfes zum ZGB wur¬
de in Anlehnung an ein st.-gallisches Gesetzesprojekt die Auf¬
nahme einer Bestimmung über die Meliorationshypothek er¬
wogen, aber mit Rücksicht auf die praktischen Schwierigkeiten
unterlassen.72) In der grossen Expertenkommission wurde dann
vom Schweiz. Bauernsekretär Laur der Gedanke wieder aufge¬
griffen. Er stellte den Antrag, dass der Grundeigentümer zum
Zwecke der Deckung oder Sicherstellung des Kostenanteils an
einer Melioration ein Grundpfand errichten dürfe, das bis zur
Höhe von zwei Dritteln des auf das Grundstück entfallenden
Kostenanteils den andern Gründpfändern im Range vorgehe,sofern das Unternehmen unter Mitwirkung oder Aufsicht öf¬
fentlicher Organe durchgeführt und das Grundstück durch die
Melioration im Werte erhöht werde. Solche Darlehen sollten
mit mindestens 10% jährlich amortisiert werden. Der Antrag¬steller wies auf das Bestehen von ähnlichen Bestimmungen in
den ausländischen Gesetzen hin und betonte, dass die Notwen¬
digkeit einer solchen gesetzlichen Massnahme schon deswegen
bestehe, weil die Landwirte gezwungen werden können bei Me¬
liorationen mitzumachen. Zwinge man sie dazu, so müsse man
ihnen auch die Möglichkeit geben, die Beiträge aufzubringen,damit ihnen die Verbesserung nicht zum Unglück ausschlage.Die Kommissionsmitglieder waren über die Zweckmässigkeit des
Vorschlages geteilter Meinung und verwarfen diesen mit 17
gegen 12 Stimmen.73) Die nationalrätliche Kommission hat den
Vorschlag Laurs aber wieder aufgenommen und zur Annahme
empfohlen. In der Sitzung des 15. Juni 1906 nahm der Na-
'2) Erl. S. 253; Sten. Bull. XVI, S. 637, unten.
73) Prot. Ill, S. 259.
Mitt. No. 16. S. 15 ff.
44
tionalrat Stellung dazu. Nat.-Rat Hofmann wies darauf hin,
dass durch die Beschränkung des Vorzugspfandrechtes auf zwei
Drittel des Kostenanteils die Absicht des Gesetzes nicht er¬
reicht werde, nämlich denjenigen die Bodenverbesserungen zu
erleichtern, die sonst darauf verzichten müssten. Erst wenn
das Vorzugspfandrecht für den vollen Kostenbetrag gewährt
werde, stehe jedem einzelnen ohne Ausnahme der Vorteil die¬
ser Bestimmung offen. In diesem Sinne hat er dann auch zu¬
sammen mit Nat.-Rat Jenny einen Antrag gestellt. Zum
Schutze der nachgehenden Pfandgläubiger schlug Nat.-Rat
Scherrer-Füllemann vor, dass nur bei subventionierten Unter¬
nehmen das Vorzugspfandrecht für den vollen Betrag errichtet
werden dürfe. Nat.-Rat Ming tendierte auf eine schwächere
Belastung der Melioranten durch die Amortisationsquoten hin
und schlug eine jährliche Tilgungsquote von nur 5 statt 10%
vor. Schliesslich beantragte Nat.-Rat Schobinger, bei den sub¬
ventionierten Meliorationen von einer gesetzlichen Amortisa¬
tion abzusehen, da bei diesen durch die Vorstellung der Pfand¬
schuld in der Höhe des Kostenan.teils den nachfolgenden Hypo¬
thekargläubigern kein Schaden zugefügt, sondern ihr Pfandob¬
jekt nur verbessert werde. Alle diese Vorschläge wurden be¬
rücksichtigt und der Kommissionsvorschlag wurde in diesem
Sinne abgeändert.74) Die ständerätliche Kommission konnte
sich mit dieser Formulierung nicht einverstanden erklären. Sie
fand, dass die sorgsame Pflege des Hypothekarkredites wich¬
tiger sei, als die Bodenverbesserungen, und sie hielt auch das
Subventionswesen nicht für geeignet, um als Grundlage zu
dienen. Sie forderte daher allgemeine Beschränkung der Ver¬
pfändungsmöglichkeit auf zwei Drittel des Kostenanteils und
verlangte ausserdem noch, dass die Pfandbestellung nur mög¬lich sei zugunsten der staatlich ermächtigten Geldinstitute.
Die letztere Bedingung wurde mit Hinblick darauf gestellt,dass die ermächtigten Geldinstitute entsprechend technisch or¬
ganisiert werden müssten und damit eine Garantie dafür bieten
würden, dass nicht etwa unreife oder nutzlose oder ganz ver¬
fehlte Meliorationsprojekte ausgeführt und mit Vorschüssen
gefördert würden. Der Ständerat stimmte in der Sitzung des
"*) Sten. Bull. XVI, S. 634 ff.
45
13. Dezembers 1906 dem Vorschlage seiner Kommission still¬
schweigend zu.75) In der zweiten Lesung, am 7. Juni 1907, hielt
der Nationalrat im wesentlichen an seinem früheren Beschlüsse
fest, suchte aber die Bedenken des Ständerates zu zerstreuen
durch die Aufnahme einer Sanktion für die Tilgung des Vor¬
zugspfandrechtes der nicht subventionierten Meliorationen.78)
Der Ständerat schloss sich auf Antrag seiner Kommission prin¬
zipiell dem Beschluss des Nationalrates an und formulierte die
Artikel über das privatrechtliche Bodenverbesserungspfand¬
recht endgültig.77)
B. Inhalt und Bedeutung der Art. 820 und 821 ZGB.
1. Text des Gesetzes.
Die Bestimmungen des ZGB betreffend das privatrechtliche
Bodenverbesserungspfandrecht lauten wie folgt:
Pfandrecht bei Bodenverbesserungen.
1. Vorrang.820. Wird ein ländliches Grundstück durch eine Bodenver¬
besserung, die unter Mitwirkung öffentlicher Behörden zur Durch¬
führung gelangt, im Werte erhöht, so kann der Eigentümer für
seinen Kostenanteil zur Sicherimg seines Gläubigers ein Pfand¬
recht in das Grundbuch eintragen lassen, das allen andern ein¬
getragenen Belastungen vorgeht.Wird eine solche Bodenverbesserung ohne staatliche Subven¬
tion durchgeführt, so kann der Eigentümer dieses Pfandrecht für
höchstens zwei Dritteile seines Kostenanteiles eintragen lassen.
2, Tilgung der Schuld und des Pfandrechtes.
821. Wird die Bodenverbesserung ohne staatliche Subvention
durchgeführt, so ist die Pfandschuld durch Annuitäten von wenigstensfünf Prozent der eingetragenen Pfandsumme zu tilgen.
Das Pfandrecht erlischt für die Forderung und für jede Annuität
nach Ablauf von drei Jahren seit Eintritt der Fälligkeit, und es
rücken die nachfolgenden Pfandgläubiger nach.
2. Allgemeines.
Das Pfandrecht nach Art. 820 und 821 ZGB besteht nicht
von Gesetzes wegen. Das Gesetz gibt dem Grundeigentümer
lediglich einen Anspruch auf Eintragung dieses Pfandrechtes.
's) Sten. Bull. XVI, S. 1395/96.
'«) Sten. Bull. XVII, N.R..S. 339 ff.
") Sten. Bull. XVII, St. R., S. 315.
46
Die Eintragung erst schafft ein privilegiertes, den andern ein¬
getragenen Belastungen vorgehendes Pfandrecht für den
Kostenanteil an Bodenverbesserungen. In dieser Priorität
äussert sich der Zweck dieses Vorzugspfandrechtes : Sicherungder Privatgläubiger, die die Melioration im Auftrage des Eigen¬
tümers ausgeführt oder zur Durchführung Darlehen gegeben
haben, unbekümmert darum, dass das Grundstück schon anders¬
wie stark belastet ist, Der Begriff der Bodenverbesserung wird
in den Art. 820 und 821 ZGB nicht erklärt, dagegen umschreibt
der Art. 703 ZGB diesen Begriff, wie wir bereits früher gesehenhaben. Da über die Art der Bodenverbesserungen nichts aus¬
gesagt Wird in den Art. 820 Und 821 ZGB, so sind diese Artikel
für öffentliche, wie für private Meliorationen anwendbar. Auch
ist es ganz gleichgültig, ob die Melioration sich auf ein einzigesGrundstück beschränkt oder mehrere Grundstücke umfasst.
3. Voraussetzungen der Errichtung des Pfandrechtes.
Die Errichtung des privatrechtlichen Bodenverbesserungs¬
pfandrechtes ist an folgende Voraussetzungen geknüpft:Erstens muss sich die Bodenverbesserung auf ein länd¬
liches Grundstück beziehen. Der Begriff «ländliches
Grundstück» kommt auch im Art. 848 ZGB vor und umfasst
nach den agrar-ökonomischen Untersuchungen von Dr. Tanner:
1. alle landwirtschaftlichen Grundstücke, d. h. diejenigenGrundstücke, die die Grundlage oder den Gegenstand der
Ausübung der landwirtschaftlichen Berufstätigkeit bilden ;
2. andere Grundstücke, die unter Ausnützung der natürlichen
Kräfte des Bodens, des Klimas und der Lage bewirtschaftet
werden, und für welche die Kaufpreise nur im Hinblick auf
diese Nutzung bezahlt wurden.78)
Für städtische Grundstücke fallen die Artikel 820 und 821
ZGB ausser Betracht.
Eine zweite Voraussetzung zur Errichtung des Pfandrechtes
besteht darin, dass die Bodenverbesserung unter Mitwir¬
kung öffentlicher Behörden zur Durchführung ge»
langen muss. (Die Bezeichnung der zuständigen Behörden ist
nach Art. 52 des Schlusstitels des ZGB Sache des kantonalen
) Tanner, S. 43, 48, ff.
47
Rechts). Worin die Mitwirkung der Behörden zu bestehen hat,
sagt das Gesetz nicht. Zum mindesten wird man verlangen
müssen, dass eine behördliche Aufsicht, d. h. Prüfung und Ge¬
nehmigung des Projektes sowie Überwachung der Ausführungs¬arbeiten stattfinde. Die behördliche Mitwirkung kann aber
bedeutend weiter gehen und sich ausser der Aufsicht auch auf
die Projektierung und die Bauleitung erstrecken. Die blosse
staatliche Subventionierung dagegen kann nicht als behörd¬
liche Mitwirkung aufgefasst werden, sondern nur die damit
stets verbundene behördliche Aufsicht über die subventionier¬
ten Unternehmen.78)Nicht vorausgesetzt ist nach Leemann (820, No. 9) und
nach Rössel und Mentha (No. 1514), dass das Grundstück
durch die Bodenverbesserung tatsächlich im Wert erhöht wor¬
den ist.80)
4. Art des Pfandrechtes.
über die Art des privatrechtlichen Bodenverbesserungs¬
pfandrechtes bestehen verschiedene Ansichten. Nach Leemann
(820, No. 12) kann nur die Grundpfandverschreibung in Fragekommen: «820 gibt dem Grundeigentümer nur das Recht, für
seinen Kostenanteil ein Pfandrecht in das Grundbuch eintragenzu lassen, wobei dieses Pfandrecht zur Sicherung seines Gläu-
steht unter der behördlichen Mitwirkung die staatliche Subvention. In
der Tat werden diese beiden Begriffe in den Verhandlungen der eidg.Räte gelegentlich als gleichbedeutend betrachtet (Sten. Bull. XVII, N. R.,S. 339 und 342). Die Materialien sind aber nicht dem Gesetz gleichzu¬stellen, sondern dürfen nur als Hilfsmittel zur Ermittlung des Gesetzes¬
inhaltes in Betracht gezogen werden (vergl. Gmür, Kommentar zum ZGB,Art. 1, No. 9 und 10). Der Text von Art. 820 ist an sich durchaus klar. Der
Absatz 1 handelt von einer Bodenverbesserung, die unter Mitwirkungöffentlicher Behörden zur Durchführung gelangt. Wird eine „solche"
Bodenverbesserung, d. h. unter behördlicher Mitwirkung durchgeführte
Bodenverbesserung, ohne staatliche Subvention erstellt, dann greift die
Einschränkung des Absatzes 2 Platz. Wären Subventionierung und Mit¬
wirkung öffentlicher Behörden identisch, dann hätte der Gesetzgeber im
nämlichen Artikel kaum eine verschiedene Bezeichnung für die gleicheSache gebraucht und auf jeden Fall im 2. Absatz das Wort „solche" nicht
gesetzt. Diese Auffassung wird bestärkt durch Mitt. No. 16, S. 18, oben
und Sten. Bull. XVI, S. 635.
80) Näheres hierüber folgt auf S. 68.
48
bigers dienen soll. Hieraus folgt zwingend, dass es sich um ein
blosses Sicherungspfandrecht für eine zum voraus bestimmte
Forderung handelt, deren Existenz dem Grundbuchamt nachge¬
wiesen werden muss. Die Errichtung eines Schuldbriefes oder ei¬
ner Gült könnte nur zugelassen werden, wenn im Pfandtitel der
Kostenanteil als solcher bezeichnet würde. Dies widerspräche
aber der Bestimmung von 855. Umgekehrt ginge man damit
über die Bestimmung von 820 hinaus, wenn man einen gesetz¬
lichen Anspruch des Eigentümers auf Begründung einer (ab¬
strakten) Wertpapierforderung mit Grundpfandrecht (Schuld¬
brief oder Gült) anerkennen würde.»81) Nach Rössel und Men¬
tha (No. 1514) kann das Bodenverbesserungspfandrecht auch
die Form des Schuldbriefes oder der Gült haben, sofern es sich
um subventionierte Meliorationen handelt; bei den nicht sub¬
ventionierten Meliorationen dagegen ist nur die Grundpfandver-
schreibung zulässig wegen der obligatorischen Amortisation.
Auch Tanner82) sieht auf Grund der in der Melioration be¬
gründeten Ertragswertsteigerung des Bodens eine Möglichkeit
zur Vergültung der subventionierten Meliorationen. Nach un¬
serer Ansicht spricht die Einreihung der Art. 820 und 821 in
den allgemeinen Abschnitt über das Grundpfandrecht dafür,
dass bei der Aufstellung des ZGB die Grundpfandverschreibung
nicht als einzig mögliche Art des Bodenverbesserungspfand¬
rechtes betrachtet wurde, sonst wären diese Artikel wohl in
den speziellen Abschnitt über die Grundpfandverschreibung ein¬
gereiht worden. Immerhin ist zuzugeben, dass für die Trag¬
weite einer gesetzlichen Bestimmung ihre Stellung im System
des Gesetzes nicht ohne weiteres entscheidend ist.83)
5. Umfang des Pfandrechtes.
Massgebend für die zulässige Belastung eines meliorierten
Grundstücks durch das privatrechtliche Bodenverbesserungs¬
pfandrecht ist der auf das Grundstück entfallende Kostenanteil.
Da eine nähere Angabe über die Beschaffenheit des Kostenan-
81) Vergl. auch, im Resultate übereinstimmend, Guhl, JZ 11, S. 35.
82) Tanner, S. 50.
83) Da wir in der Folge für alle Bodenverbesserungspfandrechte die
obligatorische Amortisation der Pfandschuld verlangen, so ist bei Er¬
füllung unserer Forderung überhaupt nur die Grundpfandverschreibung
möglich. Wir treten daher auf diese Frage nicht näher ein.
49
teils fehlt, so kann angenommen werden, dass es sich um den
gesamten vom Melioranten zu deckenden Anteil an den Melio¬
rationskosten handelt, also um die Baukosten und die Kosten
der landwirtschaftlichen Ergänzungsarbeiten, soweit sie der
Kontrolle der mitwirkenden Behörden zugänglich sind. Da die
landwirtschaftlichen Ergänzungsarbeiten in der Regel aus den
laufenden Betriebseinnahmen sofort gedeckt werden, so wird
sich der zu sichernde Kostenanteil meistens nur auf den durch
die Subventionen nicht gedeckten Teil der Baukosten erstrecken.
Für den Beitrag, den die Kantone und der Bund an die Boden¬
verbesserungen leisten, kann nämlich nach Wortlaut und Zweck
des Art. 820 ZGB kein Vorzugspfandrecht errichtet werden.84)Bei subventionierten Unternehmen kann der ganze, vom
Grundeigentümer zu deckende Kostenanteil, bei nicht subven¬
tionierten Unternehmen nur zwei Dritteile davon, durch das
Bodenverbesserungspfandrecht gesichert werden.
6. Eintragung des Pfandrechtes.
Die Eintragung des Pfandrechtes nach Art. 820 und 821
ZGB erfolgt nur auf Anmeldung des Eigentümers des melio¬
rierten Grundstücks hin. Der Gläubiger kann die Eintragungnicht von sich aus, sondern nur mit Ermächtigung des Eigen¬tümers erwirken. Die Eintragung erfolgt auf eine Bescheini¬
gung der zuständigen Behörde über die Höhe des auf das Grund¬
stück entfallenden Kostenanteils (GBVo, Art. 21, Abs. 1). Bei
Bodenverbesserungen, die ohne staatliche Subvention durchge¬führt werden, kann diese Bescheinigung von der mit der Durch¬
führung des Unternehmens betrauten Kommission oder von der
Leitung des Unternehmens ausgestellt werden, oder es ist die
Einwilligung sämtlicher am Grundstück dinglich Berechtigtenoder eine Verfügung des Richters erforderlich (GBVo, Art. 21,Abs. 2).85)
Das Pfandrecht kann nicht nur zugunsten des ursprüngli¬chen Gläubigers der Kostenforderung d. h. des Unternehmers,sondern auch zugunsten desjenigen bestellt werden, der dem
Eigentümer den Kostenbetrag vorgestreckt oder den Gläubiger
«0 Vergl. Sten. Bull. XVI, S. 634 und 635.
*6) Wir kommen auf diese Bestimmungen noch zurück. Vergl. S. 80.
50
befriedigt hat, sofern die Identität der Forderung dargetan wird
(vergl. Leemann, 820, No. 18).
Nach der Eintragung des Pfandrechtes hat der Grundbuch¬
verwalter allen denjenigen, die aus einem auf demselben Grund¬
buchblatt eingetragenen Grundpfandrecht oder aus einer Grund¬
last berechtigt sind, unverzüglich von der Eintragung eines sol¬
chen Pfandrechtes für Bodenverbesserungen Kenntnis zu geben
und dessen Errichtung auf denjenigen Pfandtiteln anzumer¬
ken, in denen das Grundstück als Pfand haftet (GBVo, Art. 49,
Abs. 3). Ebenso ist von der spätem Löschung des Pfandrech¬
tes in den Pfandtiteln Vormerk zu nehmen (GBVo, Art. 68).
Für die Eintragungen der Bodenverbesserungspfandrechte
dürfen nach Art. 954, Abs. 2 keine Gebühren erhoben werden.
Leemann (820, No. 11) vertritt die Ansicht, dass die Ein¬
tragung des Pfandrechtes nach Art. 820/21 ZGB erst nach der
Durchführung der Bodenverbesserung erfolgen kann. Die Ein¬
tragung des Pfandrechtes für künftige, auf Grund des Kosten¬
voranschlages berechnete Kosten ist nach Leemann nur mit
Einwilligung sämtlicher am Grundstück dinglich Berechtigten
zulässig. Nach der Auffassung von Dr. Brunner dagegen ist
dieser Standpunkt zu formalistisch, da ausdrückliche bezügliche
Bestimmungen fehlen.86)
7. Tilgung der Pfandschuld und Untergang des Pfandrechtes.
Das privatrechtliche Bodenverbesserungspfandrecht besteht
bei subventionierten Meliorationen ohne gesetzlichen Tilgungs¬
zwang. Bei den nicht subventionierten Meliorationen dagegen
muss die Pfandschuld durch Annuitäten von wenigstens fünf
Prozent der eingetragenen Pfandsumme getilgt werden.87) Ist
die Pfandschuld getilgt, so hat der Eintrag des Pfandrechtes
jede rechtliche Bedeutung verloren, und der Belastete hat nach
Art. 826 ZGB das Recht vom Gläubiger zu verlangen, dass er
die Löschung des Eintrages bewillige. Bei den nicht subven¬
tionierten Meliorationen erlischt das Pfandrecht für jede An¬
nuität nach Ablauf von drei Jahren seit deren Verfall, sofern
der Gläubiger nicht vor Ablauf dieser Frist das Pfandverwer-
86) ZBJV, 1923, S. 110. Vergl. hiezu unten, S. 65/66 und 71.
87) Näheres über die Beschaffenheit der Annuität folgt auf S. 72 ff.
51
tungsbegehren gestellt hat. Mit Ablauf von 23 Jahren erlischt
hier somit das Pfandrecht für die ganze Forderung, ohne Rück¬
sicht darauf, ob und inwieweit die Forderung getilgt ist. Sobald
das Pfandrecht erloschen ist, rücken in allen Fällen die nachge¬
henden Pfandgläubiger nach. Durch das Bodenverbesserungs¬
pfandrecht wird also keine feste Pfandstelle geschaffen.88)
§ 5. Wesen des öffentlich-rechtlichen Boden¬
verbesserungspfandrechtes.A. Allgemeines.
1. Gesetzliche Grundlagen.
Der Art. 836 ZGB bestimmt, dass die gesetzlichen Pfand¬
rechte des kantonalen Rechtes aus öffentlich-rechtlichen oder
andern für die Grundeigentümer allgemein verbindlichen Ver¬
hältnissen, wo es nicht anders geordnet ist, zu ihrer Gültigkeit
keiner Eintragung bedürfen. Aus diesem Artikel erhellt die
Befugnis der Kantone, Forderungen aus öffentlich-rechtlichen
oder andern für die Grundeigentümer allgemein verbindlichen
Verhältnissen durch ein gesetzliches Pfandrecht sicherzustel¬
len. Nach Wieland (836, No. 2) und Leemann (836, No. 7) ge¬
hören die von den Kantonen geschaffenen Pfandrechte für die
Beitragsforderungen der Meliorationsgenossenschaften zu den
im Art. 836 ZGB genannten Pfandrechten. Wir schliessen uns
dieser Auffassung an, da ja alle Rechtssätze, die die Durch¬
führung öffentlicher Meliorationen ordnen, dem öffentlichen
Recht angehören (Vergl. S. 7).
Rössel und Mentha (No. 1552) glauben dagegen, dass die
Pfandrechte bei Bodenverbesserungen durch die Art. 820 und
821 ZGB abschliessend geregelt seien. Sie schenken aber of¬
fenbar dem Umstand nicht genügend Beachtung, dass bei öf¬
fentlichen Meliorationen zwischen der Bank und dem einzelnen
Grundeigentümer die Meliorationsgenossenschaft steht, die wohl
Schuldner des Meliorationskredites sein kann, dagegen nicht
Grundeigentümer ist und somit kein Bodenverbesserungspfand¬recht nach Art. 820 und 821 ZGB eintragen lassen kann.
Brunner (ZBJV S. 106) zweifelt überhaupt daran, dass den
Kantonen das Recht zukommt, besondere Bodenverbesserungs-
88) Leemann, 821, No. 3—7; 820, No. 13.
52
Pfandrechte zu schaffen. Er scheint aber zu übersehen, dass
die öffentlichen Meliorationen nicht «durch die Statuten der
Flurgenossenschaft oder blosse Beschlüsse einer bestimmten
Anzahl Grundeigentümer, wo das Gebiet auf eine relativ kleine
Bodenfläche beschränkt ist, freiwillig privatrechtlich geschaffen
werden», sondern nur auf Grund der öffentlich-rechtlichen Be¬
stimmung des Art. 703 ZGB oder der noch weiter gehenden ent¬
sprechenden kantonalen Bestimmungen bei ausdrücklicher Ge¬
nehmigung durch den Regierungsrat entstehen können. Für
die privaten Meliorationen dagegen kommt das öffentlich-recht¬
liche Bodenverbesserungspfandrecht selbstverständlich nicht in
Frage.
2. Übersicht über die kantonalen Bestimmungen.
Die Kantone haben vom Recht ein öffentlich-rechtliches
Bodenverbesserungspfandrecht zu schaffen in verschiedener
Art Gebrauch gemacht:
1. Einzelne Kantone haben ein reines gesetzliches Pfandrecht
geschaffen, das mit der Meliorationsforderung entsteht, näm¬
lich Luzern (3a, § 103 rev.), Ni dw aid en (7a, § 152),Graubünden (18a, Art. 140, IV), Thurgau (20a,
§ 105, c) T e s s i n (21a, Art. 183,3) und Neuenburg (24a,Art. 99, 4).
2. Viele Kantone haben den Meliorationsgenossenschaftenlediglich einen gesetzlichen Anspruch auf Eintragung eines
Pfandrechtes erteilt. Dieser Anspruch ist vom Willen des Eigen¬tümers des belasteten Grundstücks unabhängig. Einen solchen
Auch im Kanton Neuenburg steht das Vorzugsrecht zunächst
nur dem Staat und den Gemeinden zu, und zwar nur für Mehr¬
wertsbeiträge bei öffentlichen Entsumpfungen (24a, Art. 99,
4). Die Meliorationsgenossenschaften sind dort aber insoweit
geschützt, als sie sich nach Art. 76 EG durch ihre Statuten
das Recht geben können, ein Pfandrecht auf die beteiligten
Grundstücke eintragen zu lassen, um die Bezahlung der
Beiträge sicherzustellen. In diesem Art. 76 wird in Klam¬
mern zwar auf Art. 820 und 821 ZGB verwiesen, offensichtlich
aus Irrtum, denn das Pfandrecht nach 820/21 ZGB kann ja nur
vom Eigentümer, nicht aber vom Gläubiger, hier also der Melio¬
rationsgenossenschaft, eingetragen werden. Die gleiche irrtüm¬
liche Verweisung finden wir auch im Art. 93 des bernischen EG.
Hier kann mit absoluter Sicherheit angenommen werden, dass
die Verweisung irrtümlich ist, denn Art. 109 EG räumt der
Flurgenossenschaft ein Vorzugspfandrecht ein, das allen,
nicht nur allen eingetragenen Belastungen (wie es Art. 820 ZGB
vorsieht) im Range vorgeht. Die irrtümliche Verweisung ist
übrigens in den Entwürfen, die der Grosse Rat behandelte, gar
nicht enthalten gewesen, sondern erst nachträglich von der
Redaktionskommission eingefügt worden.100)Schliesslich sei noch erwähnt, dass im Kanton Genf (25 b,
Art. 22, 2 ; 25 c, Art. 27, 2) die Meliorationsgenossenschaft den
wo) vergl. MSchrBV, 1922, S. 427, Entscheid 159.
58
Gläubiger, der die Mittel für die Ausführung der Arbeiten ge¬
liefert hat, ganz oder teilweise in ihre Rechte eintreten lassen
kann. Da das Pfandrecht als akzessorisches Recht für sich
allein nicht abgetreten werden kann, ist ein solcher Eintritt
rechtlich nur in der Weise möglich, dass die Meliorationsgenos¬
senschaft ihre Beitragsforderungen an die Bank, die das Me¬
liorationskapital vorgestreckt hat, zediert, womit das Pfandrecht
ohne weiteres übergeht (vergl. Leemann, Art. 835, No. 1 ff;
OR Art. 170, Abs. 1).
3. Rang des Pfandrechtes.
Die Rangordnung der gesetzlichen Pfandrechte unter sich
und gegenüber den übrigen Belastungen wird durch das kan¬
tonale Recht bestimmt.1 ) Bei den öffentlich-rechtlichen Bo¬
denverbesserungspfandrechten gilt als Regel, dass sie mit den
übrigen gesetzlichen Pfandrechten, z. B. den Pfandrechten für
Staats- und Gemeindesteuern, öffentlichen Abgaben und Ge¬
bühren, im gleichen Range stehen und allen eingetragenen Be¬
lastungen im Range vorgehen. Im Kanton Bern dagegen geht
das gesetzliche Pfandrecht für Bodenverbesserungen überhauptallen Grundpfandrechten vor (2a, Art. 109). Im Gegensatzhiezu folgen im Kanton Solothurn die öffentlich-rechtlichen
Bodenverbesserungspfandrechte im Range den übrigen, ohne
dieses erst mit der Streichung des Eintrages, die der Berechtigtenach der Tilgung der Pfandschuld veranlasst oder der Belastete
auf Grund von Art. 826 ZGB verlangt hat. Eine Abweichungvon dieser Regel besteht bekanntlich (vergl. S. 56/57) in den
Kantonen Luzern, Thurgau und Waadt. Durch den Untergangeines öffentlich-rechtlichen Bodenverbesserungspfandrechtesentsteht in Abweichung vom allgemeinen Fall bei Grundpfand¬rechten (Art. 814 ZGB) keine freie Pfandstelle, über die der
Eigentümer verfügen könnte.100)
i<") Vergl. z. B. Oirsberger, S. 69.
Ms) MSchrBV, 1922, S. 425.
io6) Vergl. Leemann, 813 und 814, No. 10 und 63.
61
III. Beurteilung der Bodenverbesserungs-pfandrechte.
§ 6. Grundlagen für die Beurteilung.Um einen Masstab für die Beurteilung der Bodenverbes¬
serungspfandrechte zu erhalten, müssen wir untersuchen, wel¬
ches die berechtigten Forderungen sind, die die Hauptinteres¬
senten an die Bodenverbesserungspfandrechte stellen können.
Als Hauptinteressenten betrachten wir :
1. Die Meliorationsgläubiger, die das Geld zur Ausführung der
Melioration leihen (Banken) oder die Melioration ausführen
(Unternehmer) oder ausführen lassen (Meliorationsgenossen¬
schaften) ,
2. die nachgehenden Grundpfandgläubiger und
3. die Melioranten, d. h. die Eigentümer der meliorierten Grund¬
stücke.
A. Forderungen der Meliorationsgläubiger.Die Meliorationsgläubiger verlangen für das Bodenver¬
besserungspfandrecht einen derartigen Vorrang, dass das Dar¬
lehen bezw. die Kostenforderung zweifelsfrei sichergestellt ist.
Die grösstmögliche Sicherheit bietet ein Grundpfandrecht dann,
wenn es im Range allen andern Belastungen, sowohl den einge¬
tragenen, als auch den gesetzlichen, ohne Eintragung bestehen¬
den, vorangeht. Bei den letztern handelt es sich teils um ver¬
hältnismässig unbedeutende Forderungsbeträge, die regel¬
mässig eingezogen werden und sich daher nicht anhäufen,
teils um Forderungen für Auslagen, die zur Verhütung einer
Verschlechterung der Pfandsache gemacht wurden und somit
im Interesse aller Pfandgläubiger liegen (Leemann, S. 661).
Eine merkliche Schmälerung der Sicherheit des Meliorations¬
darlehens tritt daher nicht ein, wenn das Bodenverbesserungs¬
pfandrecht diesen gesetzlichen Pfandrechten im Range gleich¬
gestellt oder sogar unmittelbar nachgestellt wird. Unter der
Bedingung, dass es den eingetragenen Belastungen vorangeht,bietet es also dem Meliorationsgläubiger beinahe die grösst-
62
mögliche Sicherheit für sein Darlehen oder seine Kostenforde¬
rung. Mehr kann der Meliorationsgläubiger vom Range des
Bodenverbesserungspfandrechtes billigerweise nicht ver¬
langen.107)
B. Forderungen der nachgehenden Grundpfandgläubiger.Die nachgehenden Grundpfandgläubiger haben ein Recht
darauf, dass sie durch den Vorrang des Bodenverbesserungs¬
pfandrechtes materiell nicht geschädigt werden. Die Integri¬
tät ihrer bereits vorhandenen Pfandrechte kann entweder durch
fein abgewogene, aber komplizierte zivilrechtliche Normen oder
durch verwaltungsrechtliche Vorschriften gewahrt werden.100)
Die zivilrechtlichen Kautelen bestehen darin, dass die Meliora¬
tionsforderung den Pfandvorzug nur in soweit geniesst, als der
wirklieh entstandene Wertzuwachs reicht und dass eventuell
daran auch noch eine verhältnismässige Kürzung stattfindet,
falls das exekutive Meistgebot den wahren Wert des Grund¬
stücks nicht erreicht. Auf diesem Wege werden also die bereits
eingetragenen Gläubiger ebenso gegen die Gefahr des Miss-
lingens der geplanten Melioration, wie gegen die Gefahr eines
Mindererlöses bei der Exekution, durch zivilrechtliche Be¬
schränkungen des Umfanges des Pfandprivileges geschützt
(vergl. die französischen Gesetze). Das gleiche Ziel kann auch
durch verwaltungsrechtliche Kautelen angestrebt werden. Dem
Meliorationsgläubiger wird dabei für das gesamte vor¬
gestreckte Kapital die Priorität eingeräumt, aber nur dann,
wenn im konkreten Fall behördlich konstatiert wurde, dass eine
Gefährdung der altern Hypothekarrechte nicht zu befürchten
sei. Die für eine solche Konstatierung erforderliche Unter¬
suchung und Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse muss
107) Der Vorrang des Bodenverbesserungspfandrechtes bietet dem Melio¬
rationsgläubiger zwar nur dann eine einwandfreie Sicherung seines Dar¬
lehens oder seiner Leistung, wenn der Wert des meliorierten Grundstücks
größer ist als die Pfandsumme. Es ist aber überflüssig, diese Bedingungan das Bodenverbesserungspfandrecht zu knüpfen, da, wie wir gleichsehen werden, mit Rücksicht auf die nachgehenden Grundpfandgläubiger
verlangt werden muß, daß nicht nur das meliorierte Grundstück, sondern
der von der Melioration erzeugte Mehrwert allein schon größer sein muß,
als die Pfandsumme des Vorzugspfandrechtes.
"s) Schiff, Agrarpolitik, S. 470.
63
sachverständigen Verwaltungsorganen übertragen sein (vergl.
die österreichischen Gesetze). Bei den Eodenverbesserungs-
pfandrechten der Schweiz wurde der letztere Weg eingeschlagen.Wir müssen daher feststellen, welche verwaltungsrechtlichen
Kautelen nötig sind, um die am Pfände bereits beteiligten
Gläubiger vor Schaden zu bewahren.
Die Pfandrechte, die vor der Durchführung einer Meliora¬
tion auf ein Grundstück eingetragen waren, sind nur dann durch
ein privilegiertes Bodenverbesserungspfandrecht nicht gefähr¬
det, wenn die Garantie besteht, dass bei einer eventuellen Pfand¬
verwertung der Mehrerlös infolge der Melioration gleich oder
grösser ist, als der durch das Vorzugspfandrecht gesicherte
Betrag. Die Grösse dieses Mehrerlöses hängt vor allem vom
tatsächlichen Erfolg der Melioration ab. Dieser kann nicht mit
absoluter Sicherheit voraus bestimmt werden, dagegen kann
durch die Rentabilitätsberechnung festgestellt werden, ob nach
menschlicher Voraussicht ein Mehrwert des Grundstücks ein¬
treten wird oder nicht. Die Garantie für einen Mehrerlös kann
daher durch das Verwaltungsrecht nur soweit gegeben werden,
als das Gesetz ein Bodenverbesserungspfandrecht nur dann zu-
lässt, wenn der durch sachverständige Verwaltungsorgane be¬
rechnete voraussichtliche Mehrwert des zu verbessernden Grund¬
stücks grösser ist, als der sicherzustellende Betrag und dieser
Mehrwert während der ganzen Dauer des Pfandrechtes voraus¬
sichtlich vorhanden sein wird. M. a. W. ein Bodenverbesse¬
rungspfandrecht darf nur für zweifellos rentable Meliorationen
bestehen und nur so lange, als die Rentabilität voraussichtlich
erhalten bleibt.
Es genügt zur Sicherung der nachgehenden Grundpfand¬
gläubiger also nicht, dass sich auf Grund des Projektes eine
voraussichtliche Rendite ergibt, sondern es muss durch behörd¬
liche Mitwirkung und gesetzliche Bestimmungen auch dafür
gesorgt werden, dass die Voraussetzungen, an die die Rentabili¬
tät geknüpft ist, tatsächlich auch vorhanden sein werden. Um
ein Misslingen der Melioration und eine Kostenüberschreitungzu verhindern, muss das Projekt und insbesondere der Kosten¬
voranschlag technisch richtig sein, und die Ausführung der Ar¬
beiten muss plangemäss erfolgen. Auch muss selbstverständ-
64
lieh dafür gesorgt werden, dass das.entlehnte Kapital nicht zu
andern, der Melioration fremden Zwecken verwendet wird und
dass die Pfandsumme nicht grösser ist, als der der Rentabilitäts¬
berechnung zu Grunde gelegte Betrag des Meliorationskapitales.
Damit sich ferner der Nutzen und damit die Rentabilität
nicht vermindert, muss die Melioration unterhalten werden. So¬
weit es sich um die Unterhaltsarbeiten handelt, die der
Eigentümer auf seinem Grundstück vornehmen kann, bieten
die Art. 808 und 809 ZGB den Grundpfandgläubigern genügende
Sicherungsbefugnisse, um sich gegen Schaden aus Nichtaus¬
führung der Unterhaltsarbeiten zu schützen. Bei den ge¬
nossenschaftlichen Meliorationen aber gibt es Unterhalts¬
arbeiten, die Sache der Genossenschaft sind und für deren Aus¬
führung die einzelnen Grundeigentümer nicht verantwortlich
gemacht werden können (Unterhalt der gemeinsamen Wege,
Kanäle, Sammler, Hauptzuleiter usw.). Wird das Grundpfand
aus Nichtausführung solcher Unterhaltsarbeiten im Wert
vermindert, dann fehlen den Grundpfandgläubigern die Mittel,
um sich schadlos zu halten, vorausgesetzt, dass der Eigentümerdie nötigen Schritte getan hat, um die Genossenschaft zur Aus¬
führung der notwendigen Unterhaltsarbeiten zu veranlassen.
Im Interesse der Grundpfandgläubiger müssen wir daher for¬
dern, dass das Bodenverbesserungspfandrecht nur für solche
genossenschaftliche Meliorationen zulässig ist, bei denen eine be¬
hördliche Unterhaltsaufsicht alle Garantie für guten Unter¬
halt der Arbeiten bietet.
Wertverminderungen des Grundpfandes, die sich als Alters¬
erscheinung der Melioration erweisen, können dem Eigentümernicht zur Last gelegt werden. Sie geben daher den Grund¬
pfandgläubigern nur insoweit ein Recht auf Sicherstellung oder
Abzahlung der Schuld, als der Eigentümer für den Schaden
gedeckt ist (Art. 810, I, ZGB). Da die Meliorationen nicht
versichert werden können, so haben sich die Grundpfandgläu¬
biger regelmässig in die Wertverminderung zu fügen. Aus
diesem Grunde muss das Pfandrecht vor dem Eintreten der
Alterserscheinungen auf alle Fälle getilgt werden.
Die Tilgungsdauer muss einerseits so gross sein, dass die
Ertragssteigerung mindestens die laufenden Kosten deckt, da-
65
mit der Meliorant die Annuitäten nicht aus dem Betriebskapital
bezahlen muss. Anderseits darf mit Rücksicht auf die nach¬
gehenden Pfandgläubiger das Pfandrecht nur solange dauern,
als die berechnete Rentabilität voraussichtlich vorhanden sein
wird. Unsere Landwirte sind im allgemeinen gegen langfristige
Darlehen.109) Die Tilgungsdauer für Meliorationsdarlehen be¬
trägt in der Schweiz selten über 12 Jahre, in der Regel nur
5—10 Jahre. Die Dauer, während der mit einer unverminderten
Rentabilität gerechnet werden kann, lässt sich nicht allgemein
angeben. Nach den bisherigen Erfahrungen kann aber selbst
bei den relativ rasch vergänglichen Drainagen mit einer unver¬
änderlichen Wirkung von mehreren Jahrzehnten gerechneb
werden.110) Wenn wir daher die zulässige Gültigkeitsdauer eines
Bodenverbesserungspfandrechtes auf etwa 20 Jahre be¬
schränken, so sind damit sowohl die Interessen der Melioranten,
als auch der nachgehenden Grundpfandgläubiger gewahrt.
C. Forderungen der Melioranten.
Die Melioranten fordern vom Bodenverbesserungspfandrecht,dass es ihnen ermöglicht, ohne weitern Kredit oder andere
Mittel, den notwendigen Meliorationskredit zu niedrigem Zins-
fuss sicherzustellen. Diese Forderung kann nur erfüllt werden,
wenn die Meliorationsgläubiger für ihre Darlehen oder'Kosten¬
forderungen absolut gesichert sind. Die Erfüllung dieser For¬
derung hat aber nur dann einen Zweck, wenn nicht zugleich
die nachgehenden Grundpfandgläubiger geschädigt werden,
denn sonst besteht die Gefahr, dass sie die im Rang zurück¬
versetzten Hypotheken kündigen. Die erwähnten Forderungen
der Melioranten decken sich also mit denjenigen der Meliora¬
tionsgläubiger und der nachgehenden Grundpfandgläubiger.Für die Melioranten ist aber auch der Zeitpunkt der Entstehung
und der Umfang des Bodenverbesserungspfandrechtes von
grösster Bedeutung.
Das privatwirtschaftliche Bodenverbesserungspfandrechtnützt dem mittel- und kreditlosen Grundeigentümer nur dann
i°8) Blatter, S. 30 ff.
Girsberger, S. 75.
n°) Fluck,S. 292.
66
etwas, wenn es vor dem Baubeginn bestellt werden kann und
wenn es ihm gestattet, das gesamte zu entlehnende Baukapital
sicherzustellen. Der vorsichtige Bauunternehmer wird sich
nämlich hüten, für den mittel- und kreditlosen Grundeigen¬
tümer eine Melioration auszuführen, wenn ihm dieser nicht
kurzfristige Abschlagszahlungen gewährt. Der Bauunter¬
nehmer hat zwar für seine Leistungen einen Anspruch auf das
Zusammenfassend stellen wir also folgende Forderungen an
die Bodenverbesserungspfandrechte :
1. Rang. Die BodenVerbesserungspfandrechte müssen den
eingetragenen Belastungen im Range vorgehen.
111) Vergl. Brunner, ZBJV, 1923, S. 112 und 113.
67
2. Behördliche Mitwirkung. Die Bodenverbesse¬
rungspfandrechte dürfen nur für solche Meliorationen zu
Recht bestehen, bei denen durch sachverständige Behörden
festgestellt wird:
a) dass voraussichtlich privatwirtschaftliche Rentabilität
besteht,
b) dass die Projektierung (namentlich auch der Kosten¬
voranschlag) sowie die Ausführung technisch richtig er¬
folgen und das entlehnte Kapital nicht zu andern, der
Melioration fremden Zwecken verwendet wird,
c) dass der Unterhalt ordnungsgemäss erfolgt.
3. Zeitpunkt der Entstehung. Die Bodenverbesse¬
rungspfandrechte müssen zu Beginn der Ausführungsar¬beiten zu Recht bestehen.
4. Dauer. Die Dauer der Bodenverbesserungspfandrechtesoll auf etwa 20 Jahre beschränkt sein.
5. Umfang. Der Umfang der Bodenverbesserungspfand¬rechte soll nicht unter die tatsächlichen Kostenanteile be¬
schränkt werden und darf sich höchstens auf das voraus¬
sichtliche Meliorationskapital erstrecken.
§ 7. Beurteilung des privatrechtlichen Boden-
verbesserungspfandrechtes.
A. Rang des Pfandrechtes.
Das Bodenverbesserungspfandrecht nach Art. 820 und 821
ZGB geht den übrigen eingetragenen Belastungen vor; es er¬
füllt also unsere Forderung bezüglich des Ranges. Wenn die
Meliorationsgläubiger trotzdem andere Sicherheitsleistungen
(Bürgschaft, Solidarhaft usw.) dem absolut sichern Boden¬
verbesserungspfandrecht vorziehen, so schreiben wir dies dem
Umstände zu, dass die Meliorationsgläubiger in der Regel gleich¬
zeitig Gläubiger gewöhnlicher Grundpfandrechte sind. Als
Meliorationsgläubiger anerkennen sie die grosse Sicherheit des
68
Bodenverbesserungspfandrechtes, aber als Grundpfandgläubigerim allgemeinen sind sie gegen das Bodenverbesserungspfand¬recht eingenommen, da es ihre übrigen Grundpfandrechte im
Range zurückversetzt.
B. Behördliche Mitwirkung.
Wie wir bereits erwähnten (S. 47), ist nach Leemann u. a.
für die Errichtung eines Pfandrechtes nach Art. 820 und 821
ZGB nicht vorausgesetzt, dass das Grundstück durch die
Bodenverbesserung tatsächlich im Werte erhöht worden ist.
Entscheidend ist ausschliesslich, dass die Bodenverbesserungunter Mitwirkung öffentlicher Behörden durchgeführt wurde.
Ist diese Voraussetzung erfüllt, so ist damit die unwiderlegliche
Präsumption begründet, dass eine Wertvermehrung eingetretenist. Die Frage, ob und in welchem Masse dies wirklich der Fall
ist, scheidet daher völlig aus (Leemann, 820, No. 9). E. Curti
(820, No. 4) dagegen hält dafür, dass im Streitfall der Richter
zu entscheiden habe, ob und in welchem Masse das Grundstück
durch die Melioration im Werte erhöht wurde. Nach Curti ist
also die Zulässigkeit und der Umfang des privatrechtlichen
Bodenverbesserungspfandrechtes von der tatsächlichen Wert¬
erhöhung abhängig. Die abweichende Auffassung von Leemann
und Curti beruht offenbar auf der verschiedenen Auslegungdes einleitenden Nebensatzes von Art. 820 ZGB.
Leemann scheint den Nebensatz «Wird ein....
Grundstück ....'
durch eine Bodenverbesserung ....im Werte erhöht» etwa im
folgenden Sinn aufzufassen: «Wird auf einem Grundstück eine
Bodenverbesserung ausgeführt, die den Wert des Grundstückes
voraussichtlich erhöhen wird» oder etwa «Wird auf einem
Grundstück eine voraussichtlich rentable Bodenverbesserungausgeführt». Diese Auslegung entspricht nach unserer Ansicht
der Absicht des Gesetzgebers. Aus den Verhandlungen der
eidg. Räte geht nämlich hervor, dass das Pfandrecht nach Art.
820 und 821 ZGB nur für rentable Bodenverbesserungen zu
Recht bestehen sollte und die Garantie hiefür in der Mitwir¬
kung der öffentlichen Behörden, also in der Prüfung des Pro¬
jektes und der Beaufsichtigung der Bauausführung erblickt
69
wurde.112) Von einer Prüfung der tatsächlich eingetretenen
Werterhöhung nach der Durchführung des Werkes war in den
Verhandlungen nie die Rede. Nach dem französischen und dem
ihm wörtlich entsprechenden italienischen Text des Art. 820
ZGB aber erscheint die Auffassung von Curti durchaus be¬
gründet. Der Nebensatz «Lorsqu'un immeuble.... a augmenté
de valeur par suite d'une amélioration du sol ....» stellt einen
reinen Bedingungssatz dar, der die Errichtung eines Pfand¬
rechtes ausschliesst für den Fall, dass das Grundstück durch die
Bodenverbesserung im Werte nicht erhöht worden ist.11B) Die
Prüfung, ob eine Werterhöhung tatsächlich stattgefunden hat,
könnte natürlich frühestens nach der Vollendung des Werkes
erfolgen. Da die Mitwirkung der Behörden nach Art. 820 ZGB
nur bei der Durchführung vorgesehen ist, so liegt es nahe, dass
diese Prüfung nur im Streitfalle, und zwar vom Richter vor¬
genommen wird. Darüber aber kann kein Zweifel bestehen,
dass nach dieser Auslegung der Art. 820 ZGB seinen Zweck
nicht erreichen kann. Der mittel- und kreditlose Grundeigen¬
tümer wird nie Meliorationskredit erhalten, solange der Gläu¬
biger riskieren muss, dass das Vorzugspfandrecht trotz be¬
hördlicher Mitwirkung bei der Durchführung der Melioration
später angefochten werden kann.
Nach der erstgenannten Auffassung ist eine Schädigung der
nachgehenden Grundpfandgläubiger nicht ausgeschlossen. Ros-
112) Nat.-Rat Hofmann: „Es handelt sich nicht um jede beliebige Boden¬
verbesserung, sondern um unter behördlicher Mitwirkung durchgefünrteBodenverbesserungen. Dadurch ist eine gewisse Garantie für die richtigeDurchführung und damit auch für die Rendite der Bodenverbesserunggegeben." (Sten. Bull. XVI, S. 634.)
Nat.-Rat Scherrer-Füllemann : „Die vorgeschlagene Neuerung wird dem
Eigentümer nur ermöglichen, rentable Bodenverbesserungen vorzunehmen,und eine Garantie dafür, daß die Bodenverbesserung wirklich rentabel
sei, liegt darin, daß die behördliche Mitwirkung zu derartigen Projektenverlangt wird. Wir haben zum vorneherein unparteiische Organe, welche
die Pläne entwerfen, Kostenvoranschläge aufstellen und welche sich selbst¬
verständlich auch über die Frage der Rentabilität aussprechen werden."
(Sten. Bull. XVI, S. 635.)lu) Nach unserer Ansicht ist also die Übersetzung des (deutschen)
Originaltextes nicht genau. Sie sollte wörtlich lauten: „Lorsqu'un im¬
meuble ...est augmenté de valeur. .
." Nach dem deutschen Texte
bedingt der Nebensatz also eine Handlung, nach dem französischen und
italienischen Text dagegen eine vollendete Tatsache.
70
sel und Mentha rechnen zum vorneherein damit, dass der Mehr¬
wert hie und da nicht vorhanden sei (No. 1514). Diese Gefahr
wird zwar durch eine sachverständige behördliche Beaufsichti¬
gung des Meliorationswesens auf ein Minimum beschränkt. Ob
aber die behördliche Mitwirkung bei der Durchführung der
Bodenverbesserungen, wie sie heute besteht, genügend ist, um
die Rechte der nachgehenden Grundpfandgläubiger zu wahren,müssen wir in Frage stellen. Es ist selbst für sachverständigeBehörden der ungenügenden Berechnungsgrundlagen wegen
sehr schwer, richtige Rentabilitätsberechnungen aufzustellen.
Mehrere Kantone besitzen überhaupt keine sachverständigenBehörden für das Meliorationswesen. So wird in den Kantonen
A.-Rh., Appenzell I.-Rh., Aargau und Tessin der kulturtechni¬
sche Dienst nicht von diplomierten Kulturingenieuren, sondern
von den Kantonsingenieuren, den Forstämtern oder den Ver¬
messungsämtern besorgt.114) Zudem hat kein einziger Kanton
ein Verfahren aufgestellt für die Mitwirkung der Behörden bei
der Durchführung nicht subventionierter privater Bodenver¬
besserungen, trotzdem gerade bei diesen die Errichtung von
privatrechtlichen Bodenverbesserungspfandrechten ganz be¬
sonders wertvoll wäre. Für die Durchführung der subventio¬
nierten privaten und der öffentlichen Meliorationen besteht in
den meisten Kantonen ein Verfahren. Wie wir später noch ge¬
nauer sehen werden (vergl. S. 82), sind aber die Vorschriften
über die Rentabilitätsprüfung, die Bau- und Unterhaltsaufsicht
in der Regel ungenügend, sodass wir uns nicht wundern müssen,dass das privatrechtliche Bodenverbesserungspfandrecht in
manchen Fällen versagt, indem die in den zweiten und dritten
Rang versetzten Hypothekargläubiger ihre Hypotheken kün¬
digen.115) Die Furcht der nachgehenden Grundpfandgläubigerkann nur dadurch beseitigt werden, dass die privatwirtschaft¬liche Rentabilität der Meliorationen in jedem Falle nachge¬wiesen werden muss und dass die Mitwirkung der Behördendurch ein ausführliches Verfahren geregelt wird.
"*) Vergl. Strüby, S. 235.
us) Vergl. Dr. Käppeli und A. König, Landw. Jahrbuch der Schweiz,1924, S. 426.
71
C. Zeitpunkt der Entstehung des Pfandrechtes.
Das privatrechtliche Bodenverbesserungspfandrecht entsteht
nicht von Gesetzes wegen, sondern erst mit der Eintragung ins
Grundbuch. Der Gläubiger wird daher den zur Deckung der
Meliorationskosten dienenden Betrag erst nach der Eintragungdes Vorzugspfandrechtes vorstrecken. Leistet er die Zahlung
vorher, so riskiert er, dass das Pfandrecht infolge Konkurses
des Eigentümers nicht mehr bestellt werden kann.116) Das
gleiche Risiko übernimmt der Unternehmer, der vor der Eintra¬
gung des Pfandrechtes die Arbeiten ausführt (vergl. S. 66).
Da nun nach Leemann die Eintragung erst nach der Vollendungder Arbeiten möglich ist (vergl. S. 50), so muss die Ausführung
der Meliorationen immer dann unterbleiben, wenn der Meliorant
nicht für die Dauer der Bauausführung über anderweitigen
Kredit verfügt. Das privatrechtliche Bodenverbesserungspfand¬
recht, das gerade den mittel- und kreditlosen GrundeigentümernMeliorationskredit verschaffen soll, erreicht in der heutigenForm somit seinen Zweck nicht vollständig. Es muss schon
zu Beginn der Bauarbeiten zu Recht bestehen, wenn es einen
praktischen Wert haben soll. Die Eintragung des Vorzugs¬
pfandrechtes sollte daher auf Grund des behördlich genehmig¬ten provisorischen Kostenverlegers als sog. Maximalhypothek
möglich sein. Dabei wird aber selbstverständlich vorausge¬
setzt, dass die mitwirkende Behörde durch das kantonale Ver¬
fahren gezwungen wird, dafür zu sorgen, dass das Meliorations¬
darlehen nur für die Zwecke der Melioration verwendet wird
und die Abschlagszahlungen an den Bauunternehmer nur nach
Massgabe der geleisteten Arbeit und Materiallieferung ge¬
schehen.
D. Dauer des Pfandrechtes.
In den Beratungen der grossen Expertenkommission schlug
der schweizerische Bauernsekretär Laur zum Schutze der nach¬
gehenden Grundpfandgläubiger vor, die Pfandschuld jährlichmit 10% zu amortisieren. Die nationalrätliche Kommission
machte diesen Vorschlag zu dem ihrigen. In den Beratungen des
Nationalrates aber wurde auf Antrag von Nat.-Rat Ming die
116) Leemann, 820, No. 18.
72
Annuität auf 5% herabgesetzt und auf Antrag von Nat.-Rat
Schobinger bei subventionierten Meliorationen auf eine gesetz¬
liche Amortisation verzichtet. Der letztgenannte Antrag wurde
mit nur 56 gegen 46 Stimmen gutgeheissen, ein Zeichen dafür,
dass die Zweckmässigkeit dieses Vorschlages schon damals
stark bezweifelt worden ist. Schobinger begründete seinen An¬
trag damit, dass durch die Meliorationspriorität wenigstens bei
den subventionierten Meliorationen infolge des entstehenden
Mehrwertes des Pfandes kein Schaden für die nachgehenden
Grundpfandgläubiger entstehen könne und somit die Amortisa¬
tion unbegründet sei. Gleichzeitig verwarf er die Amortisation,
weil die Grundeigentümer nicht imstande seien, die Schuld zu
amortisieren.117) Nach unserer Ansicht ging Nat.-Rat Scho¬
binger hier von zwei nicht allgemein zutreffenden Voraus¬
setzungen aus. Einerseits hatte er besonders die sehr lang dau¬
ernden Flusskorrektionen und Bachverbauungen im Auge und
übersah, dass der grösste Teil der Meliorationen vergänglich
ist und selbst lang dauernde Bodenverbesserungen durch Ver¬
alten wertlos werden können. Sobald aber die Möglichkeit einer
Wertverminderung vorhanden ist, müssen die nachgehenden
Pfandgläubiger durch die zeitliche Beschränkung des Vorzugs¬
pfandrechtes geschützt werden, unbekümmert darum, ob es sich
um subventionierte oder nicht subventionierte Meliorationen
handelt. Sodann übersah Schobinger, dass das privatrechtliche
Bodenverbesserungspfandrecht nur für rentable Bodenverbes¬
serungen in Frage kommen kann. Können die Grundeigen¬tümer die Amortisationsquoten nicht aus dem Ertrage der Me¬
lioration bezahlen, so liegt entweder eine unrentable Meliora¬
tion vor, oder das Amortisationssystem ist unzweckmässig ge¬
wählt. Im ersten Fall hätte das Bodenverbesserungspfandrecht
überhaupt nicht errichtet werden dürfen, und im zweiten Fall
liegt der Fehler nicht an der Amortisation selbst, sondern an
der Art, wie sie vorgenommen wird.
Art. 821 ZGB verlangt bei den nicht subventionierten Melio¬
rationen eine Tilgung der Pfandschuld durch Annuitäten von
wenigstens 5 Prozent. Was soll hier der Begriff Annuität be¬
deuten? Nach Heckel118) versteht man im allgemeinen unter
117) Sten. Bull. XVI, S. 636 ff.
118) Max v. Heckel, Artikel „Annuität" im Hdb. d. St. von Conrad.
73
Annuität eine zur Tilgung und Verzinsung einer Schuld oder ei¬
nes Darlehens vereinbarte jährliche Geldzahlung, die an eine im
voraus bestimmte Zeit gebunden und während dieses Fristver¬
laufes alljährlich zu entrichten ist. Ihrem Inhalte nach ist sie
eine gleichbleibende Zahlung für eine bestimmte Reihe von Jah¬
ren, hat die technische Eigenschaft, dass sie neben der Verzin¬
sung einen aliquoten Teil des dargeliehenen Schuldkapitals als
Tilgungsparzelle in sich begreift und ist daher mit der Wirkung
verbunden, dass durch sie die Schuld verzinst und durch all-
mählige Abtragung der Kapitalteilchen am Ende eines festge¬
setzten Zeitraumes zurückbezahlt wird. Die Annuität stellt
sich meist äusserlich als einheitliches Ganzes dar, involviert
aber im Prinzip Zinsen und Tilgungsquoten. In diesem Sinn
fasst auch Philippovich (II, 1, S. 130) die Annuität der Til¬
gungshypotheken auf. Die Annuität im Hypothekarwesen da¬
gegen ist nach Heckel ein prozentueller Zuschlag, der vom Dar¬
lehensgeber zu dem ausbedungenen Zins erhoben wird und
durch den, bei stets gleich bleibender Jahresleistung, die Til¬
gung der Schulden allmählich erfolgt.
Wäre die Annuität des Art. 821 ZGB im erstgenanntenSinne aufzufassen, so müssten jährlich mindestens 5% der
Pfandsumme für Verzinsung und Tilgung verwendet werden.
Bei einem Zinsfuss von p = 41/2% wäre die Tilgungsquote nur
Wäre die Annuität des Art. 821 ZGB im zweitgenanntenSinne aufzufassen, so müssten bei einem Zinsfuss von 41/2%für die Verzinsung 4%% und für die Amortisation mindestens
5% bezahlt werden. Die Amortisationsdauer wäre dann höch¬
stens
Alog 9,5-log 5 0,978-0,699
d =— ——
=—-—
= lo Jahre.log 1,045 0,019
Das Wort Annuität des Art. 821 ZGB kann nicht die erst¬
genannte Bedeutung haben, da bei einem Zinsfuss von 5 oder
mehr Prozent kein Tilgungszwang mehr bestehen würde. Auch
die zweitgenannte Bedeutung kommt hier, entgegen Blatter
74
(S. 87) nicht in Frage. Diese Tilgungsart war zwar ursprüng¬
lich vom Nationalrat vorgesehen worden.119) Im Ständerat hat
sich aber der Berichterstatter Hoffmann wie folgt über die im
Gesetz vorgesehene Tilgungsart geäussert : «Auf die ursprüng¬
liche Summe abzustellen, liegt im Interesse einer einfachen
Rechnung. Allerdings werden dadurch die Vorzüge des An¬
nuitätssystems, die gerade darin liegen, dass die Abzahlung
während der ersten Jahre nicht am grössten sein darf, weil
dannzumal die Zinsquote ja am grössten ist, nicht erreicht. Aber
die Kommission legte nun einmal hier den Hauptwert auf ein¬
fache Rechnung.»120) Da sich Ständerat Hoffmann als letzter
Redner, und zwar im interpretierenden Sinn über die Tilgung
geäussert hat, so ergibt sich mit Sicherheit, dass der Gesetz¬
geber keine der beiden oben genannten Tilgungsarten gewählt
hat, sondern das von der nationalrätlichen Kommission ur¬
sprünglich vorgesehene Tilgungssystem, wonach sich der jähr¬
lich zu bezahlende Betrag aus mindestens 5 (nach dem Kom¬
missionsvorschlag 10) Prozent der ursprünglichen Pfandsumme
und dem Zins des noch nicht getilgten Betrages der Pfand¬
summe zusammensetzt.121) Die Pfandsumme muss demnach
spätestens nach 20 Jahren getilgt sein.
Wie erwähnt, wurde bereits bei der Beratung des Gesetzes
der Nachteil dieser Tilgungsart erkannt. Da einerseits der
Nutzen als konstant angenommen werden kann oder jedenfallsin den ersten Jahren nach der Durchführung der Melioration
nicht grösser ist als später und anderseits die landwirtschaft¬
lichen Ergänzungsarbeiten, die der Landwirt aus dem Betriebs¬
kredit bezahlen muss, gerade in jene ersten Jahre fallen, so wäre
dem Melioranten durch eine gleichmässig belastende Tilgungs¬art zweifellos besser gedient. Beim Zinsfuss von 4i/2% z. B.
wäre nach der gesetzlichen Tilgungsart für Verzinsung und
Tilgung im ersten Jahre 4,50 + 5,00 = 9,50% und im 20. Jahre
iw) Antrag Nat.-Rat Hofmann, Sten. Bull. XVI, S. 634, unten.
12°) Sten. Bull. XVI, S. 1395.
121) Sten. Bull. XVI, S. 634. Vergl. ebenso Leemann, Art. 821, No. 2;Wieland, Art. 821, Bern. 1; Wyler, Die Amortisationshypothek nach dem
ZQB, 1921, S. 50. Dieser Ansicht haben sich nun auch Rössel & Mentha,2. Aufl., No. 1515, angeschlossen (im Gegensatz zu der in der 1. Auflagevertretenen Auffassung).
75
0,22 + 5,00 = 5,22% der ursprünglichen Pfandsumme als mini¬
male Leistung zu bezahlen. Bei der gleichmässig belastenden
Tilgung dagegen ergebe sich der zu bezahlende Betrag für alle
Jahre der 20-jährigen Tilgungsdauer zu mindestens
p + a = p +^-"=-^- *°°
= 4,50 + 3,19 = 7,69>q'1 — 1
der ursprünglichen Pfandsumme. Dieser Tilgungsart haftet,
wie bereits Ständerat Hoffmann betonte, der Nachteil an, dass
sie rechnerisch kompliziert ist und ferner dass die Abnahme
der Forderung ungleichmässig vor sich geht (Vergl. Tabelle II).
Bei der gesetzlichen Tilgungsart nimmt die Forderung dagegen
regelmässig alle Jahre um einen Zwanzigstel ab. Die Eintra¬
gung der Teiltilgungen ins Grundbuch ist nicht notwendig, da
jedermann aus der Anzahl der seit der Eintragung verflossenen
Jahre mit Leichtigkeit berechnen kann, welchen Betrag das
Pfandrecht höchstens noch sicherstellt. Bei der Tilgung mit
konstanten Verzmsungs- und Tilgungsquoten wäre dies nicht
der Fall. Hier müsste im Interesse der Klarheit über die Be¬
lastungen für jedes Jahr der Tilgungsdauer die grösstmöglichePfandsumme des Bodenverbesserungspfandrechtes im Grund¬
buche angegeben werden. Da einerseits die Übersichtlichkeit des
Grundbuches hiedurch leiden würde und anderseits, infolge der
regelmässig nur 5—10 Jahre betragenden Tilgungsdauer, die
praktischen Tilgungsquoten ohnehin bedeutend grösser sind, als
die Minimalquoten des Gesetzes, so halten wir eine Änderungim gesetzlichen Tilgungsverfahren nicht für notwendig. Uner-
lässlich aber ist eine genauere Fassung des Gesetzestextes, da
der Ausdruck «Annuität», wie wir gesehen haben, durchaus
nicht eindeutig ist.
E. Umfang des Pfandrechtes.
Der erste Vorschlag der nationalrätlichen Kommission sah
vor, dass die Pfandsumme höchstens zwei Dritteile des Kosten¬
anteils betragen dürfe, unbekümmert darum, ob es sich um sub¬
ventionierte oder nicht subventionierte Meliorationen handelt.
In der Diskussion des Nationalrates hat dann aber Nat.-Rat
Hofmann dargetan, dass ein Vorzugspfandrecht, das nur zwei
20 5,00 0,22 w 5,22 0,00 7,36 ii n n 4,17 7,36 100,00 0,00
77
Drittel des Kostenanteils umfasst, ohne praktischen Wert sei.
«Der gut situierte Landwirt kann das fehlende Drittel der
Kosten in irgend einer Weise decken, der Unbemittelte nicht.
Wer Geld oder Kredit hat, kann ohne Vorzugspfand Boden¬
verbesserungen ausführen. Durch die Beschränkung desselben
auf 2/3 wird die Absicht des Gesetzes nicht erreicht, denjenigen
Bodenverbesserungen zu ermöglichen, die sonst darauf verzich¬
ten müssten. Erst wenn das Vorzugspfandrecht für den vollen
Kostenbetrag gewährt wird, steht jedem einzelnen ohne Aus¬
nahme der Vorteil dieser Bestimmung offen.»122) Die Richtig¬keit dieser Argumentierung wurde vom Rate anerkannt und
der Umfang des Pfandrechtes auf den vollen Kostenanteil aus¬
gedehnt, aber nur soweit als es sich um subventionierte Meliora¬
tionen handelt. Für die nicht subventionierten Meliorationen
wurde dagegen auf Antrag von Nat.-Rat Scherrer-Füllemann
die Beschränkung auf 2/3 des Kostenanteils aufrecht erhalten,
trotzdem die Argumentierung Hofmanns ebenso richtig ist für
die nicht subventionierten, wie für die subventionierten Melio¬
rationen.
Scherrer-Füllemann ging bei der Begründung seines An¬
trages davon aus, dass die Garantie für die Rentabilität bei
subventionierten Meliorationen grösser sei, als bei nicht sub¬
ventionierten. Er äusserte sich u. a. wie folgt: «Wir haben
zum vorneherein unparteiische Organe, welche die Pläne ent¬
werfen, Kostenberechnungen aufstellen und welche sich selbst¬
verständlich auch über die Frage der Rentabilität derartiger
BodenVerbesserungen aussprechen werden. Bei denjenigen
Bodenverbesserungen, die mit Subvention des Staates statt¬
finden, haben wir alsdann die weitere Garantie, dass diese Pro¬
jekte durch staatliche Sachverständige überprüft werden, so¬
dass wir nach dieser Richtung eine doppelte Garantie haben,
dass wirklich nur rentable Bodenverbesserungen durchgeführt
werden.»123) Unter den zuerst genannten unparteiischen Or¬
ganen, die die Pläne entwerfen usw., sind offenbar die kan¬
tonalen Kulturingenieure verstanden, während mit den staat¬
lichen Sachverständigen, die die Projekte überprüfen, die eidg.
i22) Sten. Bull. XVI, S. 634. Vergl. auch Sten. Bull. XVI, S. 1395, unten.
«s) Sten. Bull. XVI, S. 635.
78
Aufsichtsbehörde, also die Abteilung für Landwirtschaft des
eidg. Volkswirtschaftsdepartementes gemeint ist. Trifft dies
zu, dann ist die Annahme, dass bei subventionierten Meliora¬
tionen eine doppelte Garantie der Rentabilität bestehe, unbe¬
gründet. Es ist dem fernstehenden eidg. Beamten viel weniger
möglich, eine richtige Rentabilitätsberechnung aufzustellen, als
dem mit dem Meliorationsgebiet vertrauten kantonalen Kultur-
ingenieur% Bei der Überprüfung der Rentabilitätsberechnung
durch den eidg. Beamten kann es sich höchstens um eine for¬
melle Kontrolle handeln. Der Personalbestand der Abteilung
für Landwirtschaft war früher schon und ist heute noch, wie
voraussichtlich auch in Zukunft, viel zu klein, als dass für
sämtliche subventionierten Projekte eine unabhängige Rentabili¬
tätsberechnung aufgestellt werden könnte. Der Bundesrat
äusserte sich selbst wie folgt in seinem Kreisschreiben vom 11.
Mai 1920, in dem er die Vorlage von Rentabilitätsberechnungen
wenigstens für ausserordentlich teure Meliorationen verlangt:
«Diese Untersuchung (der Rentabilität der Bodenverbesse¬
rungen) ist Sache der kantonalen kulturtechnischen Organe, der
Bund verfügt nicht über genügend Personal, um sie selbst vor¬
zunehmen.» Die Gewähr dafür, dass eine Melioration voraus¬
sichtlich rentabel ist, liegt daher nicht darin, dass sie subven¬
tioniert wird, sondern in der gewissenhaften Projektprüfung,
Bau- und Unterhaltsaufsicht durch die kantonalen Kulturinge¬
nieure.
Nach Leemann (820, No. 15) ist die Umfangsbeschränkungdes Bodenverbesserungspfandrechtes bei nicht subventionierten
Meliorationen dadurch begründet, dass die Pfandgläubiger, die
sich das Vorzugspfandrecht vorgehen lassen müssen, grund¬sätzlich nicht schlechter gestellt sein sollen, als in dem Falle,wo der Eigentümer einen Staatsbeitrag, der regelmässig einen
Drittel des Gesamtkostenanteils ausmacht, erhalten hat. Nach
unserer Ansicht kann es aber für den nachgehenden Grund¬
pfandgläubiger ganz gleichgültig sein, ob nur zwei Drittel oder
der ganze Kostenanteil im Range vorgeht, wenn nur der durch
die Melioration hervorgebrachte Mehrwert des Pfandes grösser
ist, als der im Vorrange verpfändete Betrag. Bei ein und der¬
selben Melioration ist der verlangte Mehrwert natürlich eher
79
vorhanden, wenn sie subventioniert wird, als wenn dies nicht
der Fall ist. Nicht selten aber sind Meliorationen nur dann
privatwirtschaftlich noch rentabel, wenn sie unterstützt werden,
währenddem es andere Meliorationen gibt, die ohne Subven¬
tionen einen grossen Mehrwert hervorrufen. Zweifellos bieten
die zweitgenannten Meliorationen die grössere Garantie für die
Integrität der nachgestellten Grundpfandrechte und doch müs¬
sen sie unterbleiben, wenn es dem Grundeigentümer nicht ge¬
lingt, das fehlende Drittel des Kostenanteils aufzubringen. Die
Melioranten sind also in diesem Falle gezwungen, selbst für
höchst rentable Meliorationen Subventionen zu verlangen, einzig
um die ganze von ihnen zu deckende Kostensumme durch das
Vorzugspfandrecht sicherstellen zu können. Diesen Zweck haben
aber die Subventionen nicht. Zudem ist ihre Verabreichung von
der im Budget oder im Gesetz festgelegten Summe für Bodenver¬
besserungen abhängig. Ist dieser Kredit erschöpft, dann ist
der Kanton meistens ausser Stande weitere Subventionen zu ver¬
abfolgen. In denjenigen Kantonen, die die privaten Meliora¬
tionen nicht unterstützen, ist es den mittel- und kreditlosen
Grundeigentümern überhaupt nicht möglich private Me¬
liorationen auszuführen, da sie den durch das Vorzugspfand¬
recht nicht gedeckten Drittel des Kostenanteils nicht sicher¬
stellen können. Es besteht also zwischen dem privatrechtlichen
Bodenverbesserungspfandrecht und den Subventionen an Boden¬
verbesserungen ein Abhängigkeitsverhältnis, das nach unserer
Ansicht unbegründet ist und ursprünglich gar nicht beabsich¬
tigt war. Nach der Ansicht der Initianten des privatrechtlichen
Bodenverbesserungspfandrechtes hätte dieses im Gegenteil
gerade dazu, dienen sollen, die Durchführung nicht subventio¬
nierter Meliorationen zu erleichtern und das Subventionswesen
allmählig durch ein rationelleres Kreditwesen zu ersetzen.124)
Die Frage, ob das Meliorationswesen durch die Verabreichung
von Subventionen à fonds perdu oder durch die Vermittlung
von niedrig verzinslichem Meliorationskredit oder durch beide
Hilfen gleichzeitig am besten gefördert wird, ist noch nicht end¬
gültig entschieden. Trotz der unleugbaren Erfolge des Subven¬
tionswesens wird immer wieder der Wunsch geäussert, die Sub-
124) Prot, S. 260 (Laur).
80
ventionen ganz oder teilweise durch die Vermittlung von bil¬
ligem Meliorationskredit zu ersetzen.126) Auf jeden Fall geht es
nicht an, dass die vom ZGB geschaffene Institution des privat-
rechtlichen Bodenverbesserungspfandrechtes in ihrer Wirkung
von den kantonalen Budgets und Subventionsbestimmungen ab¬
hängig ist. Es ist, wie Nat.-Rat Scherrer-Füllemann ganz rich¬
tig sagte, nicht einzusehen, weshalb die Wohltat des Gesetzes
bloss denjenigen zukommen soll, welche mit staatlichen Sub¬
ventionen den Boden verbessert haben.120)
Wir forderten vom Bodenverbesserungspfandrecht nicht nur,
dass es nicht unter den wirklichen Kostenanteil des Melioran-
ten beschränkt werde, sondern auch dass es sich höchstens auf
das voraussichtliche Meliorationskapital erstrecke. Eine Garan¬
tie hiefür bietet der Art. 21, Abs. 1 GBVo, der als Ausweis für
die Eintragung eines Pfandrechtes bei Bodenverbesserungen,
die unter Mitwirkung oder Aufsicht öffentlicher Behörden zur
Durchführung gelangen, eine Bescheinigung der zuständigen
Behörde über die Höhe des auf das Grundstück entfallenden
Kostenanteils vorschreibt. Würde dagegen die Eintragung
nach Absatz 2 des genannten Artikels auf Grund einer Beschei¬
nigung der mit der Durchführung des Unternehmens betrauten
Kommission oder der Leitung des Unternehmens vorgenommen,
so bestände keine behördliche Garantie für die Erfüllung unserer
Forderung. Da das Bodenverbesserungspfandrecht nach Art.
820 und 821 ZGB aber bekanntlich nur für solche Bodenver¬
besserungen in Frage kommt, die unter behördlicher Mitwir¬
kung zur Durchführung gelangen (Vergl. S. 46/47), so kommt
die zweitgenannte Möglichkeit überhaupt nicht in Betracht. Of¬
fenbar wurde bei der Aufstellung der GBVo der Unterschied
zwischen Subventiomerung und Mitwirkung öffentlicher Be¬
hörden nicht beachtet und irrtümlicherweise angenommen, dass
für die nicht subventionierten Meliorationen auch dann ein Vor¬
zugspfandrecht errichtet werden könne, wenn sie nicht unter
Mitwirkung öffentlicher Behörden zur Durchführung gelangen.
i2.'.) Vergl. Strüby, Zur Revision des Bundesgesetzes betr. die Förde¬
rung der Landwirtschaft, Manuskript, S. 4.
Ferner Dr. Käppeli und A. König, Landw. Jahrbuch der Schweiz, 1924,S. 426/27.
12(i) Sten. Bull. XVI, S. 636.
81
§ 8. Beurteilung des öffentlich-rechtlichen
Bodenverbesserungspfandrechtes.
A. Rang des Pfandrechtes.
In den meisten Kantonen ist die Bedingung, die wir an den
Rang der Bodenverbesserungspfandrechte gestellt haben, er¬
füllt. Nur in den Kantonen Zug, Freiburg und Basel-Land,die den Vorrang nicht ausdrücklich festgelegt haben, trifft dies
nicht zu. Dort geht das öffentlich-rechtliche Bodenverbesse¬
rungspfandrecht allen im Zeitpunkt seiner Entstehung einge¬
tragenen Belastungen nach, denn gleich wie nur der Gesetzgeber
gesetzliche Pfandrechte zu schaffen vermag, so kann auch nur
er diesen Pfandrechten einen privilegierten Rang geben. Daran
ändert die Natur des gesetzlichen Pfandrechtes für öffentliche
Ansprüche niehts, denn dieses Pfandrecht unterscheidet sich
zunächst von den andern Pfandrechten nur durch den Ent¬
stehungsgrund.127)
B. Behördliche Mitwirkung.Das öffentlich-rechtliche Bodenverbesserungspfandrecht
kommt nur bei öffentlichen Meliorationen in Frage. Die Mit¬
wirkung der Behörden an der Durchführung öffentlicher Me¬
liorationen ist in den einzelnen Kantonen nach einem beson¬
deren, durch Gesetz oder Verordnung festgelegten Verfahren
geregelt. Sie erstreckt sich insbesondere auf die Prüfung und
Genehmigung der Projekte, die Bau- und Unterhaltsaufsicht.
In allen denjenigen Kantonen, die das öffentlich-rechtliche
Bodenverbesserungspfandrecht kennen, ist die Prüfung und Ge¬
nehmigung der Projekte Sache des Regierungsrates (Staats¬
rates). Die Genehmigung darf erst erteilt werden, wenn die
Voraussetzungen für eine zweckmässige und gesicherte Aus¬
führung vorliegen und die Kosten des Unternehmens mit seinem
Nutzen im Einklänge stehen (vergl. z. B. 2a, Art. 92) oder,wie die Solothurner Verordnung (IIb, § 4) mit andern Worten
127 ) Leemann, 836, No. 15 ; im Gegensatz zu Wieland, 836, No. 4 und
Rössel & Mentha, No. 1552.
82
sagt, wenn der zu erwartende wirtschaftliche Erfolg in ange¬
messenem Verhältnis zu den Kosten der Ausführung steht. Mit
Bezug auf das öffentlich-rechtliche Bodenverbesserungspfand¬
recht ist es nun von der grössten Wichtigkeit zu wissen, ob die
letztgenannte Bedingung eine genügende Garantie dafür bietet,
dass nur solche öffentliche Meliorationen zur Durchführung ge¬
langen, die privatwirtschaftlich rentabel sind. Wir haben allen
Grund, daran zu zweifeln, da während der Kriegs- und Nach¬
kriegsjahre viele öffentliche Meliorationen von den Kantonen
genehmigt wurden, trotzdem sie zweifellos privatwirtschaftlich
unrentabel waren. Das eidg. Volkswirtschaftsdepartement er¬
wähnt in seinem Kreisschreiben vom 14. Oktober 1920 z. B.,
dass ihm Projekte zur Subventionierung eingereicht wurden,
bei denen sich die Ausführungskosten auf Fr. 14—15 000 pro
ha stellten. Mit Recht zweifelt es daran, dass diese Werke
eine Rendite abwerfen, selbst wenn die Kantons- und Bundes¬
beiträge nicht in Rechnung gestellt werden. Die Kantone haben
diese Projekte offenbar nur mit Rücksicht auf ihre volks¬
wirtschaftliche Bedeutung (Steigerung der Nahrungsmitteler¬
zeugung um jeden Preis, Arbeitslosenbeschäftigung usw.) ge¬
nehmigt. Die Bedingung, dass die Kosten des Unternehmens mit
seinem Nutzen im Einklang stehen müssen, bietet somit keine
Garantie für die privatwirtschaftliche Rentabilität der zur Aus¬
führung gelangenden öffentlichen Meliorationen. Der Bund hat
nun wohl die Kantonsregierungen eingeladen, auch der privat¬
wirtschaftlichen Rentabilität der Meliorationen das nötige Au¬
genmerk zu schenken.128) Er konnte dies aber nur tun mit Rück¬
sicht auf die ihm zur Subventionierung vorzulegenden Bodenver¬
besserungen. Für die nicht subventionierten öffentlichen Me¬
liorationen, die heute zwar kaum vorkommen, mit der Zeit aber
möglich sind, besteht demnach die Gefahr, dass die nachgehen¬
den Grundpfandgläubiger infolge der mangelnden privatwirt¬
schaftlichen Rentabilität der Werke zu Schaden kommen kön¬
nen. Diese Gefahr besteht solange, als die kantonalen Gesetze
12S) Kreisschreiben des Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungenbetr. Qewässerkorrektionen und Bodenverbesserungen vom 11. Mai 1920.
Kreisschreiben des eidg. Volkswirtschaftsdepartementes an die Kantons¬
regierungen betr. Bodenverbesserungen vom 14. Okt. 1920, sowie vom
2. Juni 1923.
83
nicht ausdrücklich den Nachweis der privatwirtschaftlichen
Rentabilität der zur Genehmigung vorgelegten öffentlichen
Meliorationen verlangen.
Die behördliche Bauaufsicht ist in den einzelnen Kantonen
sehr verschieden geordnet. Im Kanton Zürich z. B. wird die
Ausführung der Entwässerungen und Bewässerungen von der
Kommission beaufsichtigt (lb, § 89). Die Kommission ihrer¬
seits steht unter der Aufsicht des Bezirksrates und unter der
Oberaufsicht der Volkswirtschaftsdirektion (lb, §83). Bei ver¬
besserten Flureinteilungen werden die Arbeiten unter Mitwir¬
kung der Kommission und unter der Oberleitung des kantonalen
Meliorationsamtes ausgeführt (lb, § 108). In den meisten Kan¬
tonen, so auch im Kanton Bern (vergl. 2a, Art. 97 und 94),
wird dagegen die Bauaufsicht vollständig der Ausführungskom¬
mission (auch Flurkommission etc. genannt) überlassen. Diese
muss die notwendigen Akten erst nach der Vollendung der
Arbeiten dem Regierungsrat zur Sanktion vorlegen. Vor der
Sanktion greift der Regierungsrat nur dann ein, wenn sich im
Verlaufe der Ausführung Veränderungen oder Ergänzungen als
nötig erweisen. Da die Ausführungskommission regelmässig
nicht aus kulturtechnischen Sachverständigen, sondern aus be¬
teiligten Landwirten besteht, so kann diese Bauaufsicht nicht
genügend sein. Eine unparteiische und technisch genügende
Bauaufsicht wird nach unserer Ansicht nur durch die Mitwir¬
kung des kantonalen Kulturingenieurs garantiert.128)Bei den vom Bunde subventionierten Meliorationen muss die
kantonale Verwaltung in jedem einzelnen Falle die bestimmte
Verpflichtung übernehmen, die ausgeführten Verbesserungs¬
arbeiten gut zu unterhalten. Dabei steht ihr der Rückgriff auf
die beteiligten Gemeinden, Korporationen oder Privaten zu
129) Amtsschreiber Salzmann (MSchrBV, 1922, S. 369 ff.) berichtet von
Kostenüberschreitungen im Kanton Bern von mehr als lOOo/o und von
Verlusten der Grundpfandgläubiger in der 3. und sogar 2. Pfandstelle
infolge des Bodenverbesserungspfandreehtes. Diese Mißstände bei Boden¬
verbesserungen sind zweifellos zum größten Teil der während des Krieges
eingetretenen, sprungweisen Steigerung der Arbeitslöhne und Material¬
preise zuzuschreiben. Wir fragen uns aber, ob nicht auch da£ Meliorations¬
gesetz in diesen Fällen am Mißerfolg mitschuldig ist, indem es eine
intensive Mitwirkung des kantonalen Kulturingenieurs bei der Bauaufsicht
nicht vorsieht.
84
(LG, Art. 9c). Die Kantone haben daher die subventionierten
Meliorationen einer behördlichen UnterhaltskontroHe unter¬
worfen. Diese wird aber in den einzelnen Kantonen mit sehr
verschiedener Strenge durchgeführt. Einige Kantone haben
auf Grund besonderer Verordnungen eine intensive Unterhalts¬
kontrolle organisiert, so Aargau (19d), Neuenburg (24b) und
Genf (25d). Es gibt aber auch Kantone, die gewaltige Summen
für Bodenverbesserungen aufwenden, die Unterhaltsaufsicht
aber fast vollständig vernachlässigen. Für die nicht subventio¬
nierten Meliorationen scheinen überhaupt keine gesetzlichen Be¬
stimmungen über den Unterhalt zu bestehen, diejenigen des
ZGB ausgenommen. Einzig im zürcherischen Landwirtschafts¬
gesetz fanden wir eine Bestimmung, nach der der Unterhalt
eines auf Grund des Mehrheitszwanges ohne Subvention erstell¬
ten Weges Sache sämtlicher Wegeberechtigten ist (lb, § 135).
Über den Umfang und die Art der Durchführung des Unter¬
haltes entscheidet aber die Versammlung der Grundeigentümer
(lc, § 59). Also besteht auch hier keine behördliche Garantie
für den Unterhalt.
C. Zeitpunkt der Entstehung des Pfandrechtes.
Das öffentlich-rechtliche Bodenverbesserungspfandrecht ent¬
steht bekanntlich in einigen Kantonen ohne weiteres mit der
Forderung für die ausgeführten Meliorationsarbeiten, in andern
Kantonen dagegen erst mit der Eintragung ins Grundbuch. So¬
fern unsere Ansicht, dass das Vorzugspfandrecht vor Beginnder Arbeiten auf Grund der behördlich genehmigten provisori¬schen Kostenverteilung eingetragen werden kann, richtig ist,dann ist in beiden Fällen die Forderung, dass das Pfandrecht
zu Beginn der Bauarbeiten bestehen soll, erfüllt. Trotzdem be¬
friedigt uns keine der beiden Lösungen vollständig.Entsteht das Vorzugspfandrecht automatisch mit der Me¬
liorationsforderung, so wird das für die Grundpfandrechte
lichen Meliorationsarbeiten im Laufe der Jahre unsichtbar ge¬
worden sind (Drainagen, Alpräumungen etc.).
Im allgemeinen beschränkt sich das öffentlich-rechtliche
Pfandrecht für Bodenverbesserungen auch nicht auf einzelne
Jahresraten, sondern bezieht sich auf die ganze Pfandsumme.
Eine Ausnahme von dieser Regel besteht bekanntlich nur in den
Kantonen Luzern, Thurgau und Waadt. Es besteht also im all¬
gemeinen auch keine gesetzliche Gewähr dafür, dass die For¬
derungen der Meliorationsgenossenschaften alle Jahre einge¬
zogen werden und sich nicht anhäufen.
Bei den Kostenbeiträgen an öffentliche Meliorationen treffen
somit die Voraussetzungen, die eine Unterlassung der Eintra¬
gung rechtfertigen, nicht zu. Wir halten daher im Interesse
eines gesunden Grundpfandwesens die Eintragungspflicht bei
Bodenverbesserungspfandrechten für absolut notwendig.
TABELLE III.
Verhältnis der Kostenbeiträge zum ursprünglichen Bodenwert
bei einigen waadtländischen Bodenverbesserungen.
Unternehmen Baujahr Entwässerte Zusammen¬ gelegteBaukosten
Ursprünglicher Bodenwert Kostenbeiträgein
°/o
des
ursprüngl. Bodenwertes Bemerkungena
, s
c v
KB
ö
1 M1
E § Total
1 2? <
3—
N |
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3 -a
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gif =
> a> n
Fläche
Trey
Avenches
Orges
Fey-Sugnens
Chabrey
Vuillens
Villeneuve
Bioley-Orjulaz
Ballens II
1911/13
1911/13
1913/14
1914/19
1918/19
1916/19
1916/19
1917/20
1915/21
ha
110
103
52
26
127
100
166
131
195
ha
135
52
115
136
111
166
128
448
Fr./ha
760
884
710
728
1500
1134
3870
3340
Fr./ha
395
550
496
942
598
1036
423
Fr./ha
1155
884
1260
1224
2442
1882
3856
4906
3763
Fr./ha
610
442
400
612
964
1365
2354
2572
2000
Fr./ha
2130
1266
2640
3213
3889
3002
1320
2463
1500
°/o
28,6
35,0
15,2
19,0
24,8
45,5
178,3
104,4
133,3
1 w
II1Is
II
Li
87
Auch dem Eintragungszwange haftet zwar ein grosser Nach¬
teil an, der dann zur Auswirkung kommt, wenn das Pfandrecht
für Beiträge an Güterzusammenlegungen vor der Beendigung
des Unternehmens eingetragen werden soll. In diesem Faü
müssen nämlich die Pfandrechte zuerst auf die alten Grund¬
stücke eingetragen werden und können erst nach der Durch¬
führung der Meliorationen nach Art. 802—804 ZGB auf die
neuen Grundstücke übertragen werden. Auf diese Weise muss
viel unnütze Arbeit geleistet werden.
Dieser Nachteil kann indessen dadurch vermieden werden,
dass das öffentlich-rechtliche Bodenverbesserungspfandrechtnach der Feststellung der Beitragspflicht (behördliche Genehmi¬
gung des Projektes) im Grundbuch vorgemerkt und erst nach
der Feststellung des Betrages, also nach der Durchführung der
Meliorationen, innerhalb einer bestimmten Frist als Grund-
pfandverschreibung eingetragen werden muss. Dieses System
der Vormerkung und nachträglichen Eintragung besteht be¬
reits bei Güterzusammenlegungen im Kanton Genf (25c, Art. 5).
Es gestattet die nur einmalige Eintragung des Pfandrechtes
mit der endgültigen Pfandsumme, ohne das Eintragungsprinzip
zu verletzen, da durch die Vormerkung jeder Interessent wäh¬
rend der Dauer des Baues auf die später erfolgende Belastung
durch ein öffentlich-rechtliches Bodenverbesserungspfandrechtaufmerksam gemacht wird.
D. Dauer des Pfandrechtes.
Die Dauer des öffentlich-rechtlichen Bodenverbesserungs¬
pfandrechtes ist ausser in Luzern in keinem Kanton durch das
Gesetz beschränkt. Es ist somit den Meliorationsgenossenschaf¬ten und ihren Gläubigern überlassen, die Tilgungsdauer und
damit die Dauer des Vorzugspfandrechtes festzulegen.131) Die
m) In den Kantonen Thurgau und Waadt besteht scheinbar eine zeit¬
liche Beschränkung des öffentlich-rechtlichen Bodenverbesserungspfand¬
rechtes, indem sich dieses nur auf Beträge bezieht, die nicht mehr als
ein bezw. drei Jahre mit Verfall ausstehen. Ein bezw. drei Jahre nach der
Fälligkeit der letzten jährlichen Teilabzahlung fällt also das Pfandrecht
dahin. Da die minimale Tilgungsquote im Gegensatz zu Art. 821 ZOB
vom Gesetz nicht vorgeschrieben wird, so liegt es auch hier in den Händen
der Genossenschaften und der mitwirkenden Behörden, die "Dauer des
Vorzugspfandrechtes zu bestimmen.
7
88
Tilgungsdauer variiert in den einzelnen Kantonen be¬
deutend. Sie beträgt nach Blatter (S. 46 ff.) im Kan¬
ton Luzern 1—2 Jahre, Basel-Land 3 Jahre, Aargau 5 Jahre,Wallis und Neuenburg 10 Jahre. Im Kanton Zürich
richtet sie sich nach der Grösse des Unternehmens und
beträgt 4 Jahre bei kleinen, 4—6 Jahre bei mittleren und 8—12
Jahre bei grossen Meliorationen. Im Kanton Freiburg beträgtdie Tilgungsquote 2% und im Kanton Uri mindestens Vfc%> was
einer Tilgungsdauer von etwa 30, bezw. höchstens 50 Jahren
entspricht. Da der Staat die Oberaufsicht über die öffentlich¬
rechtlichen Bodenverbesserungsgenossenschaften ausübt, und
ihm somit auch die Genehmigung der in Aussicht genommenen
Tilgungsfrist obliegt, so hat er es in der Hand, die Tilgungs¬frist so zu gestalten, dass sie keine berechtigten Interessen ver¬
letzt. Es ist aber ungewiss, ob die zuständige Behörde ohne
besondere gesetzliche Vorschriften sich tatsächlich um die Til¬
gungsdauer bekümmert. Fraglich ist auch mit welchen Mit¬
teln die Behörde wirksam einschreiten könnte, wenn die Me¬
liorationsgenossenschaft die genehmigte Tilgungsfrist über¬
schreitet. Die gleichen Gründe, die für die gesetzliche Til¬
gung des privatrechtlichen Bodenverbesserungspfandrechtes
sprechen, haben auch für das öffentlich-rechtliche Bodenver¬
besserungspfandrecht ihre Gültigkeit. Wir fordern daher auch
für dieses eine gesetzlich festgelegte minimale Tilgungsquote,wie sie z. B. in Art. 821 ZGB vorgesehen ist.
E. Umfang des Pfandrechtes.
Durch das öffentlich-rechtliche Bodenverbesserungspfand¬recht werden in erster Linie die Beiträge, die die Beteiligten der
Meliorationsgenossenschaft an die Erstellungskosten schulden,
sichergestellt. Eine Begrenzung, wie sie bei den privatrechtli¬chen Bodenverbesserungspfandrechten für nicht subventionierte
Meliorationen vorgesehen ist, besteht hier nicht.
Wie wir gesehen haben (S. 56), bezieht sich das öffentlich¬
rechtliche Bodenverbesserungspfandrecht in der Regel auf alle
Forderungen der Meliorationsgenossenschaft, also auch auf die
Unterhaltskosten. Bei diesen handelt es sich aber nicht wie
bei den Baukosten um einen nach Abschluss der Meliorations¬
arbeiten genau bekannten Betrag, sondern um jährliche Bei-
89
träge, deren Höhe je nach den notwendig werdenden Unter¬
haltsarbeiten wechselt. Da die Unterhaltskosten zudem regel¬
mässig im Verhältnis zum Pfandwert sehr klein sind und zur
Erhaltung des Pfandes dienen, so liegt es nahe, in Analogie zu
Art. 808 III und 810 II ZGB auf die Eintragung des Pfand¬
rechtes für die Unterhaltskosten zu verzichten. Noch geeig¬
neter erscheint uns das Vorgehen des Kantons St. Gallen, der
die Unterhaltskosten als öffentlich-rechtliche Grundlasten, die
im Grundbuch ohne Bezifferung der Beiträge vorgemerkt wer¬
den, betrachtet (17a, Art. 199, 3). Wir geben dieser Sicher¬
stellung der Unterhaltskosten gegenüber dem Pfandrecht den
Vorzug, weil der Unterhalt als eine Leistung aus dem Grund¬
stück betrachtet werden kann und daher reine Sachhaftung des
Grundstücks und nicht persönliche Haftung des Melioranten
angezeigt erscheint.
Nach den Ausführungen von Kulturingenieur A. Strüby
kommt es vor, dass wegen des Fehlens jeglicher Gesetzesbe¬
stimmungen über das Genossenschaftswesen und das Verfahren
nach wenigen Jahren nach der Vollendung eines Werkes die
administrativen Kosten, Bauzinse und Unterhaltskosten mehr
ausmachen, als die gesamten Baukosten.132) Da das Pfandrecht
regelmässig für alle Forderungen der Meliorationsgenossen¬
schaft gegenüber den Beteiligten besteht, so wird in dem ge¬
nannten Fall trotz behördlicher Projektbegutachtung und Bau¬
aufsicht die Pfandsumme grösser ausfallen als der voraussicht¬
liche, der Rentabilitätsberechnung zugrunde gelegte Kostenan¬
teil. Durch die blosse Eintragungspflicht kann diese Gefahr
nicht vermieden werden, dagegen dadurch, dass das Vorzags-
pfandrecht sich ausschliesslich auf die Erstellungskosten er¬
streckt und die Eintragung innert kurzer Frist, z. B. spätestens
6 Monate nach der Vollendung des Werkes vorgenommen werden
muss. Zudem muss der Kanton durch das Verfahren dafür
sorgen, dass die Eintragung nur auf Grund einer behördliche.!
Urkunde vorgenommen wird. Der Art. 22 GBVo allein gibt
diese Garantie nicht.
132) Strüby, Zur Revision des Bundesgesetzes betr. die Förderung der
Landwirtschaft unter spezieller Berücksichtigung des Bodenverbesserungs¬wesens und der AlpWirtschaft, Manuskript, 1923, S. 28.
90
§ 9. Ergebnisse und Vorschläge.
Das privatrechtliche Bodenverbesserungs¬
pfandrecht wird durch die Art. 820 und 821 ZGB geregelt.
Es bezweckt, jedem, auch dem mittel- und kreditlosen Grund¬
eigentümer das notwendige Kapital zur Ausführung rentabler
Bodenverbesserungen zu verschaffen. Dieses Ziel soll dadurch
erreicht werden, dass den Meliorationsgläubigern durch die Me¬
liorationspriorität erstklassige Grundpfandsicherheit für das
Meliorationsdarlehen gewährt wird, ohne dass die nachgehenden
Grundpfandgläubiger geschädigt werden.
Das Pfandrecht nach Art. 820 und 821 ZGB erfüllt, wie
übrigens auch die ihm ähnlichen Einrichtungen des Auslandes,seine Bestimmung nur mangelhaft, und zwar aus folgendenGründen :
1. Die privatwirtschaftliche Rentabilität der Meliorationen
wird vom Gesetz nicht mit der notwendigen Bestimmtheit als
Voraussetzung zur Errichtung des Vorzugspfandrechtes ge¬
fordert; ebenso wenig garantiert das Gesetz den geordnetenUnterhalt der Meliorationen. Die nachgehenden Grundpfand¬
gläubiger können daher gelegentlich infolge ungenügender Wert¬
erhöhung oder Abnahme des Mehrwertes des Pfandes zu Scha¬
den kommen.
2. Bei subventionierten Meliorationen ist vom Gesetz keine
obligatorische Tilgung der Pfandschuld vorgesehen, sodass die
nachgehenden Grundpfandgläubiger auch infolge unvermeid¬
lichen Zerfalles oder Veraltens der Melioration zu Schaden kom¬
men können.
3. Der Meliorant kann das Bodenverbesserungspfandrechterst nach der Ausführung der Melioration ins Grundbuch
eintragen lassen; er kann daher die Bodenverbesserung nur
dann ausführen, wenn er für die Zeit der Ausführung über an¬
derweitigen Kredit verfügt.
4. Bei nicht subventionierten, aber doch privatwirtschaft¬lich rentabeln Meliorationen kann das Bodenverbesserungs¬pfandrecht trotz der Rentabilität, also trotz voller Sicherung
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der nachgehenden Grundpfandgläubiger, nur für zwei Dritteile
des Kostenanteils errichtet werden.'
Der Meliorant kann die
Bodenverbesserung also nur ausführen, wenn er über weitern
Kredit verfügt.
5. Aus dem Text von Art. 821 ZGB ergibt sich die vom Ge¬
setzgeber gewollte Tilgungsart nicht unzweideutig, da das Wort
«Annuität» mehrfache Bedeutung hat.
Diese Mängel können dadurch beseitigt werden, dass die
Art. 820 und 821 ZGB im folgenden Sinne abgeändert werden:
Wird ein ländliches Grundstück durch eine Bodenverbesse¬
rung, deren Durchführung und Unterhalt der behördlichen Auf¬
sicht unterworfen sind, laut einem Gutachten der zuständigen
Behörde voraussichtlich im Ertragswerte erhöht, so kann der
Grundeigentümer nach der behördlichen Genehmigung des Pro¬
jektes für die Erstellungskosten zur Sicherung seines Gläubigers
eine Grundpfandverschreibung in das Grundbuch eintragen las¬
sen, die allen andern eingetragenen Belastungen vorgeht.
Die Pfandschuld muss durch Rückzahlungen jährlich min¬
destens um einen Zwanzigstel der eingetragenen Pfandsumme
vermindert werden. Das Pfandrecht erlischt für die Forderung
und für jede jährliche Rückzahlung nach Ablauf von drei Jah¬
ren seit Eintritt der Fälligkeit, und es rücken die nachfolgenden
Pfandgläubiger nach.
Die Kantone ordnen das Verfahren.
Das öffentlich-rechtliche Bodenverbesse¬
rungspfandrecht wird durch das öffentliche Recht der
Kantone geregelt. Es bezweckt, den öffentlich-rechtlichen Kör¬
perschaften, insbesondere den öffentlichen Meliorationsgenos¬
senschaften, durch die Meliorationspriorität erstklassige Grund¬
pfandsicherheit für die Kostenbeiträge der Beteiligten zu bie¬
ten, ohne dass dadurch die nachgehenden Grundpfandgläubiger
geschädigt werden. Das angestrebte Ziel wird aus folgenden
Gründen nicht oder nicht vollständig erreicht:
1. Mehrere Kantone kennen das öffentlich-rechtliche Boden¬
verbesserungspfandrecht überhaupt nicht und verfügen auch
nicht über ein anderes wirksames Mittel zur Sicherstellung der
Kostenanteile der Beteiligten,
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2. Es gibt Kantone, die den Vorrang des öffentlich-rechtli¬
chen Bodenverbesserungspfandrechtes nicht ausdrücklich fest¬
setzen und so zum vorneherein auf die Meliorationspriorität ver¬
zichten.
3. In denjenigen Kantonen, die einen gesetzlichen Anspruchauf die Eintragung eines öffentlich-rechtlichen Bodenverbesse¬
rungspfandrechtes geschaffen haben, kann dieses nach der in
der Literatur geäusserten Ansicht erst nach der Durchführungder Melioration errichtet werden, sodass die Meliorationsgenos¬senschaften während der Dauer der Ausführungsarbeiten bei
der Zwangsverwertung eines beteiligten Grundstücks zu Scha¬
den kommen können.
4. In den Kantonen, in denen das öffentlich-rechtliche Bo¬
denverbesserungspfandrecht ohne Eintragung besteht, wird das
Eintragungsprinzip ernstlich gefährdet.
5. Im allgemeinen sehen die Kantone keine obligatorischeTilgung der Pfandschuld vor, sodass bei unvermeidlichem Zer¬
fall oder Veralten der Melioration die nachgehenden Grund¬
pfandgläubiger zu Verlust kommen können.
Diese Mängel können dadurch beseitigt werden, dass die
kantonalen Bestimmungen betr. das Bodenverbesserungspfand¬recht wie folgt formuliert werden:
Zugunsten der öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die eine
öffentliche Bodenverbesserung durchführen, besteht durch Vor¬
merkung im Grundbuch gegenüber den beteiligten Grundeigen¬tümern zur Sicherung der Anteile an den Erstellungskosten ein
gesetzliches Pfandrecht, das allen eingetragenen Belastungenvorgeht und mit den übrigen gesetzlichen Pfandrechten im glei¬chen Range steht. Dieses Pfandrecht muss spätestens 6 Mo¬
nate nach der behördlichen Genehmigung der ausgeführten Ar¬
beiten im Grundbuch eingetragen werden.
Die Pfandschuld muss durch Rückzahlungen jährlich min¬
destens um einen Zwanzigstel der eingetragenen Pfandsumme
vermindert werden. Das Pfandrecht erlischt für die Forderungund jede jährliche Rückzahlung nach Ablauf von drei Jahren
seit Eintritt der Fälligkeit.Die Beiträge an die Unterhaltskosten öffentlicher Boden¬
verbesserungen haften an den beteiligten Grundstücken als öf-
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fentlich-rechtliche Grundlasten, die ohne Bezifferung der Be¬
träge spätestens 6 Monate nach der behördlichen Genehmigung
der ausgeführten Arbeiten im Grundbuch vorgemerkt werden
müssen.
Die Verwirklichung unserer Vorschläge liegt durchaus im
Bereiche der Möglichkeit. Nur besteht die Gefahr, dass die
Revision des bestehenden privatrechtlichen Bodenverbesserungs¬
pfandrechtes lange Zeit auf sich warten lassen würde, da eine
Teilrevision des ZGB als ausgeschlossen erscheint. Ferner ist
zu befürchten, dass selbst bei baldiger Revision der kantonalen
Meliorationsgesetze auch in Zukunft wieder jeder Kanton ein